2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten...
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2. Der theoretische Bezugsrahmen
2.1. Der Catching-up Product Cycle aus makroökonomischer Sicht
Der Catching-up Product Cycle entstand in seiner ursprünglichen Fassung von
Akamatsu als wirtschaftliches Wachstumsmodell zur Erklärung des Prozesses
von einem Entwicklungs- zu einem Industrieland. Danach durchläuft ein
Entwicklungsland vier Stufen der Wirtschaftsentwicklung. Betrachtet man nur
ein Konsum- und ein Kapitalgut, so beginnt das Entwicklungsland auf der ersten
Stufe mit dem Import eines Konsumgutes. Auf der zweiten Stufe kann es dieses
Konsumgut selbst herstellen und auf der dritten Stufe wird es dieses
Konsumgut exportieren. Um eine Stufe verschoben, beginnt dieses
Entwicklungsland mit dem Import eines Kapitalgutes auf der zweiten Stufe. Die
inländische Produktion dieses Kapitalgutes ist auf der dritten Stufe möglich und
auf der vierten Stufe kann es dieses Kapitalgut exportieren. Akamatsu geht
hierbei von einer Finanzierung durch ausländisches und heimisches Kapital
aus1. Die einzelnen Stufen lassen sich folgendermaßen charakterisieren:
Auf der ersten Stufe spezialisiert sich ein Entwicklungsland auf den Export
von Primärgütern und Import von Konsumgüter aus Industrieländern
(Importphase).
In der zweiten Stufe erreicht das Entwicklungsland das Niveau,
Konsumgüter für den Inlandsmarkt zu produzieren und zieht damit mit den
Industrieländern gleich. Diese Importsubstitutionsphase ist entscheidend für den
Aufbau einer eigenen Industrie. An diesem Prozeß werden sich ausländische
Investoren beteiligen2. Das Land importiert auf dieser Stufe Kapitalgüter zum
weiteren Ausbau seiner Konsumgüterindustrie.
In der Expansions- bzw. Exportphase exportiert dieses Land Konsumgüter.
In dieser Phase kommt es zu einer Differenzierung zwischen benachbarten
1 Trägt man in einem Diagramm auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Menge derImporte, inländischen Produktion und der Exporte ab, so erhält man drei sich überschneidende,zunächst auf- und dann wieder absteigende Graphen, die Akamatsu aufgrund ihrer Form einesumgedrehten V an den Formationsflug "fliegender Wildgänse" erinnern. Vgl. Ders., A Theory ofUnbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.206f.2 Interpretation von Lee, Chung H., Direct Foreign Investment, Structural Adjustment andInternational Divsion of Labour: A Dynamic Macroeconomic Theory of Direct ForeignInvestment, a.a.O., S.61.
Ländern, die zuvor gleiche homogene Primärgüterindustrien besaßen; z.B.
China und Japan haben gegen Ende des 19. Jahrhunderts Rohseide, Tee und
Reis produziert. Der Handel zwischen Ländern auf der dritten Stufe mit denen
auf der ersten Stufe führt zu einem Austausch leichter industrieller Güter gegen
Nahrungsmittel und Rohstoffe und erhöht den Handel der Entwicklungsländer
untereinander. Die inländische Produktion, die durch den Import von
Fertigwaren angeregt wurde, beginnt nun sich auf den Export auszudehnen.
Auf der vierten Stufe beginnt die inländische Produktion von Kapitalgütern,
die mit dem Import von Kapitalgütern auf der zweiten Stufe angeregt wurde.
Langsam zeichnet sich in dieser Phase ab, daß diese im Inland produzierten
Kapitalgüter exportiert werden, wie das Beispiel Japans zu Beginn der
sechziger Jahre zeigte3. Auch beim Aufbau dieser kapitalgüterintensiven
Industrie werden sich ausländische Investoren beteiligen.
Nach Akamatsu vollzieht sich diese Höherentwicklung aus einer
abwechselnden Reaktion auf Angebots- und Nachfragelücken. Auf jeder Stufe
werden aufgrund der Ungleichgewichtssituation Marktkräfte freigesetzt, die
diese Situation beseitigen, und somit eine höhere Stufe realisieren.4
Bemerkenswert ist, daß Akamatsu seiner Zeit weit voraus das Wachstum
von Entwicklungsländern aus einer Ungleichgewichtssituation heraus erklärt, in
die diese geraten, wenn sie mit ihren Primärgütern erstmals am Welthandel als
Exporteure teilnehmen und hierfür neue Güter erwerben können, die zuvor in
diesem Land unbekannt waren. Die unbefriedigte Nachfrage nach einem neuen
Gut in einem Entwicklungsland führt zu dessen Import. Übertreffen die Gewinne
aus dem Import dieses Gutes die bisherigen Gewinne in der Inlandsproduktion,
so wird ein Anreiz geschaffen, daß inländisches Kapital in den Aufbau dieser
neuen Industrie fließt5. Auf diese Weise kann eine neue Branche entstehen.
Die von Akamatsu gewählte Terminologie läßt sich mit der
3 Akamatsu, K., A Theory of Unbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.206ff.4 Akamatsu nennt in Anlehnung an seine Studien der Hegelschen Philosophie in Heidelberg 1924-26 seine Entwicklungstheorie, die aus der Diskrepanz heraus entsteht, eine dialektische Synthese.Ebd., S.213. Angesichts der vorgebrachten Argumentation ist es gerechtfertigt, Akamatsu in dieReihe der Hegelianer einzuordnen. Vgl. auch bei Pascha, W. “Das hegelsche Erbe ist (beiAkamatsu) unverkennbar.“ in: Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- undSüdostasiens, a.a.O., S.167.5 Akamatsu, K., A Theory of Unbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.212.
betriebswirtschaftlich orientierten Produktzyklustheorie von Vernon6 und dem
Marktphasenkonzept von Heuss/Oberender7 vergleichen. Die ersten drei Stufen
bei Akamatsu beschreiben die Wachstumsphase eines Gutes. Sie können mit
der Experimentierungs-, Entstehungs- und Reifephase von Vernon
gleichgesetzt werden, während auf der vierten Stufe, der Stagnations- bzw.
Rückbildungsphase, ein neues Gut, z.B. im obigen Fall ein Kapitalgut das
Konsumgut ablöst. Nach Oberender8 beginnen die Direktinvestitionen im
Ausland in der Ausreifungsphase des Heimatlandes des Investors. Diese
ausländischen Direktinvestitionen finden dementsprechend in der
Exportsubstitutionsphase des Gastlandes statt und orientieren sich an der
lokalen Nachfrage. Der Ansatz von Vernon unterscheidet sich von Akamatsu in
der Berücksichtigung der Innovation neuer Güter, die vom „Innovator“ aus
zunächst über Exporte und dann über Direktinvestitionen in der Welt verbreitet
werden.
Basierend auf der theoretischen Verbindung von Catching-up Product
Cycles mit dem internationalem Handel von Akamatsu untersucht Kojima die
Wirkung ausländischer Direktinvestitionen auf das Gastland und zieht die
Schlußfolgerung, daß FDI eine handelsförderende oder handelshemmende
Wirkung entfalten können. Kojima geht bei seinen Überlegungen von einem
Zwei-Länder-zwei-Güter-Fall aus. Stammen die ausländischen Investitionen aus
einer komparativ benachteiligten Branche des Ursprungslandes und verstärken
den komparativen Vorteil des Gastlandes in dieser Branche, so lassen diese die
Exporte des Gastlandes in dieser Branche zunehmen und wirken
handelsfördernd, da das Stammland des ausländischen Investors weiterhin
seine komparativ vorteilhaften Güter in das Gastland exportieren kann. Im
umgekehrten Fall, wenn die ausländischen Investitionen aus der komparativ
6 Vernon, R., International Investment and International Trade in the Product Cycle, in: QuarterlyJournal of Economics, Bd. 80, 1966, S.190-207.7 Das Marktphasenkonzept geht auf Heuss zurück und wurde von Oberender ausgebaut. Vgl.Heuss, Ernst, Allgemeine Markttheorie, Tübingen Zürich 1965; Oberender, Peter, InternationalerHandel und Marktökonomie: Eine markttheoretische Fundierung des internationalen Handels,in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 33. Jahr, Tübingen 1988,S.41-61; Oberender, Peter, Marktdynamik und internationaler Handel: Eine theoretische undempirische Analyse dargestellt anhand der amerikanischen Uhrenindustrie von 1965 bis 1978,Tübingen 1988.8 Oberender, P., Marktdynamik und internationaler Handel: Eine theoretische und empirischeAnalyse dargestellt anhand der amerikan. Uhrenindustrie von 1965 bis 1978, a.a.O., S.26f.
vorteilhaften Branche des Stammlandes kommen und in die bisher komparativ
benachteiligte Branche des Gastlandes gelangen, so wird nur der bisherige
Nachteil im Gastland ausgeglichen und die Exportchancen des Stammlandes
für dieses Gut in das Gastland geschmälert. Aufgrund der ausländischen
Investitionen wird also der bisherige Handel eingeschränkt.
Kojima geht noch einen Schritt weiter und stellt die Hypothese auf, daß die
japanischen FDI makroökonomisch orientiert sind, d.h. sie resultieren in einer
geordneten Verlagerung derjenigen Industrien, in denen Japan seine
komparativen Vorteile verliert und umgekehrt das Gastland komparative Vorteile
besitzt9. Durch diese FDI werden eine höherentwickelte Technologie und
Managementkenntnisse in das Gastland eingeführt. Die Kojima-Theorie10
beruht auf folgenden Basisannahmen:
1. Freihandelsprinzip: Nach den komparativen Kosten importiert jedes Land
diejenigen Güter mit komparativen Nachteilen und exportiert jene mit
komparativen Vorteilen. Daraus resultieren Handelsgewinne und die
Steigerung der volkswirtschaftlichen Wohlfahrt.
2. FDI-Prinzip: Die Industrien des Stammlandes wählen diejenigen Industrien
des Gastlandes mit potentiellen komparativen Vorteilen. Diese entsprechen
komparativen Nachteilen im Stammland. Es kommt zu einer Verschiebung
von Betriebskapital aus dem komparativ benachteiligten Stammland in
diejenige Industrie mit komparativen Vorteilen des Gastlandes. Weil dadurch
die Produktivität im Gastland verbessert wird, vergrößern sich die
Unterschiede der komparativen Produktionskosten in beiden Ländern und
der Handel nimmt zu.
Daraus zieht Kojima nun 5 Folgesätze:
Folgesatz 1: Beziehung zwischen internationalem Handel und FDI
Aus der internationalen Arbeitsteilung erfolgen für beide Handelspartner
statische Gewinne. Zusätzlich transferieren die FDI Kapital, Technologie,
9 Kojima bezeichnet dies als das Prinzip der komplementären, komparativen VorteilsmusterKojima, K., Japanese, Direct Investment Abroad, a.a.O., S.13. Kojima, K., MacroeconomicVersus International Business Approach to Direct Foreign Investment, in: Hitotsubashi Journalof Economics, June 1982, S.1-19, hier S.2.10 Kojima, K., Kaigai chokusetsu toshi no makuro bunseki (Die Makroanalyse der ausländischenDirektinvestitionen), 1989, S.4. (Zitierweise: Die Makroanalyse der ausländischenDirektinvestitionen).
Managementfähigkeiten auf das Gastland, senken dort die Kosten und
lösen einen dynamischen Strukturwandel entlang der komparativen Kosten
aus. Im Falle, daß die FDI aus einer komparativ benachteiligten Industrie
des Gastlandes stammen, wirken sie komplementär zum internationalen
Handel. Im Falle, daß die FDI aus einer komparativ vorteilhaften Industrie
stammen, ersetzen und verringern sie den internationalen Handel11.
Folgesatz 2: Der handelsorientierte japanische FDI-Typ wirkt komplementär
zum internationalen Handel. Die japanischen Investoren streben eine
Versorgung aus dem Gastland an (Offshore Sourcing).
Folgesatz 3: Der Technologietransfer ist um so leichter, je kleiner die
technologische Lücke zwischen den beiden Ländern ist.
Folgesatz 4: Makroökonomischer Ansatz mit mindestens zwei Ländern und
gegebener Faktorausstattung und Produktionsfunktionen nach dem
Heckscher-Ohlin Modell.
Für Kojima sind die relativen komparativen Kosten, die relative
Faktorausstattung, die relativen Faktorpreise, die relativen
Faktorintensitäten maßgebend. In der Realität ist es schwierig diese
komparativen Kosten zu messen12.
Folgesatz 5: Korrespondenzprinzip zwischen komparativen Gewinnen und
komparativen Kosten.
Dieses Prinzip besagt, daß das Verhältnis der komparativen Gewinne
(Gewinne in der X-Industrie geteilt durch Gewinne in der Y-Industrie im
Land A in Relation zum Gewinnverhältnis im Land B) umgekehrt zum
Verhältnis der komparativen Kosten (analog kalkuliert) ist. Die vorteilhaften
FDI werden in jene Industrien mit komparativen Wettbewerbsvorteilen
fließen13.
Aus den fünf Folgesätzen ergeben sich folgende Auswirkungen auf das
Gastland.
1. Nach dem Kojima-Modell bewirken die FDI eine dynamische Umgruppierung
der Produktionsfaktoren innerhalb der internationalen Arbeitsteilung. Beim
11 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.3.12 Ebd., S.4.13 Ebd., S.5.
Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten
spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es
komparative Vorteile besitzt und exportiert dieses, während es umgekehrt
die Produktion des komparativ benachteiligten Gutes einschränkt und dieses
importiert. Dies führt zu statischen Handelsgewinnen. Der auslösende
Faktor für FDI ist die zunehmende Grenzproduktivität im Stammland in der
komparativ unterlegenen Industriebranche, während es im Gastland an
Kapital, Technologie und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten mangelt, und
gleichzeitig potentielle komparative Vorteile in dieser Industriebranche
bestehen. Die Folge ist eine Verbesserung der Produktionsfunktionen bzw.
eine Vergrößerung der komparativen Produktionskostenunterschiede sowie
eine Zunahme des Handels.
2. Bei zunehmenden komparativen Nachteilen des Stammlandes kommt es zu
einer Expansion der Auslandsinvestitionstätigkeiten, einschließlich der
Rohstofferschließung. Gewinne entstehen aus der billigeren Produktion des
Gastlandes, die in das Stammland oder in Drittstaaten exportiert wird. Diese
Form des Offshore Sourcing ist für Japans FDI kennzeichnend. Für das
Gastland bedeutet die Zunahme von Exporten mit neuen Gütern eine
Vergrößerung des Handels. Mit der Produktionssteigerung im Gastland
kommt es zu einer Erhöhung des Volkseinkommens, die wiederum als
positiver Bumerangeffekt ansteigende japanische Exporte bei weiteren
kapitalintensiven Gütern nach sich ziehen. Durch FDI wird die komparativ
überlegene Industrie des Gastlandes gefördert14.
3. In Japan bilden die arbeitsintensiven Klein- und Mittelbetriebe (Shochu-
Kigyo) diejenigen Grenzproduktionsbetriebe, die bedingt durch ihre
komparative Verschlechterung Auslandsinvestitionen durchführen. Auch
innerhalb eines Unternehmens kann eine Abteilung für den Zusammenbau
von Teilen oder arbeitsintensiven Prozessen ins Ausland verlagert werden.
Kojima wendet sein Modell sowohl auf eine gesamte Industriebranche als
auch auf ein Unternehmen an. Entscheidend ist, daß durch die Übertragung
von FDI die technologische Lücke zwischen beiden Ländern kleiner wird.
14 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.18f.
Die wesentliche Auswirkung für das Gastland ist die Verbesserung der
komparativen Produktivität in dieser Branche15.
4. Die Untersuchungsmethode des makroökonomischen Ansatzes beruht auf
dem Prinzip der komparativen Produktionskosten. Aus diesem Grunde
übernimmt Kojima das Heckscher-Ohlin Modell mit zwei Gütern und zwei
Ländern. Demgegenüber gehen die betriebswirtschaftlichen
Direktinvestitionstheorien nur von einem Unternehmen in einer Branche mit
einem Gut aus. Preis, Kosten und Gewinn werden in ihrer absoluten Größe
dargestellt. Das Ziel ist hier die Minimierung der Kosten und die
Maximierung der Gewinne bei einem Gut. Der betriebswirtschaftliche Ansatz
erlaubt jedoch die Verwendung vieler Faktoren, wie z.B. eine detaillierte
Analyse der Produktionskosten dieses einen Gutes an jedem Ort der Welt.
Dies ist aus Kojimas Sicht ungenügend, da er die Wirkung der
Produktionskosten auf die internationale Arbeitsteilung im Zwei-Länder-zwei-
Güter-Fall untersuchen möchte. In der Realität ist es schwierig, komparative
Kostenunterschiede herauszufinden. In Bezug auf die Kostenrechnung kann
der betriebswirtschaftliche Ansatz realistischere Informationen geben. Da
der einzelne Hersteller sich auf den eigenen Geschäftsbereich konzentriert,
neigt er dazu, die komparativen Produktionskostenunterschiede der
gesamten Branche zu ignorieren. Um das eigene Unternehmen zu
vergrößern, werden u.U. nicht dazu passende Verkaufsniederlassungen
oder Produktionsanlagen errichtet.
5. Die komparativen Produktionskosten zeigen über die internationalen
Faktorbewegungen die Richtung der FDI an. Jedoch ihre Messung ist nicht
leicht. Der Export eines Gutes X anstelle von Y macht die Produktion von X
im Vergleich zum Ausland relativ billiger und die Produktion von Y relativ
teurer. Der Export des Gutes X und der Import des Gutes Y führen im
Tauschhandel zu Gewinnen. Mit der Auslandsproduktion werden überlegene
Technologien und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten auf das Gastland
übertragen. Darüber hinaus wird durch den Export die komparative
Überlegenheit des jeweiligen Landes gestärkt und beide Seiten erzielen
Gewinne. Dies ist nach Kojima das Entsprechungsprinzip von komparativen
15 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.19f.
Produktionskosten und komparativen Gewinnen16.
Fazit
Die beiden Ansätze von Kojima und Akamatsu liefern für den Catching-up
Product Cycle die Rahmenbedingung für den Transfer von einfachen Produkten
mit standardisierten Herstellungstechniken von einem Schwellen- auf ein
Entwicklungsland. Kojima nennt dies einen geordneten Technologietransfer, bei
der das Empfängerland von FDI die zu seinem Entwicklungsstand und seiner
Adaptionsfähigkeit passende Produkt- und Prozeßtechnologie erhält17. Die FDI
unterstützen dabei die Restrukturierung der beteiligten Industrie im Gast- und
im Stammland. Im Gastland kommt es zu einer Aufwertung der komparativ
überlegenen Industriebranche, während im Stammland die komparativ
unterlegene Branche abgebaut wird. Kojima zeigt dies am Beispiel der
japanischen FDI bei arbeitsintensiven Industrien, wie Textilien, Montage von
Fahrzeugen und Herstellung von Komponenten und Teilen in der
Elektroindustrie. Diese Industriebranchen wurden aufgrund ihrer im
internationalen Wettbewerb zu hohen Lohnkosten in ost- und südostasiatische
Länder verlagert. Mit sich brachten die Japaner ihr Organisationstalent, ihre
Vermarktungsfähigkeiten und technisches Know-how18. Kojima erfaßt in seinem
Ansatz die kleineren und mittelständigen Betriebe, die durch den Verlust ihrer
komparativen Wettbewerbsvorteile zu einer Auslandsinvestition schreiten. Über
FDI wird im Gastland die technische Lücke langsam geschlossen. Jedoch kann
Kojima noch nicht hinreichend erklären, wie dieser Catching-up Product Cycle
auf der Unternehmensebene stattfindet und wie die lokalen Joint Venture
Partner sich dieses Wissen aneignen können.
16 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitonen, a.a.O., S.21.17 Usui, M., International Transfer of Industrial Technology – An Appraisal of the JapanesePerformances in Latin American NICs, in: Edward K.Y. Chen (Ed.)., Transnational Corporationsand Technology Transfer to Developing Countries, London New York, 1994, S.321-350, hierS.321.18 Vordergründig betrachtet, ist Kojimas Gedanke einer internationalen Arbeitsteilung in Ostasiennichts Neues und erinnert an die "Großasiatische Wohlstandssphäre", die im Zweiten Weltkrieggeschaffen werden sollte. Die abgewandelte Version hiervon mündete in der Nachkriegszeit inPläne einer regionalen Arbeitsteilung, die Japan seine technologische Vorherrschaft auf einerjeweils höheren Stufe wie die seiner Konkurrenten beläßt. Auch diese Pläne sind natürlich für dieNachbarländer Japans nicht akzeptabel. Jedoch sollte man den nachfolgenden Überlegungen zugutehalten, daß Kojima aus seiner historischen Perspektive Anfang der siebziger Jahre unter dengegebenen wirtschaftlichen Voraussetzungen in Ostasien von einer stufenweisen wirtschaftlichenEntwicklung ausging. Kojima plädierte daher Anfang der siebziger Jahre für eine pazifischeFreihandelszone.
2.2. Versuch einer Fundierung des Catching-up Product Cycle auf der
Mikroebene
Erklärungsansätze zu den zunehmenden Direktinvestitionen aus den NIEs in
die Entwicklungsländer sind noch kaum vorhanden. Tran entwickelt ein Model
zur stufenweise Aneignung technischen und organisatorischen Wissens durch
Unternehmen aus nachrückenden Ländern19. Hobday konzentriert sich auf die
Latecomer Firm20. Bevor auf diese Konzepte näher eingegangen werden kann,
werden zunächst die Gründe für die Entstehung von Produktzyklen
zusammengefaßt. Daran anschließend wird auf die Kritik an der Kojima Theorie
eingegangen, um die wesentlichen Merkmale des Catching-up Product Cycles
zu erarbeiten.
2.2.1. Zur Entstehung von Produktzyklen
Vernon erklärt über den Produktlebenszyklus die Entstehung von Exporten und
FDI. In der Innovationsphase eines Produktes werden die Unternehmer im
Heimatland verbleiben, um bei der Herstellung eine hohe Flexibilität an Inputs
zu behalten. Da in dieser Phase die Nachfrageelastizität noch gering ist, besteht
kein Anlaß, im Ausland zu produzieren. In der Wachstumsphase des Produktes
ist die Frage der Inputs gelöst, und eine Massenproduktion wird anvisiert. Das
Unternehmen kann nun alternative Herstellungsstandorte im Ausland in
Betracht ziehen. Dabei werden die Grenzkosten der Exporte mit den
durchschnittlichen Kosten einer Produktion im Ausland verglichen21.
In Anlehnung an die Monopoltheorie22 begründet Vernon die Verlagerung
der Produktion ins Ausland mit der Neuartigkeit des Produktes, die dem
Investor im Gastland einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Vernon unterscheidet
innovative, reife und gesättigte Oligopole. Bei innovativen Oligopolen verfügt
der Investor über neue Produkte. Amerikanische Investoren entwickeln
arbeitssparende, europäische Investoren eher land- und materialsparende und
19 Tran, Van Tho, Foreign Capital and Technology in the Process of Catching Up by theDeveloping Countries: The Experience of Synthetic Fiber Industry in the Republic of Korea,a.a.O., S.386ff.20 Hobday Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, Aldershot Brookfield 1995,S.33ff.21 Perlitz, M., Internationales Management, a.a.O., S.111f.22 Die Monopoltheorie wurde erst 1976 posthum veröffentlicht. Hymer, Stephen H., TheInternational Operations of National Firms: A Study of Direct Foreign Investment, Ph.D.Dissertation, M.I.T. Press, Cambridge Mass. 1976
japanische raum- und materialsparende Innovationen. Reife Oligopole
entstehen durch Investoren, denen es gelingt, Massenprodukte unter
Ausnutzung von Skalenerträgen herzustellen. Investoren, die über ein
gesättigtes Oligopol verfügen, realisieren Kostenersparnisse am Standort23.
In Bezug auf die Zunahme der Investitionsströme innerhalb der
Entwicklungsländer kann man beobachten, daß eine Reihe von Unternehmen
aus den Schwellenländern bereit sind, einfache, standardisierte Produkte in
Entwicklungsländer zu verlagern24. Diese Unternehmen neigen eher zu
arbeitsintensiven Herstellungsmethoden. Nach einer Untersuchung von Chen
scheint die Produkttechnologie aus den Schwellenländern besser zum
Entwicklungstand der Empfängerländer zu passen als diejenige aus den
Industrieländern25.
Fazit
Die Produktzyklustheorie übersieht, daß Marktprozesse auf verschiedenen
nationalen Märkten unterschiedlich und zeitlich versetzt stattfinden und dadurch
die Nachfrageentwicklung im Gastland beeinflussen können. Mit dieser Theorie
kann die Verlagerung von ausgereiften Gütern ins Ausland erklärt werden.
2.2.2. Kritik am Catching-up Product Cycle
1960 entstand aus der Industrial Organization Theory die Monopoltheorie von
Hymer26, der als erster FDI von Portfolioinvestitionen unterscheidet und die
Frage nach den Ursachen für FDI stellt. Die Investitionsentscheidung einer
Firma wird mit ihren monopolistischen oder oligopolistischen
Wettbewerbsvorteilen im Ausland begründet. Um ihre unternehmenspezifischen
Vorteile zu erhalten, wird die Mutterfirma ihre ausländische Niederlassung und
das dort eingesetzte Kapital kontrollieren27. Die Monopolgewinne aus dieser
Investition reichen aus, um die Gründungskosten, die Nachteile gegenüber den
23 Perlitz, M., Internationales Management, a.a.O., S.113.24 Chen, Edward K. Y., Foreign Direct Investment in Asia: Developing Countries versusDeveloped Country Firms, in: Edward K. Y. Chen (Ed.), Transnational Corporations andTechnology Transfer to Developing Countries, London New York 1994, S.381-405, hier S.383.25 Ebd., S.385.26 Hymer, S. H., The International Operations of National Firms: A Study of Direct ForeignInvestment, a.a.O.27 Hymer, S. H., The International Operations of National Firms: A Study of Direct ForeignInvestment, zit. nach Rayome D. and Barker, J. C., Foreign Direct Investment: A Review andAnalysis of the Literature, a.a.O., S.5.
lokalen Konkurrenten und das Risiko auszugleichen. Hymer belegt seine These
mit einer Untersuchung amerikanischer FDI in Kanada. Dieser Grundgedanke
erfährt eine Reihe von Erweiterungen. Aliber weist auf die Skaleneffekte eines
ausländischen Investors hin. Johnson führt den Wissensvorsprung in der
Technik und im Management an28. Nach der Industrial Organization Theory
werden ausländische Investoren in Entwicklungsländern aufgrund der
Marktgröße und des niedrigeren Einkommens keine Produktdifferenzierung
vornehmen29.
Die Monopoltheorie ist für die Erfassung von Produktzyklen zu statisch und
erfaßt nur den Momentanzustand. Die Monopolstellung kann durch
Marktsegmentierung oder durch den Transfer von Wissen auf die lokalen
Unternehmer verloren gehen. Sie übersieht, daß auch relativ kleine
Unternehmen sich mit besseren Technologien und Managementfähigkeiten
gegen größere lokale Konkurrenten behaupten können. Ferner wird die
Beziehung zwischen Pull-Faktoren, z.B. Firmenstrategie, und Push-Faktoren, z.B.
lokale Kostenstruktur, noch recht undifferenziert betrachtet.
Aus der Außenhandelstheorie entwickelt sich die Standortheorie, die anhand
komparativer Kostenvergleiche die Standortvorteile eines potentiellen Ziellandes
ermittelt. Zu Beginn einer Standortanalyse werden die Hauptmotive der Markt-,
Kosten-, Rohstofforientierung oder des Erwerbs von unternehmensexternem
Know-how ermittelt30. Dann werden die einzelnen Standortvorteile nach ihrem
Erklärungswert gewichtet. Von relativ großer Bedeutung sind die Variablen
Marktgröße, Marktwachstum, Marktpotential und Handelshemmnisse. Einen
partiellen Erklärungswert besitzen Lohnkosten, Transportkosten und
Produktionskosten. Eine relativ geringe Aussagekraft haben staatliche Anreize,
z.B. Steuerbefreiungen, rechtliche und politische Stabilität31. Mit dem
Instrumentarium der Standorttheorie können die Gründe für eine einmalige
28 Perlitz, M., Internationales Management, Jena 1993, S.109.29 Schive, Chi, The Foreign Factor: The Multinational Corporation’s Contribution to theEconomic Modernization, a.a.O., S.23.30 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,Volkswirtschaftliche Schriften Heft 337, Berlin 1984, S.98.31 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,a.a.O., S.103ff.
Verlagerung von reifen Produkten erfaßt werden, aber nicht die weiteren
Voraussetzungen für Folgeinvestitionen.
Aus der Weiterentwicklung des Transaktionskostenansatzes von Coase
(1937) entwickeln Buckley und Casson die Internalisierungstheorie zur Erklärung
der Entstehungsursachen von MNC auf unvollkommenen Märkten. Die Anreize
zur Internalisierung ergeben sich aus den niedrigeren internen Transaktionskosten
für bestimmte Güter, die eine sichere Versorgung innerhalb der eigenen
Unternehmensorganisation gewährleisten. Die interne Koordination erstreckt sich
auf Rohstoffe, Zwischengüter sowie betriebliches, technisches und
kaufmännisches Wissen in vorwärtsgerichteten Absatz- und rückwärtsgerichteten
Versorgungsverbindungen32. Der Transfer von spezifischem Know-how über die
internen Kanäle ist fast ohne Kosten möglich. Dieses Know-how läßt sich intern
optimal verwerten und durchsetzen33.
In Reaktion auf Kojima geben die Vertreter der Internalisierungstheorie zu,
daß sie die FDI von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) anfangs
vernachlässigt haben. Sie bieten daher einen Erklärungsansatz für diese Art von
FDI an34. Das Konzept der monopolistischen Vorteile trifft auf viele japanische FDI
aus der Gruppe der KMU nicht zu, da ihre Vorteile auf Produktionsprozessen und
in der Arbeitsorganisation beruhen35. Japanische Unternehmen aus einem
kontraktierenden Sektor bevorzugen bei FDI in der gleichen Branche zu bleiben,
um ihr prozeßspezifisches Know-how im Gastland weiter einsetzen zu können.
Aufgrund der kleineren technologischen Lücke zwischen Japan und den
ostasiatischen NIEs können die japanischen KMU ihr Know-how erfolgreich
transferieren, und dort eine effizientere Produktion als im Heimatland aufbauen.
Somit verfolgen japanische Unternehmen eine adaptive und defensive Strategie.
Man kann aus der Sicht der Internalisierungstheorie drei Tendenzen festhalten:
• Japanische Unternehmen bündeln ihre Aktivitäten in einer bestimmten
Branche im Gastland.
32 Perlitz, Manfred, Internationales Management, a.a.O., S.127f.33 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,a.a.O., S.256f.34 Giddy, Ian H. and Young, Stephen, Conventional Theory and Unconventional Multinationals:Do New Forms of Multinational Enterprises Require New Theories, in: Alan Rugman (Ed.) NewTheories of the Multinational Enterprises, London 1982, S.55-78, hier S.66.35 Ebd, S.71f.
• Die Sogo Shosha36 unterstützen, leiten und koordinieren diese FDI-
Tätigkeiten.
• Der Reimport von im Gastland hergestellten Zwischengütern wird innerhalb
der Unternehmensgruppe internalisiert.
Die Internalisierungstheorie kritisiert am Ansatz von Kojima, daß flexible
Produktionstechniken, computergesteuerte Herstellung und Erfindungen eine
Neubewertung der Direktinvestitionen erfordern, da komparative Nachteile
wieder im Heimatland ausgeglichen werden können. Die voranschreitende
Automatisierung und der Einsatz von Robotern werden die Fixkosten der
Produktion erhöhen und die variablen Kosten senken.
Nach der Internalisierungstheorie ist der Produktzyklus nicht das vorrangige
Entscheidungskriterium für eine Verlagerung ins Ausland. Dieser Ansatz
übersieht, daß einzelne Unternehmer vor die Wahl gestellt sind, entweder ihre
Produktion ganz einzustellen oder ins Ausland zu verlagern, werden ebenfalls
nicht von der Internalisierungstheorie erfaßt. Der Abschluß langfristiger
Lieferverträge bei standardisierten Gütern und Zwischenprodukten stellt eine
Alternative zur Internalisierung dar37.
Dunning entwickelt in der eklektischen Theorie die erste übergreifende
Gesamtdarstellung der Ursachenanalyse ausländischer Direktinvestitionen.
Darin werden die Ergebnisse aus der Monopoltheorie, aus der
Internalisierungstheorie und der Standort- bzw. Außenhandelstheorie
zusammengefaßt, die alle relevanten Eigentums-& Wettbewerbs-, Standort- und
Internalisierungsvorteile (ownership, location, internalisation advantages: OLI)
für Investoren, Exporteure oder Lizenzgeber auflistet. Dunning bestimmt aus
den drei OLI-Faktoren die Markteintrittsstrategien für ein Auslandsengagement.
Für FDI sind alle drei OLI-Faktoren die Grundvoraussetzung, für den Export
genügen Eigentums- und Internalisierungsvorteile und für die Vergabe von
Lizenzen sind die Eigentumsrechte an denselben Voraussetzung38.
36 Unter Sogo Shosha versteht man eine japanische Generalhandelsgesellschaft, die vieleGüter aus unterschiedlichen Branchen im In- und Ausland vertreiben. Einige der bekanntenSogo Shosha, z.B. Mitsui, wurden zum Kern großer japanischer Unternehmensgruppen.37 Braun, G., Die Theorie der Unternehmung, Institut für Wirtschaftspolitik an der UniversitätKöln, Bd. 75, Köln, S.181.Ebd., S.188.38 Dunning nennt daher die neuere Fassung seiner elektrischen Theorie das Faktorausstattung/Marktversagen-Paradigma der internationalen Produktion. Vgl. Perlitz, M., InternationalesManagement, a.a.O., S.129.
Unter der Vielzahl der Struktur- und Bestimmungsvariablen für FDI sind
nach Dunning Strategic Assets an Schlüsseltechnologien, Know-how und
Kernkomptenzen auf regionalen und globalen Märkten die wichtigsten39. Zu
diesen Kernkompetenzen zählen Innovationsfähigkeiten,
Organisationsstrukturen und der Zugang zu ausländischen
Distributionskanälen. Ein Unternehmen wird in den meisten Fällen versuchen,
über FDI sein firmenspezifisches Kapital optimal einzusetzen, oder durch
Akquisition ausländischer Unternehmen neues firmenspezifisches Kapital zu
bilden.
Aus der Sicht Kojimas geht die eklektische Theorie einen Kompromiß ein;
in dem sie sich einerseits bemüht, alle relevanten Pull- und Push-Faktoren
aufzulisten, verliert sie andererseits dabei an Übersichtlichkeit. Die
Argumentationsweise entspricht der Internalisierungstheorie. Die MNC setzen
ihre eigentumsspezifischen Vorteile, insbesondere ihre Technologien, ein und
loten im Gastland die entsprechenden ortsspezifischen Vorteile, z.B. reiche
Rohstoffvorkommen, aus. Ein weiterer Kritikpunkt an der eklektischen Theorie
ist, daß die Form der Auslandsinvestition als zweitrangig angesehen wird40.
Kojima hat zwei Ausprägungen von FDI mit ihren jeweiligen Strategien
gegenübergestellt: der defensive, handelsorientierte und der aggressive,
marktorientierte FDI-Typ. Dunning hat in seiner Neubewertung der FDI vier
Typen identifiziert, die sich nach einem der folgenden Kriterien orientieren a)
Ressourcen (Rohstoffe, Arbeit), b) Markt, c) Effizienz sowie d) strategisches
Potential41. Die ersten beiden Typen (a + b) von Dunning decken sich mit den
Ausführungen von Kojima. Der dritte FDI-Typ (c) zur Effizienzverbesserung zielt
auf die Rationalisierung von Produkten und Prozessen, während der vierte FDI-
Typ (d) zur Bildung von strategischen Potentialen, z.B. dem Erwerb von
Technologien, dient.
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Ansätzen liegt, wie auch
gegenüber der Internalisierungstheorie, in der Analysemethode: Kojima
39 Dunning, J. H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, University of Reading,Department of Economics, Discussion Paper in International Investment and Business Studies,Series B, Vol.8 (1994/95), No.188., July 1994, S.18.40 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.222.41 Dunning, J.H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, a.a.O., S.17ff.
vergleicht zwei Industrien mit zwei Gütern und bei Dunning wird nur ein
Unternehmen mit einem Gut untersucht. Dunning unterscheidet drei
Internalisierungsvorteile42:
• Netzwerkorganisation von Produktion und Verkauf der Tochterfirmen (im
vollständigen Besitz)
• hierarchische Vereinigung
• Internalisierung eines Marktgebietes durch ein Unternehmen
Dunning unterscheidet bei den Eigentumsvorteilen eines Unternehmens das
ortsspezifische Vermögen Oa (assets) von den unternehmensspezifischen
Transaktionen Ot (transaction). Innerhalb der Unternehmenshierarchie werden
diese unternehmensspezifischen Transaktionen Ot sowohl mit dem internen als
auch mit dem äußeren Markt verglichen. Dabei stellt Dunning fest, daß in
einigen Fällen bei der Internalisierung diese Transaktionen, die Handelskosten
senken können43.
Dunning gibt als ortsspezifische Vorteile die Verfügbarkeit über billige
Arbeitskräfte, Rohstoffe und Zwischenprodukte an44. Im Bezug auf Arbeitskräfte
und Rohstoffe folgt Kojima dieser Argumentation und nennt sie komparative
Vorteile des Gastlandes. Die Versorgung des ausländischen Investors mit
geeigneten Zwischengütern wird von Kojima über den externen Markt geregelt.
Ausschlaggebend sind die erzielbaren Skalenerträge auf den gegebenen
Faktor- und Produktmärkten. Somit kann die Auslandsproduktion bei reinen
ortsspezifischen Vorteilen eine überlegenere Produktionsweise aufweisen; dies
muß aber nicht so sein.
Mit Blick auf die zunehmende Globalisierung von Märkten kann man
feststellen, daß Dunning am weitesten versucht, die Ursachen für FDI zu
erfassen. Zukünftige Märkte beruhen auf der raschen Erfassung und
Verarbeitung von Informationen zur Verbesserung der Produktion. Japanische
MNC unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von europäischen und
amerikanischen MNC. Die makroökonomische Analyse konzentriert sich auf
42 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.52.43 Ebd., S.53.44 Dunning, John H., Explaining Changing Patterns of International Production: in Support of theEclectic Theory, Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 41, No.4, November 1980,reprinted in: International Production and the Multinational Enterprise, Chapter 5, 1981, S.80-81.
regionale FDI-Ströme innerhalb der gleichen Industriebranche und eignet sich
daher speziell für die Fragestellung, ob im Rahmen eines Drei-Länder-
Vergleichs das gleiche Produkt zunächst von Japan nach Taiwan und von dort
nach China gelangt ist.
2.2.3. Merkmale des Catching-up Product Cycle
Aus der Diskussion um die Kojima Theorie lassen sich vier Merkmale
zusammenfassen, die den Catching-up Product Cycle kennzeichnen.
1. Prinzip der komparative Vorteile
2. Transfer unternehmerischer Ausstattung auf das Gastland
3. Folgeinvestitionen zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern
4. Auslagerung standardisierter Produkte
(1) Prinzip der komparativen Vorteile
Kojima schließt mit seiner Theorie eine Erklärungslücke, indem er zeigt, daß
erstens FDI nicht unbedingt von großen Firmen und ihren spezifischen
Wettbewerbsvorteilen ausgehen und zweitens, daß die Ursache für FDI nicht
auf den komparativen Vorteilen im Heimatland beruhen muß. Nach Kojima
ergänzen die japanischen FDI die komparativen Vorteile Japans. Das
Gewinnkalkül der Investoren orientiert sich am Vergleich der Gewinnchancen
aus der Fortsetzung der Produktion im Inland oder aus der Verlagerung ins
Ausland. Nach dem Prinzip der komparativen Vorteile werden die Gewinne in
derjenigen Industrie höher sein, die auch komparative Vorteile besitzt. Demnach
werden sich die Unternehmer aus der komparativ benachteiligten Industrie für
eine Investition im Ausland entscheiden. Hierbei setzen vor allem kleine und
mittlere Unternehmen ihr industrie- und firmenspezifisches intangibles Kapital
und nur einen Teil ihres ungebundenen Kapitals ein. Sie verwerten damit ihre
jahrelang gesammelten Erfahrungen und kombinieren diese mit den
komparativen Vorteilen des Gastlandes45.
(2) Transfer unternehmerischer Ausstattung
Der Prozeß des Transfers von unternehmerischer Ausstattung im Rahmen von
FDI auf das Gastland erreicht seinen Höhepunkt, wenn die Gastländer fähig
sind, neue Güter zu erzeugen, in welchen sie ihre komparativen Vorteile
45 Lee, Chung H., Direct Foreign Investment, Structural Adjustment, and International Division ofLabor: A Dynamic Macroeconomic Theory of Direct Foreign Investment, a.a.O., S.66.
einsetzen können. Mittel- und langfristig entstehen so neue Industrien im
Gastland, die die bestehenden wirtschaftlichen Ressourcen vollständig
einsetzen können. Das Gastland absorbiert mit der Übertragung
unternehmerischer Ausstattung neue Ressourcen, die von der komparativ
benachteiligten Industrie des Stammlandes freigesetzt werden. Kojima sieht in
FDI einen Katalysator für die Schaffung dynamischer komparativer Vorteile im
Gast- und Heimatland46.
Die Übertragung unternehmerischer Ausstattung auf Niederlassungen im
Ausland innerhalb der MNC ist grundsätzlich effektiver als über reine
Markttransaktionen wie z.B. Lizenzen. Bei der Internalisierung besteht nach
Kojima die Gefahr, daß unrentable Industrien gefördert werden. Große MNC,
wie General Motor, Ford, Toyota, Nissan, Honda, Daimler-Chrysler,
Volkswagen, Renault, Fiat, haben bereits ihre eigene internationale
Arbeitsteilung realisiert. Diese MNC haben über FDI, Kapitalbeteiligungen und
OEM-Verträgen ein Netzwerk aufgebaut, in dem die Produktion von Teilen, der
Technologietransfer und der Verkauf koordiniert werden47. Diese internationale
Arbeitsteilung beruht auf einer unternehmensinternen Spezialisierung und dem
firmeninternen Handel48.
Im Zuge der Automatisierung und des vermehrten Einsatzes von Robotern
können bestehende komparative Nachteile des Standortes bei arbeitsintensiven
Prozessen wieder ausgeglichen werden und vorteilhaft werden. In diesem Fall
kommen FDI nicht mehr in Betracht.
(3) Folgeinvestitionen zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern
Kojima stellt in seiner Theorie erstmals die Direktinvestitionsbeziehungen
zwischen einem Industrie- und einem Entwicklungsland in den Mittelpunkt
seiner Untersuchungen. Eine wesentliche Erweiterung dieses Ansatzes ist die
Einführung eines Drei-Länder-Modells, bestehend aus einem Industrieland,
einem Schwellenland und einem Entwicklungsland. Anhand der komparativen
Kostenvergleiche kann man den Prozeß erklären, daß ein arbeitsintensiver
46 Kojima, K and Ozawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, in: Hitotsubashi Journal of Economis, Vol.26, December 1985, S.133-145, hier S.138f.47 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.44f.48 Ebd., S.45
Betrieb nach Verlust seiner Wettbewerbsfähigkeit im Industrieland zunächst in
ein Schwellenland verlagert wird, und von dort nach dem Heranreifen und dem
Überschreiten seiner optimalen Wettbewerbsfähigkeit weiter auf ein
Entwicklungsland übertragen wird. Dieses Erklärungsmodell beschränkt sich auf
das Verfolgen eines Catching-up Product Cycle und impliziert die Vorstellung,
daß lokale Unternehmer ein Direktinvestitionspaket, in dem produkt- und
prozeßspezifische Faktoren enthalten sind, aufschnüren können.
Die Kojima-Theorie ist aus wirtschaftshistorischer Sicht ein Sonderfall, zu
dem es keine Alternative gab. Denkbar wäre ja bei steigenden Lohnkosten der
„Import“ ausländischer Arbeitskräfte gewesen. Die arbeitsintensiven Industrien
in den USA konnten auf ein Reservoir an billigen Arbeitskräften aus dem
Zustrom an Immigranten zurückgreifen. Japan als ein Land mit einer sehr
homogenen Bevölkerung49 folgte nicht der Praxis einiger europäischer Länder,
Gastarbeiter ins Land zu holen. Erst nach 1985 sah sich Japan mit dem
Problem konfrontiert, daß die Zahl der illegalen Einwanderer und jener, die nach
Ablauf ihres Visums untertauchten, langsam anstieg. Vorsichtige Schätzungen
bezifferten diese illegalen Arbeitskräfte auf ca. 1% der Gesamtarbeitskräfte. Die
meisten davon wurden auf lokaler Ebene in kleinen Fabriken, im
Restaurantgewerbe oder auf Baustellen geduldet50.
Das „historische Experiment“ der Verlagerung komparativ benachteiligter
Industrien ins Ausland fand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem japanische
Unternehmen sich als Vorreiter dieses Typs betätigen konnten. Als
amerikanische und europäische Unternehmen in den dreißiger oder vierziger
Jahren ihren technischen Vorsprung so weit ausgebaut hatten, daß sie
standardisierte Produkte im Ausland herstellen konnten, gab es aufgrund der
damaligen politischen Situation kaum aufnahmebereite Staaten und der Prozeß
wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Ein Beispiel ist die
Kooperation von Siemens und Fuji in den zwanziger Jahren. Westinghouse und
49 In Japan gibt es nur eine sehr geringe Anzahl an Minderheiten, darunter Koreaner undAuslandschinesen, Reste der Urbevölkerung Ainu und die ehemalige soziale Unterschicht derBurakumin, die aber im modernen Japan der Nachkriegszeit integriert wurden.50 Das Problem der illegalen Einwanderer in Japan wird in allerjüngster Zeit diskutiert.Menschenrechtsgruppen, Kirchen und Rechtsanwälte befürworten eine Regelung, dagegenlehnen es Gewerkschaften und nationalistische Kreise ab. Vgl. Pang, Eng-Fong,Regionalisation and Labour Flows in Pacific Asia, Development Centre for the Organisation forEconomic Cooperation and Development, 1993.
General Electric waren mit einer Minderheitsbeteiligung an einem Joint Venture
für elektrische Maschinen in Japan beteiligt. General Motors und Ford hatten in
den dreißiger Jahren ihre eigenen Niederlassungen in Japan gegründet und
1929 zusammen ca. 36.000 Fahrzeuge hergestellt, während von lokalen Firmen
nur 437 produziert wurden51. Japan konnte in dieser Zeit die Dominanz der
amerikanischen Unternehmen auf einzelnen Märkten spüren. Man kann
vermuten, daß diese Erfahrung zur lebhaften Auseinandersetzung mit dem
amerikanischen FDI-Typ anregte. Gegen die Verbreitung von FDI in den
dreißiger und vierziger Jahren spricht auch, daß die Planung und Durchführung
einer Auslandsinvestition nur von wenigen großen Firmen beherrscht wurde52.
Hinzu kommt das wirtschaftspolitische Argument, daß in der Phase des
Arbeitskräftemangels in den späten sechziger und siebziger Jahren, die
japanische Regierung und die japanischen Gewerkschaften FDI tolerierten, um
langfristig die freiwerdenden Arbeitnehmer in komparativ vorteilhaften
Produktionszweigen zu beschäftigen. Es erwies sich in dieser Phase als
vorteilhaft, daß japanische Arbeitnehmer generell eine allgemeine Ausbildung
erhielten, die einen Wechsel in ein anderes Arbeitsgebiet ermöglichte.
Japanische Firmen hatten in dieser Umstrukturierungsphase geringere Kosten,
eine Produktion stillzulegen, als vergleichsweise amerikanische Firmen, die
höhere Arbeitnehmerentschädigungen zu zahlen hatten53.
Angesichts der politischen Spaltung Ostasiens in eine Gruppe
kommunistischer Staaten, zu der die Sowjetunion, China, Nordkorea und
(Nord)Vietnam, Laos, Kambodscha gehörten, konnten die japanischen FDI in
den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren nur eine Südstrategie verfolgen.
Die Auswahl an potentiellen Zielländern war zu diesem Zeitpunkt auf die NIEs
und die ASEAN-Staaten beschränkt. Eine Ausnahme hiervon bilden die
Handelsbeziehungen zu China, die schon vor der offiziellen diplomatischen
51 Ozawa, Terutomo, Japan, in: John H. Dunning, Mulitinational Enterprises, and the GlobalEconomy, Wokingham, England and Reading Mass., 1993, S.155-179.52 Gray stellt fest, daß zu der Zeit, als amerikanische Hersteller standardisierter Güter einenkomparativen Vorteil hatten, MNC noch nicht entstanden waren. Vgl. Gray, S. Peter,Macroeconomic Theories of Foreign Direct Investment: An Assessment, a.a.O., S.180.53 Giddy, I.H. a. Young, S., Conventional Theory and Unconventional Multinational Enterprises,a.a.O., S.66.
Anerkennung 1972 bestanden54. In China waren ausländische Investitionen erst
nach 1979 und in Indochina erst lange nach Beendigung des Vietnam-Krieges
etwa Anfang der neunziger Jahre möglich. In Südvietnam gab es zuvor
vereinzelte japanische Investitionen55.
Noch entscheidender waren die gezielte Förderung und Verbesserung der
gesamtwirtschaftlichen, branchenspezifischen und unternehmensbezogenen
Rahmenbedingungen für die Ansiedlung ausländischer Firmen in den NIEs und
den ASEAN-Staaten56. Taiwan verbesserte seine gesamtwirtschaftliche
Attraktivität, indem es als erstes Land Exportförderzonen (EPZ) schuf: 1966 in
Kaohsiung und 1971 in Nantze bei Kaohsiung und Tantze bei Taichung57. Die
EPZ sind ein zollfreies Gebiet, in denen Unternehmen von Importzöllen befreit
wurden, wenn sie ihre Waren wieder exportieren. Später wurde dieser Vorteil
mit der Genehmigung von „Bonded Factories“ auf ganz Taiwan ausgedehnt. In
den drei taiwanischen EPZ stellten japanische Investoren mit einem
akkumulierten Kapital von US$ 74,4 Mio. (38,7% des Gesamtkapitals 1966-
1980) die größte Gruppe an ausländischen Investoren58. Es bestand eine
harmonische Übereinstimmung zwischen den Zielen und Motiven der beteiligten
Akteure. Die japanischen Investoren ließen ihre arbeitsintensiven
Zwischengüter in jenen Länder herstellen, die auf den Export dieser
Zwischengüter angewiesen waren, und die teilweise innerhalb der
Unternehmensgruppe absorbiert wurden. Eine Untersuchung zeigt, daß
japanische Unternehmen 1980 ein Drittel (37%) ihrer hergestellten Waren
innerhalb des eigenen Unternehmens verkauften. Innerhalb der Elektroindustrie
betrug dieser Anteil 40% (1980)59.
Ein weiterer Meilenstand war die Gründung des Hsinchu Science Based
54 Nester, William, Japan and the ‚Two Chinas‘: Neomercantilism, Prosperity, and Dependence,in Pacific Focus, Vol.6, No.1, Sping 1991, S.105-121.55 Im Fiskaljahr 1973 hatten Mitsubishi Heavy Industry und Ishikawa Harima eine Niederlassungin Südvietnam, vgl. Tabelle 3.4 bei Steven, Rob, Japan’s New Imperialism, Houndmills,Basingstoke 1990, reprinted London 1991, S.73.56 Kojima, K., Japanese Direct Investment Abroad, a.a.O., S.33.57 Wang, Kwei-Jeou, Economic and Social Impact of Export Processing Zones in the Republic ofChina, in: Industry of Free China, December 1980, S.7-28, hier S.7.Siehe auch zu den Ortsangaben die Karte von Taiwan im Anhang A 1358 Kalkuliert aus Tabelle 2.4. in: Ranis, Gustav and Schive, Chi, Direct Foreign Investment inTaiwan’s Development, in: Walter Galenson, Foreign Trade and Investment: EconomicDevelopment in the Newly Industrializing Asian Countries, London 1985, S.85-137, hier S.96.
Industrial Park 1979, in dem vor allem in der Maschinen-, Informations- und in
der Elektronikindustrie mit staatlicher Unterstützung Pilotfabriken gegründet
werden konnten. Unternehmensspezifische Fördermaßnahmen gestatteten z.B.
Steuerbefreiungen bis zu 5 Jahren60.
Die taiwanische Regierung erließ 1954 das Statute for Investment by
Foreign Nationals (SIFN) und regelte hierin vor allem die Repatriierung
ausländischen Kapitals, welches bis zur Liberalisierung der ausländischen
Wechselkurse 1987 unter der Kontrolle der Central Bank of China stand61. Im
Artikel 5 des SIFN wurden Direktinvestitionen in den folgenden fünf Bereichen
genehmigt:
• im verarbeitenden Sektor,
• im Exportsektor,
• in der öffentlichen Versorgung, im Dienstleistungsbereich, in der
Landwirtschaft, Bergbau und der Kommunikation,
• in Wissenschaft, Forschung & Entwicklung,
• in allen anderen Bereichen, die der wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklung Taiwans dienen.
Seit Mai 1988 gibt es eine negative Liste mit einem Investitionsverbot oder -
beschränkungen für ausländische Firmen62: Im Juli 1996 ist eine neue, kürzere
Liste in Kraft getreten63. Die Zahl der Bereiche, für die ein Investitionsverbot gilt,
wurde von 54 auf 30 gesenkt, und die Anzahl der Kategorien, die einer
Zulassungsbeschränkung unterworfen sind, von 55 auf 45 gekürzt. Folgende
59 Dobson, Wendy, Japan in East Asia:Trading and Investment Strategies, University of Toronto,Institute of Southeast Asian Studies, Series on Japan and the Asia Pacific, 1993, S.48.60 Liang Kuo-shu and Liang Ching-ing Hou, Trade, Technology Transfer and the Risks ofProtectionism: The Experience of the Republic of China, in: Industry of Free China, Vol.61,January 1984, S.7-22, hier S.12.61 Liu, Lawrence S., The Legal Framework for Foreign Investment, in: Mitchell A. Silk (Ed.)Taiwan Trade and Investment Law, Hong Kong, New York 1994, S.131-190, hier S.133f.62 In folgenden Bereichen sind keine FDI gestattet:• Unternehmen, die die öffentliche Sicherheit gefährden.• Unternehmen, die gegen die guten Sitten verstoßen.• Unternehmen, die in hohem Maße Umweltverschmutzungen verursachen.• Unternehmen, die über ein gesetzliches Monopol verfügen oder in denen eine ausländische
Beteiligung gesetzlich verboten ist.Vgl. Liu, Lawrence S., The Legal Framework for Foreign Investment, a.a.O., S.136.63 Gerken, Jens und Gumbrecht, Sabine, Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Marc Stufkens(Ltg.) u.a.: Investment in Taiwan: Eine Kurzinformation, Deutsches Wirtschaftsbüro Taipei, 3.neu bearb. u. erw. Aufl., Mai 1997.
Industrien sind ganz oder teilweise für ausländische Investitionen geöffnet
worden: Telekommunikation, Immobilien, Leasing, Erschließung von Erdöl und
Kohle. Im Rahmen der Liberalisierungsbemühungen Taiwans kann man mit
weiteren Revisionen dieser Liste rechnen.
(4) Auslagerung standardisierter Produkte
Nach dem International Business Approach führt der interne Markt langfristig zu
einer Koordinierung von Produktion, Marketing und F&E zwischen allen
Teilbetrieben64. Da die Kernkompetenzen stärker im Stammland bleiben
werden, verlagern die Unternehmen bei der Internalisierung eher die
standardisierten Produkte und Prozesse ins Ausland In diesem Punkt
unterscheidet sich die Internalisierungstheorie nicht vom Ansatz von Kojima.
Arndt weist auf eine differenzierte Betrachtung von Spillover-Effekten bei
der Verlagerung von standardisierten Produkten hin. Arbeitsintensive FDI, z.B.
einfache Montagebetriebe, erzielen außer einem Anstieg der Beschäftigung
keine weitere Wirkung auf das Gastland. Entscheidend ist die Entstehung von
lokalen Unternehmen, die Management- und Technologiekenntnisse erwerben
und eine vorwärts- und rückwärtsgerichtete Integration dieser
Produktionsleistungen realisieren65. Kojima bezeichnet dies in seiner Analyse
als die adaptive Effizienz66 der einzelnen Volkswirtschaften für eine
handelsorientierte industrielle Restrukturierung. Die Auslagerung der
komparativ benachteiligten Industrien bringt neue Ressourcen in das Gastland
und verstärkt dort die komparativen Vorteile. Dadurch wird die Basis für
Lerneffekte für lokale Unternehmer erweitert67.
64 Buckley, Peter J., The Economic Analysis of the Multinational Enterprise: Reading VersusJapan?, in: Hitotsubashi Journal of Economics, Vol.26, December 1985, S.117-124, hier S.119.65 Arndt, H.W., Professor Kojima on the Macroeconomics of Foreign Direct Investment, inHitotsubashi Journal of Economics, June 1974, S.28-35, hier S.28.66 Der Begriff adaptive Effizienz stammt von R. Marris und D. C. Mueller: Dievolkswirtschaftliche Wohlfahrt wird sowohl durch die Weiterentwicklung der Wirtschaftsstrukturwie auch durch die Leistungen unter der bestehenden Wirtschaftsstruktur beeinflußt. Marris,Robin and Mueller, Dennis C., The Corporation, Competition and the Invisible Hand, TheJournal of Economic Literature, Vol.18(1), 1980, S.32-63.hier S.34, zit. nach Kojima, K. andOzawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and Dynamic Comparative Advantage,a.a.O., S.138.67 Kojima, K and Ozawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.138.
2.3. Der Technologietransfer bei ausländischen Direktinvestitionen
Der Begriff Technologie umfaßt in seiner weiten Dimension alle Hilfsmittel,
Werkzeuge, Methoden, Produkte, Herstellungsverfahren und Arbeitsabläufe zur
Produktion und Distribution von Gütern und Dienstleistungen68. Man
unterscheidet in der Praxis tangible und intangible Formen. Technologie ist
hauptsächlich in Maschinen- und Anlagen eingebunden69. Technologie ist aber
auch Bestandteil des Humankapitals, der Organisationsformen und des
Managementwissens70. In der Input Output Relation nimmt Technologie die
Formen Know-how, Aufzeichnungen und Prototypen ein71. Eine wichtige Form
zur Wissensweitergabe sind schriftliche Dokumente. Eine weitere Quelle sind
Erfahrungswerte, die sich oft nicht einfach übertragen lassen. Durch die
Akkumulation von Wissen werden die bestehenden Kenntnisse weiter
ausgebaut und gehen in das Humankapital ein. In dieser Arbeit besteht
Technologie aus dem Produkt, dem Herstellungsprozeß und
Managementkenntnissen.
Im Rahmen von FDI ist Technologietransfer der Prozeß zur Übertragung
eines Technologiepaketes von einem Unternehmen aus einem Geberland auf
ein Unternehmen in einem Empfängerland. Dabei wird eine bereits existierende
Technologie auf den lokalen Partner im Gastland angepaßt72. Tran entwickelt
hierfür ein dreistufiges Rahmenmodel73. In der ersten Stufe wird die
Produktionstechnologie übertragen. Der Empfänger erhält die notwendigen
Maschinen und Anlagen und ist dann in der Lage diese zu bedienen. Auf der
zweiten Stufe wird er mit der Verwaltung dieses Herstellungsprozesses vertraut
gemacht. Dies erfordert Kenntnisse in der Qualitätskontrolle, Schichteinteilung
68 Vgl. Schon, Donald, Technology and Change, London 1967, zit. nach Bradbury, Franklin,Jervis, Paul, Johnston, Ron u.a., Transfer Process in Technical Change, Alphen aan den Rijn,1978, S.6 und Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer andManagement Style, a.a.O., S.59.69 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.60.70 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, Aldershot Brookfield1995, S.32.71 Lin, Ping, Technology Transfer to China through Foreign Direct Investment, AldershotBrookfield 1996, S.19f.72 Vgl. Bradbury, Franklin, Jervis, Paul, Johnston, Ron u.a., Transfer Process in TechnicalChange, a.a.O., S.5, 12.73 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.61f.
und Materialverwaltung. Auf der dritten Stufe erwirbt der Empfänger das
Managementwissen zur Planung, Marketing und Finanzierung dieser
Produktion. Der effektive Technologietransfer beruht auf der Fähigkeit nicht nur
das Know-how sondern auch das Know-why zu erwerben74. Das Erlernen einer
Technologie ist ein dynamischer und schwieriger Prozeß, der mit hohen Kosten
verbunden ist75. Aus der Anzahl der entsandten ausländischen Mitarbeiter kann
man den Umfang des Humankapitaltransfers abschätzen. Ein Indikator zur
Messung des effektiven Technologietransfers besteht in der Erfassung der
Substitution der entsandten Expatriates durch lokale Fachkräfte und Manager76.
Dabei wird davon ausgegangen, daß sich nach der Substitution die Produktion
unter lokaler Regie nicht verändert hat.
Für diese Arbeit ist relevant, daß der Lernprozeß in einer Latercomer Firm
stattfindet. Hobday definiert eine Latecomer Firm als ein Unternehmen aus
einem Entwicklungsland, welches über keine eigenen technische Fähigkeiten
verfügt und keinen Zugang zu den führenden Technologiequellen und F&E
Zentren in den Industriestaaten hat. Ein solches Unternehmen stellt im
Vergleich zu den Technologieführern einfache und standisierte Produkte her.
Latercomer haben jedoch Kostenvorteile, die sie in ihrer Unternehmensstrategie
gegenüber den Technologieführern einsetzen können77.
2.3.1. Technologietransfer aus Sicht des Catching-up Product Cycle
In der Kojima-Theorie determiniert der Faktor Technologie die Richtung des
Handels im Sinne von Posners Konzept des Technological Gap Trade78. Der
Technologietransfer über FDI ist um so effektiver, je geringer die technologische
Lücke zwischen dem Stamm- und dem Gastland ist. Zur Komplementierung der
Wirtschaftsentwicklung in nachrückenden Ländern schlägt Kojima einen
stufenweisen Transfer von arbeitsintensiven, relativ einfachen Technologien hin
zu kapitalintensiven, anspruchsvollen Technologien vor, d.h. FDI sollen
zunächst in Branchen mit potentiell komparativen Wettbewerbsvorteilen
74 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.65.75 Hobday, M., Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.33.76 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.65.77 Ebd., S.34f.78 Posner, M. V., International Trade and Technical Change, in: Oxford Economic Papers,Vol.13, 1961, S.323-341.
beginnen79.
Durch FDI erfolgt dann eine stufenweise Aufwertung der Produktivität in
Übereinstimmung mit der Evolution der komparativen Handelsvorteile im
Stamm- und Gastland. Die makroökonomischen Effekte sind die Verbreitung
neuer Technologien im Gastland, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die
Zunahme ausländischer Währungsreserven80. Auf der Mikroebene gelangen bei
diesem Prozeß Managementkenntnisse, zusammengefaßt als
unternehmerische Ausstattung (E-Faktor), in das Gastland. Ein kompletter
Transfer von E-Faktoren wäre der Idealfall. Dies hängt vor allem von der Größe
der technologischen Lücke im Gastland ab. Je kleiner die technologische Lücke
ist, desto mehr E-Faktoren können von den lokalen Kräften verarbeitet und
genutzt werden. Dies wird die komparativen Vorteile verbessern und zu einer
Steigerung der unternehmerischen Effizienz im Gastland führen.
Kojima erbringt folgenden Nachweis für einen positiven Beitrag der
japanischen FDI zur technischen Aufwertung und Entwicklung der Industrien in
den Gastländern81:
• Die gesamten akkumulierten japanischen FDI bis März 1983 (Fiskaljahr
1982) verteilten sich zu 46,7% auf Handel und Dienstleistungen, zu 31,9%
auf den Produktionssektor und zu 21,4% auf Rohstoffe.
• Japanische Investitionen in Handel und Dienstleistungen schufen eine
Geschäftsinfrastruktur, die weiteren Handel mit Japan ermöglichte und
zusätzliche japanische FDI anlockte. Die produktionsorientierten FDI
untergliedert Kojima in die Gruppe M1 mit arbeitsintensiven Konsumgütern
(Textilien), auf die 7,3% der gesamten japanischen akkumulierten FDI bis
März 1983 entfielen, und M2 mit Maschinen (elektrische Ausrüstung,
Transport), die 10,2% der japanischen FDI absorbierten. M1 und M2
reflektieren die internationale Arbeitsteilung im Produktionsprozeß, d.h.
aufgrund des Arbeitskräftemangels und Lohnanstiegs in Japan gab es einen
79 Kojima, K., Macroeconomic Versus International Business Approach to Direct ForeignInvestment, a.a.O., S.15.80 siehe auch Streeten, Paul, The Role of Direct Private Investment in Developing Countries,Advanced Development Management Program, Institute of Comparative Culture, SophiaUniversity, Tokyo 1993, S.1.81 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O.,S.99-116.
starken makroökonomischen Anreiz, diese Industrien in Niedriglohnländer
zu verlagern. Die dritte Untergruppe M3 umfaßt Zwischengüter (Pappe, Holz,
Stahl, Chemie). In diese Gruppe flossen 14,4% der japanischen FDI82.
Die japanischen FDI haben in den ressourcenarmen Ländern Taiwan, Südkorea
und Singapur den Wandel von der arbeitsintensiven Produktionsweise zur
kapitalintensiven vollzogen. Kojima schließt daraus, daß diese FDI zur
Aufwertung der Industriestruktur in diesen Ländern beigetragen haben. Diese
Länder wurden von japanischen Firmen zunächst als Offshore-
Produktionszentren genutzt83. Die dort gegründeten Niederlassungen wurden in
die japanischen Produktionsnetzwerke integriert. Der Strukturwandel in diesen
Gastländern schuf die Voraussetzung für neue Investitionsmöglichkeiten. Die
japanischen FDI verlagerten ihren Schwerpunkt von der Leichtindustrie mit
einfacher Technologie hin zu Branchen mit anspruchsvolleren Technologien84.
In empirischen Untersuchungen belegt Kojima diesen Wandel der
japanischen FDI mit dem Industrialisierungsgrad des Gastlandes (vgl. Abb.1).
Auf der horizontalen Achse trägt er das Pro-Kopf-Einkommen ab, welches im
allgemeinen mit der industriellen Produktionsquote (industrieller
Produktionsertrag bezogen auf den Gesamtproduktionsertrag) korreliert. Auf der
vertikalen Achse steht die branchenspezifische japanische Investitionsquote
(Anteil der japanischen FDI in einer spezifischen Branche bezogen auf die
gesamten japanischen FDI in diesem Land)85. Kojima hat diesen Wert für ost-
und südostasiatische Staaten in den Jahren 1972 und 1982 ermittelt. Betrachtet
man die japanische Investitionsquote für den gesamten Produktionsbereich, so
zeigt sich, daß Taiwan und Singapur typische Offshore-Produktionszentren sind,
wie es bereits Korea 1972 war. Hier senkt sich die Investitionsquote mit einem
Anstieg des Sozialprodukts86.
82 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O,S.100.83 Ebd., S.101.84 Ebd., S.106.85 Ebd., S.107.86 Ebd., S.110.
Abbildung 1 Wandel der japanischen FDI mit dem Industrialisierungsgrad der Gastländer in Ost-und Südostasien von 1972 bis 1982
406080100
Anmerkung: Die Graphen zeigen die Veränderung des Anteils der japanischen FDI im Produktionssektoran den gesamten japanischen FDI in jedem Gastland von 1972 (linker Wert) nach 1982 (rechterWert) in Prozent. Ein hoher Prozentsatz bedeutet einen hohen Anteil an japanischen FDI imProduktionssektor.
Quelle: Erstellt nach Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Foreign Investment in Asia, HitotsubashiJournal of Economics, Vol.26, December 1985, S.99-116, hier S.107.
Betrachtet man nur die arbeitsintensiven japanischen FDI, so ist für Taiwan
bereits 1972 diese Rate sehr niedrig und sinkt weiter, während die
Investitionsrate für die Maschinenproduktion mit zunehmendem Sozialprodukt
steigt. Im Falle der japanischen FDI bei Zwischengütern zeigt sich in Taiwan,
wie auch in Hongkong und Singapur, daß bedingt durch ihre kleine
wirtschaftliche Größe, keine optimalen Skalenerträge erzielt werden können,
während für Südkorea diese Investitionsrate gestiegen ist87.
Insgesamt kann Kojima beobachten, daß die japanischen FDI sich an die
geänderten komparativen Vorteile des Gastlandes anpassen. Nach
arbeitsintensiven Branchen, z.B. der Textilindustrie, folgen kapitalintensivere
Branchen, z.B. Maschinenbau und Elektro88.
Der Catching-up Product Cycle in der Kojima-Theorie kann noch weiter
ausgebaut und präzisiert werden. Eine Ergänzung ist das Konzept des
Technological-Mastery-Cycle89. Dies erlaubt eine gedankliche Trennung von
Technologie und technologischem Wissen. Technologie umfaßt den physischen
Prozeß der Transformation von Input- zu Output-Faktoren. Das technologische
87 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O.,S.110f.88 Ebd., S.116.89 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.204ff.
Wissen umfaßt die vollständige Information über diesen Transformationsprozeß.
Unternehmen können demnach einen Herstellungsprozeß beherrschen, ohne
über das zugrundeliegende Wissen zu verfügen. Durch eigene Anstrengungen
kann dieses Defizit ausgeglichen werden. Hier unterscheidet man drei Stufen:
die Assimilierung, die Adaptierung und die Kreation neuer Technologien.
„Assimilierung meint die angemessene Verwendung übernommener
Technologie. Adaptierung bedeutet Anpassung einer übernommenen
Technik/Technologie an die lokalen Erfordernisse; damit wird die
Verwendbarkeit der Technologie erweitert – Voraussetzung sind aber
Fähigkeiten hinsichtlich Reparatur, Instandhaltung und
Produktionskontrolle. Für die Kreation neuer Technologien sind schließlich
neben der Fähigkeit zum Design von Produktionsprozessen auch
Produktdesign und effektive Forschung & Entwicklung notwendig.90“
Der Technology Mastery Cycle bietet einen Erklärungsansatz zur schrittweisen
Beherrschung des Produktionsprozesses und der Produkttechnologie91. Die
lokalen Unternehmer beginnen mit dem Zusammenbau eines reifen Produktes.
Sukzessive lernen sie die Qualität dieses Produktes zu verbessern und
schneller herzustellen. Sie sind in der Lage ein Produkt nachzubauen (reverse
engineering). Mit dem Verständnis des Herstellungsprozesses können einzelne
Unternehmer dieses produkt- und prozeßspezifische Know-how für eine
Geschäftstätigkeit im Ausland einsetzen und ggf. damit den Aufbau eines neuen
Produktbereiches im Inland finanzieren. Nach Ablauf des Produktzyklus
ermöglichen Direktinvestitionen im Ausland neben der Vergabe von Lizenzen
eine Verwertung dieser unternehmensspezifischen Technologie. Dieser
Relokationsmechanismus betrifft vor allem schrumpfende Branchen mit
kleineren und mittleren Unternehmen. Eine Voraussetzung für das
Zustandekommen dieses Mechanismus ist der Technologietransfer durch FDI
auf Unternehmensebene.
Die Beteiligung von lokalen Partnern an einer Folgeinvestition im gleichen
Produktbereich hängt vom Grad der lokalen Technologiebeherrschung ab. Dies
90 Zit. nach Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- undSüdostasiens, a.a.O., S.205.91 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.40ff.
zwingt dazu, den Inhalt von Direktinvestitionspaketen weiter zu spezifizieren.
Gleichzeitig verläßt man damit die industriespezifische Betrachtungsweise
zugunsten einer firmen- und produktspezifischen.
Ein Argument für die Untersuchung auf Unternehmensebene hat die
industrielle Organisationstheorie (Hymer) und die Transaktionskostentheorie mit
der Betonung von firmenspezifischen Vorteilen geliefert. Hennart untersucht die
Determinanten für FDI auf der Produkt- und Unternehmensebene92. Auch im
Ansatz von Kojima ist bewußt ein Interpretationsspielraum für firmenspezifische
Vorteile offengelassen worden. In diesem Zusammenhang wurde auf den Faktor
der unternehmensspezifischen Ausstattung hingewiesen.
Fazit
Im Rahmen von Catching-up Product Cycles werden über FDI zum
Entwicklungsstand eines Landes passende Technologien übertragen. Im
makroökonomischen Ansatz wird dieser komplizierte Lernvorgang auf den
Transfer von FDI-Paketen, in denen Produkt- und Managementkenntnisse
enthalten sind, auf eine einfache Formel reduziert, die noch Raum genug für
eine eigenständige Entwicklung der lokalen Unternehmer läßt. Was Kojima
damit ausdrücken möchte, ist der Transfer von Produktionssets vom Stammland
auf das Gastland, die insgesamt die Produktivität dieser Zielbranche erhöhen.
Auf der Makroebene bewirken diese FDI den Aufbau einer leistungsfähigeren
Exportindustrie. Daraus schließt Kojima, daß es den Unternehmen im Gastland
mit Hilfe des ausländischen Investors gelungen ist, neue Produkte im Rahmen
des Catching-up Product Cycle herzustellen.
Können die lokalen Unternehmen dieses produkt- und prozeßspezifische
Wissen in ein neues FDI-Paket umformen, so wird ein neuer Catching-up
Product Cycle initiiert. Die Situation, daß die Unternehmer des
Empfängerlandes von FDI selbst als Investor im Ausland tätig werden, deutet
auf die gestiegenen technologischen Fähigkeiten hin, obwohl sich dieser
Zusammenhang auf der Makroebene noch nicht schlüssig belegen läßt.
An dieser Stelle muß betont werden, daß sich die Aussagekraft lediglich auf
92 Vgl. hierzu eine Studie zu firmenspezischen Vorteilen japanischer Investitionen in den USA.Hennart, Jean-Francois and Park, Young-Ryeol, Location, Governance, and StrategicDeterminants of Japanese Manufacturing Investment in the United States, in: StrategicManagement Journal, Vol.15, 1994, S.419-436.
die Rolle der ausländischen Investoren beim Transfer von standardisierten
Produkten auf die Weitergabe von Produktionssets bezieht. Eine andere
Fragestellung, ob etwa die vorhandenen Ressourcen im Gastland besser durch
die lokalen Firmen entwickelt worden wären, wenn gar keine FDI dieses Typs
stattgefunden hätten, kann man hieraus nicht beantworten93.
2.3.2. FDI und Technologietransfer auf Unternehmensebene
Kojima definiert FDI als ein Paket, in dem Produkt-, Prozeß- und
Managementtechniken enthalten sind. Dieser Ansatz impliziert eine stufenweise
Eigentumsübertragung der in diesem Paket enthaltenen Technologie auf den
lokalen Partner und ein allmähliches Fade-Out des ausländischen Investors.
Ganz in diesem Sinne entwickelt Park seine Indigenisierungsstrategie, die die
Möglichkeiten des Integrationsprozesses eines ausländischen Unternehmens in
die Binnenwirtschaft des Gastlandes untersucht94. Die hier vertretene
Vorstellungsweise geht über einen automatischen Übertragungsmechanismus
einer Technologie hinaus. Das tatsächlich im Rahmen von FDI gelieferte
Technologiepaket besteht aus einem vertraglich fixierten Teil und einem
„intangiblen“ Entwicklungspotential, welches vom Kenntnisstand und von der
Handlungsfreiheit der lokalen Partner abhängt. Mit Hilfe dieses
Entwicklunspotentials soll ausgedrückt werden, daß für das Erlernen und
Anwenden der in diesem FDI-Paket enthaltenen Technologie zusätzliche
Faktoren notwendig sind. Auf der unternehmerischen Ebene hängt der
Technologietransfer von der Marktmacht des ausländischen Investors ab, seine
Interessen durchzusetzen und rechtlich zu schützen (vgl. Monopoltheorie von
Hymer). Für den einzelnen lokalen Unternehmer ist der Inhalt des
Kooperationsvertrags mit der ausländischen Firma entscheidend.
Generell wird der Technologietransfer von Industriestaaten in
Entwicklungsländer positiv eingestuft95. Als Paradebeispiel eines gelungenen
Transfers auf ein Gastland wird oft die Wirtschaftsgeschichte Japans
93 Kojima, K. and Ozawa, T., Towards A Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.142.94 Park, S.-J., Gemeinschaftsunternehmen und Indigenization-Strategie in der Dritten Welt,a.a.O., S.16f.95 Kang, Chong-Sook, Technologietransfer nach China 1949-1982, Frankfurt New York 1985,S.23.
angeführt96. Japanische Unternehmen haben in Ostasien eine Vorbildfunktion
für die lokalen Firmen97. Der zunehmende Einsatz neuer Technologien in der
Produktion schafft aber auch neue Abhängigkeitsverhältnisse. Die moderne
Produktion setzt den Einsatz von Computern zur Steuerung, Überwachung und
Wartung einzelner Arbeitsprozesse voraus, die nur von Spezialisten beherrscht
werden können. Der Überblick über das gesamte Produktionsverfahren
verbleibt in der Zentrale der Muttergesellschaft, die über ihre
Forschungsabteilungen Verbesserungen des Verfahrens steuert. Im Zuge der
internationalen Arbeitsteilung werden so Management, F&E und
Wartungsarbeiten von der eigentlichen Produktion getrennt. Während bisher
Entwicklungsländer am reinen Import von modernen Maschinen und
Dienstleistungen interessiert waren, wird der Import neuer Technologien
notwendig, um auch zukünftig an der internationalen Arbeitsteilung partizipieren
zu können98. Angesichts dieser Entwicklung ist es verständlich, daß sich die
Entwicklungsländer von FDI einen Demonstrationseffekt99 für Technologien aller
Art erhoffen. Nur eine ständige Partizipation an der internationalen
Arbeitsteilung gewährleistet, weiterhin mit technischem Standardwissen
versorgt zu werden.
Für die Fragestellung der Arbeit ist relevant, ob es einem lokalen
Unternehmer gelingt, ein FDI-Paket zu öffnen. Nach Park vollzieht sich der
Prozeß der Indigenisierung der hereingekommenen Technologie in
unterschiedlichen Mechanismen, die von den Investitionsmotiven, z.B. der
Rohstoffsuche oder niedrigen Lohnkosten, abhängen. Der Technologietransfer
ist gleichzeitig ein Sozialisationsprozeß. Dieser beginnt mit der Integration der
einzelnen Mitarbeiter, aufbauend auf den Stand ihrer Fähigkeiten, in den
Arbeitsprozeß100. Das Erlernen einer bestimmten Technologie kann nur im
Dialog mit Fachkräften, Vorbildern und Anschauungsobjekten bewältigt werden.
96 Tsurumi, Yoshihiro, Technology Transfer and Foreign Trade: The Case of Japan 1950-66,Doctoral Dissertation, Harward University 1968, revised edition 1980, New York.97 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.35f.98 Kang, C.-S., Technologietransfer nach China 1949-1982, a.a.O., S.24f.99 Zhao, Hongxin, Relationship Between Indigenious Technological Capability and ImportedTechnology: Evidence in China, India, Japan, South Korea and Taiwan, George WashingtonUniversity, Dissertation, Washington DC 1992, S.54.100 Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen von Auslandsinvestitionen: Möglichkeiten einerIndigenisationspolitik, No.4, 2.Aufl., Berlin 1985, S.11.
„... learning is intimately connected with and its effects localized to the
environment of ”doing“101“ Japanische Firmen zeichnen sich dadurch aus, daß
sie einen höheren Anteil an japanischen Arbeitskräften in ihren
Niederlassungen im Ausland einsetzen, als etwa amerikanische oder
europäische Firmen. Park beobachtet, daß zunächst fast alle wichtigen
Führungspositionen in den Niederlassung von Japanern besetzt wurden, und
dann allmählich Einheimische die Repräsentanz der Firma nach außen
übernahmen, wobei ihnen intern japanische „Berater“ zur Seite stehen102.
Daraus entwickelt sich ein System der stufenweisen Aufgabenübertragung, das
mit Management by Direct Contact umschrieben werden kann. Das Erlernen
einer Aufgabe bzw. einer Technologie geschieht also unmittelbar am
Arbeitsplatz unter Anleitung103.
Tsurumi hat im Bezug auf den Technologietransfer japanischer Firmen
herausgefunden, daß diese am meisten Produktionsprozeß- und
Managementtechnologien auf die heimischen Firmen übertragen104. Die Stärke
der japanischen Unternehmen bei diesen beiden Technologieformen beruht auf
der eigenen Adaptionsfähigkeit von ausländischen Technologien, die an
japanische Verhältnisse angepaßt werden mußten. So gelang japanischen
Firmen eine Modifikation der über amerikanische FDI nach Japan
hereingekommenen Produkttechnologie105. In dieser Hinsicht geben japanische
Firmen ihre Erfahrungen in der Optimierung von Arbeitsabläufen weiter.
Bei konkreten japanischen Technologietransfer-Mechanismen fällt auf, daß
die ausgewählte Technologie für Entwicklungsländer in einfache operationale
Techniken zerlegt werden, die sich auf folgende Merkmale stützen: „Montage,
Kombination, Imitation, Wartung, Blaupausen-Lieferung und Engineering
101 Hervorhebung im Original, zitiert nach Nelson, Richard R., Production Sets, TechnologicalKnowledge, and R&D,: Fragile and Overworked Constructs for Analysis of Productivity Growth?,in: American Economic Review, Paper and Proceedings, May 1980, S.62-67, hier S.64.102 Park, S.-J., Gemeinschaftsunternehmen und Indigenization-Strategie in der Dritten Welt,a.a.O., S.82ff.103 Ebd. S.88ff.104 Tsurumi,Y., The Japanese Are Coming: A Multinational Interaction of Firms and Politics,Cambridge Mass., S.169ff, zit. nach Park, S.J.,Technologietransfer im Rahmen vonAuslandsinvestitionen: Möglichkeiten einer Indigenisationspoltik, a.a.O., S.12.105 Ozawa, T., Japan’s Technological Challenge to the West: 1950-1974, Cambridge Mass.,London 1974, S.67ff, zit. nach Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen vonAuslandsinvestitionen: Möglichkeiten einer Indigenisationspolitik, a.a.O.,S.13.
Operator-Ausbildung“106. Ein komplexer Arbeitsprozeß wird somit in
überschaubare Einzelaufgaben zerlegt, die in ihrer Problemschwierigkeit von
lokalen Kräften bewältigt werden können und ggf. dazu anregen, sich einen
Überblick über den gesamten Arbeitsprozeß zu verschaffen.
An dieser Stelle wird deutlich, daß hier aus der vielschichtigen Interaktion
zwischen der Technologieübertragung und dem Lernverhalten ein willkürlicher
Handlungsstrang herausgegriffen wird, der wiederum in Beziehung zu
Handlungsrechten, ökonomischen Anreizen (Motivation) und Kompetenz eines
Wirtschaftssubjektes steht107. Röpke prägt in diesem Zusammenhang die
beiden wichtigen Voraussetzungen für die Durchsetzung einer Neuerung auf
der Unternehmensebene: die unternehmerische Fähigkeit und die
unternehmerische Freiheit. Das Erlernen einer Technologie hängt vom
individuellen Kenntnisstand, Geschick und der Erfahrung ab, die technischen
Zusammenhänge zu verstehen und ihre Bedeutung für eine spätere eigene
unternehmerische Umsetzung erfassen zu können108. Die personellen,
organisatorischen und technischen Fähigkeiten eines potentiellen Investors
müssen nun noch mit den Handlungsrechten verknüpft werden.
Die Ausgestaltung einer Technologieübertragung hängt auf der rechtlichen
Seite von den Vertragsbedingungen und dem Direktinvestitionstyp ab. Im
Rahmen eines Joint Venture-Vertrages zwischen einem ausländischen und
heimischen Unternehmen wird der Technologietransfer in seinem Umfang
definiert und die Zeitdauer der Realisation bestimmt109. Ein Technologietransfer
wird in diesen Verträgen zwischen den Partnern im Stamm- und Gastland
ausgehandelt und eine unbefugte Weitergabe durch entsprechende Klauseln
unterbunden. Entscheidend ist der Vertragsinhalt, der den Herstellungsprozeß
betrifft. Je nach Vertrag werden in der Praxis Blaupausen, Handbücher,
Aufzeichnungen, Werkstücke usw. zur Verfügung gestellt. Dennoch läßt sich der
106 Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen von Auslandsinvestitionen: Möglichkeiten einerIndigenisationspolitik, a.a.O., S.4.107 Röpke, Jochen, Die unterentwickelte Freiheit: Wirtschaftliche Entwicklung undunternehmerisches Handeln in Indonesien, Organisation und Kooperation inEntwicklungsländern, Bd.20, Göttingen 1982, S.45ff.108 Ebd., S.52.109 Vgl. ausführlich bei Dobkin, James A., Arnold & Porter, International Technology JointVentures: An Overview and Some Important General Priniciples, in: James A. Dobkin (Ed.),
Herstellungsprozeß eines Produktes trotz der Vollständigkeit aller technischen
Anleitungen nicht bis ins letzte Detail beschreiben. Lokale Partner in einem
japanisch-taiwanischen Joint Venture machten die Erfahrung, daß etwas
Spezifisches fehlt, welches sich schwer konkretisieren läßt110. Die lokalen
Unternehmer müssen selbst erst herausfinden, welche zusätzlichen Angaben
oder Erfahrungswerte ihnen fehlen. Dies kann an Begleitumständen der
Produktion, z.B. einer idealen Raumtemperatur oder bestimmten
Vorbehandlungsmaßnahmen des Materials, liegen. Sie erwerben die fehlenden
technischen Kenntnisse aus der Mitarbeit in den Investitionsprojekten.
Empirische Untersuchungen bestätigen, daß die im Rahmen von FDI
gelieferten Technologien nicht für eine Weiterentwicklung oder Verbesserung
ausreichen. Es besteht kaum Zugang zum eigentlichen Produktdesign111. Die
einzige realistische Möglichkeit besteht in der Verwertung des bestehenden
FDI-Pakets für eine weitere Folgeinvestition im Ausland, bei der genau die
gleichen Teile wie bisher hergestellt werden. Zu diesem Schritt bedarf es
zunächst einmal einer Einigung beider Partner in der Auslegung bzw.
Erweiterung ihres bisherigen Vertrages. Dies hängt wiederum von deren
Verhandlungsmacht und Geschick ab, sich auf eine weitere Kooperation zu
einigen, nachdem das gemeinsam hergestellte Produkt die Reifephase
überschritten hat.
Die individuellen Vertragsbedingungen prägen entscheidend die
Ausgangsposition des lokalen Partners, etwas aus einem Joint Venture zu
erlernen und später selbst weiterzuentwickeln. Werden im Rahmen von FDI
lediglich bestimmte manuelle Arbeitsprozesse durch
Produktionsteilungsverträge oder langfristige Kaufverträge auf Unternehmer im
Gastland übertragen, so ist das Volumen an technischem Wissen auf diesen
Vertragsgegenstand beschränkt. Die Vertragsbedingungen können Klauseln
enthalten, die die Möglichkeiten für das Erlernen einer bestimmten Technologie
einschränken. Taiwanische Firmen berichten in einigen Fällen, daß
International Technology Joint Ventures in the Countries of the Pacific Rim, A Publication of thePacific Rim Advisory Council, Singapore 1988, S.1-24, hier S.18-23.110 Gespräch mit Professor Dr. Cheng-Cherng Chen, Taiwan National University, Oktober 1998.111 San, Gee, The Status and Evaluation of the Electronics Industry in Taiwan, OECD, TechnicalPapers, No.29, October 1990, S.25.
Zusatzinformationen, die nicht in den extakten Vereinbarungen enthalten sind,
extra berechnet werden112.
Zur Vermeidung einer einseitigen Abhängigkeit ist es entscheidend, ob den
einheimischen Partnern eine Wahlmöglichkeit bei der Rechtsform bleibt. Gerade
bei neueren Investitionsformen, wie Joint Venture, Minderheitsbeteiligungen,
Management-, Lizenz- und Marketing-Verträge, Subcontracting,113 kann ein
bestimmtes Maß an unternehmerischer Freiheit bei den einheimischen Kräften
erhalten bleiben, was ihnen später ermöglicht, unternehmerisch tätig zu werden.
Die Auswahl der geeigneten Investitionsform richtet sich meistens nach den
strategischen Zielen des ausländischen Unternehmens. Generell haben
japanische Unternehmen als Nachzügler auf dem Gebiet der Direktinvestitionen
alle diese Investitionsformen genutzt114.
Die Übertragung technischen Wissens wird durch einige sozio-kulturelle
Faktoren, wie der leichteren Überwindung der Sprachbarrieren, der
gegenseitigen Kenntnis von Sitten und Gebräuchen und einer Vielzahl an
persönlichen Kontakten aus der Kolonialzeit erleichtert115. Japanische
Investoren trafen in den fünfziger und sechziger Jahren in Taiwan auf eine
Generation, die ihre Ausbildung in japanischen Schulen und Universitäten
erhalten hat. Da der taiwanischen Bevölkerung während des chinesischen
Bürgerkrieges und z.T. auch in den fünfziger Jahren der Zugang zu
Verwaltungs- und Regierungsstellen verwehrt blieb, konzentrierte sie sich auf
den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Insel. In diesem Neuanfang wurden die
privaten Kontakte nach Japan genutzt116. Da chinesische Schriftzeichen seit
112 Eine Fallstudie zum Autohersteller Yeu Tyan zeigt, daß der französische Partner Peugeotviel großzügiger zusätzliche technische Erklärungen nachliefert als Daihatsu. Vgl. Lai, Shyh-Bao, Strategy for Technology Development of Taiwan’s Automobile Industry: A Case Study ofYeu-Tyan Machinery Company, in: N.T. Wang, Taiwan in the Modern World, Taiwan’sEnterprises in Global Perspective, 1992, S.235-267, hier S.258f.113 Olle weist darauf hin, daß einige dieser „neuen Investitionsformen“ bereits im Verlauf dersechziger Jahre zwischen marktwirtschaftlich orientierten Ländern und Staatshandelsländernpraktiziert wurden. Vgl. Olle, Werner, Strukturveränderungen der internationalenDirektinvestitionen und inländischer Arbeitsmarkt: Empirisch-qualitative Probleme einermakroökonomischen Relevanzanalyse der deutschen Direktinvestitionen im Ausland, München1983, S.109ff.114 Kojima, K. and Ozawa, T., Towards A Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.142.115 Schive, Chi, The Foreign Factor: The Multinational Corporation’s Contribution to theEconomic Modernization, Stanford University, Stanford 1990, S.14f.116 Vor 1945 wurde fast 90% des Handels mit Japan abgewickelt. Vgl. Laumer, H., Diewirtschaftlichen Beziehungen Taiwans zu Japan, a.a.O, S.145.
rund 1500 Jahren zur schriftlichen Fixierung der japanischen Sprache
verwendet werden, können sich beide Seiten z.B. bei einfachen
Gebrauchsanweisungen, Fachausdrücken oder der Beschriftung von
technischen Zeichnungen über chinesische Schriftzeichen verständigen. Eine
Faustregel besagt, daß etwa 80% der japanischen und chinesischen
Schriftzeichen eine identische Bedeutung haben, wobei Aussprache und
Grammatik differieren. In gleicher Weise können taiwanische Investoren in
China aufgrund der gemeinsamen Sprache, Kultur und noch bestehender
familiärer Bindungen rasch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen und
somit die ersten Kontakte eines Netzwerkes knüpfen. Auf diesen Aspekt wird im
nachfolgenden Abschnitt eingegangen.
Aus dem Technologietransfer von japanischen Firmen auf ihre
Niederlassung bzw. ihren Partner in Taiwan ergeben sich drei Fälle für eine
Folgeinvestition in China:
• eine vollständige Beherrschung der japanischen produkt-, prozeß- oder
managementspezifischen Technik, d.h. die Taiwaner können selbständig
eine Investition in China ohne japanische Unterstützung durchführen;
• eine teilweise Beherrschung der japanischen Technik, so daß eigenständige
Leistungen etwa in der Prozeßtechnologie erbracht werden können, aber die
Mithilfe des japanischen Partners in China noch notwendig ist;
• eine wesentliche Abhängigkeit an Kerntechnologien bleibt bestehen und der
taiwanische Investor ist auf die Unterstützung seines japanischen Partners
in China angewiesen.
Fazit
Zur Betrachtung von Folgeinvestitionen wird die Technologiebeherrschung zum
entscheidenden Faktor für die Weitergabe eines FDI-Paketes. Auf der Basis der
betrieblichen Zusammenarbeit mit den ausländischen Unternehmern gelangen
stufenweise Techniken und Kenntnisse auf die heimischen Unternehmer. Dabei
können einige dieser Techniken eingesetzt werden, ohne über das
entsprechende Wissen zu verfügen. Der Einsatz dieser Technologie im Rahmen
einer Folgeinvestition in einem Drittland hängt von ihrer Verwendung,
Anpassung und Verbesserung ab. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist zu
überprüfen, wie die taiwanische Seite mit der Technologie aus FDI-Paketen
umgegangen ist. Wenn sich bei der Übertragung von Technologie im Rahmen
einer Folgeinvestition positive Veränderungen feststellen lassen, so kann man
von einer taiwanischen Hybridtechnologie sprechen.
2.4. Direktinvestitionen und internationale Produktionsnetzwerke
Ein Netzwerk ist eine Kooperationsform von Firmen zur Reduktion ihrer Kosten
und zur Verbesserung ihrer Produktivität, welche im Alleingang nicht zu
realisieren wäre. Weitere Kooperationsziele in einem Netzwerk sind
gemeinsame F&E-Projekte, Grundausbildungsprogramme für Mitarbeiter,
gemeinsames Auftreten gegenüber Kunden und Lieferanten und der Austausch
von Informationen. Hierdurch soll die Flexibilität und das Reaktionsvermögen
des einzelnen gegenüber dem Markt gestärkt werden117. Netzwerke kommen
durch Absprachen unter gleichgesinnten Partnern zustande. In diesem Begriff
steckt auch die soziologische Komponente der persönlichen Beziehungen.
Netzwerke entstehen durch die Selbstbindung der beteiligten Partner, ohne
damit die Handlungsfreiheit des einzelnen unnötig einzuschränken. Oft besitzen
die Mitglieder ein komplementäres Fähigkeitsprofil. Leistungen, die im Netzwerk
erbracht werden, dienen zum gegenseitigen Nutzen118. Netzwerke erfüllen
somit eine eigenständige Funktion neben dem Markt und der
unternehmensinternen Organisation. Im folgenden wird die Bedeutung von
Netzwerken für die internationale Produktion präzisiert.
2.4.1. Netzwerke in der internationalen Produktion
Im Bereich der Elektro-& Elektronikindustrie kann man seit den sechziger
Jahren beobachten, wie führende europäische, amerikanische und japanische
Unternehmen, z.B. Philips, General Electric oder Matsushita, ihre Produktion
internationalisieren. Alle diese Firmen gründen Niederlassungen in Westeuropa,
Amerika und Ostasien, die sowohl speziell für den lokalen Markt wie auch für
die Überseemärkte produzieren. Mit der gleichzeitigen Etablierung dieser
117 Battat, Joseph: Building Networks of Small Companies, adapted from an article by ProfessorSusan R. Helper, in: OECD Documents, Centre for Co-operation with the economies intransition, Small Firms as Foreign Investors: Case Studies from Transition Economies, Paris1996, S.198-211, hier S.198.118 Herrmann-Pillath, Carsten, Wirtschaftsintegration durch Netzwerke: Die Beziehungenzwischen Taiwan und der Volksrepublik China, Schriftenreihe zur Ostasienforschung, Bd.4,Baden-Baden 1994, S.16.
großen Unternehmen in Europa, Amerika und Asien kann man von einer partiell
globalen Produktion sprechen. Ernst unterscheidet hier vier Formen, in denen
sich die Ergebnisse der Transaktionskostentheorie wiederspiegeln119:
• komplette Zentralisierung
• Transfer des heimischen Produktionssystems auf das Gastland
• Dezentralisierung der internationalen Produktion unter Berücksichtigung der
regionalen Besonderheiten
• Versuche einer „globalen Strategie“, z.B. der Plan von Ford zur Herstellung
eines „World Car“
Alle diese Strategien versuchen vorrangig die Transaktionskosten zu senken,
das Risiko zu mindern und eine Weitergabe der Technologie an potentielle
Mitbewerber zu vermeiden. Eine zu starke Stellung der Zentrale führt bei der
Implementierung dieser Strategien zu Schwierigkeiten mit ihren
Niederlassungen im Ausland, die ihre Selbständigkeit bewahren wollen. Damit
werden die führenden Unternehmen im Zuge einer systematischen
Globalsierung ihrer Produktion vor die Aufgabe gestellt, flexible
Organisationsstrukturen zu entwickeln. Es muß möglich sein, bei Bedarf
verschiedene Intensitätsstufen einer Kooperation zu aktivieren. In einigen Fällen
genügt die Initiierung einer Handlung, die aufgrund langfristiger gemeinsamer
Verpflichtungen in Anspruch genommen werden kann. In anderen besteht
Bedarf nach Leistungen, die im eigenen Unternehmen nicht selbst erbracht
werden können120. Eine pragmatische Antwort hierauf sind internationale
Produktionsnetzwerke, die sich um ein führendes Unternehmen mit seinen
Niederlassungen im Ausland, Tochterfirmen und Joint Venture-Partnern
gruppieren. Dieser erste noch hierarchisch gegliederte Ring wird von einem
zweiten aus Zulieferern und Endabnehmern umgeben. Ein Produktionsnetzwerk
erstreckt sich auch auf den unterstützenden Dienstleistungsbereich, die von der
119 Ernst, Dieter, From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks inthe Electronics Industry, Joint Publication of Data Storage Industry Globalization Project Report97-02, Graduate School of International Relations and Pacific Studies, University of California atSan Diego, and BRIE Working Paper #98, Berkeley Roundtable on the International Economy,Univerisity of California at Berkeley, April 1997, S.16f.120 Nach Grabher werden drei Hauptmerkmale eines Netzwerkes unterschieden: Reziprozität,Interdependenz und lose Gruppierungen. Vgl. Grabher, Gernot, Rediscovering the Social in theEconomics of Interfirm Relations, in: Gernot Grabher (Ed.), The Embedded Firm: On theSocioeconomics of Industrial Networks, London New York, S.1-31, hier S.8ff.
OECD auch „intangible investments“ oder „production related support services“
genannt werden121. In dieser Definition ist die Produkttechnologie, das
Herstellungsverfahren und das Management für Logistik, Verkauf und Marketing
enthalten.
In internationalen Produktionsnetzwerken wird die Kontrolle über
ausländische Produktionskapazitäten angestrebt. Dies wird über FDI und sehr
nahe an FDI heranreichende Formen der Zusammenarbeit ohne
Kapitalbeteiligungen erreicht. Zu letzteren gehören Lizenzverträge,
Subcontracting und Franchising. Abseits der vorherrschenden Forschung zu
Direktinvestitionen gibt es einige Ansätze, worin kleine und mittlere
Unternehmen als Lieferanten, Subcontractor und Mittler in der internationalen
Produktion eine Rolle spielen122. Streeten fand heraus, daß in einigen
Bereichen große ausländische Investoren einen Teil ihrer Produktion an
Kleinunternehmen und teilweise auch in den informellen Sektor in Form von
Heimarbeit auslagern123. Anstelle der Bezeichnung „informeller Sektor“ wäre es
jedoch besser hier von Miniunternehmen zu sprechen. Zu diesem Bereich
zählen Selbständige, die in eigener Regie Kleinaufträge z.B. zur Vorbehandlung
von Materialien oder zum Zusammenbau von Teilen ausführen, und alle
„scheinselbständigen“ Arbeitskräfte, die in kurz- oder mittelfristitgen Projekten
beschäftigt werden. In der Praxis entsprechen diese Formen der Tätigkeit von
Subunternehmen, die fast ausschließlich für ein Hauptunternehmen arbeiten.
Diese Kleinunternehmen erfüllen in internationalen Produktionsnetzwerken eine
Pufferfunktion. Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf einfache Teile oder auch
arbeitsintensive kundenorientierte Nischenprodukte, bei denen ein zusätzlicher
Dienstleistungsbedarf anfällt124. Im chinesischen Wirtschaftsraum breiten sich
vor allem horizontale Produktionsnetzwerke unter kleinen und mittleren
Unternehmen zur Herstellung von Zwischengütern aus. Diese Netzwerke ließen
sich jedoch nicht für die Herstellung und den Verkauf von Endprodukten
121 Ernst, Dieter, From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks inthe Electronics Industry, a.a.O., S.17.122 Ebd., S.18.123 Streeten, P., The Role of Direct Private Investment in Developing Countries, a.a.O., S.9ff124 Semlinger, Klaus, Small Firms and Outsourcing as Flexibility Reservoirs of Larger Firms, in:Gernot Grabher (ed.), The Embedded Firm: On Socioeconomics of Industrial Networks, London1993, reprinted 1994, S.161-178, hier S.165.
beobachten125.
Die Flexiblisierung von Aufträgen durch miteinander verbundene
Unternehmen läßt sich weiter systematisieren. Ernst unterscheidet 5 Typen von
Netzwerken126:
• Zulieferer-Netzwerke um eine Kernfirma in der Endherstellung und Montage.
Typische Vertragsformen sind Subcontracting, OEM, ODM, Contract
Manufacturing und Turnkey Production.
• Produzenten-Netzwerke beruhen auf Absprachen zwischen Unternehmen
über eine gemeinsame Produktion, Finanzierung und Einsatz ihres
Humankapitals zur Vergrößerung ihre Angebotspalette und geographischen
Reichweite.
• Kunden-Netzwerke mit Distributoren, Marketing, Endverbrauchern.
• Standard-Koalitionen von globalen Firmen mit dem Ziel, ihre
Eigentumsrechte an der Produktgestaltung als Standard durchzusetzen.
• Technologiekooperationsnetzwerke für gemeinsame Design- und
Produktionstechnologie.
Im Bezug auf diese Arbeit sind vor allem Zulieferernetzwerke von Bedeutung.
Japanische Unternehmen haben mit der vertikalen Integration von Zulieferern
ein typisches Netzwerk geknüpft. In der japanischen Automobilindustrie werden
derzeit ca. 30% der Komponenten im eigenen Hause hergestellt, während es in
Europa 45% und in Amerika 70% sind127. Die Ausprägung an Subcontracting
Relations beschränkt sich meist auf eine pyramidenförmige Struktur mit einem
Kern an Hauptlieferanten128, die ihrerseits ein Puffernetz an Subcontractors
aufgebaut haben. Während sich die Hauptlieferanten, bedingt durch ihre meist
langjährige Erfahrung, auf die Automatisierung ihrer Produktion und an der
Weiterentwicklung und Verbesserung der Produkte z.T. mit eigenen
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten beteiligen, spezialisiert sich die zweite
Riege an Zulieferern auf die flexible Herstellung und Lieferung von
125 Feenstra, Robert, Hamilton, Gary G. and Yang, Tzu-Han, Market Structure and InternationalTrade: Business Groups in East Asia, NBER Working Paper #4536, National Bureau ofEconomic Research, November 1993, S.2.126 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.18f.127 Grabher, G., Rediscovering the Social in the Economics of Interfirm Relations, a.a.O., S.16.128 Ebd., S.17.
standardisierten Teilen und Komponenten. Auf der untersten Stufe drängt sich
ein Zulieferertyp, der sich passiv an diese flexiblen Marktbedingungen anpaßt.
Dazu gehören zum einen in Stoßzeiten extrem lange Arbeitszeiten, auf die
wiederum Ausfallzeiten folgen können.
Insbesondere in den beiden Branchen Elektro und Autoteilen findet eine
Dichotomie der Produktion zwischen Haupthersteller und Zulieferern statt:
Während die Produktion von technisch anspruchsvollen Kernprodukten
zunehmend automatisiert wird, werden dazugehörige Teile im unteren Bereich
von Zulieferern nach herkömmlichen Methoden und z.T. noch arbeitsintensiv
hergestellt. Aufgrund der Machtstellung der kapitalintensiven Haupthersteller
droht eine Verfestigung dieser Struktur129. Diese Situtation trifft vor allem auf die
Massenproduktion zu. Realitätsbezogener ist hier die Annahme von flexiblen
Produktionssystemen mit kleineren Losgrößen. Dies verändert die
Kostensituation aller beteiligten Unternehmen. Die Entscheidung, ob Produkte
über externe Zulieferer oder innerhalb des Unternehmens bezogen werden,
berührt im wesentlichen vier Fragen:
• Verfügbarkeit: Besitzt das Unternehmen die richtige Betriebsgröße, die
Maschinen, das entsprechende Ausbildungsniveau und das produkt- und
prozeßspezifische Wissen für dieses Gut?
• Durchführbarkeit: Kann das Unternehmen mit dem bestehenden
Herstellungssystem oder durch eigene Restrukturierung Engpässe bei der
Versorgung und rechtliche Hindernisse (z.B. Patentschutz) überwinden?
• Gewinn: Unter Annahme ausreichender Kapitalmittel für eine
Erweiterungsinvestition im eigenen Unternehmen und Kenntnis über die
Kosten für diese Investition - läßt sich die neue Produktion effizienter intern
oder extern bewerkstelligen?
• Angemessenheit: Wie hoch ist die Unsicherheit bei der Produktion im
eigenen Unternehmen oder beim Outsourcing (Engpässe, Verlust von Know-
how, Nachfrageveränderungen) und wie wirken sich beide auf intangible
Faktoren (Unternehmensruf, Goodwill und Organisationsklima) aus?130
Diese vier Fragen weisen darauf hin, daß die Wahl zwischen Outsourcing und
129 Vgl. recht kritisch gesehen bei Steven, R., Japan’s New Imperialism, a.a.O., S.56.
einer unternehmensinternen Lösung ein schlüssiges Konzept erfordert, wenn
nicht sogar eine strategische Entscheidung zu fällen ist. Dieses Konzept muß in
Einklang mit den strategischen Zielen der Haupthersteller stehen. Hinzu kommt,
daß technische Neuerungen, Auflagen von Gastländern zu einer stärkeren
Lokalisierung, und die Maßnahmen anderer Marktteilnehmer die
Entscheidungsträger zu einer Neuorientierung ihrer strategischen Ziele
zwingen. So verfolgten z.B. Philips und Matsushita Anfang der siebziger Jahre
das Ziel, in den Gastländern nationale Miniunternehmen aufzubauen, die
vorrangig den lokalen Markt bedienen. Seit Mitte der achtziger Jahre bezieht
Philips seine Hauptprodukte von den global effizientesten Produktionstätten und
entwickelt neue Produkte und Technologien in F&E-Netzwerken131. Matsushita
hat die Abhängigkeit seiner Niederlassungen von der Zentrale im Bezug auf
Technologie, Materialien und Management reduziert. Seit Ende der achtziger
Jahre besitzen die rund 50 Niederlassungen von Matsushita in 26 Ländern eine
größere Autonomie bei der Beschaffung von lokalen Rohstoffen, Materialien
und Imputs und bestimmen den Schwerpunkt ihrer Produktion132.
2.4.2. Netzwerke in der Branche Elektro & Elektronik
Die Branche Elektro & Elektronik ist durch eine starke Marktsegmentierung und
eine sehr große Produktpalette gekennzeichnet. Zu den wichtigsten Bereichen
gehören: Elektrische & elektronische Teile, Computer & Peripheriegeräte,
Konsumgüter, Telekommunikationsausrüstung und Präzisionsgeräte. Aufgrund
des intensiven Wettbewerbs in dieser Industrie versuchen die einzelnen
Hersteller, sich auf bestimmte Produkte und Fähigkeiten zu spezialisieren und
Kontakte zu Kunden, zu Lieferanten und Endabnehmern aufzubauen. Hieraus
entsteht ein Netzwerk aus Firmen, die an einer langfristigen Zusammenarbeit
interessiert sind. Im Zuge des unternehmerischen Wettbewerbs in dieser
Branche werden ständig neue Eintrittsbarrieren errichtet oder bestehende
Grenzen aufgehoben. Eine Besonderheit in der Elektronikindustrie ist, daß die
Intensität und die Geschwindigkeit, mit der neue Barrieren gesetzt werden,
130 Semlinger, Klaus, Small Firms and Outsourcing as Flexibility Reservoirs of Larger Firms,a.a.O., S.163.131 Bartlett, Christopher A. and Goshal, Sumantra, Managing Across Borders: The TransnationalSolution, Harward College 1989, reprinted 1991, S.75f.132 Ebd., S.75f.
zunimmt133. Hinzu kommt, daß durch technische Entwicklungen oder
Nachfrageänderungen neue Produkte entstehen, die wiederum ganz neue
Markteintrittsmöglichkeiten für den Hersteller schaffen. Eine gegenläufige
Tendenz dazu bildet die Pfadabhängigkeit von bestimmten Produktstandards,
die ursprünglich gewählt wurden134. Firmen wie auch Kunden sind z.B. mit der
Wahl einer bestimmten Software an ihre Anfangsentscheidungen gebunden.
Wie reagieren Firmen auf diese komplexen internationale
Marktbedingungen? Entgegen der Erwartung der Produktzyklustheorie von
Vernon werden neue Produkte immer schneller außerhalb des Ursprungslandes
produziert. Neue Produkte durchdringen nahezu ohne zeitliche Verzögerung die
Wachtumsmärkte in Europa, Amerika und Asien. Um rasch und flexibel auf
diese Märkte reagieren zu können, wird ein Teil der Produktion innerhalb der
Wertschöpfungskette auf immer mehr Länder verlagert135. Zur Organisation
einer internationalen Produktion werden umfangreiche Dienstleistungen
erforderlich. Hierzu werden entsprechende regionale Leitungsstellen gegründet.
Die NIEs stellen sich dieser Herausforderung mit staatlich geförderten
Konzepten und bilden regionale Zentren mit Finanzdiensten, F&E-Zentren,
Transport-, Lager- und Umschlageinrichtungen. In Koordination mit einer
grundlegenden Stadt- und Regionalplanung der zukünftigen Landnutzung hat
Taiwan 1995 den Asian Pacific Regional Operational Center (APROC) Plan
verkündet136. Taiwan strebt darin den Ausbau des Dienstleistungs- und High-
Tech Sektors durch lokale Unternehmen zusammen mit multinationalen
Unternehmen an.
Mit der Änderung von Markteintrittsbarrieren haben sich die
Wettbewerbsbedingungen verändert. Früher war es möglich, in der
Elektronikindustrie zwei verschiedene Strategien zu identifizieren, die sich auf
133 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.4.134 Kogut, Bruce, Shan, Weijian, and Walker, Gordon, Knowledge in the Network and theNetwork as Knowledge: The Structuring of New Industries, in:Gernot Grabher (Ed.), TheEmbedded Firm: On the Socioeconomics of Industrial Networks, London 1993, reprinted 1994,S.67-94, hier S.73.135 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.3.136 Chen Chiu, Lee-in, Toward an Interregional Integration of Habitat, Production and Ecosystem– Developing Taiwan into a Regional Center, in: Industry of Free China, Vol.87, Nr.1, January1997, S.41-78, hier S.50f.
bestimmte Produkte und Marktsegmente konzentrierten. Im Bereich
Konsumelektronik und elektronische Komponenten galt es, die Kosten zu
reduzieren. Ein nicht preisgebundener Wettbewerb bestand in einzelnen
Marktnischen mit hochwertigen Produkten. In der Computerindustrie lag der
Schwerpunkt auf der Produktdifferenzierung. Eine klare Zuordnung der
Wettbewerbsbedingungen für einzelne Produktgruppen ist heute nicht ohne
weiteres möglich. Es ist schwierig, die Produktwelt der gesamten Elektro-&
Elektronikbranche zu erfassen. Die Beschaffenheit der Produkte ist extrem
unterschiedlich: Einige elektronische Komponenten sind sehr homogene
Produkte, während andere sehr differenziert sind137. Die Unterscheidung
zwischen homogenen und differenzierten Produkten wird zunehmend
schwieriger. Die meisten Elektronikprodukte haben ein ausgereiftes technisches
Niveau erreicht und werden in Massenproduktion hergestellt. Dabei wird der
Produktzyklus immer kürzer. Die Firmen stehen unter Druck, ihre Produkte
schnell auf den Markt zu bringen, um rasch Anfangsgewinne und Marktanteile
zu erzielen. Bei einer zeitlichen Verzögerung kann der Geschäftserfolg
ausbleiben138.
Das Konzept der geographischen Dispersion von Ernst beschäftigt sich mit
der Strategie zur raschen gleichzeitigen Marktdurchdringung in mehreren
Ländern unter der Voraussetzung, daß ein Unternehmen von der
Funktionsweise eines internationalen Produktionsnetzwerkes überzeugt ist und
dies konsequent umsetzen möchte139. Dies setzt voraus, daß ein Unternehmen
mit unterschiedlichen Partnern im Ausland diesbezüglich Absprachen getroffen
hat. Das Kernunternehmen wird im Zuge der geographischen Dispersion
entscheiden müssen, auf welchen Märkten die Produkte angeboten werden
(quantitative geographische Reichweite), und welche Art von Produkten dort
hergestellt oder verkauft wird (qualitative geographische Tiefe). Innerhalb eines
internationalen Produktionsnetzwerkes gibt es unterschiedliche Intensitätsstufen
der Zusammenarbeit zwischen den Partnern:
• Unabhängigkeit: Die Netzwerkpartner haben keinen gemeinsamen
137 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S. 5.138 Ebd., S.6.139 Ebd., S.20ff.
Herstellungsprozeß, keine gemeinsamen Inputfaktoren und keine gleichen
Bestimmungsorte für den Output
• Gemeinsame Interdependenz: die Partner haben den gleichen
Herstellungsprozeß, benutzen die gleiche Technologie und haben gleiche
Bestimmungsorte für den Output. Jedoch arbeiten alle Partner weitgehend
unabhängig voneinander.
• Stufenweise Interdependenz: der Output eines Unternehmens im Netzwerk
wird zum Input eines anderen Unternehmens.
• Reziproke Interdependenz: für die Herstellung des Output im Rahmen einer
Kooperation ist eine beständige Interaktion zwischen verschiedenen
Abteilungen und Netzwerkpartnern notwendig140.
Die Kooperation in einem internationalen Produktionsnetzwerk wird über
Direktinvestitionen intensiviert. Darüber hinaus bestehen Beziehungen zu
Zulieferern, Kunden und ggf. Konkurrenten. Der Ausbau eines internationalen
Produktionsnetzwerkes zu einem funktionierenden System hängt von der
Führungsqualität und der Macht des Kernunternehmens in diesem Gebilde ab.
Das Kernunternehmen benötigt Zeit, um zu lernen, welche Partner im Netz eine
bestimmte Produktion am besten realisieren können.
Japanische Unternehmen aus der Elektronikindustrie haben die Bedeutung
Asiens als Produktionszentrum innerhalb ihrer Netzwerke erkannt. In der
Herstellung konzentrieren sich die Japaner in Asien auf die Länder Malaysia,
Taiwan, Singapur und Thailand. 1993 konnten diese vier Länder zwei Drittel
aller japanischen FDI in Asien in dieser Branche auf sich vereinigen. Diese
länderspezifischen Aktivitäten werden zu einem regionalspezifischen Konzept
zusammengefaßt. In Singapur und Hongkong befindet sich meist ein regionales
Hauptquartier vieler japanischer Firmen. Taiwan und Südkorea konkurrieren um
OEM-Aufträge und als Lieferanten für Präzisionsteile.
Gleichzeitig haben die ursprünglich arbeitsintensiven Niederlassungen in
Taiwan und Südkorea eine massive Aufwertung erfahren. Heute wird die
arbeitsintensive Produktion nach China, Vietnam und Indonesien
140 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.21.
ausgelagert141. Diese Produktionsstätten werden in internationale
Logistikzentren eingebunden, die teilweise einer japanischen
Unternehmensgruppe angehören142. Die Versorgungs- und
Distributionsbeziehungen haben an strategischer Bedeutung gewonnen. Über
diese Kanäle wird der Einkauf, Transport und die Anlieferung von Teilen
abgewickelt. Innerhalb dieses Netzwerkes wird Personal für F&E und
Reparaturen entsandt, die Finanzierung einzelner Projekte sichergestellt und
das Wechselkursrisiko abgesichert. Alle diese Funktionen werden von den
Regionalzentren aus geleitet, die auch als internationale Einkaufsbüros und
zentrale Distributionszentren dienen.
Singapur unterstützt seit Februar 1988 die Gründung von Regionalzentren
für die Produktion in umliegenden Ländern mit einer zehnjährigen
Steuerbegünstigung. Diese Regionalzentren dürfen in folgenden Bereichen tätig
werden: Planung, Einkauf, technische Unterstützung, Marketing, Verkauf,
Mitarbeiterausbildung und Finanzierung. Bis Juni 1989 machten bereits 22
japanische Firmen Gebrauch von diesen Vorteilen, darunter Sony, Fujikura
Densen, Matsushita Electric und Omron. Hitachi kam 1990 hinzu143.
Einige westliche Beobachter sehen in dieser Tendenz die Entstehung eines
von Japan kontrollierten Versorgungsnetzwerkes in Asien144: Japanische
Unternehmen streben dort den Aufbau von Subsystemen zur Montage von
Teilen an und behalten die Kontrolle über die dort eingesetzten Technologien.
Die japanischen FDI konzentrieren sich auf die Herstellung und Distribution von
Fahrzeugen und Elektronik. Beide Industrien sind für Japan bedeutend.
1990 stammten 50% der japanischen Exporte aus der Elektro-&
Elektronikindustrie. Japanische Exporte an Computern und
Telekommunikationsausrüstung betrugen 22% der Welthandelsgüter (1990). Die
asiatischen Versorgungsnetzwerke in der Elektro- & Elektronikindustrie sind
überwiegend auf die japanische Elektronikindustrie ausgerichtet. Im Vergleich
141 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.21., S.31.142 Tokunaga, Shojiro, Japan’s FDI-Promoting Systems and Intra-Asia Networks: NewInvestment and Trade Systems Created by the Borderless Economy, a.a.O., S.29f.143 Ebd., S.36f.144 Dobsen, Wendy, Japan in East Asia: Trading and Investment Strategies, ISEAS Series onJapan and the Asia Pacific, University of Toronto, Insitute of Southeast Asian Studies, 1993,S.41.
zu Europa herrscht dort jedoch ein intensiverer und offener Wettbewerb145.
Die Autoindustrie sorgte 1990 für 23% aller japanischen Exporte. Dies
entsprach 20,5% der weltweiten Handelsgüter. Die japanische Autoindustrie
besteht aus elf Fahrzeugherstellern, die von 1.400 Teileherstellern und weiteren
10.000 Zulieferern für Teile und Materialien beliefert werden. Die
Haupthersteller produzieren im Durchschnitt ca. 25% der Teile selbst und
beziehen den Rest von außerhalb. Hier gibt es zwei Abstufungen bei den
Zulieferern, diejenigen der ersten Riege lassen wiederum fast 85% ihrer Teile
von den Zulieferern der zweiten Riege herstellen146. Die Zulieferer der ersten
Riege gründen weitere Joint Venture, und zerlegen ihren Arbeitsprozeß in
anspruchsvollere und einfachere Teile. Innerhalb der internationalen Netzwerke
werden einige dieser Teile im Ausland produziert.
2.4.3. Zur Einordnung von Folgeinvestitionen in Produktionsnetzwerke
Das Phänomen der Folgeinvestitionen über zwei Volkswirtschaften hinweg ist
ein Teil der vielschichtigen internationalen Produktionsbeziehungen. Kojima hat
in seinem Ansatz die Rolle der Sogo Shosha als Wegbereiter zum Aufbau von
Netzwerken beschrieben. Aufgrund ihrer vielfältigen Geschäftsbeziehungen
sind diese in der Lage, die komparativen Kosten in verschiedenen Ländern zu
erkennen. Über ihre Vermittlungsdienste wird ein Teil des Handels von und mit
den NIEs und ASEAN-Staaten abgewickelt. Darüber hinaus bleiben Kojimas
Ausführungen zur Bildung von internationalen Produktionsnetzwerken auf einer
allgemeinen Ebene stehen.
Aus der stufenweisen Anpassung der FDI an die jeweiligen komparativen
Vorteile der Gastländer kann man die Entstehung von Folgeinvestitionen
erklären. Dies bedeutet, daß die Aktivität der ausländischen Niederlassung auf
den branchenspezifischen Produktzyklus im Gastland begrenzt ist. Mit dem
Eintreffen eines standardisierten Produktes entsteht zunächst im Gastland ein
neuer Produktzyklus. Da aber über den ausländischen Investor aus Sicht des
Stammlandes ein reifes Produkt eingeführt wird, kann man annehmen, daß
dessen Produktzyklus im Gastland etwas schneller ablaufen wird als im
Stammland. Wenn diese Branche im Gastland insgesamt ihre komparative
145 Dobsen, Wendy, Japan in East Asia: Trading and Investment Strategies, a.a.O., S.44.146 Ebd., S.44f.
Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, so ist die Niederlassung gezwungen,
Maßnahmen zur Restrukturierung einzuleiten. Unter der Voraussetzung, daß
das Stammunternehmen weiterhin die Kontrolle über seine Niederlasssung im
Gastland aufrechterhalten möchte, ist eine Folgeinvestition dieser
Niederlassung in ein Drittland eine Möglichkeit, dieses produktspezifische
Know-how und Kapital weiter einzusetzen. Gleichzeitig kontrolliert und steuert
das Stammunternehmen die Weitergabe seiner ursprünglichen Technologie. Die
lokalen Partner des Gastlandes können dann nur zusammen mit dem
Stammunternehmen als Investor in einem Drittland auftreten. Die Produkte, die
hier zum zweiten Mal im Rahmen von FDI verlagert werden, kann man
sicherlich als standardisiert bezeichnen.
Betrachtet man die gezielte Auslagerung von standardisierten Produkten in
jene Länder mit komparativen Vorteilen als eine Option innerhalb von
internationalen Produktionsnetzwerken zur optimalen Verwertung von internem
Know-how, so entsteht ein Freiraum für die technologisch führenden
Netzwerkpartner, in neue Produktbereiche vorzustoßen, die über die FDI in
standardisierten Produkten finanziert werden können. Gleichzeitig werden damit
auch Betätigungs-möglichkeiten für nachrückende Partner geschaffen, die in
den standardisierten Produktbereich eindringen können. Dies erfordert eine
konzeptionelle Netzwerkorganisation, die das Risiko auf mehrere Partner
verteilt und eine kostensparende Auftragsvergabe an überwiegend
gleichberechtigte Subcontracting Partner anstrebt. In der Entwicklung der
taiwanischen Computerindustrie lassen sich solche Beispiele finden147. Zu den
Partnern in einem solchen Produktionsnetzwerk gehören auch einzelne
Unternehmer, die die Marktchance für die Verlagerung von standardisierten
Produkten ins Ausland schnell erkennen und rasch realisieren. Wenn man bei
einer Folgeinvestition von einer zeitlich begrenzten Dauer des Produktzyklus
ausgeht, kann als Investitionsform eine Minderheitsbeteiligung in Betracht
kommen. Über ein Joint Venture lassen sich generell potentiell riskante und
spekulative Projekte ohne die Gesamthaftung des Vermögens der Stammfirma
147 Vgl. Kawakami, Momoko, Development of Small- and Medium-Sized Manufacturers inTaiwan’s PC Industry, Chung-Hua Institution for Economic Research, Discussion Paper SeriesNo.9606, November 1996, S.45f.
beginnen. Im Joint Venture kann das Risiko auf die beteiligten Partner nach
einem frei vereinbarten Schlüssel verteilt werden148. Bei standardisierten
Produkten ist das Risiko jedoch niedriger einzustufen als bei
Investitionsvorhaben in einem neuen, noch nicht markterprobten
Produktbereich.
Die Spezialisierung von kleinen Unternehmen in einem
Produktionsnetzwerk auf die rationelle und effiziente Herstellung eines
standardisierten Produktes macht Sinn, wenn dieser Output an einen anderen
Partner geliefert werden kann, der vor allem von der stabilen und flexiblen
Belieferung profitiert149. Vor dem Hintergrund dieser Absatz- und
Versorgungsbeziehungen, erscheint es plausibel, daß eine Folgeinvestition für
ein bestimmtes, standardisiertes Produkt innerhalb von Produktionsnetzwerken
angesiedelt werden kann.
2.5. Zusammenfassung der Kernfragen
Die Kojima-Theorie liefert für das Phänomen der Folgeinvestitionen die
bedenkenswerte Hypothese eines FDI-Typs, der die Verlagerung eines
ausgereiften Produktes auf eine heranwachsende Volkswirtschaft (Catching-up
Economy) anstrebt. Dabei setzen die Investoren ihre zuvor durch FDI
erworbenen produkt- und prozeßspezifischen Kenntnisse zur Reproduktion
dieses Gutes ein. Mit dieser Folgeinvestition wird ein ein neuer Catching-up
Product Cycle initiiert.
Auf makroökonomischer Ebene bewirkt dieser FDI-Typ eine
Kostensenkung sowie eine stufenweise Steigerung der Produktivität in der
Zielbranche im ersten Gastland. Durch die Folgeinvestitionen werden diese
„neuen“ Produkttechnologien, Herstellungsverfahren und organisatorischen
Kenntnisse im zweiten Gastland verbreitet. Da auch für die Herstellung von
einfachen Waren ein Minimum an begleitenden Dienstleistungen zur Logistik,
Marketing und Verkauf erforderlich ist, erwerben lokale Partner dieses Wissen
von den ausländischen Partnern. Im makroökonomischen Ansatz von Kojima
148 Dobkin, James A., Arnold & Porter, International Technology Joint Ventures: An Overviewand Some Important General Priniciples, in: James A. Dobkin (Ed.), International TechnologyJoint Ventures in the countries of the Pacific Rim, A Publication of the Pacific Rim AdvisoryCouncil, Singapore 1988, S.1-24, S.5.149 Dunning, J.H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, a.a.O., S.19f.
beruht der Lerneffekt der lokalen Unternehmer auf deren Fähigkeit, aus dem
FDI-Paket Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologien zu erwerben. Als
Richtwert gilt, daß der Lerneffekt um so größer ausfällt, je geringer die
technologische Lücke zwischen dem Stamm- und Gastland ist. Wird über FDI
die Exportfähigkeit der Zielbranche insgesamt gesteigert, so schließt Kojima
hieraus, das es den lokalen Unternehmern gelungen ist, neue Produkte im
Rahmen des von ausländischen Investoren initiierten (ersten) Catching-up
Product Cycle herzustellen. Erreichen die lokalen Unternehmer die Fähigkeit,
daß sie dieses produkt- oder prozeßspezifische Wissen zu einem neuen FDI-
Paket umformen können, so initiieren sie damit selbst einen neuen (zweiten)
Catching-up Product Cycle in einem weiteren Land. Diese Fähikgkeit deutet auf
ein gestiegenes technologisches Wissen der lokalen Unternehmer des ersten
Gastlandes hin.
Verbindet man die recht einfachen Überlegungen Kojimas im Rahmen des
Catching-up Product Cycle mit dem Technology Mastery Cycle, so folgt daraus,
daß lokale Unternehmen über die Stufen, der Assimilierung und Adaptierung,
die Technologie aus dem FDI-Paket erlernen können. Dabei ist es durchaus
möglich, daß ein Unternehmen den Herstellungsprozeß beherrschen kann,
ohne die zugrundeliegende Produkttechnologie zu verstehen. Strebt ein
Unternehmen die Anpassung einer Technologie an, so muß sie hierfür
zumindest ein solides Grundgerüst an technischen Fähigkeiten, etwa der
Instandhaltung und Pflege der Maschinen, mitbringen. Die Anpassung an lokale
Gegebenheiten wird auch als Hybridtechnologie bezeichnet. Gelingt es den
lokalen Unternehmern aus dem FDI-Paket den Herstellungsprozeß und die
organisatorischen Fähigkeiten auf ihre Bedürfnisse anzupassen, dann kann
diese Hybridtechnologie für eine Folgeinvestition im Ausland eingesetzt werden.
Betrachtet man das Phänomen von Folgeinvestitionen im Zusammenhang
mit der Entstehung von internationalen Produktionsnetzwerken, so kann man
einen Bedarf an flexiblen Organisationsformen erkennen, an denen auch eine
Reihe von kleinen Unternehmen mit einfachen und standardisierten Produkten
partizipieren. Hierbei gruppieren sich im Zuge der internationalen Arbeitsteilung
um ein Kernunternehmen eine Reihe von Partnern im In- und Ausland, die über
verschieden intensive Absprachen und Kooperationsformen zusammengehalten
werden.
Der Grundgedanke von Netzwerken ist der Zusammenschluß von
mehreren gleichgesinnten Partnern, von denen je nach Bedarf Leistungen
erbracht oder nur Informationen eingeholt werden können. Die Beziehungen im
Netzwerk gleichen zum Teil unübersichtlichere Marktverhältnisse aus oder
ermöglichen die Überwindung von Marktbarrieren. Während früher noch eine
verhältnismäßig klare Trennung der Wettbewerbsbedingungen für einzelne
Produkte und Marktsegmente möglich war, ist es heute schwierig, eine
verallgemeinerungsfähige Aussage zu treffen. In der Elektronik- und
Automobilindustrie wurden sowohl durch staatlichen Einfluß wie auch die
Anzahl der Anbieter neue Markteintrittsbarrieren errichtet, während andere
verschwunden sind. Die Herstellung von technisch anspruchsvolleren
Produkten gliedert sich in die eigentlichen Kernprodukte und dazugehörige
Teile, Komponenten und Peripheriegeräte. Im Bereich dieser Teile und
Komponenten befinden sich eine Reihe von standardisierten Bauteilen, die sich
im Rahmen von FDI auslagern lassen. Die Dichotomie bei der Herstellung setzt
sich in den pyramidenförmigen Zulieferbeziehungen weiter fort. Die
Kernhersteller und ihre engsten Lieferanten sind in der Lage ihre Produktion z.T.
zu automatisieren und konzentrieren sich auf die Verbesserung und
Weiterentwicklung von technologisch anspruchsvollen Gütern. Um diesen Kern
gruppieren sich mehrere Ringe mit Zulieferern, die auf herkömmliche Weise ihre
Produkte herstellen. Diese entwickeln die Fähigkeit, rasch auf die
Haupthersteller reagieren zu können. In diesem Zusammenhang ergibt sich
eine Verbindung zu dem von Kojima beschriebenen FDI-Typ. Aufgrund des
Kostendrucks bewegen sich viele dieser Unternehmen an der Grenze einer
rentablen Produktion. Über die Verlagerung dieser Produktion in jene Standorte
mit entsprechenden komparativen Vorteilen im Ausland kann die
Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessert werden. Da viele dieser Unternehmen
als Zulieferer bereits gewohnt sind, in internationalen Produktionsnetzwerken zu
arbeiten, wird diese Struktur über FDI weiter ausgebaut.
Bei den japanischen Investitionen in Taiwan läßt sich der von Kojima
beschriebene FDI-Typ kleiner und mittlerer Unternehmen beobachten, die aus
schrumpfenden Industrien abstammen. Zur näheren Bestimmung der produkt-
und prozeßspezifischen japanischen Technologie, die im Rahmen von
Direktinvestitionen in Taiwan eingesetzt werden, ist eine Konzentration auf das
Produkt- und Dienstleistungsangebot dieser Niederlassungen notwendig.
Das Phänomen der Folgeinvestitionen beschreibt die Fähigkeit von lokalen
Joint Venture-Partner, aus einem hereingekommenen FDI-Paket ganz oder
teilweise Produkt-, Prozeß- und Managementtechniken zu erwerben und diese
wieder zu einem neuen FDI-Paket für ein Drittland zusammenzuschnüren. Die
auf diese Weise zum zweiten Mal transferierten Produkte kann man als
standardisiert bezeichnen. Läßt sich dieser Prozeß über zwei Volkswirtschaften
hinweg beobachten, und wiederholt sich mit diesem FDI-Typ lediglich ein
bestimmter Produktzyklus in beiden Empfängerländern aufgrund der dortigen
komparativen Vorteile in dieser Branche, so findet ein Catching-up Product
Cycle statt, wie ihn Akamatsu ursprünglich beschrieben hat. Es kommt zu einer
Verlagerung von reifen Produkten von einem führenden Land auf ein
nachrückendes Land. Der Nachweis von Catching-up Product Cycle ist auf die
Einzelbetrachtung innerhalb von Fallstudien beschränkt150.
Das Beispiel der taiwanisch-japanischen Joint Ventures in China deutet
darauf hin, daß diese nach Ablauf des Produktzyklus in Taiwan in einer
Folgeinvestition in China die geeignete Form zur optimalen Verwertung ihres
unternehmensspezifischen Know-hows sehen. Dies hängt wiederum vom
Umfang des Technologietransfers auf diese Niederlassungen ab. Mit Hilfe von
Mikrodaten soll versucht werden, die Möglichkeiten des Transfers von FDI-
Paketen auf die lokalen Partner genauer zu erfassen.
� Untersuchungsraster
Das Ziel ist herauszufinden, ob und in welchem Umfang eine japanische
Investition in Taiwan zu einer Folgeinvestition im Rahmen eines taiwanisch-
japanischen Joint Venture in China geführt hat. Dazu werden im empirischen
Teil folgende Arbeitsfragen gestellt:
1. Erfassung der japanischen Direktinvestitionen in Taiwan und der
taiwanischen Direktinvestitionen in China
2. Welche Absicht verbinden die Japaner mit ihrem Investitionsvorhaben in
150 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.280ff.
Taiwan bzw. das taiwanisch-japanische Joint Venture in China?
3. Welche Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologie erhielt die
japanische Niederlassung in Taiwan? Werden die taiwanischen Partner an
Schlüsselfunktionen in der Geschäftsleitung beteiligt?
4. Geht die Initiative für eine Folgeinvestition von der taiwanischen oder der
japanischen Seite aus?
5. Welche Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologie wurde bei der
Folgeinvestition eingesetzt?
6. Welche Verbesserungen hat die taiwanische Seite dabei realisiert?
7. Wie wirkt sich diese Folgeinvestition auf die neu gegründete gemeinsame
Niederlassung in China aus?
Besteht eine Technologieübertragung in der Kette Japan – Taiwan – China,
dann kann man untersuchen, ob und welche Verbesserungen die taiwanische
Seite vorgenommen hat. Die Adaptierung der von Japan hereingekommenen
Technologie kann sich auf das Produkt, die Herstellung sowie organisatorische
Fähigkeiten beziehen. Läßt sich eine Anpassung der Technologie der
japanischen Niederlassung durch den taiwanischen Joint Venture-Partner
nachweisen, so kann man von einer taiwanischen Hybridtechnologie sprechen.
Aus dem Vergleich der Technologieübertragung von der japanischen Zentrale
auf ihre Niederlassung in Taiwan, sowie von dieser auf das taiwanisch-
japanisch Joint Venture in China, kann man die Bedeutung der Folgeinvestition
erkennen.
Die Beschäftigung mit Folgeinvestitionen trägt zum Verständnis der
Wirkung von FDI auf das Gastland bei und verdeutlicht den Fortschritt von
Lernprozessen bei lokalen Unternehmern. In diesem Sinne wird die von Kojima
geprägte Grundannahme bestätigt, die durch den Transfer einer überlegenen
unternehmerischen Ausstattung auf das Gastland eine stufenweise
Übertragung dieses produkt-, prozeß- und managementspezifischen Wissens
prognostiziert. Dieser Prozeß beschränkt sich auf die Herstellung von
denjenigen standardisierten Gütern, die sich nach dem Ablauf ihres
Produktzyklus im ersten Gastland für eine zweite Folgeinvestition in einem
zweiten Gastland eignen. Ihre Bedeutung besteht vor allem im Aufrechterhalten
einer kostensenkenden Produktionsweise.