2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten...

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2. Der theoretische Bezugsrahmen 2.1. Der Catching-up Product Cycle aus makroökonomischer Sicht Der Catching-up Product Cycle entstand in seiner ursprünglichen Fassung von Akamatsu als wirtschaftliches Wachstumsmodell zur Erklärung des Prozesses von einem Entwicklungs- zu einem Industrieland. Danach durchläuft ein Entwicklungsland vier Stufen der Wirtschaftsentwicklung. Betrachtet man nur ein Konsum- und ein Kapitalgut, so beginnt das Entwicklungsland auf der ersten Stufe mit dem Import eines Konsumgutes. Auf der zweiten Stufe kann es dieses Konsumgut selbst herstellen und auf der dritten Stufe wird es dieses Konsumgut exportieren. Um eine Stufe verschoben, beginnt dieses Entwicklungsland mit dem Import eines Kapitalgutes auf der zweiten Stufe. Die inländische Produktion dieses Kapitalgutes ist auf der dritten Stufe möglich und auf der vierten Stufe kann es dieses Kapitalgut exportieren. Akamatsu geht hierbei von einer Finanzierung durch ausländisches und heimisches Kapital aus 1 . Die einzelnen Stufen lassen sich folgendermaßen charakterisieren: Auf der ersten Stufe spezialisiert sich ein Entwicklungsland auf den Export von Primärgütern und Import von Konsumgüter aus Industrieländern (Importphase). In der zweiten Stufe erreicht das Entwicklungsland das Niveau, Konsumgüter für den Inlandsmarkt zu produzieren und zieht damit mit den Industrieländern gleich. Diese Importsubstitutionsphase ist entscheidend für den Aufbau einer eigenen Industrie. An diesem Prozeß werden sich ausländische Investoren beteiligen 2 . Das Land importiert auf dieser Stufe Kapitalgüter zum weiteren Ausbau seiner Konsumgüterindustrie. In der Expansions- bzw. Exportphase exportiert dieses Land Konsumgüter. In dieser Phase kommt es zu einer Differenzierung zwischen benachbarten 1 Trägt man in einem Diagramm auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Menge der Importe, inländischen Produktion und der Exporte ab, so erhält man drei sich überschneidende, zunächst auf- und dann wieder absteigende Graphen, die Akamatsu aufgrund ihrer Form eines umgedrehten V an den Formationsflug "fliegender Wildgänse" erinnern. Vgl. Ders., A Theory of Unbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.206f. 2 Interpretation von Lee, Chung H., Direct Foreign Investment, Structural Adjustment and International Divsion of Labour: A Dynamic Macroeconomic Theory of Direct Foreign Investment, a.a.O., S.61.

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2. Der theoretische Bezugsrahmen

2.1. Der Catching-up Product Cycle aus makroökonomischer Sicht

Der Catching-up Product Cycle entstand in seiner ursprünglichen Fassung von

Akamatsu als wirtschaftliches Wachstumsmodell zur Erklärung des Prozesses

von einem Entwicklungs- zu einem Industrieland. Danach durchläuft ein

Entwicklungsland vier Stufen der Wirtschaftsentwicklung. Betrachtet man nur

ein Konsum- und ein Kapitalgut, so beginnt das Entwicklungsland auf der ersten

Stufe mit dem Import eines Konsumgutes. Auf der zweiten Stufe kann es dieses

Konsumgut selbst herstellen und auf der dritten Stufe wird es dieses

Konsumgut exportieren. Um eine Stufe verschoben, beginnt dieses

Entwicklungsland mit dem Import eines Kapitalgutes auf der zweiten Stufe. Die

inländische Produktion dieses Kapitalgutes ist auf der dritten Stufe möglich und

auf der vierten Stufe kann es dieses Kapitalgut exportieren. Akamatsu geht

hierbei von einer Finanzierung durch ausländisches und heimisches Kapital

aus1. Die einzelnen Stufen lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

Auf der ersten Stufe spezialisiert sich ein Entwicklungsland auf den Export

von Primärgütern und Import von Konsumgüter aus Industrieländern

(Importphase).

In der zweiten Stufe erreicht das Entwicklungsland das Niveau,

Konsumgüter für den Inlandsmarkt zu produzieren und zieht damit mit den

Industrieländern gleich. Diese Importsubstitutionsphase ist entscheidend für den

Aufbau einer eigenen Industrie. An diesem Prozeß werden sich ausländische

Investoren beteiligen2. Das Land importiert auf dieser Stufe Kapitalgüter zum

weiteren Ausbau seiner Konsumgüterindustrie.

In der Expansions- bzw. Exportphase exportiert dieses Land Konsumgüter.

In dieser Phase kommt es zu einer Differenzierung zwischen benachbarten

1 Trägt man in einem Diagramm auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Menge derImporte, inländischen Produktion und der Exporte ab, so erhält man drei sich überschneidende,zunächst auf- und dann wieder absteigende Graphen, die Akamatsu aufgrund ihrer Form einesumgedrehten V an den Formationsflug "fliegender Wildgänse" erinnern. Vgl. Ders., A Theory ofUnbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.206f.2 Interpretation von Lee, Chung H., Direct Foreign Investment, Structural Adjustment andInternational Divsion of Labour: A Dynamic Macroeconomic Theory of Direct ForeignInvestment, a.a.O., S.61.

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Ländern, die zuvor gleiche homogene Primärgüterindustrien besaßen; z.B.

China und Japan haben gegen Ende des 19. Jahrhunderts Rohseide, Tee und

Reis produziert. Der Handel zwischen Ländern auf der dritten Stufe mit denen

auf der ersten Stufe führt zu einem Austausch leichter industrieller Güter gegen

Nahrungsmittel und Rohstoffe und erhöht den Handel der Entwicklungsländer

untereinander. Die inländische Produktion, die durch den Import von

Fertigwaren angeregt wurde, beginnt nun sich auf den Export auszudehnen.

Auf der vierten Stufe beginnt die inländische Produktion von Kapitalgütern,

die mit dem Import von Kapitalgütern auf der zweiten Stufe angeregt wurde.

Langsam zeichnet sich in dieser Phase ab, daß diese im Inland produzierten

Kapitalgüter exportiert werden, wie das Beispiel Japans zu Beginn der

sechziger Jahre zeigte3. Auch beim Aufbau dieser kapitalgüterintensiven

Industrie werden sich ausländische Investoren beteiligen.

Nach Akamatsu vollzieht sich diese Höherentwicklung aus einer

abwechselnden Reaktion auf Angebots- und Nachfragelücken. Auf jeder Stufe

werden aufgrund der Ungleichgewichtssituation Marktkräfte freigesetzt, die

diese Situation beseitigen, und somit eine höhere Stufe realisieren.4

Bemerkenswert ist, daß Akamatsu seiner Zeit weit voraus das Wachstum

von Entwicklungsländern aus einer Ungleichgewichtssituation heraus erklärt, in

die diese geraten, wenn sie mit ihren Primärgütern erstmals am Welthandel als

Exporteure teilnehmen und hierfür neue Güter erwerben können, die zuvor in

diesem Land unbekannt waren. Die unbefriedigte Nachfrage nach einem neuen

Gut in einem Entwicklungsland führt zu dessen Import. Übertreffen die Gewinne

aus dem Import dieses Gutes die bisherigen Gewinne in der Inlandsproduktion,

so wird ein Anreiz geschaffen, daß inländisches Kapital in den Aufbau dieser

neuen Industrie fließt5. Auf diese Weise kann eine neue Branche entstehen.

Die von Akamatsu gewählte Terminologie läßt sich mit der

3 Akamatsu, K., A Theory of Unbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.206ff.4 Akamatsu nennt in Anlehnung an seine Studien der Hegelschen Philosophie in Heidelberg 1924-26 seine Entwicklungstheorie, die aus der Diskrepanz heraus entsteht, eine dialektische Synthese.Ebd., S.213. Angesichts der vorgebrachten Argumentation ist es gerechtfertigt, Akamatsu in dieReihe der Hegelianer einzuordnen. Vgl. auch bei Pascha, W. “Das hegelsche Erbe ist (beiAkamatsu) unverkennbar.“ in: Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- undSüdostasiens, a.a.O., S.167.5 Akamatsu, K., A Theory of Unbalanced Growth in the World Economy, a.a.O., S.212.

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betriebswirtschaftlich orientierten Produktzyklustheorie von Vernon6 und dem

Marktphasenkonzept von Heuss/Oberender7 vergleichen. Die ersten drei Stufen

bei Akamatsu beschreiben die Wachstumsphase eines Gutes. Sie können mit

der Experimentierungs-, Entstehungs- und Reifephase von Vernon

gleichgesetzt werden, während auf der vierten Stufe, der Stagnations- bzw.

Rückbildungsphase, ein neues Gut, z.B. im obigen Fall ein Kapitalgut das

Konsumgut ablöst. Nach Oberender8 beginnen die Direktinvestitionen im

Ausland in der Ausreifungsphase des Heimatlandes des Investors. Diese

ausländischen Direktinvestitionen finden dementsprechend in der

Exportsubstitutionsphase des Gastlandes statt und orientieren sich an der

lokalen Nachfrage. Der Ansatz von Vernon unterscheidet sich von Akamatsu in

der Berücksichtigung der Innovation neuer Güter, die vom „Innovator“ aus

zunächst über Exporte und dann über Direktinvestitionen in der Welt verbreitet

werden.

Basierend auf der theoretischen Verbindung von Catching-up Product

Cycles mit dem internationalem Handel von Akamatsu untersucht Kojima die

Wirkung ausländischer Direktinvestitionen auf das Gastland und zieht die

Schlußfolgerung, daß FDI eine handelsförderende oder handelshemmende

Wirkung entfalten können. Kojima geht bei seinen Überlegungen von einem

Zwei-Länder-zwei-Güter-Fall aus. Stammen die ausländischen Investitionen aus

einer komparativ benachteiligten Branche des Ursprungslandes und verstärken

den komparativen Vorteil des Gastlandes in dieser Branche, so lassen diese die

Exporte des Gastlandes in dieser Branche zunehmen und wirken

handelsfördernd, da das Stammland des ausländischen Investors weiterhin

seine komparativ vorteilhaften Güter in das Gastland exportieren kann. Im

umgekehrten Fall, wenn die ausländischen Investitionen aus der komparativ

6 Vernon, R., International Investment and International Trade in the Product Cycle, in: QuarterlyJournal of Economics, Bd. 80, 1966, S.190-207.7 Das Marktphasenkonzept geht auf Heuss zurück und wurde von Oberender ausgebaut. Vgl.Heuss, Ernst, Allgemeine Markttheorie, Tübingen Zürich 1965; Oberender, Peter, InternationalerHandel und Marktökonomie: Eine markttheoretische Fundierung des internationalen Handels,in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 33. Jahr, Tübingen 1988,S.41-61; Oberender, Peter, Marktdynamik und internationaler Handel: Eine theoretische undempirische Analyse dargestellt anhand der amerikanischen Uhrenindustrie von 1965 bis 1978,Tübingen 1988.8 Oberender, P., Marktdynamik und internationaler Handel: Eine theoretische und empirischeAnalyse dargestellt anhand der amerikan. Uhrenindustrie von 1965 bis 1978, a.a.O., S.26f.

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vorteilhaften Branche des Stammlandes kommen und in die bisher komparativ

benachteiligte Branche des Gastlandes gelangen, so wird nur der bisherige

Nachteil im Gastland ausgeglichen und die Exportchancen des Stammlandes

für dieses Gut in das Gastland geschmälert. Aufgrund der ausländischen

Investitionen wird also der bisherige Handel eingeschränkt.

Kojima geht noch einen Schritt weiter und stellt die Hypothese auf, daß die

japanischen FDI makroökonomisch orientiert sind, d.h. sie resultieren in einer

geordneten Verlagerung derjenigen Industrien, in denen Japan seine

komparativen Vorteile verliert und umgekehrt das Gastland komparative Vorteile

besitzt9. Durch diese FDI werden eine höherentwickelte Technologie und

Managementkenntnisse in das Gastland eingeführt. Die Kojima-Theorie10

beruht auf folgenden Basisannahmen:

1. Freihandelsprinzip: Nach den komparativen Kosten importiert jedes Land

diejenigen Güter mit komparativen Nachteilen und exportiert jene mit

komparativen Vorteilen. Daraus resultieren Handelsgewinne und die

Steigerung der volkswirtschaftlichen Wohlfahrt.

2. FDI-Prinzip: Die Industrien des Stammlandes wählen diejenigen Industrien

des Gastlandes mit potentiellen komparativen Vorteilen. Diese entsprechen

komparativen Nachteilen im Stammland. Es kommt zu einer Verschiebung

von Betriebskapital aus dem komparativ benachteiligten Stammland in

diejenige Industrie mit komparativen Vorteilen des Gastlandes. Weil dadurch

die Produktivität im Gastland verbessert wird, vergrößern sich die

Unterschiede der komparativen Produktionskosten in beiden Ländern und

der Handel nimmt zu.

Daraus zieht Kojima nun 5 Folgesätze:

Folgesatz 1: Beziehung zwischen internationalem Handel und FDI

Aus der internationalen Arbeitsteilung erfolgen für beide Handelspartner

statische Gewinne. Zusätzlich transferieren die FDI Kapital, Technologie,

9 Kojima bezeichnet dies als das Prinzip der komplementären, komparativen VorteilsmusterKojima, K., Japanese, Direct Investment Abroad, a.a.O., S.13. Kojima, K., MacroeconomicVersus International Business Approach to Direct Foreign Investment, in: Hitotsubashi Journalof Economics, June 1982, S.1-19, hier S.2.10 Kojima, K., Kaigai chokusetsu toshi no makuro bunseki (Die Makroanalyse der ausländischenDirektinvestitionen), 1989, S.4. (Zitierweise: Die Makroanalyse der ausländischenDirektinvestitionen).

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Managementfähigkeiten auf das Gastland, senken dort die Kosten und

lösen einen dynamischen Strukturwandel entlang der komparativen Kosten

aus. Im Falle, daß die FDI aus einer komparativ benachteiligten Industrie

des Gastlandes stammen, wirken sie komplementär zum internationalen

Handel. Im Falle, daß die FDI aus einer komparativ vorteilhaften Industrie

stammen, ersetzen und verringern sie den internationalen Handel11.

Folgesatz 2: Der handelsorientierte japanische FDI-Typ wirkt komplementär

zum internationalen Handel. Die japanischen Investoren streben eine

Versorgung aus dem Gastland an (Offshore Sourcing).

Folgesatz 3: Der Technologietransfer ist um so leichter, je kleiner die

technologische Lücke zwischen den beiden Ländern ist.

Folgesatz 4: Makroökonomischer Ansatz mit mindestens zwei Ländern und

gegebener Faktorausstattung und Produktionsfunktionen nach dem

Heckscher-Ohlin Modell.

Für Kojima sind die relativen komparativen Kosten, die relative

Faktorausstattung, die relativen Faktorpreise, die relativen

Faktorintensitäten maßgebend. In der Realität ist es schwierig diese

komparativen Kosten zu messen12.

Folgesatz 5: Korrespondenzprinzip zwischen komparativen Gewinnen und

komparativen Kosten.

Dieses Prinzip besagt, daß das Verhältnis der komparativen Gewinne

(Gewinne in der X-Industrie geteilt durch Gewinne in der Y-Industrie im

Land A in Relation zum Gewinnverhältnis im Land B) umgekehrt zum

Verhältnis der komparativen Kosten (analog kalkuliert) ist. Die vorteilhaften

FDI werden in jene Industrien mit komparativen Wettbewerbsvorteilen

fließen13.

Aus den fünf Folgesätzen ergeben sich folgende Auswirkungen auf das

Gastland.

1. Nach dem Kojima-Modell bewirken die FDI eine dynamische Umgruppierung

der Produktionsfaktoren innerhalb der internationalen Arbeitsteilung. Beim

11 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.3.12 Ebd., S.4.13 Ebd., S.5.

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Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten

spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es

komparative Vorteile besitzt und exportiert dieses, während es umgekehrt

die Produktion des komparativ benachteiligten Gutes einschränkt und dieses

importiert. Dies führt zu statischen Handelsgewinnen. Der auslösende

Faktor für FDI ist die zunehmende Grenzproduktivität im Stammland in der

komparativ unterlegenen Industriebranche, während es im Gastland an

Kapital, Technologie und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten mangelt, und

gleichzeitig potentielle komparative Vorteile in dieser Industriebranche

bestehen. Die Folge ist eine Verbesserung der Produktionsfunktionen bzw.

eine Vergrößerung der komparativen Produktionskostenunterschiede sowie

eine Zunahme des Handels.

2. Bei zunehmenden komparativen Nachteilen des Stammlandes kommt es zu

einer Expansion der Auslandsinvestitionstätigkeiten, einschließlich der

Rohstofferschließung. Gewinne entstehen aus der billigeren Produktion des

Gastlandes, die in das Stammland oder in Drittstaaten exportiert wird. Diese

Form des Offshore Sourcing ist für Japans FDI kennzeichnend. Für das

Gastland bedeutet die Zunahme von Exporten mit neuen Gütern eine

Vergrößerung des Handels. Mit der Produktionssteigerung im Gastland

kommt es zu einer Erhöhung des Volkseinkommens, die wiederum als

positiver Bumerangeffekt ansteigende japanische Exporte bei weiteren

kapitalintensiven Gütern nach sich ziehen. Durch FDI wird die komparativ

überlegene Industrie des Gastlandes gefördert14.

3. In Japan bilden die arbeitsintensiven Klein- und Mittelbetriebe (Shochu-

Kigyo) diejenigen Grenzproduktionsbetriebe, die bedingt durch ihre

komparative Verschlechterung Auslandsinvestitionen durchführen. Auch

innerhalb eines Unternehmens kann eine Abteilung für den Zusammenbau

von Teilen oder arbeitsintensiven Prozessen ins Ausland verlagert werden.

Kojima wendet sein Modell sowohl auf eine gesamte Industriebranche als

auch auf ein Unternehmen an. Entscheidend ist, daß durch die Übertragung

von FDI die technologische Lücke zwischen beiden Ländern kleiner wird.

14 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.18f.

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Die wesentliche Auswirkung für das Gastland ist die Verbesserung der

komparativen Produktivität in dieser Branche15.

4. Die Untersuchungsmethode des makroökonomischen Ansatzes beruht auf

dem Prinzip der komparativen Produktionskosten. Aus diesem Grunde

übernimmt Kojima das Heckscher-Ohlin Modell mit zwei Gütern und zwei

Ländern. Demgegenüber gehen die betriebswirtschaftlichen

Direktinvestitionstheorien nur von einem Unternehmen in einer Branche mit

einem Gut aus. Preis, Kosten und Gewinn werden in ihrer absoluten Größe

dargestellt. Das Ziel ist hier die Minimierung der Kosten und die

Maximierung der Gewinne bei einem Gut. Der betriebswirtschaftliche Ansatz

erlaubt jedoch die Verwendung vieler Faktoren, wie z.B. eine detaillierte

Analyse der Produktionskosten dieses einen Gutes an jedem Ort der Welt.

Dies ist aus Kojimas Sicht ungenügend, da er die Wirkung der

Produktionskosten auf die internationale Arbeitsteilung im Zwei-Länder-zwei-

Güter-Fall untersuchen möchte. In der Realität ist es schwierig, komparative

Kostenunterschiede herauszufinden. In Bezug auf die Kostenrechnung kann

der betriebswirtschaftliche Ansatz realistischere Informationen geben. Da

der einzelne Hersteller sich auf den eigenen Geschäftsbereich konzentriert,

neigt er dazu, die komparativen Produktionskostenunterschiede der

gesamten Branche zu ignorieren. Um das eigene Unternehmen zu

vergrößern, werden u.U. nicht dazu passende Verkaufsniederlassungen

oder Produktionsanlagen errichtet.

5. Die komparativen Produktionskosten zeigen über die internationalen

Faktorbewegungen die Richtung der FDI an. Jedoch ihre Messung ist nicht

leicht. Der Export eines Gutes X anstelle von Y macht die Produktion von X

im Vergleich zum Ausland relativ billiger und die Produktion von Y relativ

teurer. Der Export des Gutes X und der Import des Gutes Y führen im

Tauschhandel zu Gewinnen. Mit der Auslandsproduktion werden überlegene

Technologien und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten auf das Gastland

übertragen. Darüber hinaus wird durch den Export die komparative

Überlegenheit des jeweiligen Landes gestärkt und beide Seiten erzielen

Gewinne. Dies ist nach Kojima das Entsprechungsprinzip von komparativen

15 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.19f.

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Produktionskosten und komparativen Gewinnen16.

Fazit

Die beiden Ansätze von Kojima und Akamatsu liefern für den Catching-up

Product Cycle die Rahmenbedingung für den Transfer von einfachen Produkten

mit standardisierten Herstellungstechniken von einem Schwellen- auf ein

Entwicklungsland. Kojima nennt dies einen geordneten Technologietransfer, bei

der das Empfängerland von FDI die zu seinem Entwicklungsstand und seiner

Adaptionsfähigkeit passende Produkt- und Prozeßtechnologie erhält17. Die FDI

unterstützen dabei die Restrukturierung der beteiligten Industrie im Gast- und

im Stammland. Im Gastland kommt es zu einer Aufwertung der komparativ

überlegenen Industriebranche, während im Stammland die komparativ

unterlegene Branche abgebaut wird. Kojima zeigt dies am Beispiel der

japanischen FDI bei arbeitsintensiven Industrien, wie Textilien, Montage von

Fahrzeugen und Herstellung von Komponenten und Teilen in der

Elektroindustrie. Diese Industriebranchen wurden aufgrund ihrer im

internationalen Wettbewerb zu hohen Lohnkosten in ost- und südostasiatische

Länder verlagert. Mit sich brachten die Japaner ihr Organisationstalent, ihre

Vermarktungsfähigkeiten und technisches Know-how18. Kojima erfaßt in seinem

Ansatz die kleineren und mittelständigen Betriebe, die durch den Verlust ihrer

komparativen Wettbewerbsvorteile zu einer Auslandsinvestition schreiten. Über

FDI wird im Gastland die technische Lücke langsam geschlossen. Jedoch kann

Kojima noch nicht hinreichend erklären, wie dieser Catching-up Product Cycle

auf der Unternehmensebene stattfindet und wie die lokalen Joint Venture

Partner sich dieses Wissen aneignen können.

16 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitonen, a.a.O., S.21.17 Usui, M., International Transfer of Industrial Technology – An Appraisal of the JapanesePerformances in Latin American NICs, in: Edward K.Y. Chen (Ed.)., Transnational Corporationsand Technology Transfer to Developing Countries, London New York, 1994, S.321-350, hierS.321.18 Vordergründig betrachtet, ist Kojimas Gedanke einer internationalen Arbeitsteilung in Ostasiennichts Neues und erinnert an die "Großasiatische Wohlstandssphäre", die im Zweiten Weltkrieggeschaffen werden sollte. Die abgewandelte Version hiervon mündete in der Nachkriegszeit inPläne einer regionalen Arbeitsteilung, die Japan seine technologische Vorherrschaft auf einerjeweils höheren Stufe wie die seiner Konkurrenten beläßt. Auch diese Pläne sind natürlich für dieNachbarländer Japans nicht akzeptabel. Jedoch sollte man den nachfolgenden Überlegungen zugutehalten, daß Kojima aus seiner historischen Perspektive Anfang der siebziger Jahre unter dengegebenen wirtschaftlichen Voraussetzungen in Ostasien von einer stufenweisen wirtschaftlichenEntwicklung ausging. Kojima plädierte daher Anfang der siebziger Jahre für eine pazifischeFreihandelszone.

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2.2. Versuch einer Fundierung des Catching-up Product Cycle auf der

Mikroebene

Erklärungsansätze zu den zunehmenden Direktinvestitionen aus den NIEs in

die Entwicklungsländer sind noch kaum vorhanden. Tran entwickelt ein Model

zur stufenweise Aneignung technischen und organisatorischen Wissens durch

Unternehmen aus nachrückenden Ländern19. Hobday konzentriert sich auf die

Latecomer Firm20. Bevor auf diese Konzepte näher eingegangen werden kann,

werden zunächst die Gründe für die Entstehung von Produktzyklen

zusammengefaßt. Daran anschließend wird auf die Kritik an der Kojima Theorie

eingegangen, um die wesentlichen Merkmale des Catching-up Product Cycles

zu erarbeiten.

2.2.1. Zur Entstehung von Produktzyklen

Vernon erklärt über den Produktlebenszyklus die Entstehung von Exporten und

FDI. In der Innovationsphase eines Produktes werden die Unternehmer im

Heimatland verbleiben, um bei der Herstellung eine hohe Flexibilität an Inputs

zu behalten. Da in dieser Phase die Nachfrageelastizität noch gering ist, besteht

kein Anlaß, im Ausland zu produzieren. In der Wachstumsphase des Produktes

ist die Frage der Inputs gelöst, und eine Massenproduktion wird anvisiert. Das

Unternehmen kann nun alternative Herstellungsstandorte im Ausland in

Betracht ziehen. Dabei werden die Grenzkosten der Exporte mit den

durchschnittlichen Kosten einer Produktion im Ausland verglichen21.

In Anlehnung an die Monopoltheorie22 begründet Vernon die Verlagerung

der Produktion ins Ausland mit der Neuartigkeit des Produktes, die dem

Investor im Gastland einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Vernon unterscheidet

innovative, reife und gesättigte Oligopole. Bei innovativen Oligopolen verfügt

der Investor über neue Produkte. Amerikanische Investoren entwickeln

arbeitssparende, europäische Investoren eher land- und materialsparende und

19 Tran, Van Tho, Foreign Capital and Technology in the Process of Catching Up by theDeveloping Countries: The Experience of Synthetic Fiber Industry in the Republic of Korea,a.a.O., S.386ff.20 Hobday Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, Aldershot Brookfield 1995,S.33ff.21 Perlitz, M., Internationales Management, a.a.O., S.111f.22 Die Monopoltheorie wurde erst 1976 posthum veröffentlicht. Hymer, Stephen H., TheInternational Operations of National Firms: A Study of Direct Foreign Investment, Ph.D.Dissertation, M.I.T. Press, Cambridge Mass. 1976

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japanische raum- und materialsparende Innovationen. Reife Oligopole

entstehen durch Investoren, denen es gelingt, Massenprodukte unter

Ausnutzung von Skalenerträgen herzustellen. Investoren, die über ein

gesättigtes Oligopol verfügen, realisieren Kostenersparnisse am Standort23.

In Bezug auf die Zunahme der Investitionsströme innerhalb der

Entwicklungsländer kann man beobachten, daß eine Reihe von Unternehmen

aus den Schwellenländern bereit sind, einfache, standardisierte Produkte in

Entwicklungsländer zu verlagern24. Diese Unternehmen neigen eher zu

arbeitsintensiven Herstellungsmethoden. Nach einer Untersuchung von Chen

scheint die Produkttechnologie aus den Schwellenländern besser zum

Entwicklungstand der Empfängerländer zu passen als diejenige aus den

Industrieländern25.

Fazit

Die Produktzyklustheorie übersieht, daß Marktprozesse auf verschiedenen

nationalen Märkten unterschiedlich und zeitlich versetzt stattfinden und dadurch

die Nachfrageentwicklung im Gastland beeinflussen können. Mit dieser Theorie

kann die Verlagerung von ausgereiften Gütern ins Ausland erklärt werden.

2.2.2. Kritik am Catching-up Product Cycle

1960 entstand aus der Industrial Organization Theory die Monopoltheorie von

Hymer26, der als erster FDI von Portfolioinvestitionen unterscheidet und die

Frage nach den Ursachen für FDI stellt. Die Investitionsentscheidung einer

Firma wird mit ihren monopolistischen oder oligopolistischen

Wettbewerbsvorteilen im Ausland begründet. Um ihre unternehmenspezifischen

Vorteile zu erhalten, wird die Mutterfirma ihre ausländische Niederlassung und

das dort eingesetzte Kapital kontrollieren27. Die Monopolgewinne aus dieser

Investition reichen aus, um die Gründungskosten, die Nachteile gegenüber den

23 Perlitz, M., Internationales Management, a.a.O., S.113.24 Chen, Edward K. Y., Foreign Direct Investment in Asia: Developing Countries versusDeveloped Country Firms, in: Edward K. Y. Chen (Ed.), Transnational Corporations andTechnology Transfer to Developing Countries, London New York 1994, S.381-405, hier S.383.25 Ebd., S.385.26 Hymer, S. H., The International Operations of National Firms: A Study of Direct ForeignInvestment, a.a.O.27 Hymer, S. H., The International Operations of National Firms: A Study of Direct ForeignInvestment, zit. nach Rayome D. and Barker, J. C., Foreign Direct Investment: A Review andAnalysis of the Literature, a.a.O., S.5.

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lokalen Konkurrenten und das Risiko auszugleichen. Hymer belegt seine These

mit einer Untersuchung amerikanischer FDI in Kanada. Dieser Grundgedanke

erfährt eine Reihe von Erweiterungen. Aliber weist auf die Skaleneffekte eines

ausländischen Investors hin. Johnson führt den Wissensvorsprung in der

Technik und im Management an28. Nach der Industrial Organization Theory

werden ausländische Investoren in Entwicklungsländern aufgrund der

Marktgröße und des niedrigeren Einkommens keine Produktdifferenzierung

vornehmen29.

Die Monopoltheorie ist für die Erfassung von Produktzyklen zu statisch und

erfaßt nur den Momentanzustand. Die Monopolstellung kann durch

Marktsegmentierung oder durch den Transfer von Wissen auf die lokalen

Unternehmer verloren gehen. Sie übersieht, daß auch relativ kleine

Unternehmen sich mit besseren Technologien und Managementfähigkeiten

gegen größere lokale Konkurrenten behaupten können. Ferner wird die

Beziehung zwischen Pull-Faktoren, z.B. Firmenstrategie, und Push-Faktoren, z.B.

lokale Kostenstruktur, noch recht undifferenziert betrachtet.

Aus der Außenhandelstheorie entwickelt sich die Standortheorie, die anhand

komparativer Kostenvergleiche die Standortvorteile eines potentiellen Ziellandes

ermittelt. Zu Beginn einer Standortanalyse werden die Hauptmotive der Markt-,

Kosten-, Rohstofforientierung oder des Erwerbs von unternehmensexternem

Know-how ermittelt30. Dann werden die einzelnen Standortvorteile nach ihrem

Erklärungswert gewichtet. Von relativ großer Bedeutung sind die Variablen

Marktgröße, Marktwachstum, Marktpotential und Handelshemmnisse. Einen

partiellen Erklärungswert besitzen Lohnkosten, Transportkosten und

Produktionskosten. Eine relativ geringe Aussagekraft haben staatliche Anreize,

z.B. Steuerbefreiungen, rechtliche und politische Stabilität31. Mit dem

Instrumentarium der Standorttheorie können die Gründe für eine einmalige

28 Perlitz, M., Internationales Management, Jena 1993, S.109.29 Schive, Chi, The Foreign Factor: The Multinational Corporation’s Contribution to theEconomic Modernization, a.a.O., S.23.30 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,Volkswirtschaftliche Schriften Heft 337, Berlin 1984, S.98.31 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,a.a.O., S.103ff.

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Verlagerung von reifen Produkten erfaßt werden, aber nicht die weiteren

Voraussetzungen für Folgeinvestitionen.

Aus der Weiterentwicklung des Transaktionskostenansatzes von Coase

(1937) entwickeln Buckley und Casson die Internalisierungstheorie zur Erklärung

der Entstehungsursachen von MNC auf unvollkommenen Märkten. Die Anreize

zur Internalisierung ergeben sich aus den niedrigeren internen Transaktionskosten

für bestimmte Güter, die eine sichere Versorgung innerhalb der eigenen

Unternehmensorganisation gewährleisten. Die interne Koordination erstreckt sich

auf Rohstoffe, Zwischengüter sowie betriebliches, technisches und

kaufmännisches Wissen in vorwärtsgerichteten Absatz- und rückwärtsgerichteten

Versorgungsverbindungen32. Der Transfer von spezifischem Know-how über die

internen Kanäle ist fast ohne Kosten möglich. Dieses Know-how läßt sich intern

optimal verwerten und durchsetzen33.

In Reaktion auf Kojima geben die Vertreter der Internalisierungstheorie zu,

daß sie die FDI von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) anfangs

vernachlässigt haben. Sie bieten daher einen Erklärungsansatz für diese Art von

FDI an34. Das Konzept der monopolistischen Vorteile trifft auf viele japanische FDI

aus der Gruppe der KMU nicht zu, da ihre Vorteile auf Produktionsprozessen und

in der Arbeitsorganisation beruhen35. Japanische Unternehmen aus einem

kontraktierenden Sektor bevorzugen bei FDI in der gleichen Branche zu bleiben,

um ihr prozeßspezifisches Know-how im Gastland weiter einsetzen zu können.

Aufgrund der kleineren technologischen Lücke zwischen Japan und den

ostasiatischen NIEs können die japanischen KMU ihr Know-how erfolgreich

transferieren, und dort eine effizientere Produktion als im Heimatland aufbauen.

Somit verfolgen japanische Unternehmen eine adaptive und defensive Strategie.

Man kann aus der Sicht der Internalisierungstheorie drei Tendenzen festhalten:

• Japanische Unternehmen bündeln ihre Aktivitäten in einer bestimmten

Branche im Gastland.

32 Perlitz, Manfred, Internationales Management, a.a.O., S.127f.33 Jahrreiß, W., Zur Theorie der Direktinvestitionen im Ausland: Versuch einerBestandsaufnahme, Weiterführung und Integration partialanalytischer Forschungsansätze,a.a.O., S.256f.34 Giddy, Ian H. and Young, Stephen, Conventional Theory and Unconventional Multinationals:Do New Forms of Multinational Enterprises Require New Theories, in: Alan Rugman (Ed.) NewTheories of the Multinational Enterprises, London 1982, S.55-78, hier S.66.35 Ebd, S.71f.

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• Die Sogo Shosha36 unterstützen, leiten und koordinieren diese FDI-

Tätigkeiten.

• Der Reimport von im Gastland hergestellten Zwischengütern wird innerhalb

der Unternehmensgruppe internalisiert.

Die Internalisierungstheorie kritisiert am Ansatz von Kojima, daß flexible

Produktionstechniken, computergesteuerte Herstellung und Erfindungen eine

Neubewertung der Direktinvestitionen erfordern, da komparative Nachteile

wieder im Heimatland ausgeglichen werden können. Die voranschreitende

Automatisierung und der Einsatz von Robotern werden die Fixkosten der

Produktion erhöhen und die variablen Kosten senken.

Nach der Internalisierungstheorie ist der Produktzyklus nicht das vorrangige

Entscheidungskriterium für eine Verlagerung ins Ausland. Dieser Ansatz

übersieht, daß einzelne Unternehmer vor die Wahl gestellt sind, entweder ihre

Produktion ganz einzustellen oder ins Ausland zu verlagern, werden ebenfalls

nicht von der Internalisierungstheorie erfaßt. Der Abschluß langfristiger

Lieferverträge bei standardisierten Gütern und Zwischenprodukten stellt eine

Alternative zur Internalisierung dar37.

Dunning entwickelt in der eklektischen Theorie die erste übergreifende

Gesamtdarstellung der Ursachenanalyse ausländischer Direktinvestitionen.

Darin werden die Ergebnisse aus der Monopoltheorie, aus der

Internalisierungstheorie und der Standort- bzw. Außenhandelstheorie

zusammengefaßt, die alle relevanten Eigentums-& Wettbewerbs-, Standort- und

Internalisierungsvorteile (ownership, location, internalisation advantages: OLI)

für Investoren, Exporteure oder Lizenzgeber auflistet. Dunning bestimmt aus

den drei OLI-Faktoren die Markteintrittsstrategien für ein Auslandsengagement.

Für FDI sind alle drei OLI-Faktoren die Grundvoraussetzung, für den Export

genügen Eigentums- und Internalisierungsvorteile und für die Vergabe von

Lizenzen sind die Eigentumsrechte an denselben Voraussetzung38.

36 Unter Sogo Shosha versteht man eine japanische Generalhandelsgesellschaft, die vieleGüter aus unterschiedlichen Branchen im In- und Ausland vertreiben. Einige der bekanntenSogo Shosha, z.B. Mitsui, wurden zum Kern großer japanischer Unternehmensgruppen.37 Braun, G., Die Theorie der Unternehmung, Institut für Wirtschaftspolitik an der UniversitätKöln, Bd. 75, Köln, S.181.Ebd., S.188.38 Dunning nennt daher die neuere Fassung seiner elektrischen Theorie das Faktorausstattung/Marktversagen-Paradigma der internationalen Produktion. Vgl. Perlitz, M., InternationalesManagement, a.a.O., S.129.

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Unter der Vielzahl der Struktur- und Bestimmungsvariablen für FDI sind

nach Dunning Strategic Assets an Schlüsseltechnologien, Know-how und

Kernkomptenzen auf regionalen und globalen Märkten die wichtigsten39. Zu

diesen Kernkompetenzen zählen Innovationsfähigkeiten,

Organisationsstrukturen und der Zugang zu ausländischen

Distributionskanälen. Ein Unternehmen wird in den meisten Fällen versuchen,

über FDI sein firmenspezifisches Kapital optimal einzusetzen, oder durch

Akquisition ausländischer Unternehmen neues firmenspezifisches Kapital zu

bilden.

Aus der Sicht Kojimas geht die eklektische Theorie einen Kompromiß ein;

in dem sie sich einerseits bemüht, alle relevanten Pull- und Push-Faktoren

aufzulisten, verliert sie andererseits dabei an Übersichtlichkeit. Die

Argumentationsweise entspricht der Internalisierungstheorie. Die MNC setzen

ihre eigentumsspezifischen Vorteile, insbesondere ihre Technologien, ein und

loten im Gastland die entsprechenden ortsspezifischen Vorteile, z.B. reiche

Rohstoffvorkommen, aus. Ein weiterer Kritikpunkt an der eklektischen Theorie

ist, daß die Form der Auslandsinvestition als zweitrangig angesehen wird40.

Kojima hat zwei Ausprägungen von FDI mit ihren jeweiligen Strategien

gegenübergestellt: der defensive, handelsorientierte und der aggressive,

marktorientierte FDI-Typ. Dunning hat in seiner Neubewertung der FDI vier

Typen identifiziert, die sich nach einem der folgenden Kriterien orientieren a)

Ressourcen (Rohstoffe, Arbeit), b) Markt, c) Effizienz sowie d) strategisches

Potential41. Die ersten beiden Typen (a + b) von Dunning decken sich mit den

Ausführungen von Kojima. Der dritte FDI-Typ (c) zur Effizienzverbesserung zielt

auf die Rationalisierung von Produkten und Prozessen, während der vierte FDI-

Typ (d) zur Bildung von strategischen Potentialen, z.B. dem Erwerb von

Technologien, dient.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Ansätzen liegt, wie auch

gegenüber der Internalisierungstheorie, in der Analysemethode: Kojima

39 Dunning, J. H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, University of Reading,Department of Economics, Discussion Paper in International Investment and Business Studies,Series B, Vol.8 (1994/95), No.188., July 1994, S.18.40 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.222.41 Dunning, J.H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, a.a.O., S.17ff.

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vergleicht zwei Industrien mit zwei Gütern und bei Dunning wird nur ein

Unternehmen mit einem Gut untersucht. Dunning unterscheidet drei

Internalisierungsvorteile42:

• Netzwerkorganisation von Produktion und Verkauf der Tochterfirmen (im

vollständigen Besitz)

• hierarchische Vereinigung

• Internalisierung eines Marktgebietes durch ein Unternehmen

Dunning unterscheidet bei den Eigentumsvorteilen eines Unternehmens das

ortsspezifische Vermögen Oa (assets) von den unternehmensspezifischen

Transaktionen Ot (transaction). Innerhalb der Unternehmenshierarchie werden

diese unternehmensspezifischen Transaktionen Ot sowohl mit dem internen als

auch mit dem äußeren Markt verglichen. Dabei stellt Dunning fest, daß in

einigen Fällen bei der Internalisierung diese Transaktionen, die Handelskosten

senken können43.

Dunning gibt als ortsspezifische Vorteile die Verfügbarkeit über billige

Arbeitskräfte, Rohstoffe und Zwischenprodukte an44. Im Bezug auf Arbeitskräfte

und Rohstoffe folgt Kojima dieser Argumentation und nennt sie komparative

Vorteile des Gastlandes. Die Versorgung des ausländischen Investors mit

geeigneten Zwischengütern wird von Kojima über den externen Markt geregelt.

Ausschlaggebend sind die erzielbaren Skalenerträge auf den gegebenen

Faktor- und Produktmärkten. Somit kann die Auslandsproduktion bei reinen

ortsspezifischen Vorteilen eine überlegenere Produktionsweise aufweisen; dies

muß aber nicht so sein.

Mit Blick auf die zunehmende Globalisierung von Märkten kann man

feststellen, daß Dunning am weitesten versucht, die Ursachen für FDI zu

erfassen. Zukünftige Märkte beruhen auf der raschen Erfassung und

Verarbeitung von Informationen zur Verbesserung der Produktion. Japanische

MNC unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von europäischen und

amerikanischen MNC. Die makroökonomische Analyse konzentriert sich auf

42 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.52.43 Ebd., S.53.44 Dunning, John H., Explaining Changing Patterns of International Production: in Support of theEclectic Theory, Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 41, No.4, November 1980,reprinted in: International Production and the Multinational Enterprise, Chapter 5, 1981, S.80-81.

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regionale FDI-Ströme innerhalb der gleichen Industriebranche und eignet sich

daher speziell für die Fragestellung, ob im Rahmen eines Drei-Länder-

Vergleichs das gleiche Produkt zunächst von Japan nach Taiwan und von dort

nach China gelangt ist.

2.2.3. Merkmale des Catching-up Product Cycle

Aus der Diskussion um die Kojima Theorie lassen sich vier Merkmale

zusammenfassen, die den Catching-up Product Cycle kennzeichnen.

1. Prinzip der komparative Vorteile

2. Transfer unternehmerischer Ausstattung auf das Gastland

3. Folgeinvestitionen zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern

4. Auslagerung standardisierter Produkte

(1) Prinzip der komparativen Vorteile

Kojima schließt mit seiner Theorie eine Erklärungslücke, indem er zeigt, daß

erstens FDI nicht unbedingt von großen Firmen und ihren spezifischen

Wettbewerbsvorteilen ausgehen und zweitens, daß die Ursache für FDI nicht

auf den komparativen Vorteilen im Heimatland beruhen muß. Nach Kojima

ergänzen die japanischen FDI die komparativen Vorteile Japans. Das

Gewinnkalkül der Investoren orientiert sich am Vergleich der Gewinnchancen

aus der Fortsetzung der Produktion im Inland oder aus der Verlagerung ins

Ausland. Nach dem Prinzip der komparativen Vorteile werden die Gewinne in

derjenigen Industrie höher sein, die auch komparative Vorteile besitzt. Demnach

werden sich die Unternehmer aus der komparativ benachteiligten Industrie für

eine Investition im Ausland entscheiden. Hierbei setzen vor allem kleine und

mittlere Unternehmen ihr industrie- und firmenspezifisches intangibles Kapital

und nur einen Teil ihres ungebundenen Kapitals ein. Sie verwerten damit ihre

jahrelang gesammelten Erfahrungen und kombinieren diese mit den

komparativen Vorteilen des Gastlandes45.

(2) Transfer unternehmerischer Ausstattung

Der Prozeß des Transfers von unternehmerischer Ausstattung im Rahmen von

FDI auf das Gastland erreicht seinen Höhepunkt, wenn die Gastländer fähig

sind, neue Güter zu erzeugen, in welchen sie ihre komparativen Vorteile

45 Lee, Chung H., Direct Foreign Investment, Structural Adjustment, and International Division ofLabor: A Dynamic Macroeconomic Theory of Direct Foreign Investment, a.a.O., S.66.

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einsetzen können. Mittel- und langfristig entstehen so neue Industrien im

Gastland, die die bestehenden wirtschaftlichen Ressourcen vollständig

einsetzen können. Das Gastland absorbiert mit der Übertragung

unternehmerischer Ausstattung neue Ressourcen, die von der komparativ

benachteiligten Industrie des Stammlandes freigesetzt werden. Kojima sieht in

FDI einen Katalysator für die Schaffung dynamischer komparativer Vorteile im

Gast- und Heimatland46.

Die Übertragung unternehmerischer Ausstattung auf Niederlassungen im

Ausland innerhalb der MNC ist grundsätzlich effektiver als über reine

Markttransaktionen wie z.B. Lizenzen. Bei der Internalisierung besteht nach

Kojima die Gefahr, daß unrentable Industrien gefördert werden. Große MNC,

wie General Motor, Ford, Toyota, Nissan, Honda, Daimler-Chrysler,

Volkswagen, Renault, Fiat, haben bereits ihre eigene internationale

Arbeitsteilung realisiert. Diese MNC haben über FDI, Kapitalbeteiligungen und

OEM-Verträgen ein Netzwerk aufgebaut, in dem die Produktion von Teilen, der

Technologietransfer und der Verkauf koordiniert werden47. Diese internationale

Arbeitsteilung beruht auf einer unternehmensinternen Spezialisierung und dem

firmeninternen Handel48.

Im Zuge der Automatisierung und des vermehrten Einsatzes von Robotern

können bestehende komparative Nachteile des Standortes bei arbeitsintensiven

Prozessen wieder ausgeglichen werden und vorteilhaft werden. In diesem Fall

kommen FDI nicht mehr in Betracht.

(3) Folgeinvestitionen zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern

Kojima stellt in seiner Theorie erstmals die Direktinvestitionsbeziehungen

zwischen einem Industrie- und einem Entwicklungsland in den Mittelpunkt

seiner Untersuchungen. Eine wesentliche Erweiterung dieses Ansatzes ist die

Einführung eines Drei-Länder-Modells, bestehend aus einem Industrieland,

einem Schwellenland und einem Entwicklungsland. Anhand der komparativen

Kostenvergleiche kann man den Prozeß erklären, daß ein arbeitsintensiver

46 Kojima, K and Ozawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, in: Hitotsubashi Journal of Economis, Vol.26, December 1985, S.133-145, hier S.138f.47 Kojima, K., Die Makroanalyse der ausländischen Direktinvestitionen, a.a.O., S.44f.48 Ebd., S.45

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Betrieb nach Verlust seiner Wettbewerbsfähigkeit im Industrieland zunächst in

ein Schwellenland verlagert wird, und von dort nach dem Heranreifen und dem

Überschreiten seiner optimalen Wettbewerbsfähigkeit weiter auf ein

Entwicklungsland übertragen wird. Dieses Erklärungsmodell beschränkt sich auf

das Verfolgen eines Catching-up Product Cycle und impliziert die Vorstellung,

daß lokale Unternehmer ein Direktinvestitionspaket, in dem produkt- und

prozeßspezifische Faktoren enthalten sind, aufschnüren können.

Die Kojima-Theorie ist aus wirtschaftshistorischer Sicht ein Sonderfall, zu

dem es keine Alternative gab. Denkbar wäre ja bei steigenden Lohnkosten der

„Import“ ausländischer Arbeitskräfte gewesen. Die arbeitsintensiven Industrien

in den USA konnten auf ein Reservoir an billigen Arbeitskräften aus dem

Zustrom an Immigranten zurückgreifen. Japan als ein Land mit einer sehr

homogenen Bevölkerung49 folgte nicht der Praxis einiger europäischer Länder,

Gastarbeiter ins Land zu holen. Erst nach 1985 sah sich Japan mit dem

Problem konfrontiert, daß die Zahl der illegalen Einwanderer und jener, die nach

Ablauf ihres Visums untertauchten, langsam anstieg. Vorsichtige Schätzungen

bezifferten diese illegalen Arbeitskräfte auf ca. 1% der Gesamtarbeitskräfte. Die

meisten davon wurden auf lokaler Ebene in kleinen Fabriken, im

Restaurantgewerbe oder auf Baustellen geduldet50.

Das „historische Experiment“ der Verlagerung komparativ benachteiligter

Industrien ins Ausland fand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem japanische

Unternehmen sich als Vorreiter dieses Typs betätigen konnten. Als

amerikanische und europäische Unternehmen in den dreißiger oder vierziger

Jahren ihren technischen Vorsprung so weit ausgebaut hatten, daß sie

standardisierte Produkte im Ausland herstellen konnten, gab es aufgrund der

damaligen politischen Situation kaum aufnahmebereite Staaten und der Prozeß

wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Ein Beispiel ist die

Kooperation von Siemens und Fuji in den zwanziger Jahren. Westinghouse und

49 In Japan gibt es nur eine sehr geringe Anzahl an Minderheiten, darunter Koreaner undAuslandschinesen, Reste der Urbevölkerung Ainu und die ehemalige soziale Unterschicht derBurakumin, die aber im modernen Japan der Nachkriegszeit integriert wurden.50 Das Problem der illegalen Einwanderer in Japan wird in allerjüngster Zeit diskutiert.Menschenrechtsgruppen, Kirchen und Rechtsanwälte befürworten eine Regelung, dagegenlehnen es Gewerkschaften und nationalistische Kreise ab. Vgl. Pang, Eng-Fong,Regionalisation and Labour Flows in Pacific Asia, Development Centre for the Organisation forEconomic Cooperation and Development, 1993.

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General Electric waren mit einer Minderheitsbeteiligung an einem Joint Venture

für elektrische Maschinen in Japan beteiligt. General Motors und Ford hatten in

den dreißiger Jahren ihre eigenen Niederlassungen in Japan gegründet und

1929 zusammen ca. 36.000 Fahrzeuge hergestellt, während von lokalen Firmen

nur 437 produziert wurden51. Japan konnte in dieser Zeit die Dominanz der

amerikanischen Unternehmen auf einzelnen Märkten spüren. Man kann

vermuten, daß diese Erfahrung zur lebhaften Auseinandersetzung mit dem

amerikanischen FDI-Typ anregte. Gegen die Verbreitung von FDI in den

dreißiger und vierziger Jahren spricht auch, daß die Planung und Durchführung

einer Auslandsinvestition nur von wenigen großen Firmen beherrscht wurde52.

Hinzu kommt das wirtschaftspolitische Argument, daß in der Phase des

Arbeitskräftemangels in den späten sechziger und siebziger Jahren, die

japanische Regierung und die japanischen Gewerkschaften FDI tolerierten, um

langfristig die freiwerdenden Arbeitnehmer in komparativ vorteilhaften

Produktionszweigen zu beschäftigen. Es erwies sich in dieser Phase als

vorteilhaft, daß japanische Arbeitnehmer generell eine allgemeine Ausbildung

erhielten, die einen Wechsel in ein anderes Arbeitsgebiet ermöglichte.

Japanische Firmen hatten in dieser Umstrukturierungsphase geringere Kosten,

eine Produktion stillzulegen, als vergleichsweise amerikanische Firmen, die

höhere Arbeitnehmerentschädigungen zu zahlen hatten53.

Angesichts der politischen Spaltung Ostasiens in eine Gruppe

kommunistischer Staaten, zu der die Sowjetunion, China, Nordkorea und

(Nord)Vietnam, Laos, Kambodscha gehörten, konnten die japanischen FDI in

den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren nur eine Südstrategie verfolgen.

Die Auswahl an potentiellen Zielländern war zu diesem Zeitpunkt auf die NIEs

und die ASEAN-Staaten beschränkt. Eine Ausnahme hiervon bilden die

Handelsbeziehungen zu China, die schon vor der offiziellen diplomatischen

51 Ozawa, Terutomo, Japan, in: John H. Dunning, Mulitinational Enterprises, and the GlobalEconomy, Wokingham, England and Reading Mass., 1993, S.155-179.52 Gray stellt fest, daß zu der Zeit, als amerikanische Hersteller standardisierter Güter einenkomparativen Vorteil hatten, MNC noch nicht entstanden waren. Vgl. Gray, S. Peter,Macroeconomic Theories of Foreign Direct Investment: An Assessment, a.a.O., S.180.53 Giddy, I.H. a. Young, S., Conventional Theory and Unconventional Multinational Enterprises,a.a.O., S.66.

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Anerkennung 1972 bestanden54. In China waren ausländische Investitionen erst

nach 1979 und in Indochina erst lange nach Beendigung des Vietnam-Krieges

etwa Anfang der neunziger Jahre möglich. In Südvietnam gab es zuvor

vereinzelte japanische Investitionen55.

Noch entscheidender waren die gezielte Förderung und Verbesserung der

gesamtwirtschaftlichen, branchenspezifischen und unternehmensbezogenen

Rahmenbedingungen für die Ansiedlung ausländischer Firmen in den NIEs und

den ASEAN-Staaten56. Taiwan verbesserte seine gesamtwirtschaftliche

Attraktivität, indem es als erstes Land Exportförderzonen (EPZ) schuf: 1966 in

Kaohsiung und 1971 in Nantze bei Kaohsiung und Tantze bei Taichung57. Die

EPZ sind ein zollfreies Gebiet, in denen Unternehmen von Importzöllen befreit

wurden, wenn sie ihre Waren wieder exportieren. Später wurde dieser Vorteil

mit der Genehmigung von „Bonded Factories“ auf ganz Taiwan ausgedehnt. In

den drei taiwanischen EPZ stellten japanische Investoren mit einem

akkumulierten Kapital von US$ 74,4 Mio. (38,7% des Gesamtkapitals 1966-

1980) die größte Gruppe an ausländischen Investoren58. Es bestand eine

harmonische Übereinstimmung zwischen den Zielen und Motiven der beteiligten

Akteure. Die japanischen Investoren ließen ihre arbeitsintensiven

Zwischengüter in jenen Länder herstellen, die auf den Export dieser

Zwischengüter angewiesen waren, und die teilweise innerhalb der

Unternehmensgruppe absorbiert wurden. Eine Untersuchung zeigt, daß

japanische Unternehmen 1980 ein Drittel (37%) ihrer hergestellten Waren

innerhalb des eigenen Unternehmens verkauften. Innerhalb der Elektroindustrie

betrug dieser Anteil 40% (1980)59.

Ein weiterer Meilenstand war die Gründung des Hsinchu Science Based

54 Nester, William, Japan and the ‚Two Chinas‘: Neomercantilism, Prosperity, and Dependence,in Pacific Focus, Vol.6, No.1, Sping 1991, S.105-121.55 Im Fiskaljahr 1973 hatten Mitsubishi Heavy Industry und Ishikawa Harima eine Niederlassungin Südvietnam, vgl. Tabelle 3.4 bei Steven, Rob, Japan’s New Imperialism, Houndmills,Basingstoke 1990, reprinted London 1991, S.73.56 Kojima, K., Japanese Direct Investment Abroad, a.a.O., S.33.57 Wang, Kwei-Jeou, Economic and Social Impact of Export Processing Zones in the Republic ofChina, in: Industry of Free China, December 1980, S.7-28, hier S.7.Siehe auch zu den Ortsangaben die Karte von Taiwan im Anhang A 1358 Kalkuliert aus Tabelle 2.4. in: Ranis, Gustav and Schive, Chi, Direct Foreign Investment inTaiwan’s Development, in: Walter Galenson, Foreign Trade and Investment: EconomicDevelopment in the Newly Industrializing Asian Countries, London 1985, S.85-137, hier S.96.

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Industrial Park 1979, in dem vor allem in der Maschinen-, Informations- und in

der Elektronikindustrie mit staatlicher Unterstützung Pilotfabriken gegründet

werden konnten. Unternehmensspezifische Fördermaßnahmen gestatteten z.B.

Steuerbefreiungen bis zu 5 Jahren60.

Die taiwanische Regierung erließ 1954 das Statute for Investment by

Foreign Nationals (SIFN) und regelte hierin vor allem die Repatriierung

ausländischen Kapitals, welches bis zur Liberalisierung der ausländischen

Wechselkurse 1987 unter der Kontrolle der Central Bank of China stand61. Im

Artikel 5 des SIFN wurden Direktinvestitionen in den folgenden fünf Bereichen

genehmigt:

• im verarbeitenden Sektor,

• im Exportsektor,

• in der öffentlichen Versorgung, im Dienstleistungsbereich, in der

Landwirtschaft, Bergbau und der Kommunikation,

• in Wissenschaft, Forschung & Entwicklung,

• in allen anderen Bereichen, die der wirtschaftlichen und sozialen

Entwicklung Taiwans dienen.

Seit Mai 1988 gibt es eine negative Liste mit einem Investitionsverbot oder -

beschränkungen für ausländische Firmen62: Im Juli 1996 ist eine neue, kürzere

Liste in Kraft getreten63. Die Zahl der Bereiche, für die ein Investitionsverbot gilt,

wurde von 54 auf 30 gesenkt, und die Anzahl der Kategorien, die einer

Zulassungsbeschränkung unterworfen sind, von 55 auf 45 gekürzt. Folgende

59 Dobson, Wendy, Japan in East Asia:Trading and Investment Strategies, University of Toronto,Institute of Southeast Asian Studies, Series on Japan and the Asia Pacific, 1993, S.48.60 Liang Kuo-shu and Liang Ching-ing Hou, Trade, Technology Transfer and the Risks ofProtectionism: The Experience of the Republic of China, in: Industry of Free China, Vol.61,January 1984, S.7-22, hier S.12.61 Liu, Lawrence S., The Legal Framework for Foreign Investment, in: Mitchell A. Silk (Ed.)Taiwan Trade and Investment Law, Hong Kong, New York 1994, S.131-190, hier S.133f.62 In folgenden Bereichen sind keine FDI gestattet:• Unternehmen, die die öffentliche Sicherheit gefährden.• Unternehmen, die gegen die guten Sitten verstoßen.• Unternehmen, die in hohem Maße Umweltverschmutzungen verursachen.• Unternehmen, die über ein gesetzliches Monopol verfügen oder in denen eine ausländische

Beteiligung gesetzlich verboten ist.Vgl. Liu, Lawrence S., The Legal Framework for Foreign Investment, a.a.O., S.136.63 Gerken, Jens und Gumbrecht, Sabine, Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Marc Stufkens(Ltg.) u.a.: Investment in Taiwan: Eine Kurzinformation, Deutsches Wirtschaftsbüro Taipei, 3.neu bearb. u. erw. Aufl., Mai 1997.

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Industrien sind ganz oder teilweise für ausländische Investitionen geöffnet

worden: Telekommunikation, Immobilien, Leasing, Erschließung von Erdöl und

Kohle. Im Rahmen der Liberalisierungsbemühungen Taiwans kann man mit

weiteren Revisionen dieser Liste rechnen.

(4) Auslagerung standardisierter Produkte

Nach dem International Business Approach führt der interne Markt langfristig zu

einer Koordinierung von Produktion, Marketing und F&E zwischen allen

Teilbetrieben64. Da die Kernkompetenzen stärker im Stammland bleiben

werden, verlagern die Unternehmen bei der Internalisierung eher die

standardisierten Produkte und Prozesse ins Ausland In diesem Punkt

unterscheidet sich die Internalisierungstheorie nicht vom Ansatz von Kojima.

Arndt weist auf eine differenzierte Betrachtung von Spillover-Effekten bei

der Verlagerung von standardisierten Produkten hin. Arbeitsintensive FDI, z.B.

einfache Montagebetriebe, erzielen außer einem Anstieg der Beschäftigung

keine weitere Wirkung auf das Gastland. Entscheidend ist die Entstehung von

lokalen Unternehmen, die Management- und Technologiekenntnisse erwerben

und eine vorwärts- und rückwärtsgerichtete Integration dieser

Produktionsleistungen realisieren65. Kojima bezeichnet dies in seiner Analyse

als die adaptive Effizienz66 der einzelnen Volkswirtschaften für eine

handelsorientierte industrielle Restrukturierung. Die Auslagerung der

komparativ benachteiligten Industrien bringt neue Ressourcen in das Gastland

und verstärkt dort die komparativen Vorteile. Dadurch wird die Basis für

Lerneffekte für lokale Unternehmer erweitert67.

64 Buckley, Peter J., The Economic Analysis of the Multinational Enterprise: Reading VersusJapan?, in: Hitotsubashi Journal of Economics, Vol.26, December 1985, S.117-124, hier S.119.65 Arndt, H.W., Professor Kojima on the Macroeconomics of Foreign Direct Investment, inHitotsubashi Journal of Economics, June 1974, S.28-35, hier S.28.66 Der Begriff adaptive Effizienz stammt von R. Marris und D. C. Mueller: Dievolkswirtschaftliche Wohlfahrt wird sowohl durch die Weiterentwicklung der Wirtschaftsstrukturwie auch durch die Leistungen unter der bestehenden Wirtschaftsstruktur beeinflußt. Marris,Robin and Mueller, Dennis C., The Corporation, Competition and the Invisible Hand, TheJournal of Economic Literature, Vol.18(1), 1980, S.32-63.hier S.34, zit. nach Kojima, K. andOzawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and Dynamic Comparative Advantage,a.a.O., S.138.67 Kojima, K and Ozawa, T., Toward a Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.138.

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2.3. Der Technologietransfer bei ausländischen Direktinvestitionen

Der Begriff Technologie umfaßt in seiner weiten Dimension alle Hilfsmittel,

Werkzeuge, Methoden, Produkte, Herstellungsverfahren und Arbeitsabläufe zur

Produktion und Distribution von Gütern und Dienstleistungen68. Man

unterscheidet in der Praxis tangible und intangible Formen. Technologie ist

hauptsächlich in Maschinen- und Anlagen eingebunden69. Technologie ist aber

auch Bestandteil des Humankapitals, der Organisationsformen und des

Managementwissens70. In der Input Output Relation nimmt Technologie die

Formen Know-how, Aufzeichnungen und Prototypen ein71. Eine wichtige Form

zur Wissensweitergabe sind schriftliche Dokumente. Eine weitere Quelle sind

Erfahrungswerte, die sich oft nicht einfach übertragen lassen. Durch die

Akkumulation von Wissen werden die bestehenden Kenntnisse weiter

ausgebaut und gehen in das Humankapital ein. In dieser Arbeit besteht

Technologie aus dem Produkt, dem Herstellungsprozeß und

Managementkenntnissen.

Im Rahmen von FDI ist Technologietransfer der Prozeß zur Übertragung

eines Technologiepaketes von einem Unternehmen aus einem Geberland auf

ein Unternehmen in einem Empfängerland. Dabei wird eine bereits existierende

Technologie auf den lokalen Partner im Gastland angepaßt72. Tran entwickelt

hierfür ein dreistufiges Rahmenmodel73. In der ersten Stufe wird die

Produktionstechnologie übertragen. Der Empfänger erhält die notwendigen

Maschinen und Anlagen und ist dann in der Lage diese zu bedienen. Auf der

zweiten Stufe wird er mit der Verwaltung dieses Herstellungsprozesses vertraut

gemacht. Dies erfordert Kenntnisse in der Qualitätskontrolle, Schichteinteilung

68 Vgl. Schon, Donald, Technology and Change, London 1967, zit. nach Bradbury, Franklin,Jervis, Paul, Johnston, Ron u.a., Transfer Process in Technical Change, Alphen aan den Rijn,1978, S.6 und Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer andManagement Style, a.a.O., S.59.69 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.60.70 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, Aldershot Brookfield1995, S.32.71 Lin, Ping, Technology Transfer to China through Foreign Direct Investment, AldershotBrookfield 1996, S.19f.72 Vgl. Bradbury, Franklin, Jervis, Paul, Johnston, Ron u.a., Transfer Process in TechnicalChange, a.a.O., S.5, 12.73 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.61f.

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und Materialverwaltung. Auf der dritten Stufe erwirbt der Empfänger das

Managementwissen zur Planung, Marketing und Finanzierung dieser

Produktion. Der effektive Technologietransfer beruht auf der Fähigkeit nicht nur

das Know-how sondern auch das Know-why zu erwerben74. Das Erlernen einer

Technologie ist ein dynamischer und schwieriger Prozeß, der mit hohen Kosten

verbunden ist75. Aus der Anzahl der entsandten ausländischen Mitarbeiter kann

man den Umfang des Humankapitaltransfers abschätzen. Ein Indikator zur

Messung des effektiven Technologietransfers besteht in der Erfassung der

Substitution der entsandten Expatriates durch lokale Fachkräfte und Manager76.

Dabei wird davon ausgegangen, daß sich nach der Substitution die Produktion

unter lokaler Regie nicht verändert hat.

Für diese Arbeit ist relevant, daß der Lernprozeß in einer Latercomer Firm

stattfindet. Hobday definiert eine Latecomer Firm als ein Unternehmen aus

einem Entwicklungsland, welches über keine eigenen technische Fähigkeiten

verfügt und keinen Zugang zu den führenden Technologiequellen und F&E

Zentren in den Industriestaaten hat. Ein solches Unternehmen stellt im

Vergleich zu den Technologieführern einfache und standisierte Produkte her.

Latercomer haben jedoch Kostenvorteile, die sie in ihrer Unternehmensstrategie

gegenüber den Technologieführern einsetzen können77.

2.3.1. Technologietransfer aus Sicht des Catching-up Product Cycle

In der Kojima-Theorie determiniert der Faktor Technologie die Richtung des

Handels im Sinne von Posners Konzept des Technological Gap Trade78. Der

Technologietransfer über FDI ist um so effektiver, je geringer die technologische

Lücke zwischen dem Stamm- und dem Gastland ist. Zur Komplementierung der

Wirtschaftsentwicklung in nachrückenden Ländern schlägt Kojima einen

stufenweisen Transfer von arbeitsintensiven, relativ einfachen Technologien hin

zu kapitalintensiven, anspruchsvollen Technologien vor, d.h. FDI sollen

zunächst in Branchen mit potentiell komparativen Wettbewerbsvorteilen

74 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.65.75 Hobday, M., Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.33.76 Tran, Van Tho, Japan’s Technology Transfer in Thailand: Effective Transfer and ManagementStyle, a.a.O., S.65.77 Ebd., S.34f.78 Posner, M. V., International Trade and Technical Change, in: Oxford Economic Papers,Vol.13, 1961, S.323-341.

Page 25: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

beginnen79.

Durch FDI erfolgt dann eine stufenweise Aufwertung der Produktivität in

Übereinstimmung mit der Evolution der komparativen Handelsvorteile im

Stamm- und Gastland. Die makroökonomischen Effekte sind die Verbreitung

neuer Technologien im Gastland, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die

Zunahme ausländischer Währungsreserven80. Auf der Mikroebene gelangen bei

diesem Prozeß Managementkenntnisse, zusammengefaßt als

unternehmerische Ausstattung (E-Faktor), in das Gastland. Ein kompletter

Transfer von E-Faktoren wäre der Idealfall. Dies hängt vor allem von der Größe

der technologischen Lücke im Gastland ab. Je kleiner die technologische Lücke

ist, desto mehr E-Faktoren können von den lokalen Kräften verarbeitet und

genutzt werden. Dies wird die komparativen Vorteile verbessern und zu einer

Steigerung der unternehmerischen Effizienz im Gastland führen.

Kojima erbringt folgenden Nachweis für einen positiven Beitrag der

japanischen FDI zur technischen Aufwertung und Entwicklung der Industrien in

den Gastländern81:

• Die gesamten akkumulierten japanischen FDI bis März 1983 (Fiskaljahr

1982) verteilten sich zu 46,7% auf Handel und Dienstleistungen, zu 31,9%

auf den Produktionssektor und zu 21,4% auf Rohstoffe.

• Japanische Investitionen in Handel und Dienstleistungen schufen eine

Geschäftsinfrastruktur, die weiteren Handel mit Japan ermöglichte und

zusätzliche japanische FDI anlockte. Die produktionsorientierten FDI

untergliedert Kojima in die Gruppe M1 mit arbeitsintensiven Konsumgütern

(Textilien), auf die 7,3% der gesamten japanischen akkumulierten FDI bis

März 1983 entfielen, und M2 mit Maschinen (elektrische Ausrüstung,

Transport), die 10,2% der japanischen FDI absorbierten. M1 und M2

reflektieren die internationale Arbeitsteilung im Produktionsprozeß, d.h.

aufgrund des Arbeitskräftemangels und Lohnanstiegs in Japan gab es einen

79 Kojima, K., Macroeconomic Versus International Business Approach to Direct ForeignInvestment, a.a.O., S.15.80 siehe auch Streeten, Paul, The Role of Direct Private Investment in Developing Countries,Advanced Development Management Program, Institute of Comparative Culture, SophiaUniversity, Tokyo 1993, S.1.81 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O.,S.99-116.

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starken makroökonomischen Anreiz, diese Industrien in Niedriglohnländer

zu verlagern. Die dritte Untergruppe M3 umfaßt Zwischengüter (Pappe, Holz,

Stahl, Chemie). In diese Gruppe flossen 14,4% der japanischen FDI82.

Die japanischen FDI haben in den ressourcenarmen Ländern Taiwan, Südkorea

und Singapur den Wandel von der arbeitsintensiven Produktionsweise zur

kapitalintensiven vollzogen. Kojima schließt daraus, daß diese FDI zur

Aufwertung der Industriestruktur in diesen Ländern beigetragen haben. Diese

Länder wurden von japanischen Firmen zunächst als Offshore-

Produktionszentren genutzt83. Die dort gegründeten Niederlassungen wurden in

die japanischen Produktionsnetzwerke integriert. Der Strukturwandel in diesen

Gastländern schuf die Voraussetzung für neue Investitionsmöglichkeiten. Die

japanischen FDI verlagerten ihren Schwerpunkt von der Leichtindustrie mit

einfacher Technologie hin zu Branchen mit anspruchsvolleren Technologien84.

In empirischen Untersuchungen belegt Kojima diesen Wandel der

japanischen FDI mit dem Industrialisierungsgrad des Gastlandes (vgl. Abb.1).

Auf der horizontalen Achse trägt er das Pro-Kopf-Einkommen ab, welches im

allgemeinen mit der industriellen Produktionsquote (industrieller

Produktionsertrag bezogen auf den Gesamtproduktionsertrag) korreliert. Auf der

vertikalen Achse steht die branchenspezifische japanische Investitionsquote

(Anteil der japanischen FDI in einer spezifischen Branche bezogen auf die

gesamten japanischen FDI in diesem Land)85. Kojima hat diesen Wert für ost-

und südostasiatische Staaten in den Jahren 1972 und 1982 ermittelt. Betrachtet

man die japanische Investitionsquote für den gesamten Produktionsbereich, so

zeigt sich, daß Taiwan und Singapur typische Offshore-Produktionszentren sind,

wie es bereits Korea 1972 war. Hier senkt sich die Investitionsquote mit einem

Anstieg des Sozialprodukts86.

82 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O,S.100.83 Ebd., S.101.84 Ebd., S.106.85 Ebd., S.107.86 Ebd., S.110.

Page 27: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

Abbildung 1 Wandel der japanischen FDI mit dem Industrialisierungsgrad der Gastländer in Ost-und Südostasien von 1972 bis 1982

406080100

Anmerkung: Die Graphen zeigen die Veränderung des Anteils der japanischen FDI im Produktionssektoran den gesamten japanischen FDI in jedem Gastland von 1972 (linker Wert) nach 1982 (rechterWert) in Prozent. Ein hoher Prozentsatz bedeutet einen hohen Anteil an japanischen FDI imProduktionssektor.

Quelle: Erstellt nach Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Foreign Investment in Asia, HitotsubashiJournal of Economics, Vol.26, December 1985, S.99-116, hier S.107.

Betrachtet man nur die arbeitsintensiven japanischen FDI, so ist für Taiwan

bereits 1972 diese Rate sehr niedrig und sinkt weiter, während die

Investitionsrate für die Maschinenproduktion mit zunehmendem Sozialprodukt

steigt. Im Falle der japanischen FDI bei Zwischengütern zeigt sich in Taiwan,

wie auch in Hongkong und Singapur, daß bedingt durch ihre kleine

wirtschaftliche Größe, keine optimalen Skalenerträge erzielt werden können,

während für Südkorea diese Investitionsrate gestiegen ist87.

Insgesamt kann Kojima beobachten, daß die japanischen FDI sich an die

geänderten komparativen Vorteile des Gastlandes anpassen. Nach

arbeitsintensiven Branchen, z.B. der Textilindustrie, folgen kapitalintensivere

Branchen, z.B. Maschinenbau und Elektro88.

Der Catching-up Product Cycle in der Kojima-Theorie kann noch weiter

ausgebaut und präzisiert werden. Eine Ergänzung ist das Konzept des

Technological-Mastery-Cycle89. Dies erlaubt eine gedankliche Trennung von

Technologie und technologischem Wissen. Technologie umfaßt den physischen

Prozeß der Transformation von Input- zu Output-Faktoren. Das technologische

87 Kojima, K., The Allocation of Japanese Direct Investment and its Evolution in Asia, a.a.O.,S.110f.88 Ebd., S.116.89 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.204ff.

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Wissen umfaßt die vollständige Information über diesen Transformationsprozeß.

Unternehmen können demnach einen Herstellungsprozeß beherrschen, ohne

über das zugrundeliegende Wissen zu verfügen. Durch eigene Anstrengungen

kann dieses Defizit ausgeglichen werden. Hier unterscheidet man drei Stufen:

die Assimilierung, die Adaptierung und die Kreation neuer Technologien.

„Assimilierung meint die angemessene Verwendung übernommener

Technologie. Adaptierung bedeutet Anpassung einer übernommenen

Technik/Technologie an die lokalen Erfordernisse; damit wird die

Verwendbarkeit der Technologie erweitert – Voraussetzung sind aber

Fähigkeiten hinsichtlich Reparatur, Instandhaltung und

Produktionskontrolle. Für die Kreation neuer Technologien sind schließlich

neben der Fähigkeit zum Design von Produktionsprozessen auch

Produktdesign und effektive Forschung & Entwicklung notwendig.90“

Der Technology Mastery Cycle bietet einen Erklärungsansatz zur schrittweisen

Beherrschung des Produktionsprozesses und der Produkttechnologie91. Die

lokalen Unternehmer beginnen mit dem Zusammenbau eines reifen Produktes.

Sukzessive lernen sie die Qualität dieses Produktes zu verbessern und

schneller herzustellen. Sie sind in der Lage ein Produkt nachzubauen (reverse

engineering). Mit dem Verständnis des Herstellungsprozesses können einzelne

Unternehmer dieses produkt- und prozeßspezifische Know-how für eine

Geschäftstätigkeit im Ausland einsetzen und ggf. damit den Aufbau eines neuen

Produktbereiches im Inland finanzieren. Nach Ablauf des Produktzyklus

ermöglichen Direktinvestitionen im Ausland neben der Vergabe von Lizenzen

eine Verwertung dieser unternehmensspezifischen Technologie. Dieser

Relokationsmechanismus betrifft vor allem schrumpfende Branchen mit

kleineren und mittleren Unternehmen. Eine Voraussetzung für das

Zustandekommen dieses Mechanismus ist der Technologietransfer durch FDI

auf Unternehmensebene.

Die Beteiligung von lokalen Partnern an einer Folgeinvestition im gleichen

Produktbereich hängt vom Grad der lokalen Technologiebeherrschung ab. Dies

90 Zit. nach Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- undSüdostasiens, a.a.O., S.205.91 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.40ff.

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zwingt dazu, den Inhalt von Direktinvestitionspaketen weiter zu spezifizieren.

Gleichzeitig verläßt man damit die industriespezifische Betrachtungsweise

zugunsten einer firmen- und produktspezifischen.

Ein Argument für die Untersuchung auf Unternehmensebene hat die

industrielle Organisationstheorie (Hymer) und die Transaktionskostentheorie mit

der Betonung von firmenspezifischen Vorteilen geliefert. Hennart untersucht die

Determinanten für FDI auf der Produkt- und Unternehmensebene92. Auch im

Ansatz von Kojima ist bewußt ein Interpretationsspielraum für firmenspezifische

Vorteile offengelassen worden. In diesem Zusammenhang wurde auf den Faktor

der unternehmensspezifischen Ausstattung hingewiesen.

Fazit

Im Rahmen von Catching-up Product Cycles werden über FDI zum

Entwicklungsstand eines Landes passende Technologien übertragen. Im

makroökonomischen Ansatz wird dieser komplizierte Lernvorgang auf den

Transfer von FDI-Paketen, in denen Produkt- und Managementkenntnisse

enthalten sind, auf eine einfache Formel reduziert, die noch Raum genug für

eine eigenständige Entwicklung der lokalen Unternehmer läßt. Was Kojima

damit ausdrücken möchte, ist der Transfer von Produktionssets vom Stammland

auf das Gastland, die insgesamt die Produktivität dieser Zielbranche erhöhen.

Auf der Makroebene bewirken diese FDI den Aufbau einer leistungsfähigeren

Exportindustrie. Daraus schließt Kojima, daß es den Unternehmen im Gastland

mit Hilfe des ausländischen Investors gelungen ist, neue Produkte im Rahmen

des Catching-up Product Cycle herzustellen.

Können die lokalen Unternehmen dieses produkt- und prozeßspezifische

Wissen in ein neues FDI-Paket umformen, so wird ein neuer Catching-up

Product Cycle initiiert. Die Situation, daß die Unternehmer des

Empfängerlandes von FDI selbst als Investor im Ausland tätig werden, deutet

auf die gestiegenen technologischen Fähigkeiten hin, obwohl sich dieser

Zusammenhang auf der Makroebene noch nicht schlüssig belegen läßt.

An dieser Stelle muß betont werden, daß sich die Aussagekraft lediglich auf

92 Vgl. hierzu eine Studie zu firmenspezischen Vorteilen japanischer Investitionen in den USA.Hennart, Jean-Francois and Park, Young-Ryeol, Location, Governance, and StrategicDeterminants of Japanese Manufacturing Investment in the United States, in: StrategicManagement Journal, Vol.15, 1994, S.419-436.

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die Rolle der ausländischen Investoren beim Transfer von standardisierten

Produkten auf die Weitergabe von Produktionssets bezieht. Eine andere

Fragestellung, ob etwa die vorhandenen Ressourcen im Gastland besser durch

die lokalen Firmen entwickelt worden wären, wenn gar keine FDI dieses Typs

stattgefunden hätten, kann man hieraus nicht beantworten93.

2.3.2. FDI und Technologietransfer auf Unternehmensebene

Kojima definiert FDI als ein Paket, in dem Produkt-, Prozeß- und

Managementtechniken enthalten sind. Dieser Ansatz impliziert eine stufenweise

Eigentumsübertragung der in diesem Paket enthaltenen Technologie auf den

lokalen Partner und ein allmähliches Fade-Out des ausländischen Investors.

Ganz in diesem Sinne entwickelt Park seine Indigenisierungsstrategie, die die

Möglichkeiten des Integrationsprozesses eines ausländischen Unternehmens in

die Binnenwirtschaft des Gastlandes untersucht94. Die hier vertretene

Vorstellungsweise geht über einen automatischen Übertragungsmechanismus

einer Technologie hinaus. Das tatsächlich im Rahmen von FDI gelieferte

Technologiepaket besteht aus einem vertraglich fixierten Teil und einem

„intangiblen“ Entwicklungspotential, welches vom Kenntnisstand und von der

Handlungsfreiheit der lokalen Partner abhängt. Mit Hilfe dieses

Entwicklunspotentials soll ausgedrückt werden, daß für das Erlernen und

Anwenden der in diesem FDI-Paket enthaltenen Technologie zusätzliche

Faktoren notwendig sind. Auf der unternehmerischen Ebene hängt der

Technologietransfer von der Marktmacht des ausländischen Investors ab, seine

Interessen durchzusetzen und rechtlich zu schützen (vgl. Monopoltheorie von

Hymer). Für den einzelnen lokalen Unternehmer ist der Inhalt des

Kooperationsvertrags mit der ausländischen Firma entscheidend.

Generell wird der Technologietransfer von Industriestaaten in

Entwicklungsländer positiv eingestuft95. Als Paradebeispiel eines gelungenen

Transfers auf ein Gastland wird oft die Wirtschaftsgeschichte Japans

93 Kojima, K. and Ozawa, T., Towards A Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.142.94 Park, S.-J., Gemeinschaftsunternehmen und Indigenization-Strategie in der Dritten Welt,a.a.O., S.16f.95 Kang, Chong-Sook, Technologietransfer nach China 1949-1982, Frankfurt New York 1985,S.23.

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angeführt96. Japanische Unternehmen haben in Ostasien eine Vorbildfunktion

für die lokalen Firmen97. Der zunehmende Einsatz neuer Technologien in der

Produktion schafft aber auch neue Abhängigkeitsverhältnisse. Die moderne

Produktion setzt den Einsatz von Computern zur Steuerung, Überwachung und

Wartung einzelner Arbeitsprozesse voraus, die nur von Spezialisten beherrscht

werden können. Der Überblick über das gesamte Produktionsverfahren

verbleibt in der Zentrale der Muttergesellschaft, die über ihre

Forschungsabteilungen Verbesserungen des Verfahrens steuert. Im Zuge der

internationalen Arbeitsteilung werden so Management, F&E und

Wartungsarbeiten von der eigentlichen Produktion getrennt. Während bisher

Entwicklungsländer am reinen Import von modernen Maschinen und

Dienstleistungen interessiert waren, wird der Import neuer Technologien

notwendig, um auch zukünftig an der internationalen Arbeitsteilung partizipieren

zu können98. Angesichts dieser Entwicklung ist es verständlich, daß sich die

Entwicklungsländer von FDI einen Demonstrationseffekt99 für Technologien aller

Art erhoffen. Nur eine ständige Partizipation an der internationalen

Arbeitsteilung gewährleistet, weiterhin mit technischem Standardwissen

versorgt zu werden.

Für die Fragestellung der Arbeit ist relevant, ob es einem lokalen

Unternehmer gelingt, ein FDI-Paket zu öffnen. Nach Park vollzieht sich der

Prozeß der Indigenisierung der hereingekommenen Technologie in

unterschiedlichen Mechanismen, die von den Investitionsmotiven, z.B. der

Rohstoffsuche oder niedrigen Lohnkosten, abhängen. Der Technologietransfer

ist gleichzeitig ein Sozialisationsprozeß. Dieser beginnt mit der Integration der

einzelnen Mitarbeiter, aufbauend auf den Stand ihrer Fähigkeiten, in den

Arbeitsprozeß100. Das Erlernen einer bestimmten Technologie kann nur im

Dialog mit Fachkräften, Vorbildern und Anschauungsobjekten bewältigt werden.

96 Tsurumi, Yoshihiro, Technology Transfer and Foreign Trade: The Case of Japan 1950-66,Doctoral Dissertation, Harward University 1968, revised edition 1980, New York.97 Hobday, Michael, Innovation in East Asia: The Challenge to Japan, a.a.O., S.35f.98 Kang, C.-S., Technologietransfer nach China 1949-1982, a.a.O., S.24f.99 Zhao, Hongxin, Relationship Between Indigenious Technological Capability and ImportedTechnology: Evidence in China, India, Japan, South Korea and Taiwan, George WashingtonUniversity, Dissertation, Washington DC 1992, S.54.100 Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen von Auslandsinvestitionen: Möglichkeiten einerIndigenisationspolitik, No.4, 2.Aufl., Berlin 1985, S.11.

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„... learning is intimately connected with and its effects localized to the

environment of ”doing“101“ Japanische Firmen zeichnen sich dadurch aus, daß

sie einen höheren Anteil an japanischen Arbeitskräften in ihren

Niederlassungen im Ausland einsetzen, als etwa amerikanische oder

europäische Firmen. Park beobachtet, daß zunächst fast alle wichtigen

Führungspositionen in den Niederlassung von Japanern besetzt wurden, und

dann allmählich Einheimische die Repräsentanz der Firma nach außen

übernahmen, wobei ihnen intern japanische „Berater“ zur Seite stehen102.

Daraus entwickelt sich ein System der stufenweisen Aufgabenübertragung, das

mit Management by Direct Contact umschrieben werden kann. Das Erlernen

einer Aufgabe bzw. einer Technologie geschieht also unmittelbar am

Arbeitsplatz unter Anleitung103.

Tsurumi hat im Bezug auf den Technologietransfer japanischer Firmen

herausgefunden, daß diese am meisten Produktionsprozeß- und

Managementtechnologien auf die heimischen Firmen übertragen104. Die Stärke

der japanischen Unternehmen bei diesen beiden Technologieformen beruht auf

der eigenen Adaptionsfähigkeit von ausländischen Technologien, die an

japanische Verhältnisse angepaßt werden mußten. So gelang japanischen

Firmen eine Modifikation der über amerikanische FDI nach Japan

hereingekommenen Produkttechnologie105. In dieser Hinsicht geben japanische

Firmen ihre Erfahrungen in der Optimierung von Arbeitsabläufen weiter.

Bei konkreten japanischen Technologietransfer-Mechanismen fällt auf, daß

die ausgewählte Technologie für Entwicklungsländer in einfache operationale

Techniken zerlegt werden, die sich auf folgende Merkmale stützen: „Montage,

Kombination, Imitation, Wartung, Blaupausen-Lieferung und Engineering

101 Hervorhebung im Original, zitiert nach Nelson, Richard R., Production Sets, TechnologicalKnowledge, and R&D,: Fragile and Overworked Constructs for Analysis of Productivity Growth?,in: American Economic Review, Paper and Proceedings, May 1980, S.62-67, hier S.64.102 Park, S.-J., Gemeinschaftsunternehmen und Indigenization-Strategie in der Dritten Welt,a.a.O., S.82ff.103 Ebd. S.88ff.104 Tsurumi,Y., The Japanese Are Coming: A Multinational Interaction of Firms and Politics,Cambridge Mass., S.169ff, zit. nach Park, S.J.,Technologietransfer im Rahmen vonAuslandsinvestitionen: Möglichkeiten einer Indigenisationspoltik, a.a.O., S.12.105 Ozawa, T., Japan’s Technological Challenge to the West: 1950-1974, Cambridge Mass.,London 1974, S.67ff, zit. nach Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen vonAuslandsinvestitionen: Möglichkeiten einer Indigenisationspolitik, a.a.O.,S.13.

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Operator-Ausbildung“106. Ein komplexer Arbeitsprozeß wird somit in

überschaubare Einzelaufgaben zerlegt, die in ihrer Problemschwierigkeit von

lokalen Kräften bewältigt werden können und ggf. dazu anregen, sich einen

Überblick über den gesamten Arbeitsprozeß zu verschaffen.

An dieser Stelle wird deutlich, daß hier aus der vielschichtigen Interaktion

zwischen der Technologieübertragung und dem Lernverhalten ein willkürlicher

Handlungsstrang herausgegriffen wird, der wiederum in Beziehung zu

Handlungsrechten, ökonomischen Anreizen (Motivation) und Kompetenz eines

Wirtschaftssubjektes steht107. Röpke prägt in diesem Zusammenhang die

beiden wichtigen Voraussetzungen für die Durchsetzung einer Neuerung auf

der Unternehmensebene: die unternehmerische Fähigkeit und die

unternehmerische Freiheit. Das Erlernen einer Technologie hängt vom

individuellen Kenntnisstand, Geschick und der Erfahrung ab, die technischen

Zusammenhänge zu verstehen und ihre Bedeutung für eine spätere eigene

unternehmerische Umsetzung erfassen zu können108. Die personellen,

organisatorischen und technischen Fähigkeiten eines potentiellen Investors

müssen nun noch mit den Handlungsrechten verknüpft werden.

Die Ausgestaltung einer Technologieübertragung hängt auf der rechtlichen

Seite von den Vertragsbedingungen und dem Direktinvestitionstyp ab. Im

Rahmen eines Joint Venture-Vertrages zwischen einem ausländischen und

heimischen Unternehmen wird der Technologietransfer in seinem Umfang

definiert und die Zeitdauer der Realisation bestimmt109. Ein Technologietransfer

wird in diesen Verträgen zwischen den Partnern im Stamm- und Gastland

ausgehandelt und eine unbefugte Weitergabe durch entsprechende Klauseln

unterbunden. Entscheidend ist der Vertragsinhalt, der den Herstellungsprozeß

betrifft. Je nach Vertrag werden in der Praxis Blaupausen, Handbücher,

Aufzeichnungen, Werkstücke usw. zur Verfügung gestellt. Dennoch läßt sich der

106 Park, S.-J.,Technologietransfer im Rahmen von Auslandsinvestitionen: Möglichkeiten einerIndigenisationspolitik, a.a.O., S.4.107 Röpke, Jochen, Die unterentwickelte Freiheit: Wirtschaftliche Entwicklung undunternehmerisches Handeln in Indonesien, Organisation und Kooperation inEntwicklungsländern, Bd.20, Göttingen 1982, S.45ff.108 Ebd., S.52.109 Vgl. ausführlich bei Dobkin, James A., Arnold & Porter, International Technology JointVentures: An Overview and Some Important General Priniciples, in: James A. Dobkin (Ed.),

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Herstellungsprozeß eines Produktes trotz der Vollständigkeit aller technischen

Anleitungen nicht bis ins letzte Detail beschreiben. Lokale Partner in einem

japanisch-taiwanischen Joint Venture machten die Erfahrung, daß etwas

Spezifisches fehlt, welches sich schwer konkretisieren läßt110. Die lokalen

Unternehmer müssen selbst erst herausfinden, welche zusätzlichen Angaben

oder Erfahrungswerte ihnen fehlen. Dies kann an Begleitumständen der

Produktion, z.B. einer idealen Raumtemperatur oder bestimmten

Vorbehandlungsmaßnahmen des Materials, liegen. Sie erwerben die fehlenden

technischen Kenntnisse aus der Mitarbeit in den Investitionsprojekten.

Empirische Untersuchungen bestätigen, daß die im Rahmen von FDI

gelieferten Technologien nicht für eine Weiterentwicklung oder Verbesserung

ausreichen. Es besteht kaum Zugang zum eigentlichen Produktdesign111. Die

einzige realistische Möglichkeit besteht in der Verwertung des bestehenden

FDI-Pakets für eine weitere Folgeinvestition im Ausland, bei der genau die

gleichen Teile wie bisher hergestellt werden. Zu diesem Schritt bedarf es

zunächst einmal einer Einigung beider Partner in der Auslegung bzw.

Erweiterung ihres bisherigen Vertrages. Dies hängt wiederum von deren

Verhandlungsmacht und Geschick ab, sich auf eine weitere Kooperation zu

einigen, nachdem das gemeinsam hergestellte Produkt die Reifephase

überschritten hat.

Die individuellen Vertragsbedingungen prägen entscheidend die

Ausgangsposition des lokalen Partners, etwas aus einem Joint Venture zu

erlernen und später selbst weiterzuentwickeln. Werden im Rahmen von FDI

lediglich bestimmte manuelle Arbeitsprozesse durch

Produktionsteilungsverträge oder langfristige Kaufverträge auf Unternehmer im

Gastland übertragen, so ist das Volumen an technischem Wissen auf diesen

Vertragsgegenstand beschränkt. Die Vertragsbedingungen können Klauseln

enthalten, die die Möglichkeiten für das Erlernen einer bestimmten Technologie

einschränken. Taiwanische Firmen berichten in einigen Fällen, daß

International Technology Joint Ventures in the Countries of the Pacific Rim, A Publication of thePacific Rim Advisory Council, Singapore 1988, S.1-24, hier S.18-23.110 Gespräch mit Professor Dr. Cheng-Cherng Chen, Taiwan National University, Oktober 1998.111 San, Gee, The Status and Evaluation of the Electronics Industry in Taiwan, OECD, TechnicalPapers, No.29, October 1990, S.25.

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Zusatzinformationen, die nicht in den extakten Vereinbarungen enthalten sind,

extra berechnet werden112.

Zur Vermeidung einer einseitigen Abhängigkeit ist es entscheidend, ob den

einheimischen Partnern eine Wahlmöglichkeit bei der Rechtsform bleibt. Gerade

bei neueren Investitionsformen, wie Joint Venture, Minderheitsbeteiligungen,

Management-, Lizenz- und Marketing-Verträge, Subcontracting,113 kann ein

bestimmtes Maß an unternehmerischer Freiheit bei den einheimischen Kräften

erhalten bleiben, was ihnen später ermöglicht, unternehmerisch tätig zu werden.

Die Auswahl der geeigneten Investitionsform richtet sich meistens nach den

strategischen Zielen des ausländischen Unternehmens. Generell haben

japanische Unternehmen als Nachzügler auf dem Gebiet der Direktinvestitionen

alle diese Investitionsformen genutzt114.

Die Übertragung technischen Wissens wird durch einige sozio-kulturelle

Faktoren, wie der leichteren Überwindung der Sprachbarrieren, der

gegenseitigen Kenntnis von Sitten und Gebräuchen und einer Vielzahl an

persönlichen Kontakten aus der Kolonialzeit erleichtert115. Japanische

Investoren trafen in den fünfziger und sechziger Jahren in Taiwan auf eine

Generation, die ihre Ausbildung in japanischen Schulen und Universitäten

erhalten hat. Da der taiwanischen Bevölkerung während des chinesischen

Bürgerkrieges und z.T. auch in den fünfziger Jahren der Zugang zu

Verwaltungs- und Regierungsstellen verwehrt blieb, konzentrierte sie sich auf

den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Insel. In diesem Neuanfang wurden die

privaten Kontakte nach Japan genutzt116. Da chinesische Schriftzeichen seit

112 Eine Fallstudie zum Autohersteller Yeu Tyan zeigt, daß der französische Partner Peugeotviel großzügiger zusätzliche technische Erklärungen nachliefert als Daihatsu. Vgl. Lai, Shyh-Bao, Strategy for Technology Development of Taiwan’s Automobile Industry: A Case Study ofYeu-Tyan Machinery Company, in: N.T. Wang, Taiwan in the Modern World, Taiwan’sEnterprises in Global Perspective, 1992, S.235-267, hier S.258f.113 Olle weist darauf hin, daß einige dieser „neuen Investitionsformen“ bereits im Verlauf dersechziger Jahre zwischen marktwirtschaftlich orientierten Ländern und Staatshandelsländernpraktiziert wurden. Vgl. Olle, Werner, Strukturveränderungen der internationalenDirektinvestitionen und inländischer Arbeitsmarkt: Empirisch-qualitative Probleme einermakroökonomischen Relevanzanalyse der deutschen Direktinvestitionen im Ausland, München1983, S.109ff.114 Kojima, K. and Ozawa, T., Towards A Theory of Industrial Restructuring and DynamicComparative Advantage, a.a.O., S.142.115 Schive, Chi, The Foreign Factor: The Multinational Corporation’s Contribution to theEconomic Modernization, Stanford University, Stanford 1990, S.14f.116 Vor 1945 wurde fast 90% des Handels mit Japan abgewickelt. Vgl. Laumer, H., Diewirtschaftlichen Beziehungen Taiwans zu Japan, a.a.O, S.145.

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rund 1500 Jahren zur schriftlichen Fixierung der japanischen Sprache

verwendet werden, können sich beide Seiten z.B. bei einfachen

Gebrauchsanweisungen, Fachausdrücken oder der Beschriftung von

technischen Zeichnungen über chinesische Schriftzeichen verständigen. Eine

Faustregel besagt, daß etwa 80% der japanischen und chinesischen

Schriftzeichen eine identische Bedeutung haben, wobei Aussprache und

Grammatik differieren. In gleicher Weise können taiwanische Investoren in

China aufgrund der gemeinsamen Sprache, Kultur und noch bestehender

familiärer Bindungen rasch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen und

somit die ersten Kontakte eines Netzwerkes knüpfen. Auf diesen Aspekt wird im

nachfolgenden Abschnitt eingegangen.

Aus dem Technologietransfer von japanischen Firmen auf ihre

Niederlassung bzw. ihren Partner in Taiwan ergeben sich drei Fälle für eine

Folgeinvestition in China:

• eine vollständige Beherrschung der japanischen produkt-, prozeß- oder

managementspezifischen Technik, d.h. die Taiwaner können selbständig

eine Investition in China ohne japanische Unterstützung durchführen;

• eine teilweise Beherrschung der japanischen Technik, so daß eigenständige

Leistungen etwa in der Prozeßtechnologie erbracht werden können, aber die

Mithilfe des japanischen Partners in China noch notwendig ist;

• eine wesentliche Abhängigkeit an Kerntechnologien bleibt bestehen und der

taiwanische Investor ist auf die Unterstützung seines japanischen Partners

in China angewiesen.

Fazit

Zur Betrachtung von Folgeinvestitionen wird die Technologiebeherrschung zum

entscheidenden Faktor für die Weitergabe eines FDI-Paketes. Auf der Basis der

betrieblichen Zusammenarbeit mit den ausländischen Unternehmern gelangen

stufenweise Techniken und Kenntnisse auf die heimischen Unternehmer. Dabei

können einige dieser Techniken eingesetzt werden, ohne über das

entsprechende Wissen zu verfügen. Der Einsatz dieser Technologie im Rahmen

einer Folgeinvestition in einem Drittland hängt von ihrer Verwendung,

Anpassung und Verbesserung ab. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist zu

überprüfen, wie die taiwanische Seite mit der Technologie aus FDI-Paketen

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umgegangen ist. Wenn sich bei der Übertragung von Technologie im Rahmen

einer Folgeinvestition positive Veränderungen feststellen lassen, so kann man

von einer taiwanischen Hybridtechnologie sprechen.

2.4. Direktinvestitionen und internationale Produktionsnetzwerke

Ein Netzwerk ist eine Kooperationsform von Firmen zur Reduktion ihrer Kosten

und zur Verbesserung ihrer Produktivität, welche im Alleingang nicht zu

realisieren wäre. Weitere Kooperationsziele in einem Netzwerk sind

gemeinsame F&E-Projekte, Grundausbildungsprogramme für Mitarbeiter,

gemeinsames Auftreten gegenüber Kunden und Lieferanten und der Austausch

von Informationen. Hierdurch soll die Flexibilität und das Reaktionsvermögen

des einzelnen gegenüber dem Markt gestärkt werden117. Netzwerke kommen

durch Absprachen unter gleichgesinnten Partnern zustande. In diesem Begriff

steckt auch die soziologische Komponente der persönlichen Beziehungen.

Netzwerke entstehen durch die Selbstbindung der beteiligten Partner, ohne

damit die Handlungsfreiheit des einzelnen unnötig einzuschränken. Oft besitzen

die Mitglieder ein komplementäres Fähigkeitsprofil. Leistungen, die im Netzwerk

erbracht werden, dienen zum gegenseitigen Nutzen118. Netzwerke erfüllen

somit eine eigenständige Funktion neben dem Markt und der

unternehmensinternen Organisation. Im folgenden wird die Bedeutung von

Netzwerken für die internationale Produktion präzisiert.

2.4.1. Netzwerke in der internationalen Produktion

Im Bereich der Elektro-& Elektronikindustrie kann man seit den sechziger

Jahren beobachten, wie führende europäische, amerikanische und japanische

Unternehmen, z.B. Philips, General Electric oder Matsushita, ihre Produktion

internationalisieren. Alle diese Firmen gründen Niederlassungen in Westeuropa,

Amerika und Ostasien, die sowohl speziell für den lokalen Markt wie auch für

die Überseemärkte produzieren. Mit der gleichzeitigen Etablierung dieser

117 Battat, Joseph: Building Networks of Small Companies, adapted from an article by ProfessorSusan R. Helper, in: OECD Documents, Centre for Co-operation with the economies intransition, Small Firms as Foreign Investors: Case Studies from Transition Economies, Paris1996, S.198-211, hier S.198.118 Herrmann-Pillath, Carsten, Wirtschaftsintegration durch Netzwerke: Die Beziehungenzwischen Taiwan und der Volksrepublik China, Schriftenreihe zur Ostasienforschung, Bd.4,Baden-Baden 1994, S.16.

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großen Unternehmen in Europa, Amerika und Asien kann man von einer partiell

globalen Produktion sprechen. Ernst unterscheidet hier vier Formen, in denen

sich die Ergebnisse der Transaktionskostentheorie wiederspiegeln119:

• komplette Zentralisierung

• Transfer des heimischen Produktionssystems auf das Gastland

• Dezentralisierung der internationalen Produktion unter Berücksichtigung der

regionalen Besonderheiten

• Versuche einer „globalen Strategie“, z.B. der Plan von Ford zur Herstellung

eines „World Car“

Alle diese Strategien versuchen vorrangig die Transaktionskosten zu senken,

das Risiko zu mindern und eine Weitergabe der Technologie an potentielle

Mitbewerber zu vermeiden. Eine zu starke Stellung der Zentrale führt bei der

Implementierung dieser Strategien zu Schwierigkeiten mit ihren

Niederlassungen im Ausland, die ihre Selbständigkeit bewahren wollen. Damit

werden die führenden Unternehmen im Zuge einer systematischen

Globalsierung ihrer Produktion vor die Aufgabe gestellt, flexible

Organisationsstrukturen zu entwickeln. Es muß möglich sein, bei Bedarf

verschiedene Intensitätsstufen einer Kooperation zu aktivieren. In einigen Fällen

genügt die Initiierung einer Handlung, die aufgrund langfristiger gemeinsamer

Verpflichtungen in Anspruch genommen werden kann. In anderen besteht

Bedarf nach Leistungen, die im eigenen Unternehmen nicht selbst erbracht

werden können120. Eine pragmatische Antwort hierauf sind internationale

Produktionsnetzwerke, die sich um ein führendes Unternehmen mit seinen

Niederlassungen im Ausland, Tochterfirmen und Joint Venture-Partnern

gruppieren. Dieser erste noch hierarchisch gegliederte Ring wird von einem

zweiten aus Zulieferern und Endabnehmern umgeben. Ein Produktionsnetzwerk

erstreckt sich auch auf den unterstützenden Dienstleistungsbereich, die von der

119 Ernst, Dieter, From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks inthe Electronics Industry, Joint Publication of Data Storage Industry Globalization Project Report97-02, Graduate School of International Relations and Pacific Studies, University of California atSan Diego, and BRIE Working Paper #98, Berkeley Roundtable on the International Economy,Univerisity of California at Berkeley, April 1997, S.16f.120 Nach Grabher werden drei Hauptmerkmale eines Netzwerkes unterschieden: Reziprozität,Interdependenz und lose Gruppierungen. Vgl. Grabher, Gernot, Rediscovering the Social in theEconomics of Interfirm Relations, in: Gernot Grabher (Ed.), The Embedded Firm: On theSocioeconomics of Industrial Networks, London New York, S.1-31, hier S.8ff.

Page 39: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

OECD auch „intangible investments“ oder „production related support services“

genannt werden121. In dieser Definition ist die Produkttechnologie, das

Herstellungsverfahren und das Management für Logistik, Verkauf und Marketing

enthalten.

In internationalen Produktionsnetzwerken wird die Kontrolle über

ausländische Produktionskapazitäten angestrebt. Dies wird über FDI und sehr

nahe an FDI heranreichende Formen der Zusammenarbeit ohne

Kapitalbeteiligungen erreicht. Zu letzteren gehören Lizenzverträge,

Subcontracting und Franchising. Abseits der vorherrschenden Forschung zu

Direktinvestitionen gibt es einige Ansätze, worin kleine und mittlere

Unternehmen als Lieferanten, Subcontractor und Mittler in der internationalen

Produktion eine Rolle spielen122. Streeten fand heraus, daß in einigen

Bereichen große ausländische Investoren einen Teil ihrer Produktion an

Kleinunternehmen und teilweise auch in den informellen Sektor in Form von

Heimarbeit auslagern123. Anstelle der Bezeichnung „informeller Sektor“ wäre es

jedoch besser hier von Miniunternehmen zu sprechen. Zu diesem Bereich

zählen Selbständige, die in eigener Regie Kleinaufträge z.B. zur Vorbehandlung

von Materialien oder zum Zusammenbau von Teilen ausführen, und alle

„scheinselbständigen“ Arbeitskräfte, die in kurz- oder mittelfristitgen Projekten

beschäftigt werden. In der Praxis entsprechen diese Formen der Tätigkeit von

Subunternehmen, die fast ausschließlich für ein Hauptunternehmen arbeiten.

Diese Kleinunternehmen erfüllen in internationalen Produktionsnetzwerken eine

Pufferfunktion. Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf einfache Teile oder auch

arbeitsintensive kundenorientierte Nischenprodukte, bei denen ein zusätzlicher

Dienstleistungsbedarf anfällt124. Im chinesischen Wirtschaftsraum breiten sich

vor allem horizontale Produktionsnetzwerke unter kleinen und mittleren

Unternehmen zur Herstellung von Zwischengütern aus. Diese Netzwerke ließen

sich jedoch nicht für die Herstellung und den Verkauf von Endprodukten

121 Ernst, Dieter, From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks inthe Electronics Industry, a.a.O., S.17.122 Ebd., S.18.123 Streeten, P., The Role of Direct Private Investment in Developing Countries, a.a.O., S.9ff124 Semlinger, Klaus, Small Firms and Outsourcing as Flexibility Reservoirs of Larger Firms, in:Gernot Grabher (ed.), The Embedded Firm: On Socioeconomics of Industrial Networks, London1993, reprinted 1994, S.161-178, hier S.165.

Page 40: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

beobachten125.

Die Flexiblisierung von Aufträgen durch miteinander verbundene

Unternehmen läßt sich weiter systematisieren. Ernst unterscheidet 5 Typen von

Netzwerken126:

• Zulieferer-Netzwerke um eine Kernfirma in der Endherstellung und Montage.

Typische Vertragsformen sind Subcontracting, OEM, ODM, Contract

Manufacturing und Turnkey Production.

• Produzenten-Netzwerke beruhen auf Absprachen zwischen Unternehmen

über eine gemeinsame Produktion, Finanzierung und Einsatz ihres

Humankapitals zur Vergrößerung ihre Angebotspalette und geographischen

Reichweite.

• Kunden-Netzwerke mit Distributoren, Marketing, Endverbrauchern.

• Standard-Koalitionen von globalen Firmen mit dem Ziel, ihre

Eigentumsrechte an der Produktgestaltung als Standard durchzusetzen.

• Technologiekooperationsnetzwerke für gemeinsame Design- und

Produktionstechnologie.

Im Bezug auf diese Arbeit sind vor allem Zulieferernetzwerke von Bedeutung.

Japanische Unternehmen haben mit der vertikalen Integration von Zulieferern

ein typisches Netzwerk geknüpft. In der japanischen Automobilindustrie werden

derzeit ca. 30% der Komponenten im eigenen Hause hergestellt, während es in

Europa 45% und in Amerika 70% sind127. Die Ausprägung an Subcontracting

Relations beschränkt sich meist auf eine pyramidenförmige Struktur mit einem

Kern an Hauptlieferanten128, die ihrerseits ein Puffernetz an Subcontractors

aufgebaut haben. Während sich die Hauptlieferanten, bedingt durch ihre meist

langjährige Erfahrung, auf die Automatisierung ihrer Produktion und an der

Weiterentwicklung und Verbesserung der Produkte z.T. mit eigenen

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten beteiligen, spezialisiert sich die zweite

Riege an Zulieferern auf die flexible Herstellung und Lieferung von

125 Feenstra, Robert, Hamilton, Gary G. and Yang, Tzu-Han, Market Structure and InternationalTrade: Business Groups in East Asia, NBER Working Paper #4536, National Bureau ofEconomic Research, November 1993, S.2.126 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.18f.127 Grabher, G., Rediscovering the Social in the Economics of Interfirm Relations, a.a.O., S.16.128 Ebd., S.17.

Page 41: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

standardisierten Teilen und Komponenten. Auf der untersten Stufe drängt sich

ein Zulieferertyp, der sich passiv an diese flexiblen Marktbedingungen anpaßt.

Dazu gehören zum einen in Stoßzeiten extrem lange Arbeitszeiten, auf die

wiederum Ausfallzeiten folgen können.

Insbesondere in den beiden Branchen Elektro und Autoteilen findet eine

Dichotomie der Produktion zwischen Haupthersteller und Zulieferern statt:

Während die Produktion von technisch anspruchsvollen Kernprodukten

zunehmend automatisiert wird, werden dazugehörige Teile im unteren Bereich

von Zulieferern nach herkömmlichen Methoden und z.T. noch arbeitsintensiv

hergestellt. Aufgrund der Machtstellung der kapitalintensiven Haupthersteller

droht eine Verfestigung dieser Struktur129. Diese Situtation trifft vor allem auf die

Massenproduktion zu. Realitätsbezogener ist hier die Annahme von flexiblen

Produktionssystemen mit kleineren Losgrößen. Dies verändert die

Kostensituation aller beteiligten Unternehmen. Die Entscheidung, ob Produkte

über externe Zulieferer oder innerhalb des Unternehmens bezogen werden,

berührt im wesentlichen vier Fragen:

• Verfügbarkeit: Besitzt das Unternehmen die richtige Betriebsgröße, die

Maschinen, das entsprechende Ausbildungsniveau und das produkt- und

prozeßspezifische Wissen für dieses Gut?

• Durchführbarkeit: Kann das Unternehmen mit dem bestehenden

Herstellungssystem oder durch eigene Restrukturierung Engpässe bei der

Versorgung und rechtliche Hindernisse (z.B. Patentschutz) überwinden?

• Gewinn: Unter Annahme ausreichender Kapitalmittel für eine

Erweiterungsinvestition im eigenen Unternehmen und Kenntnis über die

Kosten für diese Investition - läßt sich die neue Produktion effizienter intern

oder extern bewerkstelligen?

• Angemessenheit: Wie hoch ist die Unsicherheit bei der Produktion im

eigenen Unternehmen oder beim Outsourcing (Engpässe, Verlust von Know-

how, Nachfrageveränderungen) und wie wirken sich beide auf intangible

Faktoren (Unternehmensruf, Goodwill und Organisationsklima) aus?130

Diese vier Fragen weisen darauf hin, daß die Wahl zwischen Outsourcing und

129 Vgl. recht kritisch gesehen bei Steven, R., Japan’s New Imperialism, a.a.O., S.56.

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einer unternehmensinternen Lösung ein schlüssiges Konzept erfordert, wenn

nicht sogar eine strategische Entscheidung zu fällen ist. Dieses Konzept muß in

Einklang mit den strategischen Zielen der Haupthersteller stehen. Hinzu kommt,

daß technische Neuerungen, Auflagen von Gastländern zu einer stärkeren

Lokalisierung, und die Maßnahmen anderer Marktteilnehmer die

Entscheidungsträger zu einer Neuorientierung ihrer strategischen Ziele

zwingen. So verfolgten z.B. Philips und Matsushita Anfang der siebziger Jahre

das Ziel, in den Gastländern nationale Miniunternehmen aufzubauen, die

vorrangig den lokalen Markt bedienen. Seit Mitte der achtziger Jahre bezieht

Philips seine Hauptprodukte von den global effizientesten Produktionstätten und

entwickelt neue Produkte und Technologien in F&E-Netzwerken131. Matsushita

hat die Abhängigkeit seiner Niederlassungen von der Zentrale im Bezug auf

Technologie, Materialien und Management reduziert. Seit Ende der achtziger

Jahre besitzen die rund 50 Niederlassungen von Matsushita in 26 Ländern eine

größere Autonomie bei der Beschaffung von lokalen Rohstoffen, Materialien

und Imputs und bestimmen den Schwerpunkt ihrer Produktion132.

2.4.2. Netzwerke in der Branche Elektro & Elektronik

Die Branche Elektro & Elektronik ist durch eine starke Marktsegmentierung und

eine sehr große Produktpalette gekennzeichnet. Zu den wichtigsten Bereichen

gehören: Elektrische & elektronische Teile, Computer & Peripheriegeräte,

Konsumgüter, Telekommunikationsausrüstung und Präzisionsgeräte. Aufgrund

des intensiven Wettbewerbs in dieser Industrie versuchen die einzelnen

Hersteller, sich auf bestimmte Produkte und Fähigkeiten zu spezialisieren und

Kontakte zu Kunden, zu Lieferanten und Endabnehmern aufzubauen. Hieraus

entsteht ein Netzwerk aus Firmen, die an einer langfristigen Zusammenarbeit

interessiert sind. Im Zuge des unternehmerischen Wettbewerbs in dieser

Branche werden ständig neue Eintrittsbarrieren errichtet oder bestehende

Grenzen aufgehoben. Eine Besonderheit in der Elektronikindustrie ist, daß die

Intensität und die Geschwindigkeit, mit der neue Barrieren gesetzt werden,

130 Semlinger, Klaus, Small Firms and Outsourcing as Flexibility Reservoirs of Larger Firms,a.a.O., S.163.131 Bartlett, Christopher A. and Goshal, Sumantra, Managing Across Borders: The TransnationalSolution, Harward College 1989, reprinted 1991, S.75f.132 Ebd., S.75f.

Page 43: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

zunimmt133. Hinzu kommt, daß durch technische Entwicklungen oder

Nachfrageänderungen neue Produkte entstehen, die wiederum ganz neue

Markteintrittsmöglichkeiten für den Hersteller schaffen. Eine gegenläufige

Tendenz dazu bildet die Pfadabhängigkeit von bestimmten Produktstandards,

die ursprünglich gewählt wurden134. Firmen wie auch Kunden sind z.B. mit der

Wahl einer bestimmten Software an ihre Anfangsentscheidungen gebunden.

Wie reagieren Firmen auf diese komplexen internationale

Marktbedingungen? Entgegen der Erwartung der Produktzyklustheorie von

Vernon werden neue Produkte immer schneller außerhalb des Ursprungslandes

produziert. Neue Produkte durchdringen nahezu ohne zeitliche Verzögerung die

Wachtumsmärkte in Europa, Amerika und Asien. Um rasch und flexibel auf

diese Märkte reagieren zu können, wird ein Teil der Produktion innerhalb der

Wertschöpfungskette auf immer mehr Länder verlagert135. Zur Organisation

einer internationalen Produktion werden umfangreiche Dienstleistungen

erforderlich. Hierzu werden entsprechende regionale Leitungsstellen gegründet.

Die NIEs stellen sich dieser Herausforderung mit staatlich geförderten

Konzepten und bilden regionale Zentren mit Finanzdiensten, F&E-Zentren,

Transport-, Lager- und Umschlageinrichtungen. In Koordination mit einer

grundlegenden Stadt- und Regionalplanung der zukünftigen Landnutzung hat

Taiwan 1995 den Asian Pacific Regional Operational Center (APROC) Plan

verkündet136. Taiwan strebt darin den Ausbau des Dienstleistungs- und High-

Tech Sektors durch lokale Unternehmen zusammen mit multinationalen

Unternehmen an.

Mit der Änderung von Markteintrittsbarrieren haben sich die

Wettbewerbsbedingungen verändert. Früher war es möglich, in der

Elektronikindustrie zwei verschiedene Strategien zu identifizieren, die sich auf

133 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.4.134 Kogut, Bruce, Shan, Weijian, and Walker, Gordon, Knowledge in the Network and theNetwork as Knowledge: The Structuring of New Industries, in:Gernot Grabher (Ed.), TheEmbedded Firm: On the Socioeconomics of Industrial Networks, London 1993, reprinted 1994,S.67-94, hier S.73.135 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.3.136 Chen Chiu, Lee-in, Toward an Interregional Integration of Habitat, Production and Ecosystem– Developing Taiwan into a Regional Center, in: Industry of Free China, Vol.87, Nr.1, January1997, S.41-78, hier S.50f.

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bestimmte Produkte und Marktsegmente konzentrierten. Im Bereich

Konsumelektronik und elektronische Komponenten galt es, die Kosten zu

reduzieren. Ein nicht preisgebundener Wettbewerb bestand in einzelnen

Marktnischen mit hochwertigen Produkten. In der Computerindustrie lag der

Schwerpunkt auf der Produktdifferenzierung. Eine klare Zuordnung der

Wettbewerbsbedingungen für einzelne Produktgruppen ist heute nicht ohne

weiteres möglich. Es ist schwierig, die Produktwelt der gesamten Elektro-&

Elektronikbranche zu erfassen. Die Beschaffenheit der Produkte ist extrem

unterschiedlich: Einige elektronische Komponenten sind sehr homogene

Produkte, während andere sehr differenziert sind137. Die Unterscheidung

zwischen homogenen und differenzierten Produkten wird zunehmend

schwieriger. Die meisten Elektronikprodukte haben ein ausgereiftes technisches

Niveau erreicht und werden in Massenproduktion hergestellt. Dabei wird der

Produktzyklus immer kürzer. Die Firmen stehen unter Druck, ihre Produkte

schnell auf den Markt zu bringen, um rasch Anfangsgewinne und Marktanteile

zu erzielen. Bei einer zeitlichen Verzögerung kann der Geschäftserfolg

ausbleiben138.

Das Konzept der geographischen Dispersion von Ernst beschäftigt sich mit

der Strategie zur raschen gleichzeitigen Marktdurchdringung in mehreren

Ländern unter der Voraussetzung, daß ein Unternehmen von der

Funktionsweise eines internationalen Produktionsnetzwerkes überzeugt ist und

dies konsequent umsetzen möchte139. Dies setzt voraus, daß ein Unternehmen

mit unterschiedlichen Partnern im Ausland diesbezüglich Absprachen getroffen

hat. Das Kernunternehmen wird im Zuge der geographischen Dispersion

entscheiden müssen, auf welchen Märkten die Produkte angeboten werden

(quantitative geographische Reichweite), und welche Art von Produkten dort

hergestellt oder verkauft wird (qualitative geographische Tiefe). Innerhalb eines

internationalen Produktionsnetzwerkes gibt es unterschiedliche Intensitätsstufen

der Zusammenarbeit zwischen den Partnern:

• Unabhängigkeit: Die Netzwerkpartner haben keinen gemeinsamen

137 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S. 5.138 Ebd., S.6.139 Ebd., S.20ff.

Page 45: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

Herstellungsprozeß, keine gemeinsamen Inputfaktoren und keine gleichen

Bestimmungsorte für den Output

• Gemeinsame Interdependenz: die Partner haben den gleichen

Herstellungsprozeß, benutzen die gleiche Technologie und haben gleiche

Bestimmungsorte für den Output. Jedoch arbeiten alle Partner weitgehend

unabhängig voneinander.

• Stufenweise Interdependenz: der Output eines Unternehmens im Netzwerk

wird zum Input eines anderen Unternehmens.

• Reziproke Interdependenz: für die Herstellung des Output im Rahmen einer

Kooperation ist eine beständige Interaktion zwischen verschiedenen

Abteilungen und Netzwerkpartnern notwendig140.

Die Kooperation in einem internationalen Produktionsnetzwerk wird über

Direktinvestitionen intensiviert. Darüber hinaus bestehen Beziehungen zu

Zulieferern, Kunden und ggf. Konkurrenten. Der Ausbau eines internationalen

Produktionsnetzwerkes zu einem funktionierenden System hängt von der

Führungsqualität und der Macht des Kernunternehmens in diesem Gebilde ab.

Das Kernunternehmen benötigt Zeit, um zu lernen, welche Partner im Netz eine

bestimmte Produktion am besten realisieren können.

Japanische Unternehmen aus der Elektronikindustrie haben die Bedeutung

Asiens als Produktionszentrum innerhalb ihrer Netzwerke erkannt. In der

Herstellung konzentrieren sich die Japaner in Asien auf die Länder Malaysia,

Taiwan, Singapur und Thailand. 1993 konnten diese vier Länder zwei Drittel

aller japanischen FDI in Asien in dieser Branche auf sich vereinigen. Diese

länderspezifischen Aktivitäten werden zu einem regionalspezifischen Konzept

zusammengefaßt. In Singapur und Hongkong befindet sich meist ein regionales

Hauptquartier vieler japanischer Firmen. Taiwan und Südkorea konkurrieren um

OEM-Aufträge und als Lieferanten für Präzisionsteile.

Gleichzeitig haben die ursprünglich arbeitsintensiven Niederlassungen in

Taiwan und Südkorea eine massive Aufwertung erfahren. Heute wird die

arbeitsintensive Produktion nach China, Vietnam und Indonesien

140 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.21.

Page 46: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

ausgelagert141. Diese Produktionsstätten werden in internationale

Logistikzentren eingebunden, die teilweise einer japanischen

Unternehmensgruppe angehören142. Die Versorgungs- und

Distributionsbeziehungen haben an strategischer Bedeutung gewonnen. Über

diese Kanäle wird der Einkauf, Transport und die Anlieferung von Teilen

abgewickelt. Innerhalb dieses Netzwerkes wird Personal für F&E und

Reparaturen entsandt, die Finanzierung einzelner Projekte sichergestellt und

das Wechselkursrisiko abgesichert. Alle diese Funktionen werden von den

Regionalzentren aus geleitet, die auch als internationale Einkaufsbüros und

zentrale Distributionszentren dienen.

Singapur unterstützt seit Februar 1988 die Gründung von Regionalzentren

für die Produktion in umliegenden Ländern mit einer zehnjährigen

Steuerbegünstigung. Diese Regionalzentren dürfen in folgenden Bereichen tätig

werden: Planung, Einkauf, technische Unterstützung, Marketing, Verkauf,

Mitarbeiterausbildung und Finanzierung. Bis Juni 1989 machten bereits 22

japanische Firmen Gebrauch von diesen Vorteilen, darunter Sony, Fujikura

Densen, Matsushita Electric und Omron. Hitachi kam 1990 hinzu143.

Einige westliche Beobachter sehen in dieser Tendenz die Entstehung eines

von Japan kontrollierten Versorgungsnetzwerkes in Asien144: Japanische

Unternehmen streben dort den Aufbau von Subsystemen zur Montage von

Teilen an und behalten die Kontrolle über die dort eingesetzten Technologien.

Die japanischen FDI konzentrieren sich auf die Herstellung und Distribution von

Fahrzeugen und Elektronik. Beide Industrien sind für Japan bedeutend.

1990 stammten 50% der japanischen Exporte aus der Elektro-&

Elektronikindustrie. Japanische Exporte an Computern und

Telekommunikationsausrüstung betrugen 22% der Welthandelsgüter (1990). Die

asiatischen Versorgungsnetzwerke in der Elektro- & Elektronikindustrie sind

überwiegend auf die japanische Elektronikindustrie ausgerichtet. Im Vergleich

141 Ernst, D., From Partial to Systemic Globalisation: International Production Networks in theElectronics Industry, a.a.O., S.21., S.31.142 Tokunaga, Shojiro, Japan’s FDI-Promoting Systems and Intra-Asia Networks: NewInvestment and Trade Systems Created by the Borderless Economy, a.a.O., S.29f.143 Ebd., S.36f.144 Dobsen, Wendy, Japan in East Asia: Trading and Investment Strategies, ISEAS Series onJapan and the Asia Pacific, University of Toronto, Insitute of Southeast Asian Studies, 1993,S.41.

Page 47: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

zu Europa herrscht dort jedoch ein intensiverer und offener Wettbewerb145.

Die Autoindustrie sorgte 1990 für 23% aller japanischen Exporte. Dies

entsprach 20,5% der weltweiten Handelsgüter. Die japanische Autoindustrie

besteht aus elf Fahrzeugherstellern, die von 1.400 Teileherstellern und weiteren

10.000 Zulieferern für Teile und Materialien beliefert werden. Die

Haupthersteller produzieren im Durchschnitt ca. 25% der Teile selbst und

beziehen den Rest von außerhalb. Hier gibt es zwei Abstufungen bei den

Zulieferern, diejenigen der ersten Riege lassen wiederum fast 85% ihrer Teile

von den Zulieferern der zweiten Riege herstellen146. Die Zulieferer der ersten

Riege gründen weitere Joint Venture, und zerlegen ihren Arbeitsprozeß in

anspruchsvollere und einfachere Teile. Innerhalb der internationalen Netzwerke

werden einige dieser Teile im Ausland produziert.

2.4.3. Zur Einordnung von Folgeinvestitionen in Produktionsnetzwerke

Das Phänomen der Folgeinvestitionen über zwei Volkswirtschaften hinweg ist

ein Teil der vielschichtigen internationalen Produktionsbeziehungen. Kojima hat

in seinem Ansatz die Rolle der Sogo Shosha als Wegbereiter zum Aufbau von

Netzwerken beschrieben. Aufgrund ihrer vielfältigen Geschäftsbeziehungen

sind diese in der Lage, die komparativen Kosten in verschiedenen Ländern zu

erkennen. Über ihre Vermittlungsdienste wird ein Teil des Handels von und mit

den NIEs und ASEAN-Staaten abgewickelt. Darüber hinaus bleiben Kojimas

Ausführungen zur Bildung von internationalen Produktionsnetzwerken auf einer

allgemeinen Ebene stehen.

Aus der stufenweisen Anpassung der FDI an die jeweiligen komparativen

Vorteile der Gastländer kann man die Entstehung von Folgeinvestitionen

erklären. Dies bedeutet, daß die Aktivität der ausländischen Niederlassung auf

den branchenspezifischen Produktzyklus im Gastland begrenzt ist. Mit dem

Eintreffen eines standardisierten Produktes entsteht zunächst im Gastland ein

neuer Produktzyklus. Da aber über den ausländischen Investor aus Sicht des

Stammlandes ein reifes Produkt eingeführt wird, kann man annehmen, daß

dessen Produktzyklus im Gastland etwas schneller ablaufen wird als im

Stammland. Wenn diese Branche im Gastland insgesamt ihre komparative

145 Dobsen, Wendy, Japan in East Asia: Trading and Investment Strategies, a.a.O., S.44.146 Ebd., S.44f.

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Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, so ist die Niederlassung gezwungen,

Maßnahmen zur Restrukturierung einzuleiten. Unter der Voraussetzung, daß

das Stammunternehmen weiterhin die Kontrolle über seine Niederlasssung im

Gastland aufrechterhalten möchte, ist eine Folgeinvestition dieser

Niederlassung in ein Drittland eine Möglichkeit, dieses produktspezifische

Know-how und Kapital weiter einzusetzen. Gleichzeitig kontrolliert und steuert

das Stammunternehmen die Weitergabe seiner ursprünglichen Technologie. Die

lokalen Partner des Gastlandes können dann nur zusammen mit dem

Stammunternehmen als Investor in einem Drittland auftreten. Die Produkte, die

hier zum zweiten Mal im Rahmen von FDI verlagert werden, kann man

sicherlich als standardisiert bezeichnen.

Betrachtet man die gezielte Auslagerung von standardisierten Produkten in

jene Länder mit komparativen Vorteilen als eine Option innerhalb von

internationalen Produktionsnetzwerken zur optimalen Verwertung von internem

Know-how, so entsteht ein Freiraum für die technologisch führenden

Netzwerkpartner, in neue Produktbereiche vorzustoßen, die über die FDI in

standardisierten Produkten finanziert werden können. Gleichzeitig werden damit

auch Betätigungs-möglichkeiten für nachrückende Partner geschaffen, die in

den standardisierten Produktbereich eindringen können. Dies erfordert eine

konzeptionelle Netzwerkorganisation, die das Risiko auf mehrere Partner

verteilt und eine kostensparende Auftragsvergabe an überwiegend

gleichberechtigte Subcontracting Partner anstrebt. In der Entwicklung der

taiwanischen Computerindustrie lassen sich solche Beispiele finden147. Zu den

Partnern in einem solchen Produktionsnetzwerk gehören auch einzelne

Unternehmer, die die Marktchance für die Verlagerung von standardisierten

Produkten ins Ausland schnell erkennen und rasch realisieren. Wenn man bei

einer Folgeinvestition von einer zeitlich begrenzten Dauer des Produktzyklus

ausgeht, kann als Investitionsform eine Minderheitsbeteiligung in Betracht

kommen. Über ein Joint Venture lassen sich generell potentiell riskante und

spekulative Projekte ohne die Gesamthaftung des Vermögens der Stammfirma

147 Vgl. Kawakami, Momoko, Development of Small- and Medium-Sized Manufacturers inTaiwan’s PC Industry, Chung-Hua Institution for Economic Research, Discussion Paper SeriesNo.9606, November 1996, S.45f.

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beginnen. Im Joint Venture kann das Risiko auf die beteiligten Partner nach

einem frei vereinbarten Schlüssel verteilt werden148. Bei standardisierten

Produkten ist das Risiko jedoch niedriger einzustufen als bei

Investitionsvorhaben in einem neuen, noch nicht markterprobten

Produktbereich.

Die Spezialisierung von kleinen Unternehmen in einem

Produktionsnetzwerk auf die rationelle und effiziente Herstellung eines

standardisierten Produktes macht Sinn, wenn dieser Output an einen anderen

Partner geliefert werden kann, der vor allem von der stabilen und flexiblen

Belieferung profitiert149. Vor dem Hintergrund dieser Absatz- und

Versorgungsbeziehungen, erscheint es plausibel, daß eine Folgeinvestition für

ein bestimmtes, standardisiertes Produkt innerhalb von Produktionsnetzwerken

angesiedelt werden kann.

2.5. Zusammenfassung der Kernfragen

Die Kojima-Theorie liefert für das Phänomen der Folgeinvestitionen die

bedenkenswerte Hypothese eines FDI-Typs, der die Verlagerung eines

ausgereiften Produktes auf eine heranwachsende Volkswirtschaft (Catching-up

Economy) anstrebt. Dabei setzen die Investoren ihre zuvor durch FDI

erworbenen produkt- und prozeßspezifischen Kenntnisse zur Reproduktion

dieses Gutes ein. Mit dieser Folgeinvestition wird ein ein neuer Catching-up

Product Cycle initiiert.

Auf makroökonomischer Ebene bewirkt dieser FDI-Typ eine

Kostensenkung sowie eine stufenweise Steigerung der Produktivität in der

Zielbranche im ersten Gastland. Durch die Folgeinvestitionen werden diese

„neuen“ Produkttechnologien, Herstellungsverfahren und organisatorischen

Kenntnisse im zweiten Gastland verbreitet. Da auch für die Herstellung von

einfachen Waren ein Minimum an begleitenden Dienstleistungen zur Logistik,

Marketing und Verkauf erforderlich ist, erwerben lokale Partner dieses Wissen

von den ausländischen Partnern. Im makroökonomischen Ansatz von Kojima

148 Dobkin, James A., Arnold & Porter, International Technology Joint Ventures: An Overviewand Some Important General Priniciples, in: James A. Dobkin (Ed.), International TechnologyJoint Ventures in the countries of the Pacific Rim, A Publication of the Pacific Rim AdvisoryCouncil, Singapore 1988, S.1-24, S.5.149 Dunning, J.H., Reevaluating the Benefits of Foreign Direct Investment, a.a.O., S.19f.

Page 50: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

beruht der Lerneffekt der lokalen Unternehmer auf deren Fähigkeit, aus dem

FDI-Paket Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologien zu erwerben. Als

Richtwert gilt, daß der Lerneffekt um so größer ausfällt, je geringer die

technologische Lücke zwischen dem Stamm- und Gastland ist. Wird über FDI

die Exportfähigkeit der Zielbranche insgesamt gesteigert, so schließt Kojima

hieraus, das es den lokalen Unternehmern gelungen ist, neue Produkte im

Rahmen des von ausländischen Investoren initiierten (ersten) Catching-up

Product Cycle herzustellen. Erreichen die lokalen Unternehmer die Fähigkeit,

daß sie dieses produkt- oder prozeßspezifische Wissen zu einem neuen FDI-

Paket umformen können, so initiieren sie damit selbst einen neuen (zweiten)

Catching-up Product Cycle in einem weiteren Land. Diese Fähikgkeit deutet auf

ein gestiegenes technologisches Wissen der lokalen Unternehmer des ersten

Gastlandes hin.

Verbindet man die recht einfachen Überlegungen Kojimas im Rahmen des

Catching-up Product Cycle mit dem Technology Mastery Cycle, so folgt daraus,

daß lokale Unternehmen über die Stufen, der Assimilierung und Adaptierung,

die Technologie aus dem FDI-Paket erlernen können. Dabei ist es durchaus

möglich, daß ein Unternehmen den Herstellungsprozeß beherrschen kann,

ohne die zugrundeliegende Produkttechnologie zu verstehen. Strebt ein

Unternehmen die Anpassung einer Technologie an, so muß sie hierfür

zumindest ein solides Grundgerüst an technischen Fähigkeiten, etwa der

Instandhaltung und Pflege der Maschinen, mitbringen. Die Anpassung an lokale

Gegebenheiten wird auch als Hybridtechnologie bezeichnet. Gelingt es den

lokalen Unternehmern aus dem FDI-Paket den Herstellungsprozeß und die

organisatorischen Fähigkeiten auf ihre Bedürfnisse anzupassen, dann kann

diese Hybridtechnologie für eine Folgeinvestition im Ausland eingesetzt werden.

Betrachtet man das Phänomen von Folgeinvestitionen im Zusammenhang

mit der Entstehung von internationalen Produktionsnetzwerken, so kann man

einen Bedarf an flexiblen Organisationsformen erkennen, an denen auch eine

Reihe von kleinen Unternehmen mit einfachen und standardisierten Produkten

partizipieren. Hierbei gruppieren sich im Zuge der internationalen Arbeitsteilung

um ein Kernunternehmen eine Reihe von Partnern im In- und Ausland, die über

verschieden intensive Absprachen und Kooperationsformen zusammengehalten

Page 51: 2. Der theoretische Bezugsrahmen...Handel entlang den gegebenen komparativen Produktionskosten spezialisiert sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dem es komparative

werden.

Der Grundgedanke von Netzwerken ist der Zusammenschluß von

mehreren gleichgesinnten Partnern, von denen je nach Bedarf Leistungen

erbracht oder nur Informationen eingeholt werden können. Die Beziehungen im

Netzwerk gleichen zum Teil unübersichtlichere Marktverhältnisse aus oder

ermöglichen die Überwindung von Marktbarrieren. Während früher noch eine

verhältnismäßig klare Trennung der Wettbewerbsbedingungen für einzelne

Produkte und Marktsegmente möglich war, ist es heute schwierig, eine

verallgemeinerungsfähige Aussage zu treffen. In der Elektronik- und

Automobilindustrie wurden sowohl durch staatlichen Einfluß wie auch die

Anzahl der Anbieter neue Markteintrittsbarrieren errichtet, während andere

verschwunden sind. Die Herstellung von technisch anspruchsvolleren

Produkten gliedert sich in die eigentlichen Kernprodukte und dazugehörige

Teile, Komponenten und Peripheriegeräte. Im Bereich dieser Teile und

Komponenten befinden sich eine Reihe von standardisierten Bauteilen, die sich

im Rahmen von FDI auslagern lassen. Die Dichotomie bei der Herstellung setzt

sich in den pyramidenförmigen Zulieferbeziehungen weiter fort. Die

Kernhersteller und ihre engsten Lieferanten sind in der Lage ihre Produktion z.T.

zu automatisieren und konzentrieren sich auf die Verbesserung und

Weiterentwicklung von technologisch anspruchsvollen Gütern. Um diesen Kern

gruppieren sich mehrere Ringe mit Zulieferern, die auf herkömmliche Weise ihre

Produkte herstellen. Diese entwickeln die Fähigkeit, rasch auf die

Haupthersteller reagieren zu können. In diesem Zusammenhang ergibt sich

eine Verbindung zu dem von Kojima beschriebenen FDI-Typ. Aufgrund des

Kostendrucks bewegen sich viele dieser Unternehmen an der Grenze einer

rentablen Produktion. Über die Verlagerung dieser Produktion in jene Standorte

mit entsprechenden komparativen Vorteilen im Ausland kann die

Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessert werden. Da viele dieser Unternehmen

als Zulieferer bereits gewohnt sind, in internationalen Produktionsnetzwerken zu

arbeiten, wird diese Struktur über FDI weiter ausgebaut.

Bei den japanischen Investitionen in Taiwan läßt sich der von Kojima

beschriebene FDI-Typ kleiner und mittlerer Unternehmen beobachten, die aus

schrumpfenden Industrien abstammen. Zur näheren Bestimmung der produkt-

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und prozeßspezifischen japanischen Technologie, die im Rahmen von

Direktinvestitionen in Taiwan eingesetzt werden, ist eine Konzentration auf das

Produkt- und Dienstleistungsangebot dieser Niederlassungen notwendig.

Das Phänomen der Folgeinvestitionen beschreibt die Fähigkeit von lokalen

Joint Venture-Partner, aus einem hereingekommenen FDI-Paket ganz oder

teilweise Produkt-, Prozeß- und Managementtechniken zu erwerben und diese

wieder zu einem neuen FDI-Paket für ein Drittland zusammenzuschnüren. Die

auf diese Weise zum zweiten Mal transferierten Produkte kann man als

standardisiert bezeichnen. Läßt sich dieser Prozeß über zwei Volkswirtschaften

hinweg beobachten, und wiederholt sich mit diesem FDI-Typ lediglich ein

bestimmter Produktzyklus in beiden Empfängerländern aufgrund der dortigen

komparativen Vorteile in dieser Branche, so findet ein Catching-up Product

Cycle statt, wie ihn Akamatsu ursprünglich beschrieben hat. Es kommt zu einer

Verlagerung von reifen Produkten von einem führenden Land auf ein

nachrückendes Land. Der Nachweis von Catching-up Product Cycle ist auf die

Einzelbetrachtung innerhalb von Fallstudien beschränkt150.

Das Beispiel der taiwanisch-japanischen Joint Ventures in China deutet

darauf hin, daß diese nach Ablauf des Produktzyklus in Taiwan in einer

Folgeinvestition in China die geeignete Form zur optimalen Verwertung ihres

unternehmensspezifischen Know-hows sehen. Dies hängt wiederum vom

Umfang des Technologietransfers auf diese Niederlassungen ab. Mit Hilfe von

Mikrodaten soll versucht werden, die Möglichkeiten des Transfers von FDI-

Paketen auf die lokalen Partner genauer zu erfassen.

� Untersuchungsraster

Das Ziel ist herauszufinden, ob und in welchem Umfang eine japanische

Investition in Taiwan zu einer Folgeinvestition im Rahmen eines taiwanisch-

japanischen Joint Venture in China geführt hat. Dazu werden im empirischen

Teil folgende Arbeitsfragen gestellt:

1. Erfassung der japanischen Direktinvestitionen in Taiwan und der

taiwanischen Direktinvestitionen in China

2. Welche Absicht verbinden die Japaner mit ihrem Investitionsvorhaben in

150 Pascha, W., Die außenorientierte Industrialisierung von Ländern Ost- und Südostasiens,a.a.O., S.280ff.

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Taiwan bzw. das taiwanisch-japanische Joint Venture in China?

3. Welche Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologie erhielt die

japanische Niederlassung in Taiwan? Werden die taiwanischen Partner an

Schlüsselfunktionen in der Geschäftsleitung beteiligt?

4. Geht die Initiative für eine Folgeinvestition von der taiwanischen oder der

japanischen Seite aus?

5. Welche Produkt-, Prozeß- und Managementtechnologie wurde bei der

Folgeinvestition eingesetzt?

6. Welche Verbesserungen hat die taiwanische Seite dabei realisiert?

7. Wie wirkt sich diese Folgeinvestition auf die neu gegründete gemeinsame

Niederlassung in China aus?

Besteht eine Technologieübertragung in der Kette Japan – Taiwan – China,

dann kann man untersuchen, ob und welche Verbesserungen die taiwanische

Seite vorgenommen hat. Die Adaptierung der von Japan hereingekommenen

Technologie kann sich auf das Produkt, die Herstellung sowie organisatorische

Fähigkeiten beziehen. Läßt sich eine Anpassung der Technologie der

japanischen Niederlassung durch den taiwanischen Joint Venture-Partner

nachweisen, so kann man von einer taiwanischen Hybridtechnologie sprechen.

Aus dem Vergleich der Technologieübertragung von der japanischen Zentrale

auf ihre Niederlassung in Taiwan, sowie von dieser auf das taiwanisch-

japanisch Joint Venture in China, kann man die Bedeutung der Folgeinvestition

erkennen.

Die Beschäftigung mit Folgeinvestitionen trägt zum Verständnis der

Wirkung von FDI auf das Gastland bei und verdeutlicht den Fortschritt von

Lernprozessen bei lokalen Unternehmern. In diesem Sinne wird die von Kojima

geprägte Grundannahme bestätigt, die durch den Transfer einer überlegenen

unternehmerischen Ausstattung auf das Gastland eine stufenweise

Übertragung dieses produkt-, prozeß- und managementspezifischen Wissens

prognostiziert. Dieser Prozeß beschränkt sich auf die Herstellung von

denjenigen standardisierten Gütern, die sich nach dem Ablauf ihres

Produktzyklus im ersten Gastland für eine zweite Folgeinvestition in einem

zweiten Gastland eignen. Ihre Bedeutung besteht vor allem im Aufrechterhalten

einer kostensenkenden Produktionsweise.