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Koordination: Guy Tilkin and Michèle Paulus Autor/innen: Christa Bauer, Luis Correia Carmelo, Heidi Dahlsveen, Nicoletta di Blas, Vicky Grammatikopoulou, Patricia Huion, Anneli Kasesalu, Lid King, Marleen Mesotten, Guy Tilkin Lernen durch Geschichten in europäischen Schulen

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TALES - Stories for learning in European Schools auf Deutsch

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Koordination: Guy Tilkin and Michèle Paulus

Autor/innen: Christa Bauer, Luis Correia Carmelo, Heidi Dahlsveen, Nicoletta di Blas,

Vicky Grammatikopoulou, Patricia Huion, Anneli Kasesalu, Lid King, Marleen Mesotten, Guy Tilkin

Lernen durch Geschichten in europäischen Schulen

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Lernen durch Geschichten in europäischen Schulen

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ISBN 9789081794138Legal deposit: D/2015/8926/1

Veröffentlicht von Lies Kerkhofs, Landcommanderij Alden Biesen, Kasteelstraat 6, B-3740 Bilzen

Projektnummer: 539033-LLP-1-2013-1-BE-COMENIUS-CMP

Design & Produktion: COMMIX Graphic Solutions – www.commix.be

Übersetzungen dieses Handbuchs in Niederländisch, Estnisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Norwegisch und Portugiesisch finden Sie auf der Website von TALES: www.storiesforlearning.eu

Dieses Projekt wurde mit Mitteln der Europäischen Kommission finanziert. Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim TALES-Konsortium, und die Kommission übernimmt keine Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

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Koordinator/in: Guy Tilkin and Michèle Paulus

Landcommanderij Alden Biesen, Bilzen, Belgium

Autor/innen:Christa Bauer, Pädagogische Hochschule Steiermark, Graz, Austria

Luis Correia Carmelo, Ouvir e Contar, Mafra, PortugalHeidi Dahlsveen, Oslo and Akershus University College of Applied Sciences - HiOA, Oslo, Norway

Nicoletta di Blas, Politecnico di Milano - POLIMI, Milano, ItalyPatricia Huion & Marleen Mesotten, University Colleges Leuven Limburg - UCLL, Diepenbeek, Belgium

Anneli Kasesalu, Tallinn University Haapsalu College, Haapsalu, EstoniaLid King, The Languages Company, London, United Kingdom

Vicky Grammatikopoulou, Goldsmiths University of London, United KingdomGuy Tilkin, Landcommanderij Alden Biesen, Bilzen, Belgium

Projektkoordination

Lernen durch Geschichten in europäischen Schulen

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InhaltsverzeichnisVorwort 8

Weil Geschichten einen Unterschied machen können ... 9

KAPITEL 1: Erzählen oder nicht erzählen? 10

Warum erzählen im Klassenzimmer? 11

Narratives Denken: Erzählen als Sinnstiftung 11Geschichten als Gedächtnisstütze 12Erzählen als Identitätsstiftung: wir sind unsere Geschichten 12

Was meinen wir mit der Einführung von Geschichten und Erzählen im Klassenzimmer? 13

Kompetenzen 14Erlangen von verbalen und kommunikativen Fertigkeiten in der Muttersprache 14Entwickeln von Fertigkeiten in einer Zweit- oderFremdsprache und interkulturelles Verständnis 14Digitale Kompetenzen 14Phantasie, Kreativität und Lernen lernen 15Soziale und Bürgerkompetenz: Werte und Wissen 15Kulturbewusstein und kultureller Ausdruck: kulturelle Wurzeln erforschen 15

Aktueller Stand von Erzählen im Unterricht 15

Wie sieht es im Curriculum aus? 18Schullehrpläne 18 Lehrerausbildungscurricula 19Lehrerfortbildung 20

Literatur 21

Weil zuviel nachdenkenüber Theorie manchmal gefährlich ist ... 22

KAPITEL 2: Definitionen, Positionierung, Zugang und Methoden 23 Was ist Geschichtenerzählen? 24

Mündliches Erzählen 26Ein kleiner Kurs 28

Beispielgeschichte: Ein Volksmärchen aus Norwegen“Die Äffin, die kam, um zu bleiben” 28Grundprinzipien für die Arbeit mit Märchen 28Die Erzählsituation 29

Praktische Arbeit: Erzählen im Klassenzimmer 29

Digitales Erzählen (DE) 31Was ist Digitales Erzählen? 31Digitales Erzählen als Unterrichtswerkzeug/-produkt 32Wie macht man eine digitale Geschichte? 34 Wie macht man eine digitale Geschichte? - Der Policultura-Zugang 37Vorteile von DE – Policultura-Zugang 40Schlussfolgerungen: DE und Schlüsselkompetenzerwerb 42

Literatur 43

Weil der Weg zählt ... 46

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KAPITEL 3: Beispiele guter Praxis 48

Analyse der Beispiele guter Praxis 49

Reflexion – Zweiundzwanzig Beispiele guter Praxis von Erzählen im Klassenzimmer 49Inhaltsverzeichnis der Beispiele 49 Beschreibung der Beispiele 50

Auftauchende Muster 81Zielgruppen 81Mündliches oder Digitales Erzählen 82Vier Phasen im Digitalen Erzählen 83

Ergebnisse (Geschichten)erzählen als didaktisches Werkzeug 84

Fragen 87

Literatur 88

Weil Lehren immer möglich ist ... 89

KAPITEL 4: Die Tales Pilotprojekte 90

Unsere Erwartungen 92

Überblick über die Pilotprojekte 94

Die Pilotprojekte im Detail 96Mündliches Erzählen in der Primarstufe 96

Belgien – Geschichten als Diskussionsanlass, Erfinden und Selbstbewusstsein 96Estland – Ein Märchen als Basis für Diskussion und Austausch von Ideen 102UK – Geschichten in der Fremdsprache als Motivation für Lernen und Leisten 105

Mündliches Erzählen in der Sekundarstufe 110Österreich – Märchen für Teenager? 110Norwegen – Der Geschichtenkreis – Eine Demokratieübung 113

Digitales Erzählen 118Italien – eine Geschichte über Grenzen hinweg erzählen 118Belgien – Digitales Erzählen für europäische Junglehrer/innen 122

(Geschichten)erzählen außerhalb von Schule 127Portugal – Geschichten hören und erzählen: Gemeinschaft an Schule und wieder zurück 127

Reflexion über die Pilotprojekte – Weiterarbeit 130

Literatur 132

Weil das finden des Sinns von Geschichten eine persönliche Sache ist ... 133

ANHANG 134

Beteiligte Schulen 135

Beteiligte Erzähler 136

Literaturempfehlungen der Erzähler 138

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VorwortDieses Handbuch ist eines der Produkte von TALES, einem multilateralen Comenius-Projekt (Europäisches Programm Lebenslanges Lernen), das Bewusstseinsbildung betreiben und Unterstützungsmaterial für die Einführung von Geschichtenerzählen als didaktisches Werkzeug in Schulen bereitstellen will. TALES behandelt mündliches Erzählen und digitales Geschichtenerzählen.

Durch die Verwendung von Geschichten und Erzähltechniken, können Lehrer/innen eine großartige Methode in ihr Klassenzimmer holen. Indem Unterrichtsstoff als in Bilder verwandeltes Narrativ präsentiert wird, verbessert man die Qualität der Vermittlung dieses Stoffs. Die Einführung von Geschichten und Erzählen als Methode, die von den Schüler/innen „ausgeführt“ wird, eignet sich hervorragend, um Kreativität, sprachliche, digitale, soziale, gefühlsmäßige und künstlerische Fertigkeiten weiterzuentwickeln.Die Endzielgruppe für den TALES-Zugang sind 6 – 18 jährige Schüler/innen. Um diese Zielgruppe zu erreichen, zielen das TALES-Material und die Methoden auf Lehrer/innen, Trainer/innen, Lehrerbildner/innen, Lehramtsstudierende und Lehrer/innen in der Fortbildung ab. Eine weitere Zielgruppe sind Erzähler, um auch ihnen den Bildungswert und das Potenzial ihrer Kunst bewusst zu machen und ihnen zu helfen, ihren Weg in Schulen und Lehrerbildungsorganisationen zu finden.

In Kapitel 1 bieten wir eine allgemeine Einführung in das Geschichtenerzählen im Klassenzimmer und einen Überblick über die aktuelle Situation in den Partnerländern. Das nächste Kapitel konzentriert sich auf Methoden: wie können wir am besten mündliche und/oder digitale Erzähltechniken im Klassenzimmer etablieren. Kapitel 3 berichtet über eine große Zahl von Beispielen guter Praxis aus vielen Teilen Europas, und zeigt den großen Wert von Geschichten und Erzählen in einer Vielfalt von Schulsettings. Alle TALES-Partner führten ein Erzählprojekt in ihren Ländern durch. Berichte über diese Pilotprojekte im Kapitel 4 bieten zusätzliche Ideen, Motive, Settings und Zugänge. Das letzte Kapitel bietet Richtlinien für Lehrer/innentraining.

Dieses Handbuch braucht nicht wie ein Roman von Seite 1 bis zum Schluss gelesen zu werden, sondern ist mehr als Nachschlagwerk gedacht, das je nach Bedarf des Lesers/der Leserin verwendet wird. Die Projektwebsite www.storiesforlearning.eu bietet zusätzliches Material, das auch Trainingsmodule für Train-the-Trainer enthält und Material, wie man TALES in internationale Schulprojekte (Erasmus+) einbauen kann.Über die Webseite können Sie auch in die digitale Plattform 1001 voices gelangen, wo Studierende und Schüler/innen mit Freunden aus anderen Ländern kooperieren und ihre digitalen Geschichten zeigen können. Die Kapitel in diesem Handbuch sind das Ergebnis der Arbeit der Partner. Viele Partner haben durch Forschung, das Sammeln von Beispielen guter Praxis, das Durchführen von Pilotprojekten, Berichte etc. dazu beigetragen, aber für jedes Kapitel nennen wir die jeweiligen Autor/innen und/oder Editoren.

Wir hoffen, dass Sie das Lesen und Nachschlagen in diesem Buch genießen und dass TALES zum Einführen von Geschichtenerzählen im ihrem Klassenzimmer beitragen wird.

Die TALES-Partner

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Weil Geschichten einen Unterschied machen können ...

Einst kamen die dunklen Wolken und der Donner klang wie das Ende der Welt. Daher versammelten sich die Ältesten und gingen zu dem geheimen Platz in den Wäldern, zündeten das heilige Feuer an und sangen die magischen Gesänge. Die Wolken verschwanden und die Sonne erschien wieder am Himmel.

Eines Tages kamen die Wolken wieder und kündeten das Ende der Welt. Und wieder versammelten sich die Ältesten und suchten den geheimen Ort in den Wäldern auf, und wieder zündeten sie das heilige Feuer an und sagten:

- Wir sind hier am heiligen Ort. Wir haben das heilige Feuer angezündet, aber wir haben die magischen Texte vergessen. Wir hoffen, dass dies genügt …Und so war es, denn die Wolken verschwanden und das Leben nahm seinen Lauf.

Und wieder kamen die Wolken und die Ältesten versammelten sich und gingen zum geheimen Ort in den Wäldern. Als sie dort waren, sagten sie zweifelnd zueinander:

- Wir sind am geheimen Ort. Aber wir haben vergessen, wie man das heilige Feuer entzündet und welche Texte wir singen sollten. Wir hoffen, dass dies ausreicht …Und so war es.

Eines Tages kamen noch mehr Wolken und die Leute sagten:Wir haben den Weg zum geheimen Ort in den Wäldern vergessen. Wir wissen nicht mehr, wie man das heilige Feuer entzündet und wir haben die magischen Worte vergessen. Aber wir kennen die Geschichte. Ist das genug?

Und es genügte.

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KAPITEL 1ERZÄHLEN ODER NICHT ERZÄHLEN?

Guy Tilkin (Alden Biesen, Belgien); Katrijn Beelen (Alden Biesen, Belgien) & Anneli Kasesalu (Tallinn University Haapsalu College, Estland)

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Warum Geschichtenerzählen im Klassenzimmer?

Die Wirksamkeit des Geschichtenerzählens im Unterricht ist weithin anerkannt. Viele Aspekte des Geschichtenerzählens sind unserem Alltagsleben nahe, der Art, wie wir denken und (versuchen) die Welt zu verstehen. Lehrer/innen und Trainer/innen sehen die Vorteile der ‘technischen Kompetenzen’, die durch das Geschichtenerzählen erreicht werden, aber manchmal werden die sozialen Auswirkungen und die Effekte alternativer Denkstile, die durch den Inhalt der Geschichten vermittelt werden, unterschätzt. Es ist sehr wichtig, auch diesen Gesichtspunkt in den Fokus zu rücken.In diesem Kapitel versuchen wir, die Vorteile des Erzählens im Klassenzimmer herauszustellen, wir werden die angestrebten Kompetenzen vorstellen und wir werden kurz den aktuellen Stand von Geschichtenerzählen in der Lehrer/innenbildung und/oder schulischen Praxis vorstellen.

Narratives Denken

Ein Hauptargument für die Einführung von Geschichtenerzählen im Klassenzimmer ist, dass Geschichten und Erzählen ein ‘narratives Muster’ verwenden. Jede Geschichte ist ein Narrativ und ihre Struktur richtet sich nach der Art, in der wir als lernende Individuen persönlichen Erfahrungen Bedeutung (oder Sinn) zuweisen. Information in Gestalt von Geschichten kann von unserem Gehirn besser aufgenommen werden. Inhalte in Form von Geschichten anzubieten wird auf vielerlei Art als dem Lernprozess zuträglich gesehen. Es agiert als ‘sinngebendes Werkzeug’, unterstützt unsere Vorstellungskraft und die Gedächtnisfähigkeit und trägt zur Identitätsfindung bei.

Ein Narrativ oder eine Geschichte ist jede Art Bericht über zusammenhängende Ereignisse, ob tatsächliche oder erfundene, präsentiert in einer Folge von geschriebenen oder gesprochenen Worten oder stehenden bzw. sich bewegenden Bildern (Wikipedia). J. Bruner (1986) argumentiert, dass wir zwei Arten von Denken verwenden: “eine paradigmatische und eine narrative”. Die erste ist ‘logisch’ und sucht nach kausalen Beziehungen (Deduktion, Induktion, Abduktion). Sie beschäftigt sich mit Fakten und objektiver Wahrheit. Die narrative Art des

Denkens beschäftigt sich mit menschlichen Absichten, Gefühlen und persönlichen Erfahrungen. Polkinghorne (1988) drückt es so aus: “Der paradigmatische Zugang sucht nach universellen Wahrheitsbedingungen, wohingegen der narrative Zugang für besondere Verbindungen zwischen Beziehungen sucht”. In westlichen Gesellschaften (und westlicher Bildung) wird der paradigmatische Zugang weit mehr geschätzt als der narrative.

Geschichtenerzählen als sinnstiftendes Werkzeug

Lehren durch Narrative trägt zum Lernprozess bei, da der Inhalt in einer Struktur angeboten wird, die sich auf unsere persönlichen Sinnstiftungsprozesse bezieht. “Narrative sind eine fundamentelle Struktur menschlicher Sinnstiftung.” (J. Bruner, 1986). Auch M. Clark and M. Rossiter (2008)1 sind überzeugt, dass “Sinnstiftung ein narrativer Prozess“ ist. Wir geben unseren Alltagserfahrungen Bedeutung, indem wir sie zu Geschichten machen, indem wir Narrative konstruieren, die Dinge miteinander verbinden. Es ist eine Sache der Verortung von Erfahrungen innerhalb einer speziellen Erzählung oder durch das Konstruieren eines neuen Narrativs2”. Wir versuchen, jede neue Information mit einer bereits bestehenden zu einem Gedankenstrang zu verbinden. Die neuen Elemente werden in eine Geschichte ‘gepackt’ und mit bestehenden Narrativen verbunden. Die Art der Beziehung zwischen neuen und alten Narrativen und der Platz, den das neue Narrativ in den (kulturellen) Clustern der alten einnimmt, definiert ihre Bedeutung(en). “Daher ist die effektivste Art, Lernende mit Bildungsbotschaften zu erreichen, mit und durch diese narrativen Konstruktionen. Lernende verbinden neues Wissen mit gelebter Erfahrung und verweben es mit schon bestehenden bedeutungsvollen Narrativen1” (Hopkins 1994).

Auch M. Hamilton und M. Weiss sind überzeugt: “Erzählend denken, den Prozess des Konstruierens von Geschichten im Kopf, ist eine der fundamentalsten Arten Sinn zu erkennen und kommt dadurch in allen Aspekten von Lernen vor und in jedem Alter.”1

Geschichten bringen uns also in Kontakt mit narrativen

1 Hamilton, M. & Weiss, M., 2005

KAPITEL 1ERZÄHLEN ODER NICHT ERZÄHLEN?

Guy Tilkin (Alden Biesen, Belgien); Katrijn Beelen (Alden Biesen, Belgien) & Anneli Kasesalu (Tallinn University Haapsalu College, Estland)

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Strukturen und als solche erleichtern und trainieren sie den Prozess der Sinnstiftung durch narrative Konstruktionen.

Geschichtenerzählen als Gedächtnisstütze

Es ist nicht nur der narrative Sinnstiftungsprozess, der durch Lehren mit Geschichten verbessert wird, sondern auch unser Gedächtnis profitiert davon. Verbindungen mit ‘existierenden Narrativen’ in unserem Gehirn ist ein Weg, neue Inhalte mit dem zu verbinden, was wir schon wissen und woran wir uns erinnern; es ist die Konstruktion unserer Erinnerung. Dieser Prozess wird durch zwei Faktoren verstärkt: die Phantasie und die Gefühlsebene von Geschichtenerzählen.

Beim Hören einer Geschichte erzeugen wir Bilder in unseren Köpfen. Erzählen und Zuhören involvieren kreative Prozesse. Der Erzähler führt Bilder ein und ‘dirigiert’ die Phantasie der Zuhörer im Publikum. “In der mündlichen Tradition inkludiert Erzählen den Erzähler und die Zuhörer. Der Erzähler erschafft die Erfahrungen, während das Publikum die Botschaft aufnimmt und persönliche geistige Bilder aus dem Gehörten und den Gesten schafft. Das Publikum wird zum Ko-Kreator der Kunst.”Die Vorstellungsfähigkeit ist ein wichtiges Element im Aufbau des Gedächtnisses. P. Harris (2000) meint: “Wenn Erwachsene eine Geschichte hören, entstehen sozusagen vor ihrem geistigen Auge Bilder oder Modelle der beschriebenen Situation oder der Geschehnisse, die sich entwickeln. Es sind die geistigen Modelle, die sich über eine lange Zeit erhalten, viel besser als die speziellen Worte.” Er argumentiert, dass diese geistigen Modelle, die in der Vorstellung entstehen, sich aus frühkindlicher Beschäftigung mit Narrativen und Phantasiespielen entwickeln (MIT.edu paper). Auch Denken in Metaphern ist ein Aspekt von Phantasie und Kreativität. Vergleiche und Analogien zwischen Elementen verschiedener Kategorien herzustellen ist kreatives Denken. Eine Geschichte kann selbst eine Metapher sein oder eine Anzahl von Metaphern anbieten.

Aber auch der emotionale Aspekt ist wichtig. Geschichten sprechen das Herz an, sie beteiligen den Zuhörer emotional, erwecken Gefühle, bewegen Menschen aktiv zu werden. “Geschichten sind wirkmächtig, gerade weil sie Lernende auf

einer zutiefst menschlichen Ebene erreichen. Geschichten ziehen uns in eine Erfahrung auf mehr als einer kognitiven Ebene; sie sprechen unseren Geist, unsere Phantasie, unser Herz an, und dieses Involviertheit ist komplex und holistisch”.2 (Clark and Rossiter, 2008)

Also kann der Kontakt mit Geschichten kreatives Denken fördern. Geschichten helfen uns Bilder und Metaphern zu finden und sie appellieren an Gefühle. Alle diese Elemente tragen dazu bei, dass Inhalte sich unserem Gedächtnis besser einprägen.

Geschichtenerzählen als Identitätsstiftung: wir sind unsere Geschichten

« Un homme, c’est toujours un conteur d’histoires, il vit entouré de ses histoires et des histoires d’autrui, il voit tout ce qui lui arrive à travers elles; et il cherche à vivre sa vie comme s’il la racontait ».

J.P. Sartre

Wir sind umgeben von Geschichten. Geschichten sind in unserem Gedächtnis, in unserer Familiengeschichte, in unserer Straße, Stadt und im Bezirk. Geschichten kommen hoch wenn wir unsere Freunde, Kollegen, Nachbarn treffen … Sie handeln vom täglichen Leben, von Glück, Kummer, Zorn, Angst oder nur harmlosen Ereignissen (faits divers). Geschichten helfen uns eine Gemeinschaft zu bilden und Vertrauen zu gewinnen. J.P. Sartre schreibt in ‘La Nausée’: “Der Mensch ist immer ein Geschichtenerzähler, er lebt umgeben von seinen eigenen Geschichten und denen anderer, er sieht alles, was ihm geschieht, durch diese Geschichten und er versucht sein Leben zu leben, als ob er es erzählen würde.”

Bedeutung und Sinn erkennen in dem, was wir täglich tun, ist nicht nur ein individueller, sondern ist auch ein sozial-konstruktivistischer Lernprozess. Als solcher fußt er auch in einem kulturellen und sozialen Kontext. Wir schaffen unsere Geschichten gemeinsam mit unseren Peers, die Grundsteine kommen von unserer sozialen Umgebung, wir siedeln unsere Narrative an den zur Verfügung gestellten Modellen an.

Clark und Rossiter unterstützen die Idee, dass wir Identität als narrative Konstruktion verstehen können. “Die Konstruktion eines akzeptablen Lebensnarrativs ist ein zentraler Prozess

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des Erwachsenwerdens.”2 Also ist unsere Identität die Summe unserer Geschichten. Aber es ist ein dynamisches Konzept; wir fügen Geschichten hinzu und lassen Geschichten weg, während wir im Leben voranschreiten.

So hilft uns also Kontakt mit Geschichten, auf andere Menschen zuzugehen und unsere Geschichten zu erzählen und eine Identität aufzubauen, die sozial und kulturell in unserer Gemeinschaft verortet ist.

Was verstehen wir unter Einführung von Geschichten und Geschichtenerzählen im Klassenzimmer?

Aufgrund des Titels dieses Handbuchs werden manche Lehrer/innen und Lehrerbildner/innen ‘ein Bild sehen’ von einer Lehrer/in, die eine Geschichte am Anfang oder Ende ihres Unterrichts erzählt und, falls passend, das Thema und den Inhalt der Stunde damit verbindet. Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten und, hoffentlich, eine sehr positive Erfahrung für die Schüler/innen. Aber viel mehr ist möglich.

Wir sollten vielleicht besser von der Einführung eines narrativen Zugangs zu Lehren und Lernen sprechen. “Wenn wir von der Bedeutung des Narrativen in der menschlichen Erfahrung ausgehen, können wir beginnen, die Kraft von Geschichten in Lehren und Lernen zu erkennen. Wir können also sehen, dass die Anwendung einer narrativen Perspektive in der Bildung viel mehr einschließt, als nur Geschichtenerzählen im Klassenzimmer.”3

Dieser narrative Zugang zu Lehren und Lernen kann mündliches Erzählen oder digitales Geschichtenerzählen inkludieren.

Mündliches Erzählen ist eine direkte, mündliche, nicht durch andere Medien übertragene Kommunikation einer Geschichte durch einen Erzähler an sein Publikum. Es verlangt die Anwesenheit beider Parteien und ist ein einzigartiges Geschehen: “Geschichtenerzählen ist interaktiv, unmittelbar und sehr persönlich, eine Aushandlung zwischen Erzähler und seinem Publikum zu dieser Zeit und an diesem Ort, nicht wiederholbar.”4

2 Ibid.3 M. Rossiter, 20024 R.C. Roney, 1996

Digitales Geschichtenerzählen ist die Präsentation einer kurzen Geschichte in digitalen Medien unter Verwendung von Bildern, Ton, Video, Stimmaufzeichnungen usw. Dies impliziert das Erfinden einer Geschichte oder Handlung, das Digitalisieren ihrer Elemente und das Präsentieren oder Veröffentlichen der Resultate. “Digitales Geschichtenerzählen ist eine Kurzform digitaler Medienproduktion, die es gewöhnlichen Menschen erlaubt, Aspekte ihres Lebens in einer Geschichte mitzuteilen. Die verwendeten Medien können alle digitale Entsprechungen von Filmtechniken, Animation, Standfotos, Audioeinspielungen etc. sein, welche von Individuen verwendet können, um ihre Geschichte oder Idee zu präsentieren.”5

Mündliches und digitales (Geschichten)erzählen kann lehrer/innenzentriert oder schüler/innenzentriert sein.

Lehrer/innen können von existierenden Geschichten ausgehen. Sie erzählen eine Geschichte und arbeiten mit dem Inhalt, dem Thema, den Werten, den Charakteren (…) der Geschichte. Die Schüler/innen führen Lernaktivitäten in Verbindung mit der Geschichte und ihrem Inhalt durch. Die Geschichte und die Aktivitäten hängen von den Lernzielen und dem Thema der Stunde ab.

Ein weiterer Zugang ist ‘storying“ von Inhalten’: das Anbieten von Inhalten in der Art einer Geschichte. “Lehrer/innen erzählen nicht nur Geschichten über den Gegenstand, sie verwandeln den Unterrichtsstoff in eine Geschichte.”6 “Geschichten machen Information leichter merkbar, da sie uns in die Handlungen und Absichten der Charaktere miteinbeziehen.”7

Lehrer/innen schauen auf den Inhalt und das Material der Stunde und versuchen herauszufinden, welche Teile als oder in einer kleinen Geschichte angeboten werden können. Das bedeutet das Hinzufügen von Elementen wie Ort, Zeit, Handlungen, Emotionen und Absichten von Charakteren, sinnlichen Details, Handlung, Metaphern etc., um Bilder und Atmosphäre zu erzeugen. Man könnte an Physikunterricht und die Verwendung von Geschichten wie Archimedes in seinem Bad “Heureka” schreiend denken oder an Newton, der den 5 https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_storytelling 6 Gudmundsdottir, 19957 Bruner, 1986

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Apfel im Garten seiner Mutter zu Boden fallen sieht. All das kann mündlich oder digital erfolgen.(https://www.youtube.com/watch?v=SRQauOtEyBs)

Beide Zugänge können auch aus der Schüler/innenperspektive gedacht werden. Sie können von existierenden Geschichten ausgehen und mit Inhalten, Werten arbeiten und ihre Fertigkeiten im Darstellen üben. Sie können also ihre Inhalte in Geschichten verpacken und z.B. eine mündliche oder digitale Geschichte zu einem Thema oder Wissensgebiet ihrer Wahl erstellen.

In diesem Handbuch werden Sie eine Reihe von Beispielen guter Praxis und Pilotprojekten finden, die diese Zugänge vorstellen.

Kompetenzen

Das TALES-Team wollte auch die europäischen Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen mit dem (Geschichten)erzählen im Klassenzimmer verbinden. Welche Schlüsselkompetenzen kann man am besten durch Erzählaktivitäten in der Klasse erwerben?

Verbale und kommunikative Fertigkeiten in der Muttersprache

Sprache ist unsere höchst entwickelte Fähigkeit. Sie ist die Wurzel der Kultur. Sie ist zwingend erforderlich. Wir geben unseren Kindern und unserer Jugend reiche Erfahrungen mit Worten und mit dem Konstruieren von Sinn durch die Verwendung der Sprache. Über Geschichten können wir den Jungen eher einen “Sinn für Geschichte” vermitteln, ein Bewusstsein, das ihnen sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben helfen kann und auch zum Ausprobieren und Experimentieren mit Sprache ermutigt. Ein Verständnis von Charakteren wird ebenso entwickelt wie ein Wissen über Abfolge und Struktur von Geschichten. Eine Sensibilität gegenüber gesprochener Sprache und ihrer Bedeutung für die Kultur und die Verbindung zwischen Sprache und Bedeutung können durch Geschichten und Geschichtenerzählen gefördert werden. All dies kann ganz offensichtlich das Erlernen der eigenen Sprache unterstützen.

Fertigkeiten in einer Zweitsprache oder Fremdsprache und interkulturelles Verständnis entwickeln

Viele neuere Analysen zeigen, dass es Probleme mit der gegenwärtigen Praxis des Sprachenunterrichts und Leistungsniveaus der Lernenden gibt. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass junge Lernende von den Inhalten des Sprachenunterrichts durch den funktionell ausgerichteten Ansatz nicht angesprochen werden, was häufig die vorgeschlagene Art ist wie Sprachen heute unterrichtet werden. Aber eben diese Untersuchungen zeigen, dass Lernende sehr viel mehr Interesse an anderen Kulturen und der Welt der Phantasie haben. (Geschichten)erzählen ist ein hervorragendes Beispiel eines Kontexts, der inspirieren und das Interesse junger Menschen, Sprache zu verstehen, sie sich anzueignen und kreativ zu verwenden, wecken kann. Daher würde die Verwendung von Geschichten und Erzählen als didaktische Methode nicht nur den Fremdspracherwerb fördern, sondern auch eine wichtige Rolle in der Motivation spielen.

Digitale Kompetenzen Information ist heutzutage „überall, immer, worüber auch immer” vorhanden. Lehrer/innen sind nicht mehr Informationsübermittler, sondern Brückenbauer zwischen dieser allgegenwärtigen Information und den Lernenden. In TALES haben wir daher auch eine Multimediaplattform eingerichtet, um Erzählern die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichten zu erzählen und sich in einer medial reichen Lernumgebung auszutauschen. Auf diese Weise können sowohl Lehrer/innen als auch Lernende in Lerngemeinschaften arbeiten. Dies wird kritische Verwendung des Internets und sozialer Medien beinhalten, um Information zu erlangen, zu bewerten, zu sichern und zu produzieren, präsentieren und auszutauschen sowie zu kommunizieren und an kollaborativen Netzwerken via Internet teilzunehmen. Das wird die digitalen Kompetenzen der Schüler/innen und Lehrer/innen fördern.

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Phantasie, Kreativität und Lernen lernen

Geschichtenerzählen beinhaltet Phantasie, den Gebrauch von Sprache und Gestik, um Bilder in der Vorstellung der Zuhörer/innen zu erschaffen. Sowohl das Erzählen wie auch das Hören einer gut erzählten Geschichte bringt Lernende dazu, ihre Phantasie zu einzusetzen. Die Entwicklung der Vorstellungskraft kann Lernende dazu bringen, neue und innovative Gedanken zu entwickeln und zur Verbesserung von Selbstbewusstsein und Eigenmotivation beitragen, da Lernende sich selbst als kompetent und fähig erleben, ihre Hoffnungen und Träume zu erfüllen. Die Prozesse des Erfindens und Erzählens von Geschichten entsprechen auch konstruktivistischen und individuellen Lernstrategien.

Soziale und Bürgerkompetenzen: Werte und Wissen

Geschichtenerzählen ist eine der grundlegenden Arten der Übermittlung von Wissen, der Sinngebung von Erfahrungen und der Fertigkeit, sich selbst in Beziehung mit anderen zu setzen und sich so zu erfahren. Geschichtenerzählen basierend auf Volksüberlieferungen ist eine sanfte Art, um junge Menschen zu konstruktiven persönlichen Werten hinzuführen, indem ihnen Phantasiesituationen vorgestellt werden, in denen das Ergebnis von weisen und unweisen Handlungs- und Entscheidungssituationen sichtbar wird. Kulturbewusstsein und kultureller Ausdruck: Erforschung kultureller Wurzeln Geschichten können ein interessanter Weg sein, um zu erforschen, wer wir sind und wie wir dazu geworden sind, als Individuen, Familien, und als Subkulturen innerhalb einer größeren Gesellschaft. Geschichten zu betrachten, bietet Einsichten in verschiedene Kulturen und kulturelle Perspektiven und kann Empathie und kulturelles Verständnis fördern ebenso wie ein Spiegel der Menschlichkeit sein, da Geschichten universelle Fragen reflektieren. Geschichten erzählen gibt Lernenden einen Sinn für Geschichte und Gemeinsinn.

Aktueller Stand von Erzählen im Unterricht

Am Beginn dieses Projekts haben wir auch eine Online-Befragung unter Lehrer/innen, Lehrerbildner/innen und Lehramtsstudierenden in allen Partnerländern des Projekts durchgeführt. Eine eigene Befragung wurde mit professionellen Geschichtenerzählern aus ganz Europa durchgeführt. Das Ziel war, etwas über die aktuelle Situation mündlichen und digitalen Geschichtenerzählens in der Lehrerausbildung und Klassenzimmerpraxis herauszufinden. Das vollständige Ergebnis dieser Befragungen inklusive eines Berichts über kurze örtliche Forschungsaktivitäten zum Thema ist auf der Projektwebsite ersichtlich. Hier führen wir nur einige Ergebnisse in aller Kürze an.

Auf die Frage „Ist Geschichtenerzählen (als didaktisches Mittel) Teil der Lehrerausbildung in Ihrer Einrichtung?” antworteten 62,50%, dass es als Lehrmethode in (einem kurzen theoretischen Input) dargestellt wird, 20,83% sagten, dass es als praktisches Trainingsmodul (Minimum 10 Stunden) angeboten wird, 19,44% sagten, dass es gar nicht angeboten wird.

Auf die Frage „Verwenden einige Lehrende in der Ausbildung Geschichten und/oder mündliche Erzähltechniken in ihrer Lehre?” sagten 82% Ja, 18% Nein. Die gleiche Frage wurde zu digitalem Geschichtenerzählen gestellt und hier ist das Ergebnis 47,54% Ja, und 52,46% Nein.

Alle 100% der Teilnehmer/innen antworteten mit ‘Ja’ auf die Frage „Sollten Lehramtsstudierende eine Art Training im Geschichtenerzählen bekommen?”.

Dieses Ergebnis wurde so kommentiert und argumentiert: Geschichtenerzählen trägt bei zu … Stimulation von Kreativität• Weil Geschichten starke Bilder im Kopf erzeugen, besonders

bei Kindern. Meiner Meinung nach ist es eine grundlegende Methode, um Vorstellungskraft zu stimulieren.

• Es führt zu einer stärkeren Personalisierung der Inhalte und ermutigt.

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Verbindung mit kulturellem Erbe• Ausgezeichneter Kontext für Sprachenlernen mit Einbindung

in kulturellen Kontext. Entwicklung von Hör-, Lese-, Schreib- und Sprechfertigkeiten• Gut für die Phantasie und das Vokabular von Studierenden

und Lehrer/innen.• Es ist eine grundlegende Kunst des Sprechens.• Um Sprechfertigkeiten, Wortschatz der Schüler/innen und

Selbstbewusstsein zu vergrößern (Stimme, Intonation, Mimik, Rhythmus, Ausdruck, Körpersprache usw.).

Motivation der Schüler/innen erhöhen • Geschichten auf lebendige Art zu erzählen weckt die

Aufmerksamkeit der Schüler/innen. Wenn Schüler/innen interessiert sind, sind sie ganz Ohr und lernen.

• Geschichten fesseln uns in welchem Alter auch immer. Sie sind noch packender, wenn sie in einer unterhaltenden und spannenden Weise durch die Verwendung von Stimme, Gesichtsausdruck und Körpersprache dargeboten werden. Aktivitäten und Arbeitspläne bekommen mehr Sinn, wenn sie in einer Geschichte wurzeln. Der Kontext erzeugt mehr Sinn für das Lernen.

Verbindung mit anderen Fächern und allgemeine Kompetenzen• Es ist eine Technik, die eine große Bandbreite von Lernenden

anspricht und die in allen Curricula angewendet werden kann.

• Trägt zum besseren Merken bei und zur Idee einer ‘Lernreise“.

Auf die Frage an Lehrer/innen in der Fortbildung: „Würden Sie Geschichtenerzählen als didaktisches Mittel in ihrem Klassenzimmer einsetzen?” sagten 88,54% Ja und 11,46% Nein.

Aber um das durchführen zu können, wurde eine ganze Reihe von Bedürfnissen und Erwartungen angeführt: Theoretisch • kurze Geschichten;• theoretischer Input, praktische Erfahrung in der Ausbildung,

Feedback, Praxis an der Schule;

• ein tieferes Verständnis, wie es Kindern hilft, Fortschritte in Geschichte zu machen;

• ein tieferes Verständnis der Risiken/Vorteile von Geschichtenerzählen in der Klasse;

• eine gute Auswahl von Lehrmaterialien. Material zur Methode• eine Literaturauswahl wäre nützlich; einige Ideen über die

Möglichkeiten der Verwendung in der Lehre;• praktische und leichte Arten der Einführung und Einbettung

in eine Arbeitseinheit oder einen Arbeitsplan;• einen Rahmen und Training für effektives Geschichtenerzählen

in der Eingangsphase;• Ideen, strukturiert in Step-by-Step-Phasen, Praxis;• grundlegendes Training mit besonderem Fokus darauf, wie

man es für Schüler/innen in der Zielsprache ermöglicht;• Workshopmäßige Lehre, ein Zugang wie bei Dramapädagogik;• Materialien, um die Geschichten einzuführen und wie

man verschiedene Lerntypen ansprechen kann (multiple Intelligenzen und Lernstile);

• Digitales Material zur Unterstützung von Geschichtenerzählen. Beispiele guter Praxis, Training• Beispiele guter Geschichten, die man für verschiedene

Altersstufen und Niveaus verwenden kann;• gute Unterstützung für die Praxis und Beispiele, wie man

Geschichtenerzählen und Sprachenlernen durch die Verwendung von Geschichten und Erzählen für Schüler/innen der Sekundarstufe einführt. Ich denke, dass es einfacher ist, Geschichtenerzählen in der Primarstufe einzuführen, aber doch schwieriger mit älteren Schüler/innen in der Sekundarstufe, da sie älter und „reifer“ sind’. Das Geschichtenerzählen muss der Altersstufe angepasst werden;

• wirkliche Beispiele, Ideen für Hilfsmittel, Konnex zu Lernfortschritt und Lesefähigkeit, die die restliche Abteilung/Fachgruppe überzeugen können;

• Begegnung mit anderen am Thema interessierten Kolleg/innen;

• Austausch über gute Praxis.

Geschichten• bekannte oder einfache Bücher mit vielen Wiederholungen,

Bildern, Flashcards mit Bildern und Wörtern;

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• Bücher mit relevanten Themen und Sprachniveaus / verschiedene Niveaus für verschiedene Leistungsgruppen. Derzeit gibt es keine solchen.

Geld und Ressourcen, Technik• Püppchen;• ein offener Raum anstelle eines Klassenzimmers voll mit

Tischen, Sesseln, Whiteboards;• Kamera, Mikrofone, Laptops;• die Lizenz für einige Software;• iPads, iPhones;• Storyboarding;• auf den neuesten Stand bringen und Schülerinteresse

erwecken, Computerarbeitsräume und generell zusätzliche Information; Kenntnis über den Einsatz von Großbildschirmen

Zeit• Wir tun schon einiges in Richtung Geschichtenerzählen.

Um mehr zu tun, würde ich mehr Zeit brauchen, bessere Ressourcen und ich würde mehr Selbstvertrauen in Bezug auf digitales Geschichtenerzählen brauchen;

• Mehr Zeit mit den Schüler/innen!! Die Leseaspekte des Kurses sind schon sehr schwierig und es macht es wirklich schwierig, alle anderen Bereiche zufriedenstellend abzudecken;

• Zeit für Planung und Vorbereitung;• viel Zeit für Geschichtenerzählen und kreative Kolleg/innen,

um Ideen und Aktivitäten diskutieren zu können.

Eigene Motivation, Bereitschaft • man braucht begeisterte Lehrer/innen, die an die Freiheit

im Sprachgebrauch glauben, bereit sind, traditionelle Lehrmethoden zu verlassen und das Eis zu brechen, um die Komfortzone zu verlassen;

• wenn du ein guter Geschichtenerzähler bist, musst du nicht wirklich Hilfsmittel verwenden (sie können hilfreich sein, sind aber nicht notwendig). Man braucht eine gute Selbsteinschätzung und eine positive Einstellung gegenüber dem Publikum.

Persönliche Qualitäten• Körper: Entspannung, Warming up, physische Gestik;• Stimme: Warming up und Erforschung der Stimme, die

Grundlagen von Artikulation und Intonation, Lautstärke,

Nuancen, die Stimmen einzelner Charaktere, den Rhythmus, die Geschwindigkeit;

• Phantasie: Bilder und Ideen in Worten ausdrücken können, wie man eine Geschichte aufbaut, Erfindungsreichtum und Kreativitätsübungen;

• Selbstvertrauen und dramatische Gestik, die mündliche Geschichtenerzähler haben;

• Arbeit an Stimmtechnik (besonders notwendig, wenn verschiedene Stimmen für verschiedene Personen in der Geschichte verwendet werden).

Einige Teilnehmer/innen sind besonders begeistert von Geschichtenerzählen, während andere vorsichtiger sind, aber Interesse und einen Wunsch nach weiterer Beschäftigung ausdrücken im Bewusstsein der möglichen Vorteile. Unsere Teilnehmer/innen zeigen, dass es ein weitverbreitetes Interesse an Geschichtenerzählen von Lehramtsstudierenden, ihren Ausbildner/innen und Lehrer/innen in der Praxis gibt, aber auch, dass sie mehr Hilfestellungen wie passendes Material, adäquate Methoden und die Rechtfertigung des Geschichtenerzählens in vollen und auf Bewertung orientierten Curricula brauchen.

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Wie steht es um die Curricula?

Das TALES-Team hat auch die Schulcurricula und die Lehrerausbildungscurricula in den Partnerländern durchgeschaut, um herauszufinden, ob Geschichten und Geschichtenerzählen eine Rolle spielen. Den vollständigen Bericht können Sie für Flandern (FL/BE), Norwegen (NO), Portugal (PT), England (EN/GB), Italien (IT), Österreich (AT) und Estland (EE) auf der Projektwebsite finden. Hier zeigen wir einige Trends auf.

Schulcurricula

In Bezug auf die Curricula der Primar- und Sekundarstufe ist die Situation ziemlich trist. Trotz der Tatsache, dass Muttersprache, Lesen, Schreiben, Hören als wichtigste Ziele in allen Partnerländern gesehen werden, wird Geschichtenerzählen als solches nicht in den Curricula in BE, EE, PT und AT erwähnt. Nur in Norwegen und England gibt es eine direkte Erwähnung von Geschichtenerzählen. In Norwegen finden wir die Verwendung von Geschichtenerzählen oder Arbeit mit Volksüberlieferung auf verschiedenen Ebenen im Fach Norwegisch und Fremdsprache von 6 bis 15 Jahren. Auch im nationalen Curriculum für staatliche Schulen in England gibt es eine Anzahl von direkten Erwähnungen von Geschichten und Geschichtenerzählen, besonders in der Primarstufe 1 und 2 (5- bis 11-Jährige).

Die meisten Länder haben allerdings ‘indirekte Bezugnahmen’, d.h. Hinweise auf Elemente von Geschichtenerzählen, manchmal verbunden mit Drama oder Sozialkunde, interkultureller Entwicklung usw. Zum Beispiel findet sich im flämischen Curriculum der Primarstufe ein Bezug zu:

• Freude an Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben als eine Einstellung, die es zu entwickeln gilt.

• in den höchsten Niveaus von Drama und körperlichem Ausdruck müssen Schüler/innen “verstehen, dass es eine Balance zwischen Wort und Bewegung gibt“, dass sie „den Ausdruck intensivieren können” oder „konzentriert einem gesprochenen Text (vorgelesen oder frei gesprochen) zuhören können und mündliche, geschriebene oder dramatisch oder plastisch dargebrachte Texte verstehen“ oder dass sie

über „eine angemessene und angenehme Sprechtechnik (Artikulation, Atemtechnik, Tempo, Tonhöhe) verfügen.”

• In den höchsten Niveaus von IT “die Schüler/innen können IT verwenden, um ihre Ideen kreativ auszudrücken und anderen Informationen zu präsentieren.”

Interessanterweise wird Geschichtenerzählen üblicherweise mit Bezug zur Muttersprache erwähnt, wie in Norwegen und England. In England z.B. ist im Englischcurriculum die Referenz zu Geschichten, Gedichten, Narrativen oder Kreativität am höchsten (ca. 23 Erwähnungen); gefolgt von Sprachen (3 Erwähnungen); und Geschichte (2 Erwähnungen). Es scheint auch verschiedene Zugänge zu Geschichten, Geschichtenerzählen und Narrativen zwischen Englisch und Sprachen zu geben. Der Sprachenzugang ist weniger vorgegeben und technisch und offener für Ideen der Erforschung, Entdeckung, Phantasie und Freude: „Geschichten, Lieder, Gedichte und Reime in der Sprache genießen können” und „Lesen literarischer Texte in der Sprache [wie Geschichten, Lieder, Gedichte und Briefe], um Ideen zu stimulieren, kreativen Ausdruck zu entwickeln und das Verständnis von Sprache und Kultur zu vertiefen”.

Von der Verwendung von Geschichten und Narrativen im Lehren von Englisch wird erwartet, dass sie Freude und Entdeckergeist bei Kindern fördern, aber auch sicherstellen, dass sie Lesefertigkeiten entwickeln, manchmal auf ziemlich technische Art: “bekannt werden mit Schlüsselgeschichten, Märchen und Volksüberlieferung, sie nacherzählen und ihre charakteristischen Merkmale betrachten” oder (in Primarstufe KS1 English Anmerkungen & Empfehlungen): „Durch das häufige Hören von Geschichten, Gedichten und Sachtexten, die sie noch nicht selber lesen können, beginnen Schüler/innen zu verstehen wie geschriebene Sprache strukturiert werden kann, um z.B. Überraschung in Narrative einzubauen oder Fakten in Referaten zu präsentieren”.

In Estland gibt es einen Hinweis auf ‘kommunikative Kompetenzen’ – die Fähigkeit mit Hilfe von Sprache zu verstehen, zu kommunizieren, auszutauschen, zu interpretieren und Texte zu kreieren. In Sprachstunden (Muttersprache und Fremdsprache) sollen die Schüler/innen:

• eine für ihre Altersgruppe passende Geschichte verstehen können, die ihnen erzählt wird. (Hören)

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• den Inhalt einer Geschichte formulieren können, sodass der Inhalt verständlich ist. (Sprechen)

• mit kreativer Verwendung von Stimme und Sprache ausdrucksvoll reagieren und Erfahrungen ausagieren können. (Drama)

• Kreativität und kreatives Denken entwickeln können.

Lehrerausbildungscurricula

Bei den Lehrerausbildungscurricula (TT) gibt es mehrere Länder mit expliziter Referenz zu Geschichtenerzählen als Kompetenz für Lehrer/innen, mit einem Fokus auf der Primarstufe. Dennoch haben in der TALES-Stichprobe PT, AT und EE keine offizielle Erwähnung von Geschichtenerzählen in ihren TT-Curriculua.

Im Curriculum für Primarstufenlehrer/innen der Pädagogischen Hochschule Steiermark, einer der größten Lehrerausbildungsstätten in Österreich, gibt es keine explizite Erwähnung von Geschichtenerzählen. Nur das Curriculum für Didaktik für Englisch in der Primarstufe erwähnt “Arbeit mit kindgemäßen Texten, Geschichten und Kinderbüchern …”

Geschichtenerzählen wird nicht explizit erwähnt, wohl aber Dramamethoden. Auch für Sekundarstufenlehrer/innen gibt es keine Erwähnung weder von „Geschichten” noch „Geschichtenerzählen” weder im Grundstudium, noch in den Fachcurricula, noch in den Fachdidaktiken von Deutsch oder Englisch. Es gibt jedoch ein Wahlangebot für Drama- pädagogik, in dem erwähnt wird, dass „Studierende kreative Lösungen für Geschichten und Märchen finden sollen”.

In Flandern, z.B. in der Publikation ‘Grundkompetenzen für Kindergarten-, Primar- und Sekundarstufenlehrer/innen’, gibt es einen direkten Bezug zu Geschichtenerzählen. Für Primarstufenlehrer/innen, besagt die Jobkomponente 1 ‘Die Lehrer/innen als Berater/innen in Lern-und Entwicklungsprozessen’: “Die Lehrer/innen können Geschichten ausdrucksstark vorlesen und erzählen und flexibel anpassen.” Für Sekundarstufenlehrer/innen besagt die Jobkomponente 1 ‘Die Lehrer/innen als Berater/innen in Lern- und Entwicklungsprozessen’: “Die Lehrer/innen können Geschichten vorlesen und erzählen und sind sich ihrer eigenen Fähigkeiten dazu bewusst, um den optimalen Einsatz dieser

Fertigkeiten sicherzustellen und eventuelle Einschränkungen zu kompensieren.”

In Italien hat unser TALES-Partner eine Analyse aller Kurse in allen 23 Universitäten (öffentliche und private) durchgeführt, die einen Abschluss der Primarstufenlehrer/innen anbieten:

Wörter wie „Geschichtenerzählen”, „Märchen”, „Mythos”, „Legende” und ähnliche werden in den Programmen, in Beschreibungen von Lernzielen, Inhalten und Methoden nicht explizit erwähnt. Allerdings beinhalten alle Programme verpflichtende ‘charakteristische Aktivitäten’: • einen Kurs in italienischer Literatur• einen Kurs in Kinderliteratur • 10 von 23 Kursen führen die Detailziele der Literaturstudien

folgendermaßen an:

Literarische Bildung für zukünftige Lehrer/innen der Primar- und Vorstufe zielt auf:• das Schaffen von Lesegewohnheiten als Mittel der ständigen

persönlichen Weiterentwicklung; • Fertigkeiten zur Interpretation literarischer Aussagen, auch

der Identifikation von Gedanken und Gefühlen;• Verständnis narrativen Denkens und seiner Strukturen.

Keine Kursbeschreibung erwähnt explizit digitales Geschichtenerzählen. Alle bis auf zwei Universitäten zählen aber unter den Lernzielen die Fähigkeit auf, zu „wählen und bei jeder Gelegenheit die Techniken zu verwenden, die dem Lehrziel am besten entsprechen: Frontal- unterricht, Diskussion, Simulation, Kooperation, gegenseitige Hilfe, Gruppenarbeit, neue Technologien”. Die Universität im Aostatal stellt fest, dass Studierende „digitale Fertigkeiten erwerben müssen, die in den Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des Rats am 18. Dezember 2006 beschlossen wurden, und ebenso die Fähigkeit, diese im Klassenzimmer anzuwenden. Im Speziellen trifft das auf Fertigkeiten für die Verwendung von Multimedia in der Sprache, für die Darstellung und Kommunikation von Wissen, für die Verwendung digitaler Inhalte und – allgemeiner – die Simulation von Lernumgebungen und virtueller Labore zu.”

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Lehrmethoden werden wie folgt beschrieben:• “Frontalunterricht, Brainstorming, Diskussion und Vergleich.

Analyse von Werken der Literatur, erzählend, visuell, gefilmt. Analyse von Interaktionen zwischen Kindern und Erwachsenen und Geschichten.”

Die folgenden “Techniken zur Unterstützung des Lehrens” werden aufgelistet:• “Vorlesen, mündliches Erzählen; Zeigen von Bildern und

Illustrationen, visueller Materialien – Filme, Theaterstücke …”

In Norwegen erwähnen einige Lehrerausbildungsstätten explizit Geschichtenerzählmodule in ihrem Trainingsprogramm, manchmal jedoch nur als Wahlfach. Am Rudolf Steiner Universitätscollege in Oslo ist mündliches Geschichtenerzählen Teil der Ausbildung für Kinder von 6 bis 12. Dieses Training beinhaltet Gegenstände wie: Mündlichkeit, Verwendung von Geschichten in verschiedenen Fächern, Symbole in der Volksüberlieferung, welche Geschichten in welchem Alter verwendet werden können, Verständnis von Legenden, Volkserzählungen und Mythen, Geschichtenerzählübungen und Dramatisierung und Improvisation. An den Fachhochschulen in Oslo und Akershus finden wir ein Programm, das sich: „Mythen und Märchen” nennt, es ist ein internationales Studium, aber nicht verpflichtend. Das Studienziel ist:• Entwickeln von Wissen über Mythen, Märchen und Legenden;• Entwickeln von Verständnis des Inhalts der Erzählungen,

“real” und psychologisch;• Lernen grundlegender narrativer Muster und die Fähigkeit

der Anwendung in eigenen Produktionen;• Entwicklung von Bewusstsein gegenüber dem eigenen

kulturellen Erbe;• kreative Arbeit mit Musik, Kunst, Drama usw.;• Erarbeiten verschiedener Aufführungen basierend auf

Geschichten;• Geschichten erfahren und verstehen in einem praktischen

didaktischen Kontext.

Einige Lehrerbildungsinstitutionen in England berichten über die Verwendung von Erzähltechniken in ihrem Training und empfinden dies als erfolgreich.

Der Lehrerausbildungskurs der Goldsmith University in London

für die Primarstufensprachen hat ein ‘Geschichtenbox’-Projekt im Mittelpunkt, welches ein signifikantes Thema quer durch das Curriculum darstellt. Es ist die Basis für die endgültige Bewertung des Kurses. Studierende müssen umfassende Theorie lessen und zusammenarbeiten, um ihr Geschichtenbox-Projekt abzuschließen, zusätzlich zu einem Essay “der das Ziel hat, die Studierenden in fächerübergreifende Aktivitäten zu involvieren.” Dieser Zugang zeigt, wie Geschichtenerzählen alle Aspekte von gutem Primarstufenunterricht umfassen kann, und sprachliche Fertigkeiten inkludiert (Session 1), Phonetik und Sprachgewandtheit (Session 4), Leseentwicklung (Session 5), Methodik und Zweitsprachenerwerbtheorien (Session 7) usw..

Lehrerfortbildung

Die Abwesenheit von Geschichtenerzählen in den offiziellen Curricula bedeutet nicht, dass es nicht ein generelles Gefühl gibt, dass Erzählen als Unterrichtsmethode wichtig ist. Viele Lehrer/innen meinen, dass es eine Notwendigkeit für Fortbildungsangebote auf diesem Gebiet gibt und eine Reihe von Organisationen wollen die Verwendung von Geschichtenerzählen im Unterricht fördern. Ihre Motive können im Bereich der Förderung von kulturellem Erbe, Volksüberlieferung oder Lese- und Schreibfertigkeit liegen.

In Estland wurden seit 1991 regelmäßig Geschichtenerzählkurse am Zentrum für estnische Volkskultur organisiert. Auch die Schule für Märchen ist äußerst aktiv. Der Zweck der Geschichtenerzählkurse und Seminare ist es, Erwachsene wieder zum Geschichtenerzählen zu bringen, aber auch Kindergarten- und Schullehrer/innen, Bibliothekare ... sind Zielgruppen.

In Portugal sind Vorschul- und Primarstufenlehrer/innen traditionell diejenigen, die am häufigsten Geschichten erzählen; Pädagog/innen und Lehrer/innen dieser Niveaus sind ein aktives Publikum und eine Interessentengruppe für Erzählen, die an Workshops teilnimmt und entsprechende Veranstaltungen besucht. Die Disziplin „Kinderliteratur und Leseförderung”, die in einigen Curricula der Primarstufenlehrerausbildungskursen vorhanden ist, integriert einige Geschichtenerzähltechniken. Lese- und Schreibfertigkeit und (Geschichten)erzählen sind tief verbunden mit Schul- und Bibliothekspraxis und -aktivitäten.

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Workshops, die besonders auf Lehrer/innen abzielen, sind rar. Nur wenige Geschichtenerzähler/innen sind auch offiziell als Trainer/innen anerkannt und dürfen dadurch auch zertifizierte Trainingsmodule anbieten. In der Mehrheit der Fälle zielen Workshops auf eine breite Gruppe professionell mit Kindern Arbeitender ab, wie Bibliothekare, Sozialarbeiter und natürlich Lehrer/innen.

In Flandern hat die Gewerkschaft der Niederländischlehrer/innen einen Referenzrahmen für die Sprachkompetenzen von Lehrer/innen in Belgien und den Niederlanden erarbeitet. Eines von dreizehn Lernzielen in diesem Dokument ist dem Geschichtenerzählen gewidmet: „Lehrer/innen sind Geschichtenerzähler/innen, ob sie jetzt Schüler/innen in der Sekundarstufe oder Vorschüler/innen unterrichten. Lehrer/innen sprechen über ihre eigenen Erfahrungen, oder nehmen Kinder in eine Phantasiewelt mit. Märchen, Sagen, Mythen und biblische Geschichten werden erzählt. Lehrer/innen erzählen Geschichten, um Lerninhalte zu präsentieren, z.B. Geschichte. Lehrer/innen erzählen aber auch, ohne Inhalte zu präsentieren, nur zur Freude der Kinder, oder weil sie so voll mit einem Ereignis sind, dass sie ‚ihre Geschichte’ erzählen wollen. Die meisten Schüler/innen lieben es zuzuhören, wenn ihre Lehrer/innen eine Geschichte erzählen. Erzählen trägt zur sprachlichen Entwicklung der Schüler/innen ebenso bei wie zu ihrer kognitiven Entwicklung im weitesten Sinne, aber auch zu ihrem sozialen und mündlichen Fortschritt. Mithilfe von Geschichten und Interaktion um diese Geschichten werden Werte und Standards gebildet und die Weiterentwicklung der Schüler/innen wird vielfältigst gefördert.

Lehrer/innen analysieren, welche Situationen für Geschichtenerzählen geeignet sind. Während des Erzählens, adaptieren sie ihre Geschichte auf das Sprachniveau und passen sie an die Umgebung der Schüler/innen an. Während des Erzählens der Geschichte sehen sie, wie sie ankommt, und adaptieren die Geschichte. Auf diese Weise entsteht eine faszinierende Interaktion mit dem Publikum. Die Lehrer/innen können verschiedene Textsorten (Geschichten, Erfahrungen …) auf verschiedene Arten verwenden (informieren, überzeugen, aktivieren, unterhalten).Dieser letzte Text erscheint uns als sehr nahe einem idealen Zugang zum (Geschichten)erzählen im Unterricht.

LiteraturBruner, J. Actual minds, possible worlds. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1986.

Clarke, M. C. & Rossiter, M. “Narrative learning in adulthood.” New Directions for Adult and Continuing Education, 119, 61 – 92, 2008.

Gudmundsdottir, S. “The Narrative Nature of Pedagogical Content Knowledge.” In Narrative In Teaching, Learning, And Research, edited by H. McEwan and K. Egan, pp. 24-38. New York: Teachers College Press, 1995.

Hamilton, M. & Weiss, M. Children Tell Stories: Teaching and Using Storytelling in the Classroom. Richard C. Owen Publishers, Inc., 2005.

Harris, P. The Work of the Imagination. Malden, MA: Blackwell Publishers, 2000.

Hopkins, R. L. Narrative Schooling. New York: Teachers College Press, 1994.

Polkinghorne, D. E. Narrative Knowing and the Human Sciences. Albany, NY: SUNY Press, 1988.

Roney, R.C. “Storytelling in the Classroom: Some Theoretical Thoughts.” CITStorytelling World; V9 p7-9 Win-Spr 1996.

Rossiter, M. Narrative and stories in adult teaching and learning. ERIC Clearinghouse on Adult Career and Vocational Education, Columbus, OH, 2002.

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Weil zuviel Nachdenken über Theorie manchmal gefährlich ist ...

Ein Frosch ruhte am Seeufer und sah einen Tausendfüßler vorübergehen. Er war verblüfft von seiner Eleganz und konnte nicht widerstehen, seine Gedanken auch auszusprechen:

„Mein lieber Tausendfüßler, wie elegant du bist! So schön, mit all diesen Beinen!“ -„Danke… danke, Frosch…“ - Der Tausendfüßler fühlte sich geschmeichelt und wäre errötet, wenn das möglich gewesen wäre.“ Es ist nett, dass du das sagst!“„Wie viele Beine hast du eigentlich?“ – fragte der Frosch.„Tausend und einen“, sagte der Tausendfüßler stolz.„Das ist unglaublich! Wie wunderbar!“, rief der Frosch aus.

Der Tausendfüßler platzte fast vor Eitelkeit und Freude …„In welcher Reihenfolge bewegst du all diese Beine?“, fragte der Frosch mit beinahe wissenschaftlicher Neugier.

Mit dieser Frage war der Tausendfüßler so überfordert, dass er wie gelähmt war und sich nie mehr bewegen konnte.

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BECAUSE STORIES CAN MAKE A DIFFERENCE…

KAPITEL 2GESCHICHTENERZÄHLEN – DEFINITIONEN, POSITIONEN,

ZUGANG UND METHODIKLuis Correia Carmelo (Ouvir e Contar, Portugal), Heidi Dahlsveen (HiOA, Norwegen), Nicoletta di Blas (POLIMI, Italien), Patricia Huion, Marleen Mesotten (UCLL, Belgien),

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Das Tales-Projekt ging von der Annahme aus, dass Geschichten erzählen etwas grundlegend Menschliches ist, und dass wir versuchen wollen, die Bedeutung der Verwendung von Geschichtenerzählen im Schaffen und Weitergeben von Wissen im Klassenzimmer zu steigern. In diesem Kapitel werden wir näher hinsehen, was Geschichtenerzählen ist, sowohl mündlich als auch digital.

Was verstehen wir unter Geschichtenerzählen?

Geschichtenerzählen hat es in allen menschlichen Gesellschaften gegeben. Wir finden Hinweise darauf in Texten aus dem Alten Mesopotamien, Indien, Ägypten, Griechenland, und Anthropologen haben Belege für Geschichtenerzählen in allen vorliterarischen Kulturen gefunden. In den 1930igern schrieb Walter Benjamin, dass die Geschichte todgeweiht wäre; sie würde in der Flut der Information verloren gehen: „Jeder Morgen bringt uns neue Nachrichten von überall vom Globus, und dennoch sind wir arm an beachtenswerten Geschichten. Das ist, weil kein Ereignis mehr als Information zu uns kommt, sondern bereits voll mit Erklärungen. Mit anderen Worten, heutzutage passiert fast gar nichts, das dem Geschichtenerzählen dient; fast alles dient der Information. Tatsächlich ist es die halbe Kunst des Geschichtenerzählens, eine Geschichte frei von Erklärungen zu halten.”8

Informationsflüsse sind mit der Zeit nicht verloren gegangen und sie sind so strukturiert, dass jede Information kurzlebig ist, bevor sie durch neue Daten ersetzt wird. Geschichten aber beruhen auf Erfahrungen, die zu Erfahrungen des Zuhörers werden und sind langlebig, weil sie bestimmt sind, wieder und wieder erzählt zu werden. Das berührt einen Punkt zum Thema Geschichtenerzählen, den wir in unserem Projekt als sehr wichtig empfinden. Nach Jérôme Bruner9 gibt es zwei Arten die Welt zu erkennen: die narrative und die paradigmatische (logisch und wissenschaftlich). Diese beiden Arten von Wissen

8 Benjamin, W. 1975, p. 1849 Jamissen & Dahlsveen, 2012, p. 47

existieren in allen Gesellschaften, aber die westliche Welt hat einen Schwerpunkt auf die zweite – wissenschafliche - gelegt. Die narrative Haltung zur Welt ist jedoch nicht so sehr auf Erklären ausgelegt, sondern auf Verständnis und gibt Raum für verschiedene Interpretationen. Der Philosoph Alasdair MacIntyre sagt, dass wir eben durch Geschichten lernen, unsere gesellschaftlichen Rollen zu erkennen und dass diese die Grundlage für Form und Sinn unserer Handlungen bilden.10 Das bedeutet, dass Geschichten zentral für unser Verständnis sind, wie die Welt funktioniert. Nach dem amerikanischen Philosophen Mark Johnsen begegnen wir Geschichten schon als junge Kinder durch unsere Eltern; diese Geschichten geben unseren Erfahrungen Sinn und folglich verwenden wir die selbe Methode, wenn wir versuchen, zu beschreiben, was uns zustößt. Daher sind Geschichten die am weitesten verbreitete rationale Erklärung für unsere Wirklichkeit.11 Geschichten sind ein Hilfsmittel, das wir unser ganzes Leben verwenden, wenn wir versuchen, Antwort auf die großen Fragen zu finden: wie, wer, was, wann und warum.

McLean und Pasupathi12 meinen, dass wir eine narrative Identität haben und dass diese Identität darauf aufbaut, wie wir unseren Lebensereignissen Bedeutung geben. Diese narrative Identität ist unsere Lebensgeschichte oder die Geschichte von ausgewählten Ereignissen in unserem Leben und im Erzählen der Geschichte schaffen wir Verbindungen zwischen diesen Ereignissen.13 Wie wir unsere Vergangenheit in Interaktion mit anderen rekonstruieren, ist ein wichtiger Faktor in der Entwicklung narrativer Fertigkeiten. Marianne Horsdal glaubt auch, dass in unserer modernen Gesellschaft „... Identität eine narrative Konstruktion ist, eine Geschichte, die durch Begegnungen mit anderen geschaffen wird. Diese Geschichten entstehen in den verschiedenen Umgebungen, in denen wir leben, wie Familie, Kollegen und Freizeit“.14

Lundby15 meint, dass der Ausdruck “Narrativ” die Existenz einer Beziehung impliziert: jemand erzählt jemandem etwas. Der Anthropologe Myerhoff betont die Bedeutung dieser Beziehung: „das Pathos eines abwesenden Zuhörers ist der Entzug eines

10 Hovland, 2002, p. 6711 Ibid.12 McLean & Pasupathi, 201113 Ibid.14 Horsdal, M. 201115 Lundby, 2003, s. 27

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Geburtsrechts für ein Individuum“.16 Diese Beziehung ist wichtig, weil sie die Erzählung hervorbringt. Das ist ein wichtiger Faktor, der den sozialen Aspekt des Geschichtenerzählens aufzeigt. Alle Rede impliziert die Existenz eines Zuhörers, auch wenn er/sie nicht wirklich an Ort und Stelle anwesend ist, daher drückt auch jedes Wort eine Beziehung mit jemandem aus.

Was sind Charakteristika, die eine Geschichte zu einer Geschichte machen? Wenn wir ins Altertum zurückschauen, finden wir, dass Aristoteles Geschichten als etwas beschreibt, dass einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Viele definieren die Geschichte auch als Handlung, die vielleicht das Thema einer Geschichte ist, das bestimmt, wie wir eine Geschichte zusammenstellen und das ihr ein Gefühl für das Ganze gibt. Das oft verwendete Beispiel, um zu beschreiben, was mit Handlung in einer Geschichte gemeint ist, stammt von Chatman17: ”Der König starb und die Königin starb” ist noch keine Geschichte, obwohl zwei Aktivitäten in einer Folge zusammengefasst sind. Die Ereignisse haben keinen Kontext. Wenn man jedoch sagt: “Der König starb und die Königin starb aus Kummer darüber“, erschafft man eine Handlung, die den Ereignissen einen Grund gibt und ein Gefühl für das Ganze erzeugt.In Europa finden wir den ersten Hinweis auf Geschichten und Geschichtenerzählen in Gorgias von Plato. Der Philosoph spricht auch in der Politeia darüber, wo er die Geschichten in Frage stellt, die Kindern von ihren Ammen erzählt werden. Schon da finden wir ein Bewusstsein der Bedeutung und des Einflusses von Geschichten in der Bildung junger Bürger. Tatsächlich hat die lateinische Tradition ein Vorurteil gegen diese aniles fabulae, die von diesen Ammen erzählt wurden, erschaffen, das sich im englischen Ausdruck “old wives’ tales” spiegelt. Diese Geschichten (meist Zaubermärchen, Volksüberlieferungen, Legenden und Mythologie) wurden als etwas zu phantastisch, gewalttätig, unwahr und unwert der Aufmerksamkeit empfunden. Andererseits wurden Volksmärchen von Priestern erzählt und niedergeschrieben als Beispiel für mündliche Lehren an die Gläubigen. Später erhielten die italienischen novelle und die französischen fabliaux eine Tradition von realistischen und komischen Geschichten. Im 17. Jahrhundert wird das Märchen

16 Myerhoff, 2010, s. 2117 Chatman, 1989

in aristokratischen und großbürgerlichen Kreisen modern, genau wie die unsterblichen Fabeln von Aesop, Phaedrus und La Fontaine, um nur einige zu erwähnen. In der Neuzeit interessierten sich die Europäer zunehmend für ihre Volksüberlieferungen und die Romantiker sahen diese als Repräsention der wahren Identität eines Volkes. Viele Sammlungen entstanden und eine wurde international berühmt: die Märchen der Brüder Grimm. Aber das ist nur eine Seite der kulturellen Tradition lebendiger Geschichten. Sie waren auch lebendig in einer oft marginalisierten mündlichen Volksüberlieferung. Quer durch die Geschichte Europas, vom Römischen Reich bis zum Mittelalter, von der Renaissance bis zur Neuzeit, gibt es Hinweise auf eine Praxis des Erzählens von Geschichten im privaten und gesellschaftlichen Leben. Es gibt auch Hinweise auf professionelle Erzähler, die mythologische und Heldenerzählungen wie die Nordische Edda, die mittelalterlichen Balladen und die Romanzen der Ritter sangen und vortrugen. Die Industrialisierung und Verstädterung der Neuzeit bewirkten, dass diese Praxis immer mehr aus dem sozialen und kulturellen Leben verschwand, bis im 20. Jahrhundert nationalistische Erneuerungsbewegungen, die auch gegen eine mediatisierte Gesellschaft und einen Mangel an Gemeinschaftsgefühl auftraten, die Szene für ein Wiederaufleben des Geschichtenerzählens öffneten. Und davor waren die Hauptfelder, in denen die Tätigkeit von Geschichtenerzählern geschätzt wurde, Kindererziehung und Unterhaltung. Die Demokratisierung der Bildung und das Anwachsen der Lese- und Schreibfertigkeit (und die Schaffung öffentlicher Bibliotheken), sowie das Entstehen eines Markts für Kinderunterhaltung (Essen, Spiele, Literatur …) waren alles Faktoren, die das Entstehen einer Professionalisierung von Geschichtenerzählen begünstigten. Mit der Einrichtung von Kindergärten, der Ausweitung öffentlicher oder religiöser Schulen (Sonntagsschulen) und Kinderbibliotheken halfen eine große Reihe von Bildungsverantwortlichen mit, Gelegenheiten für das Auftreten der ersten professionellen Geschichtenerzähler unserer Zeit zu schaffen. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es bereits ehemalige Pädagog/inn/en, die als Geschichtenerzähler in Schulen und Bibliotheken in den Vereinigten Staaten und England auftraten, z.B. Sara Cone Bryant, Katherine Dunlop Cather oder Marie Shedlock.

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Das bedeutet nicht, dass Bildung und Kinderunterhaltung die einzigen Kontexte waren, in denen Geschichtenerzählen sich im letzten Jahrhundert entwickelte. Kulturelle Vereinigungen und Interessensgruppen sahen Geschichtenerzählen als eine Möglichkeit, soziales Engagement wieder zu beflügeln. Darstellende Künstler fanden eine erneuerte Kunstform im Erzählen von Geschichten. „Geschichtenerzählen” und „Geschichtenerzähler” wurden zu einem anerkannten Beiwort der Bewertung in fast jeder Kunstform: Liedermacher, Filmemacher und Romanautoren wurden als Geschichtenerzähler bezeichnet Aber kein anderer Kontext hat den Aufstieg von professionellen Erzählern so begünstigt wie die Arbeit für Kinder. Das kommt möglicherweise von der irrigen Annahme, dass Geschichten erzählen und Volksüberlieferungen kindliche Dinge seien, gilt aber auch wegen der unendlichen Anwendungsbereiche von Geschichtenerzählen im Bildungsbereich. Eine Geschichte zu erzählen in der einen oder anderen Form steht dafür, Entscheidungen zu treffen: man wählt die Geschichte, die man erzählen will, wie man die Geschichte “erzählbar” macht und auf welche Weise man die Geschichte erzählen will. Es ist über viele Medien möglich, Geschichten zu erzählen: Bücher, Comics, Hörbücher, Radio, Fernsehen, Kino, Videospiele, Internet und eine unendliche Reihe von Alternativen mit der Weiterentwicklung der Technik. Im TALES-Projekt beziehen wir uns sowohl auf mündliches wie auf digitales Erzählen.

Mündliches ErzählenLuis Correia Carmelo (Ouvir e Contar), Heidi Dahlsveen (HiOA)

Mündliches Erzählen erfolgt ohne Medieneinsatz, was die Anwesenheit von sowohl Erzähler als auch Zuhörer an einem Ort impliziert und die flüchtige Natur dieses Ereignisses bestimmt. Mündliches Erzählen existiert nur, während die Geschichte erzählt wird, und ist unwiederholbar. Daher ist mündliches Erzählen mehr als die Geschichte, die Musik, die Bilder oder die Interaktion mit dem Medium. Mündliches Erzählen ist das, was zwischen Menschen geschieht, während sie eine Geschichte hören. Auf diese Weise hat mündliches Erzählen viele Eigenschaften mit anderen Arten eine Geschichte zu erzählen, gemeinsam oder überhaupt mit dem Zusammensein mit Menschen. Wie beim Lesen eines Buches sind

wir daran beteiligt, die Charaktere und Landschaften in unserem Geist entstehen zu lassen, auf eine andere Art als etwa im Kino. Wie in einem Tanzsaal sind wir eingeladen, mitzumachen, unsere Unterhaltung mit anderen zu teilen. Das Besondere am mündlichen Erzählen ist jedoch, wie alle diese Elemente zusammenspielen.

Der Kontext ist das Wo und Wie, in dem das Geschichtenerzählen stattfindet. Er hängt vom Moment dieses Tages ab, von der Natur des Raumes, von den Anwesenden und dem, was sie vorher getan haben und dem, was sie als Nächstes tun werden, warum sie sich versammelt haben und von der Art ihrer sozialen Interaktion. Auf diese Art betont mündliches Erzählen die Erfahrung des Moments, wo wir sind und mit wem. Vom Erzähler verlangt es die Sensibilität für den richtigen Moment, die Wahl der Geschichte und wie sie erzählt wird, oder sie gar nicht zu erzählen, sondern sich einfach auf einen Dialog mit den Gesprächspartnern einzulassen. Vom Zuhörer wird verlangt, dass er seine Rolle in diesem Spiel erkennt, zuzuhören oder teilzunehmen auf eine Art, wie es der Kontext erfordert, sich auf andere zu beziehen, Erzähler und andere Zuhörer, im Interesse eines gemeinschaftlichen Erlebnisses.

Der Erzähler ist die Person, die die Geschichte erzählt. Es ist nicht notwendigerweise ein Geschichtenerzähler, wie wir ihn uns vorstellen: jeder, der fähig ist, eine Erfahrung mitzuteilen, kann eine Geschichte erzählen. Alles hängt wieder vom Kontext ab. Das Spezielle am Narrator im mündlichen Erzählen ist, dass es eine reale Person ist, die wir kennen und die gleichzeitig anwesend ist. So erfordert mündliches Erzählen von denen, die erzählen, ein gewisses Ausmaß sich auszusetzen, die Fähigkeit, seine eigenen Bilderwelten und Ansichten auszudrücken und die Einschränkungen und die Freiheit zu erleben, seine persönliche und kulturelle Identität zu erfahren.

Für die Zuhörer impliziert es die Akzeptanz des anderen, den Willen, sich mit verschiedenen Ideen und Verständnissen einer gemeinsamen Realität auseinanderzusetzen. Die Tatsache, dass der Erzähler und der Zuhörer anwesend sind und dass sie einander als Personen anerkennen, die Erfahrungen austauschen, ist der größte Mehrwert, den mündliches Erzählen in Bezug auf soziale Interaktion hat.

Das Narrativ ist der Modus, wie die Geschichte durch irgendeine Art von Geschichtenerzählen übermittelt wird. Es hat damit zu tun, wie die Geschichte erzählt wird, welchen Standpunkt wir eingeladen

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werden einzunehmen, was beschrieben wird und was nicht, was erzählt wird und was gezeigt wird. Im mündlichen Erzählen wird das Narrativ nicht nur mit Worten übermittelt: Gesten, Stimme und die Verwendung von Raum tragen auch dazu bei. Wie wir die Geschichte erzählen, wie wir das Narrativ organisieren, kann beinahe völlig im Augenblick des Erzählens entschieden werden, wie im spontanen Erzählen einer Lebenserfahrung, oder es kann mehr auf einem vorgefertigten Format beruhen, wie in einer Geschichte, die wir schon vorher gehört haben, oder beinahe völlig bestimmt durch ein fixiertes Drehbuch, wie in einem auswendig gelernten Text. Und trotzdem wird es immer ein spontanes Element im Narrativ geben, das die Folge aus dem Kontext und der Beziehung zwischen Erzähler und Zuhörern ist: spontane Gesten, Stimmlagen, Pausen und Rhythmus, Interaktionen und Unterbrechungen ... Jedenfalls: eine Geschichte spontan zu erzählen, die Worte zu finden und physisch darzustellen, wird im Verlauf der Geschichte die Bedeutung des Kontexts und der sozialen Interaktion, narrative und mündliche Kommunikationsfertigkeiten auf besondere Weise geltend machen.

Gesten und Stimme sind bedeutende non-verbale Elemente mündlichen Erzählens. Sie können der Sprache Rhythmus geben, Informationen hinzufügen oder Charaktere imitieren. Sie können zu Nähe einladen oder Distanz einfordern. Sie sind ein fundamentaler Teil des Prozesses mündlichen Erzählens und beinhalten folglich körperlichen Ausdruck, eine essentielle Kompetenz in mündlicher Kommunikation und im sozialen Auftreten.

Der zur Verfügung stehende Raum ist ebenso ein wichtiges Element mündlichen Erzählens und auch er ist eng verbunden mit dem Kontext. Was ist der Unterschied zwischen dem Erzählen einer Geschichte im Klassenzimmer und mit der Klasse irgendwo hinzugehen? Was verändert sich, wenn die Schüler/innen in Reihen sitzen oder in einem Sitzkreis? Das Raumelement entscheidet zu einem großen Teil über die mündliche Erzählerfahrung und darf nicht übersehen werden. Trotzdem, so wichtig all diese (und andere) Elemente sind, geht es beim mündlichen Erzählen grundlegend um menschliche Beziehungen. Die Art, wie es Kommunikation hervorbringt, macht es zu einer besonderen Form der Übermittlung von Wissen, der Verbindung von Generationen und dem Entstehen von Gemeinschaft, einer angenehmen Art der Arbeitsunterbrechung und in sozialen Veranstaltungen und einer sogar intimen darstellenden Kunst, die man in Gasthäusern, Theatern und auf Festivals

genießen kann. Es spielt keine Rolle, wo wir sind und warum wir Geschichten erzählen, es involviert immer einen Moment, der mit Menschen geteilt wird, eine Gelegenheit Erfahrungen und Ideen auszutauschen und nebeneinander zu träumen, sich mögliche Welten vorzustellen. Dieses Element mündlichen Erzählens ist nur erreichbar durch die gemeinsame Präsenz von jemandem, der eine Geschichte mit narrativer Stimme erzählt und jemandem, der zuhört.

„Die Vorteile mündlichen Erzählens sind so unterschiedlich wie die Geschichten, die wir uns entscheiden zu erzählen”.18

Viele Quellen beschreiben die Vorteile mündlichen Erzählens19:

• (Geschichten)erzählen verbessert die Zuhörfertigkeiten und vergrößert die Aufmerksamkeitsspannen.

• Es erfordert aktives Zuhören und ist eine Tätigkeit, die unmittelbare Belohnung für den Zuhörer und den Erzähler bringt.

• Geschichten erzählen verbessert die Verwendung der mündlichen Sprache und darauf folgend auch der geschriebenen Sprache.

• Es verbessert das Verständnis von Handlung, logischem Aufbau, Charakterisierung, und anderen Schreib- und Lesekompetenzen.

• Es entwickelt Visualisierung und Kreativität. • Es erlaubt Schüler/innen ihre Kommunikations- und sozialen

Fertigkeiten zu verbessern. • Es verbessert das Selbstbewusstsein der Kinder. • Es stellt eine besondere Beziehung zwischen Erzähler und

Hörer her, verbessert die Lehrer-Schülerbeziehung, aber auch den Sinn für Gemeinschaft der Schüler/innen.

• Es verbessert Schreib- und Lesefertigkeiten. • Es verbessert das Verständnis. • Es verbessert Wortschatz, die Vorstellungsfähigkeit und das

logische Denken. • Es baut kritische Denkfertigkeiten auf, da Zuhörer verschiedene

Versionen von Geschichten oder die Reaktionen mehrerer Charaktere auf ähnliche Situationen vergleichen.

• Es verbessert die Einfühlung in andere und in andere Kulturen und ermöglicht Kindern, dem Druck der Peers zu widerstehen und eigenständige Entscheidungen zu treffen.

18 Munn, H. D., 199919 Munn, H. D., 1999, Dunning, 1999, Mundy-Taylor, 2013

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• Es verbessert die Gruppendynamik, soziale Fertigkeiten und das Argumentieren.

• Es ist eine entspannende Aktivität, bei der Kinder nicht bewertet werden und wo das Einzige, was von ihnen verlangt wird, die Bereitschaft zum Zuhören ist.

• Es ist ein lebendiger Kontext für Sinnstiftung. Wo auch immer Geschichten erzählt werden, ist es möglich, pädagogische, persönliche und soziale Vorteile des Geschichtenerzählens im Klassenzimmer zu erkennen. Einerseits hilft es, eine motivierende Lernumgebung zu schaffen und es entwickelt wichtige Fertigkeiten. Andererseits trägt es zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler/innen und ihrem Kulturbewusstsein bei, da es für die ein Weg ist, sich selbst und ihre Ideen auszudrücken. Schließlich hilft es, selbstbewusste Individuen zu schaffen, die fähig sind, kritisch zu denken, aber auch Unterschiede verstehen und respektieren und willig und fähig zu kommunizieren sind.

In diesem Handbuch werden Sie verschiedene Arten finden, Geschichtenerzählen zu verwenden, aber zuerst werden wir ihnen einen kleinen Kurs anbieten:

Ein kleiner Kurs

Beispiel einer Geschichte: Eine Volksüberlieferung aus Norwegen „Die Äffin, die kam, um zu bleiben”

Eine Fremde, eine Äffin, war auf Reisen und kam an einen Ort, der so schön war, dass sie beschloss, sich ein Haus zu bauen und da zu leben. Sie arbeitete hart, kletterte auf Felsen und rollte schwere Steine zu ihrem Platz und baute sich auf diese Weise ein Haus. Dann ging sie und kaufte eine Ziege, die sie schlachtete. Sie hängte sie zum Trocknen auf. Ein Fuchs saß in einiger Entfernung und hatte all dies gesehen und nun dachte er, es wäre an der Zeit, sie willkommen zu heißen. Er ging zu ihrem Haus und klopfte höflich an die Tür. “Willkommen“, sagte die Äffin. Er ging hinein und sagte, “Guten Tag.” Er schaute sich um und sagte, “Wie angenehm es hier ist und was für wunderschöne Kinder Sie haben. Und wie freundlich Sie doch sind! Das wird ein gutes Heim.” “Meinen Sie? Mein guter Freund, Mikkel!” sagte die Äffin. Sie ging hinaus und schnitt ein Bein von der Ziege ab und

gab es dem Fuchs. Der Fuchs ging zurück in den Wald und setzte sich nieder, um sein Fleisch zu essen. Da kam ein Bär vorbei. “Wo hast du das Fleisch her?” wollte der Bär wissen. “Ich habe es von unserer neuen Nachbarin bekommen, der Äffin“ sagte der Fuchs. “Dann werde ich sehen, ob ich nicht auch eines bekomme”; sagte der Bär. “Es ist wichtig, dass du nicht die Wahrheit sagst, sondern nur Lügen erzählst,.“ sagte der Fuchs.Das erste, was der Bär tat, als er am Haus angekommen war, er warf die Türe hinter sich zu. Er ging hinein, brummte und sagte: “Uh, es ist furchtbar hier. Wie hässlich du bist und was für unartige Kinder du hast. Nein, das ist kein guter Platz hier”. Die Äffin war so zornig, dass sie sich auf ihn stürzte und ihn schlug. Der Bär musste davon laufen.

Grundprinzipien für die Arbeit mit Volksüberlieferungen

Es gibt einige Grundprinzipien, wenn man mit der Arbeit mit einem Volksmärchen beginnt:

1. Wählen Sie eine Geschichte aus, die Sie erzählen möchten. Es kann sein, dass es Elemente in der Geschichte gibt, die Sie von ihrem eigenen Leben kennen oder die eine Bedeutung für Ihre eigenen Ansichten, z.B. zu sozialen Themen, für Sie haben.

2. Verwenden Sie Ihren Dialekt, wenn Sie die Geschichte erzählen. Eine Geschichte wird als „echt” empfunden, wenn der Erzähler eine eindeutige Identität in der Geschichte hat; unsere Sprache ist Teil unserer Identität.

3. Wenn Sie etwas vergessen, ist das normal. Quälen Sie sich nicht mit dem, was Sie vergessen haben; das, woran Sie sich erinnern können, ist das Bedeutsame.

4. Üben Sie. Erzählen Sie sich selber die Geschichte laut, sodass Sie sich an das Hören Ihrer eigene Stimme gewöhnen.

Lesen Sie die Geschichte einige Male durch. Dann geben Sie den Text weg und erzählen Sie die Geschichte einige Male auf Basis dessen, woran Sie sich erinnern. Sobald das getan ist, können Sie sich die geschriebene Geschichte noch einmal durchsehen, falls Sie einige wichtige Elemente vergessen haben sollten. Es ist wichtig, dass Sie nicht beginnen, die Geschichte auswendig zu lernen. Sie können die Handlung zeichnen, wie in einem Comic-

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Strip. Der Weg, sich die Geschichte zu merken, geht über die Fähigkeit, Bilder zu schaffen. Das ist es, was die Geschichte lebendig macht. Üben Sie jetzt, die Geschichte wie einen Film vor dem geistigen Auge zu sehen; es kann Ihnen helfen, wenn Sie sich eine vorherrschende Farbe vorstellen, die die Bilder kontrolliert – eine Farbe, die immer wieder in den verschiedenen Szenen der Geschichte auftaucht.

Schließlich sollten Sie sich die Geschichte immer wieder erzählen, vielleicht während sie mit etwas anderem wie Hausarbeit beschäftigt sind oder auf einem Spaziergang.

Dann sollten Sie die Geschichte jemand anderem erzählen, jemandem, den Sie kennen, ihren Kindern oder einem Freund. Es ist wichtig, zu bemerken, dass sich die Geschichte verändert, wenn jemand anderer zuhört; das ist ganz natürlich, weil die mündliche Geschichte in einer Begegnung Form annimmt.

Die Erzählsituation

Das sind Dinge, die eine gute Lehrer/in auch als guten Unterricht verstehen würde; auch guter Unterricht ist wie das Erzählen einer Geschichte. Wenn Sie die Geschichte erzählen, seien Sie Sie selbst und verwenden Sie Ihre natürliche Körpersprache. Versuchen Sie, persönliche Bewegungen wie das Fummeln mit ihren Händen oder das Gleichziehen ihres Sweaters oder das Schütteln ihres Haares zu vermeiden. Das hat mit der Geschichte oder dieser Situation nichts zu tun und es nimmt die Aufmerksamkeit von der Interaktion und der Geschichte. Um dies zu vermeiden, hilft es, mit jemandem zu üben, der einen darauf aufmerksam macht.

Wenn Sie eine Geschichte erzählen, stellen Sie Augenkontakt mit Ihren Zuhörern her, sodass Sie sich involviert fühlen und Sie die Situation besser unter Kontrolle haben.

Bevor Sie Ihre Geschichte erzählen, sollten Sie den Raum vorbereiten und sicherstellen, dass Sie jeden sehen können und dass jeder Sie sehen und hören kann.

Stellen Sie auch sicher, dass Sie das, was hinter Ihrem Rücken passiert, unter Kontrolle haben; stehen Sie z.B. nicht vor einem Fenster, denn die Zuhörer könnten nach draußen sehen und die Konzentration verlieren. Und bedenken Sie schließlich, dass

auch wenn nicht alle Zuhörer Ihnen in die Augen sehen, das nicht bedeutet, dass sie nicht zuhören. Wenn Sie unruhig werden, konzentrieren Sie sich auf die, die zuhören. Das schafft eine Atmosphäre der Konzentration, die jedem ermöglicht, Zuhörer zu werden. Bedenken Sie, dass wenn Sie unsicher werden, sich dies auch auf die Zuhörer überträgt und wenn Sie Wörter auslassen oder den roten Faden verlieren, muss das kein Problem sein. Sollten Sie vergessen, wo Sie in der Geschichte gerade waren, können Sie die Zuhörer einbeziehen und sie fragen, wo Sie in der Geschichte waren, und auf diese Weise bestätigt bekommen, dass sie zugehört haben.

Praktische Arbeit mit Geschichtenerzählen im Klassenzimmer

Im Tales-Projekt finden Sie viele gute Beispiele, wie mündliche Narrative im Klassenzimmer verwendet werden können. Dazu möchten wir auf zwei Langzeitprojekte hinweisen, die zeigen, dass mündliches Erzählen Einfluss in der Schule haben kann. Eines ist das gut eingeführte Projekt “Sprachlos” in Berlin, wo professionelle Geschichtenerzähler wöchentlich mehrere Schulen besuchen. Professor Kristin Wardetzky hat dieses Projekt initiiert und es zeigt, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund, die keine Beziehung zur deutschen Sprache hatten, sich so entwickelten, dass sie sich poetisch ausdrücken konnten. Ein anderes Projekt, “Geschichten erzählende Schulen”, das in Großbritannien durchgeführt wurde, zeigt, dass langfristig eingesetztes mündliches Erzählen die Schreibfähigkeiten der Schüler/innen verbesserte.

Lehrerin Erin McTigue20 sagte, dass die Phantasie ein gutes Hilfsmittel im Übergang zwischen mündlichem Erzählen und Lesen darstellt. Im mündlichen Erzählen kreieren die Schüler/innen innere Bilder, aber wenn sie diese beschreiben sollen, fehlt ihnen die Sprache, um sich auszudrücken und das schafft großen Anreiz für Lernen.

Es gibt eine Reihe von Prozessen, die stattfinden, während eine Geschichte erzählt wird, wie Zuhören, Respekt vor der Gemeinschaft, Sprachenlernen, die Fähigkeit Bedeutung hervorzubringen und ähnliches. Einige dieser Prozesse können geübt und auf andere Arten von Lernen und Lehren übertragen werden.

20 McTigue, 2010

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Hier sind einige praktische Übungen zum Zuhören:

Fragen stellen ohne Antworten Hier trainieren Sie die Zuhörfähigkeit, sodass Stille ein wichtiger Teil der Kommunikation wird. Alle Teilnehmer/innen sitzen in einem Kreis. Sie stellen Fragen aus der Luft. Geben Sie jeder Frage Raum, bevor die nächste Frage gestellt wird. Die Fragen werden nicht beantwortet, aber gehört. Die Fragen können alles sein, von sehr trivial bis hin zu existenzieller Bedeutung.

Zählen und Zuhören Der Zweck hier ist wieder die Verbesserung des Zuhörens. Alle Teilnehmer/innen sitzen mit geschlossenen Augen im Kreis. Die ganze Gruppe zählt gemeinsam bis 20. Sie planen NICHT, wer wann was zählt. Wenn mehr als zwei zur gleichen Zeit zählen, muss die ganze Gruppe wieder von vorne beginnen.

Wer hat was gesagt? Eine weitere Übung mit dem Schwerpunkt Zuhören. In dieser Übung sollten die Teilnehmer/innen einander ein bisschen kennen. Alle Teilnehmer/innen stehen ganz eng beisammen. Einer macht einen Schritt aus der Gruppe hinaus und steht mit dem Rücken zur Gruppe. Der Leiter zeigt auf drei in der Gruppe, die darauf etwas sagen. Der draußen Stehende sollte zuhören und feststellen, wer etwas sagte.

Das Lied erraten Hier bekommen die Teilnehmer/innen zusätzlich zum Hörtraining auch ein Training im Erzählen von Geschichten. Alle Teilnehmer/innen schreiben einen Titel eines bekannten Liedes nieder. Diese Zettel werden eingesammelt und auf einen Stoß gegeben. Dann nehmen die Teilnehmer/innen einen Zettel vom Stoß und erfinden eine Geschichte zu diesem Titel. Sie erzählen die Geschichte einem Partner. Der Partner muss erraten, um welches Lied es sich handelt.

Aktive und uninteressierte Zuhörer Diese Übung zeigt deutlich, was passiert, wenn die Zuhörer nicht aktiv sind, und es kann als Provokation gesehen werden. Die Gruppe wird geteilt; sie sitzen auf Sesseln mit ihren Gesichtern zueinander. Sie sitzen so, dass nur die Zuhörer die Lehrer/innen sehen können. Ein anderer ist ein Geschichtenerzähler und erzählt eine Geschichte, es wird immer weiter erzählt, egal was passiert und sie können die Zuhörenden nicht körperlich angreifen. Die

Lehrer/in bewegt sich von einer Wand zur anderen. Je näher die Lehrer/in zur Wand kommt, desto uninteressierter werden die Zuhörer an dem, was erzählt wird und sie zeigen das. Die Lehrer/in dreht sich um und geht zurück, und dann zeigen die Zuhörer langsam wieder Interesse.

Die Geräuschkulisse Die Gruppe wird geteilt. Jede Gruppe macht eine Geräuschkulisse für einen bestimmten Ort, z.B. einen Bahnhof, ein Krankenhaus. Keine verbalen Äußerungen sind erlaubt, nur Gobbledygook (erfundene Sprache). Sie machen jedoch Geräusche, von denen sie meinen, dass sie diesen Ort illustrieren. Wenn die Gruppen ihre Geräusche vorführen, sitzen sie mit dem Rücken zur anderen Gruppe. Die andere Gruppe muss erraten, um welchen Ort es sich handelt. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Kombination von Hören und Assoziation.

Zwei Gespräche Diese Übung verbessert die Fähigkeit zum konzentrierten Zuhören. Die Teilnehmer/innen teilen sich in Dreiergruppen. Sie sitzen auf Sesseln, mit einer Person in der Mitte, die beiden anderen sind mit ihren Gesichtern dem in der Mitte zugewandt. Die Teilnehmer/innen auf jeder Seite beginnen gleichzeitig ein Gespräch mit dem in der Mitte. Die Person in der Mitte versucht das Gespräch mit beiden fortzusetzen, als ob der andere nicht da wäre.

Rätsel Wenn jemand eine Geschichte erzählt hat, ist es normal, mit den Zuhörer/inne/n in einen Dialog zu gehen, aber Dialoge müssen auch geübt werden. Daher kann es sinnvoll sein, mit Rätseln zu arbeiten. Rätsel sind wie das Leben in Miniatur. Sie faszinieren alte und junge Menschen und werden als narrative, Lern- und didaktische Hilfsmittel unterschätzt. Sie können Rätsel als treibende Kraft in der griechischen Ödipustragödie finden und als Teil des großen indischen Mahabharataepos. Hier haben Sie Spannung und Läuterung innerhalb einer kurzen Zeitspanne. Das Rätsel fügt sich sowohl in eine Unterrichtsstunde wie auch eine Geschichtenerzählstunde gut ein.

Was ist stärker als Gott und schlechter als der Teufel?Der Tod frisst es, aber wenn du es isst, wirst du sterben. (Nichts)

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Ola hatte zwei Brüder. Seine Schwester Eva hatte genauso viele Brüder wie Schwestern. Wie viele Kinder sind in der Familie? Wie viele Mädchen und wie viele Buben ? (3 Brüder und 4 Schwestern).

MinutenkrimisDiese sind eine Fortsetzung und Erweiterung der Rätsel und eine Übung im logischen Denken. Auf Grund von konkreter Information wird abstraktes Denken stimuliert, um das Problem zu lösen. Hier sind die Regeln für die Teilnahme. Um die Antwort auf das Rätsel zu finden, müssen die Teilnehmer/innen dem Geschichtenerzähler Fragen stellen. Die Erzähler können nur mit „Ja/ Nein“ oder “unwichtig” antworten.Eine Frau schob ihr Auto bis sie zu einem Hotel kam. Als sie dort ankam, wusste sie, dass sie bankrott war. Was ist geschehen? (Sie spielte Monopoly.)Ein Mann lief in ein Restaurant und bat um etwas zu trinken. Der Mann hinter dem Tresen nimmt ein Gewehr und schießt an die Decke. Warum? (Der Gast hatte Schnackerlstoßen)

Weitere hilfreiche Übungen finden Sie auch auf der Website des ehemaligen multilateralen Grundtvig-Projekts Sheherazade, 1001 Stories for Adult Learning: www.sheherazade.eu.

Digitales GeschichtenerzählenNicoletta Di Blas (POLIMI), Patricia Huion (UCLL)

Was verstehen wir unter digitalem Geschichtenerzählen?

“Digitales Geschichtenerzählen” (kurz DST) ist eine Form technikgestützter Kommunikation, die ursprünglich Menschen ermöglichte, selbst Aspekte ihres Lebens, ihrer Erfahrungen und ihre persönliche Geschichte zu erzählen.

In der Wikipediadefinition ist DST „eine Kurzform einer digitalen Medienproduktion, die es Menschen ermöglicht, Geschichten aus ihrem täglichen Leben mitzuteilen. Die verwendeten Medien können digitale Entsprechungen von Filmtechniken (full-motion Video mit Ton), Animation, Standbilder, nur Ton, oder jede andere Form nicht-körperlicher Medien beinhalten”.

„Digitales Geschichtenerzählen ist nicht nur Transfer von Wissen; es ist auch eine Bewegung, um die Stimme der Gemeinschaft zu stärken. Jeder kann mitmachen, denn jeder hat eine Geschichte zu erzählen.”21

Digitales Geschichtenerzählen ist ein persönliches Online-Narrativ in einem digitalen Format. Es kann auch außerhalb von Institutionen oder Organisationen stattfinden, obwohl Organisationen wie Museen und Bibliotheken digitales Geschichtenerzählen verwenden, um die Ziele ihres Engagements für die Gesellschaft erreichen zu helfen.

Im Gebiet des kulturellen Erbes wird digitales Erzählen in Museen als weiteres Mittel eingeführt, um Objekte zu kontextualisieren oder in Ausstellungen persönliche Geschichten, die Bezüge mit historischen Ereignissen haben, zu inkludieren. Das Ziel ist, Objekte zu „de-institutionalisieren” und sie Besucher/inne/n näher zu bringen und damit relevanter zu machen. Zwei berühmte Beispiele sind „Objektgeschichten” des Portland Museums, ein Projekt, das Menschen einlädt, Geschichten über Dinge zu erzählen, die für sie wichtig sind – ob es eine Postkarte ist, eine militärische Medaille, ein Kinderspielzeug oder ein iPhone. Menschen betreten eine Zelle, in der sie ihre Geschichte aufnehmen können und es werden Bilder von ihnen mit dem Objekt gemacht.22 Ein weiteres Beispiel ist das Australische Zentrum „for the Moving Image”.23 Das ACMI hält regelmäßig Workshops, um Menschen zu unterstützen, ihre persönliche Geschichte mithilfe von Multimedia-Werkzeugen zu erzählen. Teilnehmer/innen kombinieren audio-visuelle Ressourcen ihrer persönlichen Archive (Fotografien, Videomaterial, Text, Musik und Ton), um eine 3-4 minütige persönliche Geschichte zu erzählen.

„Digitales Geschichtenerzählen ist im Grunde die Praxis der Verwendung computergestützter Tools, um Geschichten zu erzählen. Es gibt eine Menge anderer Fachausdrücke, um diese Praxis zu beschreiben, wie digitale Dokumentation, computer-gestützte Narrative, digitale Essays, elektronische Memoiren, interaktives Geschichtenerzählen usw.; aber im Allgemeinen kreisen sie alle um die Idee des Kombinierens der Kunst des Geschichtenerzählens mit einer Auswahl von multimedialen Werkzeugen, inklusive Grafiken, Audio, Video und Webpublishing.”24

21 Burgess, 200622 http://objectstories.org/23 www.acmi.net.au24 Digital Storytelling Center – University of Houston

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Zwei berühmte Pioniere sind Joe Lambert, einer der Begründer des ‚Center for Digital Storytelling‘ (CDS) in Berkeley, Kalifornien, und der britische Fotograf Daniel Meadows. Der letztere definiert DST als „Multimediasonette des Volkes”, in dem “Fotografien das Sprechen entdecken und die Geschichten werden erzählt als Teile eines Puzzles, eine Menge unsichtbarer Geschichten, die, wenn sie gemeinsam angesehen werden, die größere Geschichte unserer Zeit ergeben, die Geschichte, die definiert, wer wir sind.”

Heute wird die Verwendung digitalen Geschichtenerzählens in örtlichen Gemeindezentren praktiziert, in Schulen, Bibliotheken und Unternehmen, sowohl von Anfängern in der Verwendung der Technik als auch von solchen mit fortgeschrittenen Fertigkeiten. Auf dem Gebiet der Bildung verwenden Lehrer/innen und ihre Schüler/innen von früher Kindheit bis zum Abschluss in ihren Klassenzimmern digitales Geschichtenerzählen auf viele verschiedene Arten und in vielen Gebieten durch und über viele Niveaus (Digital StorytellingCenter - Houston University).

Digitales Geschichtenerzählen als Unterrichtsmethode

Immer mehr Lehrer/innen in den USA, Kanada und Australien verwenden digitales Geschichtenerzählen in ihren Klassen. Wir beziehen uns auf Carole McCulloch, die meint:

„Digitales Geschichtenerzählen ist eine innovative Praxis, die von Pädagog/innen aller Sektoren in Australien verwendet wird. Lehrer/innen in der Primar-und Sekundarstufe, in der Gemeinde und in tertiären Institutionen haben sich dieses mächtige Medium zunutze gemacht für breite Anwendungsmöglichkeiten im Lehren und Lernen.”25

Ohler ist überzeugt, dass, egal welche neue Technologie auftaucht, wir immer Wege finden werden, mit ihnen Geschichten zu erzählen. Bernajean Porter bezieht sich auf die Zweifel der mündlichen Geschichtenerzähler, dass im Zuge des digitalen Erzählens die Geschichte verlorengeht. „Traditionelle Geschichtenerzähler sind besorgt, dass wegen der Neuheit und dem Spaß an der Technik der multimedialen Tools die Qualität der Geschichten in Gefahr ist. Es ist eine realistische Befürchtung,

25 Frazel, 2010 p.15

dass sich neue Geschichtenerzähler, die als Technikliebhaber beginnen und sich für digitales Geschichtenerzählen interessieren, tatsächlich mehr auf die technischen Aspekte, die sie kennen und mögen, konzentrieren als auf den kulturellen Reichtum und die Kunst des Geschichtenerzählens. Wenn es keine substantielle Geschichte zu erzählen gibt, werden auch teure digitale Tools sicher nicht genügend Zutaten beisteuern, um eine starke gefühlsmäßige, beständige Kraft zu erzeugen”.26 Was wir brauchen, sind Geschichten, Geschichtenerzähler und neue Geschichtenbewahrer, die die Geschichten unserer Zeit erzählen. Ohler erwähnt auch das Bedürfnis nach Geschichten in digitalen Zeiten mit ihrer Überfülle an Information und Perspektiven, die im Widerstreit stehen. Geschichten werden zur Metapher in unserer Zeit und sie werden in der Sprache der Zeit erzählt werden, die digital ist:

„… wir alle werden unseren Weg finden, unsere Geschichten auf unsere Weise zu erzählen. Digitale Kameras, Malprogramme, Musik-Keyboards, Wortverarbeitungsmaschinen und Internet-Apps – genauso wie all die Technologien, die um die Ecke auf uns warten und die wir wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können – stellen uns neue Wege zur Verfügung, um Selbstausdruck individueller werden zu lassen. Und Dank Web 2.027 ‒ die Bezeichnung, die oft verwendet wird um das Internet als verteiltes, kollaboratives und demokratisches Gemeingut zu bezeichnen – haben wir eine internationale Bühne für Geschichten, die wir erzählen.”28

Und es gibt ein Bedürfnis, digitale Geschichten aus Bildungskontexten mitzuteilen und somit eine Brücke in die Welt draußen zu schlagen, aus vermehrt kulturell diversen Klassenzimmern zu Online-Lerngemeinschaften und in Fernlern- und Blended learning- Umgebungen, die in der Fortbildung immer beliebter werden, genauso wie in Ausbildungsprogrammen. Anweisungen im digitalen Geschichtenerzählen führen zu Online-Lernerfahrungen, bei denen Lernende die Vorteile digitaler Tools über ihre PCs nützen können, um ihre Hausübungen zu vervollständigen, mit ihren Lehrer/innen und Mitschüler/innen zusammenzuarbeiten und ein Endprodukt online zu präsentieren.29

26 Porter, 2004, loc.61-7427 O’reilly, 200528 Ohler, 2013 p. 429 Frazel, 2010 p. 146

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Im digitalen Geschichtenerzählen verlassen wir uns auf unterstützende Technologie, die es jedem ermöglicht, eine Geschichte zu gestalten und zu veröffentlichen, was der wichtigste Aspekt bei digitalen Geschichten ist und wo das digitale Zeitalter der stärkste Verbündete ist:

„Es wurde mit klar, dass unsere Abhängigkeit von Geschichten tief verwurzelt ist und dass Geschichtenerzählen mit Technik diese Tatsache nur verstärkt.”30

Wichtigste Ressourcen

So wie mündliches Erzählen mit mächtigen Großbrüdern und ihren „alten Weibergeschichten” verbunden ist, so hat digitales Geschichtenerzählen einen berühmten Großvater: Dana Atchley. Er war derjenige, der eine Welle digitalen Geschichtenerzählens auslöste und wir möchten gerne sein meilensteinsetzendes Beispiel teilen: Next Exit (http://youtu.be/bKuGpBaWqQk).

Pioniere im digitalen Geschichten erzählen als pädagogischer Zugang waren Bernajean Porter, Joe Lambert, Gail Mattheus-DeNatale und Carole McCulloch.

Bücher wie Digitales Storytelling, Capturing Lives, Creating Communities (Lambert, 2002), DigiTales: The Art of Telling Digital Stories, (Porter, 2004), Digital Storytelling Guide for Educators (Frazel, 2010), Digital Storytelling Cookbook (Lambert, 2010), Digitales Geschichten erzählen im Klassenzimmer. Zweite Ausgabe. New Media Pathways to Literacy, Learning, und Creativity (Ohler, 2013) kommunizieren ihre Begeisterung für Geschichten, Technologie und Bildung.

Wir haben auch viele Beispiele, Lerntipps und Workshops auf Webseiten wie die folgenden gefunden: http://innovateandintegrate.flexiblelearning.net.au, http://digitales.wikispaces.com, www.digitalis.us, www.storycenter.org, http://www.storybird.com/educators/http://www.digitalstorytelling.hu.nl/DST/welkom.htmlhttp://digitalstorytelling.coe.uh.edu/Beispiel_Geschichten.cfmhttp://jasonohler.com/storytelling

30 Ohler, 2013 p.7

http://www.creativenarrations.net/site/storybook/http://nextvista.orghttp://edtechlife.com

Schließlich möchten wir auch noch gerne MOOCs empfehlen, die von Iversity die Zukunft des Geschichtenerzählens genannt werden: www.youtube.com/user/officialstoryMOOC . Sie ermöglichen es, digitale Geschichten aus einer Medienperspektive zu erzählen und innerhalb einer TV-Serie, Geschichtenerzählen im TV, Web-Serien und mehr, Geschichtenerzählen in digitalen Spielen, Entering Reality: the extended screen/location-based storytelling & augmented reality und transmedia storytelling.

Pädagogischer Rahmen

Die offene Universität im GB sagt vorher, dass Narrative als Bildungsinnovation bis 2018 implementiert sein werden.31 Also müssen wir uns die Frage stellen, welche Art von Lernen durch digitales Geschichtenerzählen eingeführt wird.

Digitales Geschichtenerzählen wurde mit „reflective learning” in Zusammenhang gebracht (McDrury und Alterio, 2003), mit tiefem und Portfoliolernen (Barrett, 2005), technik-integrierendem und authentischem Lernen (Sadik, 2008), technologischem und pädagogischem inhaltlichen Wissen (TPCK) (Robin, 2008), projektbasiertem Lernen (TechLehrer/innen, 2010) und fragengestütztem Lernen (Ohler, 2013).

Sadik (2008) gibt einen inspirierenden historischen Überblick, wie digitale Medien und digitales Erzählen langsam Eingang in Bildungskreise fanden und über die verschiedenen Ansichten darüber.

Ohler z.B. vergleicht die Heldenreise (Campbell, 1949) mit der Instruktionseinheit eines Lernenden. Der Held, der mit einem Problem oder einer Herausforderung konfrontiert ist, ähnelt dem Lernenden, der eine Aufgabe oder Recherche durchführt. „Der Student, der Geschichte lernt, ist der Held, der von der Recherche zur Entdeckung gelangt und im Finale das anwendet, was er gelernt hat. Das erwachende Selbst ist derjenige, der sein Nichtwissen und Mangel an Verständnis zurückstößt und am Ende zu einem neuen Verständnis von sich selbst und der Welt

31 Sharples et al., 2014

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gelangt. In anderen Worten, die Transformation ist das Lernen, das die Fertigstellung einer Aufgabe erfordert (...) Geschichten verwenden Rhythmus und Antizipation, um Lernende emotional zu involvieren, die oft keine anderen Zugänge zum Lernen haben. Schüler/innen kommen schon mit einem Verständnis der Form einer Geschichte in die Schule und erwarten, dass sie sie auch verwenden können (Egan, 1989). Es macht Sinn, dass wir das Erzählen als Methode betrachten”.32

John Seely Brown stimmt zu, dass wir es als Methode verwenden sollten: „Ich bin besonders interessiert am digitalen Geschichtenerzählen, auf neue Art multiple Medien zu verwenden um Geschichten zu erzählen und an der Fähigkeit von Kindern, die jetzt in einer digitalen Welt aufwachsen, neue Wege des Erzählens von Geschichten zu finden.”33

Diese neuen Wege und neuen Geschichten erfordern jedoch noch weiteres Forschen.

Wie macht man eine digitale Geschichte?

Inspiration

Die obengenannte Literatur bietet viele gute Beispiele von digitalem Geschichtenerzählen. Wir unterscheiden zwischen Form und Inhalt, um die Vielzahl von Möglichkeiten zu diskutieren, die Ihre Schüler/innen inspirieren könnten.

Viele digitale Geschichtenerzähler beginnen mit einem digitalen Fotoessay: „die Ablaufplanung einer Reihe von Bildern und dann das Hinzufügen von passender Musik, um eine Erfahrung visuell mitzuteilen”.34 Frazel bezieht sich auf e-scrap-Bücher und e-Portfolios, die visuelles und Tonmaterial in digitalisierte Scrap-Bücher und Portfolios einfügen.

Digitales Geschichtenerzählen wird oft mit digitalen Filmen verwechselt. Es gibt jedoch drei wichtige Unterschiede zwischen den beiden:„Erstens verwenden digitale Geschichten eine Bandbreite von Multimedia (Stimmnarration, Animation, gescannte Erinnerungsstücke oder Standbilder) und inkludieren vielleicht 32 Ohler, 2013, p.10033 http://digitalstorytelling.coe.uh.edu/page.cfm?id=27&cid=2734 Porter 2004, loc 615

nicht einmal Videoclips. Zweitens das persönliche Erzählen der Geschichte durch die Stimme des Erzählers gibt der Erfahrung Sinn, bzw. ist essentielle Information für alle digitalen Geschichten, ist aber vielleicht nicht Teil des visuellen Ausdrucks in einem guten Film. Drittens macht die Erwartung eines persönlichen Narrativs die Konstruktion einer digitalen Geschichte besser geeignet für individuelle Projekte als für Gruppenprojekte. Jede Produktionsentscheidung zeigt die intime Verbindung eines Individuums mit seinem Thema. Der Autor lebt mehr in seiner Erfahrung, als dass er etwas über ein ‚Thema erzählt’. Eine digitale Geschichte teilt das Wissen und die Erfahrung mehr durch das Herz mit als mit dem Verstand. Das ist eine Option, aber keine Voraussetzung für einen guten Film”.35

Ähnlich ist das Genre eines YouTube Clips unterschiedlich zum digitalen Geschichtenerzählen. Gemein haben sie wiederauftauchende Charaktere und Themen, Witze, drei voneinander abhängige Brennpunkte die die Mechanik des Videoherausgebens, die Techniken modernen Geschichtenerzählens, die Integration von Inhalt und Medium und das Hinzufügen von Musik beinhalten.

Der wichtigste Unterschied, jedoch, und der wichtigste Aspekt digitalen Geschichtenerzählens, nämlich die „voice-over“ (Hintergrundkommentar), ist kein charakteristisches Merkmal eines YouTube Clips:

“Das Erzählen der Geschichte in der ersten Person ist das Kennzeichen eines Musterbeispiels einer digitalen Geschichte. Egal welche Art von Geschichte Sie erfinden, bedenken Sie, dass es das Herzstück jeder Geschichte ist, seine eigene Geschichte auszudrücken. Stellen Sie sicher, dass die Geschichte, die Sie erzählen, ihr eigenes Denken, den Geist und Standpunkt unabhängig vom Inhalt weiter entwickelt. Seien Sie in jeder ihrer Geschichten präsent. Eine Geschichte wird besonders stark, indem man sie „aufführt”, mit Ihrer Stimme in einem persönlichen Modus und nicht in einem „Lesemodus“ eines Beobachters.36

35 Ibid., loc 64536 Porter, 2014, loc 1273

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Das Aufzeigen der Reichweite des digitalen Geschichtenerzählens aus inhaltlicher Sicht könnte Ihre Schüler/innen inspirieren, ihre eigene Geschichte zu kreieren. Porter unterscheidet:

• persönliche Geschichten: lebendige Erinnerungen schaffen • Verwandtschaftsgeschichten: Familiengeschichten – wer wir

sind • hyper-interaktive Geschichten: Gruppengeschichten mit

diversen Pfaden und Endungen mit persönlichem Ausdruck: • Schaffen visuellen Ausdrucks von Gedanken und Gefühlen • Mythen, Legenden und Geschichten: Vergangenheit,

Gegenwart und Zukunft • informative oder erklärende Geschichten: Information über

Worte hinaus • überzeugende Geschichten: Andere beeinflussen und

beeindrucken • Itza Wrap: Geschichten über Gelerntes • Zukunftsvisionsgeschichten: Stelle dir die Zukunft JETZT

vor37

Empowerment

Digitales Geschichtenerzählen ist eine mediale Art Geschichten zu erzählen. Deshalb sollten Schüler/innen ein iMovie erstellen können oder MovieMaker kennen oder sie sollten Tutorials besuchen, um zu lernen, wie man diese Apps verwendet. Peer-Lernen in der Verwendung von „digital tools“ kann ebenfalls sehr bestärkend sein.Nach dem Verbessern der digitalen Fertigkeiten machen wir uns daran, die Geschichtenfertigkeiten zu verbessern. Es mag wohl wahr sein, dass wir von Geschichten täglich umgeben sind und Geschichtenerzählen verwenden, um auszudrücken, zu erklären, anzuschließen, und doch fühlen wir uns leicht eingeschüchtert, wenn wir eine Geschichte aus dem Boden stampfen sollen. Es ist so ähnlich wie in der Geschichte vom Tausendfüßler: wir sind immer gegangen, aber wenn jemand sagt, und jetzt sollst du gehen, klingt das vielleicht schwierig. Vielleicht wissen wir nicht, welches Tun es ist, das wir als Gehen bezeichnen. Daher raten wir nicht nur dazu, Beispiele zu geben, sondern auch einige Tipps. Das wird ihnen nicht zeigen, wie man mit einer digitalen Geschichte anfängt, aber es gibt ihnen einige „Kieselsteine”, um ihren Weg zu finden.

37 Ibid., loc 1291

Quellen, die die das Erstellen einer Geschichte verbessern können:

• Burke’s dramatische Pentas,38 • Campbell’s Heldenreise39 • Dillingham’s Visuelles Porträt einer Geschichte.40 • 8 Schritte zu großartigem digitalen Geschichtenerzählen“http://

samanthamorra.com/2013/06/05/edudemic-article-on-digital-storytelling/

“Im mündlichen Erzählen wird die Bedeutung einer Geschichte durch den Ton der Stimme, Geschwindigkeit, Gestik und Körpersprache mitvermittelt. In digitalen Medien kann der Sinn einer Geschichte ebenso durch das Erzählen mit Bildern, Farbe, Schriftarten, Toneffekten, Musik, Übergängen, Animationen, Spezialeffekten, Geschwindigkeit und Bild-/Videobestandteilen vermittelt werden.” 41

Ohler bietet eine Hilfestellung, um digitales Geschichtenerzählen zu definieren. Ist ihre digitale Geschichte “klar wie ein Essay” oder “herausfordernd wie ein Gedicht”; eine Mini-dokumentation oder eine Form des Selbstausdrucks; resonierend (mit Bezug auf Geschichten aus dem Publikum) oder nicht-resonierend (Augen öffnend); ist es eine Geschichte oder ein Bericht; ist aktives (z.B. Notizen machend) oder passives Zusehen verlangt; ist es Lehren über mich selbst oder etwas anderes.

Diese Optionen können mit Fragen in Lambert’s Digitalem Geschichtenerzählkochbuch (2010) verbunden werden: bleiben Sie bei Ihrer Einsicht, Ihren Gefühlen, finden Sie den Moment, sehen Sie Ihre Geschichte, hören Sie Ihre Geschichte, stellen Sie Ihre Geschichte zusammen, veröffentlichen Sie Ihre Geschichte.

In der Reaktion auf diese Optionen und Fragen entsteht eine Vorstellung des Rahmens Ihrer Geschichte.

Lernen

Digitales Geschichtenerzählen wurde ins nationale Curriculum in Australien aufgenommen, ebenso in Kanada und den USA.

38 http://blueprintingrhetoric.wirebly.com/dramatic-pentad.html39 http://www.sfcenter.ku.edu/Workshop-stuff/Joseph-Campbell-Hero-Journey.htm40 http://www.jasonohler.com/pdfs/VPS.pdf41 Porter 2004, loc 645

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Ohler fasst zusammen, dass digitale Geschichtenerzähler ihre Kompetenzen in digitalen Technologien verbessern, doch auch in Kunst, Mündlichkeit und Schreiben. Sie lernen „creatically” zu denken, eine Kombination von kritischem Denken und Kreativität. Sie verwenden divergentes Denken, Fehler als Lernchance und verbessern ihre Gefühlsreife, wenn sie sich die Reaktion ihres Publikums vorstellen.

Porter hat die Lernmöglichkeiten noch detaillierter dargestellt:

1. Kognitive Lehrzeit — durch Ausüben von echter Arbeit und digitaler Kommunikation

2. Kreativität und erfinderisches Denken — durch das Schaffen von multi-sensorischen Erfahrungen für andere

3. Denkfertigkeiten auf höherer Ebene (HOTS) — Hinausgehen über bereits existierende Information durch Hinzufügen von persönlicher Bedeutung und Verständnis

4. Dauerhaftes Verständnis — indem man die Geschichte, von der was man weiß und die man versteht, mit jemand anderem teilt, entwickeln die Autoren eine tiefere Bedeutung für sie selbst zu diesem Thema

5. Visuelle Fertigkeiten — indem man Bilder verwendet, um die Geschichte zu zeigen und nicht nur zu erzählen

6. Technische Fertigkeiten — im Meistern des Handwerkszeugs, um aussagekräftige Kommunikation herzustellen, nicht nur die Werkzeuge zu verwenden, sondern sie zu mischen und tanzen zu lassen, um zu tieferem Verständnis beizutragen

7. Medienfertigkeiten für Information — Denken, Lesen, Schreiben und Designen für effektive Medieninformation

8. Effektive Kommunikation — Lesen und Schreiben über Worte hinaus

9. Multiple Intelligenzen und Lernstile — Schüler/innen haben nicht nur die Gelegenheit ihren bevorzugten Lernstil zu wählen, sondern ihn auch in der Praxis anzuwenden

10. Teamarbeit und Zusammenarbeit — wachsende Fertigkeiten durch Übungsmöglichkeiten und Koproduktion in Gruppenprojekten

11. Projektmanagement Mentalität — Melvin Levin’s Herausforderung für Schüler/innen, Zeitmanagement in komplexen, aus dem Leben stammenden Aufgabenstellungen zu lernen und erfolgreich Deadlines einzuhalten

12. Verbundenheit erforschen — Melvin Levin’s Untersuchungsergebnis, dass wenn Schüler/innen

bedeutungsvolle, engagierte Arbeit leisten, sie sich selbst als erfolgreiche Lernende erleben. Zusammengefasst inOhttp://langwitches.org/blog/wp-content/uploads/2009/12/Digital-Storytelling-Guide-by-Silvia-Rosenthal-Tolisano.pdf)

Publizieren und präsentieren

Digitale Geschichtenerzähler veröffentlichen ihre Geschichten auf online-Plattformen oder zeigen sie live einem Publikum. Diese Direktheit ist nicht immer gegeben. So müssen digitale Geschichtenerzähler darüber nachdenken, wie sie ihr Publikum erreichen, das nicht anwesend ist. Sie müssen auch über einen dauerhaften Kontext nachdenken, wohingegen mündliche Erzähler im Moment sind und während des Erzählens ihre Geschichte auf Grund der Publikumsreaktionen verändern können. Dies stimuliert digitale Erzähler dazu, über ihr Publikum und ihre Interaktion mit ihm nachzudenken, und es verbessert auch die Qualität ihres Produkts, denn „wenn Schüler/innen wissen, dass sie ihre Geschichte veröffentlichen, werden sie das Material gründlicher bearbeiten und es gibt eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie das Gelernte eine lange Zeit behalten”.42

Reflexion

Schließlich, sogar wenn wir geborene Geschichtenerzähler sind, haben doch viele Menschen so etwas wie Lampenfieber. Die Idee, eine Geschichte zu produzieren, die immer wieder von Menschen außerhalb des Klassenzimmers angesehen wird, kann schon einschüchternd wirken. Es mag ratsam sein, sich dieser menschlichen Stummheit anzunehmen und Lamberts Erklärungen, wie man Schüler/innen „auftaut“, anzusehen. Es kann Zeit sparen, diese Stolpersteine zu visualisieren, sodass die digitalen Erzähler sie erkennen können und ihre Geschichte weiterentwickeln können:

• Überladene Gedächtnisspeicher: Bürger des 21. Jahrhunderts leiden an einem Geschichtenüberfluss und haben nicht mehr die epigrammatischen Fähigkeiten der mündlichen Erzähler des Filterns, Ablegens und Wiederverpackens zum Kreieren von Geschichten.

42 David D. Thornburg in Ohler 2013, p VII

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• Der Herausgeber: ein Stimmengewirr in unserem Kopf, das uns sagt, dass wir keine Geschichte zu erzählen haben oder dass wir nicht kreativ genug sind.

• Gutes Konsumenverhalten: wir ziehen es vor, Konsumgüter zu kaufen um unsere eigene Identität zu finden, als die Herausforderung einer persönlichen Geschichte anzunehmen.

Wir meinen auch, dass der Anschluss an eine Lerngemeinschaft wie https://www.facebook.com/groups/storiesforlearning/ es leichter macht, ein digitaler Geschichtenerzähler zu werden.

Wie macht man eine digitale Geschichte? – Der PoliCultura-Zugang

Wie oben gezeigt, kann DST im Unterricht auf viele Arten ausgelegt werden. Hier möchten wir ihnen den speziellen Zugang von “PoliCultura” zeigen, der in Italien von HOC-LAB (Politecnico di Milano) seit 2006 angewendet wird und dann vom TALES-Projekt angenommen und adaptiert wurde.

Ein bisschen Geschichte

PoliCultura ist eine Initiative für DST in der formellen Bildung, für alle Niveaus von der Vorschule bis zur Oberstufe. Sie basiert auf einem Autoren-Erstellungs-Hochladetool, das, als es 2006 zum ersten Mal angewendet wurde, „1001Geschichten” genannt wurde und das sich jetzt zu 1001Geschichten+ und 1001Stimmen (eine mehrsprachige Version speziell für das TALES-Projekt entwickelt) weiterentwickelt hat.

Der Wettbewerb von PoliCultura wurde zum ersten Mal im Schuljahr 2006-07 ausgeschrieben; bisher haben mehr als 30 000 Schüler/innen, die meisten aus Italien, aber auch aus anderen Teilen der Welt (Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Iran, Lettland, Libanon, Somalia, Spanien, Schweiz, USA) teilgenommen. Mehr als 1500 Geschichten wurden bisher erstellt.

PoliCultura wird von HOC-LAB, einem Labor der Abteilung für Elektronik, Information und Bioingenieurswesen des Polytecnico di Milano, einer der größten technischen Universitäten Europas,

bereitgestellt. Innerhalb von PoliCultura erstellen Gruppen von Schüler/innen/Klassen gemeinsam unter der Führung ihrer Lehrer/innen ein interaktives multimediales Narrativ. Fernzusammenarbeit zwischen Klassen ist möglich, aber nicht verpflichtend.

Seit dem Schuljahr 2013-14 ist PoliCultura der offizielle Schulwettbewerb der Expo in Mailand 2015 (die Internationale Weltausstellung in Mailand, Italien, 2015). Im Jahr 2014-15 fand eine spezielle Ausgabe für das TALES-Projekt statt, mit dem Schwerpunkt auf Schlüsselkompetenzen.

Wesentliche Merkmale

Das sind die wesentlichen Charakteristika von PoliCultura:

• PoliCultura ist gemeinschaftlich: ganze Klassen oder Gruppen von Schüler/innen erstellen gemeinsam eine Geschichte.

• In PoliCultura nehmen die Lehrer/innen eine Schlüsselrolle ein, sind sozusagen „Dirigenten“.

• Die Narrative sind auf die eine oder andere Weise mit dem Curriculum und/oder einer Schulaktivität verbunden.

• Am Ende der Lernerfahrung wird ein breites Spektrum von Nutzen anerkannt, das nicht immer nur mit dem Kommunikations- und Selbstausdrucksspektrum verbunden ist.

Figure 1 Screenshot of a narrative by a high-school; on the right, the chapters and sub-chapters can be seen

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Aber gehen wir ins Detail der einzelnen Merkmale:

Zusammenarbeit: Das Erstellungstool zwingt die Autoren, eine interaktive Geschichte zu erstellen, in der Weise, dass die Geschichte selbst in Elemente unterteilt ist (Kapitel und Unterkapitel) durch die der Endverbraucher frei browsen kann, sobald die Arbeit getan ist (figure 1). Es ist so einfach, fast offensichtlich für Lehrer/innen, ihre Klasse in Gruppen zu unterteilen, von denen jede für einen bestimmten Teil der Geschichte verantwortlich ist. Die großen Entscheidungen werden gemeinsam getroffen: das behandelte Thema, die Erstellung des Ablaufplans der Geschichte, ob das Endergebnis gut ist und wie man Fehler verbessern könnte, aber gleichzeitig hat jede Gruppe und innerhalb jeder Gruppe jede/r Schüler/in eine spezifische Rolle zu spielen. Das Endergebnis ist daher eine “Gruppenleistung”.

Lehrerrolle: In dem oben beschriebenen Szenario von parallel auf ein gemeinsames Ziel hin arbeitenden Gruppen spielen die Lehrer/innen die fundamentale Rolle eines Dirigenten, mit einigen Variationen je nach dem Alter der Schüler/innen. Die Lehrer/innen werden dabei vom Inputgeber zu Moderator/innen, die mit ihren Schüler/innen die bedeutenden Wendepunkte der Arbeit diskutieren (das Gesamtthema, die Struktur der Geschichte …) und dann die Aktivitäten der Kinder anleiten (z.B. die Gruppenzusammensetzung festlegen oder das Austauschen eines Gruppenmitgliedes falls notwendig) und sicherstellen, dass alles zur rechten Zeit und mit entsprechender Genauigkeit getan wird.

Die Anleitung, wie man an PoliCultura teilnehmen kann, ist absichtlich nur skizzenhaft, um Lehrer/innen Raum zu geben, ihre eigene Arbeit mitzugestalten im spezifischen Kontext, in dem sie stattfindet.

Beispiel 1: In einigen Fällen möchten Lehrer/innen entscheiden, wie die Gruppen zusammengesetzt werden, um die Inklusion von unbeliebten oder problematischen Schüler/innen zu fördern.

Beispiel 2: Manchmal entscheiden Lehrer/innen, welche Aufgaben die Schüler/innen übernehmen je nach ihren Talenten (zeichnen, darstellen, Texte schreiben …); in anderen Fällen möchten Lehrer/innen, dass alle Schüler/innen alle Aufgaben probieren.

Beispiel 3: Lehrer/innen könnten entscheiden, dass sie alle technischen Aufgaben übernehmen (typischerweise in der Vorschule); andere möchten alle technischen Aufgaben den Schüler/innen überlassen (besonders in der Oberstufe).Diese Beispiele zeigen, dass die PoliCultura-Erfahrungen von einem pädagogischen Standpunkt von den Lehrer/innen auf verschiedene Weise interpretiert werden können.

Verbindung mit dem Curriculum: innerhalb von PoliCultura sind Schulen frei, jeden Gegenstand zu bearbeiten, den sie wollen. Über die Jahre sind so Geschichten über die verschiedenartigsten Gegenstände zusammengekommen, von Physik (ein kleiner Pirat, der die „Schwebegesetze“ braucht, um ein neues Schiff zu bauen) bis römische Geschichte (eine Oberstufenklasse, die Pompeji für eine Nacht wieder zum Leben erweckt). Diese Wahlfreiheit fördert die Kreativität der Teilnehmer/innen, Wege zu finden, sie mit dem Curriculum zu verbinden (und die Angst von Kollegen und Eltern zu vermeiden, dass es sich um „Zeitverschwendung“ handelt).

Nutzen: In fast allen DE, die innerhalb von PoliCultura entstanden sind, besteht eine starke Verbindung entweder zum Curriculum oder einer anderen schulischen Aktivität, daher ist die Bandbreite des Nutzens für Schüler/innen sehr groß, weil die speziellen Vorteile, die damit verbunden sind, bereits enthalten sind (z.B. “besseres Verständnis von …” oder “vergrößerte Neugier in Bezug auf…”). Zusätzlich lernen Schüler/innen in Gruppen zu arbeiten, sie verbessern ihre Kommunikationsfertigkeiten, besonders auch in technologischen Belangen (Medienfertigkeit); sie erlangen, erwartungsgemäß, technische Fertigkeiten (Ton, Video Schneiden usw.) und schließlich auch eine Reihe von Fertigkeiten des 21. Jahrhunderts wie eine professionelle Haltung gegenüber Aufgaben und Deadlines (mehr: www.p21.org). Die europäischen Schlüsselkompetenzen, die auf Seite aufgelistet werden auf S. 42) werden alle erwähnt: Lernen lernen, Kommunikation in der Muttersprache etc. Mehr Informationen zum Nutzen finden Sie auf S. 42.

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Wie eine digitale Geschichte erstellt wird

Die Narrative von PoliCultura kombinieren Bilder, Videos, Audios (Musik) und Texte. Sie sind üblicherweise zwischen 5 („kurze Geschichte”) und 25 Minuten lang („ganze Geschichte”). Sie sind, wie oben erklärt, in Kapitel und Subkapitel unterteilt. Die Lehrer/innen können das Format wählen (kurz oder ganz), das besser zu ihren Bedürfnissen und der Zeit/Energie, die sie dafür aufwenden wollen, passt. Die Dauer kann zwischen einem Minimum von 3 Wochen (2 Stunden pro Woche) bis zu einem Maximum von 2-3 Monaten reichen. Es gibt keine Einschränkungen bezüglich des literarischen Genres des Narrativs, es kann Fiktion sein, eine Dokumentation, ein wissenschaftlicher Essay, ein Reiseführer, eine Reportage, und so weiter, je nach der Präferenz der Teilnehmer/innen.

Alle Teilnehmer/innen an PoliCultura bekommen ein kurzes Benutzerhandbuch, das die wichtigsten Schritte bei der Erstellung einer Geschichte erklärt, die hier kurz zusammengefasst sind:

1. Entscheidung über das Thema der Geschichte Das erste, was getan werden muss, ist zu entscheiden,

wovon die Geschichte handeln wird. Je nach dem Alter der Schüler/innen werden die Lehrer/innen dabei eine kleine oder große Rolle spielen: in der Vorschule werden die Lehrer/innen die Entscheidung treffen, während in der Oberstufe Schüler/innen viel mehr eingebunden sein werden. PoliCultura überlässt es den Teilnehmer/innen, welches Thema sie wählen wollen und das ermöglicht den Bezug zum Curriculum. Es muss erwähnt werden, dass bisher ein gewichtiger Trend innerhalb der 1 500 eingereichten Geschichten die Präsentation von etwas war, das relevant im Lebensbereich der Schüler/innen ist, wie lokale Geschichte, Kunst, Tradition und Kultur. Diese Arbeiten sind eine spezielle Art von gemeinsamem Selbstausdruck des kulturellen Kontexts der Schüler/innen.

2. Erstellung des Storyboards Das Erstellungstool verlangt, dass die Geschichte in Kapitel

und Unterkapitel unterteilt wird; diese Entscheidung wird üblicherweise in einer Plenarsitzung entschieden, an der alle Schüler/innen und Lehrer/innen beteiligt sind. Dann wird, in fast allen Fällen, die Klasse in Gruppen geteilt, die sich um ein spezielles Kapitel/Subkapitel kümmern.

3. Inhalte sammeln Sobald das Thema gewählt wurde, muss “Rohmaterial”

aus verschiedensten Quellen zusammengesucht werden, von Büchern bis zum Internet, lokalen Expert/innen und so weiter. Manchmal werden Narrative erstellt, wenn ein anderes Unterrichtsprojekt gerade abgeschlossen ist und so Rohmaterial bereits vorhanden ist – ausgewählt und aufbereitet.

4. Erstellung der Multimediainhalte Ausgehend vom Material, das im vorigen Schritt ausgewählt

wurde, erstellen die Schüler/innen Multimedia-Inhalte für die Geschichte: kurze Videos, Texte, Zeichnungen (eingescannt), Bilder, Audios (eventuell mit Musik) etc. Das ist eine der kreativsten und nutzbringendsten Phasen der Arbeit. Das Aufnehmen von Audiomaterial steigert die Fähigkeit der Schüler/innen, vor anderen aufzutreten.

5. Hochladen des Inhalts im Online-Tool Wenn der gesamte Inhalt fertig und in der richtigen Fassung

für das Tool ist (nämlich passend für die Anforderungen des Tools in Bezug auf die Wortanzahl, Größe des Files, Format etc.), kann die Hochladephase beginnen. Zusammen mit dem Schritt 6, Evaluation, ist das der Moment, in dem Schüler/innen Medienfertigkeiten brauchen, denn sie müssen verstehen, ob diese multimediale, interaktive Kommunikation effektiv sein wird oder nicht.

6. Evaluation Hier versammelt sich die Klasse wieder im Plenum und

evaluiert ihre Arbeit. Lehrer/innen erkennen an, dass Schüler/innen in dieser Phase eine hohe Kritikfähigkeit zeigen, weil es ihnen wirklich wichtig ist, dass ihr Arbeitsergebnis gut ist.

7. Änderungen am Schluss und Fertigstellung Nach Phase 6 werden die Änderungen aus der Evaluation

eingearbeitet.

Wie Sie sehen können, sind die obigen Schritte ziemlich allgemein und können in verschiedenen anderen DE-Projekten mit verschiedenen Tools angewendet werden.

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Vorteile von DE im PoliCultura Zugang

Für Lehrer/innen, die sich entscheiden, eine „besondere” Aktivität mit ihrer Klasse durchzuführen, ist es wesentlich zu wissen, welchen Nutzen diese für die Schüler/innen bringen kann, besonders in den höheren Stufen, wo Kritik am Vernachlässigen des Unterrichtstoffs durch die Schulleitung, Kolleg/innen und Eltern zu befürchten ist.Deshalb achten die Designer/innen von PoliCultura jedes Jahr sorgfältig auf die Auswirkungen der Aktivität in den Schulen, um sicherzustellen, dass Teilnehmer/innen verlässliche Daten zum erwarteten Nutzen bekommen.

Datenerhebungsmethode

Jedes Jahr werden mit allen teilnehmenden Lehrer/innen zwei Online-Erhebungen durchgeführt, eine zu Beginn (ihre Erwartungen) und eine am Ende der Aktivität (zu den Ergebnissen).

In mehr als 30 Fragen (mit der zusätzlichen Option für Kommentare) erhebt das Instrument:

• das Profil der Teilnehmer/innen (die Schule, der sozio-kulturelle Kontext, die Klasse, das durchschnittliche Leistungsniveau der Schüler/innen, Inklusionsfragen, Anwesenheit von exzellenten Schüler/innen)

• die pädagogischen Erwartungen in Bezug auf die Arbeit und den zu erlangenden Nutzen

• das vorhandene Wissen, um die Lernerfahrung erfolgreich abschließen zu können in Bezug auf das TPACK-Modell (Koehler, Mishra, 2005; Mishra, Koehler, 2014), um die dynamische Natur dieser Art von verteiltem Wissen innerhalb von Arbeitsgruppen untersuchen zu können (Di Blas et alii, 2014)

• die Ergebnisse mit Bezug auf die pädagogische Implementierung (lief alles nach Plan?) und der erreichte Nutzen

• das erforderliche Wissen, um die Lernerfahrung erfolgreich abzuschließen (wer hat am Ende was gelernt?)

Zusätzlich werden mit ungefähr 100 Lehrer/innen pro Jahr Tiefeninterviews via Skype durchgeführt; das Gesprächstranskript

wird aufbereitet und die interessantesten Merkmale werden in ein “Schema” für weitere Analysen eingespeist (auch dank des auf dem neuesten Stand befindlichen Forschungsportals; Di Blas et alii, 2014).

Schließlich werden die Geschichten von einer Gruppe von Experten in Technologie und Multimedia-Kommunikation analysiert.

Ergebnisse

Die Ergebnisse wurden bereits in einer Reihe von Publikationen ausführlich diskutiert (siehe zum Beispiel Di Blas 2015; Di Blas, Ferrari, 2014).

In diesem Kapitel werden die Daten von 2014-15 in Bezug auf den unterrichtlichen Nutzen der Schüler/innen präsentiert. 401 Lehrer/innen beantworteten die Umfrage; 28,2% waren aus der Oberstufe; 25,9% aus der Mittelstufe, Vorschule: 14,6%; Primarstufe: 29,4; 1,9% “gemischt“. Die Lehrer/innen wurden gefragt, welche Aspekte durch diese Lernerfahrung in Bezug auf ihre tägliche Routine verbessert wurden. Wie die Tabelle 1 zeigt, ist Motivation der bedeutsamste Aspekt unmittelbar gefolgt von Mitarbeit/Engagement.

Table 1. Aspects enhanced by PoliCultura in the teachers’ opinion: motivation stands out as prominent.

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41

Im Interview wurde eine Oberstufenlehrer/in gefragt, ob sich die Schüler/innen je von der großen Arbeitslast in Bezug auf das DE entmutigt gefühlt haben: “Eigentlich war ich es, die sich entmutigt gefühlt hat, da ich in einem bestimmen Moment sah, wie sie mit ihrem normalen Lernen und Hausaufgaben für andere Gegenstände im Rückstand lagen. Ich fürchtete, ... dass ich sie zu hart angepackt hatte, also fragte ich sie, ob sie aufgeben wollten, aber sie sagten, sie wollten das nicht, dass ihnen das Projekt wichtig wäre. Das war am Anfang, als die Klasse sich gerade in Gruppen geteilt hatte und ich ihnen schon das Lesematerial gegeben hatte, Bücher, die sie zusammenfassen sollten. Ich

sagte ihnen, wenn sie es nicht schaffen könnten, würde das nichts ausmachen. Aber dann kamen sie mit all ihren Arbeiten (den zusammengefassten Dokumenten) und ich war so stolz! Manchmal sind Nachrichten über Schule so negativ: Ich wollte, ich könnte den Eltern zeigen, wie gut ihre Kinder sein können, welche guten Beziehungen untereinander sie haben können, wie hart sie arbeiten und mit welchem Stolz!”

Lehrer/innen wurden auch gebeten, die Leistungen ihrer Schüler/innen in einer Reihe von Fertigkeiten einzuschätzen (viele davon „21. Jahrhundert-Fertigkeiten” – www.p21.org); die Ergebnisse werden in der Tabelle 2 gezeigt).

Bitte geben Sie ihren Grad der Zustimmung mit den folgenden Aussagen an: 1. Voll-ständige

Ablehnung

2. Ab-lehnung

3. Weder Zustimm-ung noch

Ablehnung

4. Stimme zu

5. Stimme voll-

kommen zu

Durch-schnittlich

Die Schüler/innen haben ihr inhaltliches Verständnis verbessert 0,2% 0,0% 2,2% 63,1% 34,4% 4,31

Die Schüler/innen haben ihre Neugier gegenüber dem Gegenstand verbessert

0,2% 0,0% 3,5% 50,9% 45,4% 4,41

Die Schüler/innen haben ihre Kreativität verbessert 0,2% 0,2% 7,0% 49,9% 42,6% 4,34

Die Schüler/innen haben ihr kritisches Denken verbessert 0,5% 0,5% 17,0% 52,1% 29,9% 4,10

Die Schüler/innen haben ihre Kommunikationsfertigkeiten verbessert 0,2% 0,2% 10,5% 52,9% 36,2% 4,24

Die Schüler/innen haben ihre Teamarbeit verbessert 0,5% 0,5% 8,0% 49,1% 41,9% 4,31

Die Schüler/innen haben ihre Medienfertigkeiten (die Fähigkeiten mit verschiedenen Medien zu kommunizieren) verbessert

1,0% 4,0% 14,7% 50,1% 30,2% 4,04

Die Schüler/innen haben ihre digitalen Fertigkeiten verbessert 1,0% 4,5% 24,4% 48,1% 21,9% 3,86

Die Schüler/innen haben ihre Eigen- initiative (d.h. das Management von Zielen und Zeit, Selbstlernfähigkeiten) verbessert

0,7% 3,0% 20,9% 47,6% 27,7% 3,99

Die Schüler/innen haben ihre Planungsfähigkeit verbessert 1,0% 3,2% 23,2% 49,4% 23,2% 3,91

Die Schüler/innen haben ihre Führungsfähigkeiten und ihr Verantwortungsgefühl verbessert

1,0% 2,5% 20,9% 52,1% 23,4% 3,95

Die Schüler/innen haben ihre Motivation und Teilnahme an Schulaktivitäten verbessert

0,7% 0,7% 7,2% 50,4% 40,9% 4,30

Antworten: 401

Tabelle 2. Lehrer/innenmeinungen über den Nutzen für ihre Schüler/innen

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42

Über die Interviews konnte eine bessere Einschätzung gewonnen werden, wie der Prozess im Klassenzimmer lief.

Mit Bezug auf kognitive Ergebnisse sagt eine der Lehrer/innen:

„Die Arbeit wurde dank der Zusammenarbeit und Begeisterung aller Schüler/innen abgeschlossen; die größte Befriedigung für sie ist, dass sie jetzt das Thema vollkommen beherrschen, aus einer kritischen Perspektive.” (Mittelstufe).

Mit Bezug auf Kommunikationsfertigkeiten berichtet eine andere Lehrer/in: „Diese Art von Tätigkeit hilft gegen die ‘Selbstbezüglich-keitshaltung’, die so typisch für Schule ist, wo ein Kind schreibt und sich eigentlich an die Adresse der eigenen Lehrer/innen richtet; im Fall von PoliCultura aber müssen sich die Kinder anstrengen, um mit einem Publikum zu kommunizieren; sie mussten sich auf Lob oder Kritik einstellen. Mit einem Wort, sie wussten, sie richteten sich an jemand „Realen.” (Primarstufe).

Mit Bezug auf “Medienfertigkeiten” erklärt eine Oberstufenlehrerin:

„Sogar die Strenge des Formats (d.h. Wörter zählen, Bilder zählen etc.) war hilfreich in der Arbeitsorganisation. Schüler/innen gingen von langen Texten aus, aber sie erkannten selbst, dass sie ihre Worte präzisieren müssen. Am Anfang wusste ich nicht, dass das narrative Format die Art der Schüler/innen zu denken und das Material zu präsentieren verändern würde, und dass es nicht einfach ein Transfer von einem Medium (Papier) auf ein anderes (Computer) war. Irgendwie hilft uns das Format, unsere Recherche zu vervollständigen; es hätte nicht mit traditionellem linearen Schreiben erreicht werden können.”

Schlussfolgerungen: Digitales Erzählen (DE) und Schlüsselkompetenzerwerb

DE kann viel über die europäischen Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen aussagen.43 Obwohl wir nicht behaupten können, dass wir sie alle ansprechen, wie man erwarten könnte, sprechen wir doch viele von ihnen sehr stark an. Nämlich:

• Kommunikation in der Muttersprache: die Fähigkeit, Konzepte auszudrücken und zu interpretieren, Gedanken, Gefühle, Fakten und Meinungen sowohl in mündlicher als auch in geschriebener Form (Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben).

• Kommunikation in Fremdsprachen, die zusätzlich zu den Dimensionen der Kommunikation in der Muttersprache Mediation und interkulturelles Verständnis beinhaltet.

• Digitale Kompetenz involviert die sichere und kritische Verwendung von Medien in der Informationsgesellschaft (IST) und auf diese Weise grundlegend Fertigkeiten in Informations- und Kommunikationstechnologie (IT).

• Lernen lernen betrifft Lernen, die Fähigkeit sein eigenes Lernen zu verfolgen und zu organisieren, entweder individuell oder in Gruppen, nach den eigenen Bedürfnissen und im Bewusstsein von Methoden und Gelegenheiten.

• Eigeninitiative und Unternehmergeist ist die Fähigkeit, Ideen in Taten zu verwandeln. Sie involviert Kreativität, Innovation und Risikoübernahme, genauso wie die Fähigkeit zu planen und Projekte zu managen, um Ziele zu erreichen. Das Individuum ist sich des Kontexts seiner Arbeit bewusst und ist fähig, sich ergebende Gelegenheiten zu ergreifen. Es ist die Grundlage für das Erlangen besonderer Fertigkeiten und Wissen, das von denen benötigt wird, die zu sozialen oder geschäftlichen Aktivitäten beitragen. Das sollte auch zum Bewusstsein ethischer Werte beitragen und „good governance“ förden.

• Kulturbewusstsein und kultureller Ausdruck beinhaltet die Wertschätzung der Bedeutung von kreativem Ausdruck von Ideen, Erfahrungen und Gefühlen in einer Reihe von Medien (Musik, darstellende Kunst, Literatur und die bildenden Künste).

Die Motivation, die durch die Verwendung von Technologien von jungen “digital natives” erreicht wird, scheint ein Schlüsselfaktor

43 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=URISERV:c11090

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43

zu sein, wie zwei Zitate von Lehrer/innen (Primarstufe), die an einem TALES-Pilotprojekt teilnahmen, klar zeigen:

„DE an der Schule ist wirklich motivierend für Schüler/innen […] Sie haben verstanden, dass sie für jemanden schreiben, der das wirklich lesen wird, jemand, der sie nicht kennt […] Wir haben viel Zeit damit verbracht: manchmal gehen wir Texte wieder durch und ich sage ihnen ‘Was würdet ihr denken, wenn ihr das lesen würdet?’ und sie sagen ‘Nein, es ist langweilig, ändern wir das […] ich muss sagen, dass das Erstellen einer digitalen Geschichte die Motivation der Kinder erhöht, weil sie ein ‘Produkt’ hervorbringen, das von ihren Heften völlig verschieden ist, die niemand außer ihren Eltern sieht. Es ist ein ‘Produkt’, das viele Menschen sehen werden, das man auf einem interaktiven Whiteboard sehen kann, wozu du von zu Hause aus Zugang hast, vom PC, es ist etwas anderes, ihnen nahe, … sie sind digital natives.”

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Weil der Weg zählt ...

Ein Mann beklagte sich ständig über sein Schicksal. Alle anderen hatten Geld, Familie und Freude – nur er nicht. Daher entschloss er sich, Gott zu fragen und um eine Lösung zu bitten. So konnte sein Leben nicht weitergehen.

In jenen Tagen wussten die Menschen noch, wo Gott lebt, und so machte sich der Mann auf den Weg. Er betrat einen Wald und sah einen kranken Wolf am Boden liegen, nur noch Haut und Knochen. “Wohin gehst du?” fragte der Wolf und strengte sich an, seinen Kopf zu heben. Wie immer ergriff der Mann die Gelegenheit, sich über sein Leben zu beklagen:„Ich bin auf dem Weg zu Gott, denn so kann es nicht weitergehen! Alle anderen haben Geld, Familie und Glück – nur ich nicht! Ich bin der einzige Mensch, der überhaupt kein Glück hat! Gott muss mir einfach helfen!” - “Wenn das so ist, kannst du ihn bitte auch für mich etwas fragen? Frage ihn, warum ich so krank bin.“ - “Mach dir keine Sorgen! Ich werde dich nicht vergessen“, sagte der Mann im Weggehen.

In der Mitte des Waldes kam er an einer Lichtung vorbei und sah einen verschrumpelten Baum, der keine Blätter mehr hatte und dieser fragte ihn: „Wohin gehst du?“ – „Ich bin auf dem Weg zu Gott, weil ich der unglücklichste Mann in der Welt bin, er muss mir einfach helfen“. - “Wenn du ihn siehst, kannst du ihn bitte fragen, warum ich so schwach bin? Meine Blätter sind alle weg und meine Wurzeln sind trocken, obwohl ich so jung bin und ohne dass ich das will“, sagte der Mann und ging weiter.

Die Nacht kam und der Mann sah am Rande des Waldes eine kleine Hütte: Rauch stieg aus dem Kamin und aus den Fenstern schien ein einladendes Licht. Plötzlich, wie ein Licht in der Nacht, kam eine schöne Frau aus dem Haus und lief auf ihn zu: „Wohin gehst du?“ fragte sie, und schien dabei sehr verzweifelt. - „Ich bin auf dem Weg zu Gott wie l…“ und er begann wieder sein Klagelied. - “Oh, könntest du ihn dann für mich fragen, warum ich immer so traurig bin und warum ich mich so alleine fühle?“- “Mach‘ dir keine Sorgen! Ich werde dich nicht vergessen“, sagte der Mann und ging weiter.

Er erreichte Gottes Reich und vor dem Thron des Allmächtigen beklagte er sich: “Jeder andere hat Geld, Familie und Glück – nur ich nicht! Warum? Ich bin der einzige Mann, der kein Glück hat! Das Leben ist so ungerecht!“- Geduldig sagte Gott zu ihm: “Mein Sohn, es gibt kein Glück in der Welt. Jeder Mensch muss sein eigenes Los finden. Du musst danach suchen. Du kannst nicht sitzen und warten, bis dir das Glück in den Schoß fällt. Mach die Augen auf und suche danach.“

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Der Mann strahlte! Es war gar nicht so, dass er kein Glück hatte! Er war doch gar nicht so anders als alle anderen. Er musste nur nach seinem Glück suchen. Er fragte Gott wegen des Wolfes, des Baums und der Frau und er ging eilig davon. Als er bei der Hütte vorbeiging, kam die Frau heraus und fragte ihn: „Hast du mit Gott gesprochen? Was hat er über mich gesagt?” – Atemlos vom Laufen antwortete der Mann: „Oh“, sagte er, „er hat nur gesagt, dass du jemanden brauchst, mit dem du dein Leben teilen kannst …“ – Die Frau lächelte und blinzelnd und errötend sagte sie: „Wenn das so ist, würdest du gerne bei mir bleiben?“ – Peinlich berührt und in Eile sagte der Mann: „Es tut mir leid, gnädige Frau, aber ich habe keine Zeit! Gott sagte, dass ich mein Glück suchen soll! Dass ich nicht sitzen und warten könnte, bis mir mein Glück in den Schoß fällt! Es tut mir leid … - Und er lief weiter. Als er an der Lichtung vorbeikam und den Baum sah, fragte auch der nach, was Gott gesagt habe, aber er blieb kaum stehen um die Antwort zu geben: „Gott sagte, dass da ein Schatz unter deinen Wurzeln vergraben ist. Du musst jemanden bitten, ihn auszugraben und es wird dir gutgehen …“ – „Kannst du ihn nicht für mich ausgraben?“ rief der Baum, als der Mann schon längst vorbei war und aufgeregt weiterlief. Der Mann hatte völlig auf den Wolf vergessen, als er plötzlich eine schwache Stimme flüstern hörte: „Hast du Gott gefragt wegen mir?“ - Es war der Wolf und der Mann blieb stehen, um Luft zu holen.- „Ja …” sagte der Mann. „Dein Problem ist, dass du Hunger hast und du solltest etwas essen.“ – “Oh, wirklich?” fragte der Wolf und nahm seine ganze Energie zusammen, um aufzustehen. Er schaute den Mann an, konnte sein Glück nicht glauben und fraß ihn auf der Stelle.

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BECAUSE STORIES CAN MAKE A DIFFERENCE…

KAPITEL 3BEISPIELE GUTER PRAXIS

Patricia Huion; Marleen Mesotten (UCLL, Belgien)

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Analyse der Beispiele guter PraxisDieses Kapitel befasst sich mit den zweiundzwanzig von uns gesammelten Good Practice-Beispielen. Zunächst wird der Ablauf jedes Beispiels beschrieben, in der Folge werden einige Grundmuster erläutert: die Zielgruppe, die Nationalität, die europäische Dimension, die Verbindung mit den europäischen Schlüsselkompetenzen, die Bedeutung eines Geschichtenerzählers/einer Geschichtenerzählerin, die Auswahl der Geschichten, die Evaluation sowie der Unterschied zwischen mündlichem und digitalem Geschichten- erzählen. Danach wird das Lehrer/innen-Feedback mit dem Lernergebnis abgeglichen. Abschließend stellen wir zwei Fragenblöcke vor. Die ersten Fragen betreffen den Einsatz von Geschichtenerzählen im Unterricht, wogegen die des zweiten Teils digitales Geschichtenerzählen in einer großen Formenvielfalt in Zusammenhang mit neuen Lernbedürfnissen behandeln.

Reflexionen - Zweiundzwanzig Good Practice-Beispiele für Geschichtenerzählen im Klassenzimmer

Jede/r Lehrende nutzt die Technik des Geschichtenerzählens, es gibt aber in nationalen Curricula nicht viel Auskunft darüber, wie man sie einsetzen soll. Aus unserer Untersuchung geht ebenfalls hervor, dass sowohl Lehrer/innen als auch Geschichtenerzähler/innen Schwierigkeiten damit haben, die pädagogischen Grundlagen von Erzählen im Klassenzimmer zu erklären. Daher entschieden wir uns für einen detaillierten Fragebogen bezüglich der Geschichtenerzählpraxis der Lehrkräfte. Diese Beschreibungen zu sammeln und zu sichten stellte sich als aufwändiger als erwartet heraus. Die meisten Lehrer/innen waren begeistert vom TALES-Projekt und stimmten darin überein, dass Geschichtenerzählen ein wirksames Mittel fur das Lernen darstellt, aber auf die Bitte, ihr eigenes Good Practice-Beispiel zu verschriftlichen, zögerten etliche. Die meisten Good Practice-Beispiele wurden von Lehrer/innen selbst geschrieben, für andere griffen wir auf Skype-Interviews zurück, auf Unterhaltungen im Bus oder auf dem Gang anlässlich internationaler Kurse. Nun zu den guten Beispielen, die wir gesammelt haben:

KAPITEL 3BEISPIELE GUTER PRAXIS

Patricia Huion; Marleen Mesotten (UCLL, Belgien)

Inhaltsverzeichnis zu den Beispielen guter Praxis

Von Geschichtendrachen, Silbernasen und Bücherwürmern - PHSt – Österreich 50Spielstadt – Jeuville – Playcity – Österreich 52Geschichtenerzählfest in einer Grundschule – UCLL – Belgien 54Digitale Geschichten mit MSPowerPoint oder MSMovieMaker erstellen – UCLL – Belgien 55Was sagt die Lehrerin? – UCLL – Belgien 56Von Cuberdons, belgischen Waffeln, Bier und Fleischbällchen aus Liège – UCLL – Belgien 57Gibt es einen “Moocy Way”? – UCLL – Belgien 58Erforschte und erfundene Geschichten über einen Längengrad – Dänemark 59Die Legende der Weißen Frau – Estland 60Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen – POLIMI – Italien 62Bella, Buona e Solidale (Schön, gut und verantwortlich) – POLIMI – Italien 64Knochen lügen nicht – POLIMI – Italien 66“Geschichtenerzähltheater”, Halden Sekundaroberstufenschule – Norwegen 68Storytellingschool in Skedsmo, mit Marianne Sundal und Lise Grimnes – Norwegen 69Polnisch-Französische Drachenjagd – Polen 71Europäischer Geschichtentag – Polen 72Haus der Geschichten (Casa das Histórias) – Chapitô in Partnerschaft mit dem Justizministerium, Institut für soziale Wiedereingliederung – Portugal 74Die Sammeltasche – Portugal 76Zeitkapsel – Spanien 77Drachen und Monster – Schweden 78Multilinguales digitales Geschichtenerzählen – Peace School London – GB 79Grundschulsprach- und Geschichtenbox, Projekt mit Goldsmiths PGCE Primarstufenkurs – The Languages Company – GB 80

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Beschreibung der Good Practice-Beispiele

Von Geschichtendrachen, Silbernasen und Bücherwürmern – PHSt – Österreich

Dieses Geschichtenerzählprojekt fand in einer Grundschule in Gleisdorf, Österreich, statt. Ein Geschichtenerzähler arbeitete mit Kindern daran, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Er reicherte das Erzählrepertoire der Kinder mit ausgewählten Märchen und anderen traditionellen Geschichten an. Die hier dargestellte Arbeit wurde von einem Geschichtenerzähler und drei Gruppen zu je 20 neunjährigen Schüler/inne/n der Grundstufe einer Kleinstadtschule in der Steiermark Österreich, durchgeführt.

Es war Teil eines Schul-Leseprojektes zur Förderung der Lesekompetenz (in Österreich vereinbartes nationales Bildungsziel), bei dem der Geschichtenerzähler ursprünglich die Lesemotivation erhöhen sollte. Diese Zusammenarbeit brachte jedoch einen neuen Fokus ein und gipfelte in einem Geschichtenerzähl-Fest. Es ging darum, aus der starken Metaphorik in den Geschichten eine aktuelle ganzheitliche Erfahrung zu machen, die Kinder dazu anregt, ihre Geschichten zu erzählen, niederzuschreiben oder zu spielen. Nachdem die Kinder Geschichten aus Märchenbüchern gelesen und den Geschichten des Geschichtenerzählers

zugehört hatten, sollten sie ihre Lieblingsgeschichte küren und in einem Auswahlprozess die Lieblingsgeschichten der Klassen nominieren.In vier Workshops begleitete der Geschichtenerzähler die Kinder in ihrem eigenen Erzähl-prozess, wobei sie auch Dramatechnik anwenden durften. Alle Kinder, nicht nur die “erzählbegabten”, nahmen erfolgreich teil. Der Höhepunkt war ein nächtliches Erzählfest, bei dem die Kinder und der Geschichtenerzähler Geschichten in fünf verschiedenen Schulbereichen präsentierten, bei Kerzenlicht im Dachboden eines 100 Jahre alten Schulgebäudes.

Ein kurzer Einblick ist unter folgender Adresse zu bekommen:h t t p : / / w w w. f r e u d e a n m a e r c h e n . a t / H i g h l i g h t s /Geschichtendrachen

ZIELE• -Fertigkeiten im Still- und Lautlesen werden gefördert.• -Schüler/innen werden ermutigt, Geschichten zu

lesen, sie sich anzueignen und niederzuschreiben, zu erzählen und aufzuführen.

• -Alle Schüler/innen sind in der Lage, ihre eigenen Lieblingsgeschichten zu erzählen und zu präsentieren.

• -Kinder erleben den Inhalt und die Metaphorik von Märchen in einer ganzheitlichen Weise, in ihrer Vorstellung wie auch in physischen, emotionalen und motorischen Bereichen.

• -Kinder bringen ihre Spontaneität in den Erzähl- und Präsentierakt ein (keine Beurteilung) und erleben dabei ihre eigene Kompetenz..

• -Kinder kooperieren und erleben dabei eine positive, kollaborative Atmosphäre mit einem Fokus auf Kunst, Poesie und Geschichten.

• -Kinder entwickeln eine natürliche Präsenz beim Erzählen und Spielen.

Zeit-/OrganisationsrahmenJänner – April 2014 Die Arbeit wurde in der Schule und zu Hause erledigt und hatte ihren Höhepunkt im „Geschichtenerzählfest”.

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HauptinhalteMuttersprache Deutsch: Lesen – Zuhören – Auswählen von Lieblingsgeschichten –Ausdrucksfähigkeit im Erzählen und Vorführen

Die Rolle des Geschichtenerzählers bei der DurchführungDer Geschichtenerzähler versteht sich als Künstler, der ganz in seinen Geschichten lebt und das ohne pädagogischen oder methodischen Subtext, existentiell durch die Metaphorik berührt. So können Kinder „in ihren Seelen angerührt” werden. Märchen und Geschichten wie auch die Kunst des Geschichtenerzählens erlauben Kindern, mit ihrem ganzen Sein in die Geschichte einzutreten.

Gerald Hütter (2014) Radio Ö 1, Österreich: Was wir sind und was wir sein könnten:

„Man erinnert sich an Dinge, die einem Freude bereitet haben. Alles andere kann man mithilfe von Lernstrategien, Wiederholung etc. lernen, es ist aber schwierig, weil im Gehirn keine Spuren verblieben sind. Dinge gehen „unter die Haut”, wenn sie Bedeutung haben. Es hilft nicht viel, wenn Dinge für Eltern, Lehrer/innen und andere Autoritäten bedeutsam sind, wenn es einen selbst nicht berührt. Wenn es mir wichtig ist, öffne ich meine Augen, schaue und mein Gehirn reagiert, indem es Hormone ausschüttet und dann werde ich mich daran erinnern, weil ich es mir zu eigen gemacht habe …”

Eine interessante AnekdoteEine Kindergruppe wählte die Geschichte „Die Prinzessin auf der Glatze” aus, die von einem Mitschüler verfasst worden war. Die Geschichte handelt von einer einsamen Prinzessin, die sich nach einem Freund sehnt. Wie konnte man diese Einsamkeit spürbar darstellen? – Sechs Paare (Rolle A: Prinzessin, Rolle B: abwesender Freund) spielten gleichzeitig. Die Prinzessin versucht mit B in Kontakt zu treten, B jedoch wendet ihr den Rücken zu. Und die kurze Aussage “Die Prinzessin war einsam und sehnte sich nach einem Freund, aber niemand war da” wird zu einer spannungsgeladenen Gruppenszene. Durch die zugewandten Rücken der Spieler B fühlt auch das Publikum die Einsamkeit. Am Ende der Geschichte findet die Prinzessin jedoch einen Freund. Diese Szene wurde ebenso von sechs Paaren gespielt, wodurch die Freude für alle erlebbar wurde. Alle Kinder der Gruppe waren in die Inszenierung eingebunden.

Das Beispiel wurde beschrieben vonMartina KarnerVS Gleisdorf, 8200 [email protected]

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Spielstadt – Jeuville – Playcity – Österreich

Dieses Fremdsprachendidaktik-Modell mit dem französischen Namen ‘Simulation globale’ führt zur Erschaffung eines kollektiven fiktiven Settings, z.B. das Miteinanderleben in einem Dorf oder einer kleinen Stadt. Die Französischlehrerin stellte die Idee der “simulation globale” vor und entsprechend der Altersgruppe der Lerner/innen ließ sie diese ihren Spielrahmen wählen oder gab ihn selbst vor. “Jeuville” wurde vom dritten bis zum fünften Lernjahr mit 13-15 jährigen Schüler/inne/n eingesetzt. “L’immeuble”44 mit einer Anfängergruppe (15 Jahre) und mit einer anderen Gruppe von 11-12 jährigen Kindern.

Die Lehrerin lenkte die ersten Aktivitäten (das Schreiben individueller Biographien, das Entwerfen eines Dorfes mit seiner Geschichte, der Charakteristik der Region, des Klimas, seiner Wirtschaftssituation, erste Ereignisse etc.). Zu Beginn häufig und im späteren Verlauf von Zeit zu Zeit erzählte die Lehrerin Geschichten, um Gedankengänge zu stimulieren und neue Themen und Ideen einzubringen. In der Art einer Geschichtenerzählerin startet die Lehrerin die Simulation, indem sie lustige oder seltsame Dinge erzählt, die im Haus oder im Dorf vor sich gehen oder gegangen sind. Immer mehr beteiligen sich die Schüler/innen, tragen eigene Geschichten bei und inspirieren so die anderen. Mitunter steuert die Lehrerin neue Geschichten und Ereignisse bei (sie hat z.B. einen überraschenden Brief erhalten oder einen archäologischen Fund getätigt, eine interessante Person getroffen oder ein mysteriöses Detail zu einer anderen Person herausgefunden). Die Lehrerin hat ebenso eine Identität in dem Spiel angenommen und entwickelt und wurde dadurch ein richtiges Gruppenmitglied, eine Unterstützerin, Moderatorin, nicht aber der Kopf der fiktiven Gemeinschaft. Sie reagierte entsprechend den erforderlichen Lernzielen und dem Lehrplan.

Einige Ereignisse:• Eröffnung eines Restaurants• Schließen einer Postfiliale• Wahlkampf• Initiative für sanften Tourismus• Taufe eines Kindes (oder eines/einer Erwachsenen)

• Demonstration gegen ein geplantes Kraftwerk• Meinungsumfrage• Sportbewerb• Hochzeit eines großen Stars im Dorf

ZIELE

• Kommunikationskompetenz in der Fremdsprache (Muttersprache in der Grundschule), Fähigkeit, Fantasie und Ideen auszudrücken, das eigene Projekt einem Publikum vorzustellen

• Mathematische Kompetenz, fallweise Grundkompetenzen in Wissenschaft und Technik

• Digitale Kompetenz durch Internet-Nutzung und die Erstellung von Dokumenten (Texte, Bilder, Videos …)

• Lernen lernen durch unterschiedliche Arbeitstechniken (Einzelarbeit, Partner- und Gruppenarbeit)

• Sozialkompetenz durch das Hören und Anerkennen der Ideen anderer, durch das Schaffen und Planen gemeinsamer Konzepte, durch demokratisches Suchen und Finden von Lösungen …

• Bürgerkompetenz durch den Erwerb sozialen und politischen Basiswissens, oft im Vergleich zur Situation im eigenen Land (siehe Projektbeschreibung)

• Sinn für Initiative und Unternehmertum (durch das Simulieren und Kalkulieren beim Eröffnen oder Schließen eines Betriebes, durch das Planen eines fiktiven sportlichen oder kulturellen Großereignisses, eines Jahrmarktes, einer Handelsmesse etc.)

• Kulturbewusstsein durch das Kennenlernen und den Vergleich von Sitten und Bräuchen, diverser kultureller, medialer (…) Gegebenheiten

Zeit-/OrganisationsrahmenSeit 1993 in mehreren Klassen, in jedem Fall über den Zeitraum mehrerer Jahre, in der Anfangsphase jede Stunde, relativ häufig nach der Startphase, später sporadisch, an die Erfordernisse des Lehrplanes und an aktuelle Ereignisse angepasst.

HauptinhalteBildung einer (kleinen) fiktiven Welt durch das Erzählen und Schreiben von Geschichten, durch erfundene und fantasievolle

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Aktionen auf der Basis realistischen Faktenwissens. Dabei sind unterschiedliche Formen geschriebener Dokumentation sowie schriftlicher und mündlicher Kommunikation, Kreativität, Lernprozesse, Gruppendynamik, Teamarbeit und vielfältige soziale Lerngelegenheiten gewährleistet.

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDas Ziel beim Einsatz dieser Methode im Lehr- und Lernprozess ist es, ein vergnüglich-spielerisches Element einzusetzen, um sprachliche Fertigkeiten in der Fremdsprache (oder Muttersprache) zu gewinnen, zu üben, zu verbessern und zu festigen. Dies geschieht in Kombination mit dem Erwerb von (Basis)kenntnissen sozialer, kultureller, wirtschaftlicher, ökologischer, ethischer, digitaler (…) Fakten und Haltungen.Die Lerner/innen entwickeln ihre eigenen Identitäten, die durch zusätzliche Vorschläge von Seiten der Gruppe angereichert werden, die Personen interagieren miteinander in allen möglichen Lebenslagen und gestalten Handlungsmuster, mögliche Reaktionen und deren Korrekturen. Sie haben eine Menge Spaß, auch aufgrund etlicher Überraschungseffekte.

Eine interessante AnekdoteEin Mädchen, das in ihrem regulären Programm ab dem Alter von 14 Jahren Altgriechisch gewählt hatte, wollte zusätzlich Französisch lernen. So kam sie ein bis zwei Mal pro Woche in den Französischunterricht und konnte demnach kein ständiger Bewohner des Miethauses (L’immeuble) sein. Sie musste also jemand sein, der von Zeit zu Zeit auf Besuch kommt, aber in gewisser Weise doch zu den Bewohnern gehörte. Für den Jahresbericht der Schule schrieb sie:

‘Eine Besonderheit des Französischunterrichtes war ein Spiel das “Immeuble” hieß, eine sogenannte “simulation globale”. Alle Schüler/innen und ebenso die Lehrerin wählten eine Identität. Miteinander bewohnten sie das Haus 13, rue des fous (Straße der Verrückten). Ich spielte ein siebenjähriges Mädchen namens Nadine La Bête. Dieses Mädchen hat eine Tante, die in dem Haus in der Verrücktenstraße wohnt. Von Zeit zu Zeit kommt Nadine, um ihre Tante zu besuchen (das war, wenn ich beim Französischunterricht awesend war). Nadines Lieblingsbeschäftigung ist es, Katastrophen auszulösen und Chaos unter den Bewohnern zu stiften. Immer wieder erzählte die Lehrerin neue Geschichten, die das Haus und seine Bewohner betrafen und jede/r von uns reagierte darauf mit eigenen Ideen. Es ist unglaublich, was für Ideen uns kamen, wenn wir miteinander die Handlung weiterspannen. Überraschende Dinge ereigneten sich ganz spontan.’

Das Beispiel wurde beschrieben vonElisabeth GlavièAkademisches Gymnasium Graz, Bürgergasse 15, 8010 [email protected]@akademisches-graz.at

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Geschichtenerzählfest in einer Grundschule – UCLL – Belgien

Lehramtsstudierende aus ganz Europa, die zuvor an einem Erasmus-Programm teilgenommen hatten, machten Bekanntschaft mit dem internationalen Charakter von Volksmärchen.

Dann lernten sie verschiedene Möglichkeiten kennen, Kindern Volksmärchen näher zu bringen.

Danach wählte jede/r Studierende ein Märchen aus seinem/ihren eigenen Land bzw. Region. Sie stellten einander die Märchen vor. Gemeinsam mit den Lehrer/innen entschieden sie, welche Märchen am geeignetsten waren, um Grundschulkindern (10-12 Jahre) erzählt zu werden. Die Studierenden wurden in sechs Gruppen geteilt, da zwei Durchgänge zu je drei Geschichten geplant waren.

Die Studierenden nahmen am internationalen Geschichtenerzählfestival in Alden-Biesen (Bilzen, Belgien) bei und besuchten einen Workshop über Geschichtenerzählen. Anschließend bereiteten die Studierenden ihre Präsentation in Dreiergruppen vor und wurden dabei von UCLL-Lehrenden begleitet.

Das Geschichtenerzählfest wurde in der Sint-MauritiusSchule in Bilzen durchgeführt. Alle Geschichten wurden auf Englisch erzählt. Vor dem Erzählen stellten die Studierenden sich vor und machten sich den Kindern vertraut. Nach der Geschichte durften die Kinder sich auf verschiedene kreative Weise äußern und konnten mehr über den Hintergrund des Erzählers/der Erzählerin erfahren.

Zuletzt reflektierten die Studierenden ihren Lernzuwachs über Geschichtenerzählen (das Erzählen selber und das Erzählen als Unterrichtsmittel).

ZIELE

EOS-Studierende:• Kommunikation in Fremdsprachen• kulturelles Bewusstsein und kultureller Ausdruck• interkulturelle Kompetenz• die Studierenden von der Bedeutung des

Geschichtenerzählens als didaktisches Mittel überzeugen

• Freude an Geschichten zu erleben

Grundschulkinder:• Kommunikation in Fremdsprachen• kulturelles Bewusstsein und kultureller Ausdruck• interkulturelle Kompetenz• Freude an Geschichten erleben

Zeitrahmen22.04.2014 bis 30.04.2014

HauptinhaltMärchenerzählen auf Englisch

Eine interessante AnekdoteDie Lehrerinnen dachten, die Kinder würden Schwierigkeiten haben, die englische Sprache zu verstehen und manche versuchten, Wörter und Sätze zu übersetzen. Bald aber bemerkten sie, dass ihre Schüler/innen nicht nur die Geschichte vollständig verstanden, sondern sogar auf Englisch Fragen stellten und beantworteten. Sie hatten also die Englischkenntnisse ihrer Schüler/innen unterschätzt.

Das Beispiel wurde beschrieben vonAnita Boesmans (Lehrerin und internationale Koordinatorin am UCLL), Marleen [email protected]@ucll.be

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Digitale Geschichten mit MS PowerPoint oder MS MovieMaker erstellen – UCLL – Belgien

Digitale Geschichten mit PowerPoint und MovieMaker zu erstellen war Teil eines IT-Kurses für Lehramtsstudierende für Vorschule und Grundschule. Die Lehrer/innen stellten Bilder zur Verfügung, ebenso wie Handbücher, Computer, Software und Mikrofone. Zu Beginn wurde der Prozess erläutert und die Studierenden arbeiteten in Gruppen zu zweit oder dritt. Am Ende der Einheit sollte die Geschichte fertig sein. Die Lehrer/innen hatten den Zeitplan im Auge.

Planung der Unterrichtseinheit:• Die Studierenden wählten mindestens sechs Bilder aus und

kopierten sie in einen Ordner auf ihrem Desktop.• Sie legten ein Fotoalbum im MS PowerPoint an

(insert>photo>album>new photo album).• Sie speicherten die digitale Geschichte im Ordner auf ihrem

Desktop.• Sie erstellten eine Titelseite.• Sie schrieben einen Text unter jedes Bild.• Sie fügten in jede Seite die nötigen Buttons ein

(insert>forms>action buttons).• Sie gewährleisteten, dass die Buttons nur dazu verwendet

werden konnten, die nächste Seite zu öffnen.• Sie spielten ihre Geschichte auf jede Seite (auch auf die

Titelseite) (insert>audio>record audio).• Sie speicherten ihre Geschichte als PowerPoint-Präsentation.

ZIELE

• Digitale Kompetenz: Erstellen einer digitalen Geschichte mit MS PowerPoint oder MS MovieMaker.

• Sozialkompetenz: die Studierenden gestalten eine Geschichte in Zweier- und Dreiergruppen.

• Kommunikation in der Muttersprache: die Geschichte wird in der Muttersprache aufgenommen. Sie müssen den Text der Geschichte erfinden.

• Kulturelles Bewusstsein und kultureller Ausdruck: sie schaffen ihre eigene Geschichte und wählen ansprechende Illustrationen.

Zeit-/Organsiationsrahmenzwei Stunden zur Erstellung einer Geschichte

HauptinhaltIT

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungKinder lieben Geschichten, IT kann ein zusätzlicher Nutzen sein.

Eine interessante AnekdoteEtliche Studierende nutzten ihre digitale Geschichte in der Praxis und machten dabei so gute Erfahrungen, dass sie mehr Geschichten verfassten.

Das Beispiel wurde beschrieben vonLieven [email protected]

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Was sagt die Lehrerin? – UCLL – Belgien

Anlässlich der Internationalen Woche Come2Graz 2014 boten die Lehrer/innen zwei Workshopeinheiten für Lehramtsstudierende an, wobei sie digitales Geschichtenerzählen als sinnstiftendes Werkzeug nutzten. Sie zeigten eine altmodische PowerPoint-Präsentation als erzählerischen Rahmen für die Geschichten der angehenden Lehrpersonen. Sie verwendeten eine Erzählstruktur, um über Forschung im Bereich digitale Innovation im Unterricht zu berichten. Sie verwendeten die Komponenten des Pentad von Burke (Burke’s Pentad), um nach jeder Komponente Zutaten für die Geschichte niederzuschreiben (Szene, Akteur, Handlung, Handlungsinstrument und Handlungsziel). Von Beginn an verstanden die Studierenden, dass sie eine Geschichte auf der Basis ihrer Notizen, Überlegungen und Assoziationen zu schreiben hatten. Nach der Präsentation hatten sie ganz kurz Zeit, eine eigene Geschichte zu schaffen, die sie auch aufführten und die von den Lehrer/innen gefilmt wurde.

ZIELE

• kritisch über den Einsatz von IT im Unterrichtsgeschehen nachdenken

• über Identität von Lehrer/innen und über Bildungseinrichtungen reflektieren

• vom analytisch-logischen Wissenserwerb zu einer narrativen Methode switchen

• eine Sicht der Dinge aus verschiedener Perspektive ausdrücken

• sich der Unterschiede zwischen der physischen und der virtuellen Welt bewusst werden

• Vorstellungskraft und Kreativität nutzen, um neue mögliche Welten auszudrücken.

• die Kreativität der Studierenden fördern

Zeitrahmen8 Stunden

HauptinhaltWas sollen Lehrer/innen in einer Welt von Flipped classes und MOOCs tun?

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungGeschichtenerzählen wurde dazu eingesetzt, Erzählungen im 21. Jahrhundert in Gang zu bringen.

Das Beispiel wurde beschrieben [email protected]

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Von Cuberdons, belgischen Waffeln, Bier und Fleischbällchen aus Liège – UCLL – Belgien

Cuberdons, zusammen mit belgischen Waffeln, belgischem Bier und Fleischbällchen aus Liège werden in kurzen Geschichten von Lehramtsstudierenden verwendet, um miteinander eine Detektivgeschichte zu verfassen. Sie setzten Speisen ein, um den Partnern des Grundtvig-Projekts „Learning to Learn By Teaching (L2LByTe, 2012-2014)” Aspekte der belgischen Kultur zu vermitteln. Obwohl es erwachsene Studierende waren, entwickelten sie ein Konzept für Schüler/innen im Alter von 12 bis 14 Jahren.

Wir untersuchten folgende Themen: Wie zeigen Nationen ihre Kultur durch ihre Traditionen, Speisen und Getränke, Tanz und Musik? Wie verwenden Lehrer/innen Lernclips, soziale Medien und e-Learning-Plattformen in ihrer Unterrichtspraxis?Wir bastelten mit Popplet lite, Total recall, Simple mind+, Google search, Quizcast, Twitter, Screenchomp, Toontastic, Fotobabble, Prezi, voice-over in PowerPoint, IMovie, MovieMaker, Facebook-Gruppen.

• Wir suchten durch Brainstorming mögliche Szenarien erweiterten Lernens.

• Wir schufen einen Rahmen für die Geschichte.• Wir sammelten optische Elemente aus dem Internet.• Wir diskutierten und übten die Kohärenz der Geschichte.• Wir zeigten die Geschichte in unserer Facebook-Gruppe.• Wir präsentierten sie den anderen Partnerländern, die

wiederum ihre eigenen Geschichten infolge unserer Geschichten erfanden.

• Wir reflektierten die Lernergebnisse.• Wir reflektierten (sich verändernde) Identitäten von Lehrer/

innen.

ZIELE

• die Flüssigkeit in der englischen Sprache als Fremdsprache zu steigern

• verschiedene Kulturen zu verstehen• digitale Fertigkeiten zu entwickeln• neue Wege des Unterrichtens zu erforschen

Zeit-/Organisationsrahmen4 Workshops zu je 3 Stunden und Hausübung

HauptinhaltKultur

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungL2LByTe behandelte das Flipped class-Paradigma und forderte sowohl Studierende als auch Lehrende dazu auf, Lernclips zu erstellen. Daraus ergab sich, dass wir das Geschichtenerzählen als einen Weg, neue Information und Wissen zu „transferieren“ und zu konstruieren, einführten.

Das Beispiel wurde beschrieben vonPatricia [email protected]

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Gibt es einen “Moocy Way”? UCLL – Belgien Die Lehrer/innen teilten eine MyStory (Denzin 2003) mit Kolleg/innen und Bildungsforscher/innen, um ihre Erfahrungen beim Geschichtenerzählen mittels MOOC sinnvoll zusammenzustellenSie präsentierten sie und führten von Beginn an die Struktur der drei Wünsche nach Boaz ein, um die nächste Erzählebene der Geschichte zu bilden.

Sie folgten dem MOOC, führten ein Tagebuch, verknüpften ihre Tagebucheinträge mit der theoretischen Rahmenkonstruktion und visuellen Metaphern, erzählten eine Multimedia-Geschichte, teilten ihre Überlegungen, indem sie sich an die Dreiwünsche-Formel hielten, posteten die Geschichte auf Facebook und schufen einen Erzählraum. Sie forderten ihre Kolleg/innen auf, ihre drei Wünsche mitzuteilen und so eine digitale Geschichte über das Lernen in MOOCs zu ko-kreieren.

ZIELE

• definieren, was es bedeutet, in einem MOOC zu lernen

• definieren, was es bedeutet, als Lehrer/in einen Gegenstand mit MOOC zu unterrichten

Zeit-/OrganisationsrahmenECER Konferenz 2014

HauptinhaltErfahrungen in einem MOOC aus Lehrerperspektive

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungMOOCs sind verhältnismäßig neu. Wir können Nutzererfahrungen nicht quantifizieren, da man sich in einem Veränderungsprozess befindet, bereit zur Öffnung und zu einer Bewusstseinsveränderung. Als übrigens die Lehrer/innen diese Geschichte erstellten, gab es keine Resultate von Lernanalysen, die andere Nutzererfahrungen untersuchten als die Anzahl der Kapitel. Die Lehrer/innen mussten beschreiben, was sie vom Schaffen und Anwenden von MOOCs hielten. Das Geschichtenerzählen wurde als Weg begriffen, die Lernerfahrungen zu öffnen und zu erweitern.

Das Beispiel wurde beschrieben vonPatricia [email protected]

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Erforschte und erfundene Geschichten über einen Längengrad – Dänemark

Schüler/innen der 6. Schulstufe (12 bis 13 Jahre alt) sollten eine digitale Geschichte erfinden, in der sie Bilder und eine Filmsequenz unter Verwendung von Laptops, Mobiltelefonen, Tablets (MovieMaker, IMovie, Instagram) einsetzten.

Die Schüller/innen mussten einen Längengrad auswählen und sich Geschichten ausdenken, die dort passieren könnten.Die Schüler/innen erhielten eine 30-minütige Einführung, dann wurde ein Gruppen-Brainstorming durchgeführt. Die Themen wurden an die Tafel geschrieben. Die Schüler/innen wählten das Thema für ihre Geschichte und erstellten ihre Geschichten in Gruppen.Am Ende hatten die Schüler/innen ihre Geschichten vor der ganzen Schule und ihren Eltern (ca. 100 Personen) zu präsentieren.

ZIELE

• projektbasiertes Lernen• Muttersprache: einen Ablaufplan (Storyboard)

schreiben, eine Geschichte, dann einen Film schaffen, recherchieren

• Fremdsprachen: Die Forschungsartikel waren ziemlich oft auf Englisch.

• kulturelles Bewusstsein: Hauptlernziel: Wie leben die Menschen auf diesem Längengrad?

• Lernen lernen: tägliche Reflexion über den eigenen Lernzuwachs und Möglichkeiten der Lernoptimierung

• Eigeninitiative und Unternehmertum: Ideen in die Tat umsetzen

• Sozial- und Bürgerkompetenz: nicht explizit, aber als Lehrer/in muss man darüber nachdenken. Die Schüler mussten in der Gruppe, aber auch alleine arbeiten.

• mathematische Kompetenz: niedriges Niveau: Entfernungen und Höhen messen.

• digitale Kompetenz: Alle mussten Texte, Bilder, Töne, Film und verschiedene Apps benützen.

Zeit-/OrganisationsrahmenEine ganze Woche einschließlich einem zweitägigen Hüttenaufenthalt.

HauptinhaltSinn für Zusammengehörigkeit und Zusammenhang erzeugen. Wir sehen überall in der Welt etwas von uns selbst.

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungEs musste eine digitale Geschichte sein, da sie Bilder und Filme verwenden sollten. Die Geschichte beinhaltete auch eine Dokumentation.

Eine interessante AnekdoteNachdem das Projekt beendet war, kontaktierte die Gruppe, die über den Längengrad von Island arbeitete, ein isländisches Mädchen und zeigte ihm ihren Film. Sie erhielten eine Menge Feedback, das sie der Klasse weitergaben. Daraufhin beschlossen alle Gruppen, Menschen aus ihrem Längengrad zu kontaktieren und organisierten Unterhaltungen per Skype.

Das Beispiel wurde beschrieben vonPeter Bergqvist GI Nyborgvej 86, 5772 Kvaerndrup. [email protected]

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Die Legende der Weißen Frau - Estland Hier handelt es sich um einen Bestandteil eines Comenius-Schulpartnerschaftsprojektes mit dem Titel From Fantasy to Reality: A Voyage to Discovery (Von der Fantasie zur Realität: Eine Reise zur Entdeckung). Die Kinder brachen auf eine Entdeckungsreise von der Fantasie (indem sie Mythen und Legenden quer durch Europa entdeckten) zur Realität (wobei sie europäische Kulturen und ihre Lebensumwelt verglichen) auf. Im ersten Jahr begaben sich alle Schulen auf eine Entdeckungsreise (Fantasie) mit dem Thema „Mythen und Legenden“. Die Kinder untersuchten traditionelle Mythen ihrer eigenen Länder und verwendeten dabei Dramatechniken und IT. Sie besichtigten die nahe liegende Bischofsburg und erfuhren von der Legende der Weißen Frau. Anschließend spielten sie das Stück. Sie reflektierten die Geschichte nochmals, wobei sie Fotos von ihrer Aufführung und eine PowerPoint-Präsentation verwendeten. Abschließend erzählten sie ihre eigene Geschichte oder eine moderne Version der Weißen Frau.

Die Legende der Weißen Frau:Am Rundfenster des Baptisteriums an der Südseite der Domkirche von Haapsalu erscheint während der Vollmondnächte des August eine weibliche Figur. Sie wurde die Weiße Frau genannt. Wie und warum diese Frau sich am Fenster der Kapelle seit Jahrhunderten zeigt, wird in der folgenden Legende erzählt:

Im Mittelalter, zur Zeit der Herrschaft des Bischofs von Ösel-Wiek, war jeder Kanoniker dazu verpflichtet, ein keusches und tugendhaftes Leben gemäß der Klosterregeln zu führen. Der Zutritt von Frauen in die Bischofsburg war unter Androhung der Todesstrafe verboten. Doch es ereignete sich, dass ein Kirchenmann und ein estnisches Mädchen sich unsterblich in einander verliebten. Da die jungen Leute nicht ohne einander leben konnten, verkleidete der Kirchenmann das Mädchen als Jungen und brachte sie als Chorsänger zur Burg. Lange Zeit konnte das Geheimnis gehalten bleiben, aber eines Tages wurde der Betrug aufgedeckt. Der Schuldspruch des Bischofs war hart: Der Kirchenmann wurde ins Burgverlies geworfen, auf dass er dort verhungere, während das Mädchen lebendig in die Wand des Baptisteriums eingemauert wurde. Die Schreie der jungen Frau waren tagelang zu hören, bis sie endlich verstummte. Doch ihre Seele konnte keinen Frieden finden und daher erschien sie über Jahrhunderte hinweg am Fenster des Baptisteriums, um ihren Geliebten zu beweinen und ebenso, um die Unsterblichkeit der Liebe zu beweisen.

Seit drei Jahrzehnten ist das Fest der Weißen Frau einer der Höhepunkte des Sommers in Haapsalu. An dem Augustvollmond zunächst gelegenen Wochenende verwandelt sich die Altstadt von Haapsalu in einen dynamischen Jahrmarktplatz, wo das lebendige Kulturprogramm vom Morgengrauen bis zur Dämmerung andauert und wo bei Einbruch der Dunkelheit Aufführungen der Legende der Weißen Frau stattfinden.

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• Der Fokus liegt auf der Entwicklung der mündlichen Sprache, der Kenntnis lokaler Geschichte(n) und der Kreativität.

Zeitrahmen3 Wochen HauptinhalteGeschichte, Ausdrucksfähigkeit in der Muttersprache

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDurch das Erzählen von traditionellen Geschichten wird Wissensvermittlung lebendig gemacht, während die Sprechfertigkeit der Schüler gefördert wird.

Eine interessante AnekdoteEine moderne Version aus dem Projekt:Die Geschichte über die Weiße Frau (Wahrzeichen von Haapsalu) und den Alten Thomas (Wahrzeichen von Tallinn):

Es lebte einmal ein Mann namens Alter Thomas, der von der eingemauerten Weißen Frau in Haapsalu gehört hatte. Aus Interesse beschloss er, sie zu besuchen. Er kletterte von seinem Wachturm hinunter und machte sich auf nach Haapsalu. Lange hielt er nach der Frau Ausschau, konnte sie aber nicht finden … Inzwischen wurde es dunkel und der Alte Thomas war wirklich betrübt, aber dann … wurde es plötzlich hell am Himmel und eine Frau erschien. Sie war unglaublich schön und der Alte Thomas mochte sie sofort. Sie unterhielten sich kurz, doch der Alte Thomas musste zurück auf seinen Wachtposten in Tallinn. Er versprach wiederzukommen, konnte das aber leider nicht. Er versäumte die Weiße Frau und seit damals schaut er von seinem Turm aus tagtäglich in Richtung Haapsalu.

Das Beispiel wurde beschrieben vonPrimarschule von HaapsaluEhte, 14, Haapsalu, [email protected]

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Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen – POLIMI – Italien Seit 2006 veranstaltet das Politecnico di Milano (Italien) jährlich einen Wettbewerb für das Erzählen digitaler Geschichten an italienischen Schulen. 2013/14 wurde eine internationale Version zum Thema der bevorstehenden EXPO 2015 „ Feeding the Planet, energy for life“ zur Verfügung gestellt. Die Zielgruppe dieses Wettbewerbs waren Klassen bzw. Schüler/innengruppen (Alter: 4 bis 18 Jahre) unter der Führung ihrer Lehrer/innen.

Die hier dargestellte Arbeit ist das Ergebnis aus der Kooperation zweier Grundschulen, eine in Italien und die andere in einem Flüchtlingslager in Somalia.In Italien waren zwei Grundschulklassen des zweiten Jahrganges beteiligt, in Somalia eine altersgemischte Gruppe, die aber der italienischen in der Leistungsstufe vergleichbar war.In Italien waren es insgesamt 44 Schüler/innen, die meisten davon relativ leistungsstark, 5 Kinder hatten Lernschwächen und 6 Kinder ausgewiesene besondere Bedürfnisse (special needs).

Die somalische Gruppe setzte sich aus Kindern verschiedener Altersstufen in einem Flüchtlingslager zusammen. Die meisten von ihnen waren Waisenkinder und besonders auf eine sinnvolle Bildungsmaßnahme angewiesen. Aufgrund der extrem schwierigen Situation in Somalia kommt es vor, dass 12-jährige (und ältere) Kinder noch nicht lesen und schreiben können und daher sitzen sie mit jüngeren Kindern in derselben Klasse.

Die Aktivität des digitalen Geschichtenerzählens fand im Rahmen eines interkulturellen Austausches zwischen Italien und Somalia statt, dessen Ziel ein Buch war, das die verschiedenen Traditionen der beiden Länder vergleichen sollte. Eines der „Kapitel“ sollte die Ernährung behandeln, also passte das Material perfekt zu den Themen der EXPO2015 („Feeding the planet, energy für life”).

Die Lehrer/innen teilten die italienischen Schüler/innen (Alter: 8 Jahre, verschiedene Klassen einer Schule) in Gruppen. Jede Gruppe hatte ihr eigenes Kapitel der Multimedia-Geschichte zu behandeln und sie begannen damit, Texte zu schreiben.Als es an die Bildgestaltung ging, wurden die Gruppen neu gemischt, so dass die passenden „Kompetenzen“ in jeder

Gruppe vorhanden waren. Schüler/innen, die eher technisch interessiert waren, übernahmen eine leitende Funktion. Die Arbeit wurde in heterogenen Gruppen (d.h. leistungsschwächere und -stärkere Kinder in einer Gruppe) organisiert. Auf diese Weise konnten auch Kinder mit Lernschwächen eine Rolle finden und beteiligten sich mit Begeisterung. Die Inklusion problematischer Schüler/innen wurde durch das hohe Maß an Motivation garantiert.

Als die Texte und Bilder fertig gestellt waren, wurden Audiodokumente aufgenommen, und zwar von jedem Kind vor der ganzen Klasse.Abschließend wurden alle Materialien in ein Verfassertool gestellt, das von HOC-LAB des Politecnico di Milano (Wettbewerbsorganisation) zur Verfügung gestellt wurde.Die Geschichte kann unter folgender Adresse eingesehen werden:http://www.1001storia.polimi.it/generate/INTERNATIONAL/1620/

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• Das übergeordnete Ziel war es, Kindern kulturelle Unterschiede verständlich und annehmbar zu machen

• Kompetenzen, die entwickelt werden sollten:• Gruppenarbeit• Peer-to-peer learning (Lernen mit

Entwicklungsgleichen)• Kommunikationsfertigkeiten• Multimedia-Kommunikationsfertigkeiten• Fertigkeiten in der Präsentation

ZeitrahmenJänner – April 2014

HauptinhaltVergleich von italienischen und somalischen Ernährungstraditionen und -gewohnheiten.

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Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDie Lehrerin war mit dem digitalen Geschichtenerzählen im Klassenzimmer durchaus vertraut. Dank ihrer vieljährigen Erfahrung mit dieser Praxis (die mit ihren eigenen Worten „ihren Unterrichtsstil völlig verändert hat”), war sie zuversichtlich, dass ihre Schüler/innen davon profitieren würden.Sie meinte: „Wenn das Geschichtenerzählen losgeht, können Schüler/innen an nichts anderes denken”.

Zwei interessante AnekdotenDie Lehrerin besuchte während der Weihnachtsferien persönlich das somalische Flüchtlingslager, um dort beim Projekt zu helfen; die technische Ausstattung ist sehr dürftig (und der Internetanschluss begrenzt).

In der italienischen Klasse befand sich ein chinesisches Mädchen, das eben erst aus China gekommen war. Es sprach noch kaum italienisch und war sehr schüchtern; als sie aber hörte, dass alle anderen einen Teil der Geschichte zu bearbeiten hatten, gab sie sich einen Ruck und übernahm zum Erstaunen der Lehrerin auch einen Teil (ein ganzes Kapitel).

Das Beispiel wurde beschrieben vonCinzia Undreoni (Projektleiterin)[email protected]

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Bella, Buona e Solidale (Schön, gut und verantwortlich) – POLIMI – Italien

Die hier dargestellte Arbeit wurde von einer Gruppe von 30 Schüler/inne/n, ausgewählt aus 6 Grundschulklassen derselben Schule, durchgeführt. Alle Kinder waren 8 Jahre alt.

Die Kinder sollten alle ihre sprachlichen und kommunikativen Fertigkeiten verbessern: die Aktivität war Teil eines nationalen Projektes zur Stärkung von Kompetenzen. Sie wurde drei Monate lang in zusätzlichen Stunden nachmittags und mit ausdrücklicher Erlaubnis von Seiten der Eltern abgehalten. Hauptsächlich verantwortlich waren drei Lehrer/innen, ein für das Projekt speziell eingesetzter Supervisor und ein Experte für den IT-Einsatz.

Zunächst wurden die 30 Schüler/innen dem individuellen Bedarf an Sprachverbesserung entsprechend ausgesucht: 30 Kinder aus 6 Klassen, alle 3. Schulstufe.Sie wurden in Gruppen zu je 5-6 Kindern geteilt, jeweils entsprechend ihren Talenten: diejenigen, die die Geschichte aufbauen wollten, andere, die lieber schreiben oder Bilder zeichnen wollten etc. Generell waren die Gruppen heterogen und mischten unterschiedliche Leistungsniveaus. Die Gruppen waren ziemlich flexibel und wechselten zeitweise.Abschließend wurden alle Materialien in ein Verfassertool gestellt, das von HOC-LAB des Politecnico di Milano (Wettbewerbsorganisation) zur Verfügung gestellt wurde.Die Geschichte kann unter folgender Adresse eingesehen werden:http://www.1001storia.polimi.it/generate/EXPO/1743/

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Das übergeordnete Ziel war es, Kindern die Verbesserung ihrer Sprach- und Kommunikationsfertigkeiten zu ermöglichen. Zu Ende des Projektes stellten die Lehrer/innen eine verbesserte Haltung in der Auseinandersetzung mit fairem, verantwortungsbewusstem Handel fest. Ebenso wurde von gestärkten technischen Fertigkeiten berichtet.

Zeit-/OrganisationsrahmenJänner – April 2014 30 Arbeitsstunden insgesamt, verteilt auf 12 Nachmittagstreffen

HauptinhaltEine (fiktive) Geschichte über zwei Bananen, die unter gegensätzlichsten Bedingungen gewachsen sind: eine in einer kleinen Kooperative von unabhängigen Arbeitern (fair trade), die andere im Rahmen einer multinationalen Handelsgesellschaft. Die Bananen vergleichen ihr unterschiedliches Schicksal und werden am Ende nicht nur Freundinnen, sondern die multinationale Banane freundet sich mit der Idee des fairen Handels an.

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDie hauptverantwortliche Lehrerin hatte bereits 2012-13 an einer Initiative zum digitalen Geschichtenerzählen mitgearbeitet. Sie betrachtet das Erzählen ganz generell als eine Technik, die „den Kindern am nächsten liegt” und wo sie am meisten beteiligt wird. Sie empfindet es so, dass Schüler/innen in der Multimedia-Version noch mehr zu „Protagonist/innen ihrer Arbeit“ werden: sie können zeigen, was sie meinen, indem sie zeichnen und die Bilder, die ihrer Vorstellung entsprechen, dann scannen oder indem sie sie im Internet finden.

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Eine interessante AnekdoteLeider konnten die Kinder nicht zur Abschlussfeier in Mailand kommen (die Schule hat dafür kein Budget und die Familien konnten die Kosten für die weite Reise nicht aufbringen), daher kamen nur die Lehrer/innen. Sie versammelten sich aber alle in einem großen Raum in der Schule: Schüler/innen, auch die anderer Klassen, alle Familien, die Schulleitung, die das Projekt unterstützt hatte. Als sie hörten, dass sie den Bewerb gewonnen hatten, war die Begeisterung riesengroß.

Das Beispiel wurde beschrieben von Filomena Piepoli (Supervisorin des Projektes)[email protected]

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Knochen lügen nicht – POLIMI – Italien

‚Knochen lügen nicht‘ war ein digitales Geschichtenerzählprojekt, das im Schuljahr 2013-14 zum Wettbewerb “PoliCulturaEXPO” eingereicht wurde.Die hier dargestellte Arbeit wurde von einer Klasse der Sekundarstufe 2 (Oberstufe) eines italienischen „Liceo Classico“ (einer humanistisch und klassisch orientierten Oberstufenform) durchgeführt. Die Schüler/innen waren 14 Jahre alt und befanden sich im ersten Jahrgang. Die Lehrerin beschrieb ihre Schüler/innen als nicht sehr motiviert: sie waren in sozialen und wirtschaftlichen Belangen homogen zusammengesetzt, alle aus recht wohlhabenden Familien, aber nicht sehr engagiert in der Schule.

Die Schüler/innen wurden von der Lehrerin in Gruppen geteilt. In jeder Gruppe gab es einen Koordinator/eine Koordinatorin, deren Auftrag es war, die Lehrerin über den Fortschritt der Gruppe zu informieren.

In der Geschichte geht es darum, wie menschliche Skelette bei gründlicher Untersuchung mit modernen Techniken eine Menge über gesundheitliche Probleme alter Völker aussagen können. Sie geht auf eine Ausstellung über Funde aus zwei archäologischen Grabungen in zwei Nekropolen nahe bei Rom zurück. Die Lehrerin recherchierte den Großteil des Inhalts und versorgte die Schüler/innen mit Materialien zur Zusammenfassung.Sie gewährleistete, dass alle Schüler/innen innerhalb der Gruppe alle Aktivitäten (Texte verfassen, Bilder machen bzw. bearbeiten, die Hörbeispiele aufnehmen …) ausführten.Jede Gruppe präsentierte die Evaluation ihres eigenen Teils der Geschichte.

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• Schüler/innen zu helfen, ihre Leidenschaften und Haltungen durch eine facettenreiche Aktivität zu entdecken. Die Lehrerin sagte: „Ich weiß, es mag untypisch klingen, da wir üblicherweise in den letzten Jahren der Oberstufe versuchen, den Schüler/innen klar zu machen, wie sie in ihren Studien weiterkommen und sie anregen, darüber nachzudenken, was sie später in ihrem Leben machen möchten. Aber ich denke, dass es nie zu früh ist, Jugendlichen dabei zu helfen, das zu entdecken, worin sie gut sein können und in welche Richtung ihr Leben gehen kann. Und bei dieser Aktivität geschah es tatsächlich, dass ein Bub von den medizinischen Aspekten der Untersuchung fasziniert war, ein anderer sagte, er würde gerne Archäologe werden, ein weiterer, er hätte Lust bekommen zu designen etc.

• Schüler/innen zu helfen, ihre Kommunikationsfertigkeiten zu verbessern. Sie sammelte den Großteil des Inhalts für die Schüler/innen, da sie annahm, sie seien zu jung dafür, einen realistischen Filter auf alles anzulegen, was sie im Internet finden könnten, und auch im Bewusstsein, den besonderen Fokus auf die Kommunikation legen zu sollen. Dann ersuchte sie die Schüler/innen, den Inhalt in kleinen Abschnitten, abgestimmt auf das Multimedia-Format, zusammenzufassen. Abschließend die schwierigste Aufgabe: Sie forderte sie auf, die Texte vom Referenziellen zum Phatischen umzuwandeln, d.h. sie so zu gestalten, dass das Publikum involviert wird. „Lest sie euren Eltern und Freunden vor, seht, wie sie reagieren!“ Sie gab zu, dass nicht 100% ihrer Schüler/innen dabei erfolgreich waren, doch war es immer noch nützlich für sie, das Ziel nachzuvollziehen: Geschichtenerzählen muss das Publikum gefangen nehmen.

Ein weiterer hochzuschätzender Gewinn war ein verbessertes Verständnis des Themas. Die Lehrerin bemerkte, dass die verschiedenen Gruppen sich auf ihre eigenen „Brocken“ konzentrierten, mit den anderen aber nicht vertraut wurden. Sie meinte, dass sie, falls sie mehr Zeit in die Aktivität investieren

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könnte, eine weitere Phase anschließen würde, in der die Schüler/innen quasi verpflichtet würden, sich mit den Arbeiten ihrer Mitschüler/innen zu beschäftigen.Technische Fertigkeiten wurden ebenso gewonnen: die Lehrerin stellte mit Erstaunen fest, dass junge Schüler/innen, die als „digital natives“ betrachtet werden, in manchen Aufgabenstellungen (z.B. Gebrauch sozialer Medien) gut sind, bei anderen aber völlig überfordert. Durch das Erzählen digitaler Geschichten erwarben sie in Zusammenhang mit den Medienkenntnissen eine Reihe neuer Fertigkeiten.

Zeit-/OrganisationsrahmenJänner-April 2014Arbeit in der Schule und zu Hause

HauptinhaltDie römische Geschichte

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDie verantwortliche Lehrerin hält diese Art von Aktivität für ausgesprochen motivierend: in ihren eigenen Worten „waren die Schüler/innen sehr engagiert, es war vergnüglich, ihnen beim Erarbeiten ihrer Geschichte zuzusehen“. Darüber hinaus ließ das Geschichtenerzählen sie an ein Publikum denken: die Lehrerin ermutigte die Schüler/innen, zu Hause, vor ihren Familien und Freunden zu präsentieren und zu überprüfen, ob ihre Geschichte fesselnd war.

Das Beispiel wurde beschrieben vonRita Tegon (Supervisorin des Projekts)

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“Geschichtenerzähltheater”, Halden Sekundaroberstufenschule – Norwegen

“Geschichtenerzähltheater” ist ein Arbeitsthema im Unterrichtsprogramm Schauspiel in der Oberstufe der Sekundarstufe. Dieser Kurs findet seit fast 10 Jahren jährlich statt.

Während des Kurstages arbeiten die Studierenden mit folgenden Aktivitäten:• Fantasiegeschichten • (Zu)hörübungen• Arbeit mit Volksmärchen / Sagen • Erlernen von Techniken zum Erzählen von Volksmärchen /

Sagen

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• Die Lernziele erfordern, dass die Studierenden befähigt werden sollen

• grundlegende Techniken des Geschichtenerzählens anzuwenden;

• einige Grundlagen zum Geschichtenerzählen zu erläutern;

• ein Erzählprogramm für ein spezielles Publikum zu erstellen;

• eine Erzählsituation zu schaffen;• Geschichtenerzählen als pädagogische Methode zu

erklären;• die Bedeutung von Geschichtenerzählen in

verschiedenen Kulturen zu diskutieren.

Der Kurs trifft die obenstehenden Ziele und legt den Fokus darauf, den Studierenden Selbstvertrauen zu geben, vor Kindergruppen Geschichten zu erzählen.

Zeit-/OrganisationsrahmenDie Studierenden haben einen eintägigen Kurs mit einem Geschichtenerzähler, dann arbeiten sie daraufhin, ein Programm für einen Kindergarten zu erstellen.

HauptinhaltEin Geschichtenerzählprogramm für einen Kindergarten zu erarbeiten

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungEs handelt sich hier um einen jährlich stattfindenden Kurs im Erzählen von traditionellen Geschichten, der den Studierenden Mittel und Methoden zur Verfügung stellen soll, mit denen sie Kindern im Kindergarten Geschichten erzählen können.

Das Beispiel wurde beschrieben vonHeidi Dahlsveen und Mona Staal Pettersenan der Halden VGS

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Geschichtenerzählschule in Skedsmo, mit Marianne Sundal und Lise Grimnes – Norwegen (Schüler/innen der 6. und 7. Schulstufe) Dieses Projekt geht zurück auf eine Initiative des „Cultural Rucksack“ gemeinsam mit der Sektion für Erziehung in Skedsmo im Jahre 2003. Es handelt sich um ein umfangreiches Projekt mit zahlreichen Subprojekten. Es hat unterschiedlichste Aktivitäten in Verbindung mit dem Projekt für Lehrer/innen und Schüler/innen gegeben.

Lehrer/innenEs folgt die Erfahrung der Kurslektor/innen nach zehnjähriger Arbeit mit Erzählen und Lehrer/innen. Es ist kaum zu glauben, dass alle Lehrer/innen Geschichten erzählen lernen und sie in ihren Unterricht integrieren. Es gibt Ausnahmen – einige Lehrer/innen sind besonders interessiert und erzählen gerne in ihrem Unterricht Geschichten. Schnell eignen sie sich neues Material an und haben keine Hemmungen beim Geschichtenerzählen. Es gibt auch Ausnahmen, wenn Lehrer/innen in ein großes Projekt eingebunden sind und eine ganz spezielle Geschichte in Hinblick darauf einstudiert werden soll.Daraus haben wir gelernt, und um allen Lehrer/innen etwas zur Verfügung zu stellen, das sie in der Schule verwenden können, haben wir eine Art „flashlight education”, bezogen auf Geschichten entwickelt. Das heißt, dass wir uns darauf konzentriert haben, wie Lehrer/innen das vorhandene Material sichten und in Texten, die sie vermitteln sollen, Geschichten-Erzählmaterial „entdecken“. Das können Personenbeschreibungen sein (z.B. Napoleon) oder nur ein Bild oder eine Szene (z.B. als Semmelweis die Bedeutung von Händewaschen erfasste). Dann arbeiten wir genau an diesem Detail, um es lebendig zu machen, um es so in die Lehrer/innenaus- bzw. fortbildung einfließen zu lassen.Mit dieser Methode können alle Lehrer/innen die Ideen und Methoden, die sich aus der Kunst des Geschichtenerzählens ergeben ohne zu großen Zeitaufwand nutzen.So arbeiten wir mit dieser Methodik in Zusammenhang mit recht spezifischen Themen, die die Lehrer/innen selbst vorschlagen.

Die Stärke dieser Methodik ist es, dass alle Lehrer/innen eingebunden werden können und es möglich ist, trotz des

Zeitdrucks der Lehrpläne stetig Fortschritte zu machen. Zusätzlich sehen Lehrer/innen, dass es funktioniert, und sie können sich dazu entschließen, die Geschichte in dem Maße auszuweiten, indem sie von der Methode überzeugt sind. Wir erzählen auch ständig Geschichten an unseren Trainingstagen, so dass jene Lehrer/innen, die das wollen, sie in ihrem Unterricht erzählen können. Schüler/innenWir haben in der direkten Arbeit mit Schüler/innen und traditionellem Geschichtenerzählen herausgefunden – und dies gilt besonders für Projekte über einen längeren Zeitraum als ein paar Unterrichtsstunden – dass es gut ist, auf ein Ziel hin zu arbeiten. Unsere Erfahrung erstreckt sich auf Schüler/innen zwischen 10 und 15 Jahren.Wir haben viele verschiedene Zugänge ausprobiert, und einige der besten Erkenntnisse haben wir bei Schüler/innen gewonnen, die jüngeren Schüler/innen in einer Art Vorführung (Präsentation) Geschichten erzählt haben, vorzugsweise in einer Bibliothek oder für jüngere Kinder in der Schule.

Wir haben beobachtet, dass es gut ist, mit motivierten Schüler/innen zu arbeiten, und in der Sagdalen Schule müssen sich die Schüler/innen bewerben, um am jährlich stattfindenden Projekt teilzunehmen. Wir (zwei Lehrerinnen) nehmen eine Gruppe von 20 Schüler/innen und arbeiten drei Halbtage mit ihnen, bevor sie für die Aufführung gerüstet sind. Die Schüler/innen müssen dazwischen auch üben. Eine Woche vor der Aufführung gibt es Probetage und einen Durchlauf am Vortag.

Bei der Arbeit mit den Schüler/innen arbeiten wir mittels Spiel und Proben. Zuerst arbeiten sie mit der Geschichte, die erzählt werden soll (wir haben im Vorhinein vier Geschichten ausgewählt und versuchen weitgehend, die Schüler/innen eine Geschichte ihrer Wahl nehmen zu lassen. Über das Spielen lässt sich eine Menge bewirken.

Denn teilen wir die Schüler/innen in Gruppen zu je 4 und jede Person bekommt eine Geschichte. Wichtig ist, dass die Geschichten nicht zu lang sind. Dann erstellen sie einen schriftlichen Präsentationsplan, den wir genehmigen. Daraufhin üben sie „tausendmal“. Wir legen großen Wert auf das Sicherheitsgefühl innerhalb der Gruppe.

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• Durch das Geschichtenerzählen wird Wissensaneignung lebendig gemacht und zugleich werden die Sprechfertigkeiten der Schüler/innen gefördert. Beim Kurs für Lehrer/innen planen wir Unterrichtsprogramme zu Themen des Lehrplanes. Der Fokus liegt auf der Entwicklung der mündlichen Fertigkeiten, dem Selbstvertrauen in der Präsentationssituation, der Verbreitung des Sachwissens wie auch auf der Durchführbarkeit und der Brauchbarkeit. Sowohl den Geschichten der Lehrer/innen als auch denen der Schüler/innen wird Bedeutung beigemessen.

• Beim „Bühnenkurs” messen wir der Choreographie, Aufführung und Bereichen wie Geschichtenerzählen, Slam Poetry, Stand-up mehr Bedeutung bei, je nach Wunsch der Schule.

Zeit-/OrganisationsrahmenKurs für Lehrer/innen 5-8 Tage im Jahr Geschichtenerzähl-Festival: Wochen 5 und 6 jedes Jahr „Bühne”: drei Tage pro Jahr und Schule

HauptinhaltTraditionelles Geschichtenerzählen in Schulen und im Unterricht

Das Beispiel wurde beschrieben vonLise Grimnes und Marianne Sundal

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Polnisch-französische Drachenjagd – Polen

Während der Schuljahre 2012/13 und 2013/14 wurde eine Kooperation zwischen einer Grundschule in Czuryły und einer Grundschule in Coutouvre (Frankreich) eingerichtet. Viele Aktivitäten wurden während der Zusammenarbeit durchgeführt (Korrespondenz, Mails, Postkarten in englischer Sprache, Austausch von Informationen über polnische und französische Kultur, kleine handgefertigte Geschenke), dazu kam eine Präsentation auf der Basisi des Bilderbuches.

Die Englischlehrer/innen aus Polen und Frankreich einigten sich darauf, ein Stück auf Englisch nach dem Bilderbuch „Wir gehen auf Bärenjagd“ aufzubereiten. Die Schüler/innen wurden mit der Geschichte vertraut gemacht: das Vokabular wurde eingeführt und die Lehrer/innen lasen laut vor und zeigten dabei als visuelle Hilfe Illustrationen. Nach dem Lesen begannen die Kinder mit der Arbeit am Drehbuch. Der Text aus dem Buch warde adaptiert: gekürzt, einige Teile wurden ausgelassen und mangels Bärenkostüm wurde aus dem Bären ein Drache.

Das Stück beinhaltete sowohl individuelles als auch chorisches Sprechen. So war es möglich, dass sich alle Schüler/innen entsprechend ihren Englischkenntnissen beteiligten.Die Kinder mussten sich ihre Rolle einprägen und dann wurden einige Proben abgehalten. Abschließend wurden die Stücke aufgezeichnet und zu den beiden Partnerschulen gesandt. Die Kinder konnten die Ergebnisse ihrer Peers beobachten.

ZIELE

• die Vorstellungskraft der Kinder zu entwickeln• die Kommunikation in der Fremdsprache zu

ermöglichen und zu verbessern• ihnen kulturelle Unterschiede bewusst zu machen• Interesse für fremde Kulturen zu erwecken• sich an den Geschichten zu freuen• sie zum Englischlernen zu motivieren• den Horizont zu erweitern

Zeitrahmendie Schuljahre 2012/2013 und 2013/2014

HauptinhaltEin englisches Buch zu adaptieren

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungGeschichten sind dank der einfachen Sprache und des für junge Lernende passenden Inhalts ein hervorragendes Werkzeug für das Englischlernen. Reime und repetitive Passagen, die in Geschichten verwendet werden, helfen den Schüler/innen, sich neue Sprachmuster einzuprägen. Mit einer Geschichte zu arbeiten ist ein vergnüglicher Weg Englisch zu lernen und die Schüler/innen mögen es sehr. Die Aufführung in beiden Schulen vorzubereiten war quasi ein Wettbewerb und daher waren die Schüler/innen noch motivierter bei der Teilnahme. Die Form des Stückes ermöglichte es, alle Schüler/innen zu beteiligen.

Das Beispiel wurde beschrieben vonKatarzyna KozakSzkoła Podstawowa w CzuryłachCzuryły 4408-106 [email protected]

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Europäischer Geschichtentag – Polen

Die Grundschule in Czuryły (Polen) beteiligte sich in den Jahren 2011-2013 an einer multilateralen Comenius-Schulpartnerschaft. Ein Teil des Projektes bestand darin, ein Volksmärchen vorzustellen, das in einem gegebenen Land bekannt und bei den Kindern beliebt ist. Die polnische Schule wählte „Das Rotkäppchen“. Nach fünf Monaten wurde die Arbeit aller Partnerschulen (aus Spanien, Türkei, Großbritannien, Bulgarien und Rumänien) anlässlich des „Europäischen Geschichtentages“ zusammengefasst.

Die Schüler/innen, die sich am Projekt beteiligten (12-13 Jahre alt), wurden mit den Zielen der Präsentation der Geschichten vertraut gemacht. Sie erstellten eine Unfrage und führten sie durch, um das bekannteste Märchen in unserem Land zu wählen. Schüler/innen, Lehrer/innen und die Familien der Schüler/innen wurden befragt und auf der Basis der Antworten wurde das bekannteste Märchen (Rotkäppchen) gewählt. Die Geschichte sollte in Form eines Geschichtenbuches (PDF-Datei) und eines Theaterstückes aufbereitet werden.

Fünf Monate lang (von September 2011 bis Jänner 2012) bearbeiteten die Schüler/innen, aufgeteilt in Teams, gemeinsam mit den Lehrer/innen polnische und englische Texte der Geschichte, illustrierten sie, arbeiteten an dem Szenario des Stückes, den Kostümen und der Ausstattung – wodurch alle 17 Schüler/innen entsprechend ihren Interessen und Fähigkeiten beteiligt werden konnten. Zusätzlich wurde eine Gruppe von

6 achtjährigen Schüler/innen eingeladen, als Chor im Stück mitzuwirken und sie sangen Lieder auf Englisch.

Die Geschichte wurde im PDF-Format gedruckt und an die Partnerschulen gesendet.Das Stück wurde mehrmals aufgeführt: unsere Schüler/innen spielten während des Europäischen Geschichtentages für Lehrer/innen und Schüler/innen von Partnerschulen, die die Schule in Czury³y besuchten, sowie für Eltern.

Beim Europäischen Geschichtentag konnten die Schüler/innen, abgesehen von der Aufführung der polnischen Geschichte, die Aufführungen und Filme der Partnerschulen sehen und ebenso die gedruckten Geschichtenbücher, die von ihnen erstellt worden waren, anschauen. Da alle Schulen die Geschichte in ihrer eigenen Sprache und auf Englisch erarbeitet hatten, konnten die Schüler/innen verschiedene europäische Sprachen erleben.Für jüngere Schüler/innen (6-9 Jahre) wurden sie mit Hilfe der Englischlehrer/innen erzählt.

ZIELE

• den Partnerschulen eine Vielfalt traditioneller Geschichten zur Verfügung zu stellen

• zu zeigen, dass diese tiefen Wurzeln europäischer Kultur beweisen, dass europäische Länder unterschiedlich, aber doch wieder gleich sind

• die Fantasie der Kinder zu fördern• ihre Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache

zu verbessern• ihnen kulturelle Unterschiede bewusst zu machen• Interesse für fremde Kulturen zu erwecken• Freude an den Geschichten zu haben

ZeitrahmenSeptember 2011 – Februar 2012

HauptinhaltEuropäische Märchen auf Polnisch und Englisch zu erzählen

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Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDas Präsentieren traditioneller europäischer Märchen half den Kindern nicht nur bei der Entwicklung ihrer Fantasie, sondern öffnete sie auch für andere Kulturen. Die Schüler/innen merkten, dass Kinder in ganz Europa, trotz aller Unterschiede, Dinge gemeinsam haben – z.B. dass sie Geschichten mögen.

Kinder lieben Märchen und Geschichten und ziehen sie konventionellen Texten vor. Sie haben viel Spaß und dies ist ein wesentlicher Faktor beim Wissenserwerb.

Das Thema wurde ins Curriculum aufgenommen und entsprach den Erfordernissen des Erzählens. Die Geschichten wurden von allen Schulen in verschiedenen Formen aufbereitet (Aufführungen, Filme, PDF-Dateien) und so konnten sie allen Schüler/innen (von 6-13 Jahren) gezeigt werden.

Beim Projekt war eines der Ziele der Lernzuwachs in Englisch, doch war das nicht vorrangig. Daher wurden die Geschichten einerseits auf Englisch vorgeführt (für die größeren Schüler/innen durch ihre Peers), andererseits auf Polnisch (für die kleineren durch die Lehrer/innen). Trotzdem profitierten beide Gruppen (das Team, das aktiv am Projekt teilgenommen hatte, und die restlichen Schüler/innen, die als Publikum anwesend waren) und verbesserten ihr Englisch.

Das Beispiel wurde beschrieben vonKatarzyna KozakSzkoła Podstawowa w CzuryłachCzuryły 4408-106 [email protected]

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Haus der Geschichten (Casa das Histórias) – Chapitô in Partnerschaft mit dem Justizministerium, Institut für soziale Wiedereingliederung – Portugal Dieses Projekt wurde für Burschen zwischen 14 und 18 Jahren entwickelt, die sich innerhalb des Strafvollzugs einer vom Jugendgerichtshof auferlegten Erziehungsvormundschaft unterstellen mussten. Das Projekt zielte darauf ab, diese jungen Menschen aus der Straffälligkeit herauzuholen.

Zu Beginn der Arbeitssitzung erzählte der Geschichtenerzähler/Prozessbegleiter eine Geschichte. Danach entwickelte er andere Aktivitäten wie z.B. Spiele. Nach und nach arbeitete die Gruppe an anderen narrativen Tätigkeiten wie z.B. Geschichten erfinden oder Arbeit mit Büchern. Bei dem Projekt gab es einen Erzähler/Prozessbegleiter, der ständig mit den Gruppen arbeitete, wogegen andere Geschichtenerzähler/innen für spezielle Anlässe eingeladen werden konnten.

Geschichtenerzählen als Werkzeug erwies sich als spontane Methode, Fantasie und Ideen (mit)zuteilen, indem es einen leichten Wechsel vom Zuhören zum Erzählen ermöglichte.

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• Kommunikationsfertigkeiten, insbesondere Zuhören (Aufmerksamkeit) und Fähigkeit, eigene Ideen und Vorstellungen auszudrücken

• soziale Kompetenzen, darunter die Fähigkeit zuzuhören und die Ideen anderer anzunehmen und Sprechgelegenheiten zu kontrollieren

• Stärkung des Ich• Kulturbewusstsein (viele Betroffene sind Migranten in

zweiter Generation)• Steigerung der Fantasie durch multikulturelle

traditionelle Motive• auf den Geschmack magischer Themen der

traditionellen Märchen zu kommen, die manchmal von Jugendlichen dieser Altersgruppen abgelehnt werden

• narrative Fertigkeiten (Aufbau, Spannung, Perspektiven etc.)

Zeit-/OrganisationsrahmenZwischen 1992 und 2000. Und wieder seit 2007 bis heute.Wöchentliche Sitzungen (1h20m).

HauptinhaltGeschichten hören und erzählen.

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDer Einsatz des Erzählens zielte darauf ab, die Vorstellungskraft, die kulturellen Kenntnisse und die Wertvorstellungen der jungen Männer durch den Akt des passiven Zuhörens zu steigern. Es hatte auch zum Ziel, Kommunikationsfertigkeiten durch das aktive Erzählen zu verbessern. Geschichtenerzählen als Werkzeug erwies sich als spontane Methode, Fantasie und Ideen (mit)zuteilen, indem es einen leichten Wechsel vom Zuhören zum Erzählen ermöglichte. Eine interessante Anekdote 1995 kam ein junger Mann mit einem kognitiven Defizit, der nur mit seinem Spitznamen bekannt war und selten anwesend war, zu Beginn einer Einheit mit einer Bitte zu mir: „Erzählen Sie die über die Maus!“ Ich versuchte, Zeit zu gewinnen, und sagte, dass die erste Geschichte nie eine Wiederholung wäre, dass erst nach dem Erzählen einer neuen Geschichte eine frühere Geschichte erzählt werden könnte, und ich hoffte dabei, dass er inzwischen aufgegeben haben würde, da ich nicht wusste, von welcher Geschichte er sprach. Er gab jedoch nicht auf und hörte heroisch die erste Geschichte an und als ich geendet hatte, begann er von Neuem: „Die mit der Maus!“ Die erste Überraschung für mich war, dass er durchaus verstanden hatte, was ich über das Erzählen der gewünschten Geschichte nach der ersten gesagt hatte, die zweite, dass ich mich wirklich nicht erinnern konnte, ihnen irgendetwas über eine Maus erzählt zu haben. Mir war bewusst, dass, wenn er so sehr darauf beharrte, es für ihn eine Bedeutung haben musste, wie auch immer beschränkt seine kognitive Aufnahmefähigkeit sein sollte. Der Fehler lag auf meiner Seite und so fragte ich die anderen. „Habe ich unlängst eine Geschichte über eine Maus erzählt?“ Stille. Das Geheimnis blieb bestehen und er bat immer wieder: „Die Maus!“ Dann sagte ein anderer junger Mann, ebenfalls mit kognitiver Einschränkung und ein regelmäßiger Besucher der Erzählsitzungen: „Die über die Königin!“ Ich begriff immer noch nicht, wovon sie sprachen, war mir aber mittlerweile sicher, dass sie irgendwie Recht hatten. Letztendlich die Erleuchtung!

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Ja, dachte ich, die Geschichte vom Granatapfelbaum und dem Affen! Und zu aller Erleichterung, besonders meiner eigenen, erzählte ich die Geschichte. Die Maus war eine Nebenperson, eine kleine Rolle neben vielen anderen Tieren in diesem portugiesischen Volksmärchen. Deswegen hatte ich mich nicht daran erinnern können. Und noch mehrmals danach kam der junge Mann zu den Sitzungen und bat: „Die mit der Maus!“ Später änderte er ab: „Die über den Affen!“

Ungefähr ein Jahr später, während einer Aktivität in den Gärten des Erziehungszentrums, griff dieser junge Mann nach meiner Hand und führte mich zum Eingang des Zentrums. Vor einem Baum sagte er wiederholt: „Affe!“ Ich merkte es nicht sofort, da ich an sein manchmal seltsames Verhalten, das ich als natürlich anzunehmen gelernt hatte, gewöhnt war, aber später fand ich zu meinem Erstaunen heraus, dass beim Eingang zum Zentrum ein Granatapfelbaum stand. Ich arbeite dort immer noch, und wenn ich hineingehe, erinnere ich mich oft an den jungen Burschen, der mir diesen wunderschönen Baum vorstellte. Heute habe ich drei Granatapfelbäume vor meinem eigenen Haus und zwei tragen schon Früchte.

António FontinhaStoryteller im Projekt Geschichtenhaus

Das Beispiel wurde beschrieben vonChapitô - NGO (Non-Governmental Organisation).Rua Costa do Castelo, nº1, 1149-079, Lisboa, Portugal.http://chapito.org/?s=page&p=11In Partnerschaft mit dem Justizministerium – Institut für Soziale Wiedereingliederung

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Die Sammeltasche – Portugal

Das Projekt wurde von einem Team der öffentlichen Bibliothek für Kinder von 3 bis 10 Jahren in Landpfarren des Bezirks Beja, Alentejo, entwickelt, einer Region, die geographisch isoliert und sozial benachteiligt ist und eine hohe Quote an Schulabbrechern und Emigration aufweist.

Das Projekt basiert auf dem Bestand der Bibliothek. Ein Teil dieses Bestandes reiste im Inneren einer Tasche. Im Zweiwochenrhythmus wurden in den Schulen Arbeitseinheiten von 60 Minuten rund um den Inhalt der Tasche (Gegenstände, Spiele, Illustrationen, Bücher) abgehalten. Der Vermittler band die Schüler/innen in Geschichten, Verse, Singen, Lesen etc. ein. Die Gruppe reflektierte und diskutierte die Erzählung, die handelnden Personen, die Handlung, die Folgen, die sozialen Wertkategorien und die mündliche Form der Geschichten.

ZIELE

Die Arbeitseinheiten hatten verschiedene spezifische Ziele je nach Altersgruppe

Lesekompetenz stand im Mittelpunkt, aber die Arbeit hatte auch andere Fertigkeiten zum Ziel, z.B.:• Phonologie und metalinguistisches Bewusstsein• zunehmendes Verstehen komplexerer

Erzählstrukturen• Gedächtnistraining• Wortschatzerweiterung• abstrakes und symbolisches Denken• logisches Denken und antizipierendes Lesen• Verbesserung verbaler und geschriebener Artikulation• konzentriertes Zuhören• Literatur

ZeitrahmenJänner bis Juni 2014 / Oktober 2014 bis März 2015

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDas Projekt wurde von einem Team der öffentlichen Bücherei entwickelt, das in etlichen anderen Projekten bereits seit den 1990er-Jahren Geschichtenerzählen angewendet hat. Sie erkennen die Wirksamkeit einer Methodik, die mündliches Erzählen in der Arbeit mit der Schulgemeinschaft beinhaltet. Obwohl Geschichtenerzählen eine zentrale Rolle im Projekt einnahm, war es nicht die einzige angewandte Methode.

Ein interessante AnekdoteIn einer Arbeitseinheit in einem kleinen Dorf (zur Erinnerung sei gesagt, dass Alentejo eine historisch benachteiligte Region ist) arbeitete die Gruppe an literarischen Texten zum Thema „Vater“. Am Ende drückte ein Kind seine Gefühle dazu aus und sagte, dass sein Vater nichts von alledem sei, denn er schlage es immer.Wichtig an diesem Projekt ist, dass die Kinder durch das Geschichtenerzählen die Gelegenheit haben, ihre Gefühle und Gedanken auszudrücken und dass sie sich über den verbalen Ausdruck entwickeln können. Es ist für dieses Projekt auch wichtig, Kindern zu zeigen, dass es andere Modelle von Eltern-Kind-Verhältnissen gibt und andere Arten von Beziehung zueinander als die gewaltdominierte, die sie kennen.

Das Beispiel wurde beschrieben vonBiblioteca Municipal de Beja, José Saramago (Public Library of Beja)Rua Luís de Camões , S/N, Beja, [email protected]

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Zeitkapsel - Spanien

Dieses Projekt umfasste vier Länder, die Tschechische Republik, Spanien, Portugal und Belgien. Die Schüler/innen waren zwischen 11 und 15 Jahre alt.Das Ziel des Projektes war es, eine persönliche Identität für das Projekt „Stimmen: Die europäischen Lehrer/iinnen” zu bilden.

Es bestand aus folgenden Aktivitäten:• eine Zeitkapsel herzustellen• eine Datei mit ihren Namen, einem Bild von ihnen, dem

Wort, das sie beschrieb mit einer kleinen Erläuterung, einem Lieblingsgegenstand + Bild erstellen

• eine weitere Datei erstellen mit einem Bild der Kinder, Namen, Alter, einem Bild von ihrem Lieblingsberuf und was sie später einmal sein wollten

• eine Verabredung in zehn Jahren, um zu sehen, was passiert ist; inzwischen tauschen sie ihre Bilder mit ihren europäischen Freunden aus.

ZIELE

• Muttersprache: Identität schaffen• Englisch: mit anderen Schulen kommunizieren

(dokumentierte Aktivitäten per Mail und Blog zu den anderen Schulen senden)

• Digitalkompetenz: Computereinsatz für Worddokumente, Bildbearbeitung

• Kulturbewusstsein: das Leben zu Weihnachten, über die berühmtesten Feste in Katalonien sprechen: TIO, verschiedene Zeitpläne

• Lernen lernen: Informationssuche im Internet, unabhängig und in Gruppen arbeiten

• Unternehmertum: Wir begannen mit einem Modell und dann ließen wir es fallen und erlaubten den Kindern, ihr eigenes zu bilden; das einzig Gemeinsame ist der Titel.

• Bürgerkompetenz: Gemeinsamkeiten zwischen allen Kindern der Welt und ihnen selbst herausfinden

• keine Mathematik, aber IT

ZeitrahmenJänner bis Juni

HauptinhalteIdentität + Englisch und IT

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungZur Steigerung der Motivation, um zu erklären, was wir tun, und um die Schüler/innen stolz zu machen, dass sie im Film auftreten

Das Beispiel wurde beschrieben vonDori [email protected]

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Drachen und Monster – Schweden

„Drachen und Monster“ ist ein immer noch laufendes Projekt unter der Leitung von Sagomuseet (Geschichtenmuseum) in Schweden.Das Projekt zielt auf Kinder der Grundschule (9-12 Jahre) ab. Der Hintergrund des Projekts ist, dass Untersuchungen zeigen, dass die Lesekompetenz der Kinder in Schweden im Sinken begriffen ist. Das Projekt wird mit Schüler/innen der 4., 5. und 6. Schulstufe in Ljungby durchgeführt werden. Geplant sind rund 35 Schüler/innen pro Kurs, wobei ca. 100 Schüler/innen am Projekt beteiligt sein werden.

Das Projekt ist in vier Schritten aufgebaut:

1. Geschichtenerzählen Geschichtenerzählpädagog/innen erzählen traditionelles literarisches Material zum Projektthema. Die Schüler/innen werden dann über Volksmärchen und Sagen Bescheid wissen. Das bedeutet, dass sie Parallelen zwischen Volksgut in der Welt und Fantasyliteratur (wie Harry Potter, Tolkien und andere) ziehen können.

2. Digitales Spiel Auf Volksmärchen basierende Computerspiele des Museums werden von einem Erwachsenen eingeführt und die Klasse spielt das Spiel. Dann probieren die Schüler/innen es allein.

3. RollenspielDas Geschichtenmuseum hat ein Rollenspiel auf der Basis von Sagen und Brauchtum entwickelt. Das Spiel wird in kleineren Gruppen gespielt, wobei ein Erwachsener pro Gruppe teilnimmt. Miteinander entwerfen sie eine Rahmengeschichte, eine Folge von Ereignissen mit einem Problem, das gelöst werden muss. Die Kinder trainieren ihre Kreativität und ihre mündliche Sprache. Lesen, (Geschichten)erzählen, Kommunikation und Argumentation sind Bestandteile der Aktivität.

4. Bibliothek – das geschriebene Wort Die Schulbibliothek bemüht sich um das Auffinden von Literatur, die dem Thema der Schritte 1-3 entspricht. Die Bibliothek erwirbt regelmäßig Bücher unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Schüler/innen.

ZIELE

langfristig über ein Jahr zu arbeiten, um Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersstufen verstärkt Lust auf Lesen zu machen

Zeitrahmenein Jahr

HauptinhalteLiebe zum Lesen durch Märchen/Sagen und Fantasyliteratur erwecken

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDurch das Geschichtenerzählen unter Verwendung digitaler Technologie und des Rollenspiels als methodisches Mittel will das Projekt bei den Schüler/innen Interesse für Literatur stimulieren, auch unter den Schüler/innen, die mit Lesen und Lesemotivation Schwierigkeiten haben. Erzählen erzeugt Ruhe und vermittelt eine positive Erfahrung beim Eintauchen in Geschichten und Literatur. Digitale Spiele und Rollenspiele sind Werkzeuge, die nicht immer im Rahmen des Unterrichtsablaufes Platz haben können, wiewohl ihre Zielsetzung Hand in Hand mit den Curricula geht. Die Erfahrungen der Lehrer/innen und Geschichtenerzähler/innen in diesem Projekt zeigen, dass Volkssagen und Fantasygeschichten oft eine Gruppe von Schüler/innen anspricht, die wenig Lernmotivation erkennen lassen. Diese Aktivitäten zur Entwicklung der Sprachfertigkeit sollen zu weiterem Lesen veranlassen.Sie beginnen damit, Geschichten aus dem Brauchtum zu erzählen. Auf diesen aufbauend arbeiten sie dann am Spiel und Lesen in Zusammenhang mit dem Brauchtum.Sie glauben, dass mündliches Erzählen Kindern mit wenig Lust am Lesen hilft, Freude an einer Geschichte zu finden.

Das Beispiel wurde beschrieben vonMikael Thomasson

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Multilinguales digitales Geschichtenerzählen – Peace School London - UK

Dieses Projekt wurde für 11 bis 17 Jahre alte Mädchen und Buben arabischer und nicht-arabischer Herkunft, die sich auf ihre allgemeine bzw. fortgeschrittene Schulabschlussprüfung vorbereiteten, geplant und legt einen Schwerpunkt auf die „4 Skills“. Kontext: 1. Semester - Thematischer Zugang zum Lernen. Den Schüler/innen wurde eine Reihe von Buchtiteln gegeben und eine Wahl. 2. Semester – Einbeziehen eines Film-/Mediengegenstandes und kulturellen Bewusstseins durch die Arbeit mit einer Partnerschule in Algerien.

Im ersten Jahr wurde den Schüler/innen die Freiheit gegeben, eine digitale Geschichte zu irgendeinem Gegenstand, den sie mochten, zu machen. Das reichte von Lieblingshobbies bis zu Fernreisen. 2013-2014 gingen wir einen Schritt weiter zu einem thematischen Zugang. Die Schüler/innen konnten ein Thema wählen und darüber musste eine Geschichte gemacht werden. ‘Reisen’ und ‘Ein Tag in meinem Leben’ wurden gewählt. Im 2. Semester nahmen wir uns die Lernnotwendigkeiten der Schüler/innen für den allgemeinen Abschluss (GCSE) vor und gingen dazu über, eine Filmserie zu machen.

ZIELE

• Das Hauptziel in beiden Jahren war eine Verbesserung der Sprachfertigkeiten der Schüler/innen (4 Fertigkeiten).

• Im 1. Semester machte der thematische Zugang die Schüler/innen zu eigenständig Lernenden, ihr Lernen wurde personalisiert.

• Da es eine verstärkte Anwendung von „digital modals“ gibt, wird es ihre digitalen Fertigkeiten verbessern.

• Der Zugang bietet die Möglichkeit, persönlich relevante Kontexte für Sprache zu finden.

• Es gibt Überschneidungen mit anderen üblichen Gegenständen z.B. Film oder Geschichte.

• Es inkludiert Selbst- und Peerbewertung.

Zeitlicher Rahmenursprünglich 2012-2013wiederholt zur Einführung in Film- und Medienstudien in Arabisch 2013-2014

HauptinhaltFilme erstellen und Geschichten in arabischer Sprache erstellen unter Verwendung digitaler Medien.

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungDas Ziel war es, von traditionellen Unterrichtsmethoden wegzukommen, deren Schwerpunkt auf Büchern liegt, die aus den „ursprünglichen Heimatländern“ kommen. Solche Bücher haben wenig Relevanz für die Kultur und Kreativität der Schüler/innen, die in der westlichen Gesellschaft aufgewachsen sind. Interessanterweise verweigern viele junge Erwachsene, weiter Arabisch zu lernen. Digitales Geschichtenerzählen wurde als alternative Lernmethode angeboten und mit normalen Gegenständen wie Geschichte und Filmstudien verbunden, um nicht nur Sprachfertigkeiten, sondern auch Kreativität zu fördern, Kulturbewusstsein und kritisches Denken anzustoßen.

Eine interessante AnekdoteHier ist der Link zu dem, was Schüler/innen aus ihrer Reflexion über das digitale Geschichtenerzählen veröffentlichen wollten:http://youtu.be/frVvHyNMX1M

Das ist eine Version, die von den Schüler/innen spontan selbst erstellt wurde, ohne Hilfe oder Beeinflussung:https://voicethread.com/myvoice/#q.b4763299.i24316537

Das Beispiel wurde beschrieben vonFatima KhaledPeace SchoolLondon NW2 7LL

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Geschichtenbox für Sprachen in der Primarstufe – Projekt mit Goldsmiths PGCE Primarstufenkurs – The Languages Company – UK

Das Geschichtenbox-Projekt begann mit einem Input des Teams für moderne Sprachen während der Ausbildung der Lehramtsstudierenden. Nach der Auswahl eines passenden Geschichtebuchs bereiteten sie eine Micro-Teaching-Aktivität vor, die auf der Geschichte beruhte und sie übten an einer Gruppe von Peers. Ihre Peers gaben wertvolles Feedback, das sie verwendeten, um die Aktivität zu verbessern, bevor sie es in ihren Arbeitsplan integrierten. Sie probierten die Aktivität auch in einem Enrichmentprojekt mit einer Klasse vier bis fünf Jahre alter Kinder. Das Projekt verlangt von Lehramtsstudierenden, ihre Praxis zu reflektieren und auf Feedback zu reagieren, und am Ende des Jahres präsentierten sie ihre Geschichtenboxen den PGCE-Sekundarsprachenlehrer/innen und teilten so ihre Ideen und Unterrichtsstrategien.

Während des Goldsmiths-Enrichmentprojekts verbrachten die Lehramtsstudierenden einen Tag pro Woche in der Eingangsstufe. Sie stellten den Kindern das Bilderbuch, Pop mange de toutes les couleurs (Bisinski und Sunders 2008 [2005]) und begannen, etwas Französisch auf Basis der Geschichte zu lehren. Die Kinder lernten einander zu grüßen und sich auf Französisch vorzustellen. Sie begannen auch, in Verbindung mit dem Mitlesen der Geschichte einige Farbenbezeichnungen zu lernen. Nach dem Lesen des Bilderbuchs und einer kurzen Französischsession mit Liedern und Spielen versuchten einige Vierjährige schon die französische Sprache zu verwenden, indem sie ‘Bonjour!’ zu jedem sagten, der das Klassenzimmer betrat oder sie zeigten auf Farben im Zimmer und versuchten sich an die neuen Wörter zu erinnern, die sie gelernt hatten.

ZIELE

Das Ziel war es, moderne Sprachen (in diesem Fall Französisch) in der Primarstufe mithilfe einer Geschichtenbox zu lehren bzw. lernen.

Zeitrahmen September 2013 bis Juni 2014: 9 MonateWährend dieser Zeit entwickelten die Lehramtsstudierenden einen Arbeitsplan auf der Basis eines Geschichtenbuchs als Teil ihrer Masterstudiumaufgaben, die ihnen vom ML-Team im Goldsmiths College gestellt wurden.

HauptinhaltModerner Sprachunterricht (in diesem Fall Französisch) in der Primarstufe mit einem speziellen Fokus auf die Einführung moderner Sprachen in der Eingangsstufe (EYFS setting).

Die Rolle des Geschichtenerzählens bei der DurchführungGeschichtenerzählen war ein integrales Element in den Modernen Sprachen (ML) der Primarstufen PGCE. Die Tutoren inspirierten die Lehramtsstudierenden, Sprachen in den Primarstufenklassenzimmern eingebettet in ein Narrativ zu bringen, damit anerkennend, dass Geschichten ein wirksames Werkzeug sind, die Richtlinien des Primarstufensprachenrahmens zu erfüllen. Sie können beitragen, mündliche und schriftliche Fertigkeiten zu entwickeln, durch Lesen von Geschichten mit den Kindern den Anstoß zu einem ersten interkulturellen Verständnis, durch die Auswahl der Bücher. Eine interessante AnekdoteNach nur einer Französischsession konnten die Lehramtsstudierenden tatsächlich sehen, wie Kinder Sprache aufnehmen und beginnen, sie in ihrem Spiel zu verwenden – sie konnten oft die Kinder beim Spielen im Hof hören mit ‘Pop le dinosaure’ oder ‘Lili la grenouille’, und beobachteten, dass sie zueinander ‘bonjour’ sagten und dann auf ‘Französisch’ weiterredeten in Wörtern, die sie erfunden, und Akzenten, die sie geübt hatten!

Das Beispiel wurde beschrieben vonPGCE Primary Modern Foreign Languages Department at Goldsmiths, University of London, Lewisham Way, New Cross, London, SE14 6NW.

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Das Geschichtenboxprojekt wurde von Vicky Grammatikopoulou und Kate Scappaticci entwickelt.

Auftauchende Muster

Obwohl wir nicht genügend Beispiele haben, um einen Rahmen zu definieren, haben wir doch ausreichend Daten, um auftauchende Muster zu diskutieren, die Zielgruppen betreffend, die Verbindung zu den europäischen Schlüsselkompetenzen, die Bedeutung eines Geschichtenerzählers, die Auswahl der Geschichten, Evaluation und den Unterschied zwischen mündlichem und digitalem Geschichtenerzählen. Da die Mehrheit der Beispiele guter Praxis digitale Medien in unterschiedlichen Abstufungen verwenden, nehmen wir die vier Wellen von Joe Lambert (2014) als Grundlage, die er definiert hat, um die Evolution des Zentrums für Digitales Geschichtenerzählen zu beschreiben: die kreative, die Literalitäts-, die methodische und die Ethoswelle. Wir verwenden diese Stufen als Linse, um die Verwendung von Geschichtenerzählen im Unterricht kritisch zu reflektieren.

Zielpublikum

Das Zielpublikum reichte von der Primarstufe (zehn Beispiele) zur Sekundarstufe (neun Fälle) und Lehrerausbildung (sieben Beispiele guter Praxis).

Wir konnten zwei österreichische, fünf belgische, ein dänisches, ein estnisches, drei italienische, zwei norwegische, zwei polnische, zwei portugiesische, ein spanisches, ein schwedisches und zwei britische gute Praxisbeispiele sammeln. Wir hätten uns aber auch dafür entscheiden können, zwischen nationalen und europäischen Projekten zu unterscheiden: fünfzig Prozent aller Beispiele wurden in europäischen Kontexten entwickelt:

• Geschichtenerzählfestival in der Primarschule – UCLL – Belgien (internationaler Kurs)

• Was sagen die Lehrer/innen? – UCLL – Belgien (Internationale Woche Come2Graz)

• Von Cuberdons, belgischen Waffeln, Bier und Fleischbällchen aus Liège – UCLL – Belgien (Grundtvig Projekt L2LByTe)

• Gibt es einen Moocy Way? – UCLL – Belgien (ECER Konferenz)

• Legende von der Weißen Frau – Estland (Comenius Schulpartnerprojekt: Von der Fantasie zur Realität: Eine Entdeckungsreise)

• Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen – POLIMI – Italien (internationaler Geschichtenerzählwettbewerb)

• Bella, buona e solidale (Schön, gut und verantwortlich) – POLIMI – Italien (internationaler Geschichtenerzählwettbewerb)

• Knochen lügen nicht – POLIMI – Italien (internationaler Geschichtenerzählwettbewerb)

• Polnisch-französische Drachenjagd – Polen (bilaterales Projekt)

• Europäischer Erzähltag – Polen (Multilaterale Schulpartnerschaft Comenius)

• Zeitkapsel –Spanien (Multilaterales Comeniusprojekt: Stimmen: Die europäischen Lehrer/innen)

Geschichtenerzählen und Schlüsselkompetenzen

Wir baten die Ersteller der guten Praxisbeispiele, ihre Geschichtenerzählprojekte mit den europäischen Schlüsselkompetenzen in Verbindung zu bringen und wir bekamen die folgenden Ergebnisse: Kulturbewusstsein und Ausdruck (11), digitale Kompetenzen (11), Kommunikation in Muttersprache (10), Kommunikation in Fremdsprachen (9), Lernen lernen (8), Soziale und Bürgerkompetenzen (6), Eigeninitiative und Unternehmergeist (4) und Mathematische Kompetenz und grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaften und Technik (1).

Wir müssen zugeben, dass nicht alle ihre Ziele speziell mit den Schlüsselkompetenzen verbunden haben. Sie beschrieben ihre Ziele in ihrem Expertisebereich oder zählten nur einige Schlüsselkompetenzen auf. Sie erklärten das sicher nicht in aller Tiefe, wie es die österreichische Französischlehrerin in ihrer Reflexion über den Lernweg von Spielstadt getan hat(p. 57).

Weiters betonten einige der Lehrer/innen die Energie, die Begeisterung, die Fantasie und Kreativität ihrer Schüler/innen, die die verschiedensten Tätigkeiten ausführten, um ihre Geschichte zu gestalten. Unglücklicherweise waren diese Merkmale nicht

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mit Eigeninitiative und Unternehmergeist verbunden. Unsere Hypothese ist, dass Unternehmergeist noch immer im engeren Sinn definiert wird, indem es hauptsächlich als Gründung und Leiten eines Geschäftes gesehen wird.

Einige Beitragende (Norwegen und Portugal) fügten die Kompetenz, eine Geschichte erzählen zu können, hinzu, z.B. der portugiesische Beitrag des “Geschichtenhauses” zeigt die Bedeutung der „narrativen Fertigkeiten (Folge, Spannung, Blickwinkel etc.)” auf.

Ähnlich weist der norwegische Beitrag im “Geschichtenerzähltheater” auf die Lehrziele hin, die sagen, was die „Studierenden fähig sein sollten zu tun:

• grundlegende Techniken des Geschichtenerzählens zu verwenden

• einige Grundlagen von Geschichtenerzählen erklären • ein Geschichtenerzählprogramm für ein bestimmtes

Publikum zusammenzustellen• eine Geschichtenerzählsituation zu moderieren • Geschichtenerzählen als pädagogische Methode zu

erklären.” 44

Ihre Kolleginnen, Marianne Sundal und Lise Grimnes, stellen auch die Frage, ob es für alle Lehrer/innen und Schüler/innen möglich ist, Geschichtenerzähler/innen zu werden. Daher zogen sie sich in ihrer “Geschichtenerzählschule in Skedsmo” auf eine Form von Microteaching zurück,

… eine Art von „Blitzausbildung” auf Geschichten bezogen. Es bedeutet, dass (…) die Lehrer/innen ihr Unterrichtsmaterial durchsehen sollen und lernen, Geschichtenerzählmaterial in Texten zu „entdecken“, die sie vermitteln sollen. Es kann eine Charakterbeschreibung sein (Napoleon), oder nur ein Bild oder eine Szene (als Semmelweis die Bedeutung des Händewaschens erkannte). Dann arbeiten wir an diesem genauen Detail, um es lebendig werden zu lassen, sodass Lehrer/innen es in ihren bestehenden Unterricht einfließen lassen können. Indem sie auf diese Art arbeiten, können alle Lehrer/innen die Ideen und Methoden, die mit Geschichtenerzählen zu tun haben, verwenden, ohne dass es zuviel Zeit kostet. 45

44 http://www.storiesfürlearning.eu.45 http://www.storiesfürlearning.eu.

Mündliches oder digitales Geschichtenerzählen?

Wir unterschieden zwischen mündlichem und digitalem Geschichtenerzählen und verwendeten Lamberts Definition von digitalem Geschichtenerzählen als Miteinanderverweben „verschiedener Medien, um die Kunst des Geschichtenerzählens zu unterstützen” (2006). Im Gegensatz zu unseren Erwartungen konnten wir mehr Beispiele guter Praxis von digitalem Geschichtenerzählen sammeln, ob es sich um das Erstellen oder Präsentieren der Geschichten handelte.

Von den zweiundzwanzig Geschichten verwendeten acht mündliches Erzählen in der Klasse ohne technische Unterstützung: • Von Geschichtendrachen, Silbernasen und Bücherwürmern -

PHSt – Österreich• Geschichtenerzählfest in Grundschulen – UCLL – Belgien• Geschichtenerzähltheater”, Halden

Sekundaroberstufenschule– Norwegen • Geschichtenerzählschule in Skedsmo, mit Marianne Sundal

und Lise Grimnes – Norwegen • Haus der Geschichten (Casa das Histórias) – Chapitô in

Partnerschaft mit dem Justizministerium, Institut für soziale Wiedereingliederung – Portugal

• Die Sammeltasche - Portugal • Drachen und Monster – Schweden • Grundschulsprach- und Geschichtenbox-Projekt mit

Goldsmiths PGCE Primary Kurs The Language Company – GB

Vierzehn wählten digitales Geschichtenerzählen unter Verwendung von PowerPoint, MovieMaker, Audacity, Apps und digitalen Plattformen zum Erstellen und Veröffentlichen:

• Spielstadt – Jeuville – Playcity – Österreich • Digitale Geschichten mit MS PowerPoint oder MS MovieMaker

erstellen – UCLL – Belgien • Was sagen die Lehrer/innen? – UCLL – Belgien • Von Cuberdons, belgischen Waffeln, Bier und Fleischbällchen

aus Liège– UCLL – Belgien • Gibt es einen Moocy Way? – UCLL – Belgien• Erforschte und erfundene Geschichten über einen Längengrad

- Dänemark

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• Die Legende der Weißen Frau – Estland • Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen –

POLIMI – Italien • Bella, buona e solidale (Schön, gut und verantwortlich) –

POLIMI – Italien • Knochen lügen nicht – POLIMI – Italien • Polnisch-französische Drachenjagd– Polen• Europäischer Geschichtentag – Polen • Zeitkapsel - Spanien• Multilinguales digitales Geschichtenerzählen– Peace School

London - GB

Diese Wahl scheint auch den didaktischen Zugang insgesamt zu beeinflussen: wo in Klassen mit mündlichem Erzählen vorzugsweise ein professioneller Geschichtenerzähler eingesetzt wird, der von existierenden Geschichten wie Volksmärchen, Legenden, Mythen und Kinderbüchern ausgeht, kreieren in digitalen Geschichtenerzählumgebungen die Schüler/innen ihre eigenen Geschichten. Die Lehrer/innen sind Moderatoren oder Ko-Geschichtenerzähler. Im mündlichen Erzählen führen die Kinder etwas für ein live-Publikum auf, wohingegen die digitalen Beispiele über Zeit und Raum hinweg geteilt werden können.

Es gibt auch eine starke Korrelation zwischen digitalem Geschichtenerzählen und Bildung im europäischen Kontext, da zehn von elf Beispielen, die in europäischen Projekten eingebettet sind, sich für digitales Geschichtenerzählen entschieden haben.

Vier Phasen im digitalen Geschichtenerzählen

Lambert (2014) unterscheidet vier Phasen in der Entwicklung des Zentrums für digitales Geschichtenerzählen: die kreative, die Literalitäts-, die methodische und die Ethoswelle. Während der kreativen Phase bastelten sie mit neuen Medien herum, um Familienfilme herzustellen, ein neues Publikum zu erreichen, neue Emotionen zu erwecken, neue Bedeutungen zu schaffen. Das hatte keine Methode. Spaß und Kreativität waren die Hauptzwecke. Als nächsten Schritt begannen sie, digitales Geschichtenerzählen in das Curriculum einzuführen und die Schüler/innen anzuleiten, ihre eigenen Geschichten auf verschiedene Arten durch multimodales Denken und Produzieren zu sehen: die Literalitätswelle. Schüler/innen

wurden gelehrt, wie man digitale Geschichten macht. Nach einigen Jahren verlagerte sich der Fokus von digitalem Geschichtenerzählen zum Moderatorenmodell, in dem kollaborative Geschichtenerzählplatfformen gegründet wurden, unter Verwendung von sozialen Medien und Gemeinschaften mit ihren Moderatoren: die methodische Welle. Schließlich begannen sie, digitales Geschichtenerzählen als Mittel zu untersuchen, wie man Schweigenden eine Stimme geben kann, das Schaffen eines achtsamen Bewusstseins, das es menschlichen Wesen erlaubt, „bestimmte Aspekte der Verletztheit” zu teilen und so zu überleben: die Ethoswelle.Die meisten der digitalen Beispiele guter Praxis gehören in zwei Kategorien. Einige haben den Schwerpunkt auf Spaß und Kreativität und könnten mit der Macherkultur verbunden werden, do-it-yourself Schüler/innen, bring-your-own device und learning-by-doing:

• Spielstadt – Jeuville – Playcity – Österreich • Digitale Geschichten mit MS PowerPoint oder MS MovieMaker

erstellen– UCLL – Belgien • Von Cuberdons, belgischen Waffeln, Bier und Fleischbällchen

aus Liège – UCLL – Belgien • Die Legende der Weißen Frau – Estland • Bella, buona e solidale (Schön, gut und verantwortlich) –

POLIMI – Italien • Polnisch-Französischer Geschichtentag – Polen

Andere versuchen, schweigende Geschichten auszugraben. Durch Gemeinschaften und Plattformen versuchen sie intensiv, Lehrer/innennarrative hörbar zu machen, vergleichen äthiopische mit italienischen Traditionen, motivieren gelangweilte Schüler/innen ihr eigenes Narrativ zu finden, verbinden Arabischschüler/innen mit modernen arabischen Geschichten.

• Was sagen die Lehrer/innen? – UCLL – Belgien • Gibt es einen Moocy Way? – UCLL – Belgien • Erforschte und erfundene Geschichten über einen Längengrad

- Dänemark• Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen –

POLIMI – Italien • Knochen lügen nicht – POLIMI – Italien • Zeitkapsel - Spanien• Multilinguales digitales Geschichtenerzählen – Peace School

London - GB

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Bisher hat niemand darauf hingewiesen, dass es einen Bedarf für Schüler/innen gibt, digitales Geschichtenerzählen zu lernen, wie es die norwegischen und portugiesischen mündlichen Geschichtenerzähler tun. Zweitens, obwohl das Moderatorenmodell von den Lehrer/innen selbst verwendet wird, findet es niemand für nötig, dass ihre Schüler/innen mehr darüber wissen, wie man so eine Geschichtenplattform erstellt. Wenn man die hohe Korrelation zwischen digitalem Geschichtenerzählen und Verbindung zu europäischen Kontexten bedenkt, so ist das umso rätselhafter.

Ergebnisse von Geschichtenerzählen als didaktisches Werkzeug

Barrett (2006) definiert sechs erwünschte Ergebnisse oder Forschungsfragen, die wir ansprechen sollten, wenn digitales Geschichtenerzählen als didaktisches Werkzeug akzeptiert werden soll: es verbessert das Lernen der Schüler/innen, ihre Motivation, die Beteiligung. Zusätzlich sollte digitales Geschichtenerzählen effektiver sein als Reflexion auf Papier, es sollte technische Fertigkeiten entwickeln, allen Lernenden in allen Schulen zugute kommen. Wir haben diese Kriterien verwendet, um die Auswirkungen von digitalem und mündlichem Erzählen anzusehen, und auf die Reflexion der Lehrer/innen in Bezug auf Nutzen, Auswirkungen, Stärken und Schwächen in der Sammlung von Beispielen guter Praxis geschaut.

ERGEBNIS Mündliches Erzählen Digitales (Geschichten)erzählen

Verbessert das Lernen der Schüler/innen

- Von Geschichtedrachen: erfahren sich selbst als Gestalter und Publikum; Teamarbeit in kreativem Prozess, Ideenaustausch, Kommunikations- und Präsentationsfertigkeiten, künstlerischer Ausdruck „Futter für die Seele” und Geschichtenerzählen als Sinnstiftung.

- (Geschichten)erzählfest: Sie verbesserten sich in vielen Kompetenzen, ohne es zu bemerken: sie lernten auf spielerische Weise. Viele Arten von Lernen wurden erlebt. Geschichtenerzählen ist eine andere, bessere Art von Lehren. Schüler/innen verstehen dadurch besser und lieber. Geschichtenerzählen ist eine gute Art, Werte und Theorien zu vermitteln. Geschichtenerzählen ist ideal für das Sprachenlernen, aber es kann auch für andere Gegenstände, z.B. Wirtschaft, verwendet werden und sollte viel mehr in der Sekundarstufe eingesetzt werden (z.B. etwas inszenieren, eine berühmte Person spielen …). Durch Ideenaustausch und Ratschläge wurden wir bessere Geschichtenerzähler. Wir lernten, uns vor Publikum zu präsentieren. Die Verwendung von Wiederholung und Reim verbesserte die Konzentration.

- Erzähltheater: die Schüler/innen entdeckten „wie leicht” es ist, einen Text zu lernen, ohne auswendig zu lernen.

- Geschichtenhaus: Sichtbare Verbesserung in Bezug auf soziale und Kommunikationsfertigkeiten.

- Sammeltasche: Verbesserung der Aufmerksamkeit der Schüler/innen, Dialog und Ausdruck, allgemeine Verbesserung im Verhalten.

- Geschichtenbox: Die Natur dieser Arbeit auf Master-niveau machte es möglich, Beziehungen zwischen Lerntheorien und der Praxis herzustellen, und schenkte mir ein tieferes Verständnis von Pädagogik. Zu entdecken, dass so junge Kinder und noch dazu solche, die Englisch als Zweitsprache lernen, fähig sind, eine weitere Sprache ihrem Repertoire hinzuzufügen, und dass sie das aufregend finden. Zu beobachten, wie Kinder ihr interkulturelles Verständnis entwickelten, durch die Konfrontation mit einer anderen Kultur und Sprache, als sie fragten, welche Art von Leuten Französisch sprachen, warum wir es nicht in England sprachen und welche anderen Sprachen es auf der Welt gibt?

- Spielstadt: Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts, besonders Sprachen; fast jedes Thema kann in das Spiel aufgenommen werden.

- Erstellen von digitalen Geschichten: Die Kinder können die Geschichte selbst anschauen und hören, ohne die Hilfe der Lehramtsstudierenden). Die Kinder können die Geschichte öfter anhören, dadurch wird ihre Sprachentwicklung gefördert.

- Cuberdons: Die Lehramtsstudierenden waren überrascht herauszufinden, dass alle ihre Kompetenzen verbessert wurden: Hören, Schreiben, Lesen, Sprechen. Ihr interkulturelles Bewusstsein wurde verbessert, da sie sehr viel über andere Kulturen lernten, um zu entscheiden, welche Produkte typisch für die Kultur sind.

- MOOCy: Ich konnte meine Lernerfahrung verstehen. Ich hatte ein Flowerlebis.

- Weiße Frau: Verbesserung der Aufmerksamkeit der Schüler/innen, ebenso wie Dialog und Ausdruck. Entwicklung des Wissens der Kinder über Sprache und Sprachlernstrategien; Entwicklung von Kreativität; Zusammenarbeits- fertigkeiten..

- Unter ein- und demselben Himmel: Verbessert das Verständnis und die Akzeptanz verschiedener Kulturen, Gruppenarbeit

- Bones: Verbesserung der Motivation für Schulaktivitäten. Kommunikationsfertigkeiten. Kognitiver Nutzen (verbessert das Verständnis des betroffenen Gegenstandes).

- Drachenjagd: die Schüler/innen erinnerten sich an die auswendig gelernten Sprachelemente. Sie lernten, im Team zu arbeiten.

- Europäischer Geschichtentag: Erzählen ist eine gute Art, Werte zu vermitteln, und eine ausgezeichnete Methode, in der Primarschule fächerübergreifend zu arbeiten. Schüler/innen lernten internationale Volksmärchen. Sie verbesserten ihr Englisch Sie waren interessiert an allgemeiner Information und der Kultur ihrer Partnerschulen. Sie lernten, Verantwortung für eine Aufgabe zu übernehmen. Sie lernten Teamarbeit. Sie verbesserten ihre passiven und aktiven Fertigkeiten in Englisch.

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ERGEBNIS Mündliches Erzählen Digitales (Geschichten)erzählen

- Zeitkapsel: Selbsteinschätzung, Selbstwert; sie erfuhren mehr über andere Kulturen in Europa, sie verbesserten ihr Englisch.

- Multilinguales digitales Geschichtenerzählen: Kreativität, Verbesserung der „4 Skills“, und Zusammenarbeitsfertigkeiten, interkulturelles Bewusstsein; Erweiterung des Vokabulars (Filmfachausdrücke in Arabisch); Verwendung der Sprache in einem realen Kontext. Bewertung durch Peers und positives Feedback.

Verbesserung der Motivation der Lernenden

- Geschichtenerzählfestival: wir wollten Geschichtenerzählen im gesamten Unterrichtsprozess verwenden.

- Geschichtenbox: Die Anfänge des Geschichtenboxprojekts in der EYFS waren so ermutigend, dass der Schulkoordinator mir die Erlaubnis gegeben hat, das Projekt in meiner Klasse einzuführen, als ich im September 2014 die Eingangsstufe übernahm. Die Forschung und die Praxis zeigten, dass Kinder fähig sind, neue Sprachen zu lernen und Freude daran zu haben, auch wenn es ihre dritte oder vierte Sprache ist. Im EYFS-Setting sprachen über 90% der Kinder Bengali als ihre Erstsprache und Englisch als Zweitsprache. Das könnte positive Auswirkungen auf die Regierungspolitik haben, weil es Politiker ermutigt, daran zu denken, Sprachen in einem früheren Alter einzuführen. Im Moment fordert die Regierung, dass nur Kinder in der Eingangsstufe 2 (sieben bis elf Jahre alt) in einer modernen Fremdsprache unterrichtet werden. Persönlich habe ich das Projekt wirklich genossen und als sehr wertvolle Lehr- und Lernmethode empfunden, sodass ich vorhabe, weitere Geschichtenboxen zu erstellen und es auch Lehrer/innen höherer Schulstufen empfehle.

- Spielstadt: beträchtlich verbesserte Kommunikationsfreude; durch die spielerische Art wird Fakteninformation vergnüglich gelernt.

- Weiße Frau: inspirierte die Kinder, neues Wissen über die Lokalgeschichte zu erwerben und ein Verständnis dafür zu entwickeln.

- Drachenjagd: Sie waren motiviert, Englisch zu lernen. Sie möchten gerne bald wieder ein ähnliches Lernerlebnis haben, sie waren stolz auf sich selbst.

- Europäischer Geschichtentag: Die Schüler/innen möchten gerne bald wieder ein ähnliches Lernerlebnis haben, sie waren stolz auf sich selbst, da die Arbeitsbelastung sehr hoch war und sie sie trotzdem geschafft hatten.

Verbessert das Engagement, die Mitarbeit von Schüler/innen

- Geschichtendrachen: begeisterte Schüler/innen

- Geschichtenerzählfest: Als Lehrer/innen, können wir jede Atmosphäre, die wir im Klassenzimmer wollen, durch Geschichten schaffen.

- Geschichtenerzählfest: war schön mit den Schüler/innen zu arbeiten, ihr Zuhören bei den Geschichten, ihre Fragen in Englisch zu beantworten und sich ausdrücken zu lassen; sie waren äußerst engagiert.

- Geschichtenhaus: das Engagement der Jungen in den Aktivitäten und im Lernprozess

- Was sagen die Lehrer/innen? Das Schweigen wurde gebrochen.

- Cuberdons: verbessert das Energieniveau, da Verzweiflung den Sinn für Humor verbessert.

- Unter dem selben Himmel: Involviertheit

- Bella: hohes Beteiligungsniveau; die Lehrer/innen sagten, dass es für die Schüler/innen und Eltern „eine der besten Erfahrungen“ war.

- Die zweite Stärke liegt in der Gruppenarbeit, einer Lernorganisation, in der „Schüler/innen ihr Bestes geben”.

- Knoschen: die Macht der Beteiligung

- Drachenjagd: Sie liebten diese Art zu lernen.

Wirksamer als Reflexion auf Papier

- Geschichtenbox: die Gelegenheit, meine eigenen und die Ideen und Strategien meiner Peers zu evaluieren und zu reflektieren, was effektives Lehren und Lernen ausmacht und wie Geschichten dazu beitragen können

- Was sagen die Lehrer/innen? Alle Schüler/innen schrieben eine Reflexion und zwei erstellten einen filmischen Dialog.

- Cuberdons: Wir mussten die Rolle der Lehrer/innen überdenken und „Lernen” neu definieren.

- Multilinguales digitales Geschichtenerzählen: Leistungs-feststellung in der Zielsprache mit Bezug zum nationalen Curriculum (jede/r Schüler/in wurde sich ihres/seines Niveaus bewusst und wie er/sie es verbessern kann)

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ERGEBNIS Mündliches Erzählen Digitales (Geschichten)erzählen

Baut technologische Fertigkeiten auf

- - Digitale Geschichten erstellen: Schüler/innen wussten nicht, was man alles mit MS PowerPoint machen kann.

- Cuberdons: Sie scherzte, dass sie auch eine Zweitsprache lernen musste: sie wurde von einer digital skeptischen zu einer digital fähigen Lehrer/in.

- MOOCy: Niemand hatte vorher durch ein MOOC gelernt. Daher musste ich erklären, was ein MOOC ist. NIEMAND machte bei den drei Wünschen mit.

- Weiße Frau: Digitale Kompetenz durch die Verwendung von IT und das Produzieren einer PowerPoint-Präsentation.

- Knochen: Medienfertigkeiten und technische Fertigkeiten

- Zeitkapsel : verbessert IT-Fertigkeiten.

- Multilinguales digitales Geschichtenerzählen: Verbessert digitale Fertigkeiten in Bezug auf die Verwendung von digitalen Kameras, Schnittsoftware und anderer Web 2.0-Instrumente zum Erstellen, Bearbeiten und Bewerten von Filmen.

Nützt allen Lernenden und Schulen

- Geschichtedrachen: „Auch Kinder, die in der Sprache nicht so begabt sind oder nicht Deutsch als Muttersprache haben, konnten bei den Geschichten und Märchen mitmachen, indem sie sie spielten oder anderen zusahen, wenn sie das machten.”

- Geschichtenhaus: die Qualität menschlicher Beziehungen, die manchmal durch die Kontinuität der Arbeit oder das kreative/künstlerische Engagement einiger Individuen entsteht; die Arbeit des Moderators/Geschichtenerzählers ist in einem breiten Projekt mit anderen Aktivitäten eingebettet und er wird von einem gut vorbreiteten Team von Spezialisten unterstützt.

Die guten Beziehungen zwischen dem Initiator des Projekts, Chapitô, und dem Institut für Soziale Wiedereingliederung – Justizministerium, das für die Einrichtung des Erziehungsinstituts verantwortlich ist und für die gesetzlichen Belange der in der Anstalt befindlichen jungen Männer.

- Sammeltasche: das Engagement des Bibliothekteams, die Koordination mit einigen Lehrer/innen, die Arbeit in Kontinuität, die Beziehungen mit den Schüler/innen, Lehrer/innen und der Gemeinschaft; was für die Arbeit an einigen strategischen Kompetenzen notwendig ist.

- Geschichtenbox: Wir beobachteten Auswirkungen, als die Kinder am Ende des ersten Tages abgeholt wurden und ihren Eltern begeistert erzählten, dass sie Französisch gelernt hatten. Das bewegte einige Eltern dazu, zu überlegen, ob nicht auch andere Sprachen gerlernt werden könnten; sie versuchten, sich an französische Worte zu erinnern, die sie in der Schule gelernt hatten, und begannen, mit ihren Kindern über moderne Sprachen zu diskutieren. Das war eine vielversprechende Entwicklung, die auch eine wertvolle Anregung sein könnte, in das Elternarbeitsprogramm der Schule einzufließen – vielleicht durch Eltern/Kind-Sprachstunden oder Eltern als gelegentliche Ko-Tutoren.

- Spielstadt: eine starke und andauernde Identifikation mit der persönlichen Rolle/Persona in einigen Fällen sogar nach dem Verlassen der Schule, positive soziale Effekte innerhalb der Lerngruppe, jeder mag mit jedem kommunizieren (nicht nur mit guten Freunden); positive Effekte auf das Lehrer-Schülerverhältnis durch die ko-operativen Aspekte der Methode

- Digitale Geschichten erstellen: die Lehramtsstudierenden können Geschichten machen, die für eine bestimmte Kindergruppe/Klasse interessant sind

- Cuberdons: Es ist eine Übung, die den Zusammenhalt der Gruppe fördert, da die Kinder aufeinander angewiesen sind, um ihre Geschichte zu gestalten, digitale Medien zu verwenden und die Vorstellung zu organisieren.

- Längengrad: Jede/r Studierende kann auf eigene Art auf ihrem/seinem eigenen und ebenso auf dem planmäßig vorgesehenen Niveau herausgefordert werden. Wir führten Team-Teaching durch. Am Anfang waren nicht alle Lehramtsstudierenden beteiligt. Wenn es eine Frage gab, z.B. über das Wetter, fragten wir die Geographie-Lehrer/innen.

- Unter dem selben Himmel: Inklusion

- Drachenjagd: Sogar zurückhaltende Schüler/innen machten bei der Vorstellung mit.

- Zeitkapsel: Es gab einen Blog, der mit der Schulwebsite verlinkt war, sodass Familien die Entwicklung mitverfolgen konnten, Information wurde auch dem Rathaus weitergeleitet.

- Multilinguales digitales Geschichtenerzählen: Schüler/innen übernahmen die Führung und Lehrer/innen wurden zu Begleiter/innen.

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Aus diesem Überblick wird klar, dass es in der Einschätzung der Lehrer/innen in Hinblick auf Geschichtenerzählen als Unterrichtsmethode keinen Unterschied zwischen mündlichem und digitalem Geschichtenerzählen gibt (abgesehen vom offensichtlichen Unterschied digitaler Fertigkeiten).

In Bezug auf die Schwächen artikulieren sechs Lehrer/innen, dass sie sich mehr Zeit gewünscht hätten. Andere Schwächen, die erwähnt werden, sind ein Mangel an Vorwissen in Bezug auf IT (2), Englisch (2), Volksmärchen (1), mangelnde Unterstützung von Eltern (1), Lehrer/innen(2), bei der Bewertung (2) und Schwierigkeiten mit dem Klassenzimmermanagement (2).

Insgesamt können wir daraus schließen, dass diese Lehrer/innen für Geschichtenerzählen als didaktisches Werkzeug argumentieren. Geschichtenerzählen verbessert nicht nur das Niveau der Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts, sondern schafft ein kreatives Lernumfeld, das Engagement und Motivation für tiefergehendes Lernen fördert. Zusätzlich fördert Geschichtenerzählen auch ein Klima der Inklusion, wie zwölf Beispiele guter Praxis belegen, dass Geschichtenerzählen alle Schüler/innen und sogar ihre Eltern beteiligt:• Von Geschichtendrachen, Silbernasen und Bücherwürmern

- PHSt – Österreich • Geschichtenhaus (Casa das Histórias) – Chapitô in

Kooperation mit dem Justizministerium, Institut für Soziale Wiedereingliederung – Portugal

• Die Sammeltasche – Portugal • Grundschulsprach- und Geschichtenbox-Projekt mit

Goldsmiths PGCE Primarstufenkurs – The Languages Company – GB

• Spielstadt – Jeuville – Playcity – Österreich • Digitale Geschichten mit MS PowerPoint oder MS

MovieMaker erstellen – UCLL – Belgien • Cuberdons, Belgische Waffeln, Bier und Fleischbällchen aus

Liège – UCLL – Belgien • Erforschte und erfundene Geschichten über einen

Längengrad - Dänemark• Unter dem selben Himmel: Mein Essen ist dein Essen –

POLIMI – Italien • Polnisch-französische Drachenjagd – Polen • Zeitkapsel - Spanien• Multilinguales digitales Geschichtenerzählen – Peace School

London - GB

Fragen

Eine erste Reihe von Fragen behandelt Geschichtenerzählen als didaktische Methode. Walter Ong (2002) hat mündliches Erzählen als unsere wichtigste Hilfe beim Speichern, Organisieren und Kommunizieren unseres Wissens definiert. Jérôme Bruner (1987) verteidigt sowohl den logisch-analytischen Zugang als auch den narrativen als Möglichkeiten der Wissenskonstruktion in einem Bildungskontext. Und Michel Serres hat den narrativen Pfad zur Wahrheitsfindung in der Bildungsforschung vorgeschlagen:

„Obwohl wir hingebungsvoll nach der Wahrheit suchen, finden wir sie nicht immer; falls und wenn wir dort ankommen durch Analysen und Gleichungen, Versuche oder formale Beweise, aber auch manchmal durch Experimentieren, und wenn dich das Experimentieren nicht dorthin bringt, lass dich durch Geschichten dahin tragen, wenn es geht; wenn Meditation versagt, warum nicht ein Narrativ probieren?“46

Wir gehen von Pinks Konzept aus, dass Wissenskonstruktion im 21. Jahrhundert eher die Fähigkeit verlangt, Fragen zu stellen als Antworten zu geben und verwenden seine Fünf- Warum-Technik, um zum Kern des Problems zu kommen (Pink, 2013, p. 151). Also fragen wir uns, ausgehend von der Curriculumstudie des TALES-Projekts und der Sammlung von Beispielen guter Praxis, warum Geschichtenerzählen nicht 50 Prozent der Lernerfahrungen ausmacht? Warum zögern Lehrer/innen, Geschichtenerzählen in der Unterrichtspraxis anzuwenden? Warum nehmen wir diese Art, Wissen zu speichern, zu organisieren und zu kommunizieren, der Wissenskonstruktion und der Wahrheitssuche für außergewöhnliche Projekte an, aber nicht bei integrierten, alltäglichen Klassenaktivitäten? Warum ist es nicht in der Lehrerausbildung inkludiert, als Möglichkeit, die Lernenden zu beteiligen und zu motivieren? Warum wird es nicht als Weg gesehen, inklusive Bildung zu forcieren?

Die zweite Serie von Fragen kreist um digitales Geschichtenerzählen. Bolter&Grusin behaupten, dass neue Medien entstehen, um einen Mangel oder einen Fehler zu beheben oder ungehaltene Versprechen zu erfüllen. Alte Medien versagen in der Regel darin, ihr Publikum zu inkludieren. Im Gegenzug modernisieren sich ältere Medien „um die Herausforderung durch

46 Serres, 1997, p. 165-166

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neue Medien zu beantworten”. Offensichtlich hat mündliches Erzählen eine starke Verbindung mit seinem Publikum, aber die Unterrichtspraxis hat das nicht. Vielleicht sollten wir fragen, was digitales Geschichtenerzählen den Schüler/innen ermöglicht, was der traditionelle Unterricht vergessen hat zu tun? Könnte es sein, dass digitales Geschichtenerzählen aufkommt, weil lernerzentrierte Zugänge gefordert sind? Könnte es sein, dass digitales Geschichtenerzählen die Verbindung von Wissen mit individuellen Schüler/innen auf eigene Art erleichtert, wie es für personalisiertes Lernen typisch ist? Könnte es sein, dass digitales Geschichtenerzählen den Lernenden ermöglicht, sich mit dem Wissen anderer Lernender und Lerngemeinschaften zu verbinden, wie es das Kernstück konnektivistischen Lernens ist? Schließlich, kann es sein, dass digitales Geschichtenerzählen Lernende des 21. Jahrhunderts mit einem essentiellen Werkzeug ausstattet, das es ihnen ermöglicht, an Praxisgemeinschaften (communities of practice), offenen Kursen und z.B. MOOCs teilzunehmen?

LiteraturBarrett, H. “Researching and Evaluating Digital Storytelling as a Deep Learning Tool”. 2006. Retrieved from http://electronicportfolios.com/portfolios/SITEStorytelling2006.pdf Bolter, J.; Grusin, R. Remediation. Understanding New Media. Cambridge: MIT, 2000.

Bruner, J. “Life as Narrative”. Social Research, 54 (12) (pp. 11-32) 1987.

Debyser, F. L’immeuble. Paris, Hachette, 1980.

Lambert, J. “Digital Storytelling: Capturing Lives, Creating community”. USA: Life On The Water 2006.

Lambert, J. “Looking Back to Look Forward. Digital Storytelling at a Crossroad”. Athens: International Digital Storytelling Conference 2014.

Ong, W. Orality and Literacy. The Technologizing of the World. New York: Routledge, 2002.

Pink, D. To Sell is Human: the Surprising Truth about Persuading, Convincing, and Influencing Others. Edingburgh-London: Canongate, 2013.

Serres, M. The Troubadour of Knowledge. Ann Arbor: The University of Michigan Press, 1997. An earlier version of this article is published in Expanding Learning Scenarios. Eden Annual Conference 2015

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Weil lehren immer möglich ist ...

Ein alter Mann kam zu einem Heiligen, um ihn über die Geheimnisse des Lebens zu fragen und der heilige Mann gab großzügig seine Weisheit weiter. Zufrieden ging der alte Mann in seine Zelle zurück, aber sobald er die Türe hinter sich geschlossen hatte, bemerkte er, dass er vergessen hatte, was der heilige Mann zu ihm gesagt hatte. Er suchte ihn wieder und noch einmal beantwortete dieser seine Fragen, aber zurück in seiner Zelle bemerkte er wieder, dass er wieder alles vergessen hatte. Nach mehreren weiteren Versuchen beschämt, sagte der alte Mann: „Ich vergesse alles so schnell, was du mich lehrst und jetzt traue ich mich nicht mehr zu fragen“.

Es wurde Nacht hinter den kleinen Fenstern des Klosters und so sagte der Heilige zu dem alten Mann:“ Geh doch und hole eine Lampe und komm zu mir zurück“.Der alte Mann tat wie ihm geheißen wurde und kam mit einer brennenden Lampe zurück.„Bitte, verwenden Sie das Licht, um die anderen Lampen im Zimmer anzuzünden, da es dunkel wird“, bat ihn der Heilige. Und wieder tat der alte Mann wie ihm geheißen wurde und bald brannten alle Lampen in dem Raum.„Hat die Lampe, die du verwendet hast, um alle anderen anzuzünden, deswegen gelitten? Hat sie ihre Kraft und ihr Licht verloren? Scheint sie weniger hell, nachdem sie allen anderen geholfen hat, zu brennen?“Nein”, sagte der alte Mann.„Dann zögere nicht mehr jedes Mal, wenn du mich etwas fragen willst. Ich werde dir immer wieder antworten“

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KAPITEL 4DIE TALES PILOTPROJEKTE

Lid King (The Languages Company, Großbritannien)

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Am Anfang war das Zuhören bei den Geschichten langweilig, weil ich nicht interessiert war. Aber dann, durch das Zuhören bei anderen, ist etwas in mir aufgewacht und ich begann, aufmerksamer zu sein und mir alles vorzustellen, was da erzählt wurde ….. Berufsschüler, Portugal

Ein zentrales Element im TALES Projekt war das Durchführen von Pilotprojekten in allen sechs teilnehmenden Ländern. Es war die Idee, etwas auf der Basis vorhandener Praxis zu entwickeln, sowohl im mündlichen als auch im digitalen Erzählen und das in wirklichen Kontexten zu erproben. Auf diese Art hofften wir, nicht nur Einsicht und Erfahrungen zu gewinnen, sondern auch zu sehen, was funktioniert und wie einige der zugrundeliegenden Prinzipien eines Geschichtenerzählzugangs durch Einschränkungen in tatsächlichen Organisationen in einer Reihe von Ländern und Situationen zum Tragen kommen. Diese Pilotprojekte fanden zwischen Oktober 2014 und Juni 2015 statt (nicht alle gleichzeitig) und sie dauerten zwischen 2 und 24 Stunden tatsächlicher Zeit im Klassenzimmer. Das ist natürlich leicht in die Irre führend, denn es inkludiert die Planungs- oder Vorbereitungszeit nicht, und in vielen Fällen wurden die entwickelten Zugänge auch im “normalen Leben”,

also außerhalb der Pilotprojekte. Es war auch ein Ziel, dass die Pilotprojekte dazu dienen sollten, diese exotische Kunst des Geschichtenerzählens zu „normalisieren“!

Daraus folgt, dass diese in kleinem Maßstab, aber höchst konzentrierten Projekte nicht den Status einer systematischen Großstudie in Geschichtenerzählen im Unterricht beanspruchen können. Trotzdem sind wir überzeugt, dass unsere Pilotprojekte einige gute Beispiele beinhalten, von denen andere lernen können und überlegen, wie sie das, was sie gegenwärtig tun, auf verschiedene Lernsituationen adaptieren könnten. Untenstehend finden Sie detaillierte Beschreibungen von acht Lernereignissen, mit der Entwicklung des Designs und der Implementation (das so wichtige WIE!), und die Ergebnisse jeden Projekts. Oft waren sie in der Form eines tatsächlichen Produkts - einer online digitalen Geschichte, eine Aufführung, ein geschriebenes Gedicht oder ein Stück reflektiertes Schreiben oder Gespräch. Gleich wichtig waren aber die Auswirkungen des Prozesses auf die Lernenden, (und genauso die Lehrer/innen) – die Entdeckung neuer Fähigkeiten, in einigen Fällen neue Welten und neue Einsichten über sich selbst und ihre Mitschüler/innen. In dieser Hinsicht sind die Antworten der Teilnehmer/innen besonders wichtig. Diese können auch in den Videoberichten auf der TALES -Website gesehen und gehört werden.

KAPITEL 4DIE TALES PILOTPROJEKTE

Lid King (The Languages Company, Großbritannien)

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Was wir lernen wollten Unser genereller Zugang – der für jeden Kontext adaptiert wurde – war der der Aktionsforschung und involvierte Geschichtenerzähler, Lehrer/innen (und manchmal Lehramtsstudierende), Lerner und Forscher. In jedem Fall hatten wir Schlüsselfragen, die mithilfe der Teilnehmer/innen formuliert wurden - zum Beispiel “Können Märchen auch typische Teenager ansprechen?” (Österreich) “Wie ist es möglich, Geschichten in einer anderen Sprache einzusetzen?” (UK) oder “Können digitale Geschichten on Lehrer/innen verwendet werden, um die Erfahrungen der Lernenden sichtbar zu machen?” (Belgien). Ein Arbeitsplan - Prozesse und Ergebnisse – wurde dann entwickelt um die zentralen Fragen zu beleuchten und das führte zu einem Feedback- und Evaluationsprozess und Adaptierungen.

Die möglichen Fragen und Antworten zum Thema Verwendung von Geschichtenerzählen im Unterricht sind natürlich viele und vielfältig. In Kapitel 2 (page 26) listen wir 16 Vorteile allein für Mündliches Erzählen auf. Dazu müssen wir noch die sogenannten Fertigkeiten des “21. Jahrhunderts” dazuzählen, die ebenso im Mittelpunkt der Erstellung und des Erzählens von digitalen Geschichten stehen - Technologie und visuelle Fertigkeiten und besonders Kreativität. In pädagogischer Hinsicht könnte eine Antwort auf die Frage: “WARUM GESCHICHTEN?” beginnen mit:

• Um Lernende zu inspirieren und begeistern;• Um ihnen zu helfen, Dinge zu lernen und sich zu merken;• Um sie in die Lage zu versetzen, kreativ zu sein - ob im

Sprechen, Schreiben, oder digital;• Um sie in spezifische Wissensgebiete einzuführen;• Um Teilhabe, teilen und gegenseitigen Respekt zu fördern;• Um bei Lernenden und Lehrer/innen dazu beizutragen, dass

sie sich selbst besser verstehen;• Um zu einem besseren Verständnis anderer Gesellschaften

beizutragen.

Alle diese Ziele wurden in den TALES Projekten angesprochen. Ein Planungswerkzeug, das wir nützlich gefunden haben, waren die 8 Europäischen Schlüsselkompetenzen47. Diese wurden im Projekt so angesprochen.

Es kann natürlich angenommen werden, dass Geschichtenerzählen die Entwicklung von Kommunikationsfertigkeiten in der Muttersprache fördert und auch, dass Kulturbewusstsein und kultureller Ausdruck sowie Lernen lernen ein ständiges Charakteristikum der Pilotprojekte sind. Es ist auch nicht überraschend – wenn man den zusätzlichen Fokus auf digitales Geschichten erzählen bedenkt - dass digitale Kompetenzen ein Aspekt der Hälfte der Projekte sind. Weniger offensichtlich ist vielleicht die Rolle die der Kommunikation in der Fremdsprache zukommt, Naturwissenschaftlicher Kompetenz und Eigeninitiative und Unternehmergeist. Da könnte Doris Lessings Wort48 anklingen, dass es vielleicht wirklich wahr ist, dass:

“Alle Weisheit ist in unseren Geschichten und Liedern”

Und wie in den besten Geschichten, gab es auch Lernen, das wir nicht erwartet hatten. Es gab Einsichten von Lernenden und neue Richtungen, die wir uns am Start nicht vorstellen konnten. Es gab auch Dinge, die nicht als Kompetenz gemessen werden können - Konflikte und Lösungen und Traurigkeit und Lachen. Wir hoffen, dass Sie auch einige dieser Erfahrungen erkennen und noch wichtiger, für sich etwas für ihre eigene Reise zu entdecken.

47 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=URISERV:c11090&from=EN48 Author Interview: Doris Lessing on The Grandmothershttp://pr.harpercollins.com/author/authorExtra.aspx?authorID=11302&isbn13=9780060530

112&displayType=bookinterview

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DIE ACHT SCHLÜSSELKOMPETENZEN Italien Estland Nor-wegen Portugal Öster-

reich GB Belgien (UCLL)

Belgien (AB)

Kommunikation in der Muttersprache,Das ist die Fähigkeit, Konzepte, Gedanken, Gefühle, Fakten und Meinungen auszudrücken und zu interpretieren , sowohl schriftlich als auch mündlich (hören, sprechen, lesen und schreiben) und sprachlich auf angemessene und kreative Weise zu interagieren in einer großen Bandbreite von gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten;

l l l l l l l

Kommunikation in Fremdsprachen, was zusätzlich zu den Hauptfertigkeiten in der Muttersprache , Mediation und interkulturelles Verständnis inkludiert. Der Grad der Sprachbeherrschung hängt von mehreren Faktoren ab und der Fähigkeit zum Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben;

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Mathematische Kompetenz und grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaft und Technik. Mathematische Kompetenz ist die Fähigkeit, mathematisches Denken zu entwickeln und anzuwenden, um eine Reihe von Problemen in täglichen Situationen zu lösen, mit dem Schwerpunkt auf dem Prozess, der Aktivität und Wissen. Grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaft und Technik beziehen sich auf die Beherrschung, Verwendung und Anwendung von Wissen und Methoden, die die natürliche Welt erklären. Diese involvieren ein Verständnis der durch den Menschen durchgeführten Veränderungen und die Verantwortlichkeit jedes Individuums als Bürger;

Digitale Kompetenz involviert die the confident und kritische Verwendung von Technik der Informationsgesellschaft (IT) und so grundlegende Fertigkeiten in Informations- und Kommunikationstechnik(IKT);

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Lernen lernen bezieht sich auf das Lernen, die Fähigkeit, eigenes Lernen zu verfolgen und organisieren, entweder individuell oder in Gruppen, in Übereinstimmung mit den eigenen Bedürfnissen, und im Bewusstsein von Methoden und Gelegenheiten; l l l l l l l

Soziale und Bürgerkompetenz. Soziale Kompetenz bezieht sich auf persönliche, interpersonelle und interkulturelle Kompetenz und alle Formen von Verhalten, die es Individuen ermöglichen, auf effektive und konstruktive Weise am gesellschaftlichen und Arbeitsleben teilzunehmen. Es ist verbunden mit persönlichem und sozialem Wohlgefühl. Ein Verständnis von Verhaltenscodes und Sitten in verschiedenen Umgebungen, in denen Menschen verkehren ist unabdingbar. Bürgerkompetenz, und besonders Wissen über soziale und politische Konzepte und Strukturen (Demokratie, Justiz, Gleichheit, Bürgerschaft und Bürgerrechte), stattet Individuen für aktive und democratische Teilhabe aus;

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Eigeninitiative und Unternehmertum ist die Fähigkeit, Ideen in Taten umzusetzen. Es involviert Kreativität, Innovation und Übernahme von Risiko, ebenso wie die Fähigkeit Projekte zu planen und managen, um Ziele zu erreichen. Das Individuum ist sich des Kontexts seiner Arbeit bewusst und kann sich bietende Gelegenheiten ergreifen. Es ist die Grundlage, um spezifischere Fertigkeiten und Wissen zu erlangen, die gebraucht werden, um eine geschäftliche oder soziale Aktivität zu gründen oder dazu beizutragen. Es sollte ein Bewusstsein ethischer Werte beinhalten und gute (politische) Führung fördern;

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Kulturbewusstsein und Ausdruck, beinhaltet eine Wertschätzung der Bedeutung kreativen Ausdrucks von Ideen, Erfahrungen und Gefühlen in einer Bandbreite von Medien (Musik, darstellende Kunst, Literatur und bildende Kunst).

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Überblick über die Pilotprojekte

Wie schon erwähnt, waren die Pilotprojekte sehr unterschiedlich. Einer der größten Unterschiede war zwischen mündlichen und digitalen Geschichten. Es gab einige Pilotprojekte, die nur auf mündlichem Erzählen beruhten, aber auch diese waren sehr verschieden in Bezug auf Input und Erwartungen, einige basierend auf sehr alten Traditionen und einige mit mehr Gegenwartsbezug oder gemischt. Dann gab es digitale Geschichten, die verschiedenste Mitarbeit und Kreativität von ihren Lernenden verlangten. Eine unserer Lieblingsdiskussionen war über die Verbindungen aber auch die Unterschiede zwischen dem mündlichen und dem digitalen Zugang. Was waren die gemeinsamen Faktoren – das Zuhören? Kreativ sein? Mitteilen? und wo waren die Unterschiede - Leistung? Unterstützung? Zeitaufwand? So hatten auch einige unserer hauptsächlich mündlichen Pilotprojekte (Österreich, Portugal) einige Elemente beider Genres inkludiert, während unsere digitalen Geschichtemacher (Belgien)mit einer traditionellen Geschichte begannen. Es ist ein reichhaltige Diskussion und eine, die Sie fortsetzen könnten, nachdem Sie mehr über unsere Pilotprojekte wissen.

Die Pilotprojekte fanden auch in einer großen Bandbreite von Kontexten statt – verschiedene Primarschulen, Sekundarstufen, Weiter- und höhere Bildung (besonders Lehrerbildung) und Lernen in der Gesellschaft - und involvierte auch Lernende verschiedener Altersgruppen (von 8 bis 20, oder älter, wenn wir die Lehrer/innen und die portugiesischen Großmütter inkludieren). Sie hatten auch verschiedene Ziele wie wir gesehen haben. Diese verschiedenen Kontexte, Ziele und Ergebnisse werden hier einfach zusammengefasst.

Wir hoffen daher, dass Sie ein Beispiel finden werden, dass besonders auf Ihre Erfahrungen und Bedürfnisse zutrifft. Wir hoffen auch, dass Sie über die Bereiche Ihrer eigenen unmittelbaren Expertise hinausgehen, da wir auch glauben, dass es eine Wahrheit zu finden gibt. Trotz der Bandbreite und der Unterschiede glauben wir, dass es einen roten Faden gibt - Themen, Charakteristika, und Geschichten tauchen auf. Bevor wir jedoch in die Diskussion gehen, ist es möglicherweise besser, dass Sie tatsächlich die Orange kosten und sich in die Geschichten der realen Erfahrungen TALES Pilotprojekte vertiefen.

Partner Pilotprojekt 1 (Pilotprojekt 2) Zielgruppe Besondere Bedürfnisse inkludiert?

Sozialer Kontext (Innenstadt, Vorstadt, Kleinstadt, ländlich)

Kompetenzen

Italien Digital Digital Primarstufe (6-11) Ja (in 1 Projekt)

Kleinstadt - Kommunikation in der Muttersprache - Digitale Kompetenz- Lernen lernen- Kulturbewusstsein und Ausdruck

Estland Mündlich Digital Primarstufe (2-12) Nein Kleinstadt - Kommunikation in der Muttersprache - Lernen lernen- Soziale und Bürgerkompetenzen

Norwegen Mündlich (künstlerische Forschung ; ST als Endverbraucher)

Jugend (16-18) Ja - Kommunikation in der Muttersprache - Digitale Kompetenz- Lernen lernen- Kulturbewusstsein und Ausdruck- Soziale und Bürgerkompetenzen- Eigeninitiative und Unternehmergeist- Kulturbewusstsein und Ausdruck

Portugal Mündlich Sekundarstufe II Nein Kleinstadt - Muttersprache: Kommunikationsfertigkeiten (sprechen, hören, lesen und Schreiben); - Kulturbewusstsein; - Sozialkompetenzen; - intergenerationelle Beziehungen; - Kreativität und kritisches Denken

Österreich Mündlich 12 years old Ja Inner city, middle-sized town, - Muttersprache (Kommunikation, lesen, hören, schreiben, sprechen)- Sozial :Selbstbewusstsein erhöhen und Selbstausdruck verbessern - Kulturbewusstsein und Ausdruck- Digital : Video, Photos, Radio…

GB Mündlich Primarstufe Ja Große Innenstadtschule; Sozial gemischtes und multilinguales Einzugsgebiet; Teil eines Zusammenschlusses von Schulen (Alter 3-18); Akademiestatus (d.h. direkt vom Bildungsministerium finanziert und nicht durch die lokale Behörde und mit mehr Freiheiten ausgestattet was das Curriculum etc.betrifft als traditionelle Staatsschulen). Spezialisiert auf Musik.

-Kommunikation in der Fremdsprache: (Mündlich und Schreib-Lesefertigkeiten) -Lernen lernen (Strategien zur Verbesserung von Verständnis, Gedächtnis und Kommunikation)-interkulturelles Verständnis-kreativer Ausdruck (von Ideen, Erfahrungen und Emotionen in einer Reihen von Medien, z.B. Musik, darstellende Kunst, Literatur und bildende Kunst) - Sozialkompetenz (interkulturell & interpersonal)

Belgien (KHLIM) Digital Digital Primarstufe / Sekundarstufe I & Sekundarstufe II

Nein Primarschule ‘Het Paleis’ ist eine städtische, katholische Schule mit ungefähr 500 Schüler/innen (Vor- und Grundstufe). Es ist eine weiße, einsprachige Schule mit einer Computerklasse auf dem letzten Stand und Whiteboards in jeder Klasse.

-Kommunikation in der Muttersprache -Kommunikation in Fremdsprachen -mathematische Kompetenz und grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaft und Technik-digitale Kompetenz -Lernen lernen -Soziale und Bürgerkompetenz -Eigeninitiative und Unternehmergeist -cultural awareness and expression

Belgien (AB) Mündlich Primarstufe (6-8) Nein “De Appeltuin” ist eine kleine (Vor-)Primarschule im Zentrum von Löwen.Es ist eine Freinetschule: Freinetpädagogik is eine spezielle Pädagogik, die auf dem freien Ausdruck der Kinder beruht.

- Kulturbewusstsein - Sozialkompetenz- Kommunikation in Fremdsprachen (& Muttersprache)- Lernen lernen

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Partner Pilotprojekt 1 (Pilotprojekt 2) Zielgruppe Besondere Bedürfnisse inkludiert?

Sozialer Kontext (Innenstadt, Vorstadt, Kleinstadt, ländlich)

Kompetenzen

Italien Digital Digital Primarstufe (6-11) Ja (in 1 Projekt)

Kleinstadt - Kommunikation in der Muttersprache - Digitale Kompetenz- Lernen lernen- Kulturbewusstsein und Ausdruck

Estland Mündlich Digital Primarstufe (2-12) Nein Kleinstadt - Kommunikation in der Muttersprache - Lernen lernen- Soziale und Bürgerkompetenzen

Norwegen Mündlich (künstlerische Forschung ; ST als Endverbraucher)

Jugend (16-18) Ja - Kommunikation in der Muttersprache - Digitale Kompetenz- Lernen lernen- Kulturbewusstsein und Ausdruck- Soziale und Bürgerkompetenzen- Eigeninitiative und Unternehmergeist- Kulturbewusstsein und Ausdruck

Portugal Mündlich Sekundarstufe II Nein Kleinstadt - Muttersprache: Kommunikationsfertigkeiten (sprechen, hören, lesen und Schreiben); - Kulturbewusstsein; - Sozialkompetenzen; - intergenerationelle Beziehungen; - Kreativität und kritisches Denken

Österreich Mündlich 12 years old Ja Inner city, middle-sized town, - Muttersprache (Kommunikation, lesen, hören, schreiben, sprechen)- Sozial :Selbstbewusstsein erhöhen und Selbstausdruck verbessern - Kulturbewusstsein und Ausdruck- Digital : Video, Photos, Radio…

GB Mündlich Primarstufe Ja Große Innenstadtschule; Sozial gemischtes und multilinguales Einzugsgebiet; Teil eines Zusammenschlusses von Schulen (Alter 3-18); Akademiestatus (d.h. direkt vom Bildungsministerium finanziert und nicht durch die lokale Behörde und mit mehr Freiheiten ausgestattet was das Curriculum etc.betrifft als traditionelle Staatsschulen). Spezialisiert auf Musik.

-Kommunikation in der Fremdsprache: (Mündlich und Schreib-Lesefertigkeiten) -Lernen lernen (Strategien zur Verbesserung von Verständnis, Gedächtnis und Kommunikation)-interkulturelles Verständnis-kreativer Ausdruck (von Ideen, Erfahrungen und Emotionen in einer Reihen von Medien, z.B. Musik, darstellende Kunst, Literatur und bildende Kunst) - Sozialkompetenz (interkulturell & interpersonal)

Belgien (KHLIM) Digital Digital Primarstufe / Sekundarstufe I & Sekundarstufe II

Nein Primarschule ‘Het Paleis’ ist eine städtische, katholische Schule mit ungefähr 500 Schüler/innen (Vor- und Grundstufe). Es ist eine weiße, einsprachige Schule mit einer Computerklasse auf dem letzten Stand und Whiteboards in jeder Klasse.

-Kommunikation in der Muttersprache -Kommunikation in Fremdsprachen -mathematische Kompetenz und grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaft und Technik-digitale Kompetenz -Lernen lernen -Soziale und Bürgerkompetenz -Eigeninitiative und Unternehmergeist -cultural awareness and expression

Belgien (AB) Mündlich Primarstufe (6-8) Nein “De Appeltuin” ist eine kleine (Vor-)Primarschule im Zentrum von Löwen.Es ist eine Freinetschule: Freinetpädagogik is eine spezielle Pädagogik, die auf dem freien Ausdruck der Kinder beruht.

- Kulturbewusstsein - Sozialkompetenz- Kommunikation in Fremdsprachen (& Muttersprache)- Lernen lernen

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Die Pilotprojekte im DetailMündliches Erzählen in der Primarstufe

Belgien - Geschichten als Quelle der Diskussion, Kreativität und des Selbstausdrucks

KONTEXTEine Freinetschule in Leuven. Freinetpädagogik ist eine spezielle Pädagogik von Freinet entwickelt, die auf der freien Ausdrucksweise von Kindern basiert.

TEILNEHMER/INNENEin professioneller Geschichtenerzähler von VZW Schobbejak. Klassenzimmer. Lehrerin/innen. Kinder der ersten Stufe (6-8).

ZEITPLANJänner bis April 2015. Nach der Vorbereitung brauchte jedes Thema 6 Tage, von denen 2 Halbtage mit dem Geschichtenerzähler stattfanden.

Dieses Pilotprojekt involviert einen Geschichtenerzähler, der Lehrer/innen im Klassenzimmer unterstützt. Mit dem Einsatz der Freinetmethode wurden eine Reihe von Unterrichtsstunden geplant, die Geschichten und/oder Geschichtenerzählkompetenzen involvierten. Zwei Themen wurden aus dem Schulcurriculum des relevanten Jahres genommen.

1. Angst vor meinem Schlafzimmer2. Frühling – Natur

THEMA 1 – Angst vor meinem Schlafzimmer Dieses Thema steht in Bezug zu den Gefühlen der Kinder, auch schwierigen, und wie wir diese kommunizieren können.

Was wir taten

Vorbereitung

Die Stunden begannen mit einer Einführung durch den Geschichtenerzähler: einer furchterregenden Geschichte aus dem Norden Italiens:

CattarinettaEs war einmal eine Mutter, die hatte eine kleine Tochter namens Cattarinetta. Eines Tages wollte sie einen Kuchen backen und so schickte sie das Mädchen, um eine Pfanne von ihrer Tante zu borgen, die eine böse Hexe war. Die Tante gab dem Mädchen die Pfanne und sagte: „Vergiss nicht, mir ein Stück vom Kuchen zu bringen.”

Der Kuchen wurde gebacken, und sobald er fertig war, schnitt die Mutter ein Stück vom Kuchen ab und gab es in die Pfanne, die das Mädchen zu ihrer Tante zurückbringen sollte. Das köstliche Stück Kuchen verlockte das Mädchen, und als sie so dahin ging, nahm sie sich ein kleines Stück nach dem anderen und aß es, bis schließlich nichts mehr in der Pfanne zurückblieb. Sie fürchtete sich schrecklich, aber sie dachte, ein Trick könnte ihr helfen. Sie hob ein Stück Kuhfladen vom Boden auf und legte es in die Pfanne, sodass es aussah wie ein Stück Kuchen mit brauner Kruste.

„Hast du mir die Pfanne und ein Stück vom Kuchen mitgebracht?” fragte die Tante, als Cattarinetta ankam.

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„Ja”, sagte das Mädchen, dann stellte sie die Pfanne nieder und rannte rasch davon.Cattarinetta kam zu Hause an, und als die Nacht hereinbrach, ging sie zu Bett. Da hörte sie plötzlich die Stimme ihrer Tante rufen: „Cattarinetta, ich komme. Ich bin schon an der Eingangstür!”Das Mädchen kroch tiefer in ihr Bett, aber die Stimme rief in kurzen Abständen immer wieder:„Cattarinetta, ich komme. Ich bin schon auf der Treppe!”„Cattarinetta, ich komme. Ich bin schon vor deiner Tür!”“Cattarinetta, ich komme. ich bin schon bei deinem Bett!”Und – schlürf – schluckte sie das Mädchen.

Die Kinder fühlen sich mit dem Hauptcharakter verbunden und spüren die Spannung und die Angst. Es ist die Angst von jemand anderem und das Schlafzimmer von jemand anderem und trotzdem identifizieren sie sich mit der Person und der Situation. Anschließend sprechen die Kinder darüber, was sie in ihrer Vorstellung “gesehen” haben.

Das wird durch eine Gruppendiskussion angeregt:• Was was komisch?• War der Pfannkuchen gut?• Hast du dich auch gefürchtet? Wann?• Welche Kuscheltiere hast du? Wie viele?

Aufgaben

Aufgabe 1: Erzähle uns etwas über deinen Lieblingspfannkuchen.

Der Geschichtenerzähler spricht über die Sinne:• Was könnt ihr sehen?• Was könnt ihr riechen?• Was könnt ihr schmecken?• Was könnt ihr hören?• Was könnt ihr fühlen?

Die Kinder sprechen über ihre Bilder und Gefühle, die sie während des Geschichtenerzählens erlebten.

Aufgabe 2: Angst vor meinem Schlafzimmer!

Die Lehrerin erzählt eine Angstgeschichte über ihr Schlafzimmer. Um die Kinder darauf vorzubereiten, macht sie ein kurzes Geschichtenerzählcoaching während der Vorbereitungsphase. Die Kinder hören zu und werden eingeladen, über sich selbst in einer ähnlichen Situation zu erzählen.

• Habt ihr Angstgeschichten?• Wie schaut ein furchterregendes Schlafzimmer aus?

Nachdem die Kinder ihre Geschichten erzählt haben, zeichnen sie die Bilder, die sie sehen. Sie falten ein Stück Papier in zwei Hälften und auf eine Seite zeichnen sie ein furchterregendes Schlafzimmer, auf die andere Seite ihr “Glückszimmer” – das ideale Schlafzimmer, das Schlafzimmer, in dem sie sich gut fühlen. Die Kinder sprechen dann über ihre Zeichnungen und auch über ihre Ängste.Die Zeichnungen werden an der Wand des Klassenzimmers ausgestellt.

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Wie wir die Klasse arrangierten

Es gab vier unterschiedliche Phasen der Aktivität und für jede eine bestimmte Sitzordnung:

1. Einführung + Diskussion: Gruppe; alle sitzen in einem Sitzkreis (+ Lehrerin und Geschichtenerzähler).

2. Diskussion über die Geschichte der Lehrerin und ihre eigene Geschichte: 2 Gruppen.

3. Zeichnen: die Tische sind im ganzen Klassenzimmer verteilt; individuelle Übung mit dem Geschichtenerzähler und der Lehrerin, die herumgehen und helfen.

4. Über die Zeichnungen reden: im Sitzkreis.

Den Prozess reflektieren – gelernte Lektionen

1. Das Geschichtenerzählen und die Rolle des Geschichtenerzählers waren für diese Aktivität äußerst wichtig:

• Der Geschichtenerzähler konnte eine passende Geschichte finden; durch diese Geschichte wurden die Kinder stimuliert, an dem Projekt teilzunehmen.

• Er half den Kindern, ihre Gefühle zu artikulieren und die Bilder zu beschreiben, die sie während der Geschichte sahen; Diskussion der Geschichte und Beschreibung des Pfannkuchens.

• Die Geschichte der Lehrerin baute Barrieren ab und machte es leichter für die Kinder sich ihre eigenen Geschichten vorzustellen und sie zu erzählen.

2 Die Auswirkungen auf die Kinder waren sichtbar:• Die Kinder stellten sich alle ihre Angst vor und konnten

sie aussprechen, zumindest teilweise, was das Ziel des Projekts war.

• Durch das Erzählen und Zuhören bei den Geschichten konnten sie die Angst auf ihren Platz verweisen. Indem sie ihr eine Form gaben und durch die Arbeit damit, konnten die Kinder etwas besser verstehen, das vorher bereits da war, aber für sie nicht fassbar.

• Bemerkenswerterweise begannen alle Kinder außer einem, ihren “scary room” zu zeichnen.

3 Und unsere wichtigsten Schlussfolgerungen?Das Erzählen einer maßgeschneiderten Eröffnungsgeschichte stellt eine sehr starke Verbindung her, die es den Teilnehmer/innen ermöglicht, sich am Prozess zu beteiligen! Aber Achtung: eine gute Geschichte ist nicht genug. Sie muss gut erzählt werden! Eine schlecht erzählte Geschichte hingegen kann kontraproduktiv sein.

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Thema 2: Frühling/NaturDieses Thema kreiste um Bäume und das uralte Verhältnis zwischen Bäumen und Menschen. Das Ziel war, jedes Kind zum Protagonisten seiner eigenen Geschichte zu machen. Um diesen Prozess zu unterstützen, wurde die Technik des „Mapping” verwendet. Das bedeutet, dass man wirklich eine Landkarte der Landschaft zeichnet, in der die Geschichte stattfindet, und so tiefere Einsicht in die Zeit und den Ort der Geschichte gewonnen wird.49

Was wir taten

Ein Baum für jeden

Nach einer einführenden Geschichte über einen Baum – heilende Bäume, ‘clootie trees’ (mit bunten Stoffstreifen behängte Bäume), flüsternde Bäume – werden die Kinder ins Mapping eingeführt.

Aufgabe 1: MappingDie Kinder machen eine Landkarte von ihrem Schulweg, ihrer Route von zu Hause zur Schule. Sie zeichnen auf der Karte eine Folge von wichtigen Plätzen ein: das Haus eines Freundes, eine Bäckerei, einen besonderen Platz ... aber am wichtigsten: ein besonderer Baum; einen Baum, den sie besser kennenlernen wollen. Zwischen Unterrichtsstunden stellen sie ihre Landkarte fertig. Dann beobachten sie den Baum regelmäßig und schauen, wie ihn der Frühling verändert.

Aufgabe 2: WählenDie Kinder versuchen die Baumart zu identifizieren und informieren ihre Lehrer/innen. Der Geschichtenerzähler sucht dann nach Volksüberlieferungen und/oder Bräuchen zu den verschiedenen Bäumen.

Aufgabe 3: Briefe an die BäumeDie Kinder schreiben einen persönlichen Brief und stellen ihn persönlich ihrem Baum zu (Ziel: die Verbindung zwischen Kind und Baum zu stärken).

49 Ramsden, A. & Hollingsworth, S. The Geschcihteteller’s Way. A sourcebook für inspired Geschcihtetelling. Stroud: Hawthorn Press, 2013.

Die Geschichten

Vor der Stunde werden die Landkarten der Kinder an der Wand aufgehängt. Der Geschichtenerzähler und die Lehrer/innen haben die Geschichten über die verschiedenen Bäume aufgeteilt.

Während der Stunde beginnt der Geschichtenerzähler mit einer Geschichte. Die Kinder sprechen über ihre Landkarte und den Baum, den sie ausgesucht haben. Die Lehrer/innen und der Geschichtenerzähler erzählen die traditionellen Geschichten, die sie gefunden haben.

Hier sind zwei der Geschichten des Erzählers. Die anderen können sie auf der TALES- Website finden:

1 Die Geschichte vom Apfel der Zwietracht: Eris, die Göttin der Zwietracht, wurde nicht zu einer Hochzeit eingeladen. Dennoch kommt sie und wirft einen Apfel zwischen drei Frauen, die plaudernd zusammen stehen: Hera, Aphrodite und Athena. Auf den Apfel hatte sie geschrieben: „für die Schönste”.

Sie begannen sofort zu streiten und Paris musste das Problem lösen. Hera verspricht ihm Macht, Athena Weisheit und Aphrodite Schönheit. Paris wählt die Schönheit und bekommt die schönste Frau: Helena (aber das ist eine andere Geschichte).

2 Die Geschichte von der Alten Mutter Traurigkeit „Vrouwtje myserie”: Jeder stiehlt die schönen Birnen von „Vrouwtje myserie” und das macht sie sehr traurig. Eines Tages kommt ein Reisender und fragt sie, ob er eine Birne haben könnte. Sie stimmt zu und als Belohnung hat sie einen Wunsch frei. Sie wünscht sich, dass jeder, der auf den Baum klettert, nicht mehr herunter kann, außer sie erlaubt es ihm.

Eines Tages kommt der Tod, um sie mitzunehmen und sie bietet ihm eine Birne an. Er steigt auf den Baum und steckt fest. Sie lässt ihn erst wieder herunter, als er verspricht, sie nicht mitzunehmen. Und deshalb wird es immer Traurigkeit in der Welt geben!

Als nächstes bekommen die Kinder einen maßgeschneiderten Workshop: Wie macht man eine Geschichte?

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Wer ist der Held? Gibt es noch andere Charaktere?Wo spielt die Geschichte?Wann?Was ist das Problem? (jede Geschichte hat ein Problem)Wie endet die Geschichte?

Außerhalb der Klasse setzen die Kinder die Beziehung mit ihrem Baum fort und beobachten ihn regelmäßig und das führt zu:

Aufgabe 4: - Geschichten machen

Die Kinder schreiben eine Geschichte über ihren eigenen Baum: schreiben, illustrieren und machen ein kleines Büchlein.

Geschichtenerzählen durch die KinderDieses Thema wird durch die Kinder und den Geschichtenerzähler zu Ende geführt.

• Die Kinder präsentieren ihr Büchlein und erzählen ihre Geschichte.

• Der Geschichtenerzähler erzählt eine Abschiedsgeschichte. Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

1 Wieder war die Rolle des Geschichtenerzählers und der Geschichten zentral:• Der Geschichtenerzähler führte mit einer Geschichte

über einen Baum und über die Beziehungen zwischen Bäumen und Menschen ins Thema ein.

• Er konnte Volksmärchen und/oder Bräuche finden, die sich auf jeden der verschiedenen Bäume bezogen und erzählte einige von ihnen.

• Das Thema wurde mit einer Geschichte beendet.

2 Personalisierung kann eine große Stärke sein. Das Verbinden der in der Klasse erzählten Geschichte mit der Geschichte jedes Kindes intensivierte die Beteiligung der Kinder an den Aktivitäten im Klassenzimmer, was positive Auswirkungen auf die Lernaktivitäten und auch das Lernen hatte.

3 Sowohl Kinder als auch Lehrer/innen erreichten sehr viel.Die Kinder:• bauten eine persönliche Beziehung zu einem Baum auf • entdeckten ein Volksmärchen dazu• entwarfen eine Landkarte (neue Fertigkeit)• schrieben eine “neue” Geschichte

Dank dieser Beziehung können sie jetzt die Natur intensiver beobachten. . Die Lehrer/innen hatten großartige Gelegenheiten und Aufhänger, um die Schüler/innen neue Dinge zu lehren:

Durch dieses Projekt lernte ich, wie wichtig Geschichten für Kinder sind.Wir alle verwenden Geschichten in unserer täglichen Praxis, oft um die Aufmerksamkeit der Kinder zu erlangen. Aber sie können viel mehr als nur „Aufmerksamkeit heischen”!Lernstoff wird besser verankert und hat längerfristige

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Wirkung, wenn wir ihn als Geschichte sehen/präsentieren. Was ich gelernt habe, ist, dass Geschichten auch bei weniger offensichtlichen Gelegenheiten verwendet werden können. Sogar innerhalb einer Mathematikstunde können Geschichten hilfreich sein.Wir arbeiten oft am Geschichtenschreiben in der Klasse. Es war erfrischend für die Kinder zu sehen, was Geschichten können und wie man eine Geschichte macht.Danke für die vorgeschlagenen Techniken!

An, Lehrerin

4. In Bezug auf den Kompetenzerwerb konnten wir folgende Lernergebnisse festhalten:• Kommunikation in der Muttersprache /

Kommunikation in der Fremdsprache: die Kinder lernten sich besser in der Muttersprache auszudrücken (oder für einige in der Fremdsprache); besser ihre Gefühle auszudrücken durch die Geschichten/die beschriebenen Situationen; besser ihre Ängste in Zeichnungen und Worten auszudrücken.

• Lernen lernen und Grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaften: Die Kinder lernten Informationen über eine Sache (ihren Baum) herauszufinden; die Natur zu beobachten und ihren Ablauf zu sehen (ihren Baum in den Jahreszeiten); eine Landkarte zu zeichnen (Schulweg).

• Kultur(bewusstsein und) Ausdruck und Kreativität: Die Kinder lernten ein Büchlein zu gestalten – Schreiben und Illustrieren; Visualisieren abstrakter Dinge (ihre Ängste, den Weg zur Schule); Anwenden von Regeln und Techniken für das Machen einer Geschichte: Erzählen und Schreiben.

• Soziale und Bürgerkompetenzen: Die Kinder lernten den Geschichten anderer zuzuhören; einander zu respektieren und den kulturellen Hintergrund; sich vor der Gruppe auszudrücken; die Natur (ihren Baum) als „menschliches Wesen” zu erleben und so Respekt für ihn zu fühlen und Betroffenheit; ihren Ängsten Gestalt und Raum zu geben; ihre Ängste mitzuteilen und zu erfahren, dass jeder Ängste kennt (auch Erwachsene); sich mit der Natur verbunden zu fühlen (ihrem Baum) durch die erzählten Geschichten/Legenden, ihre Erforschung, die „persönliche Botschaft” an ihren Baum.

5 Eine große Lektion für uns alle war, dass Geschichten nicht nur von Gefühlen handeln. Sie können daher auch in weniger offensichtlichen Lernsituationen verwendet werden.

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Estland - Eine traditionelle Geschichte als Basis für Diskussion und Ideenaustausch

KONTEXT Ein Fortbildungskurs für Lehrer/innen angeboten von der Tallinn Universität, Haapsalu College, der zu Arbeit in lokalen Schulen führte.

TEILNEHMER/INNENEin professioneller Geschichtenerzähler. Universitätslehrende; Primarstufenlehrer/innen und Schüler/innen (7-8 und 10-12).

ZEITPLANJänner bis Juni 2015 (ohne das Vorbereitungsseminar zu Geschichtenerzählen) inkl. 6 Stunden Vorbereitung und Training, 2 Stunden Arbeit in der Klasse und 6 Stunden Evaluation.

Das estnische TALES-Pilotprojekt wurde entworfen, um Lehrer/innen zum Geschichtenerzählen im Klassenzimmer zu motivieren, und Geschichtenerzählen als didaktische Methode mit besonderer Betonung auf dem Austausch von Ideen und Gefühlen und Entwickeln von Kreativität zu verwenden.

Was wir taten

Die Klassenzimmeraktivitäten wurden während der Dauer eines 3-teiligen Lehrer/innenfortbildungskurses der Universität durchgeführt.

Vorbereitung und Design

Das erste (Vorbereitungs)seminar konzentrierte sich auf die Verwendung von Geschichtenerzählen im Klassenzimmer. Die Teilnehmer/innen diskutierten und lernten, wie man eine Geschichte erzählt, wie man die Kasse aktiviert und probierten verschiedene Methoden in Paaren und in Gruppen. Diese Sitzung wurde von einer bekannten estnischen Geschichtenerzählerin geleitet. Die Lehrer/innen wurden auch in das TALES-Projekt und die Idee des Pilotprojektes eingeführt. Fünf Monate später traf sich dieselbe Gruppe von Lehrer/innen wieder, um über ihre Erfahrungen mit dem Geschichtenerzählen in der Klasse zu reden. Sie entschieden sich auch für eine passende Geschichte, und zwei Lehrer/innen erklärten sich bereit, die Geschichte mit zwei verschiedenen Altersgruppen (7-8 und 10-12) zu verwenden.Eine der Lehrer/innen war in der Eingangsstufe (Schüler/innen 7-8 Jahre alt), eine andere Lehrer/in unterrichtete Schüler/innen von 10-12.

Die Geschichte

Undry Ervald „Traumzug” in Estnisch „Unenäorong”

Die Geschichte wurde von einem estnischen Autor geschrieben und handelt von einem Zug, der nicht mehr auf seinen Schienen fahren wollte, weil es ihm zu langweilig war. Der Zug bewegte sich nicht mehr; zuerst waren die Passagiere sehr zornig, aber später schliefen sie ein und hatten verschiedene Träume. Ein sehr dicker Mann erlebte sich wieder dünn, ein fauler Schuljunge sah sich, als er gute Noten bekam. Der Zug sah all diese verschiedenen Träume, glückliche, traurige, eigenartige. Schließlich erwachten die Menschen und fühlten sich glücklich und jeder veränderte sich auf irgendeine Weise; der dicke Mann kaufte nur noch 3 Kuchen statt 12, der faule Schuljunge las sein Textbuch und bekam eine bessere Note. Das Leben war viel besser in dieser Stadt und nun wollte jeder mit diesem Traumzug fahren.

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Eine Reihe von Lernzielen für die Schüler/innen wurde entwickelt. Diese waren: • über sich selbst und ihr Leben reflektieren können;• Kommunikationsfertigkeiten entwickeln;• Lernfertigkeiten üben (Zuhören, Geschichtenerzählen,

Schreiben);

Diese sind mit den europäischen Schlüsselkompetenzen verbunden, besonders Kommunikation in der Muttersprache, Lernen lernen und soziale Kompetenzen (siehe p.xx Überblick über die erlangten Kompetenzen)

Klassenzimmeraktivitäten Diese wurden in Aktivitäten Vor- dem- Zuhören, Zuhören und Nach-dem-Zuhören unterteilt.

Vor dem Zuhören 1) für 7-8 Jährige:

• Die Lehrer/innen fragen einige Dinge über Züge und das Reisen mit dem Zug

• (wohin seid ihr gefahren, mit wem etc.).• Die Klasse hört ein Lied über einen Zug und stellt die

Bewegung eines Zugs dar.

2) für 10-12 Jährige:• Lehrer/innen geben Schüler/innen ein altes Zugticket

und ermutigen die Schüler/innen herauszufinden, warum dieses Ticket von heutigen verschieden ist.

• Diskussion: Wovon träumst du? Sind deine Träume schon einmal wahr geworden?

Zuhören

Aktivitäten nach dem Zuhören 1) für 7-8 Jährige:

• kurze Diskussion über Träume – was Menschen träumen, wovon du träumst?

• Kinder zeichnen Bilder, um die Geschichte nachzuerzählen• Kinder zeichnen ihre eigenen Träume

2) für 10-12 Jährige:• Diskussion: Was musst du tun, um deine Träume wahr

werden zu lassen?• Kinder verwenden Bilder oder PowerPoint-Präsentationen,

um die Geschichte nachzuerzählen• Kinder schreiben über ihre Träume.

Prozessreflektion – Gelernte Lektionen

Am Ende der Stunde hatten die Kinder produziert:• 10 Bilder über ihre Träume (7- 8 Jährige);• 12 Geschichten über ihre Träume (10-12 Jährige)

Alle Schüler/innen sagten etwas und teilten ihre Gedanken mit, und die meisten bekamen die wichtigste Botschaft mit – dass es wichtig ist, sich eine Auszeit zu nehmen und über sein Leben nachzudenken. Die Schüler/innen waren auch motiviert, Geschichten zu erzählen. Sie erlebten Geschichtenerzählen als authentische Aktivität, und nach dem Zuhören waren sie in der Lage, die Geschichten nachzuerzählen. Sie mochten besonders:

• der Geschichte zuhören• über ihre Träume erzählen und den anderen dabei zuzuhören• die Geschichte mit Hilfe von Bildern nacherzählen, weil die

Charaktere und die Bilder komisch waren.

Die jüngeren Kinder mochten das Zeichnen, aber die älteren fanden es schwierig, über ihre Träume zu schreiben.

Die Lehrer/innen gewannen auch Erfahrung im Umgang mit Geschichtenerzählen als didaktische Methode. Sie berichteten, dass es nicht so schwierig war und dass, obwohl sie schon vorher Dinge ausprobiert hatten, es nicht systematisch war. Sie waren sicher, dass sie bessere Pädagog/inn/en geworden

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waren, indem sie nun fähig waren, Geschichten effektiver zu erzählen. Einige bemerkenswerte Punkte:

• Das Finden einer passenden Geschichte war das schwierigste, aber die Geschichtenerzählerin löste das Problem.

• Die Geschichten gingen direkt ins Herz und die Schüler/innen waren emotional involviert; es half, eine positive Haltung zum Lernprozess zu entwickeln.

• Eine der Lehrer/innen fühlte sich als Geschichtenerzählerin nicht sicher, und daher las sie einen Teil der Geschichte. Aber auch sie meinte, dass Erzählen viel besser wirkt als Lesen. Ohne das Buch schaut der Erzähler dem Publikum direkt in die Augen und kann Gestik und Körpersprache zur Verstärkung einsetzen und den Kindern helfen, die Geschichte besser zu verstehen.

• Geschichtenerzählen verbessert das Vokabular der Schüler/innen, das Zuhören und die Sprechfertigkeiten.

Ein Gedanke zum Schluss:

In Estland können oder wollen Schüler/innen nicht gerne Bücher und verschiedene Texte lesen. Einige fragten sich, ob mündliches Erzählen für dieses Problem hilfreich oder störend sein würde. Nach der Erfahrung in Estland glauben wir, dass mündliches Erzählen uns helfen kann, die Lage zu verbessern, da es Lernenden hilft, zuzuhören und die Geschichte nachzuerzählen, auf diese Weise ihr Vokabular zu entwickeln und ein Verständnis vom Sinn. Vom Zuhören zum Lesen zu wechseln ist dann ein logischer und sanfter Schritt für die Schüler/innen; Zuhören und Erzählen können so zu einer perfekten Grundlage für das Entwickeln von Interesse an Büchern und Lesen werden.

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UK – Geschichten in der Fremdsprache als Lern- und Leistungsmotivation

KONTEXT Eine große, staatliche, innerstädtische Primarschule mit multilingualen Schüler/innen in Zusammenarbeit mit einer Lehrerbildungsinstitution (Goldsmiths) und Lehreramtsstudierenden.

TEILNEHMER/INNEN Eine professionelle Geschichtenerzählerin. Lehrer-bildner. Lehrer/innen. Lehramtsstudierende. 30 Kinder der Primarstufe (8-9), die Deutsch lernen.

ZEITPLANFebruar bis Juni 2015 (ohne die Planungsphase im Herbst) 2 x 4 Stunden Training mit Studierenden und Lehrer/innen; Schulsession (1 x 4 Stunden) mit der Geschichtenerzählerin; Lektionen der Lehramtsstudenten in der Schule (2 Stunden/Woche, 1 Semester lang); Schlussaufführung der Kinder und Einbezug von jüngeren Schüler/innen (1 x 2 Stunden).

Das Spezielle an diesem Pilotprojekt war, dass es dafür konzipiert war, Fremdsprachenkompetenz zu erwerben – in diesem Fall Deutsch. Zusätzlich gab es zwei Zielgruppen: Lehramtsstudierende für Fremdsprachen und eine Klasse 8-9 jähriger Primarstufenkinder.

• Die Lehramtsstudierenden eines einjährigen Ausbildungskurses (postgraduate) für die Primarstufe bekamen Input vom professionellen Geschichtenerzähler und wurden in Zusammenarbeit mit den Kurstutoren gebeten, diesen Zugang und die Strategien in der Planung eines auf Geschichtenerzählen basierenden Arbeitspensums für das Lehren von Fremdsprachen in der Primarstufe zu integrieren. Sie verwendeten dazu ihre Lehrpraxis in den Partnerschulen und auch als Bezugspunkt für ihre Reflexionen für ihre Abschlussprüfung zum Meisterlevel in ihrem pädagogischen Fremdsprachenmodul.

• • Die Klasse von dreißig 8-9 jährigen Primarschulkindern (4.

Jahr) lernt Deutsch als Fremdsprache im Unterricht.

Was wir taten

Vorbereitung

In der Vorbereitung erarbeitete das Tales-Pilotteam in Diskussion mit den Schul- Lehrer/innen, spezielle kontextspezifische Lernziele für die Pilotschulen. Diese wurden von den europäischen Schlüsselkompetenzen abgeleitet (p.98) und stimmten auch mit den nationalen Lehrplänen und dem schulinternen Monitoring von Fertigkeiten, Haltungen und Auswirkungen überein.Die folgenden spezifischen Lernziele wurden bestimmt (und überprüft) für das Pilotprojekt: Entwickeln der Fähigkeiten der Kinder dazu, dass sie 1. bei gesprochener Sprache aufmerksam zuhören und durch

Mitmachen und Reagieren Verständnis zeigen,2. Ideen und Information mündlich vor verschiedenem

Publikum präsentieren,3. Geschichten, Lieder, Gedichte und Reime in der

Fremdsprache schätzen lernen,4. sorgfältig lesen und Verständnis von Worten, Phrasen und

einfachem Schreiben zeigen,5. sich Worte merken und diese für neue Sätze verwenden

und Ideen klar ausdrücken.

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Phase 1: InputTrainingtag 1: Brücke zwischen mündlichem Erzählen und moderner SprachpädagogikIn dieser ersten Sitzung verwendete die Geschichtenerzählerin Geschichten und Techniken, um den Goldsmith-PGCE-Studenten die Möglichkeit zum Erforschen, Erfahren und Reflektieren der Vorteile und des Potentials mündlichen Erzählens im Klassenzimmer zu geben. Die Student/innen hatten die Gelegenheit zu beobachten, einer großen Menge von Geschichten zuzuhören, sie zu de-konstruieren und nachzuerzählen und etwas über die Geschichte zu erfahren und mit Geschichtenerzähltechniken zu experimentieren.

Trainingtag 2: Brücke zur Praxis Der Fokus dieser Sitzung lag darauf, über Fächer hinweg Verbindungen zu finden, von der Tradition mündlichen Erzählens zur Primarstufenlehrpraxis und Sprachenlernpädagogik in der Primarschule. Es war eine Gelegenheit für die Student/innen Planung in Kooperation kennen zu lernen. Die

Geschichtenerzählerin und die Lehrerbildner/innen planten diese Sitzung zusammen und der Hauptzugang bestand darin, Modellstrategien für die Student/innen zu entwickeln und es ihnen zu ermöglichen, diese Strategien auszuprobieren und zu untersuchen und die Techniken der Geschichtenerzählerin zu erforschen. Dann reflektierten sie das Gehörte und was es für ihre Unterrichtspraxis bedeutet. Die Geschichtenerzählerin verwendete die Geschichte von der “Steinsuppe” als Beispiel, das den Studierenden Möglichkeiten eröffnete, Techniken auszuprobieren und anschließend die Anwendungsmöglichkeiten für Sprachunterricht zu untersuchen. Einige der verwendeten Aktivitäten waren Wege, die Geschichte zu erzählen und nachzuerzählen; die Verwendung von Schlüsselwörtern und Schlüsselbildern; Erinnerungskugeln; der Einwortstein; Techniken zum Erfinden neuer Geschichten; Steinhaufen-Geschichteübung. Die Student/innen diskutierten Ideen für Wortschatzübungen/Ressourcen/Gerüst; die Verwendung von Sprachrahmen in der Zielsprache; Arten der Vorentlastung für Vokabeln; Design und Verwendung von Hilfsmitteln; Verbindungen zum Curriculum; Ideen für neue Geschichten. In dieser Sitzung begannen sie auch mit ihrem gemeinsamen Arbeitsplan – sie schrieben ihre Ideen für ein Arbeitsschema, das auf Geschichtenerzählen beruht und auf die Entwicklung von Fertigkeiten bei den Kindern abzielt, Geschichten und Geschichtenerzählen zu verwenden. Ihre Planung fußte auf einer Vorlage der Universitätstutoren, die die Hauptaspekte von zwei nationalen Schlüsseldokumenten beinhaltet:

• Die Lernziele für Key Stage 2 (ein vorgegebenes Planungswerkzeug für die Sprachen in der Primarstufe mit Lernzielen in 5 Bereichen: Mündlichkeit, Scheib- und Lesefertigkeit, Interkulturelles Verständnis, Sprachlernstrategien und Wissen über Sprache (einschließlich Grammatik);

• Lernprogramm für das Lernen von Sprachen in der Primarstufe (Teil des Neuen Curriculums für den Primarstufenunterricht in England).

Phase 2: Planen

Die Student/innen arbeiteten in Gruppen, um ihren Arbeitsplan zu erstellen. Als Teil des Goldsmiths-Zuganges zu Sprachen in der Primarstufe designten sie ihre “Geschichtenbox”, wobei

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sie ein vorhandenes Arbeitsblatt verwendeten. Sie planten eine sechswöchige Einheit, die auf Arbeit mit Geschichten beruht, mit dem Ziel, die Fertigkeiten der Schüler/innen in der Zielsprache zu verbessern ebenso wie ihr interkulturelles Verständnis und Freude an Geschichten, Liedern und Reimen zu fördern. Für jede Sitzung in der Einheit trafen sie Entscheidungen und planten Schlüsselkompetenzerwerb und Lernziele ein; Lernergebnisse; Schlüsselwörter, die gelehrt werden mussten; Lehraktivitäten; fächerübergreifende Verbindungen; Bewertungsstrategien und Hilfsmittel. Nach einer Vorlesung über Kinderliteratur an der Universität bekamen die Studierenden den Auftrag, in der Pilotschule Michael Rosens „Wir gehen auf Bärenjagd” als Ausgangspunkt für ihre Arbeit mit der „Geschichtenbox“ zu nehmen. Die Lernziele für die Einheit waren:

• fähig zu sein, die Geschichte auf Deutsch jüngeren Kindern zu präsentieren,

• fähig zu sein, ein Büchlein mit geschriebener und Bildinformation über verschiedene Aspekte der Geschichte und die Aktivitäten während des Projekts zu erstellen,

• fähig zu sein, Teile der Geschichte auswendig sagen zu können.

Ihr Ziel war es, Kinder zu motivieren, die Geschichte für eine Eingangsstufenklasse auf Deutsch nachzuerzählen, und sie entschieden, diese Aktivität einzusetzen, um den Lernstand in Bezug auf Mündlichkeit zu erheben. Für die Schreib- und Lesefähigkeit war die Geschichte auf Deutsch in Mini-Büchern das erwartete Lernergebnis und Grundlage für die Bewertung.

Phase 3: Anwendung Vor dem Start der Geschichtenbox-Arbeit in der Pilotschule machten die Student/innen eine Lernstandserhebung mit allen Kindern in beiden Klassen, die von denselben Lehrer/innen mit der gleichen Arbeitsplanung in beiden Gruppen (4.Jahr) unterrichtet worden waren. Dieses Beobachtungs- und Kontrollinstrument, das auf dem Neuen Curriculum der Primarschulen in England beruht, wurde sowohl für die Lernausgangslage zu Beginn als auch summativ für den Lernfortschritt am Ende des Pilotprojekts verwendet.

Die Lehramtsstudierenden machten bei den Kindern auch eine Erhebung über ihr Verständnis und ihre Haltung zum Thema Sprachenlernen, um Einsicht in ihre Motivation und Selbstwirksamkeit zu bekommen. Sie inkludierten Fragen wie: Was magst du am meisten und was am wenigsten in deinen Sprachstunden?

Die Fragebögen wurden verwendet, um Information über das Selbstvertrauen der Kinder sowie ihr eigenes Verständnis und ihre eigene Einschätzung ihrer Leistung in Deutsch als Fremdsprache zu bekommen. Eine Reihe von Kindern aus beiden Gruppen wurde durch das TALES-Team auch zweimal interviewt (vor und nach dem Geschichtenerzählmodul). Das half dem Team (Klassenlehrer/innen, Student/innen, Universitätstutoren), eine Einsicht in Trends zu den bevorzugten Methoden und Aktivitäten der Kinder beim Sprachenlernen zu bekommen.

Das Geschichtenerzählpilotprojekt begann mit einem Workshop der Geschichtenerzählerin in der Schule. Sie erzählte den Kindern Geschichten und ermunterte die Kinder, sie in Spielen und Aktivitäten nachzuerzählen, um die Geschichten näher zu bringen. Sie diente als Modell für die Student/innen und Lehrer/innen und stellte gleichzeitig eine Verbindung zum Arbeitsplan, den die Schüler/innen im 4. Jahrgang benutzen, her. Die Student/innen begannen anschließend mit dem Arbeitsplan und erstellten Lernjournale zur

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Reflexion. Sie setzten auch eine Reihe von Aktivitäten und Strategien ein, die sie in ihren Methodikseminaren und den Geschichtenerzählworkshops gelernt hatten.

Am letzten Tag der Schulaktivität führten die Kinder der Stufe 4 die Geschichte „Wir gehen auf Bärenjagd” vor allen Schüler/innen der Eingangsstufe auf – (die Student/innen verwendeten eine Adaptation der deutschen Übersetzung). Die Kinder der 4. Schulstufe brachten anschließend den Kindern der 1. Schulstufe im Publikum die Geschichte (Wörter und Handlung) auf Deutsch mit Hilfe ihrer eigenen Mini-Bücher mit dem deutschen Text bei.

Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Die Ergebnisse wurden evaluiert durch: • formative Bewertung in der Klasse durch die Lehrer/innen;• Bewertung der Arbeitsblätter der Kinder und ihrer

Geschichtenbücher;• Videoaufnahmen der Aufführung und Diskussionen über den

Fortschritt;• die Antworten der Kinder auf die Fragebogenerhebung am

Anfang und am Ende.

Die Daten zeigen, dass die Kinder nach der Einheit mit der Geschichtenbox sicher im Lesen und Abschreiben von geschriebenen Wörtern waren und einige konnten – mit Hilfestellung – Lückentexte ausfüllen.

In Bezug auf Schreib- und Lesefähigkeit in Deutsch, aber auch in Englisch, schienen die Kinder in der Pilotgruppe: • sicherer im Wortschatz – zum Beispiel in ihrer Verwendung

von Adjektiven; • besser im Lernen von Texten. Die deutsche Geschichte

gab den Kindern Techniken zum Auswendiglernen auch in Englisch.

• fähig, die Verbindung zwischen Englisch und Deutsch bei germanischstämmigen Wörtern zu sehen.

Das Feedback über die Lernerfahrung war überschwänglich positiv für alle Beteiligten, nicht zuletzt durch die wesentliche Zielgruppe – die Kinder. Die Student/innen, die Input von der Geschichtenerzählerin bekommen hatten, waren begeistert von ihren Methoden. Sie verwendeten sie auch in anderen Fächern, nicht nur für die Sprache. Mit Bezug auf ihr Lehrer/innentrainingscurriculum sagte eine Studentin „Es waren die zwei Seminare, die mir aus dem gesamten Kurs am meisten in Erinnerung bleiben werden und die ich am nützlichsten gefunden habe!” – und der Rest der Gruppe stimmte zu.

Die Tutoren fanden, dass das gesamte Projekt sehr bereichernd war, da es in aufregender und oft unvorhersehbarer Weise zum Repertoire an Lehr- und Lernmethoden der Studierenden beitrug.

„Ich konnte sehen, wie die Sicherheit der Student/innen durch das Erzählen der Geschichten wuchs und wie sie ihre narrativen Fertigkeiten auch in anderen Fächern verbesserten. Es zeigte uns, wie sehr Lehrer/innen diese Fertigkeit entwickeln müssen und wie viel Bedarf dafür in den Lehrerausbildungscurricula vorhanden ist. Die Arbeit mit einer professionellen Geschichtenerzählerin in einem Modus von partnerschaftlichem Unterrichten war ein Augenöffner für mich als Lehrerbildner und ich denke, ich werde mich mehr mit Geschichtenerzählen und der Anwendung dieser Techniken in meinem eigenen Unterricht befassen.” 

Tutor

Für die Kinder im Pilotprojekt gilt, dass auf der Filmaufzeichnung und in den Stunden beobachtbar war, dass die Kinder deutlich mehr Freude am Sprachenlernen zeigten. Dies wurde auch durch ihren Fortschritt in der Schreib- und Lesefähigkeit und im mündlichen Ausdruck bestätigt (s.o. Bewertung). Am Ende des

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Moduls und in ihren Interviews drückten die Kinder ihre Vorliebe für das Hören von Geschichten, und noch wichtiger, das Erzählen von Geschichten aus. Es war in einer Reihe von Fällen tatsächlich bemerkbar, dass sich ihre Einstellung zwischen Februar und Mai verbessert hatte.

Q. „Was denkst du über Deutschlernen mit Geschichten, Liedern und Reimen?“

Februar MaiBenjamin Nicht viel Es macht Spaß

Rhoda Es macht Schreiben leichter

Geschichten in Deutsch sind großartig

Posi Ein bisschen schwierig Spaß, wir lernen mehr Deutsch

Wenn wir uns auch vielleicht durch Zara warnen lassen sollten, die sagte, dass (wie die meisten Dinge im Leben) Geschichten „wirklich Spaß machen, aber langweilig sind, wenn wir zu viele machen”.

Insgesamt schien Sprachenlernen im Kontext der verwendeten Geschichten für die Kinder bedeutsamer zu werden, und das hat sie auch befähigt, sich selbst als Lehrer/innen und Geschichtenerzähler zu sehen. Wir konnten einen deutlichen Anstieg in ihrer Sicherheit und Verantwortung für ihren Lernprozess beobachten.

Geschichtenerzählen ist “Spaß”, “gut”, “stärkt unser Selbstvertrauen” “fantastisch – hilft uns mit Freude zu lernen”, “Gut – wir haben ein Buch gemacht”

KLASSE 4

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Mündliches Erzählen in der Sekundarstufe

Österreich – Märchen für Teenager?

KONTEXT Eine NMS (Sekundarunterstufe) in Graz (allen zugänglich, multikulturell, mit Binnendifferenzierung). Die Schule ist die Praxisschule der Pädagogischen Hochschule Steiermark.

TEILNEHMER/INNENGeschichtenerzähler. Lehrer/innen. Lehrerbildner. Klasse von 24 Schüler/innen (12-13 Jährige), 7. Schulstufe.

ZEITPLAN September bis November 2014. 4 Sitzungen und Schlussaufführung .

Dieses Pilotprojekt hatte als Zielgruppe Teenager der 7. Schulstufe, deren Schulleistungen verglichen mit der Parallelgruppe sehr niedrig waren. Das hatte zum Verlust von Selbstwertgefühl geführt und das Projekt war ein Versuch, an diesem zu arbeiten, indem man den Kindern uralte Bilder von Wachsen näher brachte und den Kindern die Macht von Geschichten bewusst machte.

Was wir taten

Vorbereitung

Zuerst bestimmten wir mit den Lehrer/innen eine Reihe von geeigneten Lernzielen. Wir wollten, dass die Kinder:

• Zugang zu Geschichten durch Hören finden; • ihr Interesse durch das Lesen von Geschichten vertiefen und

eine Lieblingsgeschichte wählen;• ihre Lieblingsgeschichten in Partnerarbeit erzählen;• ihre eigenen Geschichten schreiben;• am Erzählen von Geschichten für ein Publikum mit

verschiedenen Techniken arbeiten;• vor anderen erzählen.

Das war auch mit den europäischen Schlüsselkompetenzen verbunden, besonders mit Kommunikation in der Muttersprache (Lesen, Hören, Schreiben, Erzählen), sozialen und Bürgerkompetenzen (Selbstwert erhöhen und Selbstausdrucksfertigkeiten), Kulturbewusstsein und kulturellem Ausdruck und digitalen Kompetenzen (Fotografie, Schulradio: Moderation/Interview, Computerarbeit).

Der LernprozessInsgesamt gab es 4 Einheiten mit dem Erzähler und eine Schlussaufführung. Zusätzlich wurde eine tägliche Leseviertelstunde für das Lesen, Auswählen und Erzählen von Geschichten verwendet.

In der ersten Einheit erzählt der Geschichtenerzähler. Auf diese Art bekommen die Schüler/innen durch das Hören von Geschichten aus verschiedenen Kulturen, speziell für ihre Altersgruppe Zugang. In den folgenden Wochen sind sie aufgefordert, Geschichten auszuwählen und sie ihren Klassenkameraden in der Leseviertelstunde zu erzählen. Sie sollen auch eine Klassenlieblingsgeschichte bis zur nächsten Einheit mit dem Geschichtenerzähler wählen. Ebenso werden sie zum Schreiben von eigenen Geschichte ermutigt, entweder allein oder in Gruppen.

Workshop 2. Nach einigen Aufwärmübungen hören die Kinder in einer Mischung von Gruppenarbeitsphasen (nur Mädchen oder

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Buben; Interessensgruppen für besonderen Geschichteninhalt, Vorspielen und Erzählen von Geschichten mit Kulissen …) Geschichten und erzählen sie einander. In der Evaluation in der Mitte des Projekts sagen die Kinder, sie hätten sie einiges gelernt und das Hören der Geschichten mache besonders viel Freude.

Workshop 3. Die Schüler/innen erfahren, dass sie vor ihren Eltern in der Schlusspräsentation erzählen sollen. Das führt zu Protesten, die schließlich in Diskussionen gelöst werden können. Verhandlungen finden statt und verschiedene Arten der Präsentation werden bestimmt: reines Geschichtenerzählen, Geschichtenerzählen mit Hilfsmitteln und Spielen der Geschichte für eine Primarstufenklasse. Das Publikum wird die Schulleiterin sein, eine Gruppe von Kindern im häuslichen Unterricht, die ihre Prüfungen gemeinsam mit dieser Klasse ablegen und eine Klasse der benachbarten Volksschule. Niemand wird gezwungen öffentlich aufzutreten und Schüler/innen, die das nicht wollen, werden gebeten, eine Geschichte aus ihrer eigenen Kultur mitzubringen (es sind Kinder aus 8 verschiedenen Nationalitäten in der Klasse) und sie ihren Klassenkameraden zu erzählen. Auch eine selbst geschriebene Geschichte der Schüler/innen wird aufgeführt.

Workshop 4. Nach zusätzlichen Übungen im Erzählen in der Gruppe und unterstützt von Lehrer/innen und Geschichtenerzähler kommen wir zur Schlusspräsentation verschiedener Geschichten. Ein Video von der Aufführung und vom Prozess wird gemacht (die Kinder wussten dies und hatten sich an die Präsenz des Kameramannes bereits gewöhnt).

Einige Freiwillige machten auch einen Audioreport für das Schulradio.

Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Der Geschichtenerzähler meint, dass sich die Kinder im Nacherzählen der Geschichten an eine große Menge von Details erinnern konnten, aber dass die Disziplin beim Spielen der Szenen eher gering war. Das wird auch durch die Lehrer/innen bestätigt, die meinten, dass die Kinder „viel aufmerksamer zuhörten als man erwarten konnte, die Geschichten wirklich mochten und sich an viele Details erinnerten.”

A., ein “cooler” Teenager, wagt es, seine Liebe zu Märchen vor der Klasse einzugestehen. Seine Lieblingsgeschichte ist “Daumesdick” von den Brüdern Grimm und er hört sie sich beim Einschlafen an.

Der Geschichtenerzähler reflektierte im Nachhinein auch darüber, ob es nicht besser gewesen wäre, sich auf den Prozess statt auf das Ergebnis zu konzentrieren. „Es ist normalerweise

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von großer Bedeutung für mich, einen bewertungsfreien Raum innerhalb von Schule zu schaffen. Beim nächsten Mal würde ich noch mehr Gewicht auf den Prozess legen. Auch die Außenperspektive durch die Kamera würde ich in einer späteren Phase einsetzen.”

Die Kinder selbst wurden nach der 2. Einheit und vor der Schlusspräsentation danach gefragt, was sie gelernt hatten (gelernt und noch zu lernen). Ihre Antworten deuteten an, dass das Zuhören das Beste war (obwohl auch eine beträchtliche Anzahl das Erzählen von Geschichten nannte, besonders am Ende). Die Aufführung jedoch machte eine große Zahl von Kindern nervös. Trotz dieser Einschränkungen scheint es so zu sein, dass sich die Kinder im Laufe des Projekts mehr engagierten. In der zweiten Evaluation sagt eine klare Mehrheit, dass sie besser im Erzählen und Nacherzählen werden wollten und viele sagten, sie wollten noch mehr Geschichten hören und lernen. Obwohl es noch immer eine Anzahl von scheuen Erzählern gab, wollten die Kinder gerne aufführen und teilen. Nach Aussage der Lehrer/innen: „Überraschenderweise und unerwartet, erzählen die Kinder ihre Geschichten mit Selbstbewusstsein vor der Kamera, vor der Volksschulklasse. Sie hören aufmerksamer zu als erwartet, lieben die Geschichten und erinnern sich an Details.” Wenn man den Ausgangspunkt dieser Gruppe bedenkt, kann das als Erfolg betrachtet werden“.

Im Radioreport gaben die Kinder eine weitere Erklärung für ihr Zögern. Sie sagten, dass sie nicht so gerne (diese!) Geschichten vor den Lehrer/innen erzählen wollten! Eine sagte, dass sie sehr stolz darauf wäre, im Projekt mitgemacht und ihre Ängste überwunden zu haben, aber dass sie es eher nicht noch einmal tun würde!

Und in Bezug auf die Schlüsselkompetenzen stellten wir folgendes fest:

Kommunikation in der Muttersprache: Vermehrte Sicherheit im Sprechen vor anderen ebenso wie verbesserte Lesefertigkeiten. Mehr Selbstbewusstsein in Verhandlungen über die Schlussaufführung. Sie argumentierten und fanden eine für alle passende Lösung.

Sozial- und Bürgerkompetenz: deutlicher Fortschritt in Bezug auf Selbstwert und Selbstausdruck:

„Ich war überrascht und tief berührt durch das aufmerksame Zuhören der 13-Jährigen, ihre offensichtliche Freude an den Geschichten, ihre Fähigkeit, Geschichten detailliert und emotional nachzuerzählen, nach nur einmaligem Hören.“ Geschichtenerzähler

Kulturbewusstsein und kultureller Ausdruck: Die Kinder waren von der Fülle und Verschiedenartigkeit der Geschichten beeindruckt und von der alten Weisheit tief berührt. Sie wurden auch gebeten, Geschichten aus ihren Familien und Erstsprachen in die Schule zu bringen. Einige fragten zum ersten Mal zu Hause nach Geschichten aus ihrem eigenen Kulturkreis und es war eine Leistung, sie in der Klasse zu erzählen.

Digitale Kompetenz: Das Erstellen der Radiosendung nach dem Projekt war für viele das erste Mal, dass sie Interviews machten und gaben und die Aufnahmen schnitten, sodass sie eine Sendung ergaben.

Und zwei letzte Worte:1 „Es gibt einen großen Bedarf für „re-mothering“ durch das

Erzählen von Geschichten speziell für diese Altersgruppe. Der Akt des Erzählens von Geschichten überträgt eine Menge positiver Energie und Aufmerksamkeit – das brauchen Teenager genauso wie jüngere Kinder oder Erwachsene. Die Arbeit in kleinen Gruppen, das Engagement der Lehrer/innen, die Freude an den Geschichten, davon bin ich begeistert.”

Geschichtenerzähler2 Du bist ‘chillig’ (cool) Schüler zum Geschichtenerzähler

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Norwegen - Der Geschichtenkreis – Eine Übung in Demokratie

KONTEXT4 Sekundaroberstufen- und 2 Sekundarunterstufenklassen.

TEILNEHMER/INNEN 13-19 Jahre alte Schüler/innen in Klassen zwischen 20 - 30. Geschichtenerzähler (2) und Lehrer/innen (als Schüler/innen teilnehmend).

ZEITPLAN November 2014 - Januar 2015.8 Planungsstunden.Jedes Pilotprojekt 2 Stunden. 1 Stunde Evaluation.

Der Geschichtenkreis bietet einen ästhetischen, demokratischen und didaktischen Zugang zum Lernen mit dem Schwerpunkt auf mündlichem Erzählen. Die Zielgruppe waren junge Menschen zwischen 13 und 19, besonders Klassen, die vorher kaum Zugang zu Fächern wie Drama, Theater und Geschichtenerzählen hatten.

Was wir taten

Aufbauend auf einem Diskurs der Analyse von Richtlinien zu Geschichtenerzählen planten wir einen Geschichtenkreis mit praktischen Übungen, die unsere Ziele erreichen helfen sollten.

Vorbereitung

Zuerst wählten wir 5 Lernziele für unser Pilotprojekt, die auch mit den Schlüsselkompetenzen verbunden waren. Wir wollten, dass die jungen Menschen:

• fähig sind, eine Geschichte im Geschichtenkreis zu erzählen (Kommunikation in der Muttersprache);

• fähig sind, ihre eigenen Leistungen im Geschichtenkreis einzuschätzen und zu erkennen, wie sie sie erreicht hatten (Lernen lernen);

• fähig sind, zuzuhören und mit anderen zu interagieren (Soziale und Bürgerkompetenzen);

• fähig sind, eine Fantasiegeschichte zu erfinden (Eigeninitiative und Unternehmergeist);

• Information über Nordische Mythologie erlangen (Kulturbewusstsein und kultureller Ausdruck).

Aktivitäten

1. Der Raum wurde mit einem Sesselkreis hergerichtet, immer mit einer Armlänge zum nächsten Sessel.

2. Alle saßen im Kreis und wir stellten ihnen vor, was wir tun

wollten.

3. Die wirkliche Eröffnung: Der Geschichtenerzähler erzählte eine Geschichte: wir hatten die Schöpfungsgeschichte aus der Nordischen Mythologie gewählt, es gibt ein Beispiel von dem Raum zwischen uns, der mit Geschichten gefüllt werden wird.

4. Die Geschichte wird über Fragen nacherzählt (nicht jedes Mal). Die Schüler/innen wurden gebeten, eine Frage in den Kreis “einzuwerfen“, die mit der eben erzählten Geschichte zusammenhing. Die Fragen wurden nicht beantwortet.

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5. Ein Name und ein unwichtiges Ding Alle Teilnehmer/innen sagten ihren Namen und setzen ein

unwichtiges Ding über sie selbst dazu – wie „Ich trage eine schwarze Jacke.”

Das unwichtige Ding wurde ein zweites Mal wiederholt. Das dritte Mal mussten sie die Feststellung in eine Frage

verwandeln: “Warum trage ich eine schwarze Jacke?” Das ist ein Beispiel für Dramaturgie und wie eine einfache

Änderung eine neue Geschichte schafft.

6. Heiti Das ist eine Methode, die auf der Nordischen Mythologie

beruht. Es ist die Methode, die die Skalden50 verwendeten. Anstatt einen Namen zu sagen, sagt man etwas Beschreibendes über sich selbst. Zum Beispiel anstelle von “Heidi”, könnte ich sagen: “Ich bin diejenige, die Geschichten erzählt”.

(Vorsicht: das kann ganz leicht zu einer “Vorgabe” werden – wenn jemand sagt “Ich bin der, der Bücher liest”, könnten andere das wiederholen).

7. Geschichten über ihren Namen Die Schüler/innen wendeten sich dann ihrem Partner zu

und erzählten die Geschichte über ihren Namen: ‘Woher hat er/sie ihn? ‘Wie fühlt man sich mit diesem Namen?’, und ‘Was ist die Bedeutung ihres Namens?’

8. Der Schlüssel Ein alter Schlüssel wurde in den Kreis geworfen; jeder

musste sagen, was dieser Schlüssel öffnet. Hier entdeckten wir, dass die Schüler/innen oft Hilfe

brauchen, sie sagen vielleicht: Der Schlüssel öffnet die Türe zu meinem Zimmer, aber wenn wir sie baten, das Zimmer zu beschreiben, sagten sie manchmal, dass “gar nichts” im Zimmer wäre.

9. Gegenstände Der Schlüssel und 3 andere Objekte wurden auf den

Boden im Kreis gelegt. (Es funktioniert besser, wenn man Dinge verwendet, die keine direkte Beziehung zueinander haben wie: ein Schlüssel, ein altes Bild, ein Teebeutel und

50 Dichter an den Höfen skandinavischer und isländischer Führer zur Wikingerzeit und im Mittelalter.

ein Bleistift.) Die Schüler/innen wurden gebeten, freiwillig in den Kreis zu gehen und ein Bild aus den Objekten zu legen (sie in eine spezielle Position zu bringen). Das ließen wir manchmal aus, abhängig von der Gruppe. Zuerst machten wir zusammen Geschichten aus den Objekten: Was ist hier passiert? Dann machten einige Schüler/innen ein neues Bild – und sie erzählten die Geschichte paarweise.

10. Im Kreis tauschen Die Schüler/innen wurden gebeten, sich einen neuen

Sitzplatz im Kreis zu finden, mit dem Ziel, neue Paare zu bilden.

11. Mein Objekt Die Schüler/innen wurden gebeten, sich ein Objekt

auszusuchen (nicht aufheben!) und einem Partner zu erzählen, wie sie dieses Objekt verwenden und warum sie ohne es nicht leben könnten.

12. Was wäre wenn? Dann wurden sollten sie überlegen, wie das Objekt in

zehn Jahren aussehen würde und ihrem Partner darüber zu erzählen. Beispiel: Vielleicht wird der Bleistift nicht mehr existieren, weil wir alles am Smartphone schreiben …

13. Was wäre wenn? (2) Die Schüler/innen wurden gebeten, sich vorzustellen, wer

sie in zehn Jahren sein würden. Das teilten sie der ganzen Gruppe mit. Das ist eine sehr interessante Übung und sie hörten einander auf neue Weise zu.

(Pause falls nötig)

14. Der Geschichtenerzähler (die Lehrer/innen) erzählen entweder eine Dilemmageschichte oder eine persönliche Geschichte – beide führen nachher zu einer Diskussion. Eine Dilemmageschichte ist eine Geschichte ohne Ende, die Zuhörer müssen entscheiden, wie die Geschichte enden soll. Hier ist die Struktur der Geschichte, die wir verwendeten:

Drei junge Freunde konnten keinen Job finden in ihrer Umgebung. Einer war ein Holzschnitzer, der zweite war ein Schneider und der dritte war ein Goldschmied. Sie

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beschlossen, sich auf eine Reise zu begeben, um Arbeit zu finden. Sie wanderten, bis sie zu einem Wald kamen und da mussten sie übernachten. Der Holzschnitzer war der erste, der Nachtwache hielt. Seine Freunde schliefen und der Holzschnitzer entschloss sich, etwas aus einem Baum zu machen. Er machte eine schöne Frau aus dem Holz eines Baumstamms. Dann war der Schneider mit der Nachtwache dran. Er sah die Frau und er machte ein Kleid für sie. Und als der Goldschmied an der Reihe war, machte er eine Halskette für die Frau.

Am nächsten Tag trugen sie die Frau in die Stadt und dort suchten sie einen Medizinmann auf, der der schönen Frau aus Holz Leben einhauchte. Sie war so lebendig wie jede andere Frau.

Die drei guten Freunde begannen zu streiten, wer von ihnen ihr wahrer Ehemann war. Sie beschlossen, einen Weisen aufzusuchen, der diese schwierige Frage für sie entscheiden konnte. Aber bevor sie dort hingingen, möchte ich euch bitten, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen, wer ihr Mann sein sollte.

Sie diskutierten in der Gruppe und entschieden, wer der rechte Mann sei. Die Gruppe entscheidet auch darüber, ob sie die Entscheidung des Weisen hören wollen oder ob sie mit ihrer Antwort zufrieden ist.

Der Weise hörte sich ihre Geschichte an und sagte: Das ist richtig, du hast sie gemacht, Holzschnitzer, aber dann bist du ja mehr wie ihr Vater und ein Vater kann seine Tochter nicht heiraten.Du hast auf sie aufgepasst wie ein großer Bruder, Schneider, und ein Bruder kann seine Schwester nicht heiraten.Aber du Goldschmied, du weißt, was Frauen wollen, du bist der richtige Mann.

15. Gespräch – über die Geschichte

16. Eine Geschichte erfinden Wir hatten 5 Blatt unbeschriebenes Papier mitgebracht.

Wir baten die Schüler/innen uns 5 Tätigkeiten aus all den Geschichten, die sie gehört hatten, zu nennen. Das könnte

so aussehen:

Die Erde wurde erschaffen. Eine Geldbörse wurde gestohlen. Sie schrieb einen Brief. Leben in einem Haus. In einen Brunnen fallen.

Der Geschichtenerzähler schrieb die fünf Tätigkeiten auf die 5 Blatt Papier und legte sie auf den Boden in der Mitte des Kreises.

Die Schüler/innen wurden nun gebeten, die Tätigkeiten in eine Reihenfolge zu bringen, auf die sie sich einigen mussten.

Als das getan war, wurden sie gebeten, eine eigene Geschichte, basierend auf diesen Handlungen, zu schreiben.

17. Geschichten erzählen Zuerst erzählten sie die Geschichte einem Partner,

dann wurden sie gebeten, die Geschichten der ganzen Gruppe mitzuteilen. Nicht jeder wollte das tun, das ist zu akzeptieren. Aber wir waren fasziniert von den erzählten Geschichten und wie leicht sie die Handlungen einbauten, die sie während der Sitzung gehört hatten.

18. Evaluation Jede Schülerin/jeder Schüler musste einen Satz darüber

sagen, was sie heute gelernt hatte.

19. Der Geschichtenerzähler erzählte eine Geistergeschichte.

Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Wir arbeiteten mit einer sehr heterogenen Gruppe und es war leichter mit den Schüler/innen der Unterstufe als mit den älteren Schüler/innen, zumindest bei den Gruppen, mit denen wir arbeiteten. Trotzdem, alle Klassen schafften einen „vollen Geschichtenkreis”.

Die Übungen waren einfach, der Fokus ist klar beim Zuhören im Kreis. Einige der Übungen können von den Lehrer/innen direkt übernommen werden und das Format kann leicht im

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Klassenzimmer stattfinden. Wir wollten ursprünglich eine lange Geschichte verwenden, die in mehrere Teile geteilt wird, um sie zu strukturieren, und zu der wir Aufgaben konzipiert hätten, die direkt mit der Geschichte verbunden waren. Das haben wir nicht getan, aber die Lehrer/innen in der Klasse würden wahrscheinlich auch keine lange Geschichte verwenden und die Verwendung mehrerer kurzer Geschichten kann der Klassenzimmersituation besser angepasst werden. Wir glauben auch, dass die Objekte geholfen haben, Geschichten zu erfinden.

Das Lehrer/innenfeedback war auch, dass es etwas war, das einfach in der Anwendung schien, und dass sie einige der Übungen weiterhin verwenden würden.

Die Schüler/innen gaben uns sehr viel positives Feedback. Zum Beispiel war in einer Gruppe ein Schüler, der sich schon vor der Stunde gefürchtet hatte, da seine Muttersprache nicht Norwegisch ist; auch er hatte das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Wir führten auch ein Fokusgruppeninterview nach jeder Sitzung durch. Die Interviews sind zu lang, um sie hier anzuführen, aber sie können einen Einblick durch den folgenden Auszug bekommen.

Auszug eines Interviews eines Meisterstudenten IK mit sieben Jungen – 16-18 Jährige(NB: Die meisten dieser Schüler/innen sprechen Norwegisch nicht flüssig und ihre Aussagen sind frei übersetzt).

I.K: Was hast du von der heutigen Einheit gehalten?2: Es hat Sinn gemacht.1: Vieles zum Nachdenken für die Zukunft.I.K: Lass es uns im Kreis machen. (…)1: Was ich sagen würde, es hat viel mit der Zukunft zu

tun. Und viele von uns wissen nicht, was wir in der Zukunft machen werden. Ich auch nicht, so hatte ich manchmal nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was ich werden will. Ich weiß nicht, ob ich mit der Schule weitermachen werde, ich weiß nicht, ob ich auf der Straße sitzen werde oder ob ich arbeitslos sein werde.

5: Ich werde mich an das Nachdenken über die Zukunft erinnern. Ich werde kein Haus in Beverly Hills haben oder ein Millionär sein.

I.K: Aber du hast angefangen, dir etwas vorzustellen?

5: Ja, ich träumte, ich wäre ein professioneller Basketballspieler, aber das ist lange vorbei. Weil, ja, weil ich ein bisschen faul war.

I.K: Du bist noch jung.5: Ja.6: Das Leben ist kurz. (…)3: Ich denke, wir haben gelernt, wie wir einander

besser zuhören können. Dass man zuhört, wenn jemand eine Geschichte erzählt, es zeigt Respekt, einer Person zuzuhören und gleichzeitig jemand anderem zuzuhören und dann zu diskutieren. Ich denke, das war ein Teil der Botschaft hier, dass wir lernen sollten einander zuzuhören und im Kreis zu reden und laut zu diskutieren mit mehreren Leuten … Nicht jeder wagt es, laut seine Gedanken zu sagen, noch ist jeder ein guter Zuhörer … zumindest in einer Klasse wie der unseren, weil wir ... einfach gesagt: wir sind Affen. Wir sind Affen, weil wir nicht ruhig sitzen und so, aber ich glaube, so eine Stunde ist sehr nützlich für uns. Da funktioniert es gut bei uns. Jeder denkt ein bisschen darüber nach, über richtiges Zuhören und einander respektieren. Ich glaube das.

(…)4: Es bringt mich dazu, ein bisschen mehr über die

Zukunft nachzudenken. Wie es geht und was passieren wird und dass wir wirklich nicht so viel wissen über die Zukunft. Dass sie irgendwie stattfinden wird, aber man weiß nicht sicher, was passieren wird. Und wie Sie sagten, ich glaube, es ist gut für unsere Klasse, dass jeder einmal reden muss und ... jeder kann etwa ausprobieren, jeder redet dann. Es könnte leicht so sein wie in der Stunde, wo die, die nicht sprechen wollen, sich verstecken können und nicht reden, aber es ist sehr gut, wenn jeder reden kann. (3 unterbricht)

3: Es war gut, dass jeder musste.4: Ja, hier haben wir ganz spezielle Aufgaben bekommen

und dann wissen wir alle sozusagen, was wir sagen können. Daher meine ich, das ist ganz gut.

3: Es gibt den Leuten Sicherheit.4: Vertrauen!6: Was ich am Kreis gemocht habe, war, dass wir über

unsere Zukunft gesprochen haben. Wir redeten miteinander darüber, was wir werden wollen und so.

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Ich glaube, es war nett, etwas zu erfahren über die Leute um uns und was sie einmal werden wollen.

5: Ich finde es sehr lustig, wenn wir Besuch von anderen Leuten bekommen, die uns andere Arten von Lernen zeigen als das, was wir sonst so jeden Tag bekommen. Und dann macht es Spaß, wenn diese Leute, die da kommen, in dem Fall Sie, Geschichten erzählen und wenn wir dann zum Thema Zukunft und so kommen ... Man bekommt viele Eindrücke und dann denkt man darüber nach, was andere werden wollen und so, man denkt ein bisschen nach, wer man selber wirklich ist. Du öffnest dich, die anderen öffnen sich und man weiß mehr über sie. Wir reden über andere Dinge als normal.

1: Ich finde, es war sehr interessant zu hören, was andere Leute werden wollen und was für eine Zukunft sie sich vorstellen und so. Ja, es war sehr interessant.

I.K: Großartig! Danke für eure Mitarbeit!

ZusammenfassendDie Übung war ein Erfolg, trotz aller Herausforderungen und Veränderungen im Verlauf. In Bezug auf unsere Lernziele (Kompetenzen) können wir sagen:

• Kommunikation in der Muttersprache: ALLE Teilnehmer/innen erzählten ihre eigenen, persönlichen Geschichten entweder in Paaren oder in der Gesamtgruppe und alle hörten den Geschichten der Erzähler zu.

• Lernen lernen: Alle Teilnehmer/innen evaluierten ihr eigenes Lernen, indem sie zumindest einen Satz sagten.

• Soziale und Bürgerkompetenzen: Der Geschichtekreis in unserem Kontext ist vom Nordischen „Thing“ inspiriert”. Im “Thing” saßen die Teilnehmer/innen in einem Kreis und diskutierten Gesetze und Konflikte, keine Waffen und keine Kämpfe waren erlaubt. Und alle konnten jedes Thema ansprechen, ohne unterbrochen zu werden. Im Pilotprojekt konnten wir jeden zum Reden bringen, während der Rest der Gruppe zuhörte.

• Eigeninitiative und Unternehmergeist: die Teilnehmer/innen wurden gebeten, verschiedene Aufgaben auf “Geschichtenart” zu lösen.

• Kulturbewusstsein und Ausdruck: die Geschichtenerzähler erzählten Geschichten aus der Nordischen Mythologie, Dilemmageschichten und eine persönliche Geschichte. Die Schüler/innen erzählten persönliche Geschichten und erfundene Geschichten. Im Geschichtenkreis arbeiteten sie auch daran, wer sie wirklich sind.

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Digitales Geschichtenerzählen Italien – Gemeinsames Gestalten über Grenzen hinweg

KONTEXTEine Gesamtschule, Primarstufe, in Mailand, über das Internet mit einer Primarschule in einem Flüchtlingscamp in Somalia verbunden.

TEILNEHMER/INNEN“HOC-LAB” mit dem Department für Elektronik, Information und Bioengineering (Politecnico di Milano) 21 Primarschulkinder, 3. Schulstufe (Bussero). Flüchtlingskinder in Somalia.

ZEITPLAN 2 Stunden pro Woche über 2,5 Monate.

Dieses Pilotprojekt beinhaltete das Gestalten einer digitalen Geschichte, die auf den Erfahrungen interkultureller Kommunikation zwischen der italienischen Schule und der Primarschule im Flüchtlingscamp in Somalia beruhte. Die zwei Schulen wurden über eine Weile verbunden und das involvierte auch einen Besuch der Schule in Somalia durch die italianischen Lehrer/innen und den Austausch von e-Mails. Die digitale Geschichte wurde mit dem Erstellungstool 1001voices, entwickelt von HOC-LAB als Aufgabe innerhalb des TALES-Projekts, erstellt.

Was wir taten

VorbereitungWir starteten mit einer Reihe von Lernzielen, die sich auf Haltungen, Wissen und Fertigkeiten (Kompetenzen) beziehen.

HALTUNGENDas war zentral in diesem Pilotprojekt, wenn man die Zusammenarbeit zwischen Italien und Somalia bedenkt. Wir hofften zu entwickeln:• eine Anerkennung der Ähnlichkeiten zwischen Kindern in

Somalia und Kindern in Italien;• ein Verständnis der Ungleichheit: Mangel (von Essen und

Wasser) in Somalia, Überfluss in Italien.

WISSEN und FERTIGKEITEN• Erlangen von Wissen über den Lebensstil in Somalia;• Schreiben lernen;• Präsentieren lernen;• kreativ mit anderen zusammenarbeiten;• klar kommunizieren;• media literacy (effiziente multimediale Kommunikation);• IT-Fertigkeiten.

Diese Fertigkeiten waren sehr eng mit den Schlüsselkompetenzen verbunden (p.98), und im besonderen mit Kommunikation in der Muttersprache, Digitale Kompetenz und Kulturbewusstsein und Ausdruck.Wir wollten auch INKLUSION erzielen durch die Einbeziehung von “schwierigen” Schüler/innen.

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Planung und LogistikDa es sich um ein digitales Geschichtenerzählprojekt handelt, war das Zur-Verfügung-Stellen von passenden Ressourcen und das Arrangement der Klasse auch wichtig. Wir entschieden uns für die folgenden Materialien:

• 2 PCs für das Schreiben von Inhalten;• 2 PCs für das Suchen nach Inhalten im Internet;• 1 PC und ein Mikrofon für Tonaufnahmen;• angemessene Audioaufnahmensoftware (Audacity);• ein Videoprojektor;• eine Digitalkamera für Bildaufnahmen;• sehr billige analoge Kameras, sodass jedes Kind Bilder

außerhalb der Klasse machen konnte;• einen Drucker, um die Texte für die “Darstellenden”

ausdrucken zu können;• Stifte, Bleistifte, Plakatschreiber, Papier für Zeichnungen.

Die Klasse wurde so angeordnet:

• Im Klassenzimmer: Die Schüler/innen arbeiten in Gruppen um kleine Tische, jeder ausgestattet mit einem PC (für die Suche nach Inhalten und Inhaltgestaltung).

• In einem zweiten Raum: Schüler/innen (zwei “Techniker” und ein “Geschichtenerzähler”) nehmen den Ton auf.

• (wenn vorhanden): ein eigener Raum für Fotoaufnahmen.

Prozess

1: Definition des Storyboard. Dauer: 1 Woche. Eine digitale “Geschichte” ist in eine Anzahl von Kapiteln und

eventuell Unterkapiteln unterteilt. Die erste Aufgabe für die Klasse – nach der Definition des Themas – war, die Kapitel und Unterkapitel der Geschichte zu definieren und die Schüler/innen in Gruppen zu teilen, sodass jeder eine Rolle hat.

Im Fall dieses Pilotprojekts entschieden die Schüler/innen zusammen die gesamte Handlung der Geschichte und die Organisation des „Storyboard”.

Die folgenden Aktivitäten fanden parallel statt – die Kinder wurden in Gruppen geteilt, die verschiedene Aufgaben mehr oder weniger gleichzeitig durchführten. Rollen wurden nach

einer Zeit verändert, sodass jedes Kind die Möglichkeit hatte, alle Tätigkeiten auszuprobieren. Die Tätigkeiten 2-8 fanden über 2 Monate jeweils 2 Stunden pro Woche statt.

2: Finden von Inhalten (via Internet und Bücher). Schüler/innen, in Paaren, suchten im Internet nach Inhalten,

um die Geschichte zu bereichern, zum Beispiel Bilder, Information über Somalia …

3: Textschreiben Schüler/innen in kleinen Gruppen (2 oder 3) schreiben

gemeinsam Texte. Einer saß mit der Tastatur und schlug die wichtigsten Zeilen vor, während die anderen überprüften und Veränderungen vorschlugen. Rollen wurden während der Tätigkeit verändert.

4: Gestaltung von visuals Gruppen von 5-6 machten Fotos, bauten einen Foto-

Shootingplatz im Klassenzimmer auf. Einzelne zeichneten Illustrationen. Kleingruppen (2) suchten nach Bildern im Internet.

5: Tonaufnahmen machen Zwei Schüler/innen wurden von den Lehrer/innen in die

Verwendung der Aufnahmesoftware „Audacity” eingeführt. Sie wurden als „Techniker” bezeichnet und waren für das Aufnehmen (1) der ersten Audios verantwortlich und (2) das Einführen anderer Schüler in die Software. Der neu eingeführte Schüler ersetzt, sobald er sich sicher fühlt, einen der Techniker; ein neuer Lehrling“ kann beginnen. Am Ende hatten alle Schüler/innen Erfahrungen als Techniker .

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Der gleiche Prozess wurde auch mit den “Darstellern” durchgeführt. Jede/r Schüler/in wurde gebeten, zumindest ein Kapitel der Geschichte aufzunehmen.

6: Das Hochladen des Materials Der Inhalt (Texte, Audios und Bilder) wurden hochgeladen,

sobald er fertig war, Stück für Stück, mit dem 1001voices-Tool von den verschiedenen Gruppen.

7: Evaluation Alle Schüler/innen (zusammen mit den Lehrer/innen) sahen

sich die Geschichte an, da sie auf die große Leinwand projiziert wurde. Das Tool erlaubt, dass die Geschichte überarbeitet wird, bevor sie offiziell fertiggestellt wird.

Schüler/innen können kommentieren, Notizen machen und mögliche Änderungen diskutieren.

8: Revision Die verantwortlichen Schüler/innen führen die Änderungen

aus der Evaluation durch.

Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Die Kinder hatten eine multimediale Geschichte (auf Italienisch) produziert:http://www.1001storia.polimi.it/generate/expo2015/p_1968/

Sie handelt von einer Ziege und einem Dromedar, die dank einer Zaubertasche die Welt bereisen können, von Italien nach Somalia. Auf diese Weise können sie Informationen über die verschiedenen Lebensstile erhalten und sie vergleichen, mit einem speziellen Fokus auf traditionelles Essen.

Nach Meinung der Lehrer/innen waren die Schlüsselelemente des Erfolgs:

• Gruppenarbeit;• ein Sinn für Verantwortung für das Endprodukt als Ergebnis

einer “gemeinsamen” Anstrengung;• der hohe Grad von Motivation in Verbindung mit der

Verwendung von Technik.

Die Lehrer/innen sagten auch einiges über den Wert des digitalen Geschichtenerzählens als Methode:

„Ich habe bemerkt, dass gute Schüler/innen kein Problem mit dem Sprechen vor der Klasse haben; aber Kinder, die schüchtern sind, sie reden einfach nicht: daher existiert mündlicher Ausdruck für sie nicht. Natürlich können sie schreiben. Aber ich bemerkte, dass durch das digitale Geschichtenerzähltool nicht nur die guten Schüler/innen mehr lernen, aber das Wichtigste ist, dass diejenigen mit Schwierigkeiten eine Möglichkeit des Selbstausdrucks finden.Die Gestaltung der digitalen Geschichte ist hoch motivierend, weil die Schüler/innen am Ende etwas in ihrer Hand haben, das eine Menge Menschen sehen werden, etwas Wirkliches, etwas, das sie verstehen können, weil sie digitale Eingeborene (digital natives) sind ...“

Und über Verbesserung der Kommunikation in der Muttersprache als Ergebnis des Projekts:

Sie ist definitiv verbessert. Entweder durch die Kooperation mit anderen oder Alleinschreiben, durch den hohen Grad an Motivation […] haben Schüler/innen verstanden, dass sie für

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jemanden schreiben, der wirklich verstehen wollte. Jemand, den sie nicht kennen. Und darum MÜSSEN sie deutlich sein.

In Bezug auf die europäischen Schlüsselkompetenzen haben wir folgende positive Ergebnisse bemerkt:

• Kommunikation in der Muttersprache. Schüler/innen wurden befähigt, ihr Wissen und ihre Meinungen neu zu formulieren, in Texten, die in die Geschichte eingefügt wurden; sie wurden ständig daran erinnert, dass ihre Geschichte für eine Gruppe verschiedenster Leute verständlich sein musste, auch für Menschen aus ganz verschiedenen Kulturen.

• Digitale Kompetenz. Die Kinder verwendeten 1001voices, ein Erstellungstool für die Gestaltung von Multimediageschichten, das sie innerhalb des TALES-Projekts zur Verfügung gestellt bekamen; überdies konnten sie mit Programmen umgehen lernen, die Inhalt editieren, zum Beispiel Bilder scannen, Audioaufnahmen machen (Audacity), Bilder bearbeiten etc.

• Lernen lernen. Innerhalb jeder Gruppe, spielten die Schüler/innen abwechselnd spezielle Rollen, die ihre Verantwortung für ihr eigenes Lernen erhöhten.

• Kulturbewusstsein und Ausdruck. Der ganze Prozess der Gestaltung einer multimedialen Geschichte ist dazu da, um Selbstausdruck durch verschiedene Medien zu erhöhen; zusätzlich verstärkte das ausgewählte Thema (Vergleich zwischen zwei sehr entfernten und verschiedenen Kulturen) Kulturbewusstsein (und den interkulturellen Dialog und Toleranz).

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Belgien - Digitales Geschichtenerzählen für europäische Neulehrer/innen

KONTEXTDas Pilotprojekt fand innerhalb unseres viermonatigen Erasmusprogramms an der Universität Löwen-Limburg statt und beteiligte eine lokale Primar- und Sekundarschule.

TEILNEHMER/INNEN25 Lehramtsstudierende aus 8 Ländern. Ein Geschichtenerzähler. Universitätslehrende. Lehrer/innen. Eine Klasse von 16-Jährigen. Zwei Klassen 12-Jähriger.

ZEITPLANApril bis Mai 2015, 5 Tage an den Schulen.

Das zweite digitale TALES-Pilotprojekt involvierte Kinder von 12-16 und, sehr wichtig, eine internationale Gruppe von Lehreramtsstudierenden (die „europäischen Neulehrer/innen”). Wir stellten uns zu Beginn eine Reihe von Fragen:Wie sehr ermöglicht es die Gelegenheit, digitale Narrative zu erzählen, Schüler/innen, Student/innen, Lehrer/innen und Geschichtenerzählern, noch nie gehörte Geschichten zu gestalten (Ethikphase im digitalen Erzählen)?Kann digitales Geschichtenerzählen als didaktische Methode verwendet werden, auch von Lehrer/innen, die keine digitalen Eingeborenen (natives) sind?Wie trägt digitales Geschichtenerzählen zum Erlangen der europäischen Schlüsselkompetenzen bei? Wie steigert digitales Geschichtenerzählen die Motivation der Schüler/innen, Student/innen und Lehrer/innen?

Was wir taten

CREOS Schüler/innen

CREOS ist ein kreatives Modul, das auf die Verbesserung von kreativen Kompetenzen sowohl von Lehramtsstudierenden (im Erasmusprogramm) als auch von Schüler/innen abzielt. Die Schüler/innen besuchten das Geschichtenerzählfestival in Alden Biesen und hatten einen Geschichtenerzählworkshop von einem professionellen Geschichtenerzähler, um ihre Erzählfertigkeiten zu verbessern.

Sie bekamen auch eine Lektion im digitalen Geschichtenerzählen von einem Lehrenden der UCLL (Warum ist digitales Geschichtenerzählen ein aufstrebendes pädagogisches Werkzeug? Digitales Geschichtenerzählen als Lernwerkzeug für die YouTube-Generation? Das digitale Geschichtenerzähl-Kochbuch). Eine der Student/innen leitete einen Workshop über MovieMaker.

Sie lasen Tove Jansson’s ‘The Summer Book’In ‘The Summer Book’ destilliert Tove Jansson die Essenz dieses Sommers – seines Sonnenscheins und Sturms – in zweiundzwanzig kristallinen Vignetten. Dieser kurze Roman erzählt die Geschichte von Sophia, einem sechsjährigen Mädchen, das zum Leben erwacht und Sophias Großmutter, deren Leben bald zu Ende gehen wird, als sie den Sommer gemeinsam auf einer kleinen, unberührten Insel im Golf von Finnland verbringen. Die Großmutter ist unsentimental und weise, wenn auch ein bisschen schrullig; Sophia ist impulsiv und verletzlich, aber sie sorgt für ihre Großmutter mit der Fürsorge frischgebackener Eltern. Zusammen spazieren sie die Küste entlang zum Wald in angenehmer Kameradschaft, bauen Boote aus Rinde, gestalten ein Miniatur-Venedig, schreiben

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eine fantasievolle Studie über einheimische Käfer. Sie diskutieren über Dinge, die für Junge und Alte gleich wichtig sind: das Leben, den Tod, die Natur Gottes und der Liebe. „Auf einer Insel“, denkt die Großmutter, „ist alles ganz.” In The Summer Book schafft sie ihre eigene ganze Welt, voll von abwechslungsreichen Freuden und dem Kummer des Lebens. Tove Jansson lebte einen Großteil ihres Lebens auf einer Insel, die der beschriebenen ähnelt und das Buch kann auch als genau beobachtetes Tagebuch von Geräuschen, Ansichten und dem Gefühl eines Sommers, der in intimer Nähe mit der Natur verbracht wurde, genossen werden (www. amazon.com).

Die Schüler/innen verweben dann eine Vignette mit ihrer persönlichen Geschichte (einzeln oder in Vierergruppen) mit dem Buch. Sie bekamen eine Reihe von Impulsen:

• Erzähle die Geschichte eines entscheidenden Moments in deinem Leben;

• Erzähle die Geschichte eines Mentors oder Helden in deinem Leben;

• Erzähle die Geschichte einer Zeit in deinem Leben, als es nicht so gut life und du wirklich Angst hattest;

• Erzähle die Geschichte einer Zeit in deinem Leben, als etwas völlig Verschiedenes von dem geschah was du erwartet hattest;

• Erzähle Geschichte eines “ersten Mals”: die erste Liebe, der erste Tag in einem Job, die erste Zeit als du etwas wirklich Schwieriges in Angriff genommen hast;

• Erzähle die Geschichte eines Moments in deinem Leben, als dir klar wurde, du würdest nie wieder dieselbe sein.

Die Schüler/innen erzählten die Geschichten nach und teilten ihre individuellen Geschichten mit und gestalteten eine digitale Geschichte individuell oder in kleinen Gruppen unter Verwendung der sieben Schritte im Geschichtenerzählen. Die Schüler/innen fanden einen Rahmen für ihre Geschichten und tauschten sie in der Gruppe aus und reflektierten darüber.

Die sieben Schritte im digitalen Geschichtenerzählen51:1. Besitze deine Einsichten2. Besitze deine Emotionen3. Finde den Moment4. Sehe deine Geschichte5. Höre deine Geschichte6. Stelle deine Geschichte zusammen7. Teile deine Geschichte mit anderen

Sekundar- und Primarstufenschüler/innen

Die Schüler/innen lasen Tove Janssons ‘The Summer Book’.Drei CREOS Student/innen, die sich auf die Sekundarstufe spezialisiert hatten, assistierten in einer Klasse von Sekundarstufenschüler/innen (16 Jährige) bei der Gestaltung ihrer eigenen digitalen Geschichten. Die digiGeschichten wurden den Eltern vorgestellt.In der Primarstufe arbeiteten 17 internationale Studierende mit einer Gruppe von 46 Kindern (12 Jahre alt), jeder Student half 3 oder 4 Kindern bei ihrer eigenen digitalen Geschichte. Die 5 belgischen Student/innen dolmetschten wenn nötig.Die Geschichten wurden den Eltern und Großeltern präsentiert.

51 Lambert, J. Digital Geschcihtetelling Cookbook. Berkeley: Center für Digital Geschcihtetelling, 2010.

Contriaberions by Hill, A., Mullen, N., Paull, C., Paulos, E., Soundararajan, T. & Wirinshenker, D.

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Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Das Gesamtergebnis des Projekts war sehr positiv. Konkrete Ergebnisse: • 11 digitale Geschichten wurden von CREOS Student/innen

gestaltet;• 6 digitale Geschichten wurden von Sekundarschüler/innen

gemacht;• 16 digitale Geschichten wurden von Primarschüler/innen

erstellt;• Student/innen, Schüler/innen und Lehrer/innen waren

begeistert vom digitalen Geschichtenerzählen als didaktischer Methode im Unterricht;

• Mehrer Lehramtsstudierende wollen versuchen, digitales Geschichtenerzählen in das Curriculum ihrer Länder aufnehmen zu lassen.

Wir baten die Lehrer/innen und Schüler/innen über ihre Erfahrungen in diesem Projekt zu reflektieren. Die Lehramtsstudierenden wurden auch im Detail zu Inhalt, Medien, Schlüsselkompetenzen, Stundenplanungen befragt.

Den Primarstufenschüler/innen gefiel besonders: • Geschichten erfinden;• Bilder und Videos machen;• Den Ton aufnehmen;• Die Arbeit mit internationalen Schüler/innen;• Englisch lernen und sprechen: in drei Tagen gewannen sie

Sicherheit im Englischsprechen: einige von ihnen bestanden darauf, den gesprochenen Text selbst in Englisch zu sprechen.

Nach Ansicht der Primarschullehrer/innen:• Liebten die Kinder die Arbeit mit den internationalen Student/

innen, sie waren interessiert an ihrer Kultur und Sprache, sie liebten es, auf Englisch zu kommunizieren.

• Kinder zeigten Fertigkeiten und Merkmale, die sie normal nicht im Klassenzimmer zeigen.

• Das Finden einer passenden Geschichte war der schwierigste Schritt.

• Einige Geschichten waren sehr persönlich, einige Themen wurden zensuriert.

• Digitales Erzählen kann in allen Gegenständen verwendet werden, um Inhalt zu vermitteln.

• Digitales Erzählen ist ein Weg zum „flipped“ (umgedrehten)

Klassenzimmer, Schüler/innen können es verwenden, um ihren Kolleg/innen Inhalte zu erklären.

• Schüler/innen, die an diesem Projekt teilnahmen, werden es nie vergessen.

Die Lehramtsstudierenden• Waren begeistert vom Potenzial der digitalen Geschichten

und Programme wie MovieMaker, als Möglichkeit eine Reihe von Themen, auch wichtige und schwierige zu behandeln.

Die Faszination des narrativen Zugangs, die Mischung verschiedener Medien, das persönliche Interesse, die Möglichkeit mit früherem und zukünftigem Lernen verbunden zu sein, die Kombination von Kreativität und die unmittelbare Kommunikation sind alles Elemente, die zur Kraft dieser Methode beitragen.

Arianna, Italy

• Sehe die Möglichkeiten für das Vergrößern der Unabhängigkeit und Selbstsicherheit von Schüler/innen (“sie aus dem Schweigen” holen) durch die Verwendung des digitalen Zuganges.

Ich arbeitete drei Tage lang eng mit belgischen Schüler/innen zusammen, um ihnen zu helfen, ihre persönliche Geschichte zu erstellen. Diese drei Mädchen konnten zusammenarbeiten und wurden zu einem guten Beispiel von Kooperation für mich. Sie respektierten die Iden der anderen und waren offen für alternative Ideen und Lösungen bei jedem auftretendem Problem. Ich gewöhnte

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mich an Niederländisch und sie sich daran, Englisch zu sprechen und verstehen. Ich konnte die Kraft digitalen Erzählens im Herausholen von Schüler/innen aus dem Schweigen, da sie Geschichten mit mir teilten, mit denen sie vielleicht nicht mehr länger alleine fertig werden wollten.

Markella, Greece

• Ich verstand, dass die jungen Leute jetzt in einer digitalen Welt leben und dass Schule das berücksichtigen muss.

Die Schüler/innen sind heutzutage von Medien umgeben und manchmal können sie damit besser umgehen als ihre Lehrer/innen. Und daher ist es sehr wichtig, „mit der Zeit zu gehen“. Und Lernen durch Filme ist eine der Möglichkeiten, um Unterricht näher zu den Schüler/innen zu bringen.

Klara, Czech Republic

• Wir waren von der Idee der Geschichte als Unterrichtsmethode inspiriert, für viele Gegenstände. Wir müssen digitales Geschichtenerzählen bei jedem Thema verwenden, es ist so eine gute Art, jemandem etws beizubringen. Wir können digitales Erzählen in der Primar- und Sekundarstufe verwenden. Wir können es auch in Museen, in der höheren Bildung, Gesundheitswesen, Gesundheitsfürsorge, internationale Entwicklung, religiöse Bildung, Bibliotheken verwenden.

Gülsah Uysal, Turkey

Und die Antworten auf unsere Fragen

1. Wie sehr ermöglicht es die Gelegenheit digitale Narrative zu erzählen Schüler/innen, Student/innen, Lehrer/innen und Geschichtenerzählern noch nie gehörte Geschichten zu gestalten (Ethik im digitalen Erzählen)?

• Einige Geschichten waren bekannt aber sie wurden von jemandem erzählt, der sie tatsächlich erlebt hatte (z.B. Think), einige Student/innen und Schüler/innen erzählten Geschichten, die sie noch niemandem vorher erzählt hatten. Das Gestalten der digitalen Geschichten ermöglichte ihnen, ihre gesellschaftlichen und politischen Positionen in der Gruppe und in Europa (e.g. Being Greek in Erasmus, Hooliganism, Our Erasmus experience) kritisch zu reflektieren.

2. Kann digitales Geschichtenerzählen als didaktische Methode verwendet werden, auch von Lehrer/innen, die keine digitalen Eingeborenen (natives) sind?

• Die Antworten im Feedback der Schüler/innen und Lehrer/innen beweisen zweifelsfrei, dass digitales Erzählen zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten in der Schulbildung.

• Den Student/innen gefiel es, dass eine Kollegin sie in die Verwendung des MovieMaker einführte.

3. Wie trägt digitales Geschichtenerzählen zum Erlangen der europäischen Schlüsselkompetenzen bei?

• Student/innen und Schüler/innen waren äußerst engagiert in der Erstellung ihrer Geschichten und sahen viele Möglichkeiten der Verwendung digitaler Geschichten als didaktische Methode (z.B. machten sie digitale Portfolios und eine griechischer Student plante, es in seinem STEM Unterricht zu verwenden. Die Primarschullehrer/innen woollen es in anderen Gegenständen verwenden und als Mittel um den „umgedrehten Unterricht“ = Lernen zu Hause und besprechen im Unterricht).

4. Wie steigert digitales Geschichtenerzählen die Motivation der Schüler/innen, Student/innen und Lehrer/innen?

• Kommunikation in der Muttersprache: Student/innen und Schüler/innen teilten ihre persönlichen Geschichten, verhandelten und diskutierten, sie schrieben Manuskripte und Drehbücher.

• Kommunikation in Fremdsprachen: die Student/innen und Schüler/innen verwendeten Englisch, was nicht ihre Muttersprache ist, zum Zuhören, Sprechen, Recherchieren, Lesen und Schreiben. Beim Zuhören bei den persönlichen Geschichten und im Gestalten der digitalen Geschichten in internationalen Gruppen, sie lernten auch interkulturelles Verständnis. Die Schüler/innen schätzten die Tatsache, dass sie ihr Englisch in einem internationalen Kontext erproben konnten, sehr.

• Mathematische Kompetenz und grundlegende Kompetenzen in Naturwissenschaft und Technik. “The Summer Book” spielt auf einer abgeschiedenen Insel im Golf von Finnland, wo es um Überlebensfertigkeiten

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geht. Um eine Verbindung herzustellen baten wir die Student/innen, Schüler/innen und Lehrer/innen über die Bedeutung eines Verständnisses von Natur nachzudenken, ob man auf einer abgelegenen Insel lebt oder in der Stadt oder in einer Vorstadt: räumliches Denken. Wir baten auch unsere Geschichtenerzähler ihre Narrative mit einer visuellen Landkarte zu verbinden und die Ablaufplanung und Verknüpfung ihres digitales Design: logisches Denken. Einige Schüler/innen verwendeten wissenschaftliche Metaphern als Rahmen ihrer Geschichte.

• Digitale Kompetenz: Die Student/innen und Schüler/innen suchten nach Information über digitales Erzählen im Internet. Sie machten ihre digitale Geschichte unter Verwendung von Kommunikationstechnologie (IT). Sie mussten sich mit Copyrightfragen beschäftigen.

• Lernen lernen: Die Schüler/innen mussten ihr eigenes Lernen organisieren, individuell und in Gruppen, je nach ihren eigenen Bedürfnissen und im Bewusstsein von Methoden und Gelegenheiten. Sie mussten sich selbst Fragen stellen und fähig sein, in einer Reflexionssitzung und in ihrem Portfolio auszudrücken, was sie gelernt und wie sie es erreicht hatten. Die CREOS-Student/innen wurden auch Moderator/innen des Lernens der Primarschüler/innen.

• Soziale und Bürgerkompetenzen: Die Student/innen und Schüler/innen entwickelten ihre persönlichen, interpersonalen und interkulturellen Kompetenzen, während sie ihre digitalen Geschichten erstellten. Durch das Hören der persönlichen Geschichten von anderen verfeinerten sie ihr Verständnis von Benehmen und Sitten in verschiedenen Umgebungen und Kulturen, in denen sich Individuen bewegen. Sie wurden

sich sozialer und politischer Konzepte und Strukturen in anderen europäischen Ländern bewusst (Demokratie, Justiz, Gleichheit, Bürgertum und Bürgerrechte). Durch die Arbeit in Gruppen beteiligten sie sich auf aktive und demokratische Weise. „The Summer Book” ist ein idealer Initiator für diese Kompetenz, da sowohl die Großmutter als auch die Enkelin ihre Ängste vor Veränderung überwinden.

• Eigeninitiative und Unternehmergeist: Während der Arbeit mit ihren digitalen Narrativen mussten sowohl die Student/innen als auch die Schüler/innen mit unerwarteten Situationen umgehen, sich mehr auf Glück als auf Verstand verlassen, und Initiativen ergreifen, die sie auch aus dem Klassenzimmer oder Curriculum führten.

• Kulturbewusstsein und Ausdruck: Da dieses digitale Projekt sich rund um persönliche Geschichten und Ethos entwickelte, schätzten die Student/innen und Schüler/innen die Bedeutung kreativen Ausdrucks ihrer Ideen, Erfahrungen und Gefühle in vielen Medien (Musik, darstellende Kunst, Literatur und die visuellen Künste). Während der Arbeit am digitalen Narrativ mussten die Student/innen, Schüler/innen, Lehrer/innen eine Identität als Geschichtenerzähler erschaffen und so ausgehend von einer europäischen, aber eher unbekannten Perspektive über ihre Werte reflektieren.

Ein abschließendes Zitat

Aufregende Zeiten für Schüler/innen und Lehrer/innen, wenn traditionelle Methoden auf moderne Methoden treffen. Waren sich die Schüler/innen aller Domänen bewusst, die sie verwendeten? Ja! Waren sich die Kinder und Schüler/innen bewusst, wie sie diese mit der modernen Methode des Geschichtenerzählens verbinden? Nein! (…) Es hat nie eine aufregendere Zeit gegeben, Lehrer/in zu sein. Von der Grundstufe bis zum Ende der Schulkarriere der Schüler/innen haben sie Gelegenheiten, sich auszudrücken auf Arten, die nicht vorstellbar waren, als ich in der Primarschule war.

Pearse, Nordirland

Die digitalen Geschichten können unter www.storiesforlearning.eu eingesehen werden und wir laden Sie herzlich ein, unserer Facebook-Gruppe Storiesforlearning beizutreten, um digitale Geschichten zu sehen und an der laufenden Diskussion teilzunehmen.

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Geschichtenerzählen außerhalb der Schule

Portugal – Hören und Erzählen von Geschichten: Gemeinde an Schule und zurück

KONTEXTEine Berufsschule in Beja, im Alentejo, eine der ärmsten (ländlichen) Regionen Portugals mit wenig Arbeitsplätzen.

TEILNEHMER/INNENSchüler/innen im 1. Jahr eines berufsbildenden Kurses für “Técnicos de Acção Psicossocial” (Facharbeiter/in für psychosoziale Entwicklung), in Ausbildung zur Arbeit in sozialen Institutionen für Senior/innen. Ouvir e Contar, eine portugiesische Vereinigung von Geschichtenerzählern, die intensiv in Gemeinde- und Bildungskontexten arbeitet. Städtische Bibliothek in Beja - José Saramago.

ZEITPLAN7 Monate (von Dezember 2014 bis Juni 2015). 2 Sitzungen monatlich (durchschnittlich) 2 Stunden.

Das Projekt verband formale Bildung mit der Vergangenheit der Lernenden und mit den Gemeinden, aus denen sie kamen. Die Zielgruppe waren nicht Hochbegabte und sie hatten nicht automatisch hohe Erwartungen an ihre Ausbildung. Eine der Herausforderungen war daher, sie zum Lernen zu bewegen. Zusätzlich hatten wir einige Lernziele/Fragen:

• Wie kann man junge Menschen für das immaterielle Kulturerbe ihrer Region sensibilisieren, durch einen Austausch mit Senior/innen (ihren zukünftigen Klienten) und auf eine Weise, die auch zu ihrem eigenen Kulturbewusstsein beiträgt und Kanäle für einen intergenerationellen Dialog öffnet?

• Wie können wir Bewusstsein schaffen für das Potenzial von Geschichtenerzählen (für die Zuhörenden und die Erzählenden) in der Sozialarbeit mit allen Altersgruppen und in allen Kontexten, als Unterstützung für den Austausch

von Erfahrungen, Lernen und den Aufbau persönlicher Beziehungen und Gemeinschaft?

• Den Schüler/innen Gelegenheit geben, Geschichten-erzählen in verschiedenen Kontexten und mit verschiedenen Zielgruppen zu erfahren, um damit eine breite und undogmatische Vorstellung zu geben, wie Geschichtenerzählen verwendet werden kann.

• Einen erfahrungsorientierten und reflektiven Lernprozess zu gestalten, wo jede/r Schüler/in ihre “Stimme” finden kann.

Was wir taten

Das Projekt wurde in 3 Phasen durchgeführt:

Dezember 2014 bis Februar 2015

Wir fanden heraus, welche Schüler/innen Geschichten als Kinder gehört hatten und auch welche Menschen ihnen diese Geschichten erzählt hatten. Diese Erfahrungen und Erinnerungen wurden dem Rest der Klasse mitgeteilt: die Geschichten, die Kontexte und die Geschichtenerzähler (das Familienmitglied oder Mitglied der Gemeinschaft, das ihnen die Geschichten erzählte – oft ihre Großmütter (!). Wir überlegten mit den Schüler/innen, welche dieser Geschichtenerzähler bereit sein würden, von der Klasse besucht zu werden.

Wir besuchten dann die Geschichtenerzähler mit der Klasse und

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hörten ihren Geschichten zu. Die Schüler/innen besuchten den/die Geschichtenerzähler/in im eigenen Wohngebiet (Dorf, Platz, Haus) und die/der Studierende, die/der den Geschichtenerzähler genannt hatte, diente als Mediator/in: diese/r teilte sein Dorf, seine Nachbarschaft, seine Großeltern oder älteren Freund mit dem Rest der Klasse.Wir meinten, dass für diese Art von Arbeit eine Art Privatheit und Intimität nötig war, daher wurde die Klasse in drei Gruppen geteilt: jede Gruppe besuchte verschiedene Dörfer oder Nachbarschaften und tauschte später ihre Erfahrungen aus.

März bis Mai 2015In dieser Phase erzählten die Schüler/innen einander Geschichten. Sie wurden mit verschiedenen Repertoiregattungen (Legenden, Volksmärchen, städtische Legenden, Lebensgeschichten etc.) bekannt gemacht und sie machten praktische Übungen zum Beispiel in Gruppendynamik, Rhythmus und Körpersprache, Stimme sowie narrative Spiele. Parallel dazu besuchten sie professionelle Geschichtenerzähler, die in zwei verschiedenen Kontexten arbeiteten: sie sahen eine Sitzung in einem Seniorenzentrum und eine Sitzung für Kinder in der öffentlichen Bibliothek. Sie hatten auch Gelegenheit, mit den professionellen Geschichtenerzählern nach den Sitzungen zu diskutieren.

Juni 2015 (eine Sitzung wöchentlich: 4 Sitzungen von 2 Stunden)In dieser Phase wurden die Schüler/innen in drei Gruppen nach eigener Wahl geteilt: eine Gruppe bereitete eine Erzählsession in einem Seniorenzentrum vor; eine andere Gruppe arbeitete mit Primarschulkindern in der öffentlichen Bibliothek; die dritte Gruppe gestaltete eine digitale Geschichte. Jede Gruppe arbeitete

während dieser letzten Phase mit einem Trainer. Zum Abschluss machten die Gruppen ihre Geschichtenerzählsitzungen und die dritte Gruppe veröffentlichte ihre digitale Geschichte im Internet.

Auf diese Art wurde das Projekt zu einem Circulus virtuosus (Engelskreis). Die Schüler/innen gingen zuerst zur Gemeinschaft, um Geschichten von den Älteren zu hören, dann sahen sie professionelle Geschichtenerzähler in einem bestimmten Kontext arbeiten. Schließlich arbeiteten sie in der Klasse, in ihrer Schule, in der eigenen Gruppe. Zuletzt kamen die Schüler/innen zurück in ihre Gemeinschaft, und dieses Mal waren sie es, die das Gelernte preisgaben. Das Projekt vervollständigte einen Zyklus: von der Gemeinschaft zur Schule und wieder zurück.

Prozessreflexion – Gelernte Lektionen

Es gibt keinen Zweifel, dass es ein herausforderndes Projekt war. Trotzdem war es insgesamt ein Erfolg. Eine Reihe von wichtigen Ergebnissen wurde erzielt:

1. Die Schüler/innen erreichten sehr viel in Bezug auf Kommunikation und kulturelles Verständnis. Das ist eine gute Basis, auf der man aufbauen kann.

Wir lernten eine sehr wichtige Sache: anderen zuhören. Es war sehr positive Erlebnisse, diese Ausflüge, die wir machten, um uns Geschichten und Erzählungen anzuhören … Wir lernten Geschichten zu erzählen, uns auszudrücken und die Aufmerksamkeit anderer zu gewinnen …

Student [freie Übersetzung]

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2. Die Klasse, die Lehrer/innen und die Schule werden dieses Projekt im nächsten Jahr fortsetzen. Die Partnerschaft zwischen der Schule und der Bibliothek von Beja wird also weitergehen. Wir werden mit derselben Klasse arbeiten, da Kontinuität so wichtig für diesen Prozess ist. Die Idee ist, diese Schüler/innen bis zum Ende ihres Kurses zu begleiten (weitere zwei Jahre).

3. Die Schüler/innen werden auch bei der Tales-Konferenz dabei sein und am Festivalprogramm der Bibliothek teilnehmen, wo sie ihre Geschichtenerzählsessions noch einmal bei einer anderen Gelegenheit vorführen können.

Die Lehrer/innen meinen, dass dieses Projekt eine einzigartige Gelegenheit für die Schule war, für die Lehrer/innen und für die Schüler/innen. Sie waren überzeugt, dass Geschichtenerzählen – besonders wenn es durch Professionelle, wie in diesem Fall, unterstützt wird – eine echte Bereicherung für das professionelle Training in sozialen, kulturellen und Bildungskontexten sein könnte und zur Entwicklung sozialer, kommunikativer und motivationaler Kompetenzen ihrer Schüler/innen beiträgt.

Wir lernten auch (oder wurden in unserer Ansicht bestätigt), dass Lernen Kontinuität, Stabilität und Durchhaltevermögen erfordert, wenn das Ziel ein höheres ist, als ein paar Kompetenzen zu erreichen und dafür Übungen und praktische „Rezepte” zur Verfügung zu stellen. Diese 14 Sitzungen über 7 Monate hinweg waren der Beginn von etwas und es gilt, noch einen langen Weg zu gehen. Die Schüler/innen erkannten die Wichtigkeit von Kommunikation und Narrativen in der Sozialarbeit, sie begannen den Wert ihrer eigenen Kultur und ihrer persönlichen Identität zu sehen, sie wurden mit Volksüberlieferungen und traditionellen Narrativen bekannt, sie lernten, Lebenserfahrungen der Älteren zu genießen und zu respektieren, und machten ihre ersten Schritte zum Geschichtenerzählen. Aber das war erst der Anfang. Wissen und wirkliches Verständnis zu gewinnen ist ein langfristiger Prozess.

Ich lernte, die mündliche Tradition zu genießen, ich lernte, dass Volksmärchen nicht nur eine Version haben, dass es viele Arten gibt, dieselbe Geschichte zu erzählen, ich lernte, eine Geschichte vorzubereiten und zu erzählen und die Besonderheiten jeder Art von Publikum zu verstehen und es war wirklich gut, ein Vergnügen, Geschichten zu erzählen.

Student

Das Haupthindernis, in einem institutionellen Kontext zu arbeiten, besonders in dieser Art von Kurs, wo Schüler/innen geringe Erwartungen haben, ist nicht ein Mangel an MOTIVATION. In dieser Hinsicht zogen wir zwei Schlussfolgerungen: Die Sitzungen sollten zeitlich nicht zu weit voneinander entfernt sein und die Beziehung zwischen Trainer und Klasse ist entscheidend. Zum Beispiel kann es signifikante Barrieren für Lernen geben, weil es schwierige Beziehungen zwischen Schüler/innen gibt: Schüler/innen können willig sein, in einer Gruppe zu arbeiten, sie mögen zurückhaltend sein, über ihre persönlichen Gefühle in der Klasse zu sprechen. Für diese Fälle ist die Arbeit der Lehrer/innen/Trainer als Mediator/innen entscheidend. Zusätzlich müssen wir unsere Grenzen erkennen: einige Probleme werden bestehen, was auch immer wir tun. In diesem Fall ist es wichtig, die Schüler/innen nicht zu zwingen, sie nur tun zu lassen, was für sie möglich ist, ob das die Arbeit in einer Gruppe ist, die sie nicht mögen, oder, sogar wichtiger, ihre Emotionen vor ihren Kolleg/innen preiszugeben, mit denen sie schwierige Beziehungen haben. Wichtig ist, dass sie ihre Ziele erreichen und indem sie das tun, werden Motivation und Zufriedenheit den Einfluss der schwieirgen Beziehungen reduzieren. Wenn jeder Student zufriedener und sicherer ist, wird sich auch die Gruppendynamik verbessern. Ebenso wie für die Arbeit in der Gruppe ist es auch wichtig, Platz für individuelle Reflexion und Entwicklung zu lassen.

Wir kommen zum Studenten zurück, mit dem wir dieses Kapitel begannen:

Am Anfang war das Zuhören bei den Geschichten langweilig, weil ich nicht interessiert war. Aber dann, als ich anderen zuhörte, wachte etwas in mir auf und ich begann aufmerksamer zu sein und mir alles vorzustellen, was mir erzählt wurde … Ich hatte einige Schwierigkeiten, Geschichten zu erzählen, da ich das nie vorher getan hatte und auch nie daran gedacht hatte. Aber später machte es mir Freude und ich lernte, meine Angst zu kontrollieren, was nicht leicht war wegen meiner Kolleg/innen … Ich fand es schwierig, mich an alle Elemente der Geschichte zu erinnern, und musste sie den Kindern erzählen, aber es war eine schöne Erfahrung und ich möchte es wieder tun …

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Reflexion über die Pilotprojekte – Weiterarbeit

Das Lernen aus den Pilotprojekten anderer Leute kann eine schwierige Angelegenheit sein. Es gibt eine Versuchung, sie als Modelle zu sehen, die von anderen imitiert werden können, wenn sie tatsächlich so etwas wie Experimente sind, inklusive Fehler wie Erfolge, die in spezifischen Umständen und Kontexten entstanden sind, von denen einige nicht wiederholbar sind. Wie wir im Eröffnungskapitel sagten, meinen wir, dass diese Beispiele von Geschichtenerzählen einige interessante Ideen für eine Adaptatierung und Reflexion bieten, aber sie sind gelebte Experimente, nicht Blaupausen.

Wir wünschen uns nicht, dass Sie wiederholen, was wir getan haben – sogar wenn das möglich wäre – sondern darüber nachzudenken, zu diskutieren und einige dieser Ideen und Möglichkeiten für ihren eigenen Kontext und ihre eigenen Bedürfnisse zu adaptieren.Es kann nützlich sein, an dieser Stelle über einige der folgenden Punkte zu reflektieren (alleine oder mit Kolleg/inn/en).

NACHDENKEN ÜBER DIE PILOTPROJEKTE:

1. Über das (Geschichten)erzählen Auf Sp.xx zitieren wir die Autorin Doris Lessing über die Bedeutung des Geschichtenerzählens. Hier ist ein längeres Zitat:“Die menschliche Rasse hat seit Anbeginn Geschichten erzählt. Geschichtenerzählen begann mit den Liedern und Zeremonien der Schamanen und Priester, es begann in der Religion und hat uns für Tausende von Jahren viel gelehrt. Es ist leicht, den Prozess in den Parabeln der Bibel zu sehen. Das Erbe der Menschheit in Geschichten und Geschichtenerzählen ist das Kostbarste, was wir haben. Alle Weisheit ist in unseren Geschichten und Liedern. Eine Geschichte ist, wie wir unsere Erfahrungen konstruieren. Die einfachsten können sein: Er/sie wurde geboren, lebte, starb. Möglicherweise ist das die Vorlage aller Geschichten — ein Anfang, eine Mitte, ein Schluss. Diese Struktur ist in unseren Köpfen.“ 52

52 http://pr.harpercollins.com/author/authorExtra.aspx?authorID=11302&isbn13=9780060530112&displayType=bookinterview

Ist das die Übertreibung einer Schriftstellerin oder glauben Sie auch, dass „alle Weisheit in unseren Geschichten und Liedern” ist und falls das so ist, wo ist diese Weisheit in unserem Bildungssystem?

2. Produkt oder Prozess?Die Pilotprojekte beschreiben konkrete Ergebnisse (Produkte) und den Entstehungsprozess. In einigen Fällen gibt es tatsächliche Produkte. Spielt das eine Rolle? Muss Geschichtenerzählen ein messbares Resultat haben?

3. Mündlich und Digital?Unsere Beispiele beinhalten sowohl mündliche als auch digitale Elemente, manchmal in ein- und demselben Pilotprojekt. Meinen Sie, es gibt fundamentale Unterschiede zwischen den beiden oder sind es bloß verschiedene Aspekte desselben Prozesses. Was sind Unterschiede und Ähnlichkeiten?

4. Spezielle Expertise?Brauchen Lehrer/innen eine spezielle Expertise – ob das ein mündlicher Geschichtenerzähler ist oder die Verwendung passender Technologie – um die Ideen verwenden zu können, ist etwas für jeden dabei?

5. Welche Fächer?Geschichten werden im Allgemeinen verwendet, um zu unterhalten, Gefühle zu artikulieren und interkulturelles Verständnis zu vermitteln. Auf der Basis dieser Erfahrungen, oder Ihrer eigenen, wie relevant sind Geschichten für breitere Bildungsziele – sogar für das Erlangen von naturwissenschaftlichem Wissen?

6. Mündlichkeit und LiteralitätIn vielen Ländern gibt es Probleme mit der Schreib- und Lesefähigkeit von Schulkindern, z.B. Mangel an Lesefertigkeit. Hilft die Mündlichkeit traditionellen Geschichtenerzählens, das Problem zu verschlimmern oder kann es Teil der Lösung sein? Wie?

Das TALES-Konsortium ist natürlich der Meinung, dass Geschichtenerzählen eine Unterrichtsmethode sein sollte. Tatsächlich sehen einige von uns Parallelen zwischen der Rolle des traditionellen Geschichtenerzählers und der Rolle guter Lehrer/innen. Sie müssen selbstverständlich nicht dieser Meinung sein! Aber für uns haben in einer Reihe von Kontexten und Zwecken Geschichten funktioniert, in der Schule und nach

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der Schule. Wie wir im Kapitel 2 vorschlagen und wie wir glauben, durch die Pilotprojekte bewiesen zu haben, gibt es Verbindungen zwischen Geschichten und einigen der wirkungsvollsten Wege, zu lernen und sich Wissen zu erwerben, sei es

• Lernen zu stimulieren (Gedächtnis) auch in anderen Sprachen;• neue Einsichten zu gewinnen – Verständnis von sich selbst

und eigener Gedanken und Ängste;• Zugang zu neuem Wissen (Bäume, Somalia) und damit ein

besseres Verständnis der Welt zu erwerben;• Zugang zu kreativen, innovativen Techniken – Erzählen,

Phantasie und das Verwenden neuer Technologie;• Verbesserung der Motivation und Aufmerksamkeitsspanne

auch bei bis dahin wenig erfolgreichen Lernern;• Vergnügen, Freude, Lachen und Tränen zu bereiten.

Wie oft erwähnt, ist das Wort für Geschichten in vielen Sprachen identisch mit dem Wort für Geschichte (Historie). In Europa, im antiken Griechenland, wurde in den ersten Anfängen kein Unterschied gemacht zwischen den beiden (Istoria) und Historiker/Geschichtenerzähler gemacht und dieser wurde als Sucher von Wissen gesehen. Doch für viele Menschen im 21. Jahrhundert ist eine Geschichte etwas viel Trivialeres geworden – für kleine Kinder oder um Witze zu erzählen (als ob kleine Kinder und Witze etwas Triviales wären!). Daher wird es häufig, während das Erzählen von Geschichten als Selbstzweck (der letzte Punkt auf der obigen Liste) in der Primarschule üblich ist, als unpassend oder peinlich für ältere Lernende gesehen. Wir denken, dass die Beispiele aus Österreich, Estland, Belgien, Norwegen und Portugal das Gegenteil beweisen. In jedem Fall sind Lernen, Verständnis, Vergnügen und Kreativität kombiniert, und häufig auch mit wenig erfolgreich Lernenden.

Wenn Sie zustimmen oder sogar versucht sind, einzusteigen oder weiter zu machen, wie könnten Sie vorgehen? Es ist nicht an uns, das zu sagen, aber vielleicht gibt es einige Fragen, die man sinnvollerweise in Betracht ziehen sollte, wenn Sie planen, Gebrauch von den Ideen unserer Pilotprojekte zu machen. Das sind einige Vorschläge. Sie können gerne andere hinzufügen:

• Was sind die Lern/Unterrichtsziele und die Kompetenzen, die sie entwickeln wollen? Hier können Ihnen nicht nur die Pilotprojekte, sondern auch die Liste der Schlüsselkompetenzen von Nutzen sein.

• Welche Ressourcen haben Sie oder könnten Sie haben? Haben Sie Zugang zu einem Geschichtenerzähler? Welche digitalen Möglichkeiten stehen zur Verfügung? Welche Ressourcen haben Sie bereits? Welche Bücher oder Filme? Einige Ideen über Quellen solcher Information werden in allen Kapiteln und im Anhang des Handbuchs gegeben.

• Was sind die Characteristiken ihrer Lerner? Hier kann die Bandbreite unserer Pilotprojekte hilfreich sein.

• Was ist der zeitliche Rahmen? Auch hier denken wir, dass wir zeigen konnten, dass alles möglich ist – von einigen Stunden bis zu einigen Monaten, die Vorbereitung ist entscheidend, auch für eine kurze Sitzung.

• Wie werden Sie die Lernenden involvieren? Wenn Geschichten etwas nicht sein sollen, dann lästiger Zwang – nur eine weitere Lektion. Geschichtenerzählen ist etwas Besonderes, manchmal magisch und das Teilen von etwas Magischem ist eine wichtige Rolle für die Lehrer/innen. Es sollte eine gemeinsame Erfahrung sein, in der die Lernenden eine Stimme bekommen.

Das Verhältnis zwischen Lehren und Geschichtenerzählen ist ein interessantes. Wie einer unserer TALES-Kollegen meinte, fühlen wir uns möglicherweise alle wohl beim Gedanken, etwas über Geschichten und Geschichtenerzählen zu unterrichten. Wir könnten auch gerne unterrichten, wie man Geschichten erzählt. Aber vielleicht würde der größte Unterschied sein, unser Lehren als Geschichtenerzählen zu entwickeln. Das würde von uns als Lehrer/innen verlangen, den Zauber des Mondes und die Hitze der Sonne zu vermitteln anstelle der Langweiligkeit von Lernzielen und der Dumpfheit des Prüfens. Es könnte sein, dass Erzählen ‚normal’ wird, als Teil des Repertoires von Lehrer/innen, in dem die Lernenden auch eifrige Teilnehmer/innen sind.

Als Abschlussgedanken brauchen wir also eine Geschichte. Denn vielleicht helfen uns am Ende nicht Planen und Reflexion – so wichtig sie auch sind – nicht weiter. Wir müssen einfach springen!

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Die Geschichte von den Fröschen und der Schüssel Milch

Zwei Frösche wanderten auf einem Bauernhof herum. Sie hüpften auf ein Fensterbrett und gelangten in die Küche. Da sahen sie eine große Schüssel und, höchstwahrscheinlich aus Neugier, hüpften sie hinein. Das war eine schlechte Idee, denn die Schüssel war mit fetter Milch gefüllt und sie begannen zu ertrinken.

Der erste Frosch begann sofort, über die Möglichkeiten der Rettung nachzudenken: den Abstand zwischen dem Rand der Milch und dem Rand der Schlüssel; die Stärke ihrer Beine; das Maximum an Zeit, die sie strampeln könnten … Er kam zum unbestreitbaren Schluss, dass sie sterben würden. Verzweifelt gab er sich selbst auf, überließ sich seinem Schicksal und ging in der weißen Flüssigkeit unter.

Der zweite Frosch strampelte weiter, irrational, hirnlos und mit großer Leidenschaft. Er dachte an nichts als den Moment, wo er hier herauskommen würde und an die Süße der Freiheit, die er wieder genießen könnte. Er strampelte so sehr, so rasch, so begeistert, dass die Milch schließlich zu Butter wurde und er herausspringen konnte. Und er war frei!

LiteraturLambert, J. Digital Storytelling Cookbook. Berkeley: Center for Digital Storytelling, 2010. Contributions by Hill, A., Mullen, N., Paull, C., Paulos, E., Soundararajan, T. & Weinshenker, D.

Ramsden, A. & Hollingsworth, S. The Storyteller’s Way. A sourcebook for inspired storytelling. Stroud: Hawthorn Press, 2013.

European Key Competences:http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=URISERV:c11090&from=EN

Interview of Doris Lessing:http://pr.harpercollins.com/author/authorExtra.aspx?authorID=11302&isbn13=9780060530112&displayType=bookinterview

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Weil das finden des Sinns in Geschichten eine persönliche Sache ist ...

Der Schüler und der Meister spazierten durch einen Obstgarten, als der erstere zu klagen begann:Der Meister spricht immer in Rätseln, in Parabeln und nie erklärt er die Bedeutung der Geschichten …Nach einem Moment des Schweigens fragte der Meister:„Möchtest du eine Orange“? Und da er das als Bitte verstand, machte der Schüler eine Geste, um eine Orange vom nächsten Baum zu pflücken.„Nein, lass mich sie für dich pflücken“, sagte der Meister.Er pflückte eine Orange und mit der Frucht in seiner Hand fragte er den Schüler:„Soll ich sie für dich schälen?“„Oh, danke, Meister”, sagte der Schüler überrascht.Der Meister schälte sie und fragte dann:„Und möchtest du, dass ich sie für dich in Spalten teile?“„Oh, danke, Meister, danke … “sagte der Schüler zweifelnd.Der Meister teilte die Orange in Spalten und fragte dann wieder:„Und soll ich sie für dich auch kauen?“„Oh, Meister, danke, aber ich glaube, ich will sie lieber selber kauen …“ sagte der Schüler peinlich berührt.Als er die Orange seinem Schüler gab, sagte der Meister:„Geschichten erklären ist wie gekaute Orangen anbieten.“

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An den Pilotprojekten beteiligte Schulen

Österreich

Praxis Schule – Neue Mittelschule, PHSt Graz (AT)Sekundarunterstufenschule in Graz (nicht selektiv, multikulturell). Die Schule gehört zur Pädagogischen Hochschule Steiermark.

Belgien

De Appeltuin – Löwen (BE)De Appeltuin ist eine Freinet (Vor)Primarstufenschule. Freinet Pädagogik ist eine spezielle Pädagogik, von Freinet entwickelt, deren Grundlage freier Ausdruck für Kinder ist; freie Texte, freies Zeichnen, Korrespondenz zwischen Schulen, Drucken und Schülerzeitung …

Paleis (= Palast) - Diepenbeek (BE)Paleis ist eine Primarstufenschule in Diepenbeek, einem Dorf im Osten von Flandern, Belgien. Es ist eine katholische Schule, deren höchste Werte die Einzigartigkeit jedes Kindes, Verantwortung, Solidarität, Brüderlichkeit, Vertrauen, Offenheit, Respekt für Menschen, die Natur und andere Kulturen sind.

Virga Jesse College – Hasselt (BE)Das Virga Jesse College ist eine Sekundarschule in Hasselt, einer Stadt im Osten von Flandern, Belgien. Die Schule bietet Schüler/innen von 12 - 18 eine stabile Lernumgebung mit einer Balance zwischen Sicherheit und Raum für persönliche Entfaltung. Schüler/innen können zwischen verschiedenen Fachgebieten wie Latein-Griechisch, Wirtschaft, und Naturwissenschaft, wählen.

Estland

Palivere Basic Schul (EE) Die Palivere Grundschule ist eine normale lokale Schule mit 100 Schüler/innen aus dem Dorf Palivere. In jeder Klasse sind ungefähr 10 bis 12 Schüler/innen. Die Schule hat ein Klassenlehrersystem; die gleiche Lehrperson unterrichtet alle Fächer im Lehrplan.

Italien

Istituto Comprensivo “Monte Grappa” Bussero-Milano (IT)Die Gesamtschule inkludiert drei Schultypen: Kindergarten, Grundschule, Sekundarschule. Die Unterrichtsaktivitäten basieren auf kooperativem Lernen, naturwissenschaftlichen Laboren, CLIL, Kunst, Theater und Tanz…

Norwegen

Aarvoll grunnskole (Aarvoll Sekundarunterstufenschule)Bjornholt videregående skole (Bjornholt Sekundaroberstufenschule)

Portugal

Escola Profissional Bento Jesus Caraça“Escola Profissional Bento Jesus Caraça” ist eine Berufsschule, die 1989 gegründet wurde. Sie bietet Fach- und berufsbildende Kurse in mehreren Städten Portugals an. In Beja residiert die Schule in einem historischen Gebäude in der Altstadt.

Großbritannien

Haberdashers’ Aske’s Hatcham Temple Grove Schule- London (GB)Haberdashers’ Aske’s Hatcham Temple Grove Schule ist eine öffentliche Primarschule in der Londoner Innenstadt.

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Beteiligte Geschichtenerzähler in den Pilotprojekten

Österreich

Frederik MellakGeschichtenerzähler Frederik Mellak bietet Geschichtenerzählabende für Erwachsene und Kinder und organisiert Märchen & Naturerlebnistage. Er führt Seminare zu Erzählen, kreativer Arbeit mit Geschichten und Schweigemeditation durch.www.freudeanmaerchen.at

Belgium

Fred Versonnen - VZW SchobbejakVZW Schobbejak möchte traditionellem Geschichtenerzählen einen neuen Stellenwert in unserer Gesellschaft auf zeitgemäße Art verschaffen. Fred Versonnen ist überzeugt, dass Geschichtenerzählen und der Reichtum von Geschichten, aus denen er schöpft, einen positiven Einfluss z.B. auf kulturellem, sozialen und pädagogischem Gebiet haben

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Norwegen

Heidi Dahlsveen (& Student Ingeborg Ingeborg K. Rød)Heidi Dahlsveen arbeitet seit 1986 sowohl national als auch international als professionelle Geschichtenerzählerin. Ihr Hauptziel ist, traditionelle Geschichten zeitgemäß zu erzählen. Neben dem Erzählen ist Heidi a.o. Professorin für Geschichtenerzählen an der Oslo und Akershus Fachhochschule. 2008 veröffentlichte sie ein Buch, das ins Geschichtenerzählen einführt.

Portugal

Ana Sofia Paiva Ana Sofia Paiva ist eine portugiesische Schauspielerin und Geschichtenerzählerin, die in vielen Projekten arbeitet, die Theater, Geschichtenerzählen und Musik verbinden. Seit 2007 arbeitet sie ständig als Geschichtenerzählerin in Portugal und im Ausland, sie legt den Schwerpunkt auf die Kraft der Stimme, mündliche Performanz und Musikalität. Ana ist auch eine Erforscherin mündlicher Tradition, ein Mitglied des Instituts für Studien traditioneller Literatur (Lissabon), der Forschungsinstituts der Algarve Universität, das Zentrum, das die Archive portugiesischer Volksüberlieferung beherbergt, und Teil des kollektiven Memória Imaterial, einer Organisation, die das portugiesische immaterielle kulturelle Erbe bewahrt, ist.

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Jorge Serafim Jorge Serafim arbeitet seit vielen Jahren an der Städtischen Bibliothek von Beja. Als Geschichtenerzähler hat er das Land von Norden bis Süden bereist, bis zu den Azoren, und viele Geschichtenerzählsessions für ein Publikum jeden Alters gehalten. Er hat an Veranstaltungen in Spanien, Argentinien und Kanada teilgenommen. Er ist regelmäßig im öffentlichen Fernsehen präsent und hat mehrere Bücher geschrieben.

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Cristina Taquelim Cristina Taquelim wurde 1964 in Lagos geboren. Sie hat das Studium Pädagogischer Psychologie abgeschlossen und ein anschließendes Studium Bibliothekswissenschaft absolviert. Sie ist Lesevermittlerin und technische Beraterin für die regionale Regierung in der öffentlichen Bibliothek von Beja, wo sie für viele Projekte verantwortlich ist, unter anderem für das größte portugiesische Geschichtenerzählfestival “Palavras Undarilhas” (Wandernde Worte). Sie ist eine Referenzperson in der nationalen Szene und hat Beiträge zu vielen Konferenzen und Kongressen geleistet. Sie ist seit 1995 Geschichtenerzählerin und hat an zahlreichen Veranstaltungen in Portugal, Brasilien, Mozambik, São Tome e Príncipe, Kapverden, Spanien und Argentinien teilgenommen.

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Luís Correia Carmelo Luís Correia Carmelo wurde 1976 in Lissabon geboren, aber verbrachte die ersten 14 Jahre in Brasilien. Er hat einen Abschluss in Drama und einen Master in Portugiesisch. Er ist Mitglied des Institutes für traditionelle Literaturstudien, (Neue Universität Lissabon) und des Kunst- und Kommunikationsforschungszentrums (Universität Algarve). Er ist Dissertant mit dem Thema “Narração Oral: uma Arte Performativa” (Mündliches Erzählen: eine darstellende Kunst) und bekam ein Stipendium von FCT. Er arbeitet seit 2003 als Geschichtenerzähler in Bibliotheken, Schulen, Vereinen, Theatern und auf Festivals in Portugal und im Ausland.

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António Fontinha António Fontinha wurde 1966 in Lissabon geboren und lebte bis 1975 in Dundo/Angola. Er beendete das 1. Jahr an der Theaterschule in Lissabon (1986/86) und arbeitete als Schauspieler in einigen Produktionen bis 1995. Drei Jahre vorher begann er als Geschichtenerzähler im “Belavista Education Center” für “Chapitô” zu arbeiten, was zu einer Änderung seiner Laufbahn führte. Er wurde zum ersten professionellen Geschichtenerzähler in Portugal und ist eine wichtige Referenz in der nationalen Szene. Seither arbeitet er in sozialen Interventionsprojekten in Schulen und Bibliotheken überall im Land, und war damit Wegbereiter für viele weitere Geschichtenerzähler. Die Basis seines Repertoires sind Gegenstände portugiesischer mündlicher Tradition und er hat, parallel zu seinen Aktivitäten als Geschichtenerzähler, traditionelle Geschichten aus dem ganzen Land gesammelt, einige davon wurden veröffentlicht.

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Großbritannien

Shonaleigh Cumbers (UK)Shonaleigh ist eine Drut’syla: eine Geschichtenerzählerin in der Jiddischen Kultur. Sie ist Assoziierte Vortragende an der Derby Universität, Künstlerische Leiterin bei Phrase Arts und in der Gesellschaft der British Awards for Storytelling Excellence (BASE) und Autorin. Sie arbeitet mit Schulen, Universitäten, Organisationen und Geschichtenerzählern auf der ganzen Welt. Das Repertoire einer “drut’syla” umfasst zwölf miteinander verbundene Zyklen, von denen jeder aus einigen hundert Geschichten besteht. Das Training beinhaltet ein komplexes System mündlicher Gedächtnisstützen, Visualisierung und Interpretation (midrash) von Geschichten.

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Literaturempfehlungen der Geschichtenerzähler

Bakhtin, M. The Dialogic Imagination: Four Essays. Austin: University of Texas Press, 1981.

Bettelheim, B. Psychanalyse des contes de fées. Paris: Editions, 1976.

Bjerkem, J. Forteljingas pedagogikk: folkedikting før og no. Oslo: Gyldendal akademisk, 2004.

Boal, A. Theater of the Oppressed. London: Pluto Press, 2000.

Boyer, Dennis. Initiation et sagesse des contes de fées. Paris: Albin Michel, 1988.

de Smedt, M. Nouvelles clés 42: Guérir par les contes. 2004.

De Vos, G. Storytelling for Young Adults: A Guide to Tales for Teens. Westport: Libraries Unlimited, 2003.

De Vos, G., Harris M. & C. Barker Lottridge (eds). Telling Tales: Storytelling in the Family. Edmonton: The University of Alberta Press, 2003.

Duborgel, B. Imaginaire et pédagogie. Toulouse: Privat, 1992.

Freire, P. Pedagogy of the Oppressed. New York: Seabury Press, 1968.

Gargiulo, T.L. Once Upon a Time. San Francisco: Pfeiffer, 2007.

Gersie, A. Earthtales: Storytelling in Times of Change. Green Print, 1992.

––. Storymaking in Bereavement. Dragons Fight in the Meadow. London: Jessica Kingsley Publishers, 1991.Gersie, A. & N. King. Storymaking in Education and Therapy. London: Jessica Kingsley Publishers, 1990.Heath, C. & D. Heath. Made to Stick. New York: Random House, 2007.

Holmer, M. Professioneel vertellen. Zoetermeer: Free Musketeers, 2009.

Jean, G. Le pouvoir des contes. Paris: Casterman, 1990.

––. Pour une pédagogie de l’imaginaire. Doornik: Casterman, 1991.

King, N. Memory, Narrative, Identity: Remembering the Self. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2000.

Lipman, D. Improving Your Storytelling: Beyond Basics for All Who Tell Stories in Work or Play. Little Rock: August House Publishers, 1999.

Loiseau, S. Les pouvoirs du conte. PUF, 1992.

Mateo, P. Le conteur et l’imaginaire. Edisud, 2005.

McCourt, F. Teacher Man: A Memoir. New York: Scribner, 2005.

McDrury, J. & M. Alterio. Learning through Storytelling in Higher Education. London: Kogan Page, 2003.

Morgan, J. & M. Rinvolucri. Once Upon a Time: Using stories in the Language Classroom. New York: Cambridge University Press, 1983.

Sawyer, R. The Way of the Storyteller. London: The Bodley Head, 1962.

Seung, O. Psychopédagogie du conte. Paris: Fleurus, 1971.

Spiro, J. Storybuilding. Oxford: Oxford University Press, 2007.

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ISBN : 9789081794138

Project co-ordinator

This manual is the result of the Comenius Multilateral Project “TALES, Stories for Learning in European Schools”, which was coordinated by the Landcommanderij Alden Biesen (BE) and funded by the Lifelong Learning Programme of the European Commission.

Translations of this manual in Dutch, Estonian, French, German, Italian, Norwegian and Portuguese are available on the TALES website:

www.storiesforlearning.eu