2. QUARTAL 2015 EMIR · 2018. 4. 24. · EU-ERBRECHTSVERORDNUNG 6 CORPORATE FINANCE & ADVISORY...

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Viele deutsche Mittelständler setzen De- rivate ein, um sich gegen Schwankungen bei Rohstoffpreisen und Währungsrisi- ken abzusichern. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Firmen, die mit Derivaten han- deln, müssen die EMIR-Verpflichtungen beachten. Hinter der Abkürzung EMIR verbirgt sich die europäische Derivate- verordnung European Market Infrastruc- ture Regulation. Diese ist als Reaktion auf die Krise an den Finanzmärkten 2012 in Kraft getreten und soll den Derivatehandel transparen- ter und sicher machen. Ziele von EMIR sind die Beaufsichtigung des außerbörs- lichen Derivatemarktes (OTC) und eine verbesserte Transparenz, um Kettenreak- tionen infolge von Kreditereignissen zu vermeiden. Die in einer Vielzahl technischer Re- gulierungs- und Durchführungsstandards konkretisierten EMIR-Pflichten umfassen die Abwicklung von OTC-Derivaten über zentrale Gegenparteien (Clearingpflicht) nebst Meldepflichten gegenüber der Bun- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der European Securities and Markets Authority (ESMA), die Implemen- tierung von Risikominderungstechniken und die Meldung aller Derivatekontrakte an ein Transaktionsregister. Gemäß § 20 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist die Einhaltung der vorgenann- ten EMIR-Pflichten unter bestimmten Vor- aussetzungen innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zu prüfen. Von der EMIR-Prüfungspflicht sind alle nicht finanziellen Gegenparteien betroffen, die als nicht kleine Kapitalgesellschaft be- ziehungsweise haftungsbeschränkte Perso- nenhandelsgesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr entweder mehr als 100 OTC- Derivate oder OTC-Derivatekontrakte mit einem Gesamtnominalvolumen von über 100 Millionen Euro abgeschlossen haben. Lesen Sie weiter auf Seite 3. > EMIR: Jetzt auf die Prüfung vorbereiten Bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2014 abgelaufen ist, muss die EMIR-Prüfung spätestens bis zum 30. September 2015 abgeschlossen sein. Die Nichteinhaltung der EMIR-Pflichten ist eine Ordnungswidrigkeit, die ein Bußgeldverfahren der BaFin nach sich ziehen kann; hier droht eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro. 2. QUARTAL 2015

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Viele deutsche Mittelständler setzen De- rivate ein, um sich gegen Schwankungen bei Rohstoffpreisen und Währungsrisi- ken abzusichern. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Firmen, die mit Derivaten han- deln, müssen die EMIR-Verpflichtungen beachten. Hinter der Abkürzung EMIR verbirgt sich die europäische Derivate-verordnung European Market Infrastruc- ture Regulation.Diese ist als Reaktion auf die Krise an den Finanzmärkten 2012 in Kraft getreten und soll den Derivatehandel transparen- ter und sicher machen. Ziele von EMIR sind die Beaufsichtigung des außerbörs- lichen Derivatemarktes (OTC) und eine verbesserte Transparenz, um Kettenreak- tionen infolge von Kreditereignissen zu vermeiden.

Die in einer Vielzahl technischer Re- gulierungs- und Durchführungsstandards konkretisierten EMIR-Pflichten umfassen die Abwicklung von OTC-Derivaten über

zentrale Gegenparteien (Clearingpflicht) nebst Meldepflichten gegenüber der Bun- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der European Securities and Markets Authority (ESMA), die Implemen- tierung von Risikominderungstechniken und die Meldung aller Derivatekontrakte an ein Transaktionsregister.

Gemäß § 20 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist die Einhaltung der vorgenann- ten EMIR-Pflichten unter bestimmten Vor- aussetzungen innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zu prüfen. Von der EMIR-Prüfungspflicht sind alle nicht finanziellen Gegenparteien betroffen, die als nicht kleine Kapitalgesellschaft be- ziehungsweise haftungsbeschränkte Perso- nenhandelsgesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr entweder mehr als 100 OTC- Derivate oder OTC-Derivatekontrakte mit einem Gesamtnominalvolumen von über 100 Millionen Euro abgeschlossen haben.Lesen Sie weiter auf Seite 3. >

EMIR: Jetzt auf die Prüfungvorbereiten

Bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2014 abgelaufen ist, muss die EMIR-Prüfung spätestens bis zum 30. September 2015 abgeschlossen sein. Die Nichteinhaltung der EMIR-Pflichten ist eine Ordnungswidrigkeit, die ein Bußgeldverfahren der BaFin nach sich ziehen kann; hier droht eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro.

2. QUARTAL 2015

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„Im Schwerpunkt des aktuellen ‚Navigator‘ informieren wir Sie ausführlich über die EMIR-Verpflichtungen und die damit verbundene Prüfungspflicht.“ STB SUSANNE TSCHÖPEGESCHÄFTSFÜHRUNG FACHBEREICH STEUERBERATUNG E [email protected]

EDITORIAL

Gerne übersenden wir Ihnen den „Navigator“ an- stelle der gedruckten Version auch als PDF-Do- kument. Sollten Sie dies wünschen, ist die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse erforderlich. Schicken Sie diese bitte an [email protected]. Pünktlich zu den Erscheinungsterminen des „Navigators“ am Ende jedes Quartals erhalten Sie von uns eine E-Mail mit der aktuellen Ausgabe im PDF-Format.

1 WIRTSCHAFTSPRÜFUNG EMIR

5 STEUER- UND RECHTSBERATUNG EU-ERBRECHTSVERORDNUNG

6 CORPORATE FINANCE & ADVISORY SERVICES SCHUTZSCHIRMVERFAHREN

INHALT

INFO

2 Navigator 02 /2015

Liebe Leserin, lieber Leser,Mittelständler, die mit Derivaten handeln, müssen die Vorgaben der European Mar- ket Infrastructure Regulation, kurz EMIR, beachten. Diese Verordnung soll den Han- del mit Derivaten transparenter und sicher machen. Das Regelwerk enthält umfang- reiche Pflichten, wie etwa Meldepflichten an die BaFin und fest vorgeschriebene Ri- sikominderungstechniken. Die Einhaltung der Verpflichtungen muss neun Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres geprüft werden; bei Firmen, deren Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2014 abgelaufen ist, muss die EMIR-Prüfung also spätestens bis zum 30. September 2015 abgeschlossen sein. Wir informieren Sie über die EMIR und die damit verbundene Prüfungspflicht.

Weitere Themen dieser AusgabeWir berichten anlässlich einer Fallstudie über die Sanierung eines Lifestyle-Unter- nehmens und weisen auf die Europä- ische Erbrechtsverordnung hin, die zum 17. August 2015 akuten Handlungsbedarf bei Testamenten auslöst.

Es grüßt Sie

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WIRTSCHAFTSPRÜFUNG EMIR

02 /2015 Navigator 3

< Fortsetzung Titelgeschichte

Die Vorschriften der EMIR gelten für alle Unternehmen mit Sitz in der EU. Hierzu zählen finanzielle und nicht finanzielle Gegenparteien.• Finanzielle Gegenparteien sind Wert-

papierfirmen, Kreditinstitute, Ver- sicherungen, Rückversicherer, OGAW und Verwaltungsgesellschaften, Ein- richtungen der betrieblichen Alters- versorgung, alternative Investment- fonds sowie Zentrale Gegenparteien.

• Nicht finanzielle Gegenparteien sind alle anderen in der EU ansässigen Un- ternehmen. Insoweit gilt die Verord- nung größenunabhängig ebenfalls für Industrie-, Handels- und Dienst- leistungsunternehmen. Daher können Gegenparteien auch Mittelständler sein, die als exportorientierte Firmen Währungsrisiken über OTC-Derivate- kontrakte absichern.

ÜBERBLICK ÜBER DIE WICHTIGSTEN EMIR- VERPFLICHTUNGEN

OTC-Derivatekontrakte sind Geschäfte, die nicht an einem geregelten Markt innerhalb der EU oder an einem gleichwertigen Markt in einem Drittstaat ausgeführt werden. Hinsicht- lich des Begriffs „Derivate“ enthält die EMIR keine eigenständige Definition, sondern ver- weist auf die Richtlinie 2004/39/EG (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID I), die eine Aufzählung der derivativen Finanzins- trumente enthält. Wichtig: Die von vielen Unter- nehmen zur Währungs- beziehungsweise Zins- sicherung eingesetzten Devisentermingeschäfte sowie Zins- und oder Währungsswaps gelten als Derivate, während physisch abgewickelte, nicht in bar abgerechnete, außerbörslich ge- handelte Warenderivate derzeit nicht von EMIR erfasst sind.

OTC-DERIVATE

Beim zentralen Clearing tritt eine Zentrale Gegenpartei zwischen die Vertragsparteien und wird Gegenpartei sowohl für die Käufer- als auch für die Verkäuferseite. Das Ausfall- risiko einer oder mehrerer Parteien ist auch bei schwierigen Marktbedingungen abgesichert, da für die Zentrale Gegenpartei hohe Anfor- derungen an das Risikomanagement gelten und diese Sicherheiten von den Parteien für die eingegangenen Risiken verlangt. Aller- dings greift die Clearingpflicht für nicht finan- zielle Gegenparteien nur bei nachhaltiger Über- schreitung der Clearingschwellen. Die Clearing- schwellen sind für Kredit- und Aktienderivate- kontrakte auf eine Milliarde Euro und für Zins-, Devisen-, Waren- und andere OTC-Derivatekon- trakte auf drei Milliarden Euro festgelegt. Die Messung der Clearingschwelle muss pro OTC-Derivatekategorie in regelmäßigen Abständen erfolgen, wobei Sicherungsgeschäfte, die zur Risikoreduzierung beitragen, bei der Berech- nung abzuziehen sind.

CLEARING

Zudem sieht die EMIR bei nicht geclearten OTC-Derivaten umfangreiche Risikominde-rungstechniken vor. Diese enthalten im We- sentlichen die rechtzeitige Bestätigung des Abschlusses von OTC-Derivatekontrakten und den wiederkehrenden Abgleich der Portfolios der Gegenparteien. Unter bestimmten Voraus- setzungen ist auch eine regelmäßige Bewertung der Geschäfte erforderlich. Des Weiteren sieht die Verordnung die Festlegung von Regelungen zur Portfoliokomprimierung und von Streitbei- legungsverfahren für die beteiligten Gegen- parteien vor.

RISIKOMINDERUNGSTECHNIKEN

Besonders praxisrelevant für Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ist die Melde- pflicht bei Derivategeschäften. Alle Abschlüsse und Änderungen von Derivatekontrakten sind an ein zertifiziertes Transaktionsregister zu mel- den. Dabei umfasst die Meldepflicht sowohl die an der Börse als auch die außerbörslich ge- handelten OTC-Derivate unabhängig von Art und Volumen. Meldepflichtig sind alle Derivate, die am 16. August 2012 bestanden oder danach vereinbart wurden. Auch bei Übertragung der Meldepflichten auf einen Dritten verbleibt die Verantwortung für die Richtigkeit der Meldung beim Unternehmen.

MELDEPFLICHTEN AN EIN TRANSAKTIONSREGISTER

Lesen Sie zum Thema Prüfungspflicht das Inter- view mit unserem Experten Dirk Holzheimer „Mit uns auf der sicheren Seite“.

„Bei Nichteinhaltung der EMIR-Pflichten droht eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro.“ WP ⁄ STB DIRK HOLZHEIMER

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„Mit uns auf der sicheren Seite“

WIRTSCHAFTSPRÜFUNG EMIR

4 Navigator 02 /2015

Könnten Sie die auf Seite 3 angesprochene Prüfungspflicht näher erläutern? Die Prüfung umfasst insbesondere die Ein- haltung der Anzeige- und Meldepflichten sowie die Angemessenheit der implemen- tierten Systeme und Vorkehrungen zur Erfüllung der EMIR-Anforderungen.

Grundsätzlich gilt?Bei Unternehmen des Finanzsektors ist die EMIR-Prüfung Teil der normalen Jahresabschlussprüfung. Bei Industrieun- ternehmen gibt es eine gesonderte Prüfung. Wie aufwendig sie ist, hängt von der Größe des Unternehmens und seinem Derivate-bestand ab.

Welche Fehlerquellen gilt es hier zu ver- meiden? Als Fehler gilt jede einzelne Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften. Diese sind jedoch nur unter bestimmten Voraus- setzungen an die BaFin zu melden. Die Gesellschaft hat die Bescheinigung des Prü- fers unverzüglich der BaFin zu übermitteln, wenn diese die Feststellung von Mängeln enthält, die daraus resultieren, dass die Systeme und Vorkehrungen insgesamt nicht geeignet sind, die Anforderungen der EMIR einzuhalten.

Der Prüfer hat die BaFin unverzüglich zu unterrichten, wenn bei der Prüfung schwerwiegende Verstöße aufgedeckt werden.

„Unternehmen sollten Aufbau und Ablauf der organisatorischen Vorgaben unbedingt dokumentieren.“ UNSER EXPERTE WP ⁄ STB DIRK HOLZHEIMER IM INTERVIEW

WP ⁄ STB DIRK HOLZHEIMER

Wie sollten sich Unternehmen auf die Prüfung vorbereiten? Zum einen ist eine Zusammenstellung aller Derivatekontrakte sinnvoll, um die Prüfungspflicht zu erkennen und dem Prüfer einen schnellen Überblick über die Art und das Volumen des Derivatebestands zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten die aufbau- und ablauforganisatorischen Vor- gaben im Hinblick auf die Erfüllung der EMIR-Pflichten dokumentiert werden, sodass die Vorgehensweise des Unterneh- mens im Rahmen der Erfüllung der Melde- pflichten und im Hinblick auf den Einsatz von Risikominderungstechniken problem- los nachvollzogen werden kann.

Wie unterstützen wir Unternehmen beim Thema EMIR? Mit uns sind Unternehmen auf der sicheren Seite. Zum einen übernehmen wir natürlich die EMIR-Pflichtprüfung. Zum anderen stehen wir betroffenen Firmen mit einem umfangreichen Angebot bei der Erfüllung der EMIR-Pflichten zur Seite, beispiels- weise durch Analyse der einzelnen Ge- schäftsvorfälle im Hinblick auf eine Melde- pflicht oder bei der Einführung von Risiko- minderungstechniken.

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Stichtag 17. August 2015: Handlungsbedarf bei Testamenten!

STEUER- UND RECHTSBERATUNG EU-ERBRECHTSVERORDNUNG

„Die Ausübung des Wahlrechts ist künftig ein zentraler Punkt bei der Errichtung von Testamenten.“ RA ⁄ WP ⁄ STB ⁄ FASTR THOMAS R. JORDE

Personen, die ein Testament errichtet haben oder die ein Testament errichten wollen, haben jetzt akuten Handlungsbedarf. Sie sollten die verbleibende Zeit bis zum Stichtag unbedingt nutzen, um in Abstimmung mit einem Berater zu klären, ob wegen der EuErbVO Veränderun- gen vorgenommen werden müssen. ATS steht Ihnen zu allen Fragen rund um die Verordnung als Ansprechpartner gerne zur Verfügung. Wir unterstützen Sie mit einem umfassenden Leis- tungsspektrum von der Beratung zur Ausübung des Wahlrechts bis hin zur Analyse möglicher steuerlicher Auswirkungen. Sprechen Sie uns an!

PRAXISHINWEIS

RA ⁄ WP ⁄ STB ⁄ FASTR THOMAS R. JORDE

Das Erben in Europa steht vor einem grundlegenden WandelAb dem 17. August 2015 ist die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), die bereits 2012 in Kraft getreten ist, für alle Erbfälle anzuwenden. Die EuErbVO gilt in allen EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien und regelt insbesondere die Fragen, welches Erbrecht auf einen Erb- fall mit Auslandsbezug anzuwenden ist und welches Gericht bei Streitigkeiten in diesen Fällen zuständig ist. Die Verordnung soll die Abwicklung der zunehmenden Erbfälle mit Auslandsbezug vereinheitlichen und erleichtern. Für Deutsche mit Wohnsitz im Ausland sowie für Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland bringt die Verordnung eine zentrale NeuerungBis jetzt richtet sich das anzuwendende Erbrecht nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, unabhängig davon, wo dieser sich zuletzt aufhielt. Für Erbfälle ab dem 17. August 2015 ist dagegen nach der EuErbVO entscheidend, wo der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhn- lichen Aufenthalt hatte. Das bedeutet bei- spielsweise für einen Deutschen, der seinen Lebensabend in der Toskana verbringt: Nach aktueller Rechtslage gilt für die Rechts- nachfolge von Todes wegen deutsches Recht, ab dem 17. August 2015 unterliegt die Rechts- nachfolge von Todes wegen italienischem Recht. Lebt hingegen beispielsweise ein Niederländer in Deutschland, so findet ab dem 17. August 2015 grundsätzlich deut- sches Erbrecht Anwendung.

Wer die zwingenden Rechtsfolgen der EuErbVO vermeiden will, kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeit- punkt seines Todes angehörtDie Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfü- gung ergeben. Die Rechtswahl ist also in einem eigenhändigen oder einem öffent- lichen Testament zu treffen. Die Ausübung des Wahlrechts will gut überlegt sein, da ausländische Regelungen zur Rechtsnach- folge von Todes wegen erheblich von den deutschen Erbrechtsvorschriften abwei- chen können. Je nach den Zielsetzungen des Erblassers können sich bei der Erbrechts- gestaltung Chancen und Risiken ergeben.

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CORPORATE FINANCE & ADVISORY SERVICES SCHUTZSCHIRMVERFAHREN

Unternehmenssanierungen sind gerade im Einzelhandel mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Wir berichten anlässlich einer Fallstudie über die Sanierung des Lifestyle-Unternehmens Strauss Innovation.

Strauss Innovation ist ein Einzelhandels- unternehmen mit Tradition1902 gründeten die Eheleute Maria und Heinrich Strauss ihr erstes Geschäft für Kurz-, Weiß- und Wollwaren im Herzen der Düsseldorfer Altstadt. Ihre Firmenphi- losophie lautete: „Gutes darf kein Luxus sein.“ Bis 1989 betrieb die Gründerfamilie Strauss noch als Familienunternehmen. Seit- dem versuchten sich knapp eine Handvoll Investoren und zahlreiche Geschäftsfüh- rungen an dem Lifestyle-Unternehmen, ex- pandierten bundesweit, unternahmen Ra- battaktion nach Rabattaktion und ver- suchten, Strauss Innovation als Discounter zu positionieren. Zum Jahresende 2013 konnten Gespräche mit einem weiteren Investor nicht wie geplant abgeschlossen werden und Strauss Innovation sah sich mit einer erheblichen wirtschaftlichen Schieflage konfrontiert.

In dieser Situation nahmen Dr. Hans Peter Döhmen und Rechtsanwalt Matthias Kampshoff im Januar 2014 ihre Tätigkeit als Sanierungsberater des angeschlagenen Unternehmens auf und empfahlen dem damaligen Management, am 30. Januar 2014 beim zuständigen Amtsgericht in Düssel- dorf ein Schutzschirmverfahren auf Basis des § 270b der Insolvenzordnung zu bean- tragen.

Am 26. Februar 2014 stimmte die Ge- schäftsleitung ein grobes Sanierungskon- zept mit dem vorläufigen Gläubigeraus- schuss ab, am 30. März 2014 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzver- fahren in Eigenverwaltung. Mitte August 2014 stimmte der vorläufige Gläubigeraus- schuss dem Angebot eines strategischen Investors zu. Dessen Konzept wurde Be- standteil des Insolvenzplans, dem die Gläu- bigerversammlung Anfang November 2014 zustimmte.

Das Insolvenzverfahren wurde Ende Ja- nuar 2015 aufgehoben. Die entscheiden- den Faktoren für den bis dahin erfolg- reichen Sanierungsprozess waren:• Auf Grundlage einer kompromisslosen

Analyse wurden die Sanierungsins- trumente der Insolvenzordnung kon- sequent genutzt.

• Im Zuge eines Insolvenzplanverfahrens konnte das Konzept des Erwerbers bereits berücksichtigt und die Unter- nehmensanteile konnten an diesen strategischen Investor übertragen werden.

• Das Sanierungsteam setzt seine Tätig- keit auch nach Abschluss des Ver- fahrens fort.

HintergrundUnternehmen, die bei skeptisch zu beur- teilender Fortführungsprognose noch zah- lungsfähig sind, haben seit Frühjahr 2012 die Chance, ihr Unternehmen in Eigenver- waltung im Rahmen eines Schutzschirm- verfahrens zu sanieren. Diese Möglichkeit bietet das Gesetz zur weiteren Erleichte- rung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Das Verfahren gibt angeschlage- nen Betrieben bis zu drei Monate Zeit, einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Die wichtigste Neuerung gegenüber der klas- sischen Insolvenz: Die Geschäftsleitung bleibt auch während des Verfahrens Herr über das Unternehmen. Anstelle des In- solvenzverwalters beaufsichtigt „nur“ ein sogenannter Sachwalter den Ablauf des Verfahrens.

Dr. Hans Peter Döhmen erklärt: „Erfolgs- kritisch waren Restrukturierungsmaß- nahmen wie die mit Kündigungen ver- bundenen Schließungen von 17 Filialen, die Halbierung des Kundenkartenra- battes oder eine Beruhigung des Sorti_ ments. Für potenzielle Investoren waren diese Entscheidungen, die konsequent und zügig umgesetzt wurden, wichtig.“

Fallstudie: Sanierung eines Lifestyle-Unternehmens

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CORPORATE FINANCE & ADVISORY SERVICES SCHUTZSCHIRMVERFAHREN

„Wichtig war insbesondere, dass die Verhandlungen mit Lieferanten und Dienstleistern spürbar erleichtert wurden. Auch Mitarbeitern, Kunden oder den Medien konnten und können wir glaubwürdig darlegen, dass wir Schritt für Schritt an die ursprüngliche Firmenphilosophie anknüpfen.“ Dr. Döhmen fasst die Vorteile des Schutzschirmverfahrens im Fall von Strauss Innovation zusammen

Und schließlich ist es wichtig, dass das Sanierungsteam auch nach Abschluss des Verfahrens am Ball bleibtSicherlich können im Rahmen eines Schutz- schirms- und des anschließenden Insol- venzplanverfahrens grundlegende Weichen gestellt werden, das Unternehmen wett- bewerbsfähig aufzustellen.

Gerade – aber nicht ausschließlich – im Einzelhandel kann in dieser kurzen Zeit keine nachhaltige Sanierung und Restruk- turierung vollständig umgesetzt werden.

Dr. Döhmen: „Der Wechsel auf ein neues Sortiment mit Augenmaß und die Neugestaltung aller Filialen dauern schon wegen der Vorlaufzeiten ihre Zeit. Verkürzt dargestellt, können wir mit den Instrumen- ten der Insolvenzordnung Verlustbringer abschneiden oder wirtschaftlich nachteilige Verträge neu gestalten.

Sanierungen werden aber auf der Einnah- meseite gewonnen – und diese Herausfor- derung ist nachhaltig eher in Jahren denn in Monaten zu meistern.“

Aktuelle Entwicklungen dokumentieren die Schwierigkeiten einer Sanierung im EinzelhandelDenn trotz des erfolgreichen Schutzschirm- verfahrens musste die Strauss-Gruppe im Juni 2015, also rund fünf Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, erneut einen Insolvenzantrag stellen. Der ausschlag- gebende Grund lag darin, dass es Strauss Innovation nicht gelungen war, die erfor- derliche und im Handel absolut übliche Saisonfinanzierung zur Sicherstellung der Wareneinkäufe für das Weihnachtsgeschäft 2015 zu erhalten.

DR. HANS PETER DÖHMEN*

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