2012-10_udo-juergens

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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. 13 12 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. I musical I Er nennt es «eine Breitseite Udo Jürgens», die Ende Jahr auf Zürich trifft: als Live- Konzert im Hallenstadion und als Musical im Theater 11. Beste Unterhaltung mit den legendären Hits des grössten deutschsprachigen Unterhaltungskünstlers. Der Superstar im Interview. Udo Jürgens blickt auf über 60 Jahre Bühnenkarriere zurück und ist noch immer sehr aktiv. Udo Jürgens: «Du musst bereit sein, schlaflose Nächte zu verbringen, um dann irgendwann am Rande der Dinge, die du tust, zu bemerken: Das ist es.» Udo Jürgens Musical ab Do. 1.11. Theater 11 Zürich Udo Jürgens mit Muscial und Konzert in Zürich «Ich habe ein nicht angepasstes Denken» Herr Jürgens, im Herbst kommt Ihr Musi- cal «Ich war noch niemals in New York» ins Theater 11 nach Zürich, fast gleichzei- tig treten Sie wenige Meter entfernt im Hallenstadion live auf... Quasi eine Breitseite Udo Jürgens... Wie ist es, wenn man sich selbst mit dem gleichen Repertoire konkurriert? Das ist schon sehr seltsam. In Hamburg war das ähnlich, da spielte ich vor ausverkauftem Haus in der Color Line Arena, gleichzeitig lief das Musical – ebenfalls ausverkauft. Auftritte in Zürich sind für mich trotzdem etwas ganz Spezielles, denn diese schöne Stadt ist mein zu Hause geworden. Man hat mir hier eine Heimat geboten. Dass ich jetzt mit meiner Musik hier nun dieses Doppelpack erleben kann, ist ein Zufall. Wie schaffen Sie es in Ihrem Alter noch, eine so strenge Tournee zu absolvieren? Das frage ich mich manchmal auch. Einer Fussballmannschaft würde man so eine Tour nicht zumuten. Nun bin ich ein kleines biss- chen älter als die meisten Fussballspieler, darum bitte ich zu verstehen, wenn es Situa- tionen gibt, an denen ich mich entschuldige. Was ist anders, wenn man den echten Udo hört im Vergleich zum Musical, wo Darsteller Ihre Lieder singen? Beim Musical erlebt man etwas ganz Span- nendes: eine unglaubliche Theaterproduk- tion, wie man sie sonst nur vom Broadway kennt. Optisch aufregend, mit einem perma- nenten Wechsel der Bühnenbilder und exzel- lenten Darstellern. Das Interessante ist, dass man die Musik, die man als Schlager aus dem Radio kennt, plötzlich in einer anderen Di- mension erlebt. Sie kommt von anderen Leu- ten gesungen in einer Handlung daher. Waren diese Geschichten schon immer Teil Ihrer Lieder, oder brauchte es ein Musical, um ihren Sinn zu erkennen? Das Geheimnis meines Berufes ist, dass ich Dinge wie Emotionalität oder Sinnhaftigkeit nicht planen oder konzipieren kann. Ich muss es sein. Wenn ich endlich diese versteckte Tür zu mir selbst finde, fange ich an, gute Musik zu schreiben. Aber der Weg zu sich selbst ist verborgen. Du musst bereit sein, schlaflose Nächte mit dir selbst zu verbringen, um dann irgendwann am Rande der Dinge, die du tust, zu bemerken: Das ist es. Wann haben Sie es erstmals gespürt? Komischerweise im New Yorker Stadtteil Har- lem, wo ich als Student in einem Club mit schwarzen Musikern zusammen den Gospel- song «That Lucky Old Song» sang und dann plötzlich spürte: das bin ich, so muss ich mich beim Singen fühlen. Beim Musical spürt man den jungen, re- bellischen Udo Jürgens. Sie selbst sind ja fast schon zu einem Denkmal geworden. Gibt Ihnen die Wiederbelebung Ihrer Man erlebt eine Theaterproduktion, wie man sie sonst nur vom Broadway kennt. ’’ Matrosen-Romantik und Männer-Liebe: Udo Jürgens thematisiert im Musical auch Homosexualität. alten Lieder auch persönlich neuen Schwung? Ja, das spüre ich sehr deutlich. Ganz toll finde ich, dass «Mit 66 Jahren» von einem Kind gesungen wird. Das ist wirklich innovativ. In meinen Konzerten lasse ich heute vieles weg, das ich früher als wichtig empfunden habe, als ich eine riesengrosse Show inszenierte. Heute versuche ich in meinen Konzerten zum Kern der Dinge vorzustossen. Es ist etwas dran an dem Satz, dass man im Alter nicht nur klappriger, sondern auch in irgendeiner Form wesentlicher wird. Erkennt man jetzt erst den wahren Wert von Udo Jürgens? Das sei jedem selbst überlassen. Es war mir aber immer das Wichtigste, dass das Publi- kum irgendwann einmal den Wert dieser Kompositionen erkennt. Die wertvollen Lieder sind ja meistens nicht die populären. Darum muss eine grosse Palette solcher Lieder existieren, damit die Leute merken: Donnerwetter, da ist ja ein riesiges Repertoire mit Tiefgang, da ist eine Seele, da breitet sich ein Musiklebenswerk aus. Hat sich durch das Musical Ihre Sicht auf Sie selbst als Künstler verändert? Wahrscheinlich schon. Das ist schwer zu be- antworten. Was stimmt: Ich beobachte mich immer sehr stark und sehr kritisch. Vor ein

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Schweizer illuStrierte event. 13 12 Schweizer illuStrierte event.

I musical I

Er nennt es «eine Breitseite Udo Jürgens», die Ende Jahr auf Zürich trifft: als Live-Konzert im Hallenstadion und als Musical im Theater 11. Beste Unterhaltung mit den legendären Hits des grössten deutschsprachigen Unterhaltungskünstlers. Der Superstar im Interview.

Udo Jürgens blickt auf über 60 Jahre Bühnenkarriere zurück und ist noch immer sehr aktiv. Udo Jürgens: «Du musst bereit sein, schlaflose Nächte zu verbringen, um dann irgendwann am Rande der Dinge, die du tust, zu bemerken: Das ist es.»

Udo

Jürgens

Musical ab Do. 1.11.

Theater 11

Zürich

Udo Jürgens mit Muscial und Konzert in Zürich

«Ich habe ein nicht

angepasstes Denken»

Herr Jürgens, im Herbst kommt Ihr Musi-cal «Ich war noch niemals in New York» ins Theater 11 nach Zürich, fast gleichzei-tig treten Sie wenige Meter entfernt im Hallenstadion live auf...Quasi eine Breitseite Udo Jürgens...Wie ist es, wenn man sich selbst mit dem gleichen Repertoire konkurriert?Das ist schon sehr seltsam. In Hamburg war das ähnlich, da spielte ich vor ausverkauftem Haus in der Color Line Arena, gleichzeitig lief das Musical – ebenfalls ausverkauft. Auftritte in Zürich sind für mich trotzdem etwas ganz Spezielles, denn diese schöne Stadt ist mein zu Hause geworden. Man hat mir hier eine

Heimat geboten. Dass ich jetzt mit meiner Musik hier nun dieses Doppelpack erleben kann, ist ein Zufall. Wie schaffen Sie es in Ihrem Alter noch, eine so strenge Tournee zu absolvieren?Das frage ich mich manchmal auch. Einer Fussballmannschaft würde man so eine Tour nicht zumuten. Nun bin ich ein kleines biss-chen älter als die meisten Fussballspieler, darum bitte ich zu verstehen, wenn es Situa-tionen gibt, an denen ich mich entschuldige.

Was ist anders, wenn man den echten Udo hört im Vergleich zum Musical, wo Darsteller Ihre Lieder singen?Beim Musical erlebt man etwas ganz Span-nendes: eine unglaubliche Theaterproduk-tion, wie man sie sonst nur vom Broadway kennt. Optisch aufregend, mit einem perma-nenten Wechsel der Bühnenbilder und exzel-lenten Darstellern. Das Interessante ist, dass man die Musik, die man als Schlager aus dem Radio kennt, plötzlich in einer anderen Di-mension erlebt. Sie kommt von anderen Leu-ten gesungen in einer Handlung daher. Waren diese Geschichten schon immer Teil Ihrer Lieder, oder brauchte es ein Musical, um ihren Sinn zu erkennen?Das Geheimnis meines Berufes ist, dass ich Dinge wie Emotionalität oder Sinnhaftigkeit nicht planen oder konzipieren kann. Ich muss es sein. Wenn ich endlich diese versteckte Tür zu mir selbst finde, fange ich an, gute Musik zu schreiben. Aber der Weg zu sich selbst ist verborgen. Du musst bereit sein, schlaflose Nächte mit dir selbst zu verbringen, um dann irgendwann am Rande der Dinge, die du tust, zu bemerken: Das ist es. Wann haben Sie es erstmals gespürt?Komischerweise im New Yorker Stadtteil Har-lem, wo ich als Student in einem Club mit schwarzen Musikern zusammen den Gospel-song «That Lucky Old Song» sang und dann plötzlich spürte: das bin ich, so muss ich mich beim Singen fühlen. Beim Musical spürt man den jungen, re-bellischen Udo Jürgens. Sie selbst sind ja fast schon zu einem Denkmal geworden. Gibt Ihnen die Wiederbelebung Ihrer

“ Man erlebt eine

Theaterproduktion, wie

man sie sonst nur

vom Broadway kennt.’’

Matrosen-Romantik und Männer-Liebe: Udo Jürgens thematisiert im Musical auch Homosexualität.

alten Lieder auch persönlich neuen Schwung?Ja, das spüre ich sehr deutlich. Ganz toll finde ich, dass «Mit 66 Jahren» von einem Kind gesungen wird. Das ist wirklich innovativ. In meinen Konzerten lasse ich heute vieles weg, das ich früher als wichtig empfunden habe, als ich eine riesengrosse Show inszenierte. Heute versuche ich in meinen Konzerten zum Kern der Dinge vorzustossen. Es ist etwas dran an dem Satz, dass man im Alter nicht nur klappriger, sondern auch in irgendeiner Form wesentlicher wird.Erkennt man jetzt erst den wahren Wert von Udo Jürgens?

Das sei jedem selbst überlassen. Es war mir aber immer das Wichtigste, dass das Publi-kum irgendwann einmal den Wert dieser Kompositionen erkennt. Die wertvollen Lieder sind ja meistens nicht die populären. Darum muss eine grosse Palette solcher Lieder existieren, damit die Leute merken: Donnerwetter, da ist ja ein riesiges Repertoire mit Tiefgang, da ist eine Seele, da breitet sich ein Musiklebenswerk aus. Hat sich durch das Musical Ihre Sicht auf Sie selbst als Künstler verändert?Wahrscheinlich schon. Das ist schwer zu be-antworten. Was stimmt: Ich beobachte mich immer sehr stark und sehr kritisch. Vor ein

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www.ticketcorner.ch • Für Kaufleuten auch: www.kaufleuten.chSBB • Post • Manor • Billett-Service Migros City Zürich

Programm/Tickets: www.allblues.ch

Do 25.10.12 > Volkshaus Zürich

Chaka KhanThe Queen of Soul: Funk This!

Mi 31.10. – Sa 3.11.12, Zürich

jazznojazz Festival 2012Mit u.a. John McLaughlin, Esperanza Spalding, Incognito, Lizz Wright, Marcus Miller, Y’akoto, Anouar Brahem, Larry Carlton, Jazzanova

Di 6.11.12 > Volkshaus ZürichMigros-Kulturprozent präsentiert:

Tower of PowerFunky Horns – The hottest band is back in town!

18.10.12 – 26.1.13, Zürich, Basel, Bern, Luzern, Schaffhausen, Baden, Lenzburg, Chur, Thun, Lausanne, Solothurn, Herisau

Seven «The Art Is King» Tour 2012/13

Mo 19.11.12 > Kursaal-Arena BernDi 27.11.12 > KKL Luzern

Orquesta Buena Vista Social Club® feat. Omara Portuondo

Di 20.11.12 > Kongresshaus ZürichAn Accenture Night with

Kris KristoffersonSinger, Songwriter, Actor, Legend

So 25.11.12 > KKL Luzern

Diana KrallFirst Lady of Jazz • CH-exklusiv!

Di 4.12.12 > Volkshaus BaselMi 5.12.12 > Volkshaus Zürich

John MayallThe British Blues Legend is back!

Di 11.12.12 > Volkshaus Zürich

Stephan EicherCD Release Concert 2012

14 Schweizer illuStrierte event.

I musical I

paar Jahren habe ich beschlossen, den ganzen modischen Firlefanz, den man mir immer wieder aufschwatzte, wegzulassen und nur noch einen dunklen Smoking mit rotem Foulard zu tragen – auch wenn ich darin vielleicht wie ein Kellner aussehe. Der Smoking macht Sie ernster. Auch ernst zu nehmender?Ein Smoking mag ideenlos und langweilig sein. Aber er hat Stil. Und das ist im Leben ganz wichtig. Ein Mensch, der Stil hat, hat auch Kultur.Hat Lady Gaga Stil?Ich finde schon. Vor allem ist sie eine hervor-ragende Sängerin. Das wurde mir bewusst, als ich ihr wunderbares Duett mit Tony Ben-

nett hörte. Darauf habe ich mir Tickets fürs Tony-Bennett-Konzert in London besorgt. Der Titelsong Ihres Musicals handelt davon, Dinge zu tun, die man noch nie gemacht hat, Grenzen zu überschreiten. Gibt es das heute noch in Ihrem Leben?Das hat nichts mit Alter zu tun sondern mit dem Denken. Mit dem nicht angepassten Denken. Und auch heute noch habe ich ein nicht angepasstes Denken.Inwiefern?Indem ich auch im Alter versuche, unge-wöhnliche Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel?Welcher Mann lässt sich mit über 70 Jahren noch scheiden? Das ist eine Entscheidung,

die alte Menschen nicht mehr treffen, weil sie sagen: Was spielt das noch für eine Rolle?Spielt es eine Rolle?Ja, sicher! Wenn ich wollte, könnte ich mich wieder neu verlieben, vielleicht sogar heira-ten. Diese Möglichkeit motiviert mich, neu zu denken, mein Leben neu zu gestalten.Wie oft sind Sie in New York?Immer wieder, und meistens sehr spontan. Ihre Tournee heisst «Der ganz normale Wahnsinn». Bezieht sich das auf Ihr Leben?Ja, und auf vieles mehr. Alles, was wir heute erleben, dass wir in einer gesunden Gesell-schaft leben und trotzdem am Abgrund ste-hen, ist der ganz normale Wahnsinn. Und ich wünsche den Menschen, aber auch mir selbst im Leben ein bisschen mehr Wahnsinn. Haben wir uns nicht zu sehr an den nor-malen Wahnsinn gewöhnt?Man könnte es fast meinen, wenn man sieht, wie rücksichtslos wir mit unserer Welt umge-hen. Wenn man nur schon die Umweltver-schmutzung oder das Problem der Überbe-völkerung nehmen, steuern wir sehenden Auges auf eine Katastrophe zu. Und wir tun nichts dagegen. Das kann einen schon zur Verzweiflung treiben.Sie haben viel Geld. In welche Zukunft investieren Sie?Da müssen Sie die Leute fragen, die sich um mein Geld kümmern. Ich weiss es nicht. Ich

Udo Jürgens – wie alles begannUdo Jürgens wurde am 30. September 1934 im österreichischen Klagenfurt geboren. 1950 gewann er einen Komponisten-Wett-bewerb des Österreichischen Rundfunks, 1959 folgte sein erster Hit «Jenny». 1960 kom-ponierte er für Shirley Bassey den Welthit «Reach for the Stars», und 1964 startete er beim Eurovision Song Contest für Österreich und erreichte den 5. Platz. 1966 gewann er diesen mit «Merci, Chérie», was ihm den Durch- bruch brachte. Er komponierte mehr als 1000 Lieder, veröffentlichte über 50 Alben und ver-kaufte über 100 Millionen Tonträger. Heute lebt Udo Jürgens in Zumikon im Kanton Zü-rich und hat seit 2007 den Schweizer Pass.

bin kein Zahlenmensch. In meinem Leben habe ich eine klare Trennung zwischen Wirt-schaft und Kunst. Ich bin nur für die Kunst zuständig. Aber mit meiner Stiftung versuche ich, sinnvolle Projekte zu unterstützen. Seien es junge Menschen ohne Bezugspersonen, oder junge Musiker, die keine eigenen Mittel für eine gute Ausbildung haben. In Ihrem Musical spielen zwei Schwule eine zentrale Rolle. Homosexualität ist ein Thema, das in Ihren Liedern sonst nie vorkommt. Warum?

Weil da die Musikbranche noch etwas spies-sig ist. Homosexualität hat sich heute aber in allen gesellschaftlichen Bereichen etabliert. Darum fand ich es wichtig, aber auch witzig, dieses Thema gleichberechtigt ins Musical zu integrieren. Leicht haben wirs uns dabei nicht gemacht: Über eine Woche haben wir disku-tiert, ob sich die beiden Schwulen auf der Bühne küssen sollten oder nicht. Schliesslich haben wir es doch gemacht. Und zum Glück: Jeden Abend ist diese Szene ein Höhepunkt.

Interview: Zeno van Essel

Bunte Kostüme, ausgefeilte Choreografien, packende Bühnenbilder: So bunt wie die Kulisse, so abwechslungsreich ist auch die Handlung des Udo-Jürgens-Mus icals «Ich war noch niemals in New York», zu erleben ab Donnerstag, 1. November im Zürcher Theater 11.

Ein Dichter und Denker alter Schule: Udo Jürgens im Gespräch mit event-Redaktor Zeno van Essel (r.)