2012 ZwischenRuf - Landtag von Sachsen-Anhalt · 2014-04-14 · 04 Aktuelle Debatte: Rechtes aus...

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04 Aktuelle Debatte: Rechtes aus der Mitte der Gesellschaft 12 Jugendliche erleben Politik hautnah 18 Neues Vergabegesetz in Sachsen-Anhalt 26 Untersuchungsausschuss im Landtag eingesetzt Halbzeit in der Lutherdekade 2017 4 2012 ZwischenRuf Das Magazin Des LanDtages von sachsen-anhaLt AM ANFANG WAR DAS WORT

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04 Aktuelle Debatte: Rechtes aus der Mitte der Gesellschaft12 Jugendliche erleben Politik hautnah18 Neues Vergabegesetz in Sachsen-Anhalt26 Untersuchungsausschuss im Landtag eingesetzt

Halbzeit in der Lutherdekade 2017

4 2012

ZwischenRufDas Magazin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

AM ANFANG WAR DAS WORT

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MeiLe Der DeMokratie 2013Im Januar 2013 wird sich Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg wieder einmal von ihrer demokratischen und weltoffenen Seite zeigen: Das „Bündnis gegen Rechts” hat alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, am 12. Januar auf der ehemals barocken Pracht-straße Breiter Weg Gesicht gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu zeigen.

Keine andere Straße Magdeburgs könnte mehr Sinnbild für die Schrecken der Naziherrschaft sein, die einen Weltkrieg anzettelte, der unge-zählte Menschenleben kostete und eben jenen

Breiten Weg als Meile aus Schutt und Ruinen zurückließ. Mit dieser Veranstaltung wird De-monstrationen rechter Gruppierungen, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945 für sich thematisierten, kein Raum gegeben. Um dieses Vorhaben zu realisieren, werden auf dem Breiten Weg vom Hasselbachplatz bis zum Universitätsplatz auf mehreren Bühnen sowie an zahlreichen Ständen Angebote für Jung und Alt unterbreitet. Der Landtag beteiligt sich vor dem Alten Markt mit einem Stand, an dem Abgeordnete aller Fraktionen zu Gesprächen einladen.

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

EIN zWISchENRUF VORWEG

auch in diesem Jahr widmet sich das Vorwort der letzten Aus-gabe des ZwischenRufs in vertrauter Tradition nicht dem Über-blick über die Inhalte des Landtagsmagazins. Die vierte Aus-gabe eines jeden Jahres soll den Blick ein wenig schweifen lassen – zurück ebenso wie nach vorn. Das Leitthema soll in diesem Jahr „Verantwortung“ sein.

So groß wie die Freiheit, die man genießt, ist die Verantwor-tung, die man trägt.

Wir haben heute das Glück, uns frei entfalten zu können. Uns begegnen innerhalb Europas im Grunde keine unüberwindba-ren Grenzen, wenn wir in andere Länder reisen, dort leben, arbeiten oder auch studieren wollen. Unlängst wurde das eu-ropäische Austauschprogramm ERASMUS 25 Jahre alt. Ein erfreuliches Jubiläum – doch es zeigt zugleich, dass jenes Glück noch nicht von langer Dauer ist. Die Europäische Union musste sich entwickeln. Vor gerade einmal 67 Jahren musste Europa von der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten befreit werden. Eine Zeit unsagbarer Leiden, an deren Ende mehr als 63 Millionen Menschenleben zu beklagen sind.

Unsere Verantwortung ist es, die Demokratie zu stärken und nie wieder eine Diktatur zuzulassen. Auf Einladung des Landtages konnten wir Herrn Buddy Elias als Ehrengast der zentralen Ge-denkfeier am 27. Januar, dem internationalen Holocaustgedenk-tag, begrüßen. Buddy Elias ist der Cousin von Anne Frank und deren letzter lebender direkter Verwandter. Mit seiner beeindru-ckenden Rede im Landtag sowie bei den Begegnungen mit Schülern in Osterwieck, Halberstadt und Halle haben er und seine Frau Gerti viele Herzen erreicht. Am Beispiel der kleinen Anne Frank wurde deutlich, in welch grausame, unmenschliche Abgründe es führen kann, wenn wir Bürger wegschauen, anstatt Demokratie und Menschenwürde zu verteidigen.

Es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe gegen Frem-denfeindlichkeit und Intoleranz aufzubegehren. Sie entstehen durch Wegsehen und Geschehen lassen in der Mitte unserer Gesellschaft. „Der Dirigent ist verantwortlich, wenn die Flöten Misstöne hervorbringen, die Pfeifen zur Unzeit einsetzen, und die Posaunen zu laut trompeten.“ (Joachim Panten) Der Diri-gent sind in dem Fall wir alle – jeder von uns.

Demokratiebildung ist ein wichtiges Anliegen des Landtages. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollen motiviert werden, sich einzubringen und Mitwirkungsmöglichkeiten zu nutzen.

Auch im Jahr 2012 fanden Jugendforen und das Jugendparla-ment im Landtag statt und wir konnten viele Besuchergruppen empfangen. Ein moderneres Informations- und Kommunikati-onsangebot über den Internetauftritt des Landtages soll künftig unsere Öffentlichkeitsarbeit noch besser unterstützen. Hierbei wird auch beraten, ob und wie der Landtag in sozialen Netz-werken präsent sein sollte.

Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – Cor-porate Social Responsibility – war im Oktober Thema einer Konferenz, welche zusammen mit der Herbert Quandt Stiftung veranstaltet wurde. Viele Unternehmer und auch Unternehmen engagieren sich freiwillig für Kultur, Bildung, Sport oder soziale Belange. Hierüber wurde informiert, aber auch über ein großes Gefälle in Deutschland, weil die meisten großen Firmenzent-ralen und Stiftungen ihren Sitz in Süd- oder Westdeutschland haben.

Das Thema „gesellschaftliche Verantwortung“ wollen wir im kommenden Jahr insbesondere mit dem Thema „Bürgerbetei-ligung“ verknüpfen und öffentlich diskutieren. Über Ihr Interes-se würde ich mich sehr freuen.

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen, Ihren Famili-en, Freunden und Bekannten für die bevorstehende Weih-nachtszeit frohe und besinnliche Festtage sowie ein glückli-ches, gesundes und erfolgreiches neues Jahr.

IhrDetlef GürthPräsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

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Liebe Leserinnen unD Leser,

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aM anfang war Das wort 14HALBZEIT IN DER LUTHERDEKADE ZUM REFORMATIONSJUBILäUM 2017

DatenschutZ Mit herZ unD verstanD 06SACHSEN-ANHALT BRAUCHT MODERNES DATENSCHUTZGESETZ

REGIONALFENSTER

IM BLIckPUNkT

SAchSEN-ANhALT

SAchSEN-ANhALT

AUS DEM PLENUM

rechtes aus Der Mitte Der geseLLschaft 04AUSWERTUNG VON STUDIE DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

tourisMus ohne Barrieren 05NEUE RäUME ERSCHLIESSEN

veraBschieDete unD eingeBrachte gesetZentwÜrfe 05

AUS DEM PLENUM

INhALTSVERzEIchNIS

unternehMen stÄrKer in Der PfLicht 08HILFT „CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY“ BEI LEEREN STAATSKASSEN?

JugenDLiche erLeBen PoLitiK hautnah 12WISSENSCHAFT IM DIALOG IM LANDTAG

Zu teuer, wenig öKoLogisch unD unnötig? Die a14 in Der DisKussion 10LANDESREGIERUNG LEGT ANTWORT AUF GROSSE ANFRAGE VOR

Datenschutz mit Herz und Verstand: Die Landesregierung wurde beauf-tragt, über den Stand der Novellierung des Datenschutzgesetzes Sachsen-Anhalt zu berichten. 06

Die jüngste Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Entwicklung von demokratiefeindlichen Einstellungen hat für den Osten Deutschlands eine be-sorgniserregende Entwicklung aufgezeigt. Vertreter von Landtag und Landes-regierung führten dazu in der Novembersitzung des Parlaments eine Aktuelle Debatte. 04

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt 3

wir in sachsen-anhaLt - aKtive seniorenPoLitiK 20SIEBENTES SENIORENFORUM TAGTE IM PARLAMENTSGEBäUDE

euroPaPoLitiK hautnah: Der Kongress Der geMeinDen unD regionen 22 NEUES KONGRESS-MITGLIED AUS SACHSEN-ANHALT

ein BLicK hinter Die KuLissen 24PRAKTIKUM IM LANDTAG

ZuKunft Mit genuss! 28SIEBENTE AKTIONSWOCHE „7 TAGE ZUKUNFT“

wurDen förDerMitteL vergeuDet? 26UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS WILL SACHLAGE AUFKLäREN

VOLkSTRAUERTAG

IM BLIckPUNkT

VORGESTELLT

SAchSEN-ANhALT

UNTERSUchUNGSAUSSchUSS

SENIORENFORUM

SAchSEN-ANhALT IN EUROPA

neuregeLungen Bei Der vergaBe öffentLicher auftrÄge 18GESETZ TRITT AB DEM 1. JANUAR 2013 IN KRAFT

ZuM geDenKen an Die oPfer von Krieg unD verfoLgung 19GEDENKVERANSTALTUNG ZUM VOLKSTRAUERTAG IM LANDTAG VON SACHSEN-ANHALT

Der Landtag entsandte den Abgeordneten Jürgen Stadelmann als neuen Vertre-ter Sachsen-Anhalts in den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas. ZwischenRuf sprach mit dem neuen Ländervertreter über seine Erfahrungen in der Europapolitik, seine Ziele und darüber, wie er Sachsen-Anhalt in Straßburg vertreten wird. 22

Vom 24. bis zum 26. Oktober berieten Schülerinnen und Schüler aus Magde-burg zur Veranstaltung „Wissenschaft im Dialog“ im Landtag von Sachsen-Anhalt Zukunftsfragen. 12

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rechtes aus Der Mitte Der geseLLschaFt

AUSWERTUNG VON STUDIE DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

mokratie als geschlossene Veranstal-tung ohne Chance für eine Beteiligung betrachtet.

GESchLOSSENES hANDELN ALLER DEMOkRATENNach den Krisenjahren sei es gut zu wissen, wie demokratiefähig das Land sei, betonte Patrick Wanzek (SPD). „Wir dürfen nicht nur mit Tippelschritten agie-ren, sondern müssen das Heft des Han-delns in die Hand nehmen“, forderte Wanzek und ermutigte die Abgeordne-ten, in der Bevölkerung das Gespräch über politisches Arbeiten und dessen Ziele zu suchen. Die Ergebnisse der Studie stellten für Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eigentlich keine Überraschung dar. Fremdenfeind-liche Einstellungen seien laut den Er-gebnissen weitverbreitet und schwer zu bekämpfen, denn rassistische Agitato-ren träfen auf einen gesellschaftlichen Resonanzraum. Laut Studie sei keine gesellschaftliche Gruppe gegen rechts-extremes Gedankengut gefeit, daher sei es auch notwendig, Bildungsangebote für alle Alters- und Sozialgruppen anzu-bieten. Die Menschen müssten bei den politischen Entscheidungen mehr mit-genommen werden, forderte Angela Gorr (CDU) und wies auf die besondere Aufgabe der Parlamentarier hin. Gorr führte die Bildung als eine substantielle Voraussetzung für Demokratie an und verwies auf politische Mitgestaltungs-möglichkeiten. Einig waren sich alle Fraktionen darüber, die bestehenden Landesprogramme gegen Rechtsextre-mismus und Rassismus weiter zu ge-stalten und Projekte wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ vor-anzubringen. Dr. Stefan Müller

Die jüngste Veröffentlichung der Fried-rich-Ebert-Stiftung zur Entwicklung von demokratiefeindlichen Einstellun-gen hat für den Osten Deutschlands eine besorgniserregende Entwicklung aufgezeigt. Die Fraktion DIE LINkE ini-tiierte dazu in der Novembersitzung des Parlaments eine Aktuelle Debatte. Antidemokratisches und fremdenfeind-liches Verhalten, wie es die Studie „Die Mitte im Umbruch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung offenbart, müsse sehr ernst genommen werden, forderte Wulf Gal-lert (DIE LINKE). Die Wahrheit aus der Mitte der Gesellschaft werde hier scho-nungslos offengelegt, geboten werde eine quantitative Erhebung zu diesen Prozessen. Ergebnis der Studie sei, dass je geringer die Menschen ihre Teilhabe an der Gesellschaft ein-schätzten, umso anfälliger seien sie für

antidemokratische und rassistische Tendenzen. Gleiches gelte für das Ver-hältnis zur Bildung, zum Einkommen, zur politischen Partizipation und zur sozialen Sicherheit. Gallert mahnte eine Sozial- und Wirtschaftspolitik an, die integriere und nicht polarisiere.

„Die Ergebnisse der Studie sind sehr erschreckend“, konstatierte Kultusmi-nister Stephan Dorgerloh. Die alle zwei Jahre aktualisierte Studie demonstrie-re, wie groß der Bodensatz an rechts-extremem, rassistischem und antisemi-tischem Gedankengut sei, das sich vielmals durch im Milieu akzeptierte und tradierte Einstellungen generiere. Der Minister sprach sich dafür aus, das Engagement für eine lebendige Demo-kratie zu unterstützen und dabei alle Träger und Institutionen zu beteiligen. Denn laut der Untersuchung werde De-

AUS DEM PLENUM

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

Die Stärkung des barrierefreien Tou-rismus in Sachsen-Anhalt war Inhalt eines Antrages der Fraktionen von cDU und SPD, der einstimmig ange-nommen wurde. In zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbän-den, den Unternehmens- und Touris-musverbänden und dem Allgemeinen Behindertenverband in Sachsen-An-halt e.V. soll von der Landesregierung eine Leitlinie für barrierefreien Touris-mus im Land entwickelt werden.

Die Stärkung des barrierefreien Touris-mus sei für die gesamte Branche im Land von Bedeutung und ein spannen-des und zukunftsweisendes Thema, erklärte Nadine Hampel. Die SPD-Poli-tikerin warb für ein enges Zusammen-wirken von öffentlichen Stellen, privaten Unternehmen und Betroffenenverbän-den mit den Tourismusanbietern. Denn „barrierefrei“ bedeute mehr als nur eine Rollstuhlrampe in Gaststätten und Ho-tels. Barrierefreiheit bedeute auch einen hohen Wachstumsmarkt und weise sich als Profilierung im Qualitätstourismus aus. 2,5 Milliarden Euro werden in Deutschland jedes Jahr von Menschen mit Behinderungen im Tourismus umge-

setzt. Würde die gesamte Servicekette verbessert, stiege dieser Wert noch ein-mal um rund 4,8 Milliarden Euro.

Im Sinne der Inklusion sollten alle Men-schen die Möglichkeit haben, ohne Hilfe an fremde Orte zu reisen – von der Bu-chung bis zur Rückreise, betonte Wirt-schaftsministerin Prof. Dr. Birgitta Wolff. Maßnahmen dafür wären unter ande-rem bessere Orientierungsmöglichkei-ten für Sehbehinderte, die gleichzeitig auch Ortsfremden die Orientierung er-leichterten; großzügig gestaltete Bade-zimmer seien nicht nur ideal für Roll-stuhlfahrer, sondern auch für Eltern mit Babys und Kleinkindern.

„Alle zwei Jahre wird das Thema im Parlament diskutiert, bisher ist allerdings wenig passiert“, bemängelte Harry Cze-ke (DIE LINKE). Der Mensch sei nicht nur behindert, er werde auch noch behin-dert, sagte Czeke. In dieser Hinsicht sei Sachsen-Anhalt ein Reiseland im Dorn-röschenschlaf, in dem es viele Stätten gebe, die einen Besuch lohnten, wenn man sie denn barrierefrei erreichen könnte. Nach dem klaren politischen Statement müsse auch die Umsetzung in der Praxis folgen, forderte Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN). Dazu gehörten die weitere Sensi-bilisierung der Akteure in der Tourismus-branche und die Notwendigkeit, über Möglichkeiten der Barrierefreiheit aufzu-klären. „Wir sind touristisch auf der Über-holspur und da werden wir auch bleiben“, sagte Lars-Jörn Zimmer (CDU). Zwar könnten bestimmte Baudenkmale zum Teil nur schwer barrierefrei gestaltet wer-den, aber der Weg dorthin könne es immerhin sein. Dr. Stefan Müller

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tourisMus ohne barrieren

NEUE RäUME ERSCHLIESSEN Die Abgeordneten haben in der Novem-bersitzung die von der Landesregierung angestrebte Änderung des Schulge-setzes beschlossen. Unter anderem sind die Einführung der Gemeinschafts-schule für längeres gemeinsames Ler-nen und die weitere Vorhaltung von Förderschulen vorgesehen. Auch besol-dungs- und personalvertretungsrechtli-che Vorschriften sind darin verankert.

In erster Beratung ging es um das vierte Gesetz zur Änderung des Ge-setzes über den Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will die par-lamentarische Kontrolle der Verfas-sungsschutzbehörde ausbauen – mit dem Ziel, sie effektiver und transparen-ter zu gestalten. Der Gesetzentwurf wurde in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

Die Sozialgerichte in Sachsen-Anhalt sind personell gewachsen. Dadurch ist auch der Aufwand über die zentrale Dienstaufsicht für Richterinnen und Richter gestiegen. Die Landesregierung will mit der Änderung des Sozial-gerichtsgesetzes und des Landes-richtergesetzes dem Problem entge-gensteuern und die Dienstaufsicht unmittelbar am Sozialgericht verankern. Der Gesetzentwurf wurde in die Aus-schüsse für Recht und Verfassung sowie mitberatend in den Finanzaus-schuss überwiesen.

Die Landesregierung will mit dem Zwei-ten Gesetz zur Änderung des Justiz-kostengesetzes kostenrechtliche Re-gelungen zum Schuldnerverzeichnis an geänderte bundesrechtliche Vorschrif-ten anpassen. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung (federführend) sowie für Finanzen überwiesen. Dr. Stefan Müller

verabschieDete unD eingebrachte gesetzentWÜrFe

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Datenschutz Mit herz unD verstanD

SACHSEN-ANHALT BRAUCHT MODERNES DATENSCHUTZGESETZ

In seltener Einmütigkeit haben die Frak-tionen des Landtages in der Landtagssit-zung am 19. Oktober 2012 eine gemein-same Entschließung zur Fortentwicklung des Datenschutzes in Sachsen-Anhalt verabschiedet. Das Ministerium für In-neres und Sport wird darin beauftragt, dem Ausschuss für Inneres und Sport im ersten Quartal des Jahres 2013 über den Stand des Referentenentwurfes zur Novellierung des Datenschutzgesetzes Sachsen-Anhalt zu berichten.

„Der Datenschutz geht uns alle an“, be-tonte der SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Ronald Brachmann bei der Einbringung der Entschließung und lobte das Verfah-ren zur Erarbeitung des gemeinsamen Papiers. Da die Bil-dung einer Datenschutzkommission im Landtag keine Mehr-heit gefunden hatte, hätten sich alle Fachausschüsse, die mit dem X. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten in Berührung gekommen sind, im Mai, Juni oder Juli mit der Materie Datenschutz beschäftigt und entsprechende Gedan-ken für die fraktionsübergreifende Entschließung ein- gebracht. „Der Datenschutz bedarf auch in Sachsen-Anhalt der Fortentwicklung“, sagte Brachmann. Es gehe um ein modernes, bürgernahes und den Datenschutz stärkendes Datenschutzgesetz.

Eine wichtige Grundlage für die Tätigkeit der Abgeordneten zur Fortentwicklung des Datenschutzes ist der X. Tätigkeits-bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Dr. Ha-rald von Bose. Der fast 300seitige Bericht hat datenschutzpo-litische Feststellungen zum Inhalt und greift Grundsatzthemen auf. Er enthält aus der Zeit vom April 2009 bis zum März 2011 Informationen, Kritik und Lob zu rechtlichen und technischen Entwicklungen. Er stellt Materialien und praxisbezogene Hin-weise aus anschaulichen Einzelfällen, Beratungen und Kont-rollen zur Verfügung. „Datenschutz muss mit Herz und Ver-stand umgesetzt werden“, schreibt von Bose den Abgeordneten ins Stammbuch. Datenschutz sei eine Kernaufgabe, er dürfe nicht nebenbei gemacht werden.

In seinem Bericht listet der Landesdaten-schutzbeauftragte vier Bereiche auf, die bei neuen Konzeptionen und Maßnahmen Be-rücksichtigung finden sollten. Es sind dies die Bereiche Recht, Technik, Kontrolle und Bildung bzw. Medienkompetenz. Sie wer-den übergreifend und anhand von Einzel-vorhaben und Aktivitäten näher beschrie-ben. Sowohl die Landesregierung als auch die Fraktionen des Landtages gehen in ihrer Stellungnahme und in der Entschlie-ßung auf diese Eckpfeiler des Datenschut-zes ein und fordern übereinstimmend deren Berücksichtigung bei der Novellierung des Datenschutzgesetzes. Eine besondere Auf-gabe sei es, so von Bose, das Datenschutz-recht an die Herausforderungen neuer

Technologien anzupassen und dabei zum Beispiel die Rechte der Betroffenen bei der Nutzung des Internets, insbesondere auf Löschung ihrer Daten, zu verbessern. Die Aufklärung von Verbrauchern jeden Alters hinsichtlich des Schutzes ihrer Da-ten im Internet müsse nachhaltig gefördert werden.

Neben den Abgeordneten kommt auch auf die Landesregie-rung große Verantwortung zu. Sie soll laut Entschließung die Umsetzung des Konzepts zur Medienkompetenzbildung von Kindern und Jugendlichen intensivieren, um die Sensibilität junger Menschen im Umgang mit ihren persönlichen Daten zu stärken. Zusätzlich sollten auch in den Bereichen der Schulsozialarbeit und der Jugendarbeit Inhalte der Medien-bildung einschließlich des Datenschutzes einbezogen wer-den. Das Kultusministerium soll darüber im ersten Quartal 2013 in mehreren Ausschüssen des Landtages berichten.

Auch für den Bedarf der Unternehmen sind Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, die Informationen zu einem mo-dernen Datenschutz und einer risikoadäquaten Informations-sicherheit und die Wahrnehmung eines Datenschutzmanage-ments als Führungsaufgabe unterstützen. Datenschutz müsse da anfangen, so von Bose, wo Daten in Behörden und Betrieben entstehen. Dafür sei auch die Selbstkontrolle zu entwickeln.

IM BLIckPUNkT

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Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Harald von Bose.

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

Zusammenfassend fordert der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Stärkung des Datenschutzbewusstseins in den Behörden (Datenschutzmanagement), die Modernisie-rung des Datenschutzgesetzes im Hinblick auf materielle Regelungen sowie die Stärkung des Verbraucherschutzes insbesondere durch die Zusammenfassung von Zuständigkei-ten und Schaffung eines Ansprechpartners innerhalb der Landesregierung.

Die Novellierung des Datenschutzgesetzes in Sachen-Anhalt ist in Zeitverzug. Sie hätte eigentlich bis Ende des Jahres 2012 erfolgt sein sollen. Nun liegt der Schwerpunkt der Abgeord-netentätigkeit dafür im ersten Quartal 2013. Länger sollte je-doch nicht gewartet werden, mahnt von Bose und verweist zudem auf die europäische Komponente.

Die EU-Kommission hat im Januar 2012 Entwürfe für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso-nenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“ (Daten-schutzgrundverordnung) sowie für eine „Richtlinie über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personen-bezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwe-cke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfol-gung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr“ vorgelegt. Beide Entwürfe, so stellte Sachsen-Anhalts Landesregierung fest, bedürften einer kriti-schen Begleitung, bestehe doch die Gefahr, dass sie die Re-gelungskompetenzen der nationalen Gesetzgeber massiv beschränken. Die EU-Regelungen sollen 2014 beschlossen werden und 2016 in Kraft treten.

Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie unter: www.datenschutz.sachsen-anhalt.de

Wolfgang Schulz

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Praktische tiPPs zuM Datenschutz iM aLLtagLöSchUNG DER TELEFONNUMMERUnternehmen und Leistungsträger dürfen eine private Tele-fonnummer weder verlangen noch gegen den Willen des Betroffenen speichern, stellt der Landesbeauftragte für Da-tenschutz in seinem X. Tätigkeitsbericht fest. In einem Fall hatte eine Arbeitsagentur die Auffassung vertreten, dass die Speicherung der Telefonnummer für die Erfüllung der Aufga-ben, insbesondere für die Eingliederung in Arbeit, erforderlich sei. Ein Betroffener hatte dagegen verlangt, dass die zuvor freiwillig angegebene Telefonnummer wieder gelöscht wird. „Ein Anruf kann zwar oft hilfreich sein, die Vermittlung ist aber auch möglich, wenn der Betroffene kein Telefon hat“, heißt es im Bericht. Der Landesbeauftragte fordert deshalb, dass die Leistungsträger nur die Vordrucke verwenden, in denen die Telefonnummer als freiwillige Angabe gekennzeichnet ist.

AUFRUF IM WARTEzIMMERNicht jedem Patienten ist es angenehm, wenn sein Name laut im Wartezimmer aufgerufen wird. Mitunter können dadurch personenbezogene Daten weitergegeben werden, was daten-schutzrechtlich bedenklich ist. Der Datenschutzbeauftragte zeigt auf, mit welch einfachen Mitteln dies bei öffentlichen Stellen mit Publikumsverkehr verhindert werden kann und muss. So zum Beispiel durch einen anonymisierten Aufruf („Der Nächste bitte“), durch die Ziehung von Wertmarken oder die Schaffung von Diskretionszonen. Insbesondere im Sozi-alleistungsbereich begründet das Sozialgeheimnis die Pflicht des Leistungsträgers, das Sozialgeheimnis zu wahren. „Na-mentliche Aufrufe sind daher grundsätzlich zu vermeiden“, so Harald von Bose.

GEMEINDERATSSITzUNG IM INTERNETGegen die Übertragung von Bundestags- oder Landtagssit-zungen im Internet gibt es keine Bedenken. Anders sieht es bei öffentlichen Gemeinderatssitzungen aus. Hier besteht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Be-fürchtung, dass weniger redegewandte Ratsmitglieder durch die Übertragung ihre Spontanität verlieren, ihre Meinung nicht mehr geradeheraus vertreten oder schweigen, wo sie sonst gesprochen hätten. Da für eine Übertragung im Internet noch keine rechtliche Grundlage besteht, bedarf es für eine Über-tragung nach dem Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalts (Da-tenübermittlung ins Ausland) der Zustimmung aller Betroffe-nen. Wenn alle Ratsmitglieder einverstanden sind, kann die Sitzung übertragen werden, ist eine größere Anzahl der Rats-mitglieder nicht dafür, können Übertragungen vollständig untersagt werden. Es ist drittens auch möglich, dass einzelne Beiträge auf Wunsch nicht gesendet werden. Zwischenrufe oder Wortmeldungen von Zuhörern, welche nicht Gemeinde-räte sind, dürfen nicht übertragen werden, stellt der Daten-schutzbeauftragte fest.

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unternehMen stÄrker in Der PFLicht

HILFT „CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY“ BEI LEEREN STAATSKASSEN?

sen und zur Zufriedenheit der eigenen Belegschaft und der Gesellschaft beizu-tragen. So profitieren Unternehmen von der Gesellschaft etwa durch die Ausbil-dung ihrer Mitarbeiter an Schulen und Hochschulen und geben deshalb etwas an das Gemeinwesen zurück.

Durch die Kooperation des Landtages von Sachsen-Anhalt mit der Herbert-Quandt-Stiftung sollen die vielfältigen CSR-Instrumente bekanntgemacht, Potenziale für eine unternehmerische Verantwortungskultur aufgezeigt und engagierte Unternehmerinnen sowie Unternehmer motiviert werden, sich ver-stärkt gemeinsam mit der Wirtschaft auf den Weg zu machen. Landtagspräsident Detlef Gürth ermunterte die Damen und Herren auf dem Podium, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, ob CSR eventuell sogar das Auseinanderdriften von Ost und West hinsichtlich der Un-gleichgewichtung in den Bereichen Sport

und Kultur ein-dämmen könne und ob es durch die knappen Res-

sourcen in den öffentlichen Haushalten konsequenterweise zu einer Verstärkung von CSR-Aktionen durch Unternehmen kommen müsse.

ENGAGEMENT ÜBER DIE WERkSGRENzEN hINAUSGrundsätzlich gebe es bereits ein breites Engagement von Unternehmen in Deutschland, die sich für die Fortent-wicklung der Gesellschaft einsetzten, machte Sebastian Braun von der Hum-boldt-Universität Berlin deutlich. Dieses Engagement sei traditionell gewachsen

In den USA ist es heutzutage gang und gäbe, dass beispielsweise kul-turelle Stätten wie Opernhäuser oder Theater nicht allein durch kommunale Mittel unterhalten werden, sondern dass auch Unternehmen und Private zur finanziellen Ausgestaltung der Einrichtung beitragen oder sie zu gro-ßen Teilen sogar übernehmen. Dies ist der Grundgedanke einer nachhalti- gen Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik von Un-ternehmen, wie sie seit spätestens den 1990er Jahren forciert und unter dem Titel „corporate Social Responsibility“ (cSR; Gesellschaftliche Verantwor-tung von Unternehmen) betrieben wird. Auf Initiative von Landtags-präsident Detlef Gürth diskutierten Mitte Oktober bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Landtages und der herbert-Quandt-Stiftung Vertreter aus Politik und Wirtschaft über Mög-lichkeiten der Übernahme von gesell-schaftlicher Verantwortung durch Un-ternehmen und Perspektiven in dieser Richtung für Sachsen-Anhalt.

Die Zahl der Stiftungen und die Höhe der finanziellen Mittel im Sinne einer unter-nehmerischen Gesellschaftsverantwor-tung wachsen auch in Deutschland. Je-doch gibt es eine starke Differenziertheit zwischen den alten und den neuen Bun-desländern. Wirtschaftsministerin Prof. Dr. Birgitta Wolff, Thimo V. Schmitt-Lord, Vorstand der Bayer-Foundation, Heinrich von Nathusius, Geschäftsführer der IFA-

Maschinenbau GmbH, und Prof. Dr. Se-bastian Braun von der Humboldt-Univer-sität diskutierten am Standort der regiocom GmbH Magdeburg an der Sei-te von Moderatorin Pinar Atalay unter dem Motto „Von der Philanthropie zur Strategie?“ über gesellschaftliches En-gagement von Unternehmen in Deutsch-land. Hierbei ging es vor allem darum aufzuzeigen, inwiefern „Corporate Social Responsibility“ als langfristiges und nachhaltiges Mittel fungieren kann, regi-onale Verantwortung zu übernehmen, zur Festigung gesellschaftlicher Interes-

„Der Staat lässt einige Handlungsspielräume für das traditionelle Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft.“ Prof. Dr. Sebastian Braun

SAchSEN-ANhALT

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

und beginne beim Bäcker um die Ecke, der eine Schaubäckerei für Kinder orga-nisiere, und ende bei großen Unterneh-men, die erheblich viel Geld in Drittpro-jekte investieren. Der Staat lasse hier gewisse Handlungsspielräume – vor allem in den Bereichen Kultur und Sport. Während früher vermehrt Spenden-schecks ausgestellt worden seien, kom-me es mehr und mehr aber zu einer be-triebswirtschaftlichen Rationalisierung beim gesellschaftlichen Engagement. Vor allem im Osten Deutschlands gehe es auch 20 Jahre nach der Wende dar-um, das Kerngeschäft zu erfüllen und Arbeitsplätze zu schaffen, so Braun. Erst

danach könne sich Engagement an-schließen, das über die eigentlichen „Werksgrenzen“ hinausgehe.

IFA-Chef Heinrich von Nathusius konnte dies nur bestätigen: „Die Unternehmen haben sich auch 20 Jahre nach der Wende noch nicht den ‚Speckgürtel‘ zulegen können, der für so eine heraus-fordernde Arbeit notwendig ist“. Gleich-wohl gebe es Unterstützung in kleinen Projekten, die sich aber von den Maß-nahmen, wie sie beispielsweise die Bayer-Foundation in den zurückliegen-den Jahrzehnten hat aufbauen können, unterscheiden. Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff machte im gleichen Zuge darauf aufmerksam, dass CSR im wei-teren Sinne ja schon in der Firmenpolitik an sich beginne: Erfolgreiches Arbeiten, und dies unter anständigen Bedingun-gen (zum Beispiel der angemessenen

Entlohnung der Belegschaft), sei ein erster wichtiger Schritt, um die Ideale der sozialen Marktwirt-schaft umzusetzen. Dabei könnten Unternehmen und Institutionen auch auf diverse Förderinstrumente des Staates zurückgrei-fen. Wolff räumte ein, dass Unterstützung aber auch vonseiten der Unternehmen selbst kommen kön-ne. Es gelte, die unterschiedlichen ge-sellschaftlichen Gruppen ins Gespräch

miteinander zu bringen. „Bei der Kür-zung der öffentlichen Gelder müssen wir als Unternehmen einspringen, weil uns die jungen Menschen wichtig sind, weil wir sie am Ende ja auch selbst brauchen“, verdeutlichte Heinrich von Nathusius.

kLASSISchE STRATEGIE:hILFE zUR SELBSThILFEDass CSR weit mehr ist als eine Profilie-rung des Unternehmens in der Öffent-lichkeit, machte Thimo V. Schmitt-Lord klar: Es gehe darum, eine Ergänzungs-strategie zum eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens zu entwickeln. Man müsse überlegen, wofür man als Unter-nehmen stehe, und sich dann in Berei-chen engagieren, die auch passten,

meinte Schmitt-Lord. Gesell-schaftliche Problemlagen

sollten durch CSR dauerhaft gelöst werden, anstatt – wie in

den USA, wo die Spendenmenta-lität sehr hoch sei – nur Löcher zu

stopfen, womit die Schwierigkeiten aber nur aufgeschoben, nicht jedoch aufgeho-ben seien. Perspektivisch Hilfe zur

Selbsthilfe geben, lautet da das Stich-wort, nicht unähnlich dem Verfahren in der Entwicklungshilfe. „Die Unterneh-men helfen mit ihrem Fachwissen und tragen mit ihrem (finanziellen) Engage-ment zum Wissenstransfer bei“, bestätig-te Sebastian Braun.

„Gesellschaft ist ein Diskussions-, ein Aushandlungsprozess“, resümierte Dr. Christof Eichert, Vorstand der Herbert-Quandt-Stiftung, den Abend. CSR sei als gemeinschaftliche Aufgabe aufzu-greifen, um Problemlagen, die vor Ort

entstanden seien, auch vor Ort zu lösen. Die Quandt-Stiftung sehe sich selbst als Entwicklungspartner und werde sich in den kommenden Jahren verstärkt in Sachsen-Anhalt einbringen. Den land-läufig viel zu überhöhten Erwartungen an den Staat, immer als helfende Hand einzuspringen, könne nur gemeinsam begegnet werden. Den Unternehmen komme hier, so Eichert abschließend, eine wichtige Rolle zu. Dr. Stefan Müller

„Kann Corporate Social Responsibility das Auseinanderdriften von Ost und West im soziokulturellen Bereich verhindern?“ Detlef Gürth

„Wir müssen als Unternehmen einspringen, weil uns die jungen Menschen wichtig sind, weil wir sie am Ende ja auch selbst brauchen.“ Heinrich von Nathusius

„Erfolgreiches Arbeiten unter anständigen Bedingungen ist ein erster wichtiger Schritt, um die Ideale der sozialen Marktwirtschaft umzusetzen.“ Prof. Dr. Birgitta Wolff

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AUS DEM PLENUM

zu teuer, Wenig ökoLogisch unD unnötig?

Die a14 in Der Diskussion

LANDESREGIERUNG LEGT ANTWORT AUF GROSSE ANFRAGE VOR

Es ist eines der wichtigsten und größ-ten Bauprojekte der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt: Die Nordverlänge-rung der Bundesautobahn 14. Seit Jahren wird darüber in den Medien, in der Politik und in der Gesellschaft diskutiert. Auch die Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt haben zur Novembersitzung den heiß diskutierten Straßenbau zum Thema gemacht. Die Landesregierung legte eine Antwort zur im Juli gestellten Großen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Darin wurden unter anderem Fragen zum Planungsstand, zum Naturschutz und zu den kosten beantwortet. Themen, welche bei al-len Fraktionen für Diskussionsstoff sorgen.

155 kILOMETER, VON MAGDEBURG BIS SchWERINWenn vom geplanten Nordabschnitt der A14 die Rede ist, dann ist die Strecke von Magdeburg über Wittenberge bis nach Schwerin gemeint. Geplant ist eine Verlängerung nach Norden über Colbitz, Lüderitz, Stendal, Osterburg, Wittenberge, Karstädt und Ludwigslust mit einem Anschluss an das nördliche Teilstück am Dreieck Schwerin, das zum Autobahnkreuz ausgebaut werden soll. Insgesamt wird die Strecke knapp 155 Kilometer lang sein, davon 97 Kilometer in Sachsen-Anhalt. Am 20. Juni 2007 unterzeichneten Bundesverkehrsminis-ter Wolfgang Tiefensee und die Ver-kehrsminister der betroffenen Bundes-länder Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern den

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

Vertrag über den Bau der Strecke. Im März 2011 wurde die Fertigstellung für 2020 erwartet. Nach neuesten Schät-zungen sollen sich die Kosten für das Projekt auf etwa 1,3 Milliarden Euro be-laufen. Diese Kosten werden von den Ländern, vom Bund und von der Euro-päischen Union getragen. Es gibt vier Hauptgründe für die Verlängerung der A14 Richtung Norden. Erstens soll die Erreichbarkeit verbessert werden, da in einigen Gebieten, vor allem in der Alt-mark, das Erreichen eines Autobahnan-schlusses durchschnittlich 51 Minuten dauere, bundesweit jedoch nur 21 Minu-ten. Zweitens geht es den Akteuren um die Verbesserung der Standortqualität und eine nachhaltige Raum- und Regi-onalentwicklung. Drittens soll die Kom-plettierung des Autobahngrundnetzes im Verkehrskorridor Hamburg/deutsche Ostseehäfen-Magdeburg-Halle/Leip-zig-Zwickau/Chemnitz/Dresden-Tsche-chien erfolgen. Viertens soll die A14 die Hinterlandanbindung des Ostseehafens Wismar an Magdeburg und die Metro-polregionen Halle/Leipzig und Dresden/Zittau/Chemnitz verbessern.

A14 SORGT WEITERhIN FÜR DISkUSSIONSSTOFFIm Juli hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Große Anfrage zum geplanten Bau des Nordabschnitts der A14 gestellt. In der Großen Anfrage ging es um den Planungsstand, die Zukunft nachgeordneter Straßen, Verkehrspro-gnosen, Kosten und Finanzierung, Pla-nungskosten, den Ausbau der Bundes-straße 189, wirtschaftliche Effekte und

Umweltaspekte. Gerade der letzte Punkt war in der Sitzung des November-plenums für die Grünen ein Hauptthema. Christoph Erdmenger sprach für die ein-bringende Fraktion. „Die CO2-Emmissi-on muss auch in Deutschland weiter sinken. 20 Prozent geht auf den Verkehr zurück. Das erfordert einen langfristigen Wandel unserer Lebens- und Wirt-schaftsweise. Die Nordverlängerung der A14 erzeugt mehr Verkehr und mehr CO2. Sie ist keine klimafreundliche Infra-struktur“, mahnte Erdmenger. Zudem meinte er, dass eine Autobahn nicht die Heilsbringerin für die lokale Wirtschaft sei. Vielmehr müsste sich beispielsweise auf den Fachkräftemangel konzentriert werden. Verkehrsminister Thomas We-bel (CDU) bezeichnete die andauernde Infragestellung der Verlängerung der A14 seitens der Grünen als realitätsfern. „Die Nordverlängerung ist ein Fingerzeig für die Altmark. Der Bau steht für die wirt-schaftliche Entwicklung in der Region“, so der Minister. Zugleich gehe es auch darum, die Regionen Hamburg und Bre-merhaven an unsere Regionen und die Region Leipzig anzubinden. Mit Blick auf die Fraktion BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN wies er darauf hin, dass alle naturschutz-rechtlichen Maßnahmen ergriffen wor-den sind. „Wir wollen und werden weiter-hin die grünste Autobahn Deutschlands bauen“, sagte Webel bestimmt. Auch CDU-Kollege Hardy Peter Güssau,

selbst in der Altmark lebend, verteidigte das Bauprojekt. „Wir stehen zur A14 ohne Wenn und Aber“, so zur Haltung seiner Fraktion. Er betonte die Wichtig-keit der Bundesautobahn für die Altmark. „Die Menschen im Norden des Landes müssen gleichberechtigte Lebensver-hältnisse und Chancen haben“, sagte er. Zeitgleich und mit Blick auf den Umwelt-schutz berichtete er von geplanten und schon gebauten Überquerungen für Wild und Fledermäuse. Holger Hövelmann (SPD) betonte in der Debatte, dass auch der Aspekt der „grünsten Autobahn Deutschlands“ die Kosten in die Höhe treibe. Damit müsse man jetzt rechnen. Trotz alledem sei die A14 wichtig. „Sie ist eine notwendige Lebensader für die Alt-mark und für Sachsen-Anhalt insgesamt und hilft, sich positiv am Markt zu positi-onieren“. Frank Hoffmann von der Frak-tion DIE LINKE machte ebenso deutlich, dass es schnellerer Verbindungen gera-de in der Altmark bedarf. „Worum geht es denn bei der A14? Die Erschließung der Altmark oder die Anbindung der Seehä-fen?“, stellte Hoffmann noch in Frage. Seine Fraktion hätte zwar für die Nord-verlängerung gestimmt, jedoch auch Alternativen gesehen.

Ob die Autobahn wirklich bis 2020 fertig sein wird, ist derzeit unklar. CDU und SPD prognostizierten die Fertigstellung für 2025. Katrin Wurm

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JugenDLiche erLeben PoLitik hautnahWISSENSCHAFT IM DIALOG IM LANDTAG

Einmal Abgeordneter sein, über gesellschaftlich re-levante Themen sprechen, erleben, wie parlamentari-sche Arbeit funktioniert. Vom 24. bis zum 26. Oktober berieten Schülerinnen und Schüler aus Magdeburg zur Veranstaltung „Wissenschaft im Dialog“ im Landtag von Sachsen-Anhalt zukunftsfragen. Der dreitägige Workshop stand unter dem Motto „zukunftsprojekt Erde – Schüler diskutieren über die zukunft“. Mit dem ziel, beschlussfähige Anträge zu formulieren, über die in einer großen Abschlussdebatte diskutiert und ab-gestimmt wurde, gingen alle Teilnehmer an die Arbeit.

Rund 70 Jugendliche nahmen an dem spannenden drei-tägigen Projekt im Landtag von Sachsen-Anhalt teil. Landtagspräsident Detlef Gürth sprach den Jugendlichen Mut bei der Kreativität der Themen und Hartnäckigkeit in der Diskussion zu. Er hieß die Schülerinnen und Schüler am Eröffnungstag im Plenarsaal willkommen und zeigte sich von der Veranstaltung beeindruckt. „Es ist sehr wich-tig, dass ihr euch meinungsbildend einbringt. Vielleicht sitzt unter euch ja ein zukünftiger Politiker.“ Gleichzeitig

wünschte er ihnen ein gutes Händchen für relevante Themen und eine fruchtbringende Diskussion. Gestärkt und motiviert durch die Worte des Landtagspräsidenten zog es die Teilneh-mer schließlich in die inhaltliche Projektarbeit.

SIEBEN TEAMS – EIN AUFTRAG: MEINUNG BILDEN!Die Mädchen und Jungen bildeten verschiedene Arbeitsgrup-pen, in denen ganz unterschiedliche, aber immer gesell-schaftlich relevante Themen besprochen wurden. Im Team Ernährung drehte sich alles um Konzepte zur Entwicklungs-hilfe. Das Team Umwelt beschäftigte sich mit den Folgen des Klimawandels. Friedens- und Konfliktforschung stand bei anderen Mädchen und Jungen auf der Agenda. Hier wurde über den Tellerrand geschaut. Wo gibt es in der Welt Krisen-herde und was kann dagegen unternommen werden?, fragten sich die Teammitglieder. Wirtschaftlich interessierte Jugend-liche konnten sich im Team Wirtschaft einbringen. Ebenso gab es je eine Gruppe zum Thema Energieforschung, Demo-kratie und Kommunikationswissenschaften. In allen Teams wurden wichtige Themen gefunden, diskutiert und schließlich Anträge erarbeitet. Diese Anträge sollten dann zur Ab-

SAchSEN-ANhALT

12Am Originalschauplatz der Politik:

„Wissenschaft im Dialog“ wurde im Plenarsaal eröffnet.

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

schlussdebatte am letzten Veranstaltungstag wie im richtigen Parlament vorgestellt und beraten werden. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, denn erst einmal musste erarbeitet werden, welche Gedanken überhaupt relevant sind. Dabei waren auch der Kreativität keine Grenzen gesetzt. So schlug das Team Ernährung in ihrem Antrag eine Alternative zum Fleischkonsum – Fleisch aus Pflanzen vor. Experten und Wissenschaftler standen den Gruppen während der ganzen Projektarbeit zur Seite und berieten die jungen Parlamenta-rier. Ein Presse-Team, ebenfalls bestehend aus Schülerinnen und Schülern, begleitete die Veranstaltung journalistisch. Sie schrieben Artikel und drehten Filme, die dann online veröf-fentlicht werden. Außerdem interviewten sie Landtagsabge-ordnete und Workshop-Teilnehmer, um die Veranstaltung zu reflektieren. Am Ende entstand ein Imagefilm, der den gan-zen Ablauf von „Wissenschaft im Dialog“ dokumentiert.

18 ANTRÄGE IN DER DEBATTEUnd dann war es endlich so weit: Am Tag der parlamentari-schen Sitzung ganz im Stile der Berufspolitiker waren alle sichtlich aufgeregt. 18 Anträge hatten die Teams erarbeitet. Jeder Antrag wurde einzeln vorgetragen und erläutert. Dar-aufhin brachten die anderen Gruppen nacheinander ihre Haltung zum vorgestellten Antrag ein. Dabei ging es auch mal hitzig und brisant zu, Köpfe wurden zusammengesteckt, Argumente dargelegt. Schließlich wurde abgestimmt. Wäh-rend einige Themen eine breite Mehrheit fanden, wie z. B. die Bereitstellung von mehr Geldressourcen für die Erfor-schung erneuerbarer Energien, wurden andere abgelehnt. Keine Mehrheit fand die Fleischersatz-Idee. In der mehrstün-digen Diskussion wurde unter anderem auch über „Internet für die ganze Welt“, „Goldbank zur Krisenüberwindung“ oder „Lösungen zur Überfischung“ gesprochen.

Wissenschaft im Dialog ist 1999 von den führenden deut-schen Wissenschaftsorganisationen gegründet worden. Als Partner kamen Stiftungen hinzu. Maßgeblich unterstützt wird die Gesellschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wissenschaft im Dialog engagiert sich für den Austausch und die Diskussion. Dazu werden deutschlandweit Veranstaltungen und Programme, wie eben das Schülerpar-lament, organisiert. Katrin Wurm

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Das Presse-Team interviewte die Teilnehmer.

Abschlussdebatte im Landtag: 18 Anträge wurden diskutiert.

Diskussion in der Gruppe: Meinungen wurden verworfen, geteilt und gerechtfertigt.

Der richtige Schnitt macht‘s: Das Medien-Team bearbeitet den Film zum Projekt.

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aM anFang War Das WortHALBZEIT IN DER LUTHERDEKADE ZUM REFORMATIONSJUBILäUM 2017

„Am Anfang war das Wort.“ Unter die-sem Motto wird in Sachsen-Anhalt auf ein Jubiläum zugesteuert, das in fünf Jahren mehr als 400 Millionen Men-schen auf dem Erdball feiern: Die 500. Wiederkehr des Thesenanschlags von Martin Luther am 31. Oktober 1517 in Wittenberg. Dieses Ereignis gilt als Beginn der kirchenreformation und hat weltgeschichtliche Bedeutung er-langt. Angesichts des seither vergan-genen halben Jahrtausends erscheint ein zeitraum von zehn Jahren nicht zu lang bemessen, um sich auf das Jubiläum der Reformation an ihrem Ausgangspunkt gebührend vorzube-reiten.

Im Herbst 1508 kam Martin Luther zum ersten Mal nach Wittenberg, um an der Universität als junger Professor zu unter-richten. 500 Jahre später, im September 2008, wurde dort, der wichtigsten Wir-kungsstätte des Reformators, die Luther-

dekade eingeläutet. Sie greift das weite Spektrum der Reformation auf und beleuchtet bis 2017 in je-dem Jahr jeweils ein spezi-elles Thema. Als Initiative in Sachsen-Anhalt gestartet, hat das Projekt „Lutherde-kade“ inzwischen nicht nur in ganz Mitteldeutschland, sondern bundesweit enga-gierte Partner gefunden. Bund, Länder, Regionen, Kommunen, kulturelle und wissenschaftliche Einrich-tungen, Kirchengemein-den und Tourismusverbände bringen sich ein in die Vorbereitungen auf ein Ereignis von Weltrang, das im Jubilä-umsjahr „500 Jahre Reformation“ mit kirchlichen und kulturellen Veranstaltun-gen, Tagungen und großen Ausstellun-gen sicher auf dem ganzen Erdball ge-würdigt, ganz besonders aber in der Lutherstadt Wittenberg als der „Haupt-stadt der Reformation“ gefeiert werden wird.

Überlegungen und Planungen, das Re-formationsjubiläum als besonderes Er-eignis von großer historischer Bedeutung zu begehen, gab es bereits vor dem offi-ziellen Start der Lutherdekade, die mitt-lerweile institutionalisiert ist: geführt durch paritätisch besetzte Gremien – ein Kuratorium und ein Lenkungsausschuss – und zwei Geschäftsstellen in Witten-berg als Ansprechpartner. Ein wissen-schaftlicher Beirat sowie Arbeitsgruppen zu thematischen Schwerpunkten beglei-ten die Dekade inhaltlich. Die staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ hat ihr Domizil unter dem Dach der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt.

Sie betreut gemeinschaftli-che Aufgaben der Luther-dekade, zu deren offiziellen Akteuren sich über die Län-der Mitteldeutschlands hin-aus inzwischen auch etli-che aus dem Westen der Bundesrepublik bekennen.

In der Mitte der Lutherdeka-de habe die Kampagne, die die große Bedeutung des Thesenanschlags Martin Luthers sowie der Refor-mation national wie inter-national ins Licht der Öf-

fentlichkeit gerückt, wahrlich „Flügel bekommen, mit zahlreichen faszinieren-den Tönen“, stellt der Direktor der Stif-tung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt Dr. Stefan Rhein zufrieden fest. Nachdem in den Jahren zuvor die The-men Bekenntnis, Bildung und Freiheit im Mittelpunkt standen, habe 2012 die Mu-sik viele Menschen erreicht, freut sich auch Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh. Insgesamt greifen die Themenjahre alle Facetten der Re-formation – die zur Aufklärung hinfüh-renden und freudigen, aber auch die schwierigen und schmerzvollen – sowie Impulse, die bis in die heutige Zeit rei-chen, auf und berücksichtigen zugleich historische Gedenkjahre wie den 450. Todestag Melanchthons 2010 oder den 500. Geburtstag Lucas Cranachs d. J. im Jahr 2015.

Zu den Vorbereitungen auf das Reforma-tionsjubiläum gehören in Sachsen-An-halt auch millionenschwere Baumaßnah-men an Gebäuden wie der Schlosskirche zu Wittenberg oder dem Sterbehaus Martin Luthers in Eisleben.

REGIONALFENSTER

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DIE ThEMEN DER LUThERDEkADE:

2008 Eröffnung Lutherdekade

2009 Reformation und Bekenntnis

2010 Reformation und Bildung

2011 Reformation und Freiheit

2012 Reformation und Musik

2013 Reformation und Toleranz

2014 Reformation und Politik

2015 Reformation - Bild und Bibel

2016 Reformation und die Eine Welt

2017 Reformationsjubiläum

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt 15

Lutherhaus Wittenberg

Luther im Kreise seiner Familie, Peter Carl Geißler,

kolorierte Radierung um 1825

ThEMENJAhR 2012 – REFORMATION UND MUSIkSo wurde in Weißenfels das Haus eines der wichtigsten protestantischen Kom-ponisten saniert und umgebaut. Als modernes Musikermuseum informiert es unter dem Motto „... mein Lied in mei-nem Haus“ über Leben und Werk des frühbarocken Komponisten Heinrich Schütz (1585-1672), der die lutherische Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts maßgeblich prägte.

Durch Martin Luther kam so richtig Mu-sik in die Kirche. Für den Reformator war Musik eine Gabe und ein Geschenk Gottes. „Sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich“, sagte er, der auch als „Wittenberger Nachtigall“, als „singende Verkündigung“ des Evan-geliums und der neuen Lehre hoch ge-achtet war.

Luther war ein geübter Sänger und Lau-tenspieler. In seinem Werk als Komponist und Lieddichter hat er die reformatori-schen Glaubenssätze zu Musik verdich-tet. Seine Lieder sowie die seiner Anhän-ger entfalteten große Wirkung bei der Ausbreitung der Reformation. In den Kir-chen wurde der deutschsprachige Ge-meindegesang ein wichtiger Teil des

Gottesdienstes und der Liturgie. Doch das Themenjahr „Reformation und Mu-sik“, das zum Reformationstag 2012 aus-klang, war mehr als eine Hommage an den Reformator Luther, sondern erinner-te vor allem an den großen Reichtum protestantischer Kirchenmusik. Für Kul-tusminister Stephan Dorgerloh war es das bisher erfolgreichste der Lutherdeka-de, in dem auch dem großen musikali-schen Reichtum des Musiklandes Sach-sen-Anhalt eine Bühne bereitet wurde.

Allein im Kernland der Reformation um-fasste der Veranstaltungskalender rund 100 Seiten mit mehr als 120 Veranstal-tungen und Höhepunkten wie den Hän-del-Festspielen mit rund 45.000 Besu-

chern. Ebenfalls in Halle war die Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen „Weil sie die Seelen fröhlich macht. Protestantische Musikkultur seit Martin Luther“ zu sehen. Deutschland-weit brachte im Themenjahr 2012 die Konzertreihe „366+1, Kirche klingt 2012“ Lieder der Reformation vom Bo-densee bis zur Ostsee zum Klingen. An jedem Tag im Schaltjahr 2012 wanderte

die musizierende Staffel durchs Land: jeden Tag ein Konzert, jeden Tag ein anderer Ort, wechselnde Lieder in wechselnder Besetzung.

ThEMENJAhR 2013 –REFORMATION UND TOLERANzNach der Musik ist das neue Themen-jahr der „Toleranz“ gewidmet. Diesen Begriff führte Luther in die deutsche Sprache ein, meinte damit aber nur das gegenseitige Ertragen verschiedener Religionen. Als Kind seiner Zeit konnte er sich wohl noch nicht vorstellen, dass unterschiedlichste Wahrheits- und Glaubensvorstellungen dauerhaft gleichberechtigt nebeneinander beste-hen können. Das gelang erst 200 Jahre

später. In den Franckeschen Stiftungen zu Halle soll mit der Ausstellung „Die Welt verändern. August Hermann Fran-cke – Ein Lebenswerk um 1700“ an den 350. Geburtstag von August Hermann Francke (1663-1727) erinnert werden. Die Schau steht unter der Schirmherr-schaft von Bundespräsident Joachim Gauck, der sie am 23. März 2013 in Halle eröffnen wird.

„Musica ist der besten Künsten eine. Die Noten machen den Text lebendig.“ Martin Luther, Von der Musik Nutzen und Kraft

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LUThERS ThESENANSchLAG – WAhRhEIT ODER LEGENDE?Wurden Luthers Thesen wirklich ausschließlich an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt? Fast ein halbes Jahrtausend später steht die Einzigartigkeit eines der be-kanntesten Portale der Weltgeschichte in Frage. Denn es ist gut möglich, dass der Reformator seine Thesen über den Ablass an die Türen aller Wittenberger Kirchen an-schlug. Die Verwendung des Plurals in einem kürzlich ent-deckten handschriftlichen Vermerk von Luthers Sekretär verschafft der Lutherstadt Wittenberg auf Anhieb mehr als nur eine Thesentür.

Jener, die lange dafür gehalten wurde, kann es egal sein – sie existiert nicht mehr. Die hölzernen Türflügel, die Luthers Thesenzettel getragen haben sollen, fielen 1760 einem Brand zum Opfer.

LUThERS LETzTER WEG IN EISLEBEN„Luthers letzter Weg“ wird ab kommendem Jahr in Eisleben anschaulich nacherlebbar, wenn sein Sterbehaus nach der Wiedereröffnung von Luthers letzten Tagen und Stunden, seinem Verhältnis zu Sterben und Tod sowie vom Einfluss der Theologie des Reformators auf die Sterbekultur erzählt. Das historische Gebäude wurde in zweijähriger Bauzeit saniert und durch Integration eines Neubau sowie zusätzlicher Au-ßenflächen zu einem Museumsquartier erweitert. Luthers Sterbehaus im neuen Gewand ist einer von vielen Mo-saiksteinen in Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017.

REFORMATION UND TOLERANz IN DEN FRANckESchEN STIFTUNGENAm 22. März 2013 jährt sich zum 350. Mal der Geburtstag von August Hermann Francke, der wesentlich für die Verbrei-tung und Fortentwicklung von Luthers Lehren sorgte. Seine Impulse wurden zur bedeutendsten protestantischen Reform-bewegung der Neuzeit, dem Halleschen Pietismus. Francke überwand konfessionelle Grenzen und meinte, dass Toleranz auch die jeweils andere Wahrheit wertschätzen sollte. In den Franckeschen Stiftungen wird im Themenjahr 2013 – Refor-mation und Toleranz – eine Ausstellung unter dem Motto „Die Welt verändern“ an seine Vision von einer „Weltverwandlung durch Menschenverwandlung“ erinnern.

REGIONALFENSTER

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Thesentür der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg

Eisleben - Luthers Sterbehaus - Stube mit Bahrtuch

Franckesche Stiftungen zu Halle (Saale)

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

STIFTUNG LUThERGEDENkSTÄTTEN IN SAchSEN-ANhALTMartin Luthers Erbe zu bewahren und zu vermitteln, ist Auf-gabe der 1997 gegründeten Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. In ihrer Obhut befinden sich das Luther- und das Melanchthonhaus in Wittenberg sowie Martin Luthers Geburts- und Sterbehaus in Eisleben – alle vier „als authen-tische Schauplätze der Reformation von außergewöhnlich universeller Bedeutung“ ausgezeichnet als Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Luthergedenkstätten gehören zu den frühesten Museen in Deutschland, die einer Person, ihrem Wirken und Nachle-ben gewidmet sind. Luthers Geburtshaus ist seit 1693 Ge-denkstätte, im Sterbehaus wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein Museum eingerichtet.

WELTWEIT GRöSSTES MUSEUM zUR REFORMATIONSGESchIchTEDas Lutherhaus in Wittenberg wurde als Augustiner-Kloster ab 1504 erbaut. Über 35 Jahre war es Hauptwirkungsstätte Martin Luthers. Dort lebte er seit seiner Ankunft in Wittenberg, dort hatte er seine „reformatorische Entdeckung“, hielt Vor-lesungen vor Studenten aus ganz Europa. Heute ist das rund 500 Jahre alte Gebäude das größte reformationsgeschichtli-che Museum der Welt.

Es wurde Anfang des 21. Jahrhunderts umfassend erneuert und um ein modernes Eingangsgebäude erweitert. Die Dau-erausstellung erzählt vom Leben und Werk des Reformators, aber auch vom familiären Alltag und der reichen Wirkungs-geschichte. Ausgestellt werden ausschließlich originale Exponate.

WELTkULTURERBE IM NEUEN GLANzEine andere Erinnerungsstätte der Reformation ist das ehe-malige Wohnhaus des Humanisten und Reformators Philipp Melanchthon, das fast unverändert erhalten blieb. Das Re-naissancebauwerk mit dem markanten Giebel wird im Feb-ruar 2013 mit der neuen Ausstellung „Philipp Melanchthon – Leben – Werk – Wirkung“ wieder seine Pforten öffnen. In-formationen über Melanchthon als Mensch, Ehemann und Familienvater werden für die Besucher in moderner Form visualisiert. Herzstück des Rundgangs bleibt das Studier- und Sterbezimmer des Gelehrten mit seiner historischen Ausstattung.

ERLAUFENE REFORMATIONSGESchIchTESchritt für Schritt, abseits dicht befahrener Straßen, lassen sich die Schauplätze der Reformation entlang der Lutherwe-ge in Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Sachsen erkunden. Die Routen führen zu Kirchen, Wohnorten und Wirkungsstät-ten der Reformatoren. Der 410 Kilometer lange Lutherweg in Sachsen-Anhalt führt von Wittenberg nach Eisleben und über Halle (Saale) zurück in die Lutherstadt an der Elbe. Auf dieser Tour, gegliedert in 40 Stationen, ist jede Menge Wissenswer-tes über das Schaffen und Leben des Kirchenerneurers zu erfahren.

DER LUThERGARTEN – EIN WAchSENDES DENkMAL Der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 soll in Wittenberg mit einem lebenden und zugleich wachsenden Denkmal gefeiert werden. Auf Initiative des Lutherischen Weltbundes sind Kirchen aus aller Welt und aller Konfessio-nen eingeladen, die Patenschaft für einen Baum im neu ent-stehenden Luthergarten zu übernehmen und einen weiteren im Bereich ihrer Heimatkirche zu pflanzen. Die 500 Pflanzen in Wittenberg symbolisieren 500 Jahre Reformation. Die zu-gleich weltweit gesetzten Bäume verdeutlichen, dass die Reformation weit über Wittenberg hinaus wirkte.

Gudrun Oelze

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Melanchthonhaus in Lutherstadt Wittenberg

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neuregeLungen bei Der vergabe öFFentLicher auFtrÄge

GESETZ TRITT AB DEM 1. JANUAR 2013 IN KRAFT

lange der Wirtschaft in einem ausgewogenen Verhältnis mitei-nander verbindet. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, den Wettbewerb um die wirtschaftlich beste Leistung über Qualität und Innovation zu fördern und zu unterstützen. Die Rechtssi-cherheit für die Vergabestellen solle gestärkt und dadurch schnellere Entscheidungen ermöglicht werden.

chANcENGLEIchhEIT UND MEIDUNG AUSBEUTERISchER ARBEIT Doch nicht nur Tariftreue spielt im Vergabegesetz eine große Rolle. Es soll mit dem Inkrafttreten des Vergabegesetzes die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern gewährleistet wer-den. Auch die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern soll nach dem Gesetz Berücksichtigung finden. Der Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit oder Zwangsarbeit soll vermieden werden. Ebenso im Gesetz verankert: eine umweltfreundliche Beschaffung und die Ge-währleistung eines Rechtsschutzes für nicht berücksichtigte Bieter unterhalb der EU-Schwellenwerte. Die Vergabeentschei-dungen unterhalb der entsprechenden Schwellenwerte der Richtlinien der Europäischen Union unterlagen bisher keinem Rechtsschutz. Dadurch könnte die Durchsetzung individueller Anliegen verhindert und das Interesse an einem rechtmäßigen Handeln der Verwaltung sowie an einem wirtschaftlichen Um-gang mit Haushaltsmitteln beeinträchtigt werden. Die Oppositi-on kritisierte das neue Vergabegesetz. DIE LINKE bemängelte, dass durch das Gesetz kein Mindestlohn von 8,50 Euro geregelt sei. Nach Ansicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei im Ge-setz nicht ausreichend auf die Einhaltung ökologischer Stan-dards geachtet worden.

zUM chARAkTER öFFENTLIchER AUFTRÄGEÖffentliche Auftraggeber sind an das jeweils geltende Vergabe-recht gebunden. Aufträge können nicht frei, sondern nur unter Beachtung der jeweils geltenden vergaberechtlichen Vorschrif-ten vergeben werden – einschließlich der Konsequenzen, die sich aus der Anwendung dieser Vorschriften für das Zustande-kommen des Vertrages und der Vertragsbestandteile ergeben. Das Vergaberecht regelt die Auswahl des Partners mit dem Ziel, das beste, das heißt, das wirtschaftlichste Angebot zu finden. Stichworte sind hierbei Wirtschaftlichkeit, Transparenz, Nach-prüfbarkeit, Wettbewerb und Nichtdiskriminierung. Katrin Wurm

Ab dem 1. Januar 2013 wird es bei der Vergabe von öf-fentlichen Aufträgen zahlreiche Änderungen geben. Der Landtag hatte im herbst das Gesetz über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Sachsen-Anhalt beschlossen. Ende 2011 wurde im Parlament zum ersten Mal über das Gesetz beraten. Nach einer großen Anhörung mit über 50 Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden und Interessenvertre-tungen – sowie zahlreichen Beratungen auch in mitbera-tenden Ausschüssen – fertigte der Ausschuss für Wissen-schaft und Wirtschaft auf Grundlage des Gesetzentwurfs von cDU und SPD eine Beschlussempfehlung an. Dieser wurde, trotz Änderungsanträgen von den Fraktionen DIE LINkE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gefolgt.

Was ändert sich also 2013? Für Unternehmen gilt ab dem nächsten Jahr die sogenannte Tariftreue. Sie müssen die Ein-haltung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und bran-chenbezogenen tariflichen Mindestlöhnen bei der Angebotsab-gabe garantieren. Das gilt auch für Nachunternehmer und Leiharbeiter. Zudem müssen sich Unternehmen, die sich um Verkehrsdienstleistungen bewerben, verpflichten, einen durch das Arbeitsministerium als repräsentativ erklärten Tarifvertrag anzuwenden. Laut Gesetzentwurf von CDU und SPD soll das neue Landesvergabegesetz einen Beitrag zur zielgerichteten und effektiven Förderung der Unternehmenslandschaft in Sachsen-Anhalt leisten, das die Interessen der öffentlichen Auftraggeber, soziale und ökologische Interessen und die Be-

IM BLIckPUNkT

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

zuM geDenken an Die oPFer von krieg unD verFoLgung

GEDENKVERANSTALTUNG ZUM VOLKSTRAUERTAG IM LANDTAG VON SACHSEN-ANHALT

VOLkSTRAUERTAG

gegen die Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frank-reich sinnierte Tilmann Algermissen vom Jugendarbeitskreis des Volksbundes und kam zu dem Schluss, dass sich diese „durch die Begegnung über den Gräbern und gegenseitiges Verständnis in einem Prozess, in welchem sich das Verhält-nis über Jahre zum Guten gewendet hat“ äußert. General-major der Bundeswehr, Heinrich Geppert unterstrich in ei-ner Gedenkansprache den historischen Rahmen und verwies auf die Notwendigkeit, mit dem Gedenken, das Wissen über die Vergangenheit an Folgegenerationen wei-terzugeben. Zum Abschluss der Veranstaltung verlas Land-tagspräsident Detlef Gürth das „Totengedenken“ und initi-ierte eine Schweigeminute. Im Anschluss fand die feierliche Kranzniederlegung auf dem Westfriedhof statt. Annekatrin Barth

„zum Auftrag ʼin einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen‘ (aus der Präambel des deutschen Grundgesetzes), kann jeder individuell einen Beitrag leisten.“, so die Begrüßungsworte Dieter Steineckes, MdL und Landesvorsitzender des Volksbundes Deutsche kriegsgräberfürsorge e.V. zur Gedenkveranstaltung am 18. November im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Ganz im Sinne dieser Ermahnung orientierte sich das dies-jährige Gedenken am 50. Jubiläum der deutsch-französi-schen Freundschaft. So berichteten Jugendliche von ihren Erfahrungen im „Workcamp“ des Volksbundes, bei dem ein interkultureller Austausch durch die gemeinsame Pflege von Gedenkstätten und Gräbern stattfindet. Über die „Medizin

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hINTERGRÜNDE

1922 fand die erste offizielle Gedenkstunde im Reichstag in Berlin statt. Initiiert vom 1919 gegründeten Volksbund, sollte mit dem Volkstrauertag „Ein Gefallenendenkmal im Herzen des deutschen Volkes“ gesetzt werden. 1934 deu-teten ihn die nationalsozialistischen Machthaber zum „Hel-dengedenktag“ um. Seit 1952 wird der Volkstrauertag, mit dem Ziel „die Erinnerung in Deutschland so zu formulieren, dass eine angemessene Würdigung aller Opfer gelingt“, immer am zweiten Sonntag vor dem 1. Advent begangen.www.volksbund.de

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Wir in sachsen-anhaLt – aktive seniorenPoLitik

SIEBENTES SENIORENFORUM TAGTE IM PARLAMENTSGEBäUDE

sitzen, zeige die hohe Wertschätzung, die man der Arbeit und dem Wirken die-ser Gremien entgegenbringe. „Ein Ge-meinwesen, eine Demokratie lebt vom

Mitmachen aller. Sie sind unverzichtbar und vielleicht gelingt es uns auch, mit Ihnen als Beispiel und Vorbild die heran-wachsende Generation zu ermutigen, ihren Beitrag in der jeweiligen Lebens-phase zu leisten“, so Gürth.

EIN SEGEN, ALT UND ÄLTER zU WERDENAlt und älter zu werden sei ein Segen, betonte Arbeits- und Sozialminister Nor-bert Bischoff in seinem Grußwort. Leider aber werde aktive Seniorenpolitik ange-sichts des demografischen Wandels öf-fentlich weniger wahrgenommen als mit dem Alter verbundene Probleme wie Pfle-gebedürftigkeit und Demenz. Dabei wür-den jedoch auch in Zukunft 80 Prozent der Seniorinnen und Senioren nicht pfle-gebedürftig sein, erinnerte der Minister.

„Wir müssen deutlicher zeigen, dass wir da sind und gebraucht werden“, ermun-terte der Vorsitzende der Landesseni-orenvertretung, Jochen Rechtenbach, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Plenum. Das heutige Forum sei eine hervorragende Möglichkeit, „an unserer Zukunft zu bauen“. An der Diskussion über die Gestaltung einer aktiven Senio-

„Wir in Sachsen-Anhalt“ sagten selbst-bewusst jene Frauen und Männer, die am 23. November 2012 im Plenarsaal des Landtags saßen. Sie kamen aus allen kreisen zwischen Arendsee und zeitz, wo sie ehrenamtlich „ak-tive Seniorenpolitik gestalten“. Das war auch das Motto des siebenten Seniorenforums, zu dem der Landtag und die Landesseniorenvertretung gemeinsam eingeladen hatten.

Seit 1999 ist ein solches Forum Tradi-tion in Sachsen-Anhalt. In der Regel alle zwei Jahre treffen sich Seniorinnen und Senioren im Parlamentsgebäude in Magdeburg mit Mitgliedern des Landtages und Vertretern der Landes-regierung, um über Themen aus dem täglichen Leben der älteren Generation zu diskutieren. Nachdem 2009 „Alter und Gesundheit“ im Mittelpunkt stan-den, ging es den Seniorenvertretern in

diesem Jahr vor allem um bessere Rahmenbedingungen für ihre eigene ehrenamtliche Tätigkeit in den Land-kreisen und Gemeinden.

Für Landtagspräsident Detlef Gürth, der die Veranstaltung eröffnete, standen an diesem Tag „spannende und für die Se-niorinnen und Senioren sowie die ge-samte Gesellschaft Sachsen-Anhalts wichtige Themen“ auf der Tagesordnung im Landtagsgebäude, „der Herzkammer der Demokratie in unserem Land“. Dass auf den Plätzen der Parlamentarier nun für einen Tag Delegierte aus Senioren-beiräten und -vertretungen des Landes

Aktive Seniorenpolitik bedeutet die effektive Mitwirkung aktiver Senioren, aber auch die Berücksichtigung jener, die sich nicht beteiligen können – also die anwaltliche Vertretung der Schwächeren.

Prof. Dr. Jürgen Wolf, Hochschule Magdeburg-Stendal

SENIORENFORUM

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

Unser Stadtsenioren- rat trif f t sich alle vier Wochen. Wir besuchen Pflegeeinrichtungen und spüren im Stadtgebiet „Stolperfallen“ auf. Über diese Aktivitäten schreiben wir ein Proto-koll, das auch die Stadtverwaltung erhält. Aber dort guckt wohl keiner rein, denn wir bekommen kaum ein Feedback.

Wir brauchen für eine flächendeckende Senio-renarbeit auch rechtliche Rahmenbedingungen. Die Gemeindeordnung von Sachsen-Anhalt sieht bisher keine verbindliche Etablierung von Seniorenvertretungen vor. Den anwesen-den Abgeordneten möchte ich nahelegen, sich für eine entsprechende Gesetzesände-rung einzusetzen.

renpolitik beteiligten sich auch namhafte Vertreter aus der Wissenschaft. So er-innerte Prof. Dr. Jürgen Wolf, Professor für Alternswissenschaften an der Hoch-schule Magdeburg-Stendal, daran, dass Politik mit älteren Menschen nicht un-bedingt Politik für ältere Menschen sein müsse, denn Seniorinnen und Senioren könnten durchaus auch bei Themen wie Umweltschutz oder Verkehr mitreden. „Aktive Seniorenpolitik bedeutet die effektive Mitwirkung aktiver Senioren, aber auch die Berücksichtigung jener, die sich nicht beteiligen können – also die anwaltliche Vertretung der Schwä-cheren.“ Insgesamt gehe es nicht nur um bessere Dienste im Gesundheits- und Pflegebereich, sondern darum, älteren Menschen als Mitgestalter eine Rolle einzuräumen.

EhRENAMTSARBEIT SOLL WIEDER SPASS MAchENDafür traten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seniorenforums nach intensiven Beratungen in drei Arbeits-gruppen dann auch selbstbewusst ein. So forderten sie Parlament und Re-gierung auf, „für die Ermöglichung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im ländlichen Raum die individuelle Mobilität älterer Menschen und die Mo-bilität von Einrichtungen, Vereinen und Verbänden … sachlich und finanziell zu unterstützen“. Aus einer anderen Arbeitsgruppe kam die im Plenum ein-

stimmig beschlossene Forderung nach gesetzlichen Grundlagen für „die ver-pflichtende Einrichtung von Senioren-vertretungen in allen kommunalen Ebe-nen mit Rede- und Informationsrecht im Rat und in den Ausschüssen“. Wenn das erreicht sei, werde Ehrenamtsarbeit im Seniorenbereich auch wieder Spaß machen und Nachfolger dafür zu finden sein, hieß es. Als Ergebnis der Diskus-sionen in einer dritten Arbeitsgruppe forderte das Forum die Entscheidungs-gremien im Land auf, „die im senioren-politischen Programm des Landes Sach-sen-Anhalt gewürdigten Seniorenvertre-tungen in den kommunalen Strukturen und auf Landesebene im Rahmen eines Seniorenvertretungs-gesetzes zu unter-stützen, um damit einem gesamtgesell-schaftlichen Anliegen zu entsprechen“.

Mögliche Skeptiker, die vielleicht an der Umsetzung ihrer Beschlüsse durch Landtag und Regierung Zweifel hegen, ermutigte die Abgeordnete Dagmar Zoschke: „Sie haben alles Recht der Welt, sich einzumischen, in der kleinen und in der großen Politik. Fragen Sie spätestens in zwei Jahren nach, was aus Ihren heutigen Beschlüssen geworden ist.“ Im demografischen Wandel sieht die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales nichts, vor dem man sich fürchten müsse. Vielmehr sollte man ihn als Chance verstehen, so Dag-mar Zoschke. Gudrun Oelze

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Günter Haase, Altmarkkreis Salzwedel

Ria Theil, Burgenlandkreis

Winfried Viezens, Landkreis

Mansfeld-Südharz

Inge Hartleib, Stadt Aschersleben

Ich habe schon an vier Seniorenforen teilge-nommen, doch Reaktio-nen der Politik auf unse-re Beschlüsse bisher vermisst. Im Kreismaß-stab ist das vielerorts ähnlich. Bei uns ist der Seniorenbeirat aber ein berufenes Organ des Kreistages, wir haben Re-derecht. Doch das ist noch nicht überall im Land so.

Vor allem Wahrnehmung und Umsetzung der seni-orenpolitischen Leitlinien halte ich für ein aktuelles Thema. Vom heutigen Seniorenforum verspre-che ich mir Erfahrungsaustausch und auch Impulse, die in das Land hinausgehen.

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euroPaPoLitik hautnah: Der kongress Der

geMeinDen unD regionenNEUES KONGRESS-MITGLIED AUS SACHSEN-ANHALT

wo der KGRE es als wichtig ansieht, engagiert er sich besonders stark“, be-richtet der Abgeordnete.

GESchIchTE UND STRUkTUR DES kGREDer KGRE wurde in seiner jetzigen Form, als Nachfolgeinstitution der Stän-digen Konferenz der Gemeinden und

Regionen Europas, im Januar 1994 ge-gründet. Doch schon weit vorher gab es Entwicklungen in der Lokal- und Regio-naldemokratie. Die beratende Ver-sammlung des Europarates beantragte im Jahr 1953 die Einberufung einer Eu-ropäischen Konferenz der Gemeinden. Sie orientierte sich an der Europäischen Charta der Gemeindefreiheiten vom Rat der Gemeinden Europas, eine Organi-sation die 1951 nach französischem Recht gegründet wurde. Während des ersten Gipfels des Europarates in Wien am 9. Oktober 1993 wurde entschieden, ein beratendes Organ zu schaffen, das die Gemeinden und Regionen Europas repräsentiert. Die Ständige Konferenz beantragte 1994 beim Ministerkomitee ihren Status zu stärken, und wurde da-raufhin in den gegenwärtigen Kongress der Gemeinden und Regionen des Eu-roparates umgewandelt.

Der Kongress setzt sich aus den Reprä-sentanten der Mitgliedsstaaten zusam-men, die in ein lokales oder regionales Amt gewählt wurden und mit einem

Der kongress der Gemeinden und Regionen Europas (kGRE) wurde 1994 als beratendes Gremium des Europarates eingerichtet. Damit erhielten die deutschen Bundeslän-der erstmals die Gelegenheit, sich an der Arbeit des Europarates zu beteiligen. Der kGRE vereint heute 318 benannte Mitglieder und eben soviel Stellvertreter aus den 47 Mit-gliedstaaten des Europarates, die gewählte Vertreter von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaf-ten sind. Deutschland entsendet 18 Mitglieder: neun Vertreter der kommunalen Ebene und neun der Länderebene. hinzu kommen 18 Stell- vertreter. Sachsen-Anhalt hat wie alle Länder in Deutschland ein stän-diges Mandat, allerdings pro Amts-periode entweder als Mitglied oder Stellvertreter. In der Julisitzung des Landtages wurde ein neues stellver-tretendes Mitglied gewählt. Der cDU-Abgeordnete Jürgen Stadelmann hat auf Landesebene diese Aufgabe übernommen. Auf kommunaler Ebe-ne ist es der Landrat des Salzland-kreises, Ulrich Gerstner (SPD).

Der Kongress berät das Minister- kommitee und die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Form von Stellungnahmen und Em- pfehlungen. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehören die Schaffung

effizienter kommunaler und regionaler Regierungsstrukturen in allen Europa- staaten sowie die Einführung von Maß- nahmen zur Förderung einer effektiven Beteiligung der Bevölkerung an der Kommunal- und Regionaldemokratie. Ein weiteres Ziel ist die Berücksichti-gung der Interessen der Kommunal- und Regionalbehörden bei der Gestal-

tung der europäischen Politik und die Förderung der regionalen und grenz-überschreitenden Zusammenarbeit im Hinblick auf Frieden, Toleranz und nachhaltige Entwicklung zum Schutze und zur Erhaltung der Regionen für kommende Generationen. Diese Schwerpunkte begegnen auch dem CDU-Abgeordneten und neuen stell-vertretenden KGRE-Mitglied Jürgen Stadelmann: „Die Arbeit des KGRE ist enorm wichtig, da nicht nur EU-Staa-ten, sondern auch andere Staaten die für Europa eine bedeutsame Rolle spielen, Mitgliedsstaaten sind - wie zum Beispiel Russland“. Eine große Aufgabe sei die Überwachung und Si-cherstellung der lokalen und regionalen Demokratie. Schwierigkeiten gebe es da zum Beispiel bei den Balkanstaaten. „Auch das Thema Wahlbeobachtung spielt eine große Rolle. In den Staaten,

„Das Wichtigste im Kongress der Gemeinden und Regionen ist die Überwachung und Sicherstellung der lokalen und regionalen Demokratie. Unsere Aufgabe ist, dass dies umgesetzt wird.“

„Auch das Thema Wahlbeobachtung spielt eine große Rolle. In den Staaten, wo der KGRE es als wichtig ansieht, engagiert er sich besonders stark.“

SAchSEN-ANhALT IN EUROPA

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

Mandat ausgestattet sind. Sie werden für jeweils zwei Jahre gewählt und schließen sich in nationalen und politi-schen Gruppen zusammen.

zWEI kAMMERN, EIN kONGRESSDer Kongress besteht aus zwei Kam-mern, der Kammer der Gemeinden und der Kammer der Regionen. Die Plenar-sitzungen des Kongresses werden in Straßburg abgehalten. Die Kammer der Gemeinden beschäftigt sich mit der Si-tuation von lokaler Demokratie und Lo-kalwahlen. Sie beobachtet diese und führt ein Monitoring durch. Des Weite-ren unterstützt sie die Zusammen-schlüsse von europäischen Städten und befördert auch gesellschaftliche The-men, so zum Beispiel interkultureller Dialog, e-Demokratie oder Multikultura-

lismus. Auf der Grundlage der Treffen, die zweimal im Jahr während der Ple-narsitzungen stattfinden, kann die Kam-mer der Gemeinden Empfehlungen, Resolutionen oder Bescheide verab-schieden. Weiterhin hat sie die Aufgabe, relevante Fragen, die in ihren Zustän-digkeitsbereich fallen, zu untersuchen und bei Bedarf Antrag auf eine Diskus-sion im Kongress zu stellen.

Die Kammer der Regionen besteht aus Repräsentanten die zwischen den Lo-kal- und der Zentralregierung agieren. Um sich für die Kammer der Regionen zu qualifizieren muss die jeweiligeRegi-on entweder sich selbst verwalten oder legislative bzw. staatenähnliche Kompe-tenzen besitzen. Zusätzlich haben die

Gebietskörperschaften in jenen Län-dern, in denen sie ein weitläufiges Ter-ritorium abdecken, das Recht der Kam-mer der Regionen beizutreten. Sie beobachtet unter anderem die Rolle der Regionen in den Mitgliedsstaaten des

Kongresses sowie Themenfelder wie regionale Demokratie, Interregio- nale Zusammenarbeit oder regionale Wirtschaft.

ENTSchEIDUNGEN SIND AUch FÜR SAchSEN-ANhALT RELEVANTBei all den genannten Aufgaben und He-rausforderungen stellt sich die Frage, welchen Nutzen der KGRE für Sachsen-

Anhalt hat. „Für Sachsen-Anhalt ist die Vorbereitung der nächsten Förderperio-de ein wichtiges Thema in KGRE. Hier ist es wichtig, einen Schulterschluss mit dem Ausschuss der Regionen zu finden“, erklärt Jürgen Stadelmann. Eine weitere Chance, die die Arbeit im Kongress biete, sei es Netzwerke zu bilden. Hierbei will

Stadelmann in den nächsten Monaten Gespräche mit Ländervertretern, bei-spielsweise aus Bulgarien, führen.

SPANNENDE ARBEIT, VIELSEITIGE ThEMENDie letzte Plenartagung des KGRE fand im Oktober statt. „Dort wurden vor allem konstitutionelle Fragen geklärt“, so Sta-delmann. Generell würden momentan aber vier Schwerpunkte im Vordergrund stehen: Die Beziehungen zu Nachbar-staaten, die Reformen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Frage des EU-Beitritts zur Europäischen Menschenrechtskommission und Men-schenrechte/Minderheiten. „Diese Viel-seitigkeit ist es, die die Arbeit im Kongress so spannend macht. Ich freue mich auf die nächsten Aufgaben“, so der CDU-Abgeordnete abschließend. Katrin Wurm

„Für Sachsen-Anhalt ist die Vorbereitung der nächsten Förderperiode ein bedeutendes Thema im KGRE. Hier ist es wichtig, einen Schulterschluss mit dem Ausschuss der Regionen zu finden.“

„Die große Chance, die der KGRE bietet, ist es Netzwerke zu bilden. Das ist natürlich gerade aus wirtschaftlicher Sicht auch für Sachsen-Anhalt interessant.“

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Jürgen Stadelmann (CDU) ist erneut Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas

Eine Sitzung der KGRE-Mitglieder im September: Die Abgeordneten tagen immer in Straßburg.

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Wie alle Studenten konnte auch ich die Semesterferienzeit nicht nur für Urlaubsausflüge, zum Feiern oder einfach nur zur Entspannung nutzen, denn diese zeit ist zugleich auch Prak-tikumszeit. Im herbst 2012 nutzte ich die Semesterferien daher für ein acht-wöchiges Praktikum in der Verwaltung des Landtages von Sachsen-Anhalt.

Während meiner Zeit konnte ich die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter des Refe-rates für Presse- und Öffentlichkeitsar-beit, Besucherdienst und Protokoll bei ihrer Arbeit unterstützen. Dabei erhielt ich nicht nur einen einmaligen Einblick in ihre speziellen Aufgabenfelder, son-dern lernte auch die verschiedenen Bereiche der Landtagsverwaltung sowie die Arbeit der politischen Entschei-dungsträger kennen.

Im Studium befasse ich mich u. a. mit den unterschiedlichsten Aspekten von Politik und Sozialwissenschaften. Dies beinhal-

tet zwangsläufig viele theoretische Erklä-rungen und Zusammenhänge. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie arbeitet ein modernes Parlament? Was bestimmt die täglichen Arbeitsabläufe der Abge-ordneten sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wie ist überhaupt das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit? Diesen Fragen wollte ich in meinem Praktikum einmal auf den Grund gehen.

Das erste Highlight ließ nicht lange auf sich warten, denn der Antrittsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Sachsen-Anhalt fiel genau in meine erste Praktikumswoche. Ein echter Glücksfall für mich, denn ich konnte den Empfang im Landtag unmittelbar miterleben. Dass ich dem Bundespräsidenten nur ein paar Meter entfernt gegenüberstehen werde, hatte ich mir nicht vorstellen können.

Der Besuch des Bundespräsidenten be-schäftigte mich aber auch noch weiterhin, da ich für die vorherige Ausgabe des ZwischenRufs einen Artikel über dessen Besuch in Sachsen-Anhalt schreiben konnte. Ebenso verfasste ich eine kleine Zusammenfassung über den Besuch von ehemaligen Abgeordneten des Landta-ges von Mecklenburg-Vorpommern, wel-che ich bei ihrem Besuch im Parlament begleitet habe. Allerdings habe ich nicht nur Artikel selbst verfasst, sondern lernte dabei zugleich die konzeptionellen und organisatorischen Abläufe der Redaktion für das Landtagsmagazin kennen. Ich konnte dabei alle Produktionsschritte des ZwischenRufs mit verfolgen und bekam so einen Einblick in die gesamte redak-tionelle Arbeit.

Ein weiterer Schwerpunkt waren die Vorbereitungen für das Jugendparla-ment, welches am 03. Dezember 2012 stattfinden wird und an dem ich über mein Praktikum hinaus mitarbeiten wer-de. Dafür nahm ich auch an einem vor-bereitenden Workshop mit den beteilig-ten Jugendlichen teil.

Neben Veranstaltungen, die im Land-tagsgebäude stattfinden, gibt es auch solche, die an anderen Orten in Mag-deburg oder Sachsen-Anhalt durchge-führt werden. So begleitete ich z. B. die Kolleginnen und Kollegen des Re-ferats nach Ballenstedt im Harz, zur Festveranstaltung des Landtages an-lässlich des Tages der Deutschen Einheit. Dabei kam ich nicht nur in den Genuss eines erstklassigen Konzerts sondern konnte dort auch den Land-tags- und den Ministerpräsidenten begrüßen.

Einen ganz besonderen Einblick in die grundsätzlichen Fragestellungen der Öffentlichkeitsarbeit eines Parlaments bot mir die Einbeziehung in die Work-shops zur Neukonzeption des Interne-tangebotes des Landtages.

Von Zeit zu Zeit sind auch ausländi-sche Diplomaten zu Gast im Landtag. So besuchte z. B. eine Delegation aus Myanmar Sachsen-Anhalt, um sich über die Arbeit und den Aufbau eines modernen Parlaments zu informieren. Für diesen Besuch stellte ich einige Hintergrundinformationen über Myan-mar zusammen und konnte ebenfalls beim Empfang der Delegation beim Direktor des Landtages zugegen sein.

ein bLick hinter Die kuLissen

PRAKTIKUM IM LANDTAG

VORGESTELLT

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt 25

PRAkTIkUM IM LANDTAG

Studentinnen und Studenten die sich für ein mindestens sechs- bis achtwöchi-ges Praktikum in einer Landtagsfraktion oder im Referat für Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll des Landtages von Sachsen-Anhalt interessieren, sollten über ein Grundlagenwissen zum Staatsaufbau Deutschlands, insbesondere zur Stellung und Rolle der Landesparlamente ver-fügen. Die Bewerbung sollte neben dem Lebenslauf auch einen Überblick über bereits absolvierte Lehrveranstaltungen, abgelegte Prüfungen, Angaben zur Zielsetzung des Praktikums und zur eigenen Erwartungshaltung beinhalten.

Aufgrund von Baumaßnahmen und den damit einhergehenden Einschränkun-gen für die Landtagsverwaltung können 2013 leider keine Praktikumsstellen angeboten werden.

hINWEIS BAUMASSNAhME

Über die Aufgaben der Landtagsverwal-tung hinaus lernte ich die parlamentari-schen Strukturen im Parlament kennen. Ich nahm an verschiedenen Ausschuss-sitzungen teil und konnte so einen un-mittelbaren Einblick in einen wichtigen Arbeitsbereich der Abgeordneten ge-winnen. Spannend war es ebenfalls, die Debatten in den ca. alle vier Wochen stattfindenden Landtagssitzungen mit zu verfolgen. An diesen Tagen ist der Besucherdienst ebenfalls in voller Akti-on zur erleben.

Insgesamt kann ich auf ein viel-seitiges und ereignisreiches Praktikum zurückblicken. Die Aufgaben des Referats für Presse- und Öffentlichkeits-arbeit, Besucherdienst und

Protokoll sind sehr unterschiedlich und vor allem abwechslungsreich. Es gibt immer neue Veranstaltungen und öf-fentlichkeitswirksame Termine des Landtagspräsidenten, die vorbereitet und betreut werden müssen. Das Prak-tikum bot zudem eine umfangreiche Palette von Möglichkeiten, die parla-mentarischen Abläufe kennenzuler-nen. Ich konnte selbstständig arbeiten, habe dabei recherchiert, Artikel verfasst, Aktualisierungen von Datenbeständen vorgenom-men sowie Veranstaltun-gen mit vorbereitet und betreut. Dabei konnte ich die Landtagsverwaltung quasi als Dienstleister für die Politik kennenlernen. Philipp Lohe

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WurDen FörDerMitteL vergeuDet?

UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS WILL SACHLAGE AUFKLäREN

„ALLE VORWÜRFE WERDEN SIch ALS UNhALTBAR ERWEISEN“Ulrich Thomas (CDU) zeigte sich sehr froh, dass im Landtag die Möglichkeit be-steht, solche Ausschüsse einzuberufen. Doch im Fall der womöglich fälschlich in Anspruch genommenen Fördermittel (beispielsweise über die IHK Halle-Dessau) gebe es seit der ersten Debatte über das Thema „nichts Neues“. Tho-mas verwehrte sich ausdrücklich gegen eine allgemeine Verdächtigung bezüg-lich CDU-Parteispenden, die Linken versuchten, das gesamte System zu diskreditieren und „uns in Sippenhaft zu nehmen“. Den Untersuchungsaus-schuss einzuberufen, bevor die Unterla-gen im Fachausschuss geprüft worden seien, hielt Ulrich Thomas für unnötig. „Alle Vorwürfe werden sich im Ergebnis des Ausschusses als unhaltbar erwei-sen“, versicherte Thomas.

Mit der Einberufung des 13. Parlamentari-

schen Untersu-c h u n g s -

Die Abgeordneten der Fraktionen DIE LINkE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben mit ihrem Mitte Oktober in den Landtag eingebrachten Antrag die Einberufung eines weiteren Parla-mentarischen Untersuchungsaus-schusses bewirkt, der sich mit ver-mutlichen Verstößen bei der Vergabe oder Gewährung von Fördermitteln hauptsächlich im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Wirtschaft und Arbeit) im zeitraum von 2004 bis 2012 beschäftigt. In der sechsten Wahlperiode erhöhte sich damit die zahl der Parlamentarischen Untersu-chungsausschüsse (PUA) seit 1990 auf insgesamt dreizehn.

Zwar lägen die zu behandelnden Vorgän-ge Jahre zurück, dennoch hätten sie bis heute Auswirkungen, so Dr. Frank Thiel (DIE LINKE), denn es gehe um Förder-mittel von mehreren Millionen Euro. Die bisherigen Erklärungen und Ausfüh-rungen seitens der Landesre-gierung hätten das Inter-esse der Öffentlichkeit bis zum jetzigen Zeit-punkt nicht ausrei-chend aufklären können. Der Unter-s u c h u n g s a u s -schuss soll klä-ren, inwieweit durch Agieren und Nichtagieren seitens der Landesre-gierung Fördermittel nicht rechtskonform gewährt worden sind. „Es ist an der Zeit, alle Schwachstellen

aufzuspüren, die einen Missbrauch von Fördermitteln begünstigen“, schloss Thiel und warb für die Arbeit im Ausschuss.

Die SPD sicherte ihre konstruktive Mit-arbeit im Ausschuss zu, enthielt sich je-doch bei dessen Einberufung. Es gelte, Licht in die Angelegenheit um die Ver-wendung von Fördermitteln und deren Vergabe zu bringen. „Transparenz ist das oberste Gebot, alle Fakten müssen auf den Tisch“, sagte Rüdiger Erben (SPD). Schon einmal sei im Landtag über die vermeintlich missbräuchliche Fördermit-telvergabe diskutiert worden, es seien aber nach wie vor viele Fragen offenge-blieben, erklärte Christoph Erdmenger von den Grünen. Daher habe sich seine Fraktion dazu entschlossen, den Einset-zungsbeschluss mit den Linken zu erarbeiten.

UNTERSUchUNGSAUSSchUSS

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Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

ausschusses wurden auch dessen Mitglieder bestimmt. Diese sind: Uwe Harms, Eduard Jantos, Dietmar Krau-se, Peter Rotter und Ulrich Thomas (alle CDU), Eva von Angern, André Lü-deritz, Dr. Frank Thiel und Gudrun Tiedge (alle DIE LINKE), Rüdiger Er-ben, Nadine Hampel und Andreas Steppuhn (alle SPD) sowie Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN). Als Vorsitzender des Gremiums wurde Peter Rotter bestimmt.

ABGEORDNETE FORcIERENUNABhÄNGIGE AUFkLÄRUNGUntersuchungsausschüsse spielen seit der Landeswiedergründung im Jahr 1990 eine wichtige Rolle im parlamen-tarischen Alltag von Sachsen-Anhalt. Hier wie in den anderen Bundeslän-dern und auf Bundesebene hat das Parlament die Aufgabe, unabhängig und selbstständig Sachverhalte zu prü-fen, die von besonderem öffentlichem Interesse sind. Dies sind zumeist An-gelegenheiten, die in den Zuständig-keitsbereich der Landesregierung be- ziehungsweise ihr untergeordnete Behörden gehören.

Dem Untersuchungsausschuss kommt in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Rolle zu. Er ist mit be-sonderen Rechten ausgestattet, die es ihm ermöglichen, die Vorlage von Ak-ten zu verlangen und eigene Zeugen zu vernehmen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss wird traditi-onell als „scharfes Schwert der Oppo-sition“ bezeichnet, da es nicht vorder-gründig um die Erlangung von Mehrheiten geht, sondern die sich in

der Minderheit befindliche Opposition im Grunde gleichberechtigt an der Ar-beit des Ausschusses mitwirken kann.

UNTERSUchUNGSAUSSchÜSSEIN SAchSEN-ANhALT In der ersten Wahlperiode des Land-tages von Sachsen-Anhalt wurden drei Untersuchungsausschüsse einge-setzt, jeweils einer in 1991, 1992 und 1993. Ging es 1991 um die „Aufhel-lung der Stellenbesetzung an den all-gemeinbildenden Schulen und der Lehrerentlassungen im Land“, sollte 1992 zur Klärung der Sammlung von Informationen über einen Minister und des Umgangs mit Informationen über Mitglieder der damaligen Landesre-gierung durch den Verfassungsschutz beigetragen werden. Ein Jahr später stand die Arbeitsweise der „Treuhand“ im Mittelpunkt der Untersuchungen: Hatte es Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung und Veräußerung von Grundstücken und Wohnungen gege-ben? Untersuchungsausschüsse müs-sen am Ende einer Legislaturperiode abgeschlossen werden. So kam es in der zweiten Legislaturperiode zu ei-nem weiteren PUA zum Thema „Treu-hand“. Hinzu kamen Ausschüsse zur Fördermittelvergabe im Abwasserklär-bereich, zur Untersuchung von Be-günstigungsvorwürfen in den Ministe-rien für Landwirtschaft sowie für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr.

Auch die dritte Legislaturperiode hatte ihren eigenen Untersuchungsausschuss. Hierin ging es um den Kauf der Landes-vertretung von Sachsen-Anhalt in Berlin

(in der „Möwe“). Im vierten Parlament drehten sich die Untersuchungen um Amtspflichtverletzungen im Ministerium der Justiz sowie um die Klärung der Ver-gabe von Beraterverträgen durch die Staatskanzlei und andere Ministerien. Die fünfte Legislaturperiode stand zwei-mal im Zeichen von Versäumnissen bei den Polizeibehörden sowie der als „Müllskandal“ bekannt gewordenen Ab-fallentsorgung beziehungsweise Lage-rung in dafür nicht vorgesehenen Ton-gruben und Abfallanlagen. Dr. Stefan Müller

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hIINTERGRÜNDE

Parlamentarische Untersuchungs-ausschüsse haben in Europa eine weit zurückreichende Tradition, in England beispielsweise bis ins 14. Jahrhundert. Deutschland ist in die-sem Zusammenhang ein echter Spätzünder, denn die Möglichkeit der parlamentarischen Untersu-chung wurde erst in der Weimarer Verfassung 1919 verankert. Ein wirkliches Instrument wurde der Parlamentarische Untersuchungs-ausschuss aber erst mit Gründung der Bundesrepublik 1949.

In Sachsen-Anhalt ist das Recht auf die Einberufung eines Parlamenta-rischen Untersuchungsausschus-ses in der Landesverfassung veran-kert. Mindestens ein Viertel der Abgeordneten muss sich für dessen Einsetzung aussprechen, es handelt sich folglich um ein Minderheiten-recht. Ziel des Ausschusses ist es, zur Aufklärung von Sachverhalten beizutragen, die in öffentlichem In-teresse stehen. Die Landesregie-rung und ihr untergeordnete Behör-den sind verpflichtet, an der Klärung der offenstehenden Fragen mitzuar-beiten. In Sachsen-Anhalt haben Parlamentarische Untersuchungs-ausschüsse heute jeweils 13 Mit-glieder und ebenso viele Stellvertre-ter. Nach Abschluss seiner Tätigkeit legt er dem Landtag einen schriftli-chen Bericht vor.

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RUBRIk

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zukunFt Mit genuss!SIEBENTE AKTIONSWOCHE „7 TAGE ZUKUNFT“

SAchSEN-ANhALT

Bereits zum siebenten Mal beteiligten sich unterschied-lichste Akteure in Sachsen-Anhalt an der Aktionswoche „7 Tage zukunft“. Gemeinsam boten sie vom 12. bis 19. November ein breites Spektrum an Bildungsveranstaltun-gen und Aktivitäten an, in denen das Jahresthema Ernäh-rung der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung im Vordergrund stand. Unter dem Motto „zukunft mit Genuss!“ ging es von der ökologischen Weinprobe über die zubereitung klimafreundlicher Burger bis zum Fach-gespräch über öko-faire Beschaffungsmöglichkeiten für kantinen und cafeterien. Die Auftaktveranstaltung fand als Workshoptreffen im Landtag von Sachsen-Anhalt statt.

Die Akteure hätten sich in diesem Jahr ein wirkliches „Über-lebensthema“ gewählt, zeigte sich Landtagspräsident Detlef Gürth von der vom Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. gestalteten Projektwoche beeindruckt. Mittlerweile gebe es sieben Milliarden Menschen auf der Welt; während in den Industrienationen jeden Tag viele Tonnen Lebensmittel weg-geworfen würden, stürben in den armen Ländern der Erde täglich unzählige Menschen an den Folgen des Hungers. „Ich bin sehr dankbar, dass sich die Akteure dieses Thema aus-gewählt haben, um auf die besondere Schieflage bei der Nachhaltigkeit der Ernährungswirtschaft aufmerksam zu ma-chen“, erklärte Gürth. „Wir werden diese Veranstaltung nach-bereiten und Ihre Ideen und Impulse in den Landtag tragen. Viele Gesetze haben einmal mit einer Idee und einem Work-shop angefangen, es ist an uns, diese dann weiterzutragen.“ Besonders freute sich Gürth über die Einbindung des Hand-werks – insbesondere des Bäckerhandwerks –, von dem er hoffe, dass es die nachhaltige Zukunftsentwicklung mitgestal-ten und voranbringen werde.

WORkShOPS zUM ThEMA NAchhALTIGkEITBeim Thema Ernährung waren die Bäcker-Auszubildenden aus Weißenfels, Mansfeld-Südharz und Stendal während der eigens für sie zugeschnittenen Auftaktveranstaltung schon echte Experten. „7 Tage Zukunft“ bot den jungen Damen und Herren aus dem zweiten und dritten Lehrjahr die Möglichkeit, sich mit dem Bereich Nachhaltigkeit in der Ernährungsbran-che zu beschäftigen. In zwei großen Workshops setzten sich die Auszubildenden mit den Bereichen „Essen im Eimer“ und „Getreide weltweit“ auseinander. Ersterer spricht schon im Titel ganz für sich: Was macht man mit den Nahrungsmitteln, die täglich in der Tonne landen? Wieder- und Weiterverwer-tung gibt es auch beim Bäcker, so ein erstes Fazit. Ob Wei-tergabe an die Tafeln, an Obdachlose oder als Futterstoffe – das Brot von heute ist morgen zwar schon „alt“, sollte aber auf jeden Fall eine weitere und vor allem sinnvolle Verwen-dung finden.

„Jeden Tag begegnen uns Dinge, die wir gar nicht weiter hinterfragen, doch tatsächlich gibt es eine richtige Kette von Menschen, die mit ihnen verknüpft sind“, sagte Workshoplei-ter François Tedeng vom EPIZ Berlin (Entwicklungspoliti-sches Bildungs- und Informationszentrum e.V.) im Workshop „Getreide weltweit“. Dies gelte auch für das Getreide, das in Deutschland verarbeitet werde. Gemeinsam untersuchten die jungen Leute die Auswirkungen des Getreidepreises weltweit und stellten Überlegungen darüber an, wie das Zu-sammenwirken aller an der Produktion und am Vertrieb Beteiligten sozial gerechter gestaltet werden könne. Die Bäcker-Azubis nutzten den Aktionstag zudem für Gespräche mit Landespolitikern und einen Rundgang durch den Land-tag von Sachsen-Anhalt. Dr. Stefan Müller

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IMPRESSUM

herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen:10 000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse:Landtag von Sachsen-AnhaltRef. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und ProtokollDomplatz 6 - 9, 39094 MagdeburgFon: 0391 | 560 | 0Fax: 0391 | 560 | 1123www.landtag.sachsen-anhalt.de [email protected]

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Annekatrin Barth, Ulrich Grimm,Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze, Wolfgang Schulz, Katrin Wurm

Fotos: Titel Michael Bader, Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; U2 Ulrich Grimm; 1 Klapper Magdeburg; 4 Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt; 5 Adpic.de; 6 Wolfgang Schulz; 7 Erwin Wodicka/Shotshop.com; 8 Dr. Stefan Müller; 9 Adpic.de; 10-11 Adpic.de; 12-13 Katrin Wurm; 15 Stiftung Luther-gedenkstätten in Sachsen-Anhalt; 16-17 Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; 18 matchka /pixelio.de 19 Annekatrin Barth; 20/21 Foto Fuchs, Magdeburg; 23 li Rayk Weber, re Congress of local and regional authorities; 24/25 Landtag von Sachsen Anhalt; 26 Adpic.de; 28 Dr. Stefan Müller; U4 Helmut Friedrich, Gardelegen

Gestaltung: signum Halle (Saale)www.agentursignum.de

Druck: Harzdruckerei GmbHwww.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 23. November 2012Dieses Magazin dient der Öffentlich-keitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

@Der LanDtag iM internet

DER SCHNELLSTE WEG ZU AKTUELLEN INFORMATIONEN

Wahlergebnisse, Abgeordnetenbiografien, Fraktionen, Ausschüsse, Termine,Tagesordnungen, Drucksachen und vieles mehr kann beim Besuch des Land- tages im Internet abgerufen werden unter:

www.landtag.sachsen-anhalt.de

Besuchergruppen können sich online anmelden, und über die integrierte Mailfunktion sind alle Abgeordneten erreichbar. Ebenso ist die Bestellung weiteren Informationsmaterials möglich.

Zwischenruf 4/2012 – Das MagaZin Des LanDtages von sachsen-anhaLt

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13./14. Dezember 2012SITZUNG DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

19. Dezember 2012 – 5. Januar 2013SCHULFERIEN IN SACHSEN-ANHALT

27. Januar 2013TAG DES GEDENKENS AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUSDie Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt und die Mitglieder der Landesregierung erinnern im Rahmen einer zentralen Gedenkveranstaltung an die Schrecken des Holocaust. 11.30 Uhr Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune Gardelegen.

1. bis 8. Februar 2013SCHULFERIEN IN SACHSEN-ANHALT

20./21. und 22. Februar 2013SITZUNG DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

Die aktuellen Termine finden Sie immer unter: www.landtag.sachsen-anhalt.de

ACHTUNG:

ÄNDERUNG SITZUNGSPLAN 2013

Die für den 17. und 18. Januar 2013 vorgesehene

Sitzungsperiode des Landtages entfällt. Dafür tagt

das Parlament am 20., 21. und 22. Februar 2013.

Page 32: 2012 ZwischenRuf - Landtag von Sachsen-Anhalt · 2014-04-14 · 04 Aktuelle Debatte: Rechtes aus der Mitte der Gesellschaft 12 Jugendliche erleben Politik hautnah 18 Neues Vergabegesetz

27. Januar – TAG DES GEDENKENS AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUSDie zentrale Gedenkveranstaltung von Landtag und Landesregierung findet am 27. Januar 2013 um 11.30 Uhr in der Gardelegener Mahn- und Gedenkstätte „Isenschnibber Feldscheu-ne“ statt. Alljährlich gedenken die Landtagsabgeordneten gemeinsam mit den Mitgliedern der Landesregierung der Opfer des Holocaust. An der Kranzniederlegung nimmt auch die Präsidentin des Studien- und Forschungszentrums über die Internierungslager im Loir (CER-CIL) aus der französischen Partnerregion Sachsen-Anhalts, Centre, teil. In dieser Eigenschaft wird sie während der sich anschließenden Gedenkveranstaltung im Geschwister-Scholl-Gymnasium Gardelegen sprechen.

Kurz vor Kriegsende wurden am 13. April 1945 in der Isenschnibber Feldscheune 1016 KZ-Häftlinge ermordet. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wird seit 1996 in Deutschland begangen. 2005 bestimmte die Vollversammlung der Vereinten Natio-nen dieses Datum zum „International Day of Commemoration in Memory of the Victims of the Holocaust“.