2015 Reuner FOBI Frühchen Handout 12.5.15 · Frühgeborene in Kindergarten und Schule |...
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Priv.-‐Doz. Dr. Gi,a Reuner Diplom-‐Psychologin
Kinder-‐ und Jugendlichenpsychothp. Klinische Neuropsychologin (GNP)
SekCon Neuropädiatrie und Stoffwechselmedizin
Frühgeborene in Kindergarten und Schule
Frühgeborene in Kindergarten und Schule | Fortbildung Klinikschule | 12.05.2015
Überblick
! Frühgeburtlichkeit: ! Aktuelles Hintergrundwissen
! Frühgeborene werden groß: ! LangzeiPolgen
! Frühgeborene in Kindergarten und Schule: ! Häufige Themen und Fragen
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Frühgeburtlichkeit
Aktuelles Hintergrundwissen
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DefiniConen und Begriffe
! Normale SchwangerschaTsdauer ! Ca. 40 vollendete SchwangerschaTswochen (280 +/-‐ 14 Tage)
! Mi,leres Geburtsgewicht bei Reifgeborenen: 3500g
! Übertragung ! Ab 43 SchwangerschaTswochen:
! Frühgeburt ! weniger als 37 SchwangerschaTswochen
! Grenze der Lebensfähigkeit ! 22 0/7 SchwangerschaTswochen
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Frühgeburtlichkeit -‐ DefiniConen
Abb. 1: Lebendgeburten 2009 nach Geburtsgewicht, Quelle: BQS-‐Fachgruppe Perinatalmedizin , Qualitätsreport des GBA 2009
<1% 1%
8%
91%
< 27+0 SSW
27+0 bis < 32+0 SSW
32+0 bis < 37+0 SSW
nicht FG
Gestationsalter in Wochen Geburtsgewicht in Gramm 34 – 36 Frühe Geburt 2000 – 2500
32 – 33 Mäßig frühe Geburt 1500 – 1999 Niedriges Geburtsgewicht
28 – 31 Sehr frühe Geburt 1000 – 1499 Sehr niedriges Geburtsgewicht
< 28 Extrem frühe Geburt 500 – 999 Extrem niedriges Geburtsgewicht
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Frühgeburtlichkeit -‐ Aktuelle Zahlen I
! Frühgeburtlichkeit konstant auf hohem Niveau (ca. 50.000 Frühgeburten pro Jahr)
! Im europäischen Vergleich eine der höchsten Raten in Deutschland
! 2011: 9% aller Geburten vor 37. SSW (Frühgeburt)
http://www.gbe-bund.de/svg/L572778.svg
Anzahl von Frühgeburten (P07) in D 2000 -‐ 2010
Schleußner (2013). Dtsch Ärztebl Int 2013; 110(13): 227-36
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Frühgeburtlichkeit -‐ Aktuelle Zahlen II
! Anteil an extrem unreif geborenen Kindern an allen Geburten unter 1%
! Hoher Anteil von moderat und spät Frühgeborenen
Schleußner (2013). Dtsch Arztebl Int 2013; 110(13): 227-36 Poets et al (2012). Dtsch Arztebl Int 2012; 109(43): 721-6
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Ursachen für Frühgeburtlichkeit
Mü#erliche Ursachen/Gesundheit: • InfekConen • Schwäche des
Mu,ermundverschlusses (Zervixinsuffizienz)
• SchwangerschaTsgestose, Präeklampsie, Eklampsie
• HELLP-‐Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberwerte, niedrige Bluplä,chen)
• UngünsCger Plazentasitz • Plazentainsuffizienz • VorzeiCge Plazentaablösung
Fetale Ursachen: • MehrlingsschwangerschaTen • Fetale Schluckstörungen • Syndromale Erkrankungen
Risiken aus der Lebenssitua9on: • Alter (unter 17 oder über 37 Jahre) • Abstand zwischen SchwangerschaTen • Erheblicher Stress • Schwierige sozioökonomische
Bedingungen
Komplexe und multifaktorielle Ursachen
Von der Wense, A., & Bindt, C. (2013). Risikofaktor Frühgeburt. Entwicklungsrisiken erkennen und behandeln. Weinheim: Beltz.
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Frühgeburtlichkeit – Frühe KomplikaConen 1
! Lungenunreife ! Z. Tl. Schon vor Geburt Lungenreifungsbehandlung (Surfactant)
! Atmenotsyndrom (bei extrem früh Geborenen sehr häufig)
! Beatmung
! „Chronische Beatmungslunge“ – bronchopulmonale Dysplasie
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Frühgeburtlichkeit – Frühe KomplikaConen 2
! Unreife des Gehirns ! Hirnblutungen, „Intraventrikulare Hämorrhagie“
IVH Grad I – IV (oT innerhalb der ersten Lebenswoche), insb. dünnwandige Blutgefäße am Boden der Seitenventrikel Symptome/Folgen: Anfälle, Hydrozephalus
! Schädigungen der weißen Substanz, „Periventrikuläre Leukomalazie“ Symptome/Folgen: motorische Entwicklungsstörungen, Zerebralparesen
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Frühgeborenen-‐Nachsorge
! Für Kinder mit Geburtsgewicht < 1500g oder bekannten Risiken ! Monitorsprechstunde
! General Movement Analysen mit korr. 3 Monaten
! Untersuchung aller Kinder < 1500g Geburtsgewicht mit korrigiert 24 Monaten (G-‐BA)
! Angebot von psychologischer DiagnosCk und Beratung vor Einschulung bei Bedarf
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Frühgeborenen-‐Nachsorge mit korr. 24 Monaten
N = 63 < 500g 500-‐749g 750-‐999g 1000-‐1249g 1250 -‐1499g Gesamt
n 2 10 17 12 22 63
Bayley-‐II MDI 82±14 84±20 98±18 91±18 95±17 93±18
% Anteil Kinder mit MDI < 85
50 50 12 42 23 29
Bayley-‐II bei Kindern mit GG < 1500 Gramm (geboren 2012)
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Frühgeburtlichkeit – Hintergrundwissen: Fazit
! Frühgeburtlichkeit ist eine Ausgangsbedingung, die heute ungefähr 9% aller Kinder betriv.
! Die Ursachen und die Folgen von Frühgeburtlichkeit sind unterschiedlich und komplex.
! Frühgeburtlichkeit hat häufig chronische Störungen zur Folge.
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Frühgeborene werden groß:
LangzeiPolgen
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LangzeiPolgen von Frühgeburtlichkeit
Neurobiologisches Risiko
Schmerz-‐ und Stress-‐Erfahrungen
Mortalität
Langzeitentwicklung
Sensorik Motorik Kogni9on
Elternbelastung
Emo9on
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Strukturelle Gehirnentwicklung
Aus: Kaufmann et al., 2007, S 13
Fundament
Ausdifferenzierung der Verkabelung
Hausbau und erste Verkabelung
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Frühgeburtlichkeit – Neurobiologisches Risiko
! Unreife der Organsysteme ! Lunge
! Herz-‐Kreislauf-‐System
! Magen-‐Darm-‐Trakt
! Sinnesorgane
! Gehirn/ZNS
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FRÜHGEBURT
GEHIRN-‐ENTWICKLUNG
Offensichtliche Läsionen SubCle Auffälligkeiten in Struktur und OrganisaCon
FOLGEN:
Cerebral-‐Parese GeisCge Behinderung
Aufmerksamkeitsprobleme
Verzögerte kogniCve Entwicklung
Defizite im Arbeitsgedächtnis
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Umwelt des Feten und des Frühgeborenen Reiz Fetus Frühgeborenes
Umgebungsmedium Fruchtwasser erlaubt freie Bewegung und EigenregulaCon
In LuT Bewegungen gegen SchwerkraT; Begrenzung durch Schläuche etc., Lagerung
TakCle Reize Umgrenzung und Stützung durch Uteruswände
Schmerzen, Festhalten, Streicheln, Massage, Känguruhen
Wärme Konstant 37 Grad Wechselnd, LuTstrom
AkusCk Niederfrequent, Darmgeräusche, Blutströmug, Mu,ersCmme
Hochfrequente technische Geräusche, Monitoralarme, versch. SCmmen
Sehen Dunkelheit (grelles) Licht, Phototherapie
Geruch/ Geschmack Fruchtwasser süßlich DesinfekCons-‐, Pflegemi,el,Medikamente, Parfüm, NikoCn...
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Frühgeburtlichkeit – Stress und Schmerz
Stress-‐Score
Schmerz-‐Erfahrungen
SCche, Beatmung, Pflasterwechsel etc.
Stress-‐Erfahrungen
pflegerische ManipulaConen, SCmulaConen bei Apnoen, Bradykardien, Transporte etc.
Summenscore aus Stress-‐ und Schmerz-‐Erfahrungen (kumuliert über die Gesamtzeit der staConären Betreuung)
Prinzip: Jede Stress-‐ oder Schmerzerfahrung ist ein poten9ell langfris9g wirkender Belastungsfaktor
Reuner, Voigt, Brandl & Pietz (2009) Voigt, Brandl, Pietz, Pauen, Pöschl, Kliegel & Reuner (2014) Int J Dev Disab
Voigt, Brandl, Pietz, Pauen, Kliegel, & Reuner (2013) Infant Bev Dev
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Frühgeburtlichkeit – LangzeiPolgen 2
Larroque B. et al. Lancet, 2008
Zerebralparese Sehen Hören Kogni9ve Entwicklung
! Schweregrad und Ausprägung der LangzeiPolgen hängen deutlich mit der Unreife bei Geburt zusammen.
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LangzeiPolgen – Zerebralparese
! In der Gesamtbevölkerung 2.11 von 1000 Geburten
! In Abhängigkeit vom Geburtsgewicht
! < 1000g 60 von 1000
! 1000 – 1499g 60 von 1000
! 1500 – 2500g 10 von 1000
! > 2500g 1.33 von 1000
Stabile absolute Häufigkeiten trotz steigender Zahl überlebender Hoch-‐Risiko-‐Frühgeborener
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LangzeiPolgen -‐ Motorische Entwicklung
! Auffälligkeiten z. B. in
! Balance
! Umgang mit Ball
! Handgeschicklichkeit
! LangfrisCge (bis 15 Jahre) bestehende motorische Auffälligkeiten bei Frühgeborenen < 32. SSW
! Motorik-‐Tests im Grundschulalter: Frühgeborene liegen -‐0.6 bis -‐0.9 SD unter Termingeborenen
! Verstärkung der Unterschiede im späteren Kindesalter
! Bedeutung der motorischen Auffälligkeiten im Grundschulalter
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LangzeiPolgen -‐ KogniCve Entwicklung
! Bei Frühgeborenen mit GestaConsalter < 33 SSW deutlich erhöhte Prävalenz von
! Intelligenzminderungen
! KogniCven Entwicklungsstörungen
0
5
10
15
20
25
Angelehnt an Larroque B. et al. Lancet, 2008
IQ < 70
0
10
20
30
40
50
IQ < 85
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Aus: EFCNI European FoundaCon for the Care of Newborn Infants Whitepaper 2010, h,p://www.efcni.org/index.php?id=1888
KogniCve Entwicklung – Konsequenzen I Häufigkeit besonderer Hilfen in Abhängigkeit vom GestaConsalter bei Geburt (PAR PopulaCon a,ributable risk)
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KogniCve Entwicklung -‐ Konsequenzen % > 36
SSW 32-‐36 SSW
< 32 SSW
< 26 SSW
Sonderschulen 2-‐3 3-‐8 18 13-‐31
Sonderpäd. Hilfen 7-‐14 8-‐25 20-‐45 45-‐62
Mathema9kprobleme 2-‐12 2-‐31 26-‐69
LRS 5-‐9 6-‐34 24-‐34 22-‐64
Aufmerksamkeitsprobleme 1-‐13 16-‐21 12
Globale kogni9ve Probleme 2-‐14 19 22-‐26 29-‐66
Unterdurchschni#licher Schulerfolg
5-‐8 12 48 50-‐78
Klassenwiederholungen 8 19 30 19-‐43
Angelehnt an die EPICURE Studie, Johnson et al. (2009). Arch. Dis. Child. Fetal Neonatal Ed. 2009;94:F283-‐F89
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Einflussfaktoren auf SelbstregulaCon
Angelehnt an: DiagnosCsche Trias (Papousek, Rothenberg, Cierpka, von Hofacker, 2006)
Kind: Probleme der frühkindlichen
Verhaltensregula9on
Interak9on: Dysfunk9onale Kommunika9on in den alltäglichen Eltern-‐Kind-‐Interak9onen
Eltern: Überlastungssyndrom der
Bezugspersonen
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Extrem unreif Frühgeborene im Schulalter 1
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Extrem unreif Frühgeborene im Schulalter 2
Rückstellung: 47%
Regelschulbesuch: 55%
Förderschule: 23%
G-‐Schule: 4%
K-‐, S-‐, H-‐Schule: 10%
Sprachheilschule: 3%
SonsCge: 5%
38
14
35 37 43
0
10
20
30
40
50
IQ < 85(%)
Angelehnt an StreiTau et al. (2014)
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Extrem unreif Frühgeborene im Schulalter 3
Angelehnt an StreiTau et al. (2014)
Therapiebedarf
! Entwicklungsverzögert/nicht altersgerecht: 77%
! Entwicklungsfördernde Therapien: 97%
! Therapiedauer > 1 Jahr: 76%
! Aktuell noch in Therapie: 47%
Aktuelle Gesundheitsprobleme
! Niere 6%
! Magen-‐Darm 5%
! Herz 3%
! Lunge 12%
! Shunt/Hydrozephalus 8%
! Epilepsie/Anfälle 8%
Aktuelle Alltagsbelastungen
! Regelm. Medikamenteneinnahme 19%
! Regelm. Arztbesuche 65%
! Krankenhausaufenthalte 56%
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Frühgeburt – aktuelle Themen
Nur einige Wochen zu früh geboren: Macht das etwas aus? Moderate und späte Frühgeburt betriv ca. 6% aller Geburten. Also sind sehr viele Kinder davon betroffen. Obwohl ihre Probleme weniger offensichtliche sein mögen, als diejenigen extrem Frühgeborener, ist die gesellschaTliche Bedeutung dieser Gruppe mit Hinblick auf langfrisCge Gesundheit und entwicklungsneurologische Probleme substanCell.
5%
10%
12%
73%
< 28. SSW
28. -‐ 31. SSW
32.-‐33. SSW
34. -‐ 36. SSW
Frühgeburten unterschiedlicher Risikogruppen aus Österreich 2012, www.staCsCk.at/web_de/staCsCken/bevoelkerung/geburten/fruehgeburten/index.html
GesellschaTliche Bedeutung der moderaten und späten Frühchen
Boyle & Boyle (2013), Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed,98(1):F85-‐8.
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Frühgeborene mit niedrigem Risiko Befunde zu Low-‐Risk-‐Frühgeborenen
! Vorübergehende diskrete neurologische Auffälligkeiten, v. a. im Vorschulalter
! Geringe Unterschiede zu Kontrollkindern ab dem Schulalter (Fredrizzi et al. 1986 Ital J Neurol Sci)
! Gruppenunterschiede beruhen auf den ausgeprägten Auffälligkeiten von ca. 30% schwer beeinträchCgter ehem. FG mit niedrigem Risiko (Pasman et al. 1998 Eur J Pediatr Neurol )
! deutlich unterschiedliches Wachstum bis ins Schulalter
! Mit 7 Jahren schlechtere feinmotorische und sprachliche Leistungen bei ehemaligen Low-‐Risk-‐FG (Pietz et al. 2004 Earl Hum Dev)
1% 11%
88%
unter 1 000 1 000 – 2 500 >2500g
Geburtsgewicht der lebendgeborenen Kinder 2003 in Baden Wür,emberg Quelle: StaCsCsches Landesamt
Mehrzahl der Follow-‐up –Studien fokussiert ehemalige FG mit hohen Risikofaktoren für spätere Entwicklungsauffälligkeiten
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Frühgeborene Kontrollgruppe
160 GA <37 W, GG <2500 g
Jahrgang 7/86-6/87 FIPS Heidelberg kein Transport
50 Termingeboren
Jahrgang 7/86-6/87 keine prä/peri/postnatalen Risiken
16 10% gestorben 7 4% angeborene Erkrankungen Parallelisierung nach:
6 4% Behinderungen Alter
Geschlecht 22 14% Muttersprache ≠ deutsch Bildungsstand Eltern 10 6% ELBW GG <1000g Sozioökonomischer Status 12 8% Postnatale Risiken (Sepsis,
Krampfanfälle, Beatmung < 7 Tage)
[Magnitude Prestige Score]
17 11% Kein Follow-up möglich
70 Frühgeborene 7 Jahre 50 Kontrollgruppe 7 Jahre
3 4% Adresse unbekannt 6 12% Adresse unbekannt 2 3% Teilnahme verweigert 3 6% Teilnahme verweigert
65 Frühgeborene 16 Jahre 41 Kontrollgruppe 16 Jahre
Langzeitentwicklung bei Frühgeborenen mit niedrigem Risiko
Pietz et al. (2004)
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 1
! Nachbefragung von Eltern von 65 frühgeborenen Kindern (FG) und 41 termingeborenen Kindern (Kontrollgruppe, KG) im Alter von 16 Jahren zu Schullau�ahn und Förderung.
! Vorbefunde: ! Mit 20 Monaten normale Ergebnisse in einem Entwicklungstest (Griffiths
Skalen)
! mit 20 Monaten und 7 Jahren ein höheres Risiko für Kleinwuchs, Untergewicht und Mikrozephalie (insb. SGA)
! mit 7 Jahren bei neuropsychologischer Testung Auffälligkeiten in Sprache, Visuomotorik und Feinmotorik
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 2
! Auch Frühgeborene mit niedrigen Risiken werden häufiger verspätet eingeschult und haben häufiger Versetzungsschwierigkeiten als termingeborene Kinder.
FG KG χ2 verspätete Einschulung 15 (23,1%) 3 (7,3%) p <.05* Klassenwiederholung 17 (26,2%) 3 (7,3%) p = 0.01** Sonderschulbesuch 3 (4,6%)
2 Förderschule, 1 Sprachheilschule
0
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 3
! Keine Unterschiede hinsichtlich der Noten Ende Kl. 4
! Notendurchschni, der Frühgeborenen in Mathe und Deutsch tendenziell schlechter als bei termingeborenen Kindern.
FG KGNotendurchschnitt Ende Kl. 4 2,2 ± 0,6 2,1 ± 0,6
FG KGDeutsch Ende Kl. 4 2,6 ± 0,9
Median 32,4 ± 0,7Median 2
Mathe Ende Kl. 4 2,5 ± 0,8Median 2
2,3 ± 0,7Median 2
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 4
! Keine Gruppenunterschiede bezüglich der Schulabschlüsse.
! Aber: Frühgeborene erreichen tendenziell häufiger niedrigen bis mi,leren Abschluss (Bildungsstand der Eltern wurde kontrolliert).
FG KGniedrig (höchstens Hauptschule) 10 (15,4%) 3 (7,3%)mittel (Realschule) 30 (46,1%) 16 (39%)hoch (Hochschulreife) 25 (38,5%) 22 (53,7%)
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 5
! Frühgeborene und Kontrollpersonen erhalten vergleichbar häufig schulische/lernbezogene Förderung (Nachhilfe, Förderstunden), psychologische Beratung/ Therapie.
! Frühgeborene erhalten deutlich häufiger und intensivere funk9onelle Therapien (Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie) über die Schulzeit.
FG KG Therapie erhalten 47 (72%) 21 (51%) p < .027*
Therapiedauer (Stunden) 20 ± 42
Median 9
Min -Max 0 -228
7 ± 11
Median 1
Min -Max 0 -56
p < .007**
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Langzeitentwicklung Frühgeborener mit niedrigem Risiko 7
! Keine gesundheitsbezogenen Nachteile der Lebensqualität bei Frühgeborenen mit niedrigen Risiken in der Selbsteinschätzung.
! Hinweise auf diskret geringere objekJve Lebensqualität bei ehemaligen Frühgeborenen mit niedrigen Risiken (Schulnoten, Verteilung von Bildungsabschlüssen).
! Im Verlauf der Schulzeit erhalten Frühgeborene mit niedrigen Risiken wesentlich intensivere funkJonelle therapeuJsche Unterstützung.
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Frühgeborene werden groß – LangzeiPolgen: Fazit
! Auch extrem unreif geborene Kinder entwickeln sich oT normal.
! In Abhängigkeit von der Unreife bei Geburt kommt es zu verschiedenen Entwicklungsstörungen. ! KogniCve BeeinträchCgungen unterschiedlichen Ausmaßes treten
häufiger als Körperbehinderungen auf.
! Aufmerksamkeitsprozesse sind besonders häufig betroffen.
! Frühgeborene werden in der Kindheit in der Regel umfangreich therapeuCsch betreut.
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Frühgeborene in Kindergarten und Schule
Häufige Themen und Fragen
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Häufige Themen und Fragen
! Einschulung, Schulreife
! Aufmerksamkeit
! Hilfen
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Frühgeburt – Einfluss auf die Eltern?
! Erschwerter Bindungsau�au durch langen Krankenhausaufenthalt
! Erleben der eigenen Hilflosigkeit und Abhängigkeit von anderen
! Ängste hinsichtlich ! der körperlichen Gesundheit/Krankheit des Kindes
! KogniCven Entwicklungsstörungen
! Erhöhte Belastung, Erschöpfung durch Arztbesuche und Therapien
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Thema Einschulung, Schulreife 1
! „Die Kindergartenzeit war eigentlich recht unproblemaCsch. Wenn es ihm zu viel wurde, legte er sich einfach auf den Boden und nahm sich seine Auszeit.“
! „Unser Kind war zwar IntegraConskind, aber andere ha,en eigentlich größere Probleme als er.“
! „In der Vorschulgruppe sprachen mich die Erzieherinnen an, das meine Tochter „zu langsam“ sei.“
Für eine Vielzahl von Fallberichten siehe auch: K. Jäkel u.a. (2011). Frühgeborene und Schule. Erfahrungen, Hilfen, Tipps. Landesverband Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz e.V. www.fruehgeborene-rlp.de
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Thema Einschulung, Schulreife 2
! Es hieß immer: Das holt das Kind noch auf ... Kann mein Kind wirklich „au�olen“? Was bedeutet „au�olen“ eigentlich?
! Welche Förderung und wie viel davon?
! Kann unser Kind ganz normal in die Schule? ! SCchtag – Schulpflicht – Rückstellung
! Schuleingangsuntersuchung „Schulfähigkeit“
! Zur Erinnerung: Zurück gestellt wurden ! 47% der extrem unreif Frühgeborenen (StreiTau et al. 2014)
! 23% der moderaten/späten Frühgeborenen (Reuner et al., 2011)
! 7% der Termingeborenen
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SCchtagsregelung
! Wird der Einschulungstermin anhand des tatsächlichen oder des errechneten Geburtstermins festgelegt?
Julia wurde in der 26. SchwangerschaTswoche im August geboren. Ihr errechneter Geburtstermin im November gewesen. Ihr korrigiertes Alter liegt 14 Wochen unter dem tatsächlichen Alter.
http://www.kindergarten-bw.de/site/pbs-bw/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/zentrale-objekte-multilink/pdf/Kooperation_2005_Kapitel_X_Aspekte_einer_Einschulungsberatung.pdf
Eine sog. „Alterskorrektur“ wird im medizinischen Kontext häufig nur bis zum Alter von 2 Jahren vorgenommen.
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Fallbericht ! Erstes Kind gesunder Eltern, Geburt in der 27. SchwangerschaTswoche,
Geburtsgewicht unter 1500g, keine schweren KomplikaConen
! 3 Monate: diskret auffällige Säuglingsmotorik
! Im Verlauf beständige Weiterentwicklung, immer leichte motorische Auffälligkeiten, die aber nicht eindeuCg als „Pathologisch“ eingeordnet werden können.
! 2 Jahre: (Frühgeborenen-‐Nachsorge) knapp normale kogniJve und sprachliche Fähigkeiten, motorisch weiter deutliche KoordinaJonsprobleme.
! Besucht Regelkindergarten ohne IntegraConsmaßnahme, immer begleitende Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie)
! 5 Jahre: erneut im SPZ
! In der psychologischen DiagnosCk Sprache gut durchschniTlich; unterdurchschniTliche konstrukJve Leistungen, Arbeitsgedächtnis eingeschränkt, motorisch (grob und fein) deutlich auffällig.
! Erneute ausführliche neurologische Untersuchung: Diagnose einer Zerebralparese wird jetzt gestellt.
! Die Eltern sind deutlich entlastet dadurch, dass die Auffälligkeiten als „Behinderung“ benannt werden und zielen auf eine Einschulung auf eine Schule für Körperbehinderte.
40 55 70 85
100 115 130
HAWIVA III/K-ABC
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Thema Aufmerksamkeitsstörungen
! ADHS ist häufig: ca. 5% aller Schulkinder
! Frühgeborene: ca. 10%
! Extrem Frühgeborene ca. 15 – 30%
! Moderate/späte FG ca. 7-‐8%
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Thema Hilfen
! Dschungel Schulsystem und „Inklusion“
! Sorge vor möglicher Außenseiterrolle des Kindes (z. B. aufgrund geringer Größe, Zerebralparese, etc. )
! Werden Teilleistungsprobleme rechtzeiCg erkannt?
! Welche Hilfen sind im Verlauf sinnvoll?
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Fazit – Frühgeborene in Kindergarten und Schule
! Frühgeburt ist häufig.
! Für die Eltern ist die erlebte Frühgeburt häufig ein sehr belastendes Erlebnis, auch wenn diese schon mehrere Jahre zurück liegt.
! Bei Frühgeborenen treten häufig motorische und kogniCve Entwicklungsstörungen auf.
! WichCge Themen aus neuropsychologischer Sicht: ! Aufmerksamkeit
! Visuell-‐räumliche Wahrnehmungsverarbeitung
Frühgeborene in Kindergarten und Schule | Fortbildung Klinikschule | 12.05.2015
Liebe Frau Vielleicht können Sie uns einen Rat geben?
Unsere Tochter kam als Frühchen in der 24. Schwangerschafswoche zur Welt und die ersten Jahre waren wirklich nicht einfach. Nun ist sie schon fast 17 Jahre alt ist und zum Glück sind die größten Probleme gut überstanden, sie hat keine körperlichen Behinderungen und ist eine recht gute Schülerin. Trotzdem hat sie immer noch und immer wieder mit ihren Aufmerksamkeitsproblemen zu kämpfen, braucht oT viel Zeit für einfache Dinge. Dieses Thema “verfolgt“ uns seit der Einschulung. Da sie sehr fleißig und ehrgeizig ist, kann sie einiges ausgleichen. Allerdings sind Prüfungen für sie extrem belastend und auch die Lehrer sehen in ihren Aufmerksamkeitsschwankungen und ihrer hohen Anspannung vor Prüfungen das größte Problem.
! Könnte es sein, dass diese Probleme noch mit der Frühgeburt zu tun habe?
! Gibt es besCmmte Hilfen, mit denen wir unsere Tochter unterstützen können?
Vielen Dank für Ihre Antwort, die Eltern
Frühgeborene in Kindergarten und Schule | Fortbildung Klinikschule | 12.05.2015
Weiterführende InformaConen Hahnenberg, U. & Diephaus, D. (2012). Kleine Kämpfer werden groß. Dortmund: bormann media.
Landesverband Früh-‐ und Risikogeborene Kinder Rheinland-‐Pfalz e.V. (Hrsg.) (2011). Frühgeborene und Schule. ErmuCgt oder ausgebremst? Erfahrungen, Hilfen, Tipps. Miltenberg: plexus verlag.
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h,p://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=48186
3Sat Mediathek: DokumentaCon „Früher Kampf ins Leben“. (vom 8.1.2014)
h,p://www.fruehgeborene-‐bildung.de
Website als gemeinsames Projekt des Bundesverbandes Das frühgeborene Kind, des Landesverbandes Früh-‐ und Risikogeborene Kinder Rheinland-‐Pfalz e.V. und des Landesverbandes Früh-‐ und Risikogeborene Kinder Baden-‐Wür,emberg
Frühgeborene in Kindergarten und Schule | Fortbildung Klinikschule | 12.05.2015
Weitere Infos zu diesem Symposium unter http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Aktuelles.8376.0.html