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2.2 Anorganische Bindemittel
pulverförmige anorganische Verbindun- gen
Erhärtung einer Bindemittel-Wasser-Sus- pension durch chemische Reaktionen, Lösungsvorgänge und Kristallisationspro- zesse
Unterteilung in nicht hydraulische Bindemittel Erhärtung an der Luft
hydraulische Bindemittel Erhärtung sowohl an der Luft wie auch unter Wasser wasserbindend, wasserfest, unter Wasser erhärtend
Einbindung von Gesteinskörnungen Bildung eines künstlichen Steines
Lehm: Urbaustoff und ältestes Bindemittel der Menschheit
Verwendung vor über 10.000 Jahren, Lehmziegel 9.000 v.
Noch heute lebt 1/3 der Erd- bevölkerung in Lehmhäusern
Chr.
• Kalk
gebräuchliche Bezeichnung für CaO, gebrannter Kalk
häufig ebenfalls für CaCO3, Kalkstein und Ca(OH)2, gelöschter Kalk, verwendet
hinsichtlich der Erhärtung als Bindemittel in Kalkmörteln wird unterschieden Luftkalk (Erhärtung von Ca(OH)2 und evtl. Mg(OH)2 durch Luftzutritt) - Weißkalk (CL - calcium lime) - Dolomitkalk (DL - dolomitic lime) Wasserkalk (veraltet, zusätzlich gerin- ge hydraulisch erhärtende Anteile) hydraulischer Kalk (zusätzlich hydrau- lisch erhärtende Anteile, HL - hydrau- lic lime βD 28 : HL 2, HL 3,5, HL 5)
Luftkalk 900 °C Brennen von Kalkstein CaCO3(s) CaO(s) + CO2(g) ∆H = 178 kJ/mol Entsäuerung oder Calcinierung des Kalksteins
poröses Reaktionsprodukt (CO2-Verlust), bei Volumenkonstanz theoretisches Porenvolumen von 52 Vol.-%!
zunehmende Brenntemperatur ermöglicht schnelleres Brennen, führt jedoch zu größeren CaO-Kristallen unter Sinterung
Weichbranntkalk (900 °C) Mittelbranntkalk Hartbranntkalk (1400 °C) Sinterkalk
CaCO3
CaO
Löschen von Branntkalk CaO(s) + H2O(l) Ca(OH)2(s) ∆H = - 65 kJ/mol ρrein = 3,34 g/cm3 ρrein = 2,24 g/cm3 exotherme Reaktion (T > 100 °C, Spritzgefahr!), Volumenvergrößerung Zerfall des Stückkalks zu kleinsten Ca(OH)2-Teilchen
Löschen mit stöchiometrischer Wassermenge (einschließlich Verdunstungswasser) Trockenlöschen, Kalkpulver (Werk)
Löschen mit mäßigen Überschuss an Wasser Nasslöschen, Kalkbrei (Baustelle)
Löschen mit hohem Wasserüberschuss, Kalkmilch
Ca(OH)2 mit geringer Löslichkeit, alkalische Lösung, Kalkwasser
Löschgeschwindigkeit sinkt mit steigender Brenntemperatur
H2O Erhärten von Luftkalk Ca(OH)2(s) + CO2(g) CaCO3(s) + H2O(l) ∆H0 = - 113 kJ/mol exotherme Reaktion, Carbonatisierung
Reaktion läuft nur in Gegenwart von Feuchtigkeit ab Bildung von Kohlensäure Neutralisation (trockenes Ca(OH)2 carbonatisiert nicht) CO2(g) + H2O(l) H2CO3(aq) Ca(OH)2(s) + H2CO3(aq) CaCO3(s) + 2 H2O(l)
"Verdursten" von Kalkmörtel (Sonne, Wärme, Untergrund)
langsame Reaktion, nur 0,04 Vol.-% CO2 in der Luft, Beschleunigung durch CO2-Anreicherung
Wasserfreisetzung durch Erhärtungsvorgang, ein Jahr oder länger Baufeuchtigkeit Problem bei Fliesen, Wandspachtel, Lacktapeten
Wie viel Kilogramm Wasser werden aus 50 kg technischem Weißkalkhydrat mit einem Gehalt von 95 % Ca(OH)2 im Verlauf der Carbonatisierung freigesetzt?
Hydraulischer Kalk Natürliche Produkte Brennen tonhaltigen Kalksteins (Kalkmergel) unterhalb 1250 °C ( NHL, natural hydraulic lime)
Bildung von CaO und der Hydraulefaktoren SiO2, Al2O3, Fe2O3 (reaktionsfähige Oxide, s. Zement)
Reaktion von CaO mit Hydraulefaktoren oberhalb 900 °C (siehe Portlandzementklinker)
Werkseitige Hydratation des noch vorhandenen freien Kalks zu Ca(OH)2 (CaO immer gelöscht)
Erhärtung durch Carbonatisierung und Hydrata- tation Künstliche Mischungen Heute überwiegend Mischungen von Luftkalk mit Zement (hydraulisch), Hüttensand (latent hydrau- lisch) oder Puzzolanen (Trass, Flugasche) ( HL)
Gesteinsverwitterung, Verwitterungsprodukte und Baustoffe
Urgestein Granit
Quarz
SiO2
Feldspat
Sand, Kies
SiO2
Ton
Al2O3 ⋅ 2 SiO2 (aq)
Glimmer
Kalkstein
CaCO3
Gipsstein
CaSO4 (aq)
Betonzuschlag Glas
Ziegel Klinker Steinzeug
Zement Kalk Gips
Al2O3 ⋅ 2 SiO2 (aq) Min
eral
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G
este
in
Na2O, K2O Boden, Meer
CO2 SO3
CaO
Lehm
Mergel
• Zement
größte Gruppe anorganischer Binde- mittel, nach Vermischen mit Wasser ("Anmachen") hydraulisch erhärtend
enthält, je nach Zusammensetzung, verschiedene Hauptbestandteile und ins- gesamt bis zu 5 M.-% Nebenbestandteile
unterschiedliche Erhärtungsvorgänge
Haupzementarten (DIN EN 197-1) Portlandzement .……………………. CEM I Portlandkompositzement ……….. CEM II Hochofenzement …………………… CEM III Puzzolanzement ……………………. CEM IV Kompositzement …………………… CEM V
Zuordnung von 27 Normalzementen, je nach Zusammensetzung, möglich
Hauptbestandteile der Zemente (DIN EN 197-1)
Portlandzementklinker… K Hüttensand ………………. S natürliches Puzzolan ….. P natürliches, getemper- tes Puzzolan ……………… Q gebrannter Schiefer …… T kieselsäurereiche Flug- asche ……………………….. V kalkreiche Flugasche ….. W Kalkstein …………………… L / LL Silicastaub ………………… D CEM II mit mehr als 2 Hauptbestandteilen ……. M
Herstellung, Zusammensetzung, Eigenschaften von Portlandzementklinker Trocknen und Aufmahlen von ca. 70 % Kalkstein (CaCO3 bzw. CaO ⋅ CO2) und 27 % Ton (Al2O3 ⋅ 2 SiO2 ⋅ 2 H2O) bzw. ihrer natürlichen Gemische sowie evtl. Korrekturstoffen (Quarzmehl, Eisenerz) Rohmehle (< 90 µm) Kalkstein: CaCO3 bzw. CaO ⋅ CO2 Ton: Al2O3 ⋅ 2 SiO2 ⋅ 2 H2O Brennen in 50 - 100 m langen Drehrohröfen, Erhitzen bis auf 1450 °C, rasches Abkühlen bis auf 200 °C geringer Spielraum für die Zusammensetzung des Rohmehls ergibt sich aus der prozentualen Zusammensetzung des Zementes an Klinkermineralien den stöchiometrischen Verhältnissen der Oxide CaO, SiO2, Al2O3 und Fe2O3 in den entstehenden Klinkermineralien
Nutzung von Kalkkennwerten wie Hydraulemodul (HM) und Kalkstandard (KSt I) zur Berechnung der chemischen Klinkerzusammensetzung zu geringer Kalkgehalt führt zu Abfall der Festigkeit zu hoher Kalkgehalt verursacht Kalktreiben
32322 OFeOAlSiO
CaOHM++
= HM 2,0 … 2,4
32322 OFe7,0OAl1,1SiO8,2
CaO100KStI⋅+⋅+⋅
⋅= KSt I 90 … 100 %
hochwertige Klinker > 97 %
Mineralogische Zusammensetzung von Portlandzementklinker
Abkürzung Farbe Anteil in % Klinkerphase Oxidschreibweise
Bauchemie reine Phase Bereich Mittelwert
Alit Tricalciumsilicat 3 CaO ⋅ SiO2 C3S weiß 40…80 65
Belit Dicalciumsilicat 2 CaO ⋅ SiO2 C2S weiß 2…30 13
Aluminatphase Tricalciumaluminat 3 CaO ⋅ Al2O3 C3A weiß 3…15 11
Ferritphase Calciumaluminatferrit
4 CaO ⋅ Al2O3 ⋅ Fe2O3
C2(A,F) dunkel-braun *
4…15 8
* durch MgO-Einschlüsse graugrün
Chemische Zusammensetzung CaO 65 % (gerundete Mittelwerte) SiO2 21 %
Al2O3 6 %
Fe2O3 3,5 % SO3 1 %
Kurzschreibweise im Bauwesen CaO : C SiO2 : S Al2O3 : A Fe2O3 : F H2O : H SO3 : s CO2 : c
Dicalciumsilicat (Ca2SiO4): aufgebaut aus Ca2+- und SiO44- - Ionen
Tricalciumsilicat (Ca3SiO5): aufgebaut aus Ca2+-, SiO4
4-- und O2-- Ionen
Tricalciumaluminat (Ca3Al2O6): aufgebaut aus Ca2+- und Al6O18
18- - Ionen
Brennen von Rohmehl
Wasserverlust (bis 450 °C) Tonzersetzung (450 - 600 °C) und Oxidbildung (600 - 950 °C), Kalksteinzersetzung (600 - 1000 °C) Bildung von CS und CA (800 - 1000 °C) Kalkaufnahme (1000 - 1300 °C), Bildung von C2S und C2(A,F) weitere Kalkaufnahme (1300 - 1450 °C), Bildung von C3S, Sinterung
Brennstoff
Heizöl Kohlenstaub Gas
Erhärtung von Portlandzement (Partikelgröße < 60 µm)
"Löffelbinder"
Zement ohne Anhydrit/Gips
Abdichten bei Wasseranfall - Erstarrung nach 2 min, - Erhärtung nach 4 bis 5 min!
Zusammensetzung schwankt innerhalb bestimmter Gren- zen
Einflussgrößen - Zementzusammensetzung - w/z-Wert - Temperatur - Mahlfeinheit
Hydratation von C3S und C2S (ca. 80 % des Phasenbestandes) Bildung von Monosilicaten Disilicaten kalkärmeren polymeren Calciumsilicathy- draten, sogenannten C-S-H-Phasen, z. B.:
2 C3S + 6 H C3S2H3 + 3 CH
2 C2S + 4 H C3S2H3 + CH
Hydratation von C3A Bildung von Aluminathydraten
C3A + 6 CH C3AH6 In Gegenwart von CH
C3A + CH + 12 H C4AH13
Hydratation von C3A in Gegenwart von Calciumsulfat Im Zement als Erhärtungsverzögerer Calciumsulfat enthalten (1 % SO3 = 1,7 % Cs bzw. 2,2 % CsH2)
Zugabemenge abhängig von C3A-Gehalt und Mahlfeinheit Zusammensetzung des Sulfatträgers (Cs, CsH0,5, CsH2) beeinflusst Erstarrungs-
beginn Es entsteht zunächst Trisulfat (Ettringit): C3A + 3 Cs + 32 H C3A ⋅ 3 Cs ⋅ 32 H2O Ettringit (stäbchenförmig) Bei niedrigem Sulfatgehalt wird Monosulfat gebildet: C3A + Cs + 12 H C3A ⋅ Cs ⋅ 12 H2O Monosulfat (blättchenförmig)
C3A
Ettringithülle Zutritt von H2O und SO4
2- beim Aufreißen
Hydratphasen und Gefügeentwicklung des Zements (Locher, Richards, Sprung)
Ansteifen Erstarrung Erhärtung verdichtbar C3A Ruhe C C3S C3S … C2S …
CSH
Zusatzstoffe Hüttensand und Silicastaub (Microsilica, Nanosilica) HS alkalische oder sulfatische Anregung der glasigen Bestandteile, die neben SiO2 hohen CaO-, Al2O3- und MgO-Gehalt aufweisen
Erhärtung unter Bildung von C-S-H-Phasen latent hydraulisch MS besteht zu 80 ... 99% aus amorphem SiO2
glasige kugelähnliche Partikeln, mittlerer Korndurchmesser 0,1 - 0,2 µm ca. 50…100 mal kleiner als durchschnittliche Zementpartikeln
keine hydraulischen Eigenschaften, Wirkung als Füllstoff und Erhärtung durch Reaktion mit Ca(OH)2
SiO2 + Ca(OH)2 + H2O C-S-H puzzolanische Reaktion / Puzzolan
weitere Puzzolane sind Trass und Ziegelmehl
• Gips
Gips ist die gebräuchliche Bezeichnung für CaSO4 ⋅ 2 H2O Dihydrat / DH Als natürlicher Gipsstein oder techni- sches Produkt REA-Gips und Chemie- gips
CaSO4 ⋅ ½ H2O entsteht durch thermi- sche Entwässerung Halbhydrat / HH Je nach Entwässerungsbedingungen α-HH (makro-) oder β-HH (mikro- kristallin)
Weitere Temperaturerhöhung führt zu CaSO4 Anhydrit / A je nach Brenntemperatur wird AIII (α- und β-Form), AII und AI unterschieden
Baugipse enthalten mindes- tens 50 % Dehydratations- produkte
Gipstypen im Bauwesen Stuckgips (β-Gips) besteht überwiegend aus β- HH, wenig AIII Putzgips1) (Mehrphasengips) aus β-HH, β-AIII und AII βD bis 10 N/mm2 Estrichgips, Anhydritbinder AII βD bis 30 N/mm2 Modell- und Formengips Hartformgips aus α-HH βD bis 50 N/mm2
1) frühere Versteifung, länger verarbeitbar
Bildung von CaSO4-Phasen (Henning, Knöfel, 2002)
Phase Temperatur 1) Vorgang /Bemerkungen
HH 120 - 180 °C CaSO4 ⋅ 2 H2O CaSO4 ⋅ ½ H2O + 3/2 H2O beginnende Entwässerung bereits ab 40 °C α-HH: nasse Entwässerung (Autoklav, Dämpfer) β-HH: trockene Entwässerung (Drehrohr, Kocher)
AIII > 180 °C CaSO4 ⋅ ½ H2O CaSO4 + ½ H2O α-AIII: aus α-HH β-AIII: aus ß-HH (löslicher Anhydrit)
AII > 240 °C
> 700 °C
CaSO4 (AIII) CaSO4 (AII) AII-s: schwer löslich AII-u: unlöslich (totgebrannter Gips) AII-E: Estrichgips (beginnende Bildung von CaO)
AI > 1196 °C CaSO4 (AII) CaSO4 (AI)
CaO > 1214 °C CaSO4 (AI) CaO + SO3
1) grobe Orientierung
Erhärtung von CaSO4-Phasen durch Kristallisation Löslichkeit in Wasser (Benedix, 2011)
20
8,8
2,4
2,0
CaSO4 ⋅ ½ H2O + 3/2 H2O CaSO4 ⋅ 2 H2O ∆H0 = - 38,6 kJ/mol Lösung von HH und Kristallisation des schwerer löslichen DH, Verfilzung der Nadeln, geringe Volumenzunahme bis 1 % CaSO4 (AII) + 2 H2O CaSO4 ⋅ 2 H2O ∆H0 = - 30,2 kJ/mol langsame Hydratation Hydra-tationsbeschleuniger (Anreger), Hydratation unvollständig Natürlicher Anhydrit AII Volumenzunahme bis 60 %
Struktur von CaSO4 ⋅ 2 H2O 1) Bindung über H-Brücken
SO4–Ca–SO4-Ketten
Schichten aus H2O 1)
SO4–Ca–SO4-Ketten
Anwendung von Gipsbaustoffen hohe Porosität bis 50 % hohes Wassersaugvermögen
gute Feuchtigkeitsaufnahme und Abgabe (Speichervermögen für Wasserdampf)
schalldämmende und wärmeisolierende Eigenschaften wasserlöslich Rückgang der Festigkeit und Haftfestigkeit bei Durchfeuchtung
problematisch für Außenbauteile und Feuchträume
Treibmineralbildung mit Zementbeton
chemisch gebundes feuerhemmend durch Wasserabspaltung bei Wasser Hitzeeinwirkung (Temperaturerniedrigung)
neutrale Reaktion kein Korrosionsschutz für Bewehrungsstahl