22.03.2018 CJK -> ein Fall mit Folgen -...

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22.03.2018 CJK -> ein Fall mit Folgen

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22.03.2018

CJK -> ein Fall mit Folgen

Geschichte

• Seit ca. 250 Jahren „Scrapie“ bei Schafen bekannt

• In den 50er Jahren auf Papua Neuguinea beim Stamm der FORE

erstmals KURU (Zittern) aufgetreten

• Übertragung damals durch

rituellen Kannibalismus

• 1980er Jahre-> BSE in Großbritannien,

Übertragung durch Fütterung

von Tiermehl infizierter Tiere

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Quelle:https://circulatingnow.nlm.nih.gov

Quelle: N-TV

Personen I

Hans–Gerhard Creutzfeldt *2.Juni 1885

HH- †30. Dez. 1964 in München, 1920

Veröffentlichung und Beschreibung der

Erkrankung

Alfons Maria Jakob * 2.Juli 1884 in

Aschaffenburg †17 Okt. in HH.

Entdeckung der Erkrankung kurz nach

Creutzfeldt

3Bildquelle: Wikipedia

Personen II

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Daniel Caleton Gajdusek: *09.Sept.

1923 (New York) †12.Dez 2008

(Tromsö) Nobelpreis 1976

Tollwutimpfung, Scrapie, Alzheimer

Stanley Prusiner: 28.Mai 1942 (Iowa)

Nobelpreis 1997 Prionen, postulierte

bereits 1982 die Bedeutung von Prionen

Quelle:https://circulatingnow

.nlm.nih.gov

Krankheit

• Neurodegenerative Erkrankung

• Inzidenz beim Menschen 1:1 Mio. Einwohner pro Jahr

• Fehlgefaltete Form eines physiologisch vorkommenden zellulären

Proteins (PrPc -> PrPsc)

• Innerhalb weniger Monate zum Tode führend

• i.d. Regel sporadisches Auftreten, einzelne Fälle genetisch

• Iatrogene Übertragung von Mensch zu Mensch möglich (ZNS

Gewebe, Hornhaut u.a.)

• Übertragung vom Tier auf den Menschen möglich (BSE-Bovine

Spongiforme Enzephalopathie)

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Was passiert bei einer Infektion

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• Amyloide Plaques entstehen im ZNS durch Ablagerung von

nicht abbaubaren PrPsc

• Das PrPsc induziert seine Vermehrung durch eine Änderung

der Struktur des natürlich vorkommenden PrPc

• Dadurch Untergang von neuronalem Gewebe

Aus: Suerbaum, Buchard, Kaufmann, Schulz

„Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie“, 8

Auflage, Springer Verlag 2016

Charakteristische MRT- Befunde

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Aus: „Prinziples and Practice of Infectious Diseases“ S. 2151

Mandell, Douglas, Bennett, eight Edition, Elsevier Saunders 2015

CJK –TSE- BSE -Wahnsinn

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ECDC- Surveillance BSE und vCJD

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Europa ist sicher-> Sagt die EU -Brüssel

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Creuzfeldt-Jakob- Erkrankungen Epidemiologie

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Altersverteilung der CJK- Fälle

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sporadische CJD vs. Variante d. CJD

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Unser Fall

• Wer: Pat. männlich, 76 Jahre

• Was: Sturz, zunehmende Wesensveränderung, Sehstörung, PNP,

Gewichtsverlust

• Wann: wenige Wochen vor der CJD-Diagnose Gangstörung->

Lysetherapie bei dringendem Hirn-Infarktverdacht

• Reha-> Verschlechterung des AZ

• Subduralhämatom-> Neurochirurgie -> Ausräumung d. Hämatoms

• Bei unklarem Bild > Tumorsuche, inklusive Hohlraumdiagnostik

• Aus dem Liquor 14-3-3 positiv (nach OP fraglich verwendbar)

• PrPsc nachfolgend positiv Bestätigung NRZ Göttingen

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Risikobeurteilung-> Gruppe II, risikoreicher

Eingriff hat stattgefunden

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Zeitlicher Verlauf

• Erste Meldung 07.07.2017 um 10:00 telephonisch durch

OA Neurologie-> Laborbefund Marker 14-3-3 positiv

• Meldung an das GA durch OA Neurologie (Meldepflicht

nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d IfSG, namentlich ->

Verdacht, Krankheit, Tod)

• Fallermittlung und Einberufung des Ausbruchsteams

07.07.2017

• Sitzungen des Ausbruchsteams

• 11.07,12.07, 13.07, 14.07, 17.07 +folgende Sitzungen in

kleineren Gruppen

• 25.07.2017 Beendigung des Ausbruchs-Falles

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Ausbruchsteam und Management

• GF, Kaufmännischer Direktor, ÄD

• Hygieneteam, Klinikhygieniker

• Gesundheitsamt

• AMD

• Pflegedirektion

• CÄ der betroffenen Abteilungen, hyg. beauftragte Ärzte

der Abteilungen

• Laborleitung, leitende MTA

• Pathologie CA und leitende MTA

• + Sachverständige, sofern nötig

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Betroffene Bereiche- nach der Fallermittlung

durch das Ausbruchsmanagement

• Neurologische Normalstation

• OP

• Anästhesie

• Intensivstation

• Endoskopieabteilung

• ZSVA

• Pathologie

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Sprachregelung!

• Lt. Konsensreport der ECDC CJD-> keine öffentliche

Meldung notwendig

• Erfassung aller möglichen Patienten, die mit MP in

Kontakt gekommen sein könnten, die ein -sehr geringes-

Risiko einer Prionen-Belastung aufweisen könnten

• Keine aktive Benachrichtigung!

• Interne Information reaktiv CA Neurologie

• Externe Kommunikation nur über GF und ÄD

• Belegung der Patientenakte mit VIP Schutz

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Erfassung der möglichen Kontaktpersonen

• Liste aller Patienten, die mit dem OP Besteck operiert worden sein

könnten, und die im selben OP operiert wurden-> Liste OA NCH

• 5 WS OP‘s

• 6 Schädel OP‘s

• Nachverfolgung des Coloskopes (Coloskopie: Pat. 05.07.2017)

• 12 mögliche Kontaktpatienten

• Nachverfolgung des Gastroskopes (Gastroskopie: Pat. 05.07.2017)

• 8 mögliche Kontaktpatienten

• Personal der Pathologie Mikrotom/ Staubsauger

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• Identifikation des OP-Saals in dem der Patient operiert

wurde

• Identifikation der verwendeten OP- Siebe und

Materialien

• Siebe aus dem Verkehr, zentrale Lagerung ZSVA,

Verplomben, zuständige Person benennen und

Kennzeichnung :

Achtung, MP mit V.a. Prionenkontamination nicht

verwenden!!

OP Besteck und Endoskope möglicherweise

kontaminiert

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Und am Ende-> Pathologie kontaminiert

• Information an die Pathologie beim –möglichen- Vorliegen

von speziellen Infektionen sinnvoll

• Bei uns: Nach Information 07.07 CJK Verdacht->

Außerbetriebnahme Mikrotom, Zentrifuge, Staubsauger

Zuschneide- Instrumentarium-> doppelte Umverpackung und

Kennzeichnung

• Schutzmaßnahmen

• Spezielle Dekontaminationsverfahren

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Konsultierte Sachverständige

• Uni Göttingen – Hr.Dr. Hahmann,

• Landesgewerbearzt- Hr. Dr. Nauert

• Hygiene am UKSH Kiel- Fr. Dr. Christiansen

• RKI- Fr. Dr. Offergeld/ Hr. Thanheiser

• UKS- Prof. Dr. W. J. Schulz-Schaeffer

• Landeslabor S-H – Fr. Insa Dammann

• AMD Imland Kliniken

• Arbeitssicherheit Imland Kliniken

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Was tun??

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Aufbereitung Endoskopie

• Akut: Absage aller elektiven Endoskopien bis zur Klärung der

Aufbereitungsmöglichkeit und Risikobewertung

• Versendung der Endoskope zur Aufbereitung nach Göttingen

(Institut für Neuropathologie)

• Bürsten->Mehrweg-> Umstellung auf Einmalbürsten

• Ventile? Verwendung von Mehrwegventilen-> Nachverfolgbarkeit?

• Frage nach Kreuzkontaminationen: in der Phase der manuellen

Vorreinigung denkbar, in unserem Fall: Gastroskop und Coloskop

des betr. Patienten vorgereinigt, zufällig letzte Untersuchung des

Tages, daher Lösung entsorgt

• Nach RS Uni Göttingen-> im RDG-E keine Kreuzkontamination zu

erwarten

• Validierung der RDG-E‘s Protein-Nachweis unter der

Nachweisgrenze?

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Aufbereitung OP

• Spezielle Abschlussdesinfektion lt. RS RKI nicht

notwendig, keine Evidenz zu einer Übertragung durch

Flächen

• Entschluss des Ausbruchsteams-> Behandlung der

Flächen im betroffenen OP mit Natriumhypochlorid 5%

1h bei 20°C

• Detektion des betroffenen OP‘s

• Komplettes Ausräumen des Saals und Behandlung aller

möglich kontaminierten Flächen

• Inklusive Ein- und Ausräumen Standzeit ca. 1 Tag

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Aufbereitung chirurgische Instrumente und

ZSVA

• Routinemäßige Aufbereitung im Prionen-Programm bei NCH- und

Augeninstrumenten 134°C, 18 min Haltezeit

• Identifikation der eingesetzten OP- Siebe

• Sperrung und Kennzeichnung

• Einlagerung

• Einweißdenaturierung mit Guanidiniumthiozyanat 2x 30 Min EWD

• Zwischenspülung nach RKI Anlage 7

• RDG-> einmaliger Leerlauf-> Weiterverwendung des RDG

• Sterilisation im Prionenprogramm

• Arbeitsanweisung (Personalschutz) mit ZSVA, AMD,

Arbeitssicherheit, Abfallbeauftragter (Entsorgung) AS 180103

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Abfall

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Gefahr im Labor?

• S2 Labor

• Bei Einhaltung der TRBA und der UVV keine

Übertragung zu erwarten

• Einwegröhrchen, keine Mehrwegröhrchen

• Prinzipiell infektiöse Prionen auch in lymphatischem

Gewebe, intestinalem Gewebe und Blut vorhanden,

jedoch in so geringer Menge, dass aktuell verfügbare

Tests keinen sicheren Nachweis erbringen

• Liquor-Zählkammern werden mit NaOH behandelt

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Aufbereitung Pathologie

• Mikrotom und Zentrifuge (Hersteller lehnen Verantwortung einer

Aufbereitung ab, keine Materialverträglichkeitsangaben)

• Mikrotom arbeitet mit < -30°C-> Desinfektionsmittelwirkung ???

• Verwendeter Staubsauger-> Aufsaugen der Parafinreste-> entsorgt.

Bei Neuanschaffung -> Mikrofilter in Abluft?

• Empfehlung: unempfindliche Geräte eintauchen in 2 molare

Natronlauge (80g NaOH pro 1 Liter Wasser)

• Besprühen mit einer Lösung aus 0,3% NaOH und 0,2% SDS

(Sodium Dodecyl Sulfat) in 20% Propanol

• Aufbereitung aller Flächen mit oben genannten Verfahren

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Gesamtkosten

• Aufbereitung Gastroskop/Coloskop -> 2.200 € pro Gerät =

4.400 €

• Geräteneubeschaffung Pathologie-> 2.500 €

• Bindung von Arbeitszeit in den Abteilungen?

• Aufwand Nachforschung, Time-line,

Telephonzeit……….Personal??

• Chemikalien zur Aufbereitung-> ca. 1.500€

• Neubeschaffung/ Überarbeitung chirurgisches

Instrumentarium-> ca. 2.500 €

• Gutachten

• Insgesamt ca. 15.000 € + Personalkosten??

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Was haben wir gelernt

• Befundweitergabe bzw. Wahrnehmung von „besonderen“

Befunden muss geregelt sein und die Abläufe regelmäßig geprüft

werden

• Regelung der Einbindung der Hygieneabteilung bei Befunden, die

Isolationsmaßnahmen u/o. besondere Desinfektions- oder

Dekontaminationsmaßnahmen nach sich ziehen

• Nachverfolgbarkeit von eingesetzten MP am Patienten-> sofern

möglich, digitale Dokumentation im KIS (Patientenzugehörigkeit)

• Eine Aufbereitung des gesamten OP-Saals mit NaOCL

(Natriumhypochlorid) wäre nicht zwingend nötig gewesen-> eine

Umgebungskontamination ist unwahrscheinlich

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Was haben wir gelernt II

• Das entscheidende Moment bei der Dekontamination von

Materialien mit möglicher Prionen-Kontamination ist die

Eiweißdenaturierung ,bzw. Eiweißabreicherung

• Validationsberichte mit Nachweis von Eiweiß-Elemination im

Rahmen der Prozessbeschreibung sind wichtig

• Beim Vorhandensein einer NCH und einer Augenklinik-> Prionen-

Programm im Routinebetrieb

• Bereithalten von Rezepturen (Apotheke) und Festlegung von

Beschaffungswegen (MAWI) für den Notfall

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Prionen-Dekontaminationslösung

Ausgangsstoffe Abgabeeinheit 1.000 g

Wasser 795,00 g

Natriumdodecyl-sulfat (SDS) 2,00 g

Natriumhydroxid 3,00 g

n-Propanol (=1-Propanol) 200,00 g

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Indikation:

Zur vollständigen Inaktivierung von Prioneninfektiosität

Gebrauchsanweisung:

Lösung auf betroffene Flächen aufsprühen, diese 10 min feucht halten, ggfs. Nachsprühen

Haltbarkeit:

1 Jahr

Lagerung:

Dicht verschlossen bei 15 – 25 °C

Primärpackmittel:

HDPE-Sprühflasche 1.000 ml mit Sprühpistole (wiederverwendbar)

0,2% SDS (= Natriumdodecyl-sulfat), 0,3%, NaOH 20%, n-Propanol in

Wasser

Sicherheitsdatenblätter vorhanden?-

Arbeitssicherheit und AMD mit einbeziehen

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Dank an die Kolleginnen und Kollegen

• Sachverstand

• Überstunden

• Aufbereitung unter schwierigen Bedingungen

• Mitarbeit bei Geräte-Neubeschaffung und Aufrechterhaltung des

Routinebetriebes

• Unterstützung des Hygieneteams

• Ärztliche Direktion und Geschäftsführung für professionelle

Unterstützung und Zustimmung zur Veröffentlichung

• Gesundheitsamt Kreis Rendsburg-Eckernförde für gute

Zusammenarbeit und fachliche Unterstützung

• Fr. Dr. B. Christiansen UK-SH für das Fazit und die Beurteilung des

Falles

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Literatur

• Beschluss des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS)

„Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Transmissibler

Spongiformer Enzephalopathie (TSE) assoziierter Agenzien in TSE

Laboren“ Beschluss 603, März 2011

• Epdemiologisches Bulletin 26/2015 „zur Situation bei wichtigen

Infektionskrankheiten in Deutschland-Creutzfeldt-Jakob-Krankheit

für das Jahr 2014

• „Die Variante der Kreutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK)“

Bundesgesundheitsblatt 2002;45:376-394 Springer Verlag 2002

• „Prophylaxe der Kreutzfeldt-Jakob-Erkrankung in Krankenhaus und

Praxis“ AWMF Leitlinien Register Nr. 029/025

• „Fast, broad-range disinfection of bacteria, fungi, viruses and prions“

Beekes, M. et. Al. ,Journal of General Virology (2010);91:580-589

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Literatur II

• „Prinziples and Practice of Infectious Diseases“ Mandell, Douglas,

Bennett, eight Edition, Elsevier Saunders 2015

• Suerbaum, Buchard, Kaufmann, Schulz „Medizinische Mikrobiologie

und Infektiologie“, 8 Auflage, Springer Verlag 2016

• „Anlage 7 Maßnahmen zur Minimierung des Risikos einer

Übertragung der CJK/vCJK duer Medizinprodukte“

Bundesgesundheitsblatt2012

• „Surveillance von Infektionskrankheiten auf europäischer Ebene“ A.

Ammon, D. Faensen, Bundesgesundheitsblatt 2009, 52:176-182

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Keep calm

Falcon heavy

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