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Vom Regelverstoß zur Haftung Juristische Folgen von Hygienefehlern 9. Hygieneforum Neumünster 09.03.2017 © DR. CHRISTIAN JÄKEL, RECHTSANWALT UND ARZT FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT KANZLEI DR. JÄKEL MEDIZINRECHT ARZNEIMITTELRECHT MEDIZINPRODUKTERECHT IN KOOPERATION MIT BERLIN DÜSSELDORF

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Vom Regelverstoß zur Haftung

Juristische Folgen von Hygienefehlern

9. Hygieneforum

Neumünster 09.03.2017

© DR. CHRISTIAN JÄKEL, RECHTSANWALT UND ARZT

FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT

KANZLEI DR. JÄKEL

MEDIZINRECHT

ARZNEIMITTELRECHT

MEDIZINPRODUKTERECHT

IN KOOPERATION MIT

BERLIN • DÜSSELDORF

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Inhalt

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FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT

1. Haftungsrelevante Rechtsvorschriften im

Bereich der Hygiene

2. Arzthaftung – Patientenrechtegesetz/BGB

3. Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

(Wundinfektionen, MRSA)

4. Behandlungsfehler im Bereich Hygiene

5. Infektionsschutzgesetz (IfSG) – KRINKO

6. Landesverordnung über die Infektionsprävention in

medizinischen Einrichtungen (MedIpVO)

7. Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV)

8. Arzneimittelgesetz (AMG) – „Mischungen“

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Abkürzungen

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AMG Arzneimittelgesetz

ART Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss

GKV Gesetzliche Krankenversicherung

GKVSpV GKV-Spitzenverband

IfSG Infektionsschutzgesetz

KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung

KRINKO Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention

MedIpVO Landesverordnung über die Infektionsprävention in

medizinischen Einrichtungen

MPBetreibV Medizinprodukte-Betreiberverordnung

MPG Medizinproduktegesetz

QM-RL Qualitätsmanagement-Richtlinie (G-BA,

sektorübergreifend, 16.11.2016)

SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch

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Haftungsrelevante Rechtsvorschriften im

Bereich der Hygiene

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Zivilrecht

§§ 630a ff. BGB

Behandlungsvertrag

Strafrecht

§§ 222, 223 StGB

fahrlässige Tötung/

Körperverletzung

Verwaltungsrecht

IfSG (KRINKO, ART)

MedIpVO

MPG/MPBetreibV

AMG

Sozialrecht

SGB V

G-BA QM-RL

KBV/GKVSpV Verein-

barung ambulantes

Operieren

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26.02.2013 (Gesetz vom 20.02.2013, BGBl. I S. 277)

Patientenrechtegesetz = Ergänzung BGB um

Behandlungsvertrag (§ 630a BGB)

Behandelnder = Arzt (Vertragspartner des Patienten

beim Behandlungsvertrag)

Hauptleistungspflichten (§ 630a BGB)

Nebenleistungspflichten (§§ 630c bis

630g BGB, z. B. Aufklärung, Einwilligung,

Dokumentation, Einsichtsrecht)

Beweislastregeln (§ 630h BGB)

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Arzthaftung – Patientenrechtegesetz

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Behandlungsfehler

Schaden

Kausalität von Fehler und Schaden

entscheidend für Arzthaftungsverfahren

Verschulden (gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet)

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Voraussetzungen der Arzthaftung

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Beispiel

Behandlungsfehler: Hautantiseptikum Gelenkpunktion

< 1 min (Arzneimittelzulassung)

Schaden: Gelenkinfektion

Kausalität von Fehler und Schaden? Hat die zu kurze

Einwirkzeit die Gelenkinfektion verursacht oder andere

Ursachen? Siehe nächste Folie: Beweislast

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Voraussetzungen der Arzthaftung

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Grundsatz

Beweislast Patient für

Behandlungsfehler

Schaden

Kausalität von Fehler und Schaden

Beweislast Arzt für

Fehlendes Verschulden (Verschulden wird vermutet)

Aufklärung des Patienten und Einwilligung (ggf.

hypothetische Einwilligung)

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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

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Besonderheiten

Bereich des voll beherrschbaren Risikos – Rechtsfolge:

Fehlervermutung

Verstoß Dokumentationspflicht – Rechtsfolge:

Vermutung Maßnahme wurde unterlassen

mangelnde Befähigung – Rechtsfolge: Vermutung

Kausalität von mangelnder Befähigung und Schaden

grober Behandlungsfehler/Befunderhebungsfehler –

Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von Fehler und

Schaden

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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

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Fehlervermutung - voll beherrschbares Risiko

wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht

hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war

und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder

der Gesundheit des Patienten geführt hat

z. B. Geräteeinsatz, Hygienemängel

siehe nächste Folie

§ 630h Abs. 1 BGB

Rechtsfolge: Vermutung Fehler und Verschulden

keine Vermutung der Kausalität

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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

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Beispiele:

Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels

Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit

Verbrennung OP Elektrokauter

Tupfer/Instrument etc. im OP-Gebiet zurückgelassen

Lagerungsschäden (OP, Eingriffe)

Darmverletzung bei Darmeinlauf (außer

Prädisposition/Anomalie)

unbemerkt gebliebene Entkopplung Infusionssystem

Funktionstüchtigkeit Narkosegerät

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Voll beherrschbare Risiken

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Vermutung unterlassener Maßnahme – Verstoß

Dokumentationspflicht

medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr

Ergebnis nicht in Patientenakte aufgezeichnet/

Patientenakte nicht aufbewahrt

§ 630h Abs. 3 BGB

Rechtsfolge: Vermutung Unterlassen der Maßnahme

OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2015 – I-8 U

107/13, 8 U 107/13 –, juris: Allgemeine

Desinfektionsmaßnahmen sind nicht im

Operationsbericht dokumentationspflichtig

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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

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Vermutung Kausalität (Beweislastumkehr) – mangelnde

Befähigung und grober Behandlungsfehler/Befund-

erhebungsfehler

§ 630h Abs. 4 BGB: mangelnde Befähigung

Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von mangelnder

Befähigung und Schaden

§ 630h Abs. 5 BGB: grober

Behandlungsfehler/Befunderhebungsfehler

Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von Fehler und

Schaden

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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler

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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene

kein direkter Rückschluss von Infektion auf

Hygienemängel

OLG Köln, Beschluss vom 13. November 2012 – I-5 U

69/12, 5 U 69/12 –, juris (Facetteninfiltration und

Spondylodiszitis)

Beweislastumkehr bei behaupteten Hygienemängeln im

Krankenhaus kommt dem Kläger nur zugute, wenn

feststeht, dass eine eingetretene Infektion aus einem

hygienisch voll beherrschbaren Bereich stammt. Die

Anforderungen an die diesbezügliche Darlegung sind

hoch anzusetzen und erfordern das Vorliegen konkreter

Anhaltspunkte für Hygienemängel.

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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene

Anhaltspunkte für Hygienemängel:

Kein Hygieneplan

Verstoß gegen Vorgaben Hygieneplan

Sonstige Verstöße gegen Hygienevorschriften

(medizinisch notwendige organisatorische

Hygienemaßnahme nicht eingehalten oder fehlerhaft

ausgeführt)

Vermutung Einhaltung des Standes der medizinischen

Wissenschaft bei Beachtung Empfehlungen KRINKO

und ART (§ 23 Abs. 3 Satz 2 IfSG): fehlende Einhaltung

Darlegung anderweitige Sicherstellung notwendig

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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene

Beispiele Hygienemängel:

Krankenhauspfleger eröffnet Abszess; trägt dabei

Handschuhe, mit denen er zuvor die Türklinke des

Krankenzimmers berührt hat (nicht grob)

keine tägliche Kontrolle Infektion, Injektion in Ferse (grob)

Verwechslung, Wunddesinfektion mit

Flächendesinfektionsmittel (grob)

Nichteinhaltung aseptischer Kautelen bei periartikulärer

Injektion (Tragen von Straßenkleidung anstatt Schutz-

kleidung, mangelhafte Desinfektion der Einstichstelle;

grob)

verunreinigte Infusionslösung

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Fallbeispiel: Arzthelferin als Keimträger

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BGH, 20.03.2007 - VI ZR 158/06

Spritzenabszess eines Patienten infolge einer Infektion

durch eine als Keimträger feststehende Arzthelferin

voll beherrschbare Risiken

Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich

in der Arztpraxis elementare Hygienegebote missachtet

keine Anleitung/Überprüfung Hygieneverhalten der

Arzthelferinnen, Desinfektionsmittel umgefüllt und

Alkohole verkeimt, Durchstechflaschen mehrere Tage

verwendet, Flächendesinfektionsmittel zur Hautdes-

infektion, keine Händedesinfektion vor Aufziehen einer

Spritze, Arbeitsflächen nur wöchentlich desinfiziert

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Fallbeispiel: Bettnachbar mit Wundinfektion

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BGH, 16.08.2016 - VI ZR 634/15

Frisch Operierter im Bett neben Patienten mit Wundinfektion

-> Wundinfektion Staph. aureus

Behandlungsfehler? Gutachter nein, wenn KRINKO (+)

BGH: kein voll beherrschbares Risiko (Ursache unklar)

ABER: Einhaltung KRINKO muss Klinik darlegen – an sich

Beweislast Patient, aber hier hat Patient konkrete

Anhaltspunkte für Hygieneverstoß vorgetragen

(Nachbarbett, Wundinfektion, Nachbar zeigte offene Wunde

überall herum)

Logischer Bruch (kein Fehler, trotzdem Beweislastumkehr)

Trotzdem BGH-Rechtsprechung

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Infektionsschutzgesetz

§ 23 Abs. 3 Satz 1 IfSG – geforderter Standard

Leiter folgender Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die

nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderli-

chen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infek-

tionen zu verhüten und Weiterverbreitung von Krankheitser-

regern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden:

[...]

Krankenhäuser

Einrichtungen für ambulantes Operieren

Arztpraxen, Zahnarztpraxen

[...]

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EXKURS: Definition nosokomiale Infektion

§ 2 Nr. 8 IfSG

eine Infektion mit lokalen oder systemischen

Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von

Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen

Zusammenhang mit einer stationären oder einer

ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die

Infektion nicht bereits vorher bestand

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Infektionsschutzgesetz

§ 23 Abs. 3 Satz 2 IfSG – gesetzliche Vermutung

Einhaltung Standard

Die Einhaltung des Standes der medizinischen

Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn

jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission

für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim

Robert Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva,

Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut

beachtet worden sind.

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http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/

Krankenhaushygiene/Kommission/kommission_node.html

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IfSG

§ 23 Abs. 4 IfSG – Niederschriften

Leiter von Krankenhäusern und von Einrichtungen für

ambulantes Operieren

nosokomiale Infektionen und Auftreten von Krankheits-

erregern mit speziellen Resistenzen/Multiresistenzen

(http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Nosokomiale_

Infektionen/liste_noso.html)

inkl. Bewertung und Schlussfolgerungen zu

Präventionsmaßnahmen

Daten zu Art und Umfang des Antibiotika-Verbrauchs

(http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz

/BGBl_7_2013_Antibiotikaverbrauch.html)

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IfSG

§ 23 Abs. 5 IfSG – Hygienepläne

Inhalt: innerbetriebliche Verfahrensweisen zur

Infektionshygiene

Leiter von [...] Einrichtungen für ambulantes Operieren

Ergänzung durch Landesrecht möglich

Brandenburg: Pflicht auch Arztpraxen, Zahnarztpraxen,

sonstige Praxen von Heilberufsangehörigen bei

invasiven Eingriffen in der Praxis (§ 4 i.V.m. § 1 Satz 1

Nr. 6 MedHygV)

Berlin: dito (§ 1 Abs. 3 Hygieneverordnung)

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IfSG

NICHT VERGESSEN:

§ 6 IfSG Meldepflichtige Krankheiten

namentlich

auch gehäuftes Auftreten nosokomialer Infektionen;

epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich oder

vermutet (nichtnamentlich)

§ 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern

(Labormeldepflicht)

namentlich

nichtnamentlich

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MedIpVO

Landesverordnung über die Infektionsprävention in

medizinischen Einrichtungen (MedIpVO) vom 08.09.2011,

GVOBl. 2011, 256

Geltung für Krankenhäuser, Einrichtungen für

ambulantes Operieren, Vorsorge/Reha, Dialyse,

Tageskliniken

Keine Geltung für sonstige Arztpraxen, Zahnarztpraxen,

sonstige Praxen von Heilberufsangehörigen bei

invasiven Eingriffen

betrieblich-organisatorische und baulich-funktionelle

Voraussetzungen für die Einhaltung Grundsätze der

Hygiene

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MedIpVO

Leitung der Einrichtung hat die Empfehlungen der

KRINKO gemäß § 23 Abs. 3 IfSG zu beachten

Bauliche Vorgaben

Hygienefachpersonal (inkl. Mindestqualifikation und

Fortbildung) und Ausstattung mit Hygienefachpersonal

Hygienekommission

Hygieneplan

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MedIpVO

validierte Verfahren für Erfassung und Bewertung

nosokomialer Infektionen und von (multi-) restistenten

Erregern, z. B. von KRINKO empfohlenes Krankenhaus-

Infektions-Surveillance-System (KISS)

Dokumentation inkl. Info Hygienefachpersonal/

Hygienekommission

Schulung Personal

sektorübergreifender Informationsaustausch

(bußgeldbewehrt) – an aufnehmende oder

weiterbehandelnde Einrichtung, auch Rettungs-/

Krankentransportdienste

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Medizinproduktebetreiberverordnung

Aufbereitung von Medizinprodukten - § 8 MPBetreibV

unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers

mit geeigneten validierten Verfahren

so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren

nachvollziehbar gewährleistet ist und

die Sicherheit und Gesundheit von Patienten,

Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird

gesetzliche Vermutung ordnungsgemäße Aufbereitung

bei Beachtung RKI/BfArM-Empfehlung (BAnz AT

12.10.2012 B1; Bundesgesundheitsbl. 2012, 1244)

„quasiverbindlich“

bußgeldbewehrt

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Arzneimittelgesetz

Haftungsfalle Arzneimittelherstellung in der Praxis

erlaubnisfrei zum Zwecke der persönlichen Anwendung

bei einem bestimmten Patienten, unter unmittelbarer

fachlicher Verantwortung Arzt (§ 13 Abs. 2b AMG)

Anzeigepflicht Behörde (Landesamt für soziale Dienste

Schleswig-Holstein)

Qualitätsvorgaben inkl. Hygiene (anerkannte

pharmazeutische Regeln – § 55 Abs. 8 AMG)

verunreinigtes Desinfektionsmittel (beim Umfüllen H2O2)

BGH, Urteil vom 09. Mai 1978 – VI ZR 81/77 –, juris

Fachinformation (Rekonstitution): siehe auch KRINKO-

Empfehlung

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Arzneimittelgesetz

KRINKO-Empfehlung 2011:

„Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und

Injektionen“ – Abschn. 3

Beachtung Herstellerinformationen (Fachinformation,

Packungsbeilage)

chemisch-physikalische Haltbarkeit nach Auflösung

Mischbarkeit mit anderen Substanzen

als Mehrdosenbehältnis deklariert? maximale

Lagerdauer im angebrochenen Zustand; weitere

Bedingungen der Lagerung und Mehrfachentnahme

Bei Zweifeln: Apotheke kontaktieren

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Arzneimittelgesetz

KRINKO-Empfehlung 2017:

„Prävention von Infektionen, die von Gefäßkathetern

ausgehen“ – Teil 1 Abschn. 1.5.18 und 3.11.4

Hintergrund und Risikocharakterisierung (Abschn. 1.5.18)

planbare Rekonstitution nur bei geringem Risiko unter

aseptischen Kautelen auf der Station (sonst Apotheke)

Empfehlungen (Abschn. 3.11.4)

Standards für aseptische Rekonstitution

zuvor hygienische Händedesinfektion

keine Mehrfachentnahmen aus Einzeldosisbehälter für

unterschiedliche Patienten

Portionieren nur unter Reinraumbedingungen (Apotheke)

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Arzneimittelgesetz

Empfehlungen (Abschn. 3.11.4)

beim selben Patienten: unterbrechungsfreier aseptischer

Arbeitsvorgang

Reste in Einzeldosisbehältnissen verwerfen

risikoreiche, komplexe Zubereitungen, die in

Fachinformationen nicht beschrieben sind oder pharmazeu-

tisches Fachwissen erfordern: in Krankenhausapotheke

zubereiten/herstellen mit Festlegung Haltbarkeit

maximale Zeitspanne zwischen Rekonstitution und Beginn

i.v. Verabreichung: 1 Stunde

ggf. Fertigspritzen mit Kochsalzlösung

weitere Empfehlungen

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FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT

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Fazit

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FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT

Hygieneverstöße – erhöhtes Haftungsrisiko

Sorgfaltsmaßstab: Einhaltung des Standes der

medizinischen Wissenschaft (IfSG, RKI) + eigene

Hygienepläne + Vorschriften (IfSG, MedHygV,

MPBetreibV, AMG, G-BA-Vorgaben QM, Verträge

KBV/GKV-SpV)

Hygiene – voll beherrschbares Risiko; wenn aus diesem

Bereich (Beweislast dafür Patient), dann Entlastungs-

beweis Arzt erforderlich (alle organisatorischen und

technischen Vorkehrungen Vermeidung Infektion)

ABER: kein automatischer Rückschluss von Infektion

auf Hygienemängel

Arzneimittel KRINKO

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