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Diabetes mellitus – Grundlagen für den Rettungsdienst Jörg Weiland I Diabetes mellitus – Grundlagen für den Rettungsdienst Jörg Weiland 27.02.09 – 17.12.09

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Diabetes mellitus – Grundlagen für den Rettungsdienst

Jörg Weiland

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Diabetes mellitus – Grundlagen für den Rettungsdienst

Jörg Weiland

27.02.09 – 17.12.09

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Vorwort Im Rahmen immer einfacher werdender diagnostischer Mittel und Geräte, ist es mittler-

weile fast üblich bei jedem Notfallpatienten, der einen venösen Zugang bekommt, einen

Blutzuckertest durch zu führen. Es besteht dadurch die Möglichkeit auch schon im Ret-

tungsdienst eine Erstmanifestationsverdacht oder einen grenzfälligen Diabetes mellitus

früher zu diagnostizieren

Da die chronische Erkrankung an Diabetes mellitus auch in zukünftiger Zeit immer mehr

zunehmen wird liegt mir dieses Thema besonders am Herzen. Es ist auch dadurch be-

gründet auf dieses Thema einzugehen, da meine Frau seit 26 Jahren und meine Toch-

ter seit 12 Jahren an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt sind. Somit verfüge ich auch über

ein wenig Erfahrung im Umgang mit dieser Stoffwechselkrankheit und seiner Entglei-

sungen. Seit nunmehr 24 Jahren kenne ich bereits meine Frau und habe dadurch auch

die Entwicklung in der Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus fast ein viertel

Jahrhundert verfolgt.

Trotz der Fortschritte stellten und stellen sich in meinem rettungsdienstlichen Umfeld

immer noch die Fragen, was schließen wir aus den gemessenen Werten und wie be-

handelt man eine Entgleisung in der unterschiedlichen Richtung.

Diese Facharbeit soll einen Einblick in die Komplexität des Diabetes mellitus vermitteln.

Dazu gehören u.a. die allgemeinen Grundlagen, Definition, Klassifizierung, Evidenz-

basierte Leitlinien sowie persönliche Erfahrungen von mir und meiner Familie.

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III

Inhalt

DIABETES MELLITUS – GRUNDLAGEN FÜR DEN ........................................................................... I

RETTUNGSDIENST .................................................................................................................................... I

JÖRG WEILAND ........................................................................................................................................... I

VORWORT ................................................................................................................................................. II

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................................V

TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................................V

1. DIABETES MELLITUS – DEFINITION, KLASSIFIZIERUNG UND ....................................... 1

GENETIK ..................................................................................................................................................... 1

1.1. DEFINITION ................................................................................................................................. 1

1.2. KLASSIFIKATION ...................................................................................................................... 1

1.3. DIE GENETIK DES TYP 1 DIABETES ..................................................................................... 2

1.4. ERBLICHKEIT DES TYP 2 DIABETES ................................................................................... 3

1.5. WEITERE FORMEN ................................................................................................................... 4

2. INSULIN ............................................................................................................................................. 5

2.1. INSULIN- PHYSIOLOGIE ................................................................................................... 5

2.2. INSULINSYNTHESE UND SEKRETION ................................................................................. 6

2.3. INSULINWIRKUNG .................................................................................................................... 7

2.4. ENTDECKUNG DES INSULINS .............................................................................................. 10

2.5. DIE GESCHICHTE DER INSULINTHERAPIE ..................................................................... 11

2.6. INTENSIVIERTE INSULINTHERAPIE (ICT) ...................................................................... 13

2.7. DIE KONVENTIONELLE INSULINTHERAPIE .................................................................. 14

2.8. WIEDER- UND NEUENTDECKUNG DER INTENSIVIERTEN INSULINTHERAPIE ... 14

2.9. HEUTIGE THERAPIEVARIANTEN ....................................................................................... 15

2.10. INJEKTIONSTHERAPIE UND DEREN ENTWICKLUNG ................................................. 15

2.11. PUMPENTHERAPIE ................................................................................................................. 16

2.12. INSULINARTEN, WIRKEINTRITT, WIRKDAUER ............................................................ 18

2.13. FAZIT UND ZIELE DER INSULIN-THERAPIE ................................................................... 20

3. ERSTMANIFESTATION UND SEINE DIAGNOSE ................................................................... 21

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IV

3.1. BLUTZUCKER (BLUTGLUKOSE) ......................................................................................... 21

3.2. DIAGNOSE .................................................................................................................................. 22

4. ENTGLEISUNG UND DEREN URSACHEN UND BEHANDLUNG ........................................ 25

4.1. HYPOGLYKÄMIE ..................................................................................................................... 26

4.1.1. URSACHEN DER HYPOGLYKÄMIE (UGS.: HYPO`S) ...................................................... 26

4.1.2. SYMPTOME ............................................................................................................................... 26

4.1.3. BEHANDLUNG .......................................................................................................................... 28

4.2. HYPERGLYKÄMIE .................................................................................................................. 29

4.2.1. URSACHEN ................................................................................................................................. 30

4.2.2. SYMPTOME ............................................................................................................................... 30

4.2.3. BEHANDLUNG .......................................................................................................................... 31

4.3. FOLGESCHÄDEN ...................................................................................................................... 32

5. SCHLUSSBETRACHTUNGEN ..................................................................................................... 33

LITERATURVERZEICHNIS .................................................................................................................. 34

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Primärstruktur Insulin ................................................................................. 5

Abbildung 2 : Proteinhormon (51 AS) ............................................................................. 6

Abbildung 3 : Insulin in der Sekretgranula ...................................................................... 7

Abbildung 4: Molekulare Insulinwirkung ......................................................................... 8

Abbildung 5 : Translokation des GLUT-4 Transporters vom Zytoplasma an die

Oberfläche von Fettzellen nach Stimulation mit Insulin ................................................ 10

Abbildung 6 : Paul Langerhans .................................................................................... 11

Abbildung 7: Banting und Best ..................................................................................... 11

Abbildung 8 : Teddy Ryder vor und nach einem Jahr Insulintherapie ........................... 12

Abbildung 9 : Karl Stolte ............................................................................................... 13

Abbildung 10: Insulin Glasspritze ................................................................................. 15

Abbildung 11: DDR InsulinPen 1989 ............................................................................ 15

Abbildung 12: Exubera Inhalationsinsulin ..................................................................... 16

Abbildung 13: Moderner InsulinPen mit Memory .......................................................... 16

Abbildung 14: ACCU-CHEK® Spirit Combo ................................................................. 17

Abbildung 15: MiniMed Paradigm® REAL-Time ........................................................... 17

Abbildung 16: Insulinbedarf Basalrate .......................................................................... 18

Abbildung 17: Wirkeintritt und Wirkdauer von "Bolus"-Insulinen ................................... 20

Abbildung 18: Insulinsekretion beim Gesunden ............................................................ 20

Abbildung 19: Basis Bolus Einstellungen ..................................................................... 21

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Glukose-Transporter (GLUT) beim Menschen ............................................... 9

Tabelle 2: Wirkeintritt, Wirkmaximum und Wirkdauer .................................................. 19

Tabelle 3: Differenzialdiagnostische Kriterien ............................................................... 23

Tabelle 4: Diagnostische Kriterien ............................................................................... 24

Tabelle 5: Umrechnungstabelle incl. neuer HbA1c-Einheit ............................................ 25

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1. Diabetes mellitus – Definition, Klassifizierung und Genetik

1.1. Definition

Diabetes mellitus = Honigsüßer Durchfluss

Diabetes griechisch: hindurchfließen1

Mellituslateinisch: honigsüß

2

„Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoff-wechsels, deren Leitbefund die chronische Hyperglykämie ist. Ursache ist ent-weder eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung oder auch beides.“3

1.2. Klassifikation

Die neue Einteilung der Klassifikation des Diabetes wurde bereits 1997 von der

amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) [The Expert Commitee 1997] vor-

geschlagen. Diese versucht sich atiologischen Aspekten zu orientieren.4 Diese

wurde 1999 von der WHO und 2000 von der DDG im Konsens bestätigt.5

Die letzte Aktualisierung der Klassifizierung erfolgte 12/2005 und stellt sich wie

folgt dar.

1 Babylon 8[Wikipedia.org]. 2 Babylon 8[Duden; Deutsches Universal Wörterbuch, online]. 3 Kerner, W; Brückel, J: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Diabetologie 2008; 3Suppl 2: S.131-133. 4 Pfeiffer, A.F.H.: Die verschiedenen Formen der Zuckerkrankheit und deren Genetik In: Schatz, Helmut et al (Hrsg.): Diabetologie kompakt 3.Aufl. Stuttgart: Thieme, S.13-20. 5 W. Kerner, J. Brückel, B. O. Böhm Herausgeber: W. A. Scherbaum, W. Kiess Aktualisierung der 1. Auflage vom Juli 2001: Kerner W, Fuchs C, Redaélli M, Boehm BO, Köbberling J, Scherbaum WA, Tillil H. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinien DDG: Scherbaum WA, Lauterbach KW, Joost HG (Hrsg.). 1. Auflage. Deutsche Diabetes-Gesellschaft 2001 Die vorliegende aktualisierte Leitlinie ist bis 2006 gültig.

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1.Typ-1-Diabetes • b-Zellzerstörung, die zu einem absoluten Insulinmangel führt. • meist immunologisch vermittelt. • der LADA (latent autoimmune diabetes in adults) wird dem Typ-1-Diabetes zu-

geordnet. 2.Typ-2-Diabetes

• Kann sich erstrecken von einer vorwiegenden Insulinresistenz mit relativem In-sulinmangel bis zu einem vorwiegend sekretorischen Defekt mit Insulinresis-tenz.

• Ist häufig assoziiert mit anderen Problemen eines so genannten metabolischen Syndroms.

3. Andere spezifische Diabetes-Typen

• Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z.B. Pankreatitis, zystische Fibrose, Hämochromatose)

• Endokrinopathien (z.B. Cushing-Syndrom, Akromegalie, Phäochromozytom) • Medikamentös-chemisch induziert (z.B. Glukokortikoide, Neuroleptika, Alpha-

Interferon, Pentamidin) • Genetische Defekte der b-Zell-Funktion (z.B. MODY-Formen) • Genetische Defekte der Insulinwirkung • Andere genetische Syndrome, die mit einem Diabetes assoziiert sein können • Infektionen • Seltene Formen eines autoimmun vermittelten Diabetes.

4. Gestationsdiabetes Erstmals während der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte Glukosetoleranzstörung Dies schließt ein:

• Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes • Erstmanifestation eines Typ-2-Diabetes • Erstmanifestation anderer spezifischer Diabetes-Typen • Präkonzeptionell manifester, aber nicht diagnostizierter • Diabetes mellitus (Typ2); v. a. anzunehmen bei Glukosetoleranzstörung bereits

im 1. Trimenon.6

1.3. Die Genetik des Typ 1 Diabetes In der weißen Europäischen Bevölkerung beträgt das Risiko an Diabetes Typ 1 zu er-

kranken ca. 0,4%. Bei Nachkommen von Typ 1 Diabetikern steigt hingegen das Risiko

auf 6%. Bei ca. 5% liegt das Risiko bei Geschwistern von Typ 1 Diabetikern und auf

30% für monozygote Zwillinge. Dizygote Zwillinge haben dagegen das gleiche Risiko

6 Kerner, W; Brückel, J: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Diabetologie 2008; 3Suppl 2: S.131-133.

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wie die Geschwister. Es besteht ebenso ein Nord-Süd Gefälle, so ist das Risiko in den

nördlichen Ländern Europas höher als in den südlichen Ländern mit Ausnahme von

Sardinien, dort ist das Risiko genauso hoch wie in Skandinavien.7

Der Ort auf dem die Merkmale zur Vererbung sitzen ist bekannt. Sie befinden sich auf

dem kurzen Arm des 6er Chromosoms und werden zusammen mit einer Häufung der

HLA (humanen Leukozytenantigene) DR3 und DR4 beobachtet. Es gibt aber viele die,

diese Erbinformation besitzen aber bei denen es zu keiner Erkrankung kommt, es wird

aber vermutet das bei entsprechender Veranlagung der auslösende Faktor ein Virusin-

fekt ( Masern, Mumps, Hepatitis A, oder Grippe) ist. Dieser Virusinfekt löst eine Auto-

immunreaktion aus bei denen der Organismus Antikörper gegen die Beta-Zellen in den

Langerhans-Inseln ausbildet, die diese dann vernichten.

8

Man könnte aber noch tiefer gehen und die genaue bis jetzt herausgefundene Genetik

zitieren, aber ich denke das würde für den Rettungsdienstler zu weit gehen (HLA, MHC-

Klasse-II-Komplex u.v.m.).

1.4. Erblichkeit des Typ 2 Diabetes

Hier spielt die Genetik noch eine viel größere Rolle als bei dem Typ 1 Diabetes. Es zeigt

sich u.a. in der unterschiedlichen Häufung in verschiedenen ethnischen Gruppen, bei

der Auftretensrate auch beim zweiten Zwilling wenn es beim Ersten bereits manifestiert

ist, sowie der familiären Häufung der Erkrankung.

Die Pima-Indianer sind die bekanntesten einer ethnischen Gruppe, die ein Auftreten von

35% nach dem 20.Lebensjahr aufweisen können, im Gegensatz dazu liegt die Inzidienz

bei der weißen europäische Population nur bei 4-7%. Das Risiko für das erkranken bei

einem diabetischen Elternteils liegt ca. 3-6mal höher als bei denen die kein Elternteil mit

Diabetes vorweisen können. So haben etwa 25% der Eltern von Typ 2 Diabetikern

selbst einen Typ 2 Diabetes, wobei häufiger die Mutter betroffen ist (Nach Köbberling

und Tillil 1982).

Es gibt mittlerweile noch mehrere Studien die z.B. Zwillingsbeobachtungen, Familien-

studien oder spezielle Genpolymorphismen mit Austausch einzelner Basen(SNP).9

7 Vgl. Pfeiffer, A.F.H.: Die verschiedenen Formen der Zuckerkrankheit und deren Genetik

In: Schatz, Helmut et al (Hrsg.): Diabetologie kompakt 3.Aufl. Stuttgart: Thieme, S.16-17. 8 Vgl. Schmeisl, G.W.: Grundlagen der Anatomie und Physiologie In: Schulungsbuch für Diabetiker 4.Aufl. München-Jena: Urban & Fischer, S. 3. 9 Vgl. Pfeiffer, A.F.H.(2004): Die verschiedenen Formen der Zuckerkrankheit und deren Genetik In: Schatz, Helmut et al (Hrsg.): Diabetologie kompakt 3.Aufl. Stuttgart: Thieme, S.16-17.

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1.5. Weitere Formen Diese sind die genetischen Defekte der Betazellfunktion: MODY und mitochondrialer

Diabetes.

Erstmals wurde der MODY Typ von Tattersal und Fajans 1975 beschrieben, es handelt

sich dabei um eine Manifestation im Kindesalter oder frühen Erwachsenalter, die häufig

mit einer milden Erkrankung und eines autosomal-dominatem Muster der Vererbung

einhergeht. Mittlerweile sind 5 MODY-Typen (Maturity Onset Diabetes oft he Young)

bekannt, da Unterschiede im klinischem Verlauf und in der Pathogenese gefunden wur-

den. Es wurde auch eine häufige Mutation der mitochondrialen DNS als mütterlich ver-

erbte dominante Diabetesursache beschrieben (MIDD).

In der neuen Klassifikation wurde der MODY-Diabetes durch die Beschreibung des ge-

netischen Defekts ersetzt. In der Klinik wird aber noch immer mit den MODY-Typen ge-

arbeitet.10

Es existiert auch noch im immunvermittelten Typ 1 Diabetes eine Sonderform, in der die

langsamere Manifestation im Erwachsenenalter, durchschnittlich bei ca. 50 Jahren, der

durch Glutamatdecorboxylase(GAD)- oder Phosphatase-Antikörper(IA2-A) belegt wer-

den kann, dies bezeichnet man als LADA (Latent Autoimmune Diabetes with onset in

Adults)

10 Vgl. Pfeiffer, A.F.H.(2004): S.18-20.

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2. Insulin 2.1. Insulin- Physiologie Das Hormon Insulin wird in den Betazellen der Langerhans-Inseln im Schwanz der

Bauchspeicheldrüse (Pankreas) über die Vorstufe des Prä-Proinsulin aus Proinsulin (83

Aminosäuren) durch Abspaltung des C-Peptids (Connecting Peptide) gebildet. Es be-

steht aus einer A-Kette mit 21- und einer B-Kette mit 30 Aminosäuren, diese sind durch

2 Disulfidbrücken von A7 zu B7 und von A20 zu B19 mit einander verbunden. Die A-

Kette besitzt noch eine dritte Disulfidbrücke von A6 zu A11.

Die Primärstrukturen der meisten Insuline, vor allem der Säugetiere unterscheiden sich

nur in einzelnen Strukturen.11

Abbildung 1: Primärstruktur Insulin

12

Früher dachte man dies sei von großem Einfluss auf die Antigenität der Präparate aber

dies gilt heutzutage nicht mehr, da die Insuline hochgereinigt sind.

13

11 Vgl. Kriegstein, E. von; Schatz, H. (2004) : Insulin. In: Schatz, Helmut et al (Hrsg.) Diabetologie

kompakt 3.Aufl. Stuttgart: Thieme, S.86-87. 12 Hürter, Peter (1997): Normale Physiologie. In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.41. 13 Vgl. Kriegstein, E. von; Schatz, H. (2004): S.86.

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2.2. Insulinsynthese und Sekretion Den Anreiz zur Insulinsynthese bildet fast ausschließlich Glukose. Das Insulin wird zum

großen Teil in den Beta-Zellen gespeichert. Auf einen Sekretionsreiz wird nur ein kleiner

Teil des gespeicherten Insulins ausgeschieden. Folglich sind die Stimulationsmöglich-

keiten der Biosynthese begrenzt. Die Insulinsekretion dagegen wir von einer Vielzahl

von Substanzen beeinflussbar. Der wichtigste Reiz ist der Anstieg der

Glukosekonzentration in der extrazellulären Flüssigkeit. Andere Zucker, Aminosäuren,

Fettsäuren und deren Derivate wirken ebenfalls als Sekretionsreiz, dazu gehören

Mannose, Fructose, Glucosamin, Sorbit und Xylit. Aber es gibt noch weitere, in ihrer

Reihenfolge ihrer Wirkung: Argenin, Lysin, Leucin, Phenylalanin, Valin, Methionin,

Caproat und Caprylat. Ebenso wirkt Glukagon stimulierend auf die Insulinausschüttung,

ebenso mehrere Hormone wie ACTH, Wachstumshormone und Kortisol. Insulinfreiset-

zende Wirkung haben auch einige gastrointestinale Hormone wie: GIP (gastric inhibitory

polypeptide), Gastrin. Chelezystokinin, VIP (vasoactive intestinal polypeptide) und Me-

dikamente wie z.B. Sulfonylharnstoffe. Hemmend wirken Beta-Rezeptorenblocker,

Diazoxid und Mannuheptulose sowie Somatostatin (aus den D-Zellen der Langerhans-

Inseln).14

„Struktur und Synthese des Insulins Proteinhor-mon (51 AS), das aus ei-ner α- und einer β-Kette besteht, die durch zwei Disulfidbrücken verbunden sind.“

Abbildung 2 : Proteinhormon (51 AS)

14 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Normale Physiologie. In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.43-45

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Synthese an Polyribosomen → Prä-Proinsulin → posttranslationelle Modifikationen →

Proinsulin → Verpackung im Golgi-Apparat zu exkretorischen Granula → Abspaltung

des C(connecting)-Peptids (bei Sekretion) → Insulin (Insulin und C-Peptid werden in

äquimolaren Konzentrationen sezerniert), deshalb kann die C-Peptid-Konzentration als

Maß für die endogene Insulinproduktion verwendet werden.

Lokalisation von Insulin in Sekretgranula ei-

ner β- Zelle: das Insulin ist durch die feinen

schwarzen Gold-Partikel markiert. Protein A-

Gold Technik.

© Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.;

(Hrsg.); Pathologie, 3.Auflage, 2004; Urban &

Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundli-

cher Genehmigung des Verlages.“15

2.3. Insulinwirkung Insulin ist das einzige Hormon mit dem anabolen Prinzip des Energiestoffwechsels. Es

greift in vielfältiger Weise in den Energiestoffwechsel ein und entfaltet seine Wirkung vor

allem in der Muskulatur, im Fettgewebe und in der Leber. Insulin fördert die Synthese

und Speicherung von Energiereserven nach der Nahrungsaufnahme. Des näheren sind

es:

• Förderung des Einstroms von Glukose in die Zelle und stellt damit das Substrat

für die Glykogen-, Fettsäure- und Triglyzeridsynthese zur Verfügung

• Substratlieferung für die Proteinsynthese durch Stimulation des

Aminosäurentransportes

• Durch die Enzymstimulation (Glykogensynthase, Pyrovatdehydrogenase,

Acetyl-CoA-Carboxylase) fördert es die Syntheseleistungen (Glykogen-,

Triglyzerid-, Proteinsynthese)

15Kopie von: http://www.megru.uzh.ch/j3/module/endokrinologie/endo.php?uniId=E71110&di=10&v1=181#E71110v181.

Abbildung 3 : Insulin in der Sekretgranula

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• Insulin regelt auch den Ionenfluß in der Zellmembran (Na+, K+,Ca2+) und fördet

damit u.a. die K+ -abhängige Glykogen- und Proteinsynthese

• Initiales in Gang setzen der intrazellulären Syntheseschritte auf Rezeptorebene

(Stimulation der Rezeptor-Thyrosinkinase und der Rezeptor – Proteinsubstrat-

phosphorylierung

• Stimulierend auf die Zellteilung und reguliert wichtige Gentranskriptionen

„Molekulare Insulinwirkung in der Zelle

Abbildung 4: Molekulare Insulinwirkung

Zelloberflächenrezeptor (transmembranöses Glykoprotein), der aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten besteht

α-Untereinheit enthält Bindungsstelle und bindet Insulin mit hoher Affinität, β -Untereinheit enthält Tyrosinkinase

Tyrosinkinase phosphoryliert β-Untereinheit und andere zytoplasmatische Proteine (z.B. IRS 1/2; Insulinrezeptorsubstrat 1/2) → A k-tivierung von Proteinkinasen und Enzymen → Insulineffekte

bei konstant erhöhten Insulinkonzentratio-nen kann es zu einer «down-regulation» der Rezeptoren kommen.“16

Die am längsten bekannte Förderung ist die des Glukosetransportes durch die Zell-

membran. Insulin bestimmt somit den gesamten Glukoseverbrauch von Muskel- und

Fettgewebe durch die Steuerung der Glukoseaufnahme. Die Membrane der meisten

Zellen sind für Glukose undurchlässig und brauchen dafür ein spezielles Transportsys-

tem (Abb.5) dieses benötigt im Gegensatz zur Glukoseresorbtion im Darm und zur

Glukoserückresorbtion in der Niere keine Energie. Das Transportsystem ist durch Insu-

lin steuer- und regelbar. Fett und Muskelgewebe ist von der Steuerung durch das Insulin

16 Kopie von: http://www.megru.uzh.ch/j3/module/endokrinologie/endo.php?uniId=E71110&di=40.

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abhängig während Organe mit konstantem Glukoseverbrauch (z.B. Hirnzellen und

Erythrozyten) Insulinunabhängig Glukose durch Diffusion aufnehmen können. Weiterhin

sorgt Insulin dafür, dass die durch die Nahrung aufgenommen Substrate in ihren Er-

folgsorganen zur jeweils speziellen Synthese genutzt werden können. Das Insulin hat

aber auch hemmende Wirkungen auf die Lipolyse im Fettgewebe und in der Leber so-

wie auf die Glykogenolyse in Leber und Muskulatur und der Ketogenese und

Glukoneogenese in der Leber. Durch diese Hemmung entwickelt Insulin seine entge-

gengesetzte Wirkung gegenüber den katabolen Hormonen.17

Zur Zeit sind 5 GLUT-Isoformen bekannt, die in verschiedenen Geweben unterschied-

lich exprimiert werden

Tabelle 1: Glukose-Transporter (GLUT) beim Menschen18

Name

Lokalisation Affinität für Glukose Bemerkungen GLUT-1 • alle Gewebe

• Blut-/Hirn-Schranke • Erythrozyten ****

• vermittelt basale Glukose-uptake in Zelle (hohe Affinität)

• wichtig für Versorgung des ZNS mit Glukose

GLUT-2 • Leber, Pankreas (β-Zellen)

• Serosa von Darm und Niere ****

• nur aktiv bei relativ hohen Glukosekonzentrationen (postprandial)

GLUT-3 • alle Gewebe • Neuronen des ZNS ****

• wichtigster Transporter der neuronalen Oberfläche

GLUT-4 • Muskelzellen • Fettzellen ****

• intrazellulär sequestriert • wird durch Insulinwirkung an

Zelloberfläche transloziert

GLUT-5 • Jejunum, Leber • Spermatozoen ****

• v.a. für Fruktose-Absorption

17 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Normale Physiologie. In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.46. 18 Kopie von: http://www.megru.uzh.ch/j3/module/endokrinologie/endo.php?uniId=E71110&di=60&v1=221#E71110v221.

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Abbildung 5 : Translokation des GLUT-4 Transporters vom Zyto-plasma an die Oberfläche von Fettzellen nach Sti-mulation mit Insulin 19

2.4. Entdeckung des Insulins Die ersten schriftlichen Beweise für das Vorkommen von Diabetes gibt es schon seit

1500 v. Christus. Im 2. Jahrhundert v. Chr. gebrauchte zuerst Areatus von Cappadocia

den Namen „Diabetes“. Der englische Arzt John Rollo führte dann Ende des

18.Jahrhunderts das Adjektiv „mellitus“ ein.

Paul Langerhans beschrieb 1869 in seiner Dissertation die später nach ihm benannten

Inselzellen des Pankreas.

Josef von Mering und Oskar Minkowski erkannten 1889 in Straßburg die Bedeutung der

Bauchspeicheldrüse für die Enstehung des Diabetes mellitus.

Jean de Meyer gab dann 1909 dem unbekannten Wirkstoff aus den Langerhans-Inseln

den Namen „Insulin“.

Auf den Spuren des Insulins waren in der Folgezeit mehrere Forscher u.a.: 1906 G.I.

Zülzer in Deutschland, 1911 E.I. Scott in den USA, 1919 I. Kleiner in den USA und 1921

N. Paulesco in Rumänien.

Den Forschern Frederick Grant Banting und Charles H. Best gelang 1921 die Epochale

und Fachwelt überzeugende Extraktion des wirksamen Hormons aus tierischen Bauch-

19 Bild von Dr. Vollenweider, Lausanne Kopie von: http://www.megru.uzh.ch/j3/module/endokrinologie/endo.php?uniId=E71110&di=60&v1=221#E71110v221.

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speicheldrüsen. 1922 wurden die Foschungsergebnisse publiziert (Banting u. Best

1922, Banting et al. 1922) und 1923 erhielten Sie dafür den Nobelpreis. Zu Dieser Ar-

beitsgruppe der Universität Toronto gehörten noch J.J.R. Macleod als Chef und James

B. Collip als Biochemiker an.

Mit dieser, einer der größten, Entdeckung der Medizingeschichte begann die Ära des

Insulins und nahm dem Diabetes mellitus seinen Schrecken obwohl die Erkrankung

nicht geheilt sondern nur behandelt werden kann.20

Abbildung 6 : Paul Langerhans

Abbildung 7: Banting und Best

2.5. Die Geschichte der Insulintherapie

In der Zeit vor dem Insulin versuchte man die schlechte Prognose dadurch zu verbes-

sern, in den man die Patienten mit kalorienarmen und in ihrer Zusammensetzung nicht

physiologischen Diäten behandelte. Es wurden komplizierte Kostformen entwickelt die

meist arm oder sogar frei an Kohlehydraten waren aber dafür einen hohen Fettgehalt

aufwiesen, was sich auch wieder negativ auswirkte. Es wurden auch Hungerbehandlun-

gen ausprobiert, diese führten aber noch schneller zur Atrophie und Tod.

20 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Geschichte der Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen, In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.186-188.

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Nach der Einführung des Insulins kam es nur zögerlich zur Änderung der Kostformen.

Man versucht auch so lange wie möglich ohne Insulin auszukommen und beschränkte

sich bei Kindern auf den Grundumsatz in der Nahrungsaufnahme.

1926 erschien die erste deutschsprachige Monographie von Richard Wagner (Universi-

tätsklinikum Wien) der schon die „moderne“ Auffassung vertrat das die Kinder ihres Al-

ters und ihrer Entwicklungsbedürfnissen entsprechend essen und sich nicht von „ge-

sunden“ Kindern unterscheiden brauchen. Es muss nur die die richtige Insulinmenge

verabreicht werden. Zu dieser Zeit gestaltete sich aber die Berechnung noch sehr

schwierig da es noch keine Standards für die Insulinpräparate (z.B. Wirkdauer) gab.

Auch gab es noch nicht wie von ihm empfohlen die Möglichkeit öfters den Blutzucker-

spiegel zu bestimmen, so kam in der Anfangsphase für die tägliche Praxis nur die Rela-

tion mit dem Harnzucker in Frage. Er hatte auch sonst noch viele Auffassungen die

auch noch heute ihre Gültigkeit haben (z.B. zeitnahe Versorgung zu Hause unter der

Mitarbeit der Eltern und der Kinder selbst.

1922, am 11.Januar wurde bereits der 14jährige Leonard Thompson im Toronto Gene-

ral Hospital mit den Extrakt von Banting und Best behandelt. Ein anderer bereits 1922

als Kind behandelter Patient, war Ted Ryder, er starb 1993 und war eines der ersten 12

mit Insulin behandelten Kinder. Sein Diabetes war der erste der über 70 Jahre doku-

mentiert wurde.21

Abbildung 8 : Teddy Ryder vor und nach einem Jahr Insulintherapie 1922-23

21 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Geschichte der Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen, In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.188-189.

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2.6. Intensivierte Insulintherapie (ICT) Die uns heute bekannte Intensivierte Insulintherapie wurde in ihren Grundzügen schon

Ende der 20er Jahre propagiert. Es ging schon damals um die 3-4malige injektion mit

kurzwirkenden Insulinpräperationen. Elliot P. Joslin und seine auf pädiatrischem Gebiet

arbeitende Kollegin Priscilla White forderten vor allem die Schulung der Patienten, re-

gelmäßige Stoffwechselselbstkontrolle mit Hilfe Uringlukosemessungen, Feinabstim-

mung der Insulindosis, Nahrungszufuhr und körperlicher Bewegung (3-Säulen-

Therapie). Sie vertraten auch die Ansicht einer langanhaltenden ambulanten Behand-

lung anstelle stationärer Behandlung.

In Deutschland entwickelte der Kinderarzt Karl Stolte eine Insulinsubstitutionsmethode,

die heute als die erste Intensivierte Insulintherapie bezeichnet werden muss. Seine Ar-

beiten (Stolte 1933, Stolte 1934, Stolte 1938, Stolte und Wolf 1939) sind noch heute in

den Leitlinien für die Diabetesbehandlung wiederzufinden

• Tägliche neue Anpassung der Dosis an die freigewählte Nahrungsaufnahme

• Tägliche Stoffwechselselbstkontrolle (damals durch Urinkontrolle direkt vor der

Injektion)

• Dosisanpassung nach Testergebnis (+2 Einheiten wenn positiv, wenn schwach

positiv bis neutral keine Korrektur und wenn negativ -2 Einheiten)

• Insulinbedarf bei Kindern entsprach dem dreifachen der Labensjahre

Heutzutage kommt es der präprandialen Insulinsubstitution gleich, die in den 80er Jah-

ren wiederendeckt wurde. In den 30er Jahren wurden die Erkenntnisse unter anderen

von Erwachsenen-Diabetologen stark attackiert, dies beruhte aber hauptsächliche auf

Missverständnissen die er selbst provoziert hat durch Begriffe

wie „freie Kost“.

Er erklärte auch das „Nachschäden“ (die erst in den 40er Jah-

ren exakt zu bestimmende Spätschäden), nur mit einer genau-

en Stoffwechseleinstellung bei „Glukoseurie-Freiheit“ zu ver-

meiden sind.22

22 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Geschichte der Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen. In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.189-191.

Abbildung 9 : Karl Stolte

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Durch die Einführung von Verzögerungsinsulinpräparaten kam es zu einer anderen The-

rapieform.

2.7. Die konventionelle Insulintherapie Das erklärte Ziel war es, von der Mehrzahl der damals führenden Diabetologen prakti-

ziert, die Zahl der täglich notwendigen Insulindosen auf 1-2 zu begrenzen. Die Folge

war, durch das fast ausschließlich applizierte Verzögerungsinsulin, ein permanenter

Hyperinsulinismus, der durch häufige exakt berechnete Mahlzeiten kompensiert wurde.

Dies war und ist eine stark reglementierte Behandlungsmethode.

2.8. Wieder- und Neuentdeckung der intensivierten Insulin-therapie

Anfang der 70er Jahre wendete sich das Blatt wieder zugunsten der Intensivierten Insu-

lintherapie. Dafür gab es mehrere Gründe. Es gab jetzt die Auffassung das die Diabeti-

ker und bei diabetischen Kindern die Eltern so zu schulen sind das sie zu „Diabetes-

Experten“ werden. Die Uringlukosebestimmung im Spontanurin wurde als aktueller Wert

anerkannt, später, ab 1978, verdrängte dann die Blutglukosebestimmung mehr und

mehr diese. Die „Blutzuckerbestimmung“ wurde dann als zumutbares Mittel zur Selbst-

kontrolle akzeptiert. Mit der Entdeckung des Glykohämoglobins (HbA1C) als Langzeit-

wert wurde auch die Einstellung und die Einhaltung der Therapieziele im häuslichen

Bereich für die Ärzte nachvollziehbar.

Dazu kam noch, dass Mitte der 70er auch endlich die NPH-Insuline eingeführt wurden.

Diese waren mit Verzögerungs- und Normalinsulin frei mischbar und das Prinzip der

flexiblen Insulindosisanpassung wurde entwickelt und setzte sich immer mehr durch.

Somit wurden immer mehr ärztliche Dogmen aufgeweicht.

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre setzte sich die Methode der Prandialsubstitution

(Nahrungsaufnahmenabhängig), erweitert um eine Basalsubtitution (Nahrungsaufnah-

meunabhängig) durch, die basierend auf neuen Erkenntnissen der natürlichen Sekreti-

on von Insulin entwickelt wurde. Es wurden auch schon zu dieser Zeit die ersten Insulin-

injektionspumpen entwickelt.23

23 Vgl.: Hürter, Peter (1997): Geschichte der Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen.

In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendlichen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S.

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2.9. Heutige Therapievarianten Insulinunabhängige Typ 2 Diabetiker werden meist Medikamentös mit Metformin und

einem Sensitizer (Glitazone) behandelt, zusätzlich zur geregelten Kost, Gewichtsreduk-

tion und Steigerung der körperlichen Aktivität.

Insulinabhängige Typ 2 Diabetiker werden je nach körperlichen und geistigem Zustand

entweder durch eine ICT (intensivierte konventionelle Therapie) oder eine konventionel-

le Therapie behandelt.

Typ 1 Diabetiker werden mit der ICT oder CSII (Insulinpumpentherapie) behandelt.

Bei der ICT und der CSII hat sich seit der Zulassung von schnellwirksamen Analog Insu-

linen der Lebenstil der Patienten sehr verbessert, da sich der sogenannte Spritz-Ess-

Abstand gegen Null gerichtet hat. Wobei sich in den letzten Jahren, in Deutschland, die

Diskussionen über eine Sperrung der Versorgung mit Insulinanaloga wegen ihres relativ

hohen Preises, sehr intensiv, vor allem durch die Krankenkassen, geführt wurde.

2.10. Injektionstherapie und deren Entwicklung Seit 1922 hat sich die Möglichkeit der Insulininjektion sehr gewandelt. Begann man da-

mals mit relativ großen Spritzen und Kanülen so kann man sagen es geht heutzutage

en miniature. Im folgendem habe ich noch einige Bilder zusammen gestellt, die zeigen

das selbst in den 80er Jahren noch mit Glasspritzen gearbeitet wurde die man zu Hause

selbst noch sterilisieren musste. 1989 kam dann, noch zu DDR-Zeiten der erste Pen auf

den Markt (DDR Eigenproduktion).

Abbildung 10: Insulin Glasspritze

Abbildung 11: DDR InsulinPen 1989

S.193-195.

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Abbildung 12: Exubera Inhalationsinsulin24

Abbildung 13: Moderner InsulinPen mit Memo-ry25

Das Inhalation Insulin ist bereits Enden2007 wieder vom Markt genommen, da kein, für

die Firma Pfizer, ausreichendes Interesse vorlag

26

. Und die Studien umstritten waren.

2.11. Pumpentherapie Die Insulinpumpentherapie wurde, wie schon beschrieben Ende der 70er Jahre, begon-

nen. Sie hat zum Ziel die natürliche Insulinsekretion der Bauchspeicheldrüse nachzu-

ahmen, wobei auch noch die unterschiedliche Insulinempfindlichkeit zu den verschiede-

nen Tageszeiten berücksichtigt werden muss. Mittlerweile ist die Technik soweit fortge-

schritten, dass z.B. bei der kleinsten abgegebene Basal-Insulinmenge pro Motorschritt

nur 0,0025 I.E. alle 3min appliziert werden können (ACCU-CHECK® Spirit Combo

(Abb.14))27 oder das Blutzuckermessgerät als Bolusrechner fungiert und sich damit

auch die Pumpe via Bluetooth bedienen lässt. Es gibt auch noch ein anderes System,

wobei die Pumpe über Funk die Daten von einem Sensor der kontinuierlichen

Glukosemessung empfängt und ein in der Pumpe integrierter Bolus-Rechner Empfeh-

lungen zur Korrektur anzeigt. Bei dieser Pumpe ist es auch möglich Trends zu erfassen

und zu alarmieren (Minimed Paradigm® REAL-Time(Abb.15))28

.

24 www.gesundheitsspiegel.de. 25 www.lilly-pharma.de. 26 http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=30192 (Stand 16.11.2009). 27 www.accu-check.de. 28 www.medtronic-diabetes.de/Eigenschaften-MiniMed-Paradigm-REAL-Time.html.

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Abbildung 14: ACCU-CHEK® Spirit Combo

Die MiniMed Paradigm 522 oder 722 Insulin-

pumpe [A] ist nur so groß wie ein kleines Mobil-

telefon. Sie können sie eigentlich überall tragen:

Unter Ihrer Kleidung in einer Tasche an Bein,

Oberschenkel oder BH – oder am Gürtel wie ein

Handy oder MP3-Player. Das Insulin wird durch einen dünnen flexiblen

Schlauch [B] transportiert.

Ein feines Röhrchen, die so genannte Kanüle,

wird einfach wie eine Pen-Kanüle unter die Haut

gesetzt. Die Kanülen können einfach angelegt

werden und bestehen aus flexiblem Kunststoff

oder aus Stahl. Das selbstständige Anlegen er-

lernen Sie während der Schulung. Das kontinuier-

liche Glukosemonitoring erfolgt über den

Glukosesensor [C], durch eine kleine und flexib-

le Sensornadel, die Sie bis zu 3 Tage lang tra-

gen können. Sie wird ganz einfach mit der mitgelieferten, automatischen Insertionshilfe eingeführt. Die

Sensornadel wird mit dem kleinen, leichten MiniLink™ REAL-Time Transmitter [D] verbunden, den Sie mit

Klebefolie auf Ihrer Haut fixieren. Sensornadel, Transmitter und Klebefolie sind wasserfest. Der Transmitter

[D] sendet die Sensordaten drahtlos über Hochfrequenzfunk an die Insulinpumpe

Abbildung 15: MiniMed Paradigm® REAL-Time

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Abbildung 16: Insulinbedarf Basalrate29

2.12. Insulinarten, Wirkeintritt, Wirkdauer Seit der ersten Extraktion von tierischem Insulin bis heute wurde im Bereich der Insulin-

Herstellung viel entwickelt. So kamen zu den Normal-Insulinen vom Rind oder Schwein,

die immer „sauberer“ (hochgereinigte) wurden, noch künstlich Erzeugte und Wirkungs-

verlängerte Insulinpräparate dazu. So gibt es mittlerweile Basal-Insulin das über eine

29 Scan von den Einstellungsunterlagen Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar, Innere 1, Diabetologie.

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Wirkdauer von 24 h verfügt (seit Mitte 2000: Lantus®). Desweiteren gelang ein großer

Durchbruch mit der Entwicklung von sogenannten Analog-Insulinen, diese werden Gen-

technisch hergestellt und sind dem menschlichen (natürlichen) Insulin nahezu identisch

(analog). So sind beim Insulin Lispro (Humalog®) der Firma Lilly nur zwei Aminosäuren,

Lysin und Prolin der B-Kette miteinander vertauscht (Position 28 und 29). Im Gegensatz

beim Insulin Aspart (NovoRapid®) wurde nur Aminosäure Prolin (Position 28 der B-

Kette) durch Asparagin ersetzt.30

Tabelle 2: Wirkeintritt, Wirkmaximum und Wirkdauer 31

Gruppe Wirkeintritt nach

Wirkmaximum nach

Wirkdauer

Schnell wir-kend (Analogin-suline, z.B. kurzwirksames Analoginsulin) Bolusinsuline

0-15 min 30-60 min 2-3 h

Kurz wirkend (Normalinsuline, Humaninsuline)

15-30 min 1-2 h 4-6 h

Lang wirkend

NPH-Verzögerungs-insuline1, Ba-salinsuline

0,5-1 h 2-10 h 10-14 h

30 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002): Insuline: In: Schmeisl, G.W.(Hrsg.) Schulungsbuch für Diabetiker,

4.Aufl. München, Jena: Urban & Fischer S. 55-67. 31 www.lilly-pharma.de/gesundheit/diabetes/insulin-und-pens/insuline-im-vergleich.html.

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Abbildung 17: Wirkeintritt und Wirkdauer von "Bolus"-Insulinen32

Abbildung 18: Insulinsekretion beim Gesunden33

2.13. Fazit und Ziele der Insulin-Therapie In den letzten 30 Jahren haben die wissenschaftlichen Erfolge und Weiterentwicklungen

dazu beigetragen den Lebenskomfort der Diabetiker immer mehr zu verbessern. Flexib-

ler Umgang mit der Ernährung, der Insulinsubstitution, schnelleren und einfacheren

Blutzuckerselbstkontrolle.

Die Ziele werden sein:

• die Entwicklung der „künstlichen Bauchspeicheldrüse“ weiter voran zu treiben

• die Einstellung der Diabetiker so zu perfektionieren, ob mit ICT oder CSII

Versuch die natürliche Sekretion zu immitieren, damit so wenig wie möglich

Spätschäden auftreten (nach Evidenz-basierten Leitlinien)

32 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002):S. 95. 33 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002):S: 86.

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• Insellzelltransplantationen zu verfeinern

• Sowie die Weiterentwicklung der Züchtung von Inselzellen aus Stammzellen34

Basalrate mit NPH-Verzögerungs-Insulin Basalrate NPH-Langzeit-Insulin (tagsüber)

und zinkverzögertem Insulin (nachts)

Basalrate mit Langzeit-Analog-Insulin

Lantus® bei 1x Injektion ca. 22:00 Insulinabgabe bei einer Pumpentherapie

Abbildung 19: Basis Bolus Einstellungen35

3. Erstmanifestation und seine Diagnose Da es sich bei uns im Rettungsdienstbereich und ich denke auch in vielen anderen RD-

Bereichen mittlerweile „eingebürgert“ hat, Dank schneller, sicherer und einfacher Blut-

zuckerkontrollmöglichkeiten, bei fast jedem Patienten, der einen venösen Zugang gelegt

bekommt, ein „BZ“ (Blutzucker) durchgeführt wird, ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen

auch mal einen bis dato beim Patienten nicht bekannten Diabetes mellitus festzustellen.

3.1. Blutzucker (Blutglukose) Die in Deutschland verwendeten Maßeinheiten sind noch regional sehr unterschiedlich.

So wird in den „Neuen“ Bundesländern größtenteils die Internationale Einheit mmol/l

und in den „Alten“ Bundesländern die Einheit mg/dl (nach Herstellerangaben mit fallen-

34 www.xcell-center.de/behandlungsmoeglichkeiten/behandelte-krankheiten/diabetes.aspx. 35 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002):S.88, 89, 102.

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der Tendenz) verwendet. Der Normal-Bereich ist je nach Labor unterschiedlich. Er liegt

beim Nichtdiabetiker zwischen 3,3 – 6,6mmol/l (60-120mg/dl), kann aber nach der Ein-

nahme von Mahlzeiten auch höher sein.

3.2. Diagnose Es dürfen nur qualitätsgesicherte Maßnahmen zum Einsatz kommen. Blutzuckermess-

geräte zur Blutzuckerselbstkontrolle dürfen für diagnostische Zwecke nicht eingesetzt

werden. Bei Serumglukose ist wegen der In-vitro-Glykolyse mit der Möglichkeit falsch

niedriger (nicht jedoch falsch hoher) Messwerte zu rechnen. Serumproben zur Bestim-

mung klinisch-chemischer Parameter ohne Zusatz von Glykolyse-Hemmstoffen dürfen

daher zur Glukosebestimmung nicht verwandt werden.

Klassische Symptome sind:

• Polyurie

• Polydipsie

• Glukosurie

• Ketonurie

• BZ über 11,1 mmol/l (Plasmaglukosewert)

• HbA1C oberhalb der doppelten Standartabweichung (normal 5,0% ; Standartab-

weichung 0,8% » 5,8% kein Diabetes; über 6,6% Diabetes wahrscheinlich)

a) Diabetes mellitus

• Klassische Symptome und ein Gelegenheits-Blutglukosewert von ≥11.1mmol/l

(200mg/dl); im venösen Plasma oder kapillären Vollblut oder

• wiederholte Bestätigung einer Gelegenheits-Blutglukose ≥11.1mmol/l (200mg/dl)

oder besser Bestätigung durch eine Nüchternblutglukose von ≥6,1mmol/l

(110mg/dl) im kapillären Vollblut bzw. ≥ 7,0mmol/l (126 mg/ dl) im venösen

Plasma oder

• OGTT(Oraler Glukose Toleranz Test) – 2 – h - Wert im venösen Plasma oder

kapillären Vollblut ≥11,1mmol/l (200mg/ dl)

b) Abnorme Nüchternglukose

• IFG (impaired fasting glucose, „abnorme Nüchternglukose“) für den Bereich der

Nüchterblutglukose von ≥ 5,6mmol/l (100 mg/dl) und <7,0mmol/l (126 mg/dl) im

venösen Plasma oder ≥ 5,0mmol/l (90mg/dl) und < 6,1mmol/l (110mg/dl) im

kapillären Vollblut.

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c) Gestörte Glukosetoleranz

• IGT (impaired glucose tolerance) für eine Blutglukose beim 2-h-Wert in der

OGTT ≥ 7,8mmol/l (140mg/dl) im venösen Plasma oder im kapillären Vollblut bei

Glukosewerten unterhalb der diagnostischen Kriterien für einen Diabetes melli-

tus.

d) Gestationsdiabetes

• " Bezüglich des diagnostischen Vorgehens und der diagnostischen Kriterien wird

auf die Vollversion der Leitlinien der DDG „Definition, Klassifikation und Diagnos-

tik des Diabetes mellitus“ verwiesen. Tabelle 3: Differenzialdiagnostische Kriterien36

36 Kerner, W; Brückel, J: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Diabetologie 2008; 3Suppl 2: S.131-133.

Typ-1-Diabetes* Typ-2-Diabetes

Manifestationsalter meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

meist mittleres und höheres Er-wachsenenalter

Auftreten / Beginn akut bis subakut meist schleichend

Symptome häufig Polyurie, Polydipsie, Ge-wichtsverlust, Müdigkeit häufig keine Beschwerden

Körpergewicht meist normgewichtig meist übergewichtig Ketoseneigung ausgeprägt Fehlend oder gering

Insulinsekretion vermindert bis fehlend subnormal bis hoch, qualitativ immer gestört

Insulinresistenz keine(oder nur gering) oft ausgeprägt familiäre Häufung gering typisch Konkordanz bei eineii-gen Zwillingen 30 bis 50 % über 50 %

Erbgang multifaktoriell (polygen) multifaktoriell (sehr wahrschein-lich polygen,

genetische Heterogeniemöglich) HLA-Assoziation vorhanden nichtvorhanden diabetesassoziierte Anti-körper

ca.90–95% bei Manifestati-on(GAD, ICA, IA-2,IAA) fehlen

Stoffwechsel labil stabil Ansprechen auf betazytotrope Antidia-betika

meist fehlend zunächst meist gut

Insulintherapie erforderlich meist erst nachjahrelangem Ver-lauf der Erkrankung mit Nachlas-sen der Insulinsekretion

*Der LADA (latent insulinpflichtiger Diabetes im Erwachsenenalter) ist mit einemlangsameren Verlust der Betazellfunk-tion verbunden. Beim LADA ist ein rasches Versagen auf orale Antidiabetika zu erwarten. Bei Verdacht auf LADA: Analyse von GAD-Antikörpern zu empfehlen.

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Tabelle 4: Diagnostische Kriterien 37

Nüchternglukose OGTT-2-h Wert

Diabetes mellitus mmol/l mg/dl mmol/l mg/dl

Plasma, venös ≥ 7,0 ≥ 126 ≥ 11,1 ≥ 200

Vollblut, kapillär (hämolysiert) ≥ 6,1 ≥ 110 ≥ 11,1 ≥ 200

IGF - Nüchternglukose IGT – OGTT-2-h Wert

mmol/l mg/dl mmol/l mg/dl

Plasma, venös ≥ 5,6 / < 7.0 ≥ 100 / < 126 ≥ 7,8 / <11,1 ≥ 140 / < 200

Vollblut, kapillär (hämolysiert) ≥ 5,0 / < 6,1 ≥ 90 / < 110 ≥ 7,8 / <11,1 ≥ 140 / < 200

Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) Indikationen und Durchführung - Je mehr Risikofaktoren vorliegen und je älter ein Patient ist, umso eher ist zur

Erfassung einer Glukosestoffwechselstörung auch bei normaler Nüchterngluko-

se ein OGTT zu empfehlen.

- Bei Nachweis einer gestörten Nüchternglukose (Plasmaglukose 5,6 bis 7,0

mmol /l [100–125mg/ dl])

Durchführung des 75 g OGTT – oraler Glukosetoleranztest nach WHO-Richtlinien Testdurchführung am Morgen

- nach 10–16 Stunden Nahrungs- (und Alkohol-)karenz

- nach einer ≥ 3-tägig kohlenhydratreichen Ernährung (≥ 150 g KH pro Tag)

- im Sitzen oder Liegen (keine Muskelanstrengung); nicht rauchen vor oder wäh-

rend des Tests

Zum Zeitpunkt 0 Trinken von 75 g Glukose (oder äquivalenter Menge hydrolysierter

Stärke) in 250–300 ml Wasser innerhalb von 5 Minuten

- Kinder 1,75 g/ kg KG (maximal 75 g)

- Blutentnahme zu den Zeitpunkten 0 und 120 Minuten (bei Verdacht

Gestationsdiabetes noch bei 60 Minuten)

- Sachgerechte Probenaufbewahrung und –verarbeitung

Test kontraindiziert bei interkurrenten Erkrankungen, bei Z. n. Magen-Darm-Resektion

oder gastrointestinalen Erkrankungen mit veränderter Resorption oder wenn bereits 37 Kerner, W; Brückel, J: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Diabetologie 2008; 3Suppl 2: S.131-133.

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eine erhöhte Nüchternglukose (Plasmaglukose ≥ 7,0 mmol / l bzw. ≥ 126 mg/ dl) oder zu

einer beliebigen Tageszeit eine Blutglukose von ≥ 11,1mmol/l bzw. ≥200 mg/dl gemes-

sen und damit ein Diabetes mellitus belegt wurde.38

Tabelle 5 : Umrechnungstabelle incl. neuer HbA1c-Einheit39

HbA1c (in %) HbA1c (in mmol/mol) mittlerer Blutzucker (in mmol/l)

mittlerer Blutzucker (in mg/dl)

4,7 27,9 3,9 70 5 31,1 4,4 80

5,3 34,4 5 90 5,6 37,7 5,6 100 5,9 41,0 6,1 110 6,2 44,3 6,7 120 6,5 47,5 7,2 130 6,8 50,8 7,8 140 7,4 57,4 8,9 160 8 63,9 10 180

8,6 70,5 11,1 200 9,2 77,0 12,2 220 9,8 83,6 13,3 240 10,4 90,2 14,4 260 11,6 103,3 16,7 300

4. Entgleisung und deren Ursachen und Behandlung Eine Entgleisung der Stoffwechsellage bei Diabetes kann die unterschiedlichsten Ursa-

chen haben. Im Folgenden werde ich näher auf die Hypoglykämie und die Hyperglykä-

mie sowie ihren verschiedenen Formen eingehen.

38 Kerner, W; Brückel, J: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. In: Diabetologie 2008; 3Suppl 2: S.131-133. 39 Reinauer, H., Scherbaum, A.; Deutsches Ärzteblatt Jg. 106, Heft 17, 24. April 2009, und http://de.wikipedia.org/wiki/HbA1c ; sowie Jörg Weiland, HbA1cneu.xls.

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4.1. Hypoglykämie Jeder Diabetiker der mit Insulin und mit blutzuckersenkenden Tabletten behandelt wird

kann in eine Unterzuckerung geraten. Bei Typ 1 Diabetiker erfolgt das im Gegensatz

öfter als bei Typ 2 Patienten, da die „Typ 1er“ meist enger, durch die ICT; eingestellt

sind. Beim insulinpflichtigen Typ 2 Diabetiker tritt sie im Vergleich auch häufiger auf als

bei mit Tabletten behandelte Patienten.

4.1.1. Ursachen der Hypoglykämie (ugs.: Hypo`s) Können ganz verschieden sein:

• spritzen von zu viel Insulin

• vermehrte Bewegung ohne die Insulindosis zu vermindern, dies ist oft der Fall

nach einer klinischen Einstellung ohne Belastung

• Einnahme von zu wenig Broteinheiten (oder KHE), vor allem vor längerer körper-

lichen Belastung (Sport, ggf. Einkaufen bei älteren); sogenannte Sport BE´s

• Verschätzen bei der Berechnung der BE´s

• Zu langer Spritz-Ess-Abstand

• Zu starke Tablettenwirkung

• Unkontrollierte Einnahme von Alkohol, diese Unterzuckerung kommt meist un-

bemerkt, da meist in der 2. Nachthälfte oder am nächsten Vormittag

• Wirkungsverstärkende Medikamente

• Suizidale Absichten

4.1.2. Symptome Es gibt drei verschiedene Arten der Unterzuckerung die sich in der Symptomatik und in

der Behandlung unterscheiden. Feste Grenzen bei den Blutzucker-Werten kann man

nicht festmachen, da jeder Patient eine unterschiedliche Toleranzgrenze hat.

1. asymptomatische, biochemische (< 2,5 mmol/l , 50mg/dl)

2. milde bis mittelgradige symptomatische Hypoglykämie

3. schwere Hypoglykämie

zu 1.) Da diese Unterzuckerung nur durch eine Blutglukosemessung auffällt, re-

agiert der Patient natürlich erst wenn er den BZ-Wert abliest.

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zu 2.) die Symptome können sein

- Schwitzen, Zittrigkeit, Mattigkeit

- Sehstörungen ( Flimmern, Doppeltsehen)

- Hungergefühl

- Herzklopfen

- Sprachstörungen, Periorale Anästhesie

- Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerz, Ängstlichkeit

- Konzentrationsstörung, Müdigkeit bis Schläfrigkeit

- Konfusion, Clown spielen

- Innere Unruhe

- feuchte, kalte, blasse Haut

- Aggressivität

Beachte: Symptome sind bei jedem unterschiedlich und bei verschiedenen Werten.

Einige dieser Symptome werden auch von Diabetikern berichtet, die nach einer Insu-

lin-Bolus-Abgabe um einen zu hohen BZ zu korrigieren, aber dann zu schnell wieder

sinken (ab ca. 2mmol/l (36mg/dl) innerhalb einer Stunde).

zu 3.) Patient ist auf fremde Hilfe angewiesen

- Bewusstseinseintrübung (taumeln, irren herum, können stürzen)

- Hilflos, unfähig sich selber zu helfen

- Bewusstlosigkeit

- Lokale oder generalisierte Krämpfe

- Harn- oder Stuhlabgang

- Nach der Behebung stunden- bis tagelang desorientiert, retrogra-

de Amnesie40;41

40 Weiland, Jörg, Diabetes mellitus 2002, Powerpoint-Präsentation für BZ-Jena. 41SOP, incentiveMed, SOP D3 Hypoglykämie, Version 1.2009, download.

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4.1.3. Behandlung Bei leichter und mittelgradiger Hypoglykämie, behandeln sich die Patienten meist sel-

ber, aber es kann auch vorkommen das meist nichtinformierte Bekannte oder unerfah-

renes Pflegepersonal den Rettungsdienst zu Hilfe ruft

Traubenzuckerzufuhr (schnelle BE´s)

- 200ml „schwere“ Coca Cola® der Fanta® (keine Light Produkte) es geht natür-

lich auch andere zuckerhaltige Limonade

- oder mind. 2 Tütchen Gummibären

- oder 200ml Saft

- oder Dextro – Energeen® mind. 3 Blättchen

- oder Jubin® (Glukose-Gel ca. 2,6 BE)

Zum Abschluss noch mind. 12g KH( 1 BE) in Fette eingeschlossen (lange BE), z.B.

ein Riegel Duplo® oder Kinderschokolade®, eine kleine Tafel Ritter Sport®

Nach der Therapie muss man noch darauf achten, dass eine natürliche Gegenregulati-

on auftreten kann, in dem die, in der Leber gespeicherten „Glukosereserven“ durch

Glukagon freigesetzt werden und der BZ in die Höhe steigt, hier sollte nicht gleich wie-

der mit Insulin gegengesteuert werden, da später der Körper die ausgeschütteten Re-

serven wieder anlegen will.

Maßnahmen bei schwerer Hypoglykämie:

- i.v. Zugang

- 40%ige Glukose (mindestens als 1ml/kg KG)42

- Vollelektrolytlösung zum einspülen und verdünnen

- Nach neuerer Lektüre 20-40ml G-40 i.v.43

- bei nicht Aufklaren Nachinjektion in 10ml Schritten

initial

- aus eigener Erfahrung initial 60ml G-40 (entspricht 24g Glukose

oder 2 BE (Broteinheit))

- es ist auch möglich einen „Glukose-Einlauf“ (1 Glas Wasser mit

einem halben Teelöffel Salz und einem Eßlöffel Traubenzucker)

zu verabreichen 44

42 Hürter P.(1997), In: Hypoglykämie, In: Hürter, Peter (Hrsg.) Diabetes bei Kinder und Jugendli-chen, 5. Aufl. Berlin u.a.: Springer, S. 276.

43 Pfohl, M., Ehren, M., von; Schatz, H. (2004) : Insulin. In: Schatz, Helmut et al (Hrsg.) Diabeto-logie kompakt, 3.Aufl. Stuttgart: Thieme, S. 353.

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- 15 l/min O2 insufflieren

- Je nach Zustand des Patienten ggf. Atemwegssicherung

- ca. 1min nach der G-40 Injektion erneute BZ-Kontrolle (seitliche

Fingerbeere, da aktueller Wert)

- Wenn trotz erreichter Normoglykämie Bewusstseinseintrübung

weiter besteht nach anderen und/oder zusätzlichen Ursachen

fanden (back to A)

Beachte

Weiterhin nach Möglichkeit kein Glucagon® spritzen, da die darauffolgenden Nebenwir-

kungen (z.B. massive Kopfschmerzen) sehr unangenehm sein können. Ansonsten wird

in der, mir vorliegenden Lektüre, von der Gabe von 0,5-1,0 mg Glucagon® geschrieben

(auch durch geschulte Bezugspersonen).Glucagon® wirkt auch nicht bei Alkoholindu-

zierten Hypoglykämien, da die Leber mit dem Alkoholabbau beschäftigt ist und somit

ihre Zuckerreserve nicht ausschütten kann.

bei Kindern mit Krampfanfall, müssen ins Klinikum, da es auch ein Epilepti-

scher-Anfall gewesen sein kann.

45

Bei wieder Aufklaren verfahren wie bei der mittelgradigen Hypoglykämie. In den meisten

Fällen bleibt es beim Hausbesuch zumindest bei Typ 1 Diabetikern die erfahren sind.

Bei einer Sulfonylharnstoff induzierten Hypoglykämien muss der Patient ins Kranken-

haus, wegen des hohen Risikos von Folgehypoglykämien.46

4.2. Hyperglykämie Man spricht von einer Hyperglykämie wenn der Blutzucker mehrfach über 14 mmol/l

(250mg/dl) liegt. Eine Hyperglykämie entwickelt sich meist über Stunden und Tage. Soll-

te es einen rasanten Blutzuckeranstieg geben, kann es sich auch um eine Gegenregula-

tion nach einer unbemerkten Hypoglykämie handeln.

44 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002): Unterzuckerung: In: Schmeisl, G.W.(Hrsg.) Schulungsbuch für Diabetiker, 4.Aufl. München, Jena: Urban & Fischer S. 45. 45 Vgl. Schmeisl, G.W.(2002): S. 45. 46 Pfohl, M., Ehren, M., von; Schatz, H. (2004) S. 353.

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4.2.1. Ursachen Auch bei der Hyperglykämie gibt es verschiedene Ursachen:

- fieberhafte Infekte

- vergessen oder weglassen der Insulininjektion

- defekte Insulinpumpe oder InsulinPen

- falsche Ernährung

- Wirkverlust beim Insulin durch falsche Lagerung

- Schwangerschaft

- Hyperthyreose

- Unfall

- Operation

- ggf. Herzinfarkt

- Wechselwirkung oder Nebenwirkungen anderer Medikamente ( z.B. Cortison

oder Entwässerungsmedikamente)

- Erstmanifestation47,48,49

4.2.2. Symptome • Polydipsie (ständiges Durstgefühl)

• Polyurie verbunden mit Gewichtsabnahme

• Hyperglykämie

• Glukosurie

• Ketonurie

• Abgeschlagenheit, Müdigkeit

• Leistungs- und Konzentrationsschwäche

• Gewichtsabnahme durch Fettgewebeabbau

• später Exsikkose-Zeichen

• trockene Haut u. Schleimhäute

• belegte, trockene Zunge

47Vgl. Schmeisl, G.W.(2002): Unterzuckerung: In: Schmeisl, G.W.(Hrsg.) Schulungsbuch für Dia-betiker, 4.Aufl. München, Jena: Urban & Fischer S. 47. 48 Moecke, H., Hyperglykämie, In: de Gruyter (Hrsg.) Ärztliche Erstmaßnahmen bei ausgewähl-ten internistischen Notfällen, Pschyrembel, 261 Aufl. CD-ROM. 49 SOP incentiveMed, SOP D4 Hyperglykämie, Version 1.2009, download.

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• rissige Lippen

• eingesunkene weiche Augäpfel

• langsames verstreichen hochgezogener Hautfalten

• später Symptome des hypovolämischen Schockes

• RR↓, F↑, Zentralisation, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Kopf-

schmerzen, Zeichen eines akuten Bauches, Oligo- bis Anurie

• Geruch von Aceton in der Ausatemluft (Ketoazidose)

• danach hyperosmolares Koma mit Bewusstseinseintrübung bis hin zur Bewusst-

losigkeit

• darauf folgt das laktatazidotisches Koma (es können auch generalisierte hirnor-

ganische Anfälle auftreten)

• Kussmaulatmung 50

Das ketoazidotisches Koma, ausgelöst durch absoluten Insulinmangel, kommt es bei

Diabetes mellitus Typ 1 zur Lipolyse mit Ketose und Acetongeruch. Es kommt überwie-

gend bei jungen Patienten vor (Blutzucker > 16,6mmol/l (300 mg/dl))

Das hyperosmolares Koma, was durch eine Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel

auftritt. Diese Form kommt überwiegend bei älteren Patienten vor (Blutzucker >

33,3mmol/l (600mg/dl)).

4.2.3. Behandlung

• Kontrolle Vitalparameter

• 15 l/min O2

• venösen Zugang; möglichst groß

• wiederholte Kontrolle Blutzucker

• Ggf. Atemwegssicherung

• ständige Kontrolle der Vitalfunktionen (vor allem Atmung und Herzrhythmus)

• Infusionstherapie (isotone Infusion 2000-3000ml in den ersten 1-2 Stunden)

• bei längeren Transport Injektion von Insulin (Kurzzeit) möglich

• Transport ins Klinikum unter Voranmeldung für den Internisten

• Symptomatische Behandlung mit Sicherung der Vitalfunktionen

• Bei ggf. Erreichen einer Normoglykämie und weiter bestehender Bewusstseins-

eintrübung nach anderen Ursachen suchen (back to A)51,52

50 Weiland, Jörg, Diabetes mellitus (2002), Powerpoint-Präsentation für BZ-Jena.

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4.3. Folgeschäden Zu Folgeschäden kann es kommen, wenn ein Diabetes über viele Jahre besteht. Diese

kann man aber herauszögern oder ggf. auch größtenteils vermeiden. Dies kann über

eine gute Stoffwechseleinstellung erreicht werden, es bedingt aber trotz der Fortschritte

in der Behandlung immer noch einer ordentlichen Portion Disziplin und Eigeninitiative.

Dazu gehört insbesondere auch das ausschalten oder minimieren von Risikofaktoren,

wie: ungesunde Ernährung, Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuss, kein Sport, Über-

gewicht u.v.a.m..

Man kann aber auch die Folgeschäden provozieren, in dem einen Diabetes mellitus zu

spät entdeckt und behandelt wird. Man muss auch noch die schlechte Diabetes-

Einstellung trotz vorhanden sein Evidenz-Basierter-Leitlinien und Diabetischer-

Schwerpunkt-Praxen, durch die Hausärzte, vor allem bei älteren Patienten dazu rech-

nen.

Folgeschäden sind:

• Diabetisches Fußsyndrom

• Diabetische Neuropathie

• Diabetische Retinopathie

• Diabetische Makulopathie

• Diabetische Nephropathie

• diabetesassoziierte geriatrische Erkrankungen

• erhöhtes Risiko von kardiovaskulären ischämischen Ereignissen und Herzinsuf-

fizienz

• mikro- und makrovaskuläre Komplikationen53

51 Weiland, Jörg, Diabetes mellitus (2002), Powerpoint-Präsentation für BZ-Jena. 52 SOP incentiveMed, SOP D4 Hyperglykämie, Version 1.2009, download. 53Deutsche Diabetes Gesellschaft, Praxisleitlinien, http://www.deutsche-diabetes-

gesellschaft.de/redaktion/mitteilungen/leitlinien /Uebersicht_Praxisleitlinien.php (Stand

14.11.2009).

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5. Schlussbetrachtungen Der Diabetes mellitus ist ein sehr weit gefächertes und kompliziertes Feld der inneren

Medizin. In den letzten Jahrzehnten seit der Entdeckung des Insulins hat sich in der

Behandlung dieser Krankheit sehr viel, so dass Diabetiker ein relativ normales Leben

führen können, sogar Hochleistungssport ist möglich (Anja Renfordt Weltmeisterin Kick-

boxen, Carsten Fischer Hockeyspieler, Claudia Grundmann Eishockey und der momen-

tan bekannteste Matthias Steiner Gewichtheber).

Mittlerweile hat sich auch die Lebensmittelindustrie sowie auch die führenden Fastfood-

Ketten auf die immer mehr ansteigende Anzahl der Diabetiker eingestellt und kenn-

zeichnen ihre Ware ordnungsgemäß damit auch Diabetiker die Kohlehydratmenge or-

dentlich berechnen, um auch somit den Stoffwechselentgleisungen entgegenwirken zu

können.

Die Punkte über die Therapie bei den Entgleisungen sind im Verhältnis zu den anderen

Themen kurz gehalten. So soll es aber auch sein, denn um schnell handeln zu können

bedarf es keinen „Roman“. Mir war es wichtig auch den Diabetes etwas zu

hinterleuchten.

Besondere Effekte kann der Rettungsdienst erzeugen, wenn z.B. bei einer

hypoglykämischen Bewusstlosigkeit durch die Gabe von Glukose `gezaubert` werden

kann und Passanten dabei sind die nicht wissen dass der Patient Diabetes hat.

Wie schon im Vorwort, und im Text erwähnt, ist dadurch das der Rettungsdienst auch

über die gleichen modernen Blutzuckerkontrollgeräte verfügt wie die Patienten es noch

eher möglich selbst bis dato eine unbekannte Erkrankung an Diabetes zu entdecken

und oder deren Entgleisung fachgerecht zu versorgen um spätere Komplikationen so

gering wie möglich zu halten.

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, das selbst gestandene Notärtze sich an die

präklinische Behandlung der diabetischen Stoffwechselentgleisung nicht heran trauen

und sehr unsicher sind. Insofern denke ich, dass die Kenntnisse über den Diabetes ein

wichtiger Bestanteil im Rettungsdienst sein sollten, egal wie die Behandlung dieser

chronischen Erkrankung ausgerichtet ist.

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