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93 3.4 Raum und Klang Es soll hier um die Frage gehen wie ein bestimmter Raumklang physikalisch zustande kommt und wovon er abhängt. Das was man allgemein mit Ton bezeichnet, kann bereits eine komplizierte Struktur aufweisen. Für den Physiker ist ein reiner Ton ein Schallereignis mit nur einer einzigen Frequenz und Amplitude, mathematisch darstellbar als Sinus- oder Cosinusfunktion. Wenn ein Musiker eine bestimmte Note auf einem Musikinstrument spielt, so wird dieser Ton aber durch eine Tonhöhe (Grundton), durch ganzzahlige, verschieden starke Vielfache dieses Grundtones (die harmonischen Obertöne), eine Tondauer (Zeitstruktur) und eine bestimmte Dynamikstufe (Lautstärke) gekennzeichnet. Die für ein Instrument typische Klangfarbe wird im wesentlichen durch die Lage und Stärke der Obertöne und die Zeitstruktur bestimmt. Letztere sagt aber auch etwas über die Spielweise aus, ob ein Ton weich angesetzt wird oder abrupt, ob er nachklingt oder abgedämpft wird. Und wird solch ein Ton in einem Raum gespielt, vermittelt er dem Zuhörer sofort gewisse Vorstellungen von diesem Raum, das heißt, der Raum nimmt einen spezifischen Einfluss auf diesen Ton. Noch komplizierter liegen die Verhältnisse, wenn nicht nur ein Ton, sondern ein ganzer Akkord oder sogar mehrere Instrumente gleichzeitig gespielt werden, oder es sich um gesprochene oder gesungene Wörter handelt. Der Physiker kann die Zusammensetzung eines Tones, den er bereits mit Klang bezeichnet, analysieren und in eine Reihe von Sinus- oder Cosinusfunktionen bestimmter Frequenz und Amplitude zerlegen, die sog. Frequenz- oder Fourieranalyse. Damit ist er auch in der Lage den Klang wieder zu synthetisieren, wobei die Zeitstruktur die größeren Probleme macht, wie man anhand von Synthesizermusik weiß. Physikalisch hat man es also mit Grundton, Obertönen, verschiedenen Schalldrücken (Amplituden) und der zeitlichen Dynamik (Ein- und Ausschwingen) zu tun, wie es Bild 3.59, schematisch zeigt. Bild 3. 59. Schematische 3–dim. Darstellung eines Klanges in der Schallpegel- Frequenz- Zeitebene. © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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Es soll hier um die Frage gehen wie ein bestimmter Raumklang physikalischzustande kommt und wovon er abhängt.Das was man allgemein mit Ton bezeichnet, kann bereits eine komplizierte Strukturaufweisen. Für den Physiker ist ein reiner Ton ein Schallereignis mit nur einereinzigen Frequenz und Amplitude, mathematisch darstellbar als Sinus- oderCosinusfunktion. Wenn ein Musiker eine bestimmte Note auf einem Musikinstrumentspielt, so wird dieser Ton aber durch eine Tonhöhe (Grundton), durch ganzzahlige,verschieden starke Vielfache dieses Grundtones (die harmonischen Obertöne), eineTondauer (Zeitstruktur) und eine bestimmte Dynamikstufe (Lautstärke)gekennzeichnet. Die für ein Instrument typische Klangfarbe wird im wesentlichendurch die Lage und Stärke der Obertöne und die Zeitstruktur bestimmt. Letztere sagtaber auch etwas über die Spielweise aus, ob ein Ton weich angesetzt wird oderabrupt, ob er nachklingt oder abgedämpft wird. Und wird solch ein Ton in einemRaum gespielt, vermittelt er dem Zuhörer sofort gewisse Vorstellungen von diesemRaum, das heißt, der Raum nimmt einen spezifischen Einfluss auf diesen Ton. Nochkomplizierter liegen die Verhältnisse, wenn nicht nur ein Ton, sondern ein ganzerAkkord oder sogar mehrere Instrumente gleichzeitig gespielt werden, oder es sichum gesprochene oder gesungene Wörter handelt. Der Physiker kann dieZusammensetzung eines Tones, den er bereits mit Klang bezeichnet, analysierenund in eine Reihe von Sinus- oder Cosinusfunktionen bestimmter Frequenz undAmplitude zerlegen, die sog. Frequenz- oder Fourieranalyse. Damit ist er auch in derLage den Klang wieder zu synthetisieren, wobei die Zeitstruktur die größerenProbleme macht, wie man anhand von Synthesizermusik weiß. Physikalisch hat manes also mit Grundton, Obertönen, verschiedenen Schalldrücken (Amplituden) und derzeitlichen Dynamik (Ein- und Ausschwingen) zu tun, wie es Bild 3.59, schematischzeigt.

Bild 3. 59. Schematische 3–dim. Darstellung eines Klanges in der Schallpegel-Frequenz- Zeitebene. © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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Bild 3.60 zeigt drei real analysierte Einzeltöne (Einzelklänge), dabei handelt es sichum zwei verschiedene staccato-Töne gleicher Tonhöhe von einer Violine imVergleich mit einem Fagott. Man kann sehr schön sehen, wie komplex undcharakteristisch Schallereignisse einzeln gespielter Töne von Musikinstrumentensind.

Bild 3.60. Durch Analyse gewonnene Zeit- und Obertonstruktur von dreirealen Instrumententönen (Ton c’). © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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Beim festen staccato befindet sich beispielsweise der Bogen zu Beginn des Tons aufder Saite und beginnt erst mit seiner Bewegung. Daher entwickelt sich der Klangetwas langsamer, auch folgen die Obertöne etwas später als beim lockeren staccato.Da der Bogendruck bei dieser Strichart im allgemeinen größer ist als bei demlockeren staccato, enthält der Ton mehr und stärkere Obertöne, die zudem deutlicheAmplitudenschwankungen aufgrund eines Vibratos erkennen lassen. Am Ende brichtder Ton ziemlich abrupt ab, da der auf der Saite verbleibende Bogen diese sehr starkbedämpft. Der staccato-Ton erhält dadurch im ganzen einen kräftigeren undbestimmenden, aber weniger eleganten Charakter. Ganz anders ist die Struktureines typischen Rohrblattinstrumentes, bei der sich die Blasgeräusche durch einedeutliche Verbreiterung der einzelnen Teilfrequenzen bemerkbar machen, was damitzusammenhängt, dass Rauschen keine diskreten Frequenzanteile mehr enthält,sondern kontinuierlich viele. Neben der verschiedenen Frequenz-Zusammensetzung, zeigen diese drei Tonbeispiele die große Bedeutung derzeitlichen Feinstruktur für den Klang, den ein einzelner Ton vermitteln kann. Siezeigen auch, dass der Spieler einen stark gestaltenden Einfluss auf diese Strukturhat. So hat ein Geiger drei Parameter alleine in der Bogentechnik um einen Ton zubeeinflussen, Bogengeschwindigkeit, Bogendruck, Kontaktstelle (das ist der Abstanddes Bogenaufstandspunktes zum Steg), hinzu kommt das Vibrato durch dieGriffbretthand. Dem Flötisten stehen vier Anblasparameter zur Verfügung: Größe derLippenöffnung, Abdeckung des Mundloches der Flöte durch die Lippen, Anblas-Luftdruck und Anblasrichtung. Dabei beeinflusst die Lippenöffnung die Lautstärke;die Abdeckung des Mundloches und der Anblasdruck wirken sich auf Lautstärke undKlangfarbe, die Anblasrichtung nur auf die Klangfarbe aus.Alle Musikinstrumente, aber auch der menschliche Sprachapparat, bestehen imPrinzip aus einem schwingungserzeugenden System und einem Resonanzsystem,das diese Schwingungen verstärkt und an die Umgebung abstrahlt. DieResonanzsysteme bilden innerhalb des abgestrahlten FrequenzspektrumsSchwerpunkte und tragen damit wesentlich zur Charakterisierung der einzelnenInstrumententypen bei. Den Ton eines Fagottes erkennt man eben an seinemKlangspektrum, das einen Schwerpunkt um 500 Hz hat und damit der Vokalfarbe »o«nahekommt. Bei den Geigen sind die Resonanzverhältnisse - bedingt durch dieEigenschwingungen des Korpus - komplizierter, so dass durchaus auch zwischeneng benachbarten Tönen Klangfarbenunterschiede auftreten können. Andererseitsbesitzen die allen Tönen einer Geige durch den Korpus aufgeprägtenKlangeigenschaften so viel Gemeinsamkeiten, dass man den Klang verschiedenerGeigen immer als spezifischen Geigenklang erkennt. Auch wenn mehrere Geigerden gleichen Ton gleichzeitig spielen, überlagert sich dieser sog. chorische Effekt zueinem Gesamtklangeindruck mit mehr Fülle und unterscheidet sich deutlich voneinem Einzelton. Trotzdem bleibt es ein Geigenklang. Man kann aus dem bisherGesagten vielleicht auch ermessen, zu was für einer ungeheuren Analyseleistungdas menschliche Gehör in der Lage ist, wenn es beispielsweise ein ganzesOrchester in einem Raum wahrnimmt.Auch ein geschlossener Raum hat etwas von einem Musikinstrument, in der Form,dass er zwar keine eigene Schallerzeugung hat, aber aufgrund von Reflexionen anden Raumbegrenzungen Ein- und Ausschwingvorgänge zeigt und infolge seinerGeometrie auch Resonanzen, sog. Eigenfrequenzen, aufweist. Das Einschwingenbis ein Schallfeld aufgebaut ist, nennt man Anhall, das Ausschwingen nachAbschalten der Quelle, Nachhall. Raumresonanzen können wegen derDreidimensionalität zu einer komplizierten Schallfeldverteilung führen, Bild 3.61, mitstarken örtlichen Schwankungen des Schalldrucks, auch stehende Wellen

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genannt. Ihr Auftreten hängt von den Raumabmessungen in Relation zurLuftschallwellenlänge ab, das heißt, mögliche Resonanzfrequenzen liegen um sotiefer, je größer der Raum ist. Will man aber beispielsweise im Zuschauerbereicheines Konzertsaales ein gleichmäßiges Schallfeld erreichen, muss der Raum aufmöglichst alle Töne oder Obertöne seiner anregenden Schallquellen „antworten“können, das bedeutet, er muss möglichst viele Resonanzfrequenzen, d.h. eine hoheResonanzdichte aufweisen, die sich in ihrer örtlichen Verteilung so überlagern, dassMaxima und Minima ausgeglichen werden. Ein Raum mit stark schallabsorbierenden,also wenig reflektierenden Begrenzungen, die fast zu einer freien ungestörtenSchallausbreitung führen, kann keine Resonanzen ausbilden. Dort existiert nur derdirekt abgestrahlte Schall einer Quelle, der mit zunehmender Entfernung schwächerwird. Die Entstehung des im Idealfall exponentiell verlaufenden Nachhalls lässt sichwellentheoretisch durch das Abklingen der mehr oder weniger gedämpftenRaumresonanzen deuten, die sich dabei überlagern und die Gleichmäßigkeit desNachhallzeitverlaufs bestimmen. Für die quantitative Beschreibung benutzt man aberals Pauschalmaß diejenige Zeit, die vergeht bis die Schallenergie nach Abschaltender Quelle auf den 10-6 ten Teil (- 60 dB im Schalldruckpegel) abgeklungen ist (vergl.Abschn. 3.3.3). Die Nachhallzeit hängt dann ab vom Raumvolumen (wg. derLaufzeiten) und dem gesamten Schall- Absorptionsvermögen des Raumes, definiertin der sog. SABINE-Formel. Da die verschiedenen absorbierenden Materialien imRaum inklusive der Begrenzungsflächen im allgemeinen frequenzabhängig wirken,ist auch die Nachhallzeit frequenzabhängig.

In Bild 3.62 sind Zeitbereiche für die Dauer der Einschwingvorgänge derOrchesterinstrumente bei hart oder auch weich angesetzten Tönenzusammengestellt; dabei gilt für jede Instrumentengruppe, dass tiefere Töne imPrinzip längere Einschwingzeiten, höhere Töne kürzere Einschwingzeiten benötigen.Definiert ist die Einschwingzeit in diesem Fall als die Zeit vom Beginn derSchwingungserregung bis zum Erreichen eines Pegels, der um 3 Dezibel unter dem

Bild 3.61.Raumresonanzenentstehen, wennWellenlänge undAbmessungen ineinem bestimmtenVerhältnis zuein-ander stehen.© Vogel-Verlag,Würzburg.

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endgültigen, also eingeschwungenen Pegel liegt. Man erkennt, dass der Toneinsatzbei den Rohrblattinstrumenten besonders schnell, bei den tiefen Streichern, aberauch in der tiefen Lage der Flöte relativ langsam erfolgt. Zum Vergleich ist auch dieDauer der üblichen Artikulationsgeräusche, sowie die Dauer (besser: derTonabstand) von Einzeltönen bei sehr schnell gespielten Tonfolgen eingetragen.

Bild 3.62. CharakteristischeZeitbereiche für instrumentaleund raumspezifischeEinschwingvorgänge. © VerlagE. Bochinsky, Frankfurt/M.

Bild 3.63. Charakteristische Zeitbereiche für instrumentale und raumspezifischeAusklingvorgänge. © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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Man kommt hier offenbar schon in die gleiche Größenordnung, weshalb den Pausen,die bei solchen Tonfolgen zwischen den höheren Obertönen auftreten(»Obertonzäsur«) eine besondere Bedeutung zukommt. Der Vergleich mit denEinschwingzeiten von typischen Räumen zeigt, dass diese viel schneller reagierenals die Schallquellen und daher eher ohne Einfluss bleiben.Anders sieht es bei den instrumententypischen Abklingvorgängen aus, Bild 3.63.Allgemein fallen alle Bläser durch extrem kurze Nachklingzeiten auf. Bei denStreichinstrumenten ist die Nachklingzeit in starkem Maße tonhöhenabhängig: Jehöher der Ton, desto kürzer das Nachklingen; leere Saiten klingen länger nach alsgegriffene Töne, da der Finger die Saite zusätzlich bedämpft. Die längstenNachklingzeiten findet man schließlich bei der Pauke (wenn sie nicht abgedämpftwird) und beim Klavier in den tiefen und mittleren Tonlagen. Ein Vergleich mit derebenfalls eingetragenen typischen Nachhallzeit für Konzertsäle zeigt, dass Bläserund Streicher ganz wesentlich auf das Nachklingen des Raumes angewiesen sindum Fülle zu erhalten, während der Klavierton auch in einem größeren Saal durch daseigene Nachklingen geprägt wird.

Für den Zuhörer in einem Saal spielen die Reflexionen im Raum eine wichtige Rolle,denn der von einem einzelnen Instrument abgestrahlte Schall trifft bei ihm nicht nurauf dem direkten Wege ein, sondern er wird auch von den Wänden, der Decke undanderen reflektierenden Flächen zu ihm zurückgeworfen.

In Bild 3.64 sind die ersten, noch wenig geschwächten Reflexionen schematischdargestellt, wobei zunächst nur die von dem Konzertmeister in der Mitte des Podiumsausgehenden Schallstrahlen (durchgezogene Linien) betrachtet werden. EineWandreflexion ist für den Schall jedoch mit einem Umweg verbunden, unddementsprechend trifft der Schall mit einer gewissen Verzögerung gegenüber demDirektschall beim Zuhörer ein. Diese Verzögerung ist im rechten unteren Teilbild

Bild 3.64. Schallwege und dazugehörende Verzögerungszeiten zwischen Quelle undHörer in einem Raum. Dargestellt sind nur der Direktschall und die ersten Reflexionenvon einer Quelle. © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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ohne Berücksichtigung der Stärke der einzelnen Reflexionen graphisch dargestellt.Typischerweise liegt sie für Konzertsäle in der Größenordnung von 30 ms für diezuerst eintreffende Reflexion, ihr folgen weitere Reflexionen, auch von der Decke,und schließlich die zum Nachhall zusammengezogenen vielfältigen Reflexionen, aufdie in diesem Bild verzichtet wurde. Damit erhält der Ton eine veränderteZeitstruktur, wobei auch die Stärke seiner Obertöne dabei einer Veränderungunterliegen kann, wenn der Raum bestimmte Frequenzbereiche hervorhebt oderabschwächt. Wie ein Vergleich der charakteristischen Zeitwerte fürInstrumentenklänge und für raumakustische Vorgänge in den Bildern 3.62 und 3.63leicht erkennen lässt, korrespondieren Instrument und Raum dabei oft sehr engmiteinander.Bemerkenswert ist der Raumeinfluss auf den Klang des Streichervibratos. DasVerzögerungsdiagramm in Bild 3.64 sagt ja nicht nur aus, dass der zu einembestimmten Zeitpunkt vom Instrument ausgehende Schall den Hörer zuverschiedenen späteren Zeitpunkten erreicht, sondern er lässt sich auch sointerpretieren, dass der Hörer zu einem bestimmten Zeitpunkt Schall empfängt, derzuvor zu verschiedenen Zeitpunkten vom Instrument abgestrahlt worden ist. Dasbedeutet: Wenn ein Geiger mit Vibrato spielt und dabei die Frequenz seines Tonsperiodisch mit etwa 5 Hz bis 8 Hz ändert, empfängt der Zuhörer stets Schall, der zuverschiedenen Zeitpunkten, also mit unterschiedlicher Frequenz, erzeugt wurde.Dieser Vorgang ist in Bild 3.65 dargestellt.

Das linke Teilbild zeigt den Klang, wie er direkt am Instrument zu hören ist. Dieeinzelnen Teiltöne ändern ihre zeitliche Frequenz, wie aus der Zeitstruktur dereinzelnen Teiltonkämme zu ersehen ist. Dass dieser Effekt bei den höherenObertönen deutlicher wird, hängt damit zusammen, dass der Frequenzmaßstabdieses Bildes linear, die Frequenzänderung beim Vibrato aber relativ ist: JederTeilton schwankt um etwa 1/3 Halbton. Für den Zuhörer im Saal überlagern sich diezu verschiedener Zeit produzierten Frequenzen zu einem Frequenzband (rechtes

Bild 3.65. Klangspektrum eines Geigentones, aufgenommen in der Nähe desInstrumentes und weiter weg im Raum. © Verlag E. Bochinsky, Frankfurt/M.

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Teilbild), das die Zeitstruktur des Vibratos kaum noch erahnen lässt. Der Ton gewinntdadurch aber an Fülle und Volumen. Dieser Effekt ist nicht nur bei allenStreichinstrumenten, sondern auch beim Vibrato der Gesangsstimmewiederzufinden. Betrachtet man schließlich den Einfluss, den ein Raum auf denKlang einer Geigengruppe innerhalb eines Orchesters ausübt, so ergeben sichweitere Aspekte, die den chorischen Effekt und damit die Fülle des Tons verstärken.Zur Erläuterung dieses Vorganges ist in Bild 3.64 auch der Strahlengang für den vomhintersten Spieler der Gruppe der ersten Violinen ausgehenden Schall (gestrichelt)eingetragen. Man sieht, dass der Direktschall und auch die Reflexion von der Deckebeim Zuhörer fast zum gleichen Zeitpunkt eintreffen, wie der vom 1. Geigergleichzeitig abgestrahlte Schall. Dagegen ist die Verzögerungszeit für die Reflexionvon der gegenüberliegenden Wand länger. Denkt man sich noch dieWandreflexionen für alle anderen Spieler der Geigengruppe dazu, so füllt sich für dieWandreflexionen jeweils ein Zeitabschnitt von mehr als 10 ms der zur Verbreiterungdes Raum-Klangbildes beiträgt. Der Ton gewinnt dadurch noch eine zusätzlicheQualitätsnuance, wie sie von einer einzigen, wenn auch gleich lauten Quelle auf demPodium nicht zu erreichen wäre. Der Raumeinfluss gehört deshalb zum Klangbildeines Tones dazu; man darf ihn ebenso wenig als eine Verfälschung desOriginalklanges ansehen, noch auf den Gedanken kommen, dass die von einemGeiger erzeugte Saitenschwingung, also das eigentliche Produkt der Spieltechnik,durch den Korpus des Instrumentes verfälscht würde. Es handelt sich in beidenFällen um einen integralen Bestandteil des endgültigen Klangeindruckes. Dabeitragen Direktschall und frühe Deckenreflexionen vor allem zur Prägnanz,Seitenwandreflexionen vor allem zum Volumen des Tones bei. Ein im freiengespieltes Instrument klingt im allgemeinen nicht gut.Ein Raum kann sich aber auch negativ auf einen Klang oder eine Sprachdarbietungauswirken, insbesondere dann, wenn die energiereichen Reflexionen zu langeLaufzeiten aufweisen und zusammen mit dem Direktschall vom Gehör nicht mehr zueinem Ereignis verschmolzen werden können - es wird ein Echo wahrgenommen,vergl. Bild 3.47. Dafür dürfen die Laufzeitunterschiede zwischen dem Direktschallund den energiereichen ersten Reflexionen bei Musik nicht größer etwa 80 ms , beiSprache, wo es stark auf Verständlichkeit ankommt, nicht größer als 50 ms sein.Neben der Gleichmäßigkeit des Nachhallverlaufs, muss auch der Frequenzverlaufder Nachhallzeit ausgewogen sein. Wenn alle hohen Frequenzen gegenüber dentiefen bedämpft, also absorbiert werden, klingt ein Raum dumpf (Gruft) undentsprechend umgekehrt. Auch können bei Vorhandensein vonschallkonzentrierenden, also konkaven Begrenzungen, akustische Brennpunkteentstehen, die einer gleichmäßigen Schallfeldverteilung entgegenstehen, siehe auchAbschnitt 3.3.

Verwendete Lit.: MEYER, J.: Akustik und musikalische Aufführungspraxis, 3. Auflage.Verlag E. Bochinsky, Frankfurt a Main, 1995.

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3.5 Raumakustische Planung

3.5.1 Grundlagen, Ziele, Kriterien, Maßnahmen

3.5.1.1 Allgemein

Die Akustik ist ähnlich dem Licht für das Wohlbefinden des Menschen in einemRaum mitverantwortlich. Erfolgreiche Architekten, Innenraumgestalter und Designersetzen sich immer auch mit den Klangqualitäten der Räume auseinander, wenn sieeine gelungene Symbiose aus Funktion, Technik, Licht, Akustik und Ästhetik zuerreichen wünschen. Bewusstes Hören muss das Entwerfen in gleicher Weisebeeinflussen wie bewusstes Sehen, auch wenn die Übermacht des Visuellen in denvergangenen Jahrzehnten alles Sichtbare in den Mittelpunkt einer Entwurfstätigkeitgerückt hat, siehe Abschn. 3.2.2. Dazu bedarf es aber auch einerAuseinandersetzung mit den Gesetzmäßigkeiten der Akustik und mit denjenigenParametern, die, abhängig von der Nutzung, eine geeignete Raumakustikermöglichen.Für normale kleinere Wohnräume spielt die Akustik i. a. keine Rolle, die Größe derRäume und die Einrichtung machen eine gezielt eingesetzte Raumakustiküberflüssig. Anders zum Beispiel an Arbeitsplätzen in Fabrikhallen oder in großenFoyers mit Glas und Beton, bei denen leicht eine Bahnhofshallenatmosphäre auftritt,hier sollte Absorption zur Senkung der Halligkeit und der Lautstärke eingesetztwerden, was eine Maßnahme zur reinen Verbesserung des akustischenWohlbefindens (Komfort) bzw. der Lärmbekämpfung wäre. Ein zu stark bedämpfterRaum ist aber genauso unnatürlich (es sei denn es handelt sich um einAufnahmestudio zur Hörspiel- oder U- Musikproduktion), wie ein zu halliger Raum.Völlig anders liegen die Verhältnisse, wenn der Raum mit seiner Akustik die Nutzungunterstützen soll, nämlich beispielsweise in Theatern, Opern, Konzertsälen, Kinos,Konferenzräumen oder Klassenzimmern, hier muss die Raumakustik optimiertwerden. Mit Hilfe der bisher dargestellten Grundlagen sollte es möglich sein eineeinfache raumakustische Optimierung durchzuführen. Das macht zwar in der Praxisoft ein Akustiker, trotzdem sollte auch der/die Architekt/in die grundlegendenZusammenhänge und Kriterien sowie die „Sprache“ und Werkzeuge des Akustikerskennen, um mitreden und die akustischen Notwendigkeiten mit dem baulichenEntwurf abstimmen zu können, das heißt, er/sie sollte eine Vorstellung davon haben,welcher Zusammenhang zwischen Akustik und Architektur eines Raumes besteht,wie man durch Raumgeometrie und Raumgestaltung die Raumakustik beeinflussenkann.Es geht darum, ein möglichst gleichmäßiges Schallfeld zu erzeugen, das heißt vonjedem Platz aus sollte der Höreindruck und die Lautstärke in etwa gleich sein. DerRaum sollte dabei mit seinem akustischen Beitrag (Raumklang) die Darbietunginsoweit unterstützen, dass diese möglichst unverfälscht und angenehmwahrgenommen wird. Da die Intensität (Lautstärke) des Direktschalls mit derEntfernung von der Quelle physikalisch bedingt abnimmt, muss man dieses für dieweiter entfernten Plätze durch eine ausgewogene Ausnutzung von Raumflexionenausgleichen. Dafür eignen sich aber nur die energiereichen ersten Reflexionen vonden Raumbegrenzungsflächen, solange diese nicht einen zu großenLaufzeitunterschied (Entfernung geteilt durch Schallgeschwindigkeit) zumDirektschall aufweisen (sonst Gefahr der Echobildung). Parameter die in eine guteRaumakustik eingehen sind Raumvolumen, Raumform, Rauminnenstruktur,Raumelemente (Feinstruktur), Lage und Art der Hörerfläche, Schallabsorption und

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Schallreflexion, diese beiden zuletzt genannten Effekte hängen stark mit derMaterialität des Innenausbaus zusammen.Die Ziele der Raumakustik sind also klar definiert, es geht um:

• Optimale Hörverhältnisse für Zuhörer• Optimale Arbeitsbedingungen aus Sicht der Darbieter (Sprecher, Musiker,

Sänger, usw.)• Optimale Bedingungen für Kommunikation (Konferenzräume, Unterrichts-

räume)• oder nur: Schaffung einer bestimmten akustischen „Atmosphäre“ (z. B. intimes

Museum oder Aufnahmestudio).

Eine optimale Raumakustik ist dann zu erwarten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:• Richtige Nachhallzeit in Abhängigkeit von Raumvolumen und Nutzung

eingestellt• Gute Direktschallversorgung (Blickkontakt, Sitzreihenüberhöhung)• Geringer Abstand Schallquelle - Hörer• Möglichst viele erste Reflexionen im Bereich bis 50 ms (Sprache) oder 80 ms

(Musik)• Gleichmäßige Schallfeldverteilung über das Auditorium mittels Direktschall

und früher Reflexionen• Vermeidung störender Echos• Vermeidung von Schallkonzentrationen (Hohlspiegelgesetze beachten)• Störgeräusche (haustechnische Anlagen, Verkehrslärm von außen)

vermeiden.

Zur Erfüllung der genannten Kriterien ist eine Einflussnahme und das sollte auchAbschnitt 3.3 klargemacht haben, durch folgende Maßnahmen möglich:Raumgeometrie (= Primärstruktur):

• Raumvolumen• Raumform (Grundriss, Wand- und Deckenführung)• Bühnen-, Podiums- und Publikumsanordnung

Raumgestaltung (= Sekundärstruktur):• Zusatzreflektoren (Schalllenkung)• Materialien (Absorption)• Strukturierung von Flächen (Diffusion)• Einbauten (Beleuchtungskörper, -brücken, Pfeiler, Balkone, Ränge, usw.).

Welches Zusammenspiel von Kriterien in Abhängigkeit von der Nutzung im einzelnenzu beachten ist, soll im folgenden dargestellt werden, dabei sind Eigenschaften desGrundrisses und der Raumform ebenso von Bedeutung, wie der Einsatz zusätzlicherReflektoren und/oder Diffusoren sowie Absorption. Einige Aspekte wurden bereits imZusammenhang mit der geometrischen Raumakustik erwähnt.

3.5.1.2 Räume für Sprachdarbietungen

Kleine Räume, beispielsweise Klassenzimmer und Besprechungsräume mit einemVolumen von etwa 150 bis 500 m3 , sollten eine mittlere Nachhallzeit von 0,5 bis 0,8sec nicht überschreiten, weil sonst die Sprachverständlichkeit gestört sein kann, wasbesonders bei lernenden Menschen nachteilig ist. Wenn Volumenkennzahlen von 3bis 5 m3/ Hörer nicht überschritten werden, sind meist vorzugsweise

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Schallabsorptionsmaßnahmen bei tiefen Frequenzen nötig, die zum Beispiel in Formvon Plattenschwingern realisiert werden können. Die Raumhöhe sollte nicht größerals etwa 1/3 der Raumlänge sein und darf auf keinen Fall 8,5 m überschreiten, damitdie Laufwegdifferenz zwischen den ersten Reflexionen von Saalrückwand und Deckeund dem Direktschall im vorderen Zuhörerbereich nicht größer als 17 m wird(Echokriterium). Die Raumhöhe sollte aber auch nicht zu niedrig gewählt werden,damit Deckenreflexionen den mittleren und hinteren Zuhörerbereich mit zusätzlicher,die Verständlichkeit fördernder Schallenergie versorgen. In Anbetracht derRichtcharakteristik eines Sprechers und um wirksame Wandreflexionen zugewährleisten, ist es zweckmäßig, die Raumbreite auf etwa 3/4 der Raumlänge zubegrenzen. Raumproportionen sollten vor allem bei Räumen an der unteren Grenzedes oben genannten Volumenbereiches so gewählt werden, dass Verhältnisse vonLänge, Breite, Höhe, die ganzzahligen Vielfachen entsprechen, vermieden werden,damit soll vor allem die Gefahr stehender Wellen oder das Auftreten von Flatterechosunterdrückt werden. Die Seitenwände stellen vor allem in etwas größeren Räumenebenfalls wichtige Reflexionsflächen zur Versorgung des hinteren Zuhörerbereichesdar. Wandformen, die diese Reflexionsrichtungen unterstützen sollen, sind analogzur Decke zu gestalten. Die Wand hinter dem Redner sollte schallreflektierend sein,um den Direktschall unterstützende frühe Reflexionen zu gewährleisten. Der Abstandzum Rednerstandort ist dazu möglichst kleiner als etwa 2 m zu wählen. DieRaumrückwand kann dagegen bevorzugt für die erforderl ichenSchallabsorptionsmaßnahmen genutzt werden. Teppichbodenbeläge sind ausakustischer Sicht sinnvoll, nicht nur wegen ihrer Schallabsorption bei hohenFrequenzen, sondern auch, weil sie die Entstehung von Geräuschen beim Gehenund gegebenenfalls auch beim Stühlerücken vermindern. Hohlliegende Fußbödenkönnen zur Absorption tiefer Frequenzen dienen. Bei Räumen mit mehr als etwa 10Sitzreihen ist eine Sitzreihenüberhöhung zweckmäßig, vereinfacht können auch eineoder mehrere Stufen gewählt werden.Mittlere bis große Räume für Sprachdarbietungen (bis 5000 m2) erfordern dengezielten Einsatz reflektierender Flächen zur Erhöhung der Sprachverständlichkeitdurch Schaffung eines hohen Anteils direktschallwirksamer, d. h. den Direktschallbezüglich Deutlichkeit und Lautstärke unterstützender Anfangsreflexionen bis 50 msnach dem Direktschall. Besonders die von der Schallquelle (Sprecher) weitentfernten Sitzplätze müssen mit solchen Reflexionen versorgt werden. Gleichzeitigkönnen mit solchen Flächen, insbesondere an der Rückwand (dem Sprechergegenüberliegende Wand), Echogefahren auf dem Podium und auf dem vorderenTeil der Zuhörerfläche beseitigt werden, indem die auf die Rückwand auffallendenSchallstrahlen gezielt auf die hinteren Zuhörerreihen reflektiert werden. Besondersbei großen Raumbreiten sind Reflexionsflächen an der Decke die einzigen, dieDirektschall unterstützende Reflexionen besonders auf die Plätze in der Nähe derSaalachse lenken können. Bei schmalen Räumen können Reflexionsflächen an denSeitenwänden diese Funktion mit übernehmen.

3.5.1.3 Musiktheater

Mittlere bis große Zuschauerräume in Musiktheatern erfordern einen sehrdifferenzierten Einsatz gezielter Reflexionsflächen. Das liegt daran, dass es inMusiktheatern zwei Schallquellenbereiche (Bühne und Orchestergraben) gibt, indenen darüber hinaus noch akustisch sehr unterschiedliche Schallquellen wirksamwerden. Außerdem erfordern die unterschiedlichen Signale (Gesang oder Sprache

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von der Bühne und orchestrale Musik als Begleitung oder eigenständiger Beitrag, z.B. Ouvertüre aus dem Orchestergraben) unterschiedliche raumakustischeBedingungen. Während für den Schall von der Bühne ausreichende Lautstärke,Deutlichkeit und Klarheit, ohne desillusionierende akustische Raumeffektegewünscht werden, der sich auch gegenüber dem Orchesterklang genügenddurchsetzen kann (Balance), werden für den Orchesterklang neben ausreichenderDurchsichtigkeit, Lautstärke und einer ausgeglichenen Klangfarbe bei tiefen undhohen Frequenzen, auch ein akustischer Raumeindruck, eine angemesseneHalligkeit und eine wirksame Klangfülle erwartet. Darüber hinaus soll sowohl für dieSänger auf der Bühne als auch für die Musiker das gegenseitige Hören, sowohlinnerhalb des Ensembles auf der Bühne oder im Orchestergraben als auch zwischendiesen beiden Schallquellenbereichen, gut sein. Außerdem verlangen die Künstlerein gewisses Maß an „Raumantwort“, damit der Raum „trägt“, „antwortet“ oder„anspricht“. Bei der Lösung dieser raumakustischen Probleme haben sich folgendeGrundsätze bewährt.

• Die Erhöhung der Deutlichkeit, Durchsichtigkeit und Lautstärke desBühnenschalls erfolgt über gezielte Reflexionsflächen im Bühnenbereich(schallhartes Bühnenbild), an den Proszeniumsseitenwänden und an derProszeniumsdecke und für die Rangplätze darüber hinaus noch an derHauptdecke.

• Die Erhöhung der Durchsichtigkeit des Orchesterklanges bei gleichzeitigemakustischem Raumeindruck erfolgt über gezielte Reflexionsflächen an denRaumseitenwänden in Zusammenhang mit den Rangbrüstungen und denRangunterseiten. Dabei wird ein Teil der reflektierten Schallenergie nachunten (auf die Zuhörer) gelenkt, um die Durchsichtigkeit und die Räumlichkeitzu erhöhen, während ein weiterer Teil nach oben reflektiert wird, um dieNachhallenergie zu erhöhen (Halligkeit).

• Durch eine teilweise diffuse Gestaltung der Rangbrüstungen wird Streuschallauch zur Bühne und zum Orchestergraben zurückgeworfen, was die„Raumantwort“ verstärkt.

• Das gegenseitige Hören auf der Bühne kann im allgemeinen nur durch eingeeignetes Bühnenbild (Verwendung schallharter Prospekte und Einbauten)verbessert werden.

• Das gegenseitige Hören im Orchestergraben wird durch diffuseReflexionsflächen an den Orchestergrabenwänden und durch eine fastwaagerechte Anordnung bzw. eine nur leicht konvexe Krümmung des Teil-Deckenbereichs über dem Orchester erreicht.

• Das gegenseitige Hören zwischen Bühne und Orchestergraben wird durchgezielte Reflexionsflächen an der saalseitigen Begrenzungswand desOrchestergrabens erreicht.

3.5.1.4 Konzertsäle

In mittleren und großen Konzertsälen werden gezielte Reflexionsflächen in großemUmfang eingesetzt. Hier kommt es vor allem auf eine ausreichende Durchsichtigkeit,gepaart mit einem optimalen akustischen Raumeindruck, auf eine spektral richtigeWiedergabe des Orchesterklanges, auf ausreichende Lautstärke beimFortissimospiel, auf ein gutes Lautstärkegleichgewicht (Balance) allerOrchestergruppen und für die Künstler selbst auf eine spürbare „Raumantwort“ undgutes gegenseitiges Hören an.

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In Konzertsälen mittlerer Größe können diese Forderungen durch optimale Wahl derPrimär- und Sekundärstruktur erfüllt werden. Jedoch sind bei großen Konzertsälenoftmals Kompromisse nicht zu umgehen. Insbesondere betrifft dies die Gestaltungder Sekundärstruktur im Bereich der Schallquelle. Im Bühnenbereich werden oftmalsalle reflektierenden Flächen an der Decke, den Seitenwänden und der Rückwand soausgerichtet, dass eine maximale Schallabstrahlung des Orchesterschalls in denZuschauerraum, insbesondere auf die entfernteren Zuhörerzonen, erfolgt.Nachteilig bei diesem Vorgehen ist, dass das gegenseitige Hören und die„Raumantwort“ für die Musiker sehr schlecht, der Orchesterklang unter Umständensehr hart und wenig durchmischt ist und dass es Balanceprobleme insbesonderebeim Fortissimospiel zwischen den vorn sitzenden Streichern und den hinten, vor derBühnenrückwand sitzenden lautstarken Blechbläsern gibt.Um diese Nachteile zu umgehen, sind großflächige Reflektoren (Abmessungen etwa3 m) über und neben dem Orchester anzuordnen, die tieffrequenten Schall in denZuschauerbereich, aber auch zum Orchester reflektieren. Diese Reflektoren werdenmit Strukturen versehen, die bei mittleren und hohen Frequenzen den Schall diffusreflektieren. Mit diesen Maßnahmen wird folgendes erreicht:

• Balancierung der von den verschiedenen Orchestergruppen abgestrahltenunterschiedlichen Schalleistungen.

• Milderung der gerichteten Schallabstrahlung einzelner Instrumente oderInstrumentengruppen und Mischung dieses Einzelklanges in den Gesamtklangdes Orchesters.

• Verteilung des balancierten und durchmischten Orchesterklanges auf dieZuhörerfläche.

• Aufrechterhaltung der größtmöglichen Dynamik für mittlere und hoheFrequenzen in den frühen Reflexionen (Anfangsreflexionen) und für tiefeFrequenzen im Nachhall.

• Möglichkeit, dass die Musiker sich selbst und andere Orchestergruppen hören(gegenseitiges Hören).

Im Bereich der Zuhörer werden reflektierende Flächen so angeordnet und gestaltet,dass einerseits viel seitlicher (lateraler) Schall bis 80 ms nach dem Direktschall diePublikumsfläche trifft, aber auch andererseits dem nachhallbildenden Schallfeld imoberen Raumteil Schallenergie zugeführt wird. Durch die zuerst genanntenMaßnahmen werden sowohl die Räumlichkeit als auch die Durchsichtigkeitgesteigert, während die zweite Maßnahme den gewünschten Halligkeitseindrucksteigern hilft. Seitliche Reflexionen bis 80 ms können durch folgende architektonischeMaßnahmen erreicht werden:

• geringe Breite des Saales (Primärstruktur!)• seitliche Emporen• tiefe Wandstrukturen mit waagerechter oder schräger Unterseite• tiefe Strukturierung der Decke• nach unten geneigte ebene oder gekrümmte Reflektoren an den Wänden oder

im Deckenraum.In sehr breiten Sälen kann - insbesondere für die von den Seitenwänden sehr weitentfernten mittleren Sitzplätzen - durch das Prinzip der "Weinbergterrassen"(Philharmonie Berlin) eine Verstärkung seitlicher Reflexionen erreicht werden.Für die Energiezufuhr in das obere Nachhallschallfeld sorgen neben gezieltenReflexionsflächen an Rangbrüstungen und den Seitenwänden auch plastischeStrukturierungen, wie Fensternischen, Verzierungen, Säulen, Attiken.Die Saalrückwand sollte zur Vermeidung von Echoerscheinungen im vorderenSaalbereich eine diffus reflektierende Wandstruktur erhalten, wodurch einerseits

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kurzfristiger seitlicher Schall erzeugt wird, andererseits aber zusätzlicheSchallenergie ins obere Nachhallfeld gelenkt wird. Dieser Schall gelangt schließlichauch in geschwächter Form und zeitlich aufgelöst zur Bühne (Schallquelle) zurück,wo er zur „Raumantwort“ für die Musiker beiträgt. Besonders ungünstig für das„gegenseitige Hören“ der Orchestermusiker untereinander ist eine im Bereich desOrchesters sehr hohe Decke (oft bei amphitheaterartiger Orchesteranordnunganzutreffen) oder eine sehr breite Bühne. Zur Schaffung kurzzeitiger, dasZusammenspiel fördernder Reflexionen werden in diesen Fällen über dem OrchesterReflektoren (Plafonds, engl. clouds) aufgehängt, deren Höhe nicht mehr wie 10 mbetragen sollte. Bei breiter Bühne wird durch seitliche Stellwände ebenfalls das„gegenseitige Hören“ verbessert. Diese Stellwände sollten neben einer breitbandigenStrukturierung (z. B. großflächige Faltung mit Mikrodiffusoren belegt) mindestenseine Flächenmasse von 10 .... 40 kg/m2 aufweisen.

Ergänzt werden müssen die Bemühungen, das Eindringen von unerwünschtemSchall von außen zu verringern und zu gewährleisten, dass auch dieSchallübertragung von Raum zu Raum in Abhängigkeit der Nutzung minimal bleibt,dieses sind Aufgaben der Bauakustik.

3.5.2 Vorgehensweise

3.5.2.1 Raumform

3.5.2.1.1 GrundrissAls erstes legt man soweit möglich die primäre Raumbeschaffenheit (Größe, Form,Innenstruktur, Lage von Zuhörerflächen und Bühnenbereich, etc.) fest. Um einegewisse Grundnachhallzeit zu gewährleisten, kann die Zahl der Zuhörerplätze nichtbeliebig gewählt werden (jeder Zuhörer absorbiert mit seiner Kleidung auch Schall),zur Orientierung benutzt man die vorgegebene Tabelle, die in Abhängigkeit von derNutzung die entsprechenden m3 pro Zuhörerplatz festlegt, bei bestehenden Räumenergibt sich daraus die maximale Platzzahl, bei zu planenden Räumen kann darausdas notwendige Raumvolumen bestimmt werden.

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Beispiel für einen sehr großen Saal: Philharmonie in Berlin mit einem Raumvolumenvon 24500 m3 und einer Platzzahl von 2250. Zuhörerzahl und Raumvolumen könnennicht beliebig groß gemacht werden, weil sonst die Quelllautstärken nicht mehrausreichend den gesamten Raum versorgen, Direktschall und Anfangsreflexionenaufgrund der langen Wege bereits zu sehr geschwächt sind und die EntfernungHörer – Schallquelle rein visuell zu groß wird. Beispiel für einen kleineren Saal:Deutsches Theater in Berlin mit V= 2300 m3 und einer Platzanzahl von 660. Es gibtaber auch eine untere Volumengrenze dadurch, dass die Lautstärke zu hoch seinkann und die Raumresonanzdichte zu gering ist, wodurch zu wenig Diffusität erreichtwird.Die Raumform bestimmt mit ihrem Grund - und Aufriss und damit mit der Lage dermehr oder weniger reflektierenden Raumbegrenzungsflächen in Relation zur Quelle(Sprecher, Orchester, etc.) und den Zuhörerplätzen, inwieweit ein gleichmäßigesSchallfeld im Raum erreicht wird, dabei kann die Grundform von einem einfachenRechteck (sog. „Schuhkarton“) bis zu komplizierten Formen, wie die derPhilharmonie in Berlin, variieren.

Bild 3.66 zeigt zunächst mögliche klassische Rechteckformen (Schuhkarton).Grundriss A1 führt zu einem guten Raumeindruck, weil ausgeprägteSeitenwandreflexionen für den mittleren und hinteren Publikumsbereich zurVerfügung stehen, vorausgesetzt der Raum ist nicht viel breiter als 20 m und dieDecke ist ausreichend hoch (16 m und mehr). Berühmte Konzertsäle haben dieseForm, wie der Musikvereinssaal Wien, das Concertgebouw Amsterdam, dieSymphony Hall Boston oder das Konzerthaus Berlin. Wenn die Bühne bei gleichemGrundriss an die Seite verlagert wird (A2), sind die für Musik wichtigenSeitenwandreflexionen im mittleren Zuhörerbereich nicht ausreichend. FürSprachdarbietungen allerdings ist diese Form akzeptabel weil die mittlere EntfernungPodium – Zuhörer entsprechend klein bleibt und somit genügend Direktschall zurVerfügung steht. Die Verlagerung des Podiums in Richtung Saalmitte, um zumBeispiel Platz für den Chor zu haben (A3), kann zu Balanceproblemen insbesonderebei den nach vorne orientierten Abstrahlcharakteristiken bestimmter Instrumenteführen, eine gute Durchmischung des Orchesterschalls durch das Podiumumgebende Reflexionsflächen kann diesen Effekt mindern helfen. Ähnliche Aspektewie bei Rechteckräumen treten auch bei den quadratischen auf, Bild 3.67. Bei nichtzu großen Zuhörerzahlen lassen sich diese Saalformen im allgemeinen auch bei

Bild 3.66.Nutzungsformenvon Rechteck-räumen. © Verlagf. Bauwesen,Berlin.

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verschiedenen Podiumsanordnungen nutzen. Grundrisse B3 und B4 eignen sichbesonders bei Einzelsprechern durch gute Direktschallversorgung. Bei B4 fehlen

die Seitenwandreflexionen für Musik, bei B2 und B5 kann es Balanceproblemegeben, bei der Form B5 besonders bei gerichteter Schallabstrahlung. Räume inTrapezform, Bild 3.68, können zu mangelnder Versorgung des mittlerenPublikumsbereiches mit frühen Seitenwandreflexionen führen. Abhilfe dürften nichtzu stark auseinander laufende Seitenwände schaffen oder eine entsprechendeSekundärstruktur, wie sie in Bild 3.69 schematisch dargestellt ist.

Andere Grundrissformen, wie Bild 3.70 zeigt, haben mehr oder weniger Nachteile,insbesondere diejenigen mit gekrümmten Begrenzungsflächen, die nur durchzusätzliche Maßnahmen der Schalllenkung ausgeglichen werden können. Diesymmetrischen Sechsecke (D1 bis D4) zeigen oft zu schwacheSeitenwandreflexionen, besser wären langgezogenere Formen. Die Hufeisenform E1ist die klassische Bauweise von Musiktheatern des 19. Jahrhunderts, wegen

Bild 3.67.Nutzungs-formen vonquadratischenRäumen.© Verlag f.Bauwesen,Berlin.

Bild 3.68.Nutzungs-formen vontrapezförmigenRäumen.© Verlag f.Bauwesen,Berlin.

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möglicher Brennpunktbildungen sind starke Sekundärmaßnahmen notwendig,beispielsweise Ränge mit vorgelagertenBalkonen, noch extremer sind die Formen E2und E3. Die Amphitheaterform E4 ist, wieman aus Erfahrung weiß, sehr gut geeignetfür Sprachdarbietungen aufgrund des hohenund ausgeglichenen Direktschallanteils imAuditorium, für Musikdarbietungen fehlenaber die notwendigen frühen starkenSeitenwandreflexionen zum Räumlichkeits-eindruck. Am Beispiel des Grundrisses E5sieht man, dass sich der konkave Charakterdurchaus phantasievoll aufbrechen lässt undzwar mit gutem Erfolg, denn dieses ist derGrundriss der Liederhalle in Stuttgart. Auchein Grundriss wie E6, kann beientsprechenden Zusatzmaßnahmen zueinem guten Ergebnis führen, wie dieRealisierung der Christchurch Town HallNeuseeland (1972) zeigt.

3.5.2.1.2 Deckenform

Für kleinere Räume insbesondere beiSprachdarbietungen spielen auch die erstenDeckenreflexionen eine Rolle, während beiMusiktheatern und ähnlichen Nutzungen dieHöhe eines Raumes zur Volumenschöpfungbenötigt wird, das heißt, die Höhe ist imallgemeinen größer als die Breite. Damit sind

aber die Seitenwandreflexionen wichtiger, weil sie eher beim Zuhörer eintreffen,während die Raumhöhe zum Nachhallvolumen und damit zum gewünschtenRaumklang beiträgt.Eine ebene Decke ist bei mittleren und größeren Räumen eher ungünstig, wie bereitsin Abschnitt 3.3.2.7 gezeigt wurde. Es gelangen nicht genügend erste Reflexionennach hinten, vielmehr werden die vorderen Plätze versorgt, bei denen bereitsgenügend Direktschall vorhanden ist, mit der Folge von Echogefahr. Abhilfe kannman durch eine einfach gewinkelte Deckenführung oder zusätzlich eingebrachteReflektorflächen schaffen. Besser, insbesondere bei Vorhandensein von Rängen, istaber eine angepasste Deckenform wie Bild 3.71 zeigt. Dass hier auch Obachtgeboten ist, macht Bild 3.72 deutlich, wo eine falsche Deckenform zu einerBrennpunktbildung im Rang führt.

Bild 3.69. Reflexionslenkung anWänden in Räumen mitfächerförmigen Grundrissen: (a)nach hinten; (b) diffus; (c) inRaummitte. © Verlag f. Bauwesen,Berlin

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Bild 3.70.NutzungsformenverschiedensterGrundrisse.© VEB VerlagTechnik, Berlin.

Bild 3.71.Beispiele fürDeckenformenzur Versorgungder hinterenHörerfläche mitersten energie-reichenReflexionen. (a)ungünstig, nurmit Zusatzmaß-nahmen anRückwand.© VEB VerlagTechnik, Berlin

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3.5.2.2 Raumelemente

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Grundform oftmals durchRaumelemente aufgebrochen werden muss, d. h. Einbau von großen reflektierendenFlächen (z. B. Wandelemente, Balkone mit Brüstungen, Einzelreflektoren, etc.), sodass eine gezielte Lenkung des Schalls erreicht wird (Rauminnenstruktur,Sekundärstruktur). Aufpassen muss man mit konkaven Formen, die, analog zurOptik, leicht zu Brennpunktbildung im Schallfeld führen können, vergl.Abschn.3.3.2.5. Auch sollte man stark reflektierende parallele Flächen mit nicht allzugroßem Abstand vermeiden (Gefahr von sog. Flatterechos). Zur Prüfung derSchallfeldverteilung und Aufdeckung von Problemen die beschriebenen Methodender geometrischen Raumakustik anwenden. Viele verschiedene kleinereRaumelemente (Streukörper) im Raum sind schließlich notwendig für die

Bild 3.72. Oben: UngünstigeDeckenform führt aufBrennpunktbildung im Rang.Unten: Abhilfe. © BirkhäuserVerlag, Stuttgart, Basel.

Bild 3.73. Raumelement- Formen und periodische Ausführung zur Erlangung vondiffuser Schallreflexion. © VEB Verlag Technik, Berlin.

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Gleichmäßigkeit des Schallfeldes (Diffusität) und wirken positiv auf die Feinstrukturder Nachhalls (Raumklang), Bild 3.73.Für einen hohen Streugrad sollte man folgende Dimensionierungsregeln beachten:Rechteckstruktur

dbg

dg

1

2

5

λ λ.....

Prismendbg

dg g

12

2

3 4

λ λ.....

.....

Halbzylinderdg

g

dg

12

16

2

4

....

.....λ λ .

Die gezeigten Strukturen haben den Nachteil, dass sie nur dann einen hohenStreugrad aufweisen, wenn die Wellenlänge λ mit der Strukturperiode gzusammenfällt. Um eine gewisse Breitbandigkeit zu erreichen, ist es aber möglichStrukturen mit verschiedenen Perioden zu kombinieren oder sogar stochastischanzuordnen, wie Bild 3.74 an einem Praxisbeispiel zeigt.

Bild 3.74. Breitbanddiffusor.Ausführungsbeispiel. © RPGDiffusor Systems Inc., USA.

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3.5.2.3 Nachhallzeitoptimierung, zusätzliche Absorptionsfläche

Nachdem Fragen nach Raumform und Raumelementen geklärt ist, ist der nächsteSchritt die Optimierung der Nachhallzeit, dabei geht man am besten vom Roh- oderGrundausbau aus (Ist-Zustand), damit man noch genügend Gestaltungsspielraumzur Verfügung hat, denn Raumbegrenzungsflächen von Innenrohbauten (Beton,Putz) sind i. a. eher schallreflektierend, so dass sich in der Praxis die Frage stellt, wieviel Absorption muss zusätzlich in einen Raum eingebracht werden, damit eine derNutzung angemessene optimale Nachhallzeit erreicht wird. Man muss dabeibedenken, dass sich Schallabsorption und Schallreflexion ergänzen, das heißt, vielAbsorption in einem geschlossenen Raum bedeutet weniger Reflexionen, geringereNachhallzeit, geringere Raumlautstärke und entsprechend umgekehrt. Eine guteRaumakustik muss in Abhängigkeit von der Nutzung also immer bemüht sein, dieBalance zwischen beiden Effekten zu finden. Man rechnet zunächst die Ist-Nachhallzeit nach SABINE (oder Knudsen) für die genannten sechs Frequenzen125, 250, 500, 1000, 2000, 4000 Hz aus, incl. der Bestuhlung bzw. Absorption durchPersonen (bei bestehenden zu verbessernden Räumen könnte man die Ist-Nachhallzeit auch messen, DIN EN ISO 3382). Für die Berechnung benutzt manSchallabsorptionsgrade der vorliegenden Materialien, wie sie zum Beispiel in derfolgenden Tabelle oder u. U. von einem Hersteller angegeben sind (siehe auchFasold, Sonntag, Winkler: Bau- und Raumakustik, VEB Verlag Berlin, 1987, S. 393-432 oder Bobran: Handbuch Bauphysik, Vieweg Verlag 1976, S. 90 -99).

Zahlenbeispiele vonAbsorptionsgradenverschiedenerMaterialien über derFrequenz. © Verlagf. Bauwesen, Berlin.

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Nachdem der Istzustand vorliegt, legt man die erwünschte optimale Nachhallzeit inAbhängigkeit vom Raumvolumen und von der Nutzung fest, Bild 3.75, dabei hat manein Toleranzband zur Verfügung, Bild 3.76.

Bild 3.75. OptimaleNachhallzeiten inAbhängigkeit vonNutzungsart undRaumvolumen.© VEB Verlag f.Bauwesen, Berlin.

Bild 3.76.Toleranzbänder füroptimale Nachhallzeitenüber der Frequenz.© VEB Verlag f.Bauwesen, Berlin

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Für Nutzungen mit Musik ist eine Anhebung der Nachhallzeit unter 250 Hzerwünscht, weil dies die geringere Empfindlichkeit des Gehörs bei tiefen Frequenzenausgleicht und dem Klang „Wärme“ verleiht. Räume mit Tonwiedergabe sind zumBeispiel Kinos. Sonderstellungen nehmen Klassenräume ein, deren mittlereNachhallzeit bei 500 Hz 0,8 sec nicht überschreiten sollte, sowie Aufnahmestudiosfür Sprache, bei denen oft eine mittlere Nachhallzeit von nur 0,2 bis 0,3 secgewünscht wird.Aus Vergleich der optimalen mit der Ist-Nachhallzeit für jede Frequenz kann man,indem man die SABINE Formel umdreht, pauschal ausrechnen, wie viel zusätzlichefrequenzabhängige Absorption (Absorptionsfläche) man im Raum benötigt.

3.5.2.4 Abschätzung des Einflusses durch angekoppelte Räume

Es geht um die Frage inwieweit Teilräume von Veranstaltungssälen, die zwararchitektonisch als Ganzes gedacht sein können, akustisch aber denVoraussetzungen der statistischen Raumakustik nicht mehr standhalten,berücksichtigt werden können. Hierzu gehören beispielsweise Kirchen, bei denensich an ein hohes Mittelschiff niedrige Seitenschiffe oder Seitenkapellen anschließen,hierzu gehören Theater mit ihren zahlreichen zum Teil recht tiefen Logen,Bühnenräume in Opern oder auch offene Foyers.

Als einfaches Beispiel ist in Bild 3.77 der Fall wiedergegeben, dass an einem großenSaal vom Volumen V1, eine niedrigere Vorhalle mit dem Volumen V2, angeschlossenist, wobei die koppelnde Fläche S12, noch durch einen tiefen Unterzug verkleinert ist.Diese Koppelfläche soll offen sein, Teilräume die durch Türen etc abgeschlossensind, sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Man kann in diesem Falle nichterwarten, dass die Schallenergie auf beide Räume gleichmäßig verteilt ist, wenn imHauptraum eine Schallquelle die Leistung P, abstrahlt. Es wird eher so sein, dass dieLautstärke abfällt, wenn man vom Hauptraum in den Nebenraum tritt. Man kann nunmit Hilfe einer Leistungsbilanz, die die beiden einzelnen absorbiertenSchallleistungen durch A10 und A20 mit den über die Öffnung übertragenenLeistungen in beide Richtungen verknüpft, ausrechnen inwieweit die Absorption desNebenraumes im Hauptraum zu berücksichtigen ist. Dazu wird einAnkopplungsfaktor k21 definiert zu

Bild 3.77. Prinzipskizze zumEinfluss angekoppelterRäume. V1, V2 Teil-Raumvolumen, A10, A20Teil-Absorptionsflächen, S12geom. Koppelfläche.© Verlag S. Hirzel, Stuttgart.

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kS

S A2112

12 20

=+

.

Geht dieser gegen Eins, also S A12 20>> , ist die Kopplung groß und der Nebenraumkann mit seiner Absorption und Raumvolumen ganz einfach als zum Hauptraumgehörend betrachtet werden. Im umgekehrten Fall, wenn k21 sehr klein wird, ist dieKopplung gering, dass heißt, man wird im Nebenraum einen deutlichenLautstärkeabfall wahrnehmen, dieses ist manchmal festzustellen, wenn man unterBalkonflächen von Rängen tritt. Die Gesamtabsorptionsfläche A res10 desHauptraumes, die ja die resultierende Nachhallzeit desselben bestimmt, ergibt sichnun mit Hilfe des Kopplungsfaktors zu

A A k Ares10 10 21 20= + ⋅

und damit

A A Ares10 10 20= + für S A12 20>> sowieA A Sres10 10 12= + für S A12 20<< ,

S12hat dann die Bedeutung einer entsprechenden Fläche mit dem AbsorptionsgradEins. Außerdem gilt dann

V V Vres ≅ +1 2 für S A12 20>> undV Vres ≅ 1 für S A12 20<< .

Bezüglich der Nachhallzeiten können sich folgende Situationen ergeben: ist derHauptraum bedämpfter als der Nebenraum, hört man zunächst dessen kurzeNachhallzeit und danach das längere Nachhallen des angekoppelten Teilraums. Imumgekehrten Fall tritt der schnellere Abklingvorgang im Teilraum im halligerenHauptraum gar nicht in Erscheinung.

3.5.2.5 Art der Absorption

Als nächstes stellt sich die Frage, was für Material oder welche Konstruktionengeeignet sind, um einmal die physikalische Anforderung zu erfüllen und zumanderen, um auch in das gestalterische Entwurfskonzept zu passen. Hier ist„Feinarbeit“ gefordert, weil es eine unüberschaubare Zahl an Herstellern mit ihrenAkustikmaterialien auf dem Markt gibt. Einige Hersteller, ohne Anspruch aufVollständigkeit, sind zum Beispiel: www.wilhelmi.de, www.ecophon.de,w w w . k n a u f . d e , www.heraklith.de, www.rockphon.de, www.illbruck.com,www.owa.de, www.kaefer-isoliertechnik.de , w w w . r p g i n c . c o m , www.ras-raumakustik.de , www.maeder-so.ch , www.sto.de, www.caparol.de . Siehe aberauch übergeordnete Quellen wie die „Heinze Baudokumentation“ oder dasArchitekturportal www.ais-online.de. Wenn man kein passendes Produkt findet, mussman sich mit Prinziplösungen zufrieden geben, wie sie zum Beispiel im Anhang vonFasold, Sonntag, Winkler: Bau- und Raumakustik, VEB Verlag für Bauwesen 1987,zu finden sind. Wie bereits weiter oben erwähnt, gibt es prinzipiell sog. poröse

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(offenporige) Absorber, in die der Schall eindringen können muss (Abdeckungenoder Verkleidungen müssen deshalb immer einen Lochanteil von mindestens 30%aufweisen), die in der Praxis für den mittleren und eher oberen Frequenzbereicheingesetzt werden, weil die Dicke ihrer Schicht mindestens 1/4 derLuftschallwellenlänge betragen muss. Für den unteren Frequenzbereich benutzt mandeswegen auf bestimmte Frequenzen abgestimmte, selektiv absorbierendeResonanzabsorber (biegeweiche Plattenresonatoren oder Helmholtzresonatoren).Auf dem Markt gibt es auch optimierte Systeme wie Akustikdecken aus Lochplatten,deren Wirkungsweise zu tiefen Frequenzen hin stark vom Abstand zurRohbaukonstruktion abhängt, vergl. Abschn. 3.3.3.2.

3.5.2.6 Verteilung zusätzlicher Absorption im Raum

Nachdem man weiß, wie viel und was für Material insgesamt in den Raum zusätzlicheingebracht werden muss, um die Nachhallzeit auf den gewünschten optimalen Wertinnerhalb des entsprechenden Toleranzbandes zu bringen, stellt sich abschließenddie Frage, wohin damit. Hier kann die DIN 18041 wertvolle Hinweise geben. Dabeikommt es insbesondere auf die Abstimmung mit den reflektierenden undschallzerstreuenden Flächen an, die ja, wie erwähnt, auch entscheidende undwichtige Funktionen erfüllen. Zum Beispiel, zur Schallversorgung der hinterenHörerplätze nutzt man vorteilhaft erste Reflexionen von den Seitenwänden aus undes wäre ungünstig an diesen Orten gerade Absorberkonstruktionen anzubringen.Günstiger Anbringungsort wäre dagegen die Raumrückseite oder beiKonferenzräumen an der Decke auf einem Randstreifen rundherum, mit einem Schallreflektierenden Deckenspiegel in der Mitte. Wegen der wichtigen Bühnenreflexionenwäre es auch nicht sinnvoll, Absorption in Schallquellennähe anzubringen. Im Sinneder statistischen Raumakustik, also einer gleichmäßigen Schallfeldverteilung, ist esgrundsätzlich empfehlenswert, wenn möglich, auch die Absorptionsflächen im Raumgleichmäßig zu verteilen. Hinsichtlich der Fläche des Auditoriums gelingt diesbeispielsweise durch den Einsatz von Polstergestühl, weil dann außerdem derUnterschied mit und ohne Zuhörer, auch bezüglich der Nachhallzeit, nicht so groß ist.Eine Ausnahme können schädliche Reflexionen durch zum Beispiel konkave Flächenbilden. Lassen sich diese nicht durch Schalllenkung oder -streuung verhindern, istder räumlich gezielte Einsatz von Absorptionsflächen oft die einzige Lösung.Schließlich ist es möglich mit der erreichten Nachhallzeit anhand der in Abschnitt3.3.4 angegebenen Näherungsformeln, auch einige andere raumakustische Größenabzuschätzen, wie Lautstärkemaß und Klarheitsmaß.

Ausführungsbeispiele berühmter Konzertsäle/ Theater siehe zum BeispielFasold, Sonntag, Winkler: Bau- und Raumakustik, VEB Verlag Berlin, 1987, S. 289 ff.

3.5.3 Besondere Aspekte

3.5.3.1 Mehrzweckräume (Kriterien, Probleme, Kompromisse)

Mehrzweckräume erfordern aufgrund ihrer verschiedenen Nutzung durch Sprache,Musik und Musiktheater eine variable Raumakustik, in erster Linie also wenigstens

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unterschiedliche Anforderungen an die Nachhallzeiten. Dieser Umstand macht einedifferenzierte Betrachtung bei vorgesehener Variabilität des Raumes notwendig(Änderung der Publikums-, Podiumsfläche, Änderung der Saalgröße, etc.). Wennman bedenkt, was bisher über die Anforderungen und Einflüsse in Zusammenhangmit guter Raumakustik gesagt wurde, ist es vorstellbar, dass meistens nur einKompromiss erreichbar ist. Wie man vorgehen kann, zeigt sich am Beispiel desTheaters Magdeburg, Bild 3.78, bei dem das Raumvolumen variabel gestaltet ist.Neustes Beispiel ist ein Konzertsaal im Kultur- und Kongresszentrum Luzern von1998 (Architekt J. Nouvel, Akustik R. Johnson), wo ein Drittel (!) des

Raumvolumens mit Hilfe mehrerer sogenannter Resonanzkammern variabel gestaltetwerden kann, zusätzlich wird mit verstellbaren Reflektoren über der Bühne undaktivierbaren Absorbern gearbeitet. Bei so vielen Varianten ist es unerlässlichFachleute zu beschäftigen, die solch einen Raum für die jeweilige Nutzung auch

Bild 3.78. Beispiel für variable Raumakustik. Längsschnitt durch denZuschauersaal des Theaters Magdeburg (Architekt: Stricker). (a) akustischtransparente Deckensegel, (b) akustisch wirksame Saaldecke, (c) variableElemente zur Verkleinerung des Raumvolumens. © Verlag f. Bauwesen,Berlin.

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immer wieder optimal einstellen können. Bei Mehrzwecksälen taucht darüber hinausdie Frage nach elektroakustischer Beschallung auf, die von den meisten Interpretenund Fachleuten klassischer Werke abgelehnt wird. Prinzipiell lässt sich jedeRaumakustik (Nachhallzeitveränderungen, Balanceverschiebungen, Ausgleichunregelmäßiger Schallfeldverteilung, etc.) durch eine elektroakustische Anlageerzeugen, es ist nur eine Frage des Aufwandes (Anzahl der geeignetenLautsprecher, Elektronik, etc.), dazu müsste nur der natürliche akustische Einflussdes Raumes zurückgenommen werden. Ein möglicher Kompromiss wäre, den Raumakustisch beispielsweise für Musik zu optimieren und zur Erhöhung derSprachverständlichkeit Lautsprecher zu installieren (an der Seite oder imDeckenbereich mit Laufzeitgliedern wegen der Sprecherortung, Gesetz der erstenWellenfront). Dabei muss gewährleistet sein, dass es keine Rückkopplung (Pfeifen)zwischen Mikro und Lautsprecher gibt, wenn Lautsprecher im Bühnenbereichinstalliert werden müssen. Eine einfache elektroakustische Anlage ist darüber hinausimmer nötig, um Musik, Sprache, Geräusche, etc. von "Konserve" in den Raumeinspielen zu können.

3.5.3.2 Großraumbüros

Das Beispiel Großraumbüro ist eine typische Anwendung der Raumakustik, wo esprimär auf Geräuschminderung zur Verbesserung einer speziellen Arbeitsumgebungankommt. Innerhalb von Bürobereichen entstehen Geräusche im wesentlichen durchSprache, Bewegungen der Beschäftigten sowie durch den Betrieb von eingesetztenGeräten (Computerlüfter, Drucker, Kopierer, etc.). In einem Großraumbüro wirkt jenach den baulichen Gegebenheiten unter der Bedingung geringer Schallabsorption(hohe Nachhallzeit, diffuses Schallfeld) im Prinzip die Summe aller Geräuschanteilean allen Arbeitsplätzen in etwa gleich. Erst wenn der Raum als ganzes oder auchpartiell stärker akustisch bedämpft ist, was einer höheren Schallabsorption entspricht(geringerer Nachhall, mehr akustische Freifeldbedingung), kann man mit einersignifikanten Abnahme des Schalls mit der Entfernung von einer Quelle rechnen.Auch der Arbeitsplatz in einem Großraumbüro bedarf im allgemeinen ein gewissesMaß an akustischer (und visueller) Abschirmung, um den Individualbereich mit derMöglichkeit zu konzentrierter, möglichst störungsfreier Arbeit zu gewährleisten. Diesesogenannte Privacy ist graduell unterschiedlich und hängt auch von der Art derArbeit ab, weshalb zum Beispiel die Zusammenfassung in Arbeitsgruppen,gemeinsame Sekretariate oder Besprechungszonen sinnvoll ist.Das raumakustische Gesamtklima wird dagegen wesentlich bestimmt durch denUmfang der gesamten Schallabsorption. Sie beeinflusst die Höhe desHintergrundgeräusches (bei sonst gleichen Bedingungen) und trägt zurVerbesserung der lokalen Sprachverständlichkeit bei (akustische Behaglichkeit).Bezüglich beider Effekte spielen die bautechnischen Maßnahmen des Innenausbausmit hohen Anforderungen an die Schallabschirmung, Schallabsorption undVermeidung von Reflexionen eine große Rolle.Lärm kann, je nach Belastung und Beanspruchung des arbeitenden Menschen, dieGesundheit (auch im Sinne von physischem und psychischem Wohlbefinden), dieLeistungsfähigkeit und unter Umständen die Arbeitssicherheit mehr oder wenigerbeeinträchtigen. Paragraph 15 der Arbeitsstättenverordnung (3/1975, BGBI.I S. 729)lautet:

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"(1) In Arbeitsräumen ist der Schallpegel so niedrig zu halten, wie es nach Art desBetriebes möglich ist. Der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen darfauch unter Berücksichtigung der von außen einwirkenden Geräusche höchstensbetragen:

1. bei überwiegend geistigen Tätigkeiten 55 dB(A),2. bei einfachen oder überwiegend mechanisierten Bürotätigkeiten undvergleichbaren Tätigkeiten 70 dB(A),3. bei allen sonstigen Tätigkeiten 85 dB(A); soweit dieser Beurteilungspegelnach der betrieblich möglichen Lärmminderung zumutbarerweise nichteinzuhalten ist, darf er bis zu 5 dB(A) überschritten werden.

(2) In Pausen-, Bereitschafts,- Liege- und Sanitätsräumen darf der Beurteilungspegelhöchstens 55 dB(A) betragen. Bei.......".Diese Werte sind in der VDI 2058 Bl. 3 weiter spezifiziert.

Was ist nun der Beurteilungspegel ?Der Beurteilungspegel, Lr, ist ein Maß für die durchschnittliche Geräuschbelastungwährend einer Beurteilungszeit, tr, hier acht Stunden (Arbeitsschicht). Er wirdgebildet aus dem mittleren, frequenz (A)- und zeitbewerteten (Fast ) Schalldruck-pegel, LAFm, korrigiert hinsichtlich der Einwirkdauer, te, und beaufschlagt mitLästigkeitszuschlägen, KI (Impulshaltigkeit) und KT (Ton- und Informationshaltigkeit),s. auch DIN 45645 Teil 2

L L t t K Kr AFm e r I T= + / + + 10log dB(A) .

Neben der reinen physikalischen und damit einfach messbaren Höhe einesSchallereignisses, spielen also Faktoren von denen eine erhöhte Lästigkeit undStörwirkung ausgehen eine Rolle. Dazu gehören neben der Einwirkdauer und derHäufigkeit, auch die Ton- und Informationshaltigkeit, die im Beurteilungspegelberücksichtigt wird, in einigen Regelwerken ist hierfür ein Zuschlag von 3 bzw. 6dB(A) zulässig. In Großraumbüros gilt aber als ein Haupteffekt erhöhter Belästigung,das Mithören unerwünschter Information, was durch Zusammenfassen vonFachgruppen und räumliche Trennung gegenüber anderen abgebaut werden kann.Darüber hinaus hängen subjektive Störwirkungen unter anderem von der Akzeptanz(d.h. positive oder negative Einstellung der Betroffenen zur Geräuschquelle) oderaber auch von der jeweiligen gesundheitlichen Disposition (incl. Stress) ab, dieseFaktoren lassen sich schwer quantifizieren.

SprachverständlichkeitBei der Beurteilung der direkten sprachlichen Kommunikation (kleineBesprechungssituation) zwischen Sprecher und Hörer am Arbeitsplatz istinsbesondere der Sprechaufwand und das Ausmaß der Sprachverständlichkeit beimHörer zu berücksichtigen (VDI 2569, DIN 33410).Setzt man einen nicht allzu hohen Sprechaufwand mit 54 dB Sprechpegel(entspannte Stimme, 1 m Entfernung) voraus, sollte für eine sehr gute Verständigungin 1 m Abstand zwischen Sprecher und Hörer das Hintergrundgeräusch 42 bis 44dB(A) nicht überschreiten. Bei einem Hintergrundgeräusch von z. B. 54 dB(A) würdeeine Verständlichkeit im oben definierten Sinn bereits einen erhöhten Sprechpegelvon 64 bis 66 dB(A) (angehobene Stimme, 1m Entfernung) erfordern, es besteht dieGefahr des gegenseitigen "Aufschaukelns".

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Geräusche haustechnischer AnlagenGeräuscheinwirkungen von Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung wieLüftung, Klima, Heizung, Fahrstuhl u. ä. sollten im eigenen Nutzungsbereich einen A-bewerteten maximalen Schalldruckpegel von 35 dB(A) nicht überschreiten (s. a. DIN4109), verbunden mit ausreichenden Maßnahmen zur Schalldämmung. Zum Schutzgegen die von außen in die Büroräume eindringenden fremden Geräusche sind inder DIN 4109 Anforderungen für die Luft- und Trittschalldämmung von trennendenBauteilen (Wand, Fenster, Fassade, Dach, Decke bzw. Fußboden) festgelegt.Empfehlungen findet man auch in der VDI 2569.

Der VDI empfiehlt ein Verhältnis von Schallabsorptionsfläche, A, zu Raumvolumen,Vol, von

A Vol/ = 0.3 bis 0.35 1/m.Man erhält daraus mit Hilfe der SABINE- Formel eine empfohlene Nachhallzeitzwischen 0.47 und 0.54 sec. Dieses ist eine relativ strenge Anforderung, die einenhohen Aufwand an schallabsorbierender Ausstattung erfordert, sie zeigt aber auch,dass die Sorge, ein Großraumbüro könnte durch zu hohe Absorption "überdämpft"sein und damit akustisch zu trocken klingen, im allgemeinen unbegründet, ja sogareher gewünscht ist.

Bild 3.79.Schallpegelminderung ∆Ldurch halbhohe Abschirm-wände der Höhe h2 in Räumenmit Breite b1/ Höhe h1= 2.5;und Länge/ Höhe= 5.Schallabsorptionsgrad derverkleideten Flächen 0.95.© VEB Verlag f. Bauwesen,Berlin.

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Wie erfüllt man nun die geschilderten Forderungen ?• In schwierigen Fällen, komplettes Abtrennen durch raumhohe Trennwände,

die wegen des Erhalts der visuellen Großraumbüroatmosphäre, ab etwa 1.20m (Brüstungshöhe) in Glas ausgeführt sein können. Darunter sollte solch eineTrennwand akustisch absorbierend ausgestattet sein (Bürokabinen).

• Einsatz von halb hohen Raumteilersystemen (Stellwänden), mit oder ohneSchallabsorption, mit einer Höhe 1.6 m über Boden (eine Aufständerung aufFüße ist möglich, solange der Abstand Wandunterkante-Boden nicht größerals 0.1 m bis 0.2 m ist), wobei die Aufteilung nach Arbeitsgruppen sinnvoll ist.Als nichtabsorbierende Elemente könnten auch Schränke o. ä ausgenutztwerden, auch könnte die Höhe der Raumteiler in Teilbereichen variieren, siesollte aber 1.4 m nicht unterschreiten. Diese Maßnahmen sind aber nur dannals sinnvoll anzusehen, wenn auch die Raumdecke wenigstens inTeilbereichen über den Raumteilern absorbierend ausgeführt wird, Bild 3.79zeigt diesen Zusammenhang. Die Ursache dafür ist, dass sonst dieAbschirmwirkung durch Deckenreflexionen hinfällig gemacht werden kann.Diese Lösung ist erfahrungsgemäß als optimal zu bezeichnen, sie führt wegender lokalen Abschirm- und Absorptionseffekte auf einen Grad der „Privacy“,der als gut zu bezeichnen ist, die Pegelminderung zwischen denArbeitsgruppen kann in Größenordnungen bis zu 20 dB liegen (hängt auchvom Abstand Quelle Empfänger ab).

• Einstellung der geforderten Grundnachhallzeit durch Zusatzmaßnahmen,wobei natürlich die teilabsorbierenden Flächen von Stellwänden, Decken etc.mitgerechnet werden.

Für die genannten Maßnahmen könnten zum Beispiel folgende Firmen mit ihrenProdukten in Frage kommen.Raumtrennwandsysteme:

www.Lindner-holding.de , www.besta.de , www.hueppeform.deAbsorbierende Stellwände:

www.il lbruck.com , Preform Mobile Wände Distr. ORG-Delta 73258Reichenbach Tel. 07153 98260, Lindner s.o

Deckenabsorption und Baffel:Alle Hersteller die Akustikdecken anbieten. Ersatzweise einzelne abgehängteAbsorberelemente verwenden, sog. Baffel (z. B. Illbruck s. o.).

Oder auch: Lärmschutzinformationsblatt LSI 01-200: Geräuschminderung anArbeitsplätzen; Bezugsquellen für Werkstoffe und Bauelemente. Hauptverband derGewerblichen Berufsgenossenschaften- Berufsgenossenschaftl. Institut fürArbeitssicherheit, 53757 St. Augustin 2, Best. Nr. ZH 1/565.5.Spezielle Literatur:DIN 33410 (1981) "Sprachverständigung in Arbeitstätten unter Einwirkung vonStörgeräuschen".VDI 2569 (1990) "Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro".VDI 2058 Bl. 2 (1988)" Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung".VDI 2058 Bl.3 (1999) "Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigungunterschiedlicher Tätigkeiten".VDI 2720 Bl. 2 (1983) "Schallschutz durch Abschirmung in Räumen"Völker, E.J. (1977): Das akustisch optimale Großraumbüro. VDI- Berichte Nr. 291, S.121 ff.LAZARUS, H.; PARTHEY, W.; KURTZ, P. (2002): Schalltechnische Anforderung anCall-Center und die entsprechenden Arbeitsplätze und Arbeitsräume. Zeitschrift fürLärmbekämpfung, Jg. 49, H. 4, S. 140- 143.