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38 Elektronenr¨ ohren 38.1 Die Raumladungsgleichung Bei der Ableitung der Potenzialgleichung wurde vorausgesetzt, dass im Nicht- leiter selbst keine Ladungen verteilt sind, dass also die Raumladungsdichte Null ist. Wenn nicht fortgesetzt Ionen gebildet werden, so ist dies in gasf¨ ormi- gen Stoffen immer der Fall; denn die Kr¨ afte, die im elektrischen Feld auf freie Ladungen einwirken, sorgen daf¨ ur, dass ein Ausgleich der Ladungen eintritt. urden sich aus irgendeinem Grund z.B. positive Ionen vorfinden, so w¨ urden diese Ionen durch die Feldkr¨ afte entlang dem Potenzialgef¨ alle zu einer negati- ven Elektrode wandern. Nach hinreichend langer Zeit w¨ urden s¨ amtliche Ionen aus dem Nichtleiter beseitigt sein. Raumladungen k¨ onnen in gasf¨ ormigen Stof- fen nur bestehen, wenn dauernd ein Nachschub neuer Ladungstr¨ ager erfolgt. Dann ergibt sich bei bei konstanter Spannung ein station¨ ares Str¨ omungsfeld. Da es sich im allgemeinen Falle um den Transport von positiven und nega- tiven Ladungen handelt, so kann auch die Raumladung positiv oder negativ sein, je nachdem, welche Ladungsart ¨ uberwiegt. Solche Vorg¨ ange spielen bei der Elektrizit¨ atsleitung in Gasen eine Rolle (siehe Abschnitt 37.1). Der elektrische Strom wird bei Gasentladungen durch Ionen beider Vorzeichen und Elektronen gebildet. Die positiven und negativen Ladungen wandern in entgegengesetzter Richtung durch das Gas hindurch, haben jedoch im allgemeinen verschiedene Geschwindigkeit und verschiedene Dichte, so dass ¨ ortlich ein ¨ Uberschuss von Ladungen eines Vorzeichens vor- handen sein kann. In festenK¨orpern onnen Raumladungen eines Vorzeichens auftreten und ur lange Zeit bestehen bleiben. In festen Isolierstoffen onnen z.B. Elektronen aus Glimmentladungen von der Oberfl¨ ache her in den Isolierstoff eindringen und an eingelagerte Fremdatome ( Elektronenhaftstellen“) festgehalten wer- den (siehe Abschnitt Leitung in Gasen“). Raumladungen im Hochvakuum und beim pn- ¨ Ubergang in Halbleitern werden in diesem Abschnitt ausf¨ uhr- lich behandelt.

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Elektronenrohren

38.1 Die Raumladungsgleichung

Bei der Ableitung der Potenzialgleichung wurde vorausgesetzt, dass im Nicht-leiter selbst keine Ladungen verteilt sind, dass also die RaumladungsdichteNull ist. Wenn nicht fortgesetzt Ionen gebildet werden, so ist dies in gasformi-gen Stoffen immer der Fall; denn die Krafte, die im elektrischen Feld auf freieLadungen einwirken, sorgen dafur, dass ein Ausgleich der Ladungen eintritt.Wurden sich aus irgendeinem Grund z.B. positive Ionen vorfinden, so wurdendiese Ionen durch die Feldkrafte entlang dem Potenzialgefalle zu einer negati-ven Elektrode wandern. Nach hinreichend langer Zeit wurden samtliche Ionenaus dem Nichtleiter beseitigt sein. Raumladungen konnen in gasformigen Stof-fen nur bestehen, wenn dauernd ein Nachschub neuer Ladungstrager erfolgt.Dann ergibt sich bei bei konstanter Spannung ein stationares Stromungsfeld.Da es sich im allgemeinen Falle um den Transport von positiven und nega-tiven Ladungen handelt, so kann auch die Raumladung positiv oder negativsein, je nachdem, welche Ladungsart uberwiegt.

Solche Vorgange spielen bei der Elektrizitatsleitung in Gasen eine Rolle(siehe Abschnitt 37.1). Der elektrische Strom wird bei Gasentladungen durchIonen beider Vorzeichen und Elektronen gebildet. Die positiven und negativenLadungen wandern in entgegengesetzter Richtung durch das Gas hindurch,haben jedoch im allgemeinen verschiedene Geschwindigkeit und verschiedeneDichte, so dass ortlich ein Uberschuss von Ladungen eines Vorzeichens vor-handen sein kann.

In festen Korpern konnen Raumladungen eines Vorzeichens auftreten undfur lange Zeit bestehen bleiben. In festen Isolierstoffen konnen z.B. Elektronenaus Glimmentladungen von der Oberflache her in den Isolierstoff eindringenund an eingelagerte Fremdatome (

”Elektronenhaftstellen“) festgehalten wer-

den (siehe Abschnitt”Leitung in Gasen“). Raumladungen im Hochvakuum

und beim pn-Ubergang in Halbleitern werden in diesem Abschnitt ausfuhr-lich behandelt.

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Bei gewissen Isolierstoffen (z. B. Wachs, Polyathylen, Fluorkohlenstoff)bleibt die beim Anlegen einer Spannung erzeugte Polarisation der Molekule biszu einem gewissen Grad erhalten, wenn das Feld bei hoher Temperatur (evtl.Schmelztemperatur) erzeugt wird und bis zur Abkuhlung einwirkt. Hier kannzwar die Raumladung Null sein, aber an der Oberflache bleiben Ladungenbestehen (Großenordnung 10−8As/cm2). Dadurch kann zwischen den Elek-troden uber lange Zeit eine Spannung aufrecht erhalten bleiben (

”Elektrete“).

Um den Einfluss von Raumladungen auf das elektrische Feld zu untersu-chen, denkt man sich die Elektrizitatsmenge stetig verteilt. Das ist zulassig,da die Ionen oder Elektronen, wenn sie uberhaupt merklich in Erscheinungtreten, immer in so großer Zahl vorhanden sind, dass auch sehr kleine Raum-gebiete noch eine große Anzahl davon enthalten.

Nach den Ausfuhrungen in Abschnitt 6 lasst sich mit Hilfe der Poisson-gleichung

4ϕ = −%ε

(38.1)

der Einfluß der Raumladung auf das elektrische Potenzial und mit Hilfe vonE = −gradϕ auf das E-Feld ermittelt; diese Gleichung wird daher auch Raum-ladungsgleichung genannt.

Da auf den Ladungen D-Feldlinien entspringen oder endigen, so bildensich zwischen den im Dielektrikum verteilten Ladungen und den entgegen-gesetzt geladenen Elektroden zusatzliche D-Feldlinien aus. Eine Raumladungbewirkt daher, dass das elektrische Feld an den Elektroden entgegengesetzterLadung verdichtet, an den anderen geschwacht wird; die Raumladung schirmtdie Elektroden gleichen Vorzeichens ab. Die Abb. 38.1 soll dies in schemati-scher Weise fur eine positive Raumladung veranschaulichen; die gestricheltenLinien deuten die D-Feldlinien an.

Abbildung 38.1. Raumladungen in einem Plattenkondensator

Um eine Vorstellung zu geben, welche Großenordnung Raumladungen ha-ben mussen, damit elektrische Felder wesentlich beeinflusst werden, wird einPlattenkondensator in Luft oder einem anderen Gas betrachtet, wobei derEinfachheit halber gleichmaßig verteilte Ladungen angenommen werden, sodass die Raumladungsdichte % raumlich konstant ist. Bezeichnet x die aufden Platten senkrecht stehende Achse, so lautet Gl.(38.1)

d2ϕ

dt2= − %

ε0. (38.2)

38.1 Die Raumladungsgleichung 689

Durch zweimalige Integration ergibt sich mit den beiden Konstanten k1 undk2

ϕ(x) = − %

ε0x2 + k1 x+ k2. (38.3)

Wird mit x = 0 die negative, mit x = d die positive Elektrode gekennzeichnet,und der Bezugspunkt fur das Potenzial ϕ in die negative Elektrode gelegt, somuss gelten

ϕ = 0 x = 0, (38.4)

ϕ = U x = d. (38.5)

Setzt man diese beiden Randbedingungen in die Gleichung fur ϕ ein, so folgt

k2 = 0, k1 =U

d+

%

2ε0d, (38.6)

also

ϕ(x) =U

dx+

%

2ε0x(d− x). (38.7)

Der erste Summand stellt die ungestorte Feldverteilung mit dem Betrag desE-Feldes ‖E‖ = U/d dar. Der zweite Summand zeigt den Einfluss der Raum-ladung. Diese Gleichung kann man schreiben

ϕ(x)

U=x

d

(

1 +% d2

2ε0U

(

1 − x

d

)

)

. (38.8)

Damit ist die Potenzialverteilung ϕ/U als Funktion von x/d gegeben. DerEinfluss der Raumladung ist durch den Parameter

ϑ =% d2

2ε0U=

% d

2ε0‖E‖ (38.9)

gekennzeichnet.

Abbildung 38.2. Potenzialverteilung bei verschiedener Raumladungsdichte

690 38 Elektronenrohren

Abb. 38.2 zeigt die Potenzialverteilung fur verschiedene Falle von positiverund negativer Raumladung. Ist z. B. d = 1, U = 100V , die ungestorte E-Feldstarke also ‖E‖ = 100V/cm, so entspricht θ = 1 eine Raumladungsdichte

% =2θεU

d2=

2 · 8, 85 · 10−12 · 100

1

AsV

V mcm2= 17, 7 · 10−12 As

cm3. (38.10)

Bei ‖E‖ = 1kV/cm wurde sich mit der zehnfachen, bei 10kV/cm mit hun-dertfachen Raumladungsdichte % die gleiche Potenzialverteilung einstellen.

Die Raumladungsdichte % entspricht nun einer raumlichen Dichte %/e derLadungstrager, wenn es sich um Elektronen oder um Atome mit einem feh-lenden oder uberzahligen Elektron handelt. Bei 1kV/cm entsteht also die Po-tenzialverteilung mit θ = 1, wenn

%

e=

177 · 10−12

1, 6 · 10−19

As

cm3As=

1, 11 · 109

cm−3, (38.11)

wenn also rund 1 Milliarde Ladungstrager im cm3 vorhanden sind. Dies isteine so große Zahl, dass die Vorstellung einer stetigen raumlichen Verteilungfur viele Anwendungen gerechtfertigt ist. Will man vergleichen, in welchemVerhaltnis diese Zahl zu der in dem Plattenkondensator vorhandenen Zahl derGasmolekule steht, so gibt hieruber die Loschmidt-Konstante NL Auskunft.Sie besagt, dass bei 0 und 760Torr = 1013, 25mbar

NL = 2, 687 · 1019Molekule/cm3 (38.12)

vorhanden sind; die Zahl ist proportional dem Gasdruck. Bei 1mbar sindes daher noch 2, 65 · 1016 Molekule/cm3 und θ = 1 bedeutet, dass auf je 24Millionen Gasmolekule nur 1 Ion vorhanden ist.

Bemerkenswert ist in Abb. 38.2 noch, dass bei starken Raumladungen auchan den gleichnamigen Elektroden wieder hohe Feldstarken auftreten konnen.Das Potenzial hat dann zwischen den beiden Platten einen Maximal- oderMinimalwert.

38.2 Elektronenemission

Als Beispiel eines Raumladungsfeldes wird weiter unten das elektrische Feldim Innern einer Elektronenrohre behandelt. In den Elektronenrohren wirddie Elektronenemission gluhender Leiter ausgenutzt. Daher soll zunachst derVorgang der Elektronenemission aus metallischen Leitern betrachtet werden.

Fliegt ein Leitungsstrom infolge seiner Warmebewegung etwas aus einemLeiter hinaus, so treten elektrische Feldkrafte auf, die das Elektron wiederzuruckholen suchen. Denkt man sich die Oberflache des Leiters als glatteWand, so lasst sich das E-Feld zwischen der Wand und einem aus dem Leiterherausgeflogenen Elektron finden, wenn das Spiegelbild des Elektrons hin-zugenommen wird. Ist −e die negative Ladung des Elektrons, so muss die

38.2 Elektronenemission 691

positive Ladung des Spiegelbildes ebenfalls gleich +e gesetzt werden. Die vondem Korper auf das Elektron ausgeubte Kraft kann man so deuten als Anzie-hungskraft zwischen den beiden Ladungen +e und −e, die den Abstand 2xvoneinander haben; man nennt daher diese Kraft die Bildkraft. Sie hat nachGl.(14.3) den Betrag

‖F‖ =e2

16πε0x2. (38.13)

Man kann sie zuruckfuhren auf ein gedachtes elektrisches Feld außerhalb desLeiters; fur dieses E-Feld muss mit Gl.(6.4) gelten

‖E‖ =‖F‖e

=e

16πε0x2. (38.14)

Daraus folgt gemaß Gl.(7.9):

ϕ =

∫ ∞

x

‖E‖dx =e

16πε0x. (38.15)

Das Potenzial nimmt also umgekehrt proportional mit dem Abstand von der

Abbildung 38.3. Austrittspotenzial

Leiteroberflache ab, und zwar gilt dies bei Abstanden, die man als groß gegenden Abstand der Atome ansehen kann; das sind etwa Abstande uber 10−7cm.Bei kleineren Abstanden nahert sich das Potenzial ϕ entgegen Gl. (38.14)einem konstanten Wert ϕ0 Abb. 38.3, da die Elektronen durch Zwischenraumezwischen den Atomen hindurchfliegen. Ein Elektron kann also den Leiter nurverlassen, wenn es ein ganz bestimmtes Potenzialgefalle ϕ0 uberwindet. Dazugehort nach GL (6.14) die Arbeit

W0 = e ϕ0. (38.16)

Man bezeichnet diese Arbeit als Austrittsarbeit und verwendet als Maß dafurauch das Austrittspotenzial oder die Austrittsspannung ϕ0.

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Ist die kinetische Energie des Elektrons großer als die Austrittsarbeit, dannkann das Elektron den Leiter verlassen. Die Bedingung dafur ist also

1

2mv2 > eϕ0. (38.17)

Die fur den Austritt gerade ausreichende Geschwindigkeit wird

v0 =

2eϕ0

m. (38.18)

Bei vorgegebenem Austrittspotenzial ϕ0 und der Masse eines Stoffes konnenman mit Hilfe der Gln. (38.16) und (38.18) die Werte der Austrittsgeschwin-digkeit v0 und der Austrittsarbeit W0 fur diese Stoffe angegeben werden.

Die Geschwindigkeiten der Elektronen sind zufallig verteilt. Fur die Ge-schwindigkeit vx in einer Richtung – senkrecht zur Austrittsflache – kann eineGauß-Verteilung angenommen werden, d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass dieseGeschwindigkeit zwischen vx und vx + dvx liegt, ist

p(vx) dvx =1

vm√πe−v2

x/v2mdvx. (38.19)

Dabei ist vm ein quadratischer Mittelwert, fur den wie bei den Atomen einesidealen Gases

1

2mv2

m = k T, (38.20)

gilt, wobei T die absolute Temperatur und

k = 1, 380 · 10−23Ws

K(38.21)

die Boltzmannsche Konstante bedeuten. Fuhrt man die Masse des Elektronsm = m0 = 9, 1 · 10−23g ein, so kann man mit einem Taschenrechner und Gl.(38.20) bei vorgegebener Temperatur T sehr leicht die mittlere Geschwindig-keit vm berechnen (z. B. bei T = 273K, d. h. 0C, ergibt sich vm = 91km/s).

Bemerkung: Die mittlere kinetische Energie (1/2)mv2m von Leitungselektro-

nen ist nach der kinetischen Gastheorie 3/2mal so groß wie in Gl. (38.19).Die Bewegungsgeschwindigkeit der Elektronen hat dabei alle moglichen Rich-tungen. Fur den Austritt von Elektronen aus dem Leiter ist jedoch nur eineKomponente der Geschwindigkeit ¿maßgebend, namlich die auf der Leitero-berflache senkrecht stehende Komponente; dadurch ergibt sich der niedrigereWert in Gl. (38.19).

Aus Gl. (38.19) kann durch Integration die Wahrscheinlichkeit berechnetwerden, dass Elektronen eine großere Geschwindigkeit haben als vx. Wegendes Exponentialfaktors nimmt diese Wahrscheinlichkeit oberhalb vm schnellab.

38.3 Thermische Elektronenemission 693

Die Wahrscheinlichkeit, dass Elektronen Geschwindigkeiten haben, diemehr als viermal so groß sind wie die mittlere Geschwindigkeit vm, betragt z.B. nur noch ein Zehnmillionstel der Wahrscheinlichkeit kleiner Geschwindig-keiten.

38.3 Thermische Elektronenemission

Steigert man die Temperatur des Leiters, so wird ein immer großerer Teil derLeitungselektronen befahigt, die Austrittsarbeit zu uberwinden; es entstehtthermische Elektronenemission. Die Elektronentheorie benutzt die Analogieder hier auftretenden Erscheinungen mit dem Verdampfen einer Flussigkeitoder eines festen Stoffes; sie liefert auf Grund thermodynamischer Betrach-tungen fur die Stromdichte des aus der Oberflache eines Korpers von derabsoluten Temperatur T austretenden Elektronenstromes die Beziehung

Js = K T 2 eeϕ0kT . (38.22)

K ist eine Konstante, die bei reinen Metallen den Wert hat

K = 60, 2A

cm2K2. (38.23)

Die e-Funktion in Gl. (38.22) ist der Boltzmannfaktor B; der Exponent kannfolgendermaßen gedeutet werden. Es ist

eϕ0

kT=ϕ0

UT. (38.24)

Die hier zu Abkurzung eingefuhrte Große

UT =kT

e(38.25)

hat die Dimension einer Spannung. Es ist die Anlaufspannung eines Elek-trons, das nach Gl. (6.14) die Energie kT besitzt. Daher nennt man die-se Spannung thermische Anlaufspannung oder Temperaturspannung. Sie istdurch die Warmebewegung der Leitungselektronen in dem Leiter bedingt.Aus Gl. (38.24) wird deutlich, dass es fur die thermische Elektronenemissionauf das Verhaltnis der Temperaturspannung zur Austrittsspannung ankommt.In Abb. 38.4 ist die Stromdichte Js, in Abhangigkeit von der absoluten Tem-peratur fur einige Stoffe dargestellt. Sie steigt mit der Temperatur sehr raschan. In Elektronenrohren wahlt man daher moglichst hohe Temperaturen, so-weit es die Anforderungen an die Lebensdauer des gluhenden Leiters zulassen(Verdampfung).

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Abbildung 38.4. Elektronenemission verschiedener Stoffe in Abhangigkeit von derabsoluten Temperatur

38.4 Photoemission

Die zur Ablosung eines Elektrons aus einem festen Korper erforderliche Aus-trittsarbeit W0 kann auch in anderer Weise als durch Erhitzen aufgebrachtwerden, z. B. durch auf treffende Elektronen oder Ionen (Sekundarelektrone-nemission siehe Abschnitt 37.1). Bei der Photoemission (Photoeffekt) festerKorper werden die Elektronen durch Lichtstrahlung ausgelost.

Die zur Uberwindung der Austrittsarbeit erforderliche Energie wird durchdie Lichtstrahlung zugefuhrt. Die Strahlungsenergie wird dabei nur in be-stimmten kleinsten Energiequanten wirksam, die als Photonen oder Licht-quanten bezeichnet werden. Diese ElementarbetrageWp der Energie sind umsogroßer je hoher die Frequenz der Strahlung ist, oder was das gleiche bedeutet,je kurzer die Wellenlange

λ =c

f=

3 · 105

f

km

s. (38.26)

Fur das Energiequant kann man daher setzen (M. Planck 1901)

Wp = hf =hc

λ. (38.27)

Die Proportionalitatskonstante h ist das Plancksche Wirkungsquantum, eineNaturkonstante, die nach den genauesten Messungen den Wert

h = 6, 6262 · 10−34Ws2 (38.28)

hat. Bei niedrigen Frequenzen handelt es sich um winzig kleine Energiebetrageim Vergleich zu den Energien, mit denen die Elektrotechnik arbeitet. Bei einerFrequenz von 1MHz ist z. B.

Wp = 6, 63 · ·10−34 · 106Ws2s−1 = 6, 63 · 10−28Ws. (38.29)

Ist die Leistung dabei 1 W, so werden also in jeder Sekunde rund 1027 Ener-giequanten transportiert.

38.4 Photoemission 695

Auch bei den Frequenzen des sichtbaren Lichtes (Wellenlangen zwischenλ = 350nm und λ = 800nm) wird das Energiequant nach Gl. (38.28) nochsehr klein, namlich fur λ = 800nm

Wp =hc

λ=

6, 63 · 10−34 · 3 · 108

800 · 10−9

Ws2m

ms= 2, 49 · 10−19Ws, (38.30)

und fur λ = 350nmWp = 5, 79 · 10−19Ws. (38.31)

Dieser Wert erreicht bereits die Großenordnung der Austrittsarbeit der Elek-tronen aus Metallen.

Lichtquanten konnen nun von einem Atom nur dann unter Auslosungeines Elektrons absorbiert werden, wenn sie die Auslosearbeit W0 mindes-tens decken. Der Uberschuss WpW0 wird dem Elektron als kinetische Energie(1/2)mv2 mitgegeben, es gilt (A. Einstein 1905)

1

2mv2 = WpW0 = hf −W0 = h(f − fg). (38.32)

Dieser Zusammenhang wird durch Abb. 38.5 dargestellt. Unterhalb der Fre-

Abbildung 38.5. Kinetische Energie eines durch Lichtstrahlung mit der Frequenzf ausgelosten Elektrons

quenz

fg =W0

h=eϕ0

h(38.33)

werden keine Elektronen ausgelost. Anders ausgedruckt: Ist die Wellenlangeder Strahlung langer als die Grenzwellenlange

λg =hc

eϕ0, (38.34)

so ergibt sich kein Photoeffekt. Z. B. wird bei Casium mit der Austrittsspan-nung ϕ0 = 1, 94V die langwellige Grenze des Photoeffekts

696 38 Elektronenrohren

λg =6, 63 · 10−34 · 3 · 108Ws2m

1, 6 · 10−19 · 1, 94AsV s= 640nm. (38.35)

Dies entspricht

fg =1, 6 · 10−19 · 1, 94

6, 63 · 10−34s= 4, 7 · 1014. (38.36)

Besonders zu beachten ist, dass die Intensitat der einfallenden Strahlung,die Strahlungsleistung, auf die kinetische Energie der ausgelosten Elektronennach Gl. (38.32) keinen Einfluss hat; sie bestimmt nur deren Anzahl.

Wurde jedes im Metall absorbierte Lichtquant ein Elektron auslosen, dannwurde eine mit der Leistung P in das Metall eindringende Lichtwelle je Zeit-einheit P/Wp Elektronen auslosen, also einen Elektronenstrom

Is =eP

Wp(38.37)

erzeugen. Die GroßeIsP

=e

Wp=

e

hf=eλ

hc(38.38)

heißt das Quantenaquivalent. Bei einer Lichtwellenlange von 300nm ist dasQuantenaquivalent z. B.

hc=

1, 6 · 10−19 · 0, 3 · 10−6

6, 63 · 10−34 · 3 · 108

Asms

Ws2m= 0, 242

A

W. (38.39)

Je Watt einfallende Strahlungsleistung wurde also ein Elektronenstrom von242mA aus der Metalloberflache austreten. Die wirklich gemessenen Stromesind sehr viel geringer. Die Elektronen werden auf ihrem Weg vom Metallin-nern zur Oberflache zum großten Teil wieder von Fremdatomen im Metall undan der Oberflache eingefangen, so dass die

”Ausbeute“ vielfach nur die Großen-

ordnung 10−3 Elektronen/Photon erreicht. Gute Ausbeuten erhalt man beibestimmten Wellenlangen aus dunnen Schichten von Alkalimetallen und ausgeeigneten Halbleitermaterialien.

Praktisch wird das Verhaltnis elektrische Stromstarke zu einfallenderLichtleistung als Empfindlichkeit angegeben. Die Empfindlichkeit ist noch et-was kleiner als die Ausbeute wegen des reflektierten Lichtanteils. Als Beispielsei angefuhrt, dass bei Casium mit einer Wellenlange von 600 nm eine Emp-findlichkeit von der Großenordnung 20mA/W erzielt wird.

38.5 Die Strom-Spannungsrelation fur Elektronenrohren

Befindet sich der Elektronen aussendende Leiter (Kathode) zusammen miteiner anderen kalten Elektrode (Anode) in einem luftleer gemachten Gefaß,und erzeugt man zischen beiden Elektroden ein Potenzialgefalle, das die aus

38.5 Die Strom-Spannungsrelation fur Elektronenrohren 697

dem Leiter austretenden Elektronen wegfuhrt, so ergibt sich ein Elektronen-strom zwischen der Kathode und Anode. Wurden alle Elektronen weggefuhrtwerden, die die Austrittsarbeit uberwinden, so wurde die Dichte dieses Elek-tronenstromes an der emittierenden Elektrode gerade gleich Js sein. Es zeigtsich nun, dass dies erst bei ausreichend großen Potenzialunterschieden zwi-schen den Elektroden eintritt. Bei niedrigen Spannungen ergibt sich nur einBruchteil des

”Sattigungsstromes“. Die Ursache dafur liegt in der Raumla-

dung, die die von der Kathode ausgehenden Elektronen in deren Umgebungbilden; diese Raumladung schirmt die Kathode ab.

Abbildung 38.6. Potenzial zwischen einer gluhenden Kathode und einer kaltenKathode

Die Potenzialverteilung zwischen den beiden Elektroden einer Hochvaku-umdiode ist durch Abb. 38.6 veranschaulicht. Die kalte Elektrode oder An-ode A hat gegen die Gluhkathode oder Kathode K eine positive Spannung.Dem dadurch entstehenden elektrischen Feld uberlagert sich das dem Elektro-nenaustritt entgegenwirkende innere Feld. In einem bestimmten, sehr kleinenAbstand von der Kathode ergibt sich daher ein Potenzialminimum. Die Elek-troden mussen mit ihrer kinetischen Energie das Potenzialgefalle innerhalbdes dadurch gegebenen Raumes vor der Kathode uberwinden. Außerhalb die-ses Raumes bewirken die Krafte des außeren Feldes, dass die Elektronen zurAnode fliegen. Das innere Potenzialgefalle ist nach Abb. 18.3 im wesentlichenauf einen so kleinen Abstand von der Kathode beschrankt, dass die Austritts-arbeit durch das außere Feld nur wenig beeinflusst wird. Wir beschrankendaher die folgenden Betrachtungen auf dieses außere Feld, das nach dem Aus-gefuhrten ein Raumladungsfeld ist.

Es werde die in Abb. 38.7 skizzierte bei Verstarkerrohren haufig angewen-dete zylindrische Anordnung zugrunde gelegt. Die Kathode befindet sich in derAchse des Anodenzylinders. Sie wird durch den Strom aus einer Stromquelleaus einer Stromquelle B geheizt. Die Batterie A halt zwischen Anode und Ka-thode eine bestimmte Spannung U aufrecht. Der Elektronenstrom setzt sichim außeren Stromkreis mit der Starke I fort. Die Lange l des Zylinders seigroß gegen den Durchmesser, so dass die Randwirkungen vernachlassigt wer-

698 38 Elektronenrohren

Abbildung 38.7. Elektronenrohre (Diode)

den konnen. Das elektrische Feld zwischen Kathode und Anode ist rotations-symmetrisch; die Feldgroßen hangen nur von dem Abstand r des Aufpunktesvon der Achse ab. Die Raumladungsgleichung – d.h. die Poissongleichung inZylinderkoordinaten – lautet daher gemass Gl. (38.1)

d2ϕ

dr2+

1

r

dr= − %

ε0. (38.40)

Wir nehmen dazu noch die Gleichung (entsprechend Gl.(37.91)

% = −Jv

= − I

2πlrv, (38.41)

in der v die Geschwindigkeit der Elektronen an irgendeiner Stelle des Feldesbezeichnet, sowie die Bewegungsgleichung fur die Elektronen, Gl.(14.48),

1

2mv2 = eϕ, (38.42)

die aussagt, dass die kinetische Energie, die die Elektronen beim Durchlau-fen des Potenzialunterschiedes ϕ annehmen, gleich der vom elektrischen Feldgeleistete Arbeit ist. Das Potenzial an der Kathode setzen wir Null.

v =

2eϕ

m(38.43)

und hiermit aus Gl.(38.41)

% =−I√m

2πlr√

2eϕ. (38.44)

In Gl.(38.40) eingesetzt, ergibt dies

d2ϕ

dr2+

1

r

dr=

c1r√ϕ, (38.45)

38.5 Die Strom-Spannungsrelation fur Elektronenrohren 699

wobei

c1 =I√m

2πlε0√

2e. (38.46)

Zur Losung der Differentialgleichung (38.45) werde der Ansatz gemacht

ϕ(r) = c2 rn. (38.47)

Damit wirdn(n− 1)c2 r

n−2 + c2n rn−2 =

c1√c2r−1−n

2 (38.48)

oderc1 = c

3/22 n2 r

32 n−1. (38.49)

Da dies fur beliebige r gelten soll, muss n = 3/2 sein, und es folgt

c1 = c3/22

(

2

3

)2

. (38.50)

An der Anode mit dem Radius r0 soll ϕ = U sein, also nach Gl.(38.47)

c2 = U r2/30 . (38.51)

Dies ergibt mit Gl. (38.49)

c1 =4

9U3/2r−1

0 (38.52)

und mit Gl.(38.46)

I =8π

√2

9

e

mε0

l

r0U3/2. (38.53)

Man kann dieses”U3/2-Gesetz“ in der Form schreiben (Schottky 1913)

I = q U3/2, (38.54)

wobei sich fur die Konstante q, die Perveanz genannt wird,

q = 1, 47 · 10−5 l

r0

A

V 3/2(38.55)

ergibt.

Bemerkung: Nach Abb. 38.6 muss das außere elektrische Feld in der Naheder Kathode mit der Feldstarke Null einmunden; nahe der Oberflache der Ka-thode muss dϕ

dr = 0 sein, eine Bedingung, die durch Gl. (38.48) nicht erfulltwird. Dieser Ansatz ist nur ein Teilintegral, und das Ergebnis der Betrach-tung gilt streng nur im Grenzfall unendlich dunner Kathoden. Die vollstandige

700 38 Elektronenrohren

Rechnung zeigt, dass bei Kathoden, deren Durchmesser etwa 1/8 des Anoden-durchmessers ubersteigt, die Konstante q großer wird als es Gl. (38.55) an-gibt. Bei kleineren Kathodendurchmessern liefert die Gl. (38.55) Werte, dieauf mindestens 10% genau sind.

Fuhrt man die gleiche Rechnung wie oben fur eine Anordnung aus zweiebenen Elektroden durch, von denen die eine Elektronen aussendet, so ergibtsich ebenfalls die Gl. (38.54), jedoch mit

q = 2, 34A

d2

µA

V 1,5, (38.56)

wobei A die betrachtete Plattenflache, d den Plattenabstand bedeuten. DieseBeziehung wird identisch mit der Gl. (38.55), wenn man unter A die Ober-flache der Anode, unter d den Abstand zwischen Anode und Kathode versteht(= r0). Es gilt also ein und dieselbe Beziehung fur die ebene und die zylindri-sche Anordnung.

Die Stromdichte an der Anode J = I/A ist fur d = 10mm und verschiedeneSpannungen in der folgenden Tabelle 38.1 angegeben:

U (V ) = 5 10 20 50 100 200 500 1000J (mA/cm2) = 0, 0263 0, 0744 0, 21 0, 831 2, 35 6, 65 26, 3 74, 4

Tabelle 38.1. Anodenstrom U in Abhangigkeit der Stromdichte J

Der Elektronenstrom befolgt also nicht das Ohmsche Gesetz im Sinne ei-nes stromunabhangigen Widerstandes. Seine Abhangigkeit von der Spannungist durch Abb. 38.8 veranschaulicht. Von dieser sogenannten Raumladungs-kennlinie wird bei den Anwendungen der Elektronenrohre Gebrauch gemacht.Wesentlich ist dabei, dass wegen der geringen Tragheit der Elektronen der glei-che Zusammenhang zwischen Strom I und Spannung U auch bei sehr raschveranderlichen Spannungen gilt, dass also die dynamische mit der statischenKennlinie praktisch zusammenfallt.

Der Elektronenstrom kann den Sattigungswert Is nicht uberschreiten derdurch die Stromdichte Js an der Kathodenoberflache, Gl.(38.22) bestimmt ist.Die Kurve in Abb. 18.8 biegt daher auf Is ab. Unterhalb der Sattigungsgrenzeist der Elektronenstrom nach Gl.(38.53) unabhangig von den Materialeigen-schaften der Gluhkathode und nur durch die Abmessungen der Anode unddurch die Spannung bestimmt.

38.6 Die Hochvakuumtriode

Wegen der kinetischen Energie der aus der Kathode austretenden Elektro-nen ergibt sich auch bei negativen Werten der Spannung U ein allerdings

38.6 Die Hochvakuumtriode 701

Abbildung 38.8. Raumladungskennlinie

nur geringer Elektronenstrom zur Anode hin. Da die Spannung, gegen die dieElektronen anlaufen konnen, proportional dem Quadrat ihrer Geschwindig-keit ist, so wurde bei Vernachlassigung der Raumladungswirkung fur diesenAnlaufstrom auf Grund der Gl.(38.20) die Beziehung gelten

I = Is eU

UT , (38.57)

in der Is den Sattigungsstrom, UT die Temperaturspannung bedeutet. Da-nach wurde fur U = 0 bereits der volle Sattigungsstrom erreicht werden. DieRaumladung verhindert dies, so dass bei negativen Werten der Spannung UStromstarken entstehen, die kleiner als nach Gl.(38.57) sind.

Abbildung 38.9. Vollstandige Kennlinie einer Diode

Das”Anlaufstromgebiet“ geht stetig in das

”Raumladungsgebiet“uber. Die

vollstandige Kennlinie einer Diode hat daher bei logarithmischer Skala fur dieStromstarke den in Abb. 38.9 gezeigten Verlauf. Die e-Funktion der Gl.(38.57)wird durch eine gerade Linie dargestellt; sie schneidet den Sattigungswert beiwirklichen Elektronenrohren entgegen Gl.(38.57) nicht bei U = 0, sonderneiner etwas von 0 verschiedenen Spannung UK , die durch die Differenz derAustrittspotenziale von Kathoden- und Anodenmaterial bestimmt ist (

”Kon-

taktspannung“).

702 38 Elektronenrohren

Wie aus den Zahlenwerten der Beziehung UT = kT/e erklarlich, erstrecktsich das Anlaufstromgebiet praktisch nur uber einen Spannungsbereich voneinigen Zehntel Volt. Aus der Steigung der gemessenen Kennlinie des Anlauf-stromgebietes kann UT und hieraus die Kathodentemperatur mit Hilfe vonGleichung UT = kT/e berechnet werden. Aus der gemessenen StromstarkeI bei einer passend gewahlten Spannung U und der Kontaktspannung UK

ergibt sich der Sattigungsstrom

Is = I e−U+UK

UT , (38.58)

auch in Fallen, wo wegen sekundarer Effekte (z. B. zusatzliche Aufheizungder Kathode durch den Elektronenstrom) der Sattigungsstrom nicht direktgemessen werden kann.

Bemerkung: Im Anlaufgebiet fließt ein positiver Strom trotz negativer Span-nung zwischen Anode und Kathode, d.h. die Strecke Anode-Kathode liefertals Generator elektrische Energie an den außeren Stromkreis. Diese Energiewird aus der der Kathode zugefuhrt zugefuhrten Warme entnommen. Dies istdie Grundlage der sogenannten Thermionik-Wandler zur unmittelbaren Um-wandlung von Warmeenergie in elektrische Energie. Im Hochvakuum ist derWirkungsgrad dieser Umwandlung sehr gering. Durch Hinzugabe von geeig-neten Gasen, z.B. Casiumdampf, in den Raum zwischen Kathode und Anodekonnen wegen der entstehenden Vervielfachung der Ladungstrager (siehe Ab-schnitt 37.1) hohere Leistungen (Großenordnung 10W/cm2) und Wirkungs-grade (uber 10%) erzielt werden.

Im Raumladungsgebiet weichen die gemessenen Kennlinien von den durchGl.(38.54) gegebenen Werten etwas ab, einmal wegen des stetigen Anschlus-ses an das Anlaufstromgebiet, zweitens wegen der bei der Ableitung vonGl.(38.54) nicht berucksichtigten endlichen Austrittsgeschwindigkeit der Elek-tronen und drittens wegen des Spannungsabfalls langs der Kathode.

Im Sattigungsgebiet kann sich die Erscheinung der”Feldemission“bemerkbar

machen. Mit zunehmender Anodenspannung wird das Potenzialminimum inAbb. 38.6 mehr und mehr angehoben. Dadurch kann bei gleicher Kathoden-temperatur infolge der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung eine großereAnzahl von Elektronen aus der Kathode entweichen.

38.7 Die Hochvakuumtriode

Die Hochvakuumtriode (Dreipolrohre, Eingitterrohre) enthalt zwischen derGluhkathode und der Anode noch eine durchbrochene Elektrode, das Gitter(Steuergitter). Hat das Gitter irgendeine Spannung ug gegen die Kathode,die Anode eine Spannung ua (bei direkt geheizten Kathoden kann z.B. dasnegative Ende der Kathode als Bezugspunkt gewahlt werden), Abb. 38.10,

38.7 Die Hochvakuumtriode 703

so entsteht in der Umgebung der Kathode ein elektrisches Feld, das nachGl.(11.139) durch die beiden Spannungen bestimmt ist. Die Summe der beidenvon Gitter und Anode zur Kathode ubergehenden Verschiebungsflusse lasstsich auch durch die Teilkapazitaten Cg zwischen Gitter und Kathode und Ca

zwischen Anode und Kathode ausdrucken:

Abbildung 38.10. Hochvakuumtriode

Q = Cgug + Caua = Cg

(

ug +Ca

Cgua

)

. (38.59)

Die Verschiebungsdichte und damit die elektrische Feldstarke in der Umge-bung der Kathode sind dieser Große proportional; sie ist daher auch maß-gebend fur den Elektronenstrom. Man sieht durch Vergleich mit Gl.(11.139),dass der Durchgriff D durch das Verhaltnis der Teilkapazitaten ausgedrucktwerden kann:

Ca

Cg= D. (38.60)

Der von der Kathode ausgehende Elektronenstrom ist nur abhangig vom Ge-samtfeld, also von der Steuerspannung

us = ug +Dua. (38.61)

Er ist identisch mit dem Strom ia im Anodenkreis, wenn ug negativ ist, dasGitter also keine Elektronen aufnimmt; dann ist

ia = F (us) = F (ug + ua). (38.62)

Diese Funktion ist im wesentlichen durch die Raumladungs-Kennlinie, Abb.38.8, gegeben.

Misst man den Anodenstrom fur verschiedene konstante Werte von ua undtragt die Stromwerte in Abhangigkeit von ug auf, so ergeben sich die ia −Ug-Kennlinien der Rohre fur die verschiedenen Anodenspannungen, Abb. 38.11,Teil a. Aus dieser Kennlinienschar kann der Durchgriff D entnommen werden,indem man die Horizontalverschiebung der Kurven (∆ in Abb. 38.11, Teil a)dividiert durch den Unterschied der Anodenspannungen (z.B. 4V/50V = 8%in Abb. 38.11, Teil a). Der Anodenstrom wird nahezu Null, wenn ug ≤ 0, also

704 38 Elektronenrohren

Abbildung 38.11. Kennlinie einer Triode

ug ≤ −Dua (38.63)

ist.In dem Bereich negativer Gitterspannung wird der Gitterstrom verschwin-

dend klein. Der aus einer Gleichstromquelle gespeiste Anodenstromkreis kanndaher durch Verandern der negativen Gitterspannung praktisch leistungslosgeschaltet und gesteuert werden.

Wenn dagegen das Gitter gegen die Kathode ist, so nimmt es einen Teildes Elektronenstromes auf; der Anodenstrom ia ist dann durch die Differenzdes Emissionsstromes der Kathode und des Gitterstromes gegeben. Auch indiesem Gebiet positiver Gitterspannungen kann die Rohre noch als Verstarkerarbeiten, wenn auch die Verstarkung hier geringer ist, weil zur Steuerung desGitters eine Leistung aufgewendet werden muss. Bei Verstarkern wird dahervorwiegend das Gebiet negativer Gitterspannungen benutzt.

Halt man die Gitterspannung ug konstant und verandert die Anoden-spannung ua, so ergeben sich die ia, ua-Kennlinien, Abb. 38.11, Teil b. Auchhier kann der Durchgriff entnommen werden als Verhaltnis der Gitterspan-nungsanderung zu der fur die Aufrechterhaltung der Anodenstromstarke er-forderliche Anodenspannungsanderung.

Wird die Anodenspannung durch eine Anodenstromquelle uber einen auße-ren Anodenwiderstand Ra erzeugt, so findet man den Anodenstrom durchEinzeichnen der Belastungskennlinie (gestrichelt eingezeichnet), die auch als

”Widerstandsgerade“oder

”Lastgerade“ bezeichnet wird. In Abb. 38.11, Teil

b ist als Beispiel eine Quellenspannung von 150V und ein AnodenwiderstandRa = 150V/2mA = 75 kΩ angenommen.

38.8 Raumladung in leitenden Stoffen

Auch in elektrisch leitenden Stoffen konnen Raumladungen z. B. bei plotzli-chen Spannungs- oder Stromanderungen auftreten. Sie gleichen sich jedoch beiguten Leitern im allgemeinen sehr rasch aus. Es befinde sich innerhalb eines

38.8 Raumladung in leitenden Stoffen 705

Leiters in irgendeinem kleinen Raumteil vom Volumen V , z. B. von Kugel-form, ein Ladungsuberschuss Q. Ist A die gesamte Oberflache des Raumteiles,dann ist das D-Feld an der an der Oberflache ‖D‖ = Q/A und damit dieE-Feldstarke ‖E‖ = Q/(εA).

Wegen der Leitfahigkeit σ fließt damit an der Oberflache ein Strom mitder Dichte ‖J‖ = σ‖E‖ = (σQ)/(εA) weg. Der gesamte von der Oberflacheabfließende Strom ist daher i = (σQ)/ε. Er vermindert in jedem Zeitelementdt die Ladung Q um dQ = idt. Also gilt

dQ = −σQεdt,

dQ

Q= −σ

εdt. (38.64)

Hieraus folgt durch Integration

Q(t) = A0 e−σ

εt. (38.65)

Jede Uberschussladung klingt also ab; es stellt sich ein raumladungsfreierZustand ein. Die Zeitkonstante dieses Abklingvorganges

τ =ε

σ(38.66)

heißt dielektrische Relaxationszeit. Sie ist fur Kupfer mit σ = 5, 9 · 107 S/m,ε = ε0 = 8, 85 pF/m:

τ =8, 85 · 10−12Fm

5, 9 · 107Sm= 1, 5 · 10−19s. (38.67)

Dieser Wert ist sogar noch kleiner als die freie Laufzeit der Leitungselektronenim Kupfer. Kupfer kann daher bei den elektrotechnischen Anwendungen im-mer als elektrisch neutral angesehen werden. Selbst bei sehr schwach dotiertenGermanium mit einer Leitfahigkeit von 3S/m und εr = 16 wird τ noch sehrklein:

τ =16 · 8, 85 · 10−12

3s = 47 · 10−12 s. (38.68)

Bei isolierten Stoffen konnen dagegen betrachtliche Werte der Relaxationszeitvorkommen. Z. B. wird fur Glas mit σ = 10−14 . . . 10−11 S/m und εr = 5

τ =5 · 8, 85 · 10−12

10−14 · · · 10−11s = 4, 5 · · · 4500 s. (38.69)

Die Relaxationszeit stimmt hier uberein mit der Zeitkonstante fur die Selbst-entladung eines Kondensators, dessen Dielektrikum leitfahig ist mit der spe-zifischen Leitfahigkeit σ.