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3 Bindungen im Festkörper Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält ... a a Faust, Teil I 3.1 Grundlagen 3.1.1 Wechselwirkung und Bindungsenergie Die Struktur eines Festkörpers ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen den darin enthal- tenen Gitterbausteinen, also den Atomen, Ionen oder Molekülen. Für die in Kapitel 2 bespro- chenen Gittertypen spielen zunächst nur relati- ve Distanzen eine Rolle. Die Größe einer Ein- heitszelle wird hingegen direkt von der Wechsel- wirkung zwischen den Bauteilen des Gitters be- stimmt: Man kann den Abstand bestimmen, in- dem man die Abstandsabhängigkeit der Wechsel- wirkungsenergie berechnet und deren Minimum als Funktion des Abstandes bestimmt. Wie im- mer verwenden wir die Born-Oppenheimer Nähe- rung, d.h. wir betrachten die Position der Kerne als klassische Größen. Abstand neutrale Bestandteile getrennt in Ruhe Gesamtenergie Bindungsenergie Gleichgesichts- abstand Abbildung 3.1: Definition der Bindungsenergie. Die Energie, die man benötigt, um einen Kri- stall in seine neutralen Bestandteile (Atome oder Moleküle) zu zerlegen, wird als Bindungs- energie bezeichnet. In einer klassischen Näherung kann man die Bin- dungsenergie von Festkörpern diskutieren, indem man abstoßende Wechselwirkungen zwischen po- sitiv geladenen Atomrümpfen und zwischen Va- lenzelektronen betrachtet, welche eine Vergröße- rung der Abstände bewirken, sowie anziehende Wechselwirkungen von Valenzelektronen mit po- sitiv geladenen Atomrümpfen. Das Wechselspiel zwischen den unterschiedlichen Abstands- und Richtungsabhängigkeiten ergibt die beobachte- te Gleichgewichtsstruktur. Ein vollständiges Ver- ständnis setzt jedoch quantenmechanische Be- trachtungen voraus. Bindungsenergien werden meist in der Einheit eV angegeben. Dabei entspricht 1eV/Atom 1 eV Atom = 1, 6 · 10 -19 J Atom = 1, 6 · 10 -19 · 6 · 10 23 J Mol = 96 kJ Mol . Es ist außerdem nützlich, diese Einheit in die Skala von Frequenzen und Wellenlängen umzu- rechnen: 1 eV 1, 6 · 10 -19 6, 6 · 10 -34 Hz = 2, 4 · 10 14 Hz 3 · 10 8 2, 4 · 10 14 m=1, 2 μm. Dies entspricht einer Frequenz, resp. Wellenlän- ge im nahen infraroten Bereich des elektroma- gnetischen Spektrums. Der sichtbare Bereich des Spektrums entspricht Photonenenergien von et- wa 1,7 bis 3 eV. 54

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3 Bindungen im Festkörper

Dass ich erkenne, was die Welt im Innerstenzusammenhält ...aaFaust, Teil I

3.1 Grundlagen

3.1.1 Wechselwirkung undBindungsenergie

Die Struktur eines Festkörpers ergibt sich ausder Wechselwirkung zwischen den darin enthal-tenen Gitterbausteinen, also den Atomen, Ionenoder Molekülen. Für die in Kapitel 2 bespro-chenen Gittertypen spielen zunächst nur relati-ve Distanzen eine Rolle. Die Größe einer Ein-heitszelle wird hingegen direkt von der Wechsel-wirkung zwischen den Bauteilen des Gitters be-stimmt: Man kann den Abstand bestimmen, in-dem man die Abstandsabhängigkeit der Wechsel-wirkungsenergie berechnet und deren Minimumals Funktion des Abstandes bestimmt. Wie im-mer verwenden wir die Born-Oppenheimer Nähe-rung, d.h. wir betrachten die Position der Kerneals klassische Größen.

Abstand

neutrale Bestandteile

getrenntin Ruhe

Ges

amte

nerg

ie

Bindungsenergie

Gleichgesichts-abstand

Abbildung 3.1: Definition der Bindungsenergie.

Die Energie, die man benötigt, um einen Kri-stall in seine neutralen Bestandteile (Atomeoder Moleküle) zu zerlegen, wird als Bindungs-energie bezeichnet.

In einer klassischen Näherung kann man die Bin-dungsenergie von Festkörpern diskutieren, indemman abstoßende Wechselwirkungen zwischen po-sitiv geladenen Atomrümpfen und zwischen Va-lenzelektronen betrachtet, welche eine Vergröße-rung der Abstände bewirken, sowie anziehendeWechselwirkungen von Valenzelektronen mit po-sitiv geladenen Atomrümpfen. Das Wechselspielzwischen den unterschiedlichen Abstands- undRichtungsabhängigkeiten ergibt die beobachte-te Gleichgewichtsstruktur. Ein vollständiges Ver-ständnis setzt jedoch quantenmechanische Be-trachtungen voraus.Bindungsenergien werden meist in der EinheiteV angegeben. Dabei entspricht 1eV/Atom

1eV

Atom= 1, 6 · 10

�19 J

Atom

= 1, 6 · 10�19

· 6 · 1023 J

Mol

= 96kJ

Mol.

Es ist außerdem nützlich, diese Einheit in dieSkala von Frequenzen und Wellenlängen umzu-rechnen:

1 eV ⇠1, 6 · 10

�19

6, 6 · 10�34Hz = 2, 4 · 10

14Hz

⇠3 · 10

8

2, 4 · 1014m = 1, 2 µm.

Dies entspricht einer Frequenz, resp. Wellenlän-ge im nahen infraroten Bereich des elektroma-gnetischen Spektrums. Der sichtbare Bereich desSpektrums entspricht Photonenenergien von et-wa 1,7 bis 3 eV.

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3.1.2 Bindungstypen

Die Bestandteile eines Festkörpers können aufunterschiedliche Art zusammengehalten werden.Es ist meist nützlich, als Bestandteile Moleküleoder Atomrümpfe und Valenzelektronen zu be-trachten. Die Wechselwirkungen zwischen diesenBestandteilen können sich auf qualitativ sehr un-terschiedliche Weise bemerkbar machen. Eine er-ste Klassifizierung unterscheidet fünf Bindungs-typen

• kovalente Bindung

• ionische Bindung

• van der Waals Bindung

• metallische Bindung

• Wasserstoffbrücken

Eine grobe Orientierung über die wichtigstenEigenschaften dieser Bindungstypen gibt Tabel-le 3.1. Ionische und kovalente Bindungen erge-ben die größten Bindungsenergien und damit diestarrsten Festkörper. Abbildung 3.2 zeigt einebildliche Darstellung der vier wichtigsten Bin-dungstypen.

Van der Waals (Ar) Ionisch (NaCl)

Metallisch (Na) Kovalent (Diamant)

Na+ Na+

Na+

Na+

Cl-

Cl-

Cl-

Cl-

Cl-

Na

Na

Na

Na

Na

C

C

C

C

C

Abbildung 3.2: Bildliche Darstellung der vierwichtigsten Bindungsarten.

Grob vereinfacht kann man sich vorstellen, dassim Falle der van der Waals Bindung die neutra-len Bestandteile (z.B. Argon im Festkörper) sichgerade berühren und durch schwache Kräfte an-einander gehalten werden. Bei der ionischen Bin-

dung sind die Bestandteile entgegengesetzt gela-den und werden durch Coulomb-Wechselwirkungangezogen. Bei der metallischen Bindung sinddie Atomrümpfe in ein “Bad” aus freien Elek-tronen eingelagert, welche sie zusammenhält. ImFalle der kovalenten Bindung existiert ein ver-stärkter Überlapp zwischen den Elektronen dereinzelnen Atome, welcher zu einer starken, ge-richteten Bindung führt.

3.1.3 Bindungsenergien: Übersicht

Die hier diskutierten unterschiedlichen Bin-dungstypen sollten als idealisierte Modelle ver-standen werden. In der Natur kommen sie nichtin reiner Form vor, sondern man findet Systeme,die sowohl kovalente wie auch metallische Bin-dungsanteile aufweisen. Man spricht deshalb da-von, dass in einem bestimmten Kristall der Cha-rakter der Bindungen z.B. überwiegend kovalentoder überwiegend ionisch sei. Die van der WaalsWechselwirkung tritt immer auf, ist aber schwä-cher als die anderen Bindungstypen. Nur wennandere Bindungstypen keine Rolle spielen, wiez.B. bei Edelgasen, wird der Einfluss der van derWaals Wechselwirkung direkt beobachtbar.

Die Stärke des Zusammenhaltes kann durch dieBindungsenergie charakterisiert werden, welchedem Kristall zugeführt werden muss, um ihn inAtome oder Moleküle zu zerlegen, welche durchunendlich große Distanz getrennt sind. Ein Blickauf die Tabelle 3.2 der Bindungsenergien für dieElemente zeigt die großen Unterschiede, die hierauftreten können. Die Werte reichen von ca. 0,1eV bei Edelgasen bis zu 8,9 eV bei Wolfram. Inder Tabelle fehlen außerdem die beiden leichte-sten Elemente, H und He, welche sehr schwierigzu verfestigen sind. Insbesondere He wird nichteinmal bei der Temperatur 0 K zu einem Fest-körper, außer man legt Druck an.

Die Tatsache, dass die Bindungsenergie stark vonder Gruppe (d.h. der Spalte in der Tabelle) ab-hängt, zeigt, dass die Erklärung und Berech-nung von Bindungseigenschaften nur mit Hil-fe der Quantenmechanik möglich ist. Die Un-terschiede zwischen den einzelnen Gruppen sind

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Typ Beispiel Gitterkonstantein Å

Bindungsenergiein kJ/Mol

Konstituenten

ionisch NaCl 2.8 750 Na+, Cl�kovalent Diamant 710 C

metallisch Na 4.28 110 Navan der Waals CH4 10 CH4

Wasserstoffbrücken H2O 50 H2O

Tabelle 3.1: Einige Eigenschaften der wichtigsten Bindungstypen

auf die unterschiedliche Affinität zu Valenzelek-tronen (eigenen oder fremden) zurückzuführen.Schwere Übergangsmetalle zeigen die höchstenBindungsenergien. Die Stärke der Bindungsener-gie bedingt auch viele weitere Materialparame-ter, wie z.B. den Schmelzpunkt oder die Elasti-zität des Materials.

3.1.4 Das Wasserstoffmolekül

Wir betrachten zunächst nur die Kräfte, welchebei der Wechselwirkung zwischen zwei Atomenauftreten. Das einfachste System, bei dem sichmehrere Teilchen zu einer bestimmten Struk-tur zusammenfinden, ist das Wasserstoffmolekül.Mit klassischer Mechanik allein ist es schwierigeinzusehen, wie zwischen zwei neutralen Teilcheneine bindende Wechselwirkung zustande kom-men soll. Um dies zu verstehen, müssen wir dasProblem also quantenmechanisch analysieren.

Wir betrachten dazu zwei Wasserstoffatome Aund B, deren Elektronenhülle sich zum Teilüberlagert. Wie üblich verwenden wir die Born-Oppenheimer Näherung: wir behandeln die Po-sition der Kerne als klassische Parameter. DieElektronen bewegen sich in einem Potenzial, wel-ches durch die Coulomb-Wechselwirkung mit denKernen und den übrigen Elektronen gegeben ist.Die Basis dieser Näherung ist die sehr viel grö-ßere Masse der Kerne: beim Wasserstoff sind sie3 Größenordnungen schwerer als die Elektronen,bei schwereren Atomen bis zu 5 Größenordnun-gen. Ist die Energie pro Freiheitsgrad für Kerneund Elektronen von der gleichen Größenordnung(Äquipartitionsprinzip), so bewegen sich somit

die Elektronen sehr viel schneller. Für die Wech-selwirkung mit den Kernen ist dann in erster Li-nie der mittlere Aufenthaltsort relevant.

Die quantenmechanische Beschreibung benötigtin der Born-Oppenheimer Näherung nur eineZustandsfunktion für die Elektronen, in denendie Positionen der Kerne als klassische Parame-ter auftauchen. Um die Bewegung der Kerne zudiskutieren, werden wir umgekehrt die gemit-telte Gesamtenergie für unterschiedliche Kern-Konfigurationen berechnen. In diesem Potenzialkann man die Bewegung der Kerne als harmoni-sche Oszillatoren diskutieren (siehe Kap. 4).

ssB

S = <ssA|ssB>

ssA

Abbildung 3.3: Überlapp der Orbitale im H2-Molekül.

Wir schreiben die Wellenfunktionen der beidenElektronen als A und B. Sind die beiden Ato-me räumlich gut getrennt, so kann die Zustands-funktion des Gesamtsystems in guter Näherungals das Produkt A(1) B(2) der beiden einzel-nen Funktionen geschrieben werden; hier sind dieKoordinaten der beiden Elektronen zum Index(1, 2) zusammengefasst. Wir berücksichtigen andieser Stelle nicht das Pauliprinzip, nach demder Zustand der beiden Elektronen unter Vertau-

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Tabelle 3.2: Bindungsenergie der Elemente.

schung ihrer Koordinaten antisymmetrisch seinmüsste. Den Hamiltonoperator des Systems be-zeichnen wir mit H. Dieser beinhaltet neben denHamiltonoperatoren der isolierten Atome einenKopplungsterm, der beschreibt, dass das Elek-tron beide Kerne spürt und dass die Elektronensich gegenseitig abstoßen.

Eine vollständige Analyse des molekularen Ha-miltonoperators ist sehr aufwändig. Da wir andieser Stelle aber nicht ein quantitatives, sondernnur ein qualitatives Verständnis anstreben, ge-nügt uns eine relativ einfache Beschreibung. Wirsuchen die Eigenfunktion Y des gesamten Hamil-tonoperators, wobei wir nicht die explizite Dar-stellung des Hamiltonoperators verwenden, son-dern lediglich die (unbekannten) Matrixelementein der Basis der Grundzustands-Eigenfunktionender einzelnen Atome.

3.1.5 Energie

Als Ansatz für die Berechnung des molekularenZustands eines einzelnen Elektrons schreiben wirdiesen als Linearkombination der beiden atoma-ren Zustände:

= cA A + cB B.

Die beiden Basisfunktionen sind für endliche Ab-stände nicht orthogonal, sondern besitzen einendliches Überlappintegral

S = h A| Bi.

S ist ein Maß für die Stärke der Wechselwirkungzwischen den beiden Atomen: je näher die Ato-me zusammen liegen, desto größer ist der Über-lapp zwischen den beiden Orbitalen. Aufgrundder Normierung ist S 1. Wenn das Überlap-pintegral nicht verschwindet, so können die bei-den Basisfunktionen A.B nicht Eigenfunktionendes Hamiltonoperators des Gesamtsystems sein.

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Im Folgenden sollen deshalb die Eigenfunktionendes gekoppelten Systems bestimmt werden, ana-log zum Problem von zwei gekoppelten Pendeln.Die Energie von ist

E =h |H| i

h | i

=c2AHAA + c2

BHBB + 2cAcBHAB

c2A

+ c2B

+ 2cAcBS,(3.1)

wobei wir die Koeffizienten cA, cB und HAB alsreell angenommen haben. Hier stellen

Hxy = h x|H| yi (3.2)

die Matrixelemente des Hamiltonoperators darund das Überlappintegral S wurde ebenfalls alsreell angenommen.

Wir erweitern Gleichung (3.1) mit dem Nennerder rechten Seite:

E(c2A + c2

B + 2cAcBS)

= c2AHAA + c2

BHBB + 2cAcBHAB.

Diese Gleichung können wir dazu benutzen, dieEnergie zu minimieren und so den Eigenzustandzu finden. Wir suchen zunächst das Minimumbezüglich cA, indem wir danach ableiten:

cA(HAA � E) + cB(HAB � ES) = 0.

Die Ableitung nach cB ergibt entsprechend

cA(HAB � ES) + cB(HBB � E) = 0.

In Matrixschreibweise entspricht das✓

HAA � E HAB � ESHAB � ES HAA � E

◆ ✓cAcB

◆= 0, (3.3)

wenn wir benutzen, dass für identische AtomeHAA = HBB. Damit dieses Gleichungssystemlösbar ist, muss die Determinante

(HAA � E)2� (HAB � ES)

2= 0

verschwinden. Dies können wir als Gleichung fürdie Energie verwenden,

E2(1 � S2

) � 2E(HAA + HABS)

+H2AA � H

2AB = 0.

E =(HAA � HABS) ±

p(HAA � HABS)2 � (H

2AA � H

2AB)(1 � S2)

1 � S2

=(HAA � HABS) ±

pH

2AA + H

2ABS2 � 2HAAHABS � H

2AA + H

2AB + H

2AAS2 � H

2ABS2

1 � S2

=(HAA � HABS) ± (HAB � HAAS)

1 � S2

=(HAA ⌥ HAB)(1 ± S)

1 � S2

Die Lösungen dieser quadratischen Gleichungsind

oder

Es,as =HAA ± HAB

1 ± S. (3.4)

3.1.6 Molekülorbitale

Die Energien können auch über die Eigenzu-stände gefunden werden. Berücksichtigt man dieSymmetrie des Problems, so müssen die Eigen-zustände durch die symmetrische, respektive an-tisymmetrische Linearkombination der Basisor-bitale gegeben sein,

s = A + Bp

2(1 + S)

as = A � Bp

2(1 � S),

d.h. die symmetrische und antisymmetrische Li-nearkombination der beiden Atomorbitale. Dieslässt sich überprüfen durch Einsetzen in dieSchrödingergleichung:

H s = (HAA + HAB) s

H as = (HAA � HAB) as.

Daraus erhält man wiederum die Energien (3.4).

Die Wechselwirkung zwischen den beiden Ato-men führt also zu einer Aufspaltung der Ener-giezustände, die ohne Wechselwirkung entar-tet sind. Das symmetrische Molekülorbital liegtenergetisch unterhalb der Atomorbitale, die anti-symmetrische Linearkombination oberhalb. Wieim Atom kann jedes dieser Molekülorbitale mit

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EA

EA

EB

Es

Energie

A B

AB

Abbildung 3.4: Energie der Orbitale im H2-Molekül im Vergleich zu denEnergien der atomaren Zustän-de.

maximal zwei Elektronen besetzt werden. Offen-sichtlich weist das neutrale Wasserstoffmolekül,bei dem das bindende Orbital von zwei Elek-tronen mit entgegengesetztem Spin besetzt wird,die stabilste Konfiguration auf.

^s

^a

^A ^B

Abbildung 3.5: Molekülorbitale im H2-Molekül.

Beim bindenden Molekülorbital s werden diebeiden Atomorbitale mit dem gleichen Vorzei-chen addiert. Es entsteht deshalb zwischen denbeiden Atomen eine positive Interferenz und dieElektronendichte steigt in diesem Gebiet. Dasantibindende Orbital a hingegen weist zwischenden beiden Kernen eine Knotenebene auf; in die-ser Ebene verschwindet die Elektronendichte.

Die Eigenfunktionen der Elektronen im H2-Molekül haben die in Abb. 3.5 grob gezeigteForm. Dieses Verfahren wird nicht nur für H2

verwendet, sondern auch für alle anderen Mole-küle. Es kann als Störungsrechnung betrachtetwerden: Ausgangspunkt sind die unabhängigenAtome und die Wechselwirkung wird in derenBasis als Störung eingeführt, welche die Energien

und Eigenzustände verändert. Genauere Funk-tionen können nur durch aufwändige numerischeRechnungen bestimmt werden, welche in großenMolekülen bald unhandlich werden.

Treten mehr als 2 Atome in Wechselwirkung, soergeben sich weitere Aufspaltungen. Im Grenzfalleines unendlich großen Ensembles von Atomenentsteht eine kontinuierliche Verteilung der Ener-gie der Eigenzustände. Die Konsequenzen davonwerden im Rahmen des Modells freier Elektronengenauer diskutiert (! Kap. 5).

3.2 Paarwechselwirkungen

Dieses Unterkapitel behandelt Wechselwirkun-gen zwischen 2 Partnern, analog zum H2-Molekül. Die beiden Partner können neutraleAtome, Moleküle oder geladene atomare Ionensein.

3.2.1 Kovalente Bindung

Wie beim H2-Molekül diskutiert, nimmt dasÜberlappintegral und damit die Stärke derWechselwirkung zwischen den beiden Atomenmit abnehmendem Abstand zu. Damit steigt dieAufspaltung zwischen dem symmetrischen unddem antisymmetrischen Orbital.

Das antisymmetrische Orbital liegt für alle Ab-stände über den Atomorbitalen, wie in Abb. 3.6gezeigt. Bringt man das Molekül in diesen Zu-stand, so kann es immer Energie gewinnen, in-dem seine Kerne sich voneinander entfernen -es fliegt somit auseinander. Man nennt diesesOrbital deshalb antibindend, im Gegensatz zumtiefer liegenden bindenden Orbital. Bringt manein Molekül in den Grundzustand, so ist seineEnergie niedriger als diejenige der freien Atome,sie bleiben deshalb aneinander gebunden. Erstwenn der Abstand unter den Gleichgewichtswertfällt, führt die Abstoßung zwischen den Kernen(und ev. zwischen den geschlossenen Schalen) zueiner zusätzlichen abstoßenden Wechselwirkung,so dass die Gesamtenergie wieder ansteigt. Die-ses Orbital besitzt deshalb ein Energieminimum

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74 pm Bindungslänge

EnergieinRy(13.6eV)

Kern-Kern Abstand in a0 = 0.53 Å

H HAbstand zu kurz

H H

Abstand zu lang

H H

Abbildung 3.6: Energie der Molekülorbitale imH2-Molekül als Funktion des Ab-standes.

als Funktion des Abstandes. Dies entspricht demGleichgewichtsabstand der Atome.

Insgesamt kann das System seine Energie ernied-rigen, wenn jedes der beiden Atome ein Elektronzur Bindung beiträgt. Sind es mehr als 2 Elek-tronen (z.B. bei gefüllten Schalen, wie z.B. denEdelgasen), so müssen auch antibindende Orbi-tale belegt werden. Dadurch erhöht sich die Ge-samtenergie und eine Bindung findet nicht statt.

Bindungen dieser Art werden als kovalente Bin-dungen bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurchaus, dass beide Partner Elektronen beisteuern,um Orbitale zu besetzen, welche nicht an einemder beiden Atome lokalisiert sind. Sie bilden sichvor allem zwischen den Atomen von Nichtmetal-len aus. Sämtliche Moleküle werden durch kova-lente Bindungen zusammengehalten.

3.2.2 Kovalente Bindungen inFestkörpern

Das prototypische Beispiel eines Kristalls, derin diesem Bindungstyp kristallisiert, ist Dia-mant. Hier zeigt es sich, dass diese Bindungs-art stark gerichtet ist: jedes Kohlenstoffatomhat vier nächste Nachbarn, welche in tetraedri-scher Anordnung angeordnet sind (Begründung

Abbildung 3.7: Einheitszelle von Diamant.

! Kap. 3.2.3). Die resultierende Kristallstruk-tur hat eine relativ niedrige Raumfüllung von0.34, gegenüber einer dichtesten Kugelpackungmit 0.74. Dies zeigt, dass die Anzahl möglicherBindungen und damit die Richtung der Bindun-gen bei diesem Bindungstyp wichtiger ist als dieZahl der nächsten Nachbarn.

Abbildung 3.8: Elektronendichte der Bindungs-elektronen in Germanium.

Neben Diamant gibt es auch einige weitere Ele-mente, welche diese Art von Bindung eingehen,insbesondere die im Periodensystem direkt dar-unter liegenden Silizium und Germanium. Ent-sprechend ist auch deren Struktur vom gleichenTyp. Kovalente Bindungen in diesen Elementenführen aber nicht zu lokalisierten Bindungselek-tronen wie in Molekülen, sondern die Elektro-nen sind hier zwar zwischen den Atomen kon-zentriert, aber über den gesamten Körper delo-kalisiert, wie die Halbleitereigenschaften von Siund Ge zeigen. Diamant ist zwar bei Raumtem-peratur ein ausgezeichneter Isolator, bei hohen

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Temperaturen stellt er aber auch einen sehr at-traktiven Halbleiter dar.

3.2.3 Hybridorbitale

Atomarer Kohlenstoff besitzt 6 Elektronen. Da-von füllen 4 Elektronen die beiden energetischniedrigsten Orbitale, das 1s und das 2s Orbitalmit jeweils zwei Elektronen mit entgegengesetz-tem Spin. Nach der einfachen Regel, dass Bin-dungen über die ungepaarten Elektronen zustan-de kommen, müsste somit Kohlenstoff zweiwer-tig sein, also 2 Bindungen eingehen können. Diesentspricht jedoch nicht dem experimentellen Be-fund: Stattdessen ist Kohlenstoff vierwertig, wiez.B. aus der Struktur von Diamant erkennbar.

Orbitale: s px py pz

n=2

n=1

Hybrid-Orbitale:sp3

n=2

n=1

Abbildung 3.9: Orbitale von atomarem Kohlen-stoff (links), mit 6 Elektronenbesetzt und sp3 Hybrid-Orbitale(rechts).

Die kann man verstehen, wenn man als Aus-gangspunkt nicht mehr die 2s und 2p Orbitalebetrachtet, sondern symmetrisiert Hybridorbita-le. Die sogenannten sp3 Hybridorbitale kann manschreiben als

1 =1

2

� s + px + py + pz

2 =1

2

� s + px � py � pz

3 =1

2

� s � px + py � pz

4 =1

2

� s � px � py + pz

�.

Abb. 3.9 zeigt links die Orbitalkonfigurationfür atomaren Kohlenstoff, rechts für die sp3-Hybridisierung. Im letzteren Fall ist die Energievon allen vier Orbitalen gleich und ihre Anord-nung hat die Symmetrie eines Tetraeders. DerWinkel zwischen 2 Orbitalen beträgt jeweils et-wa 109,5�. Die entspricht auch etwa dem Winkelzwischen 2 Bindungen in vielen Molekülen oderFestkörpern, so z.B. im Diamant.

Neben dieser vollständigen Hybridisierung gibtes auch Fälle, in denen das s-Orbital nur mit1 oder 2 p-Obitalen hybridisiert. Die drei Fäl-le werden als spn-Hybridisierung mit n = 1, 2, 3zusammengefasst. Dabei entstehen aus jeweils ei-nem s-Orbital und n p-Orbitalen n + 1 spn Or-bitale. Diese besitzen die Form einer Keule. DieAnordnung der Hybrid-Keulen ist für

• n = 3 tetraedrisch

• n = 2 sternförmig planar

• n = 1 linear

Es bleiben jeweils 3 � n p-Orbitale übrig. Koh-lenstoff besitzt selber 4 Valenzelektronen. Inder überwiegenden Mehrzahl der Verbindungenkombinieren diese mit 4 weiteren Elektronen derBindungspartner, so dass insgesamt alle Orbitalemit jeweils 2 Elektronen mit entgegengesetztemSpin besetzt sind.

ππ

π π

π π

delokalisierte π-Bindungen

H

H

HH

H

H

CC

CCCC

σσ σ

σ σσ

lokalisierte σ-Bindungen

Abbildung 3.10: Orbitale in Benzol: �- und ⇡-Bindungen.

Die beiden Arten von Orbitalen bilden un-

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terschiedliche Arten von Bindungen. Die spn-Orbitale bilden sogenannte ��Orbitale, bei de-nen sich die Elektronendichte um die Verbin-dungsachse der beteiligten Atome konzentriert.Die reinen p-Orbitale, bei denen die Ladungs-dichte am Kern einen Knoten aufweist, bil-den hingegen ⇡-Orbitale, welche auf der Ver-bindungsachse einen Knoten aufweisen. In die-sem Fall verschwindet also die Elektronendichteauf der Verbindungsachse zwischen den Kernen.Solche ⇡-Orbitale können auch weit ausgedehntsein. In Graphen, z.B., sind die Orbitale über diegesamte Ebene delokalisiert.

3.2.4 Polare Bindungen

Abbildung 3.11: Energie und Form der Mole-külorbitale in einem polarenMolekül.

Die Wechselwirkung im Wasserstoffmolekülist symmetrisch, da eine Bindung zwischenzwei identischen Atomen entsteht. Auch inKohlenstoff-Verbindungen oder elementarenFestkörpern sind die Bindungen symmetrisch.Kovalente Bindungen können aber auch beiungleichen Partnern entstehen. In diesem Fallsind auch die Koeffizienten der Atomorbitalebei der Kombination zu Molekülorbitalen nichtmehr vom gleichen Betrag, wie Abb. 3.11 zeigt.Das tiefer liegende Orbital ist dominiert durchdas energetisch näher liegende Atomorbital undauch die Elektronendichte ist auf diesem Atomkonzentriert.

Abb. 3.12 zeigt als Beispiel die Ladungsvertei-lung in einem Wassermolekül. Hier werden dieBindungselektronen näher zum Sauerstoff ver-schoben. Dieser erhält dadurch eine partiell ne-

Abbildung 3.12: Ladungsverteilung im Wasser-molekül: negative Ladungsdich-te ist blau, positive grün.

gative Ladung, die Wasserstoffatome eine positi-ve Partialladung.

Beim antibindenden Orbital ist der größte Teilder Elektronendichte auf dem energetisch höherliegenden Atom. Falls beide Atome je ein Elek-tron zur Bindung beitragen, findet deshalb einteilweiser Ladungstransfer zum Atom mit der hö-heren Elektronegativität statt.

Ele

ktro

nega

tivitä

t X

Abbildung 3.13: Elektronegativität als Funktionvon Gruppe und Periode.

Elektronegativität X ist ein relatives Maß für dieKraft, mit der ein Atom ein gemeinsames Elek-tron an sich bindet. Sie ist proportional zur Sum-me aus Ionisierungsenergie Ei und Elektronenaf-finität EA ,

X / Ei + EA.

Wie in Abb. 3.13 gezeigt, steigt sie innerhalb ei-ner Periode von links nach rechts an und nimmtinnerhalb einer Gruppe mit zunehmender Elek-tronenzahl ab.

Sie ist somit für kleine Atome auf der rechtenSeite des Periodensystems am höchsten, währendgroße Atome mit nur wenigen Elektronen in der

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3 Bindungen im Festkörper

Abbildung 3.14: Verlauf der Elektronegativitätim Periodensystem.

äußersten Schale diese leichter abgeben (! Abb.3.14).

Der Grad der Ionisierung hängt von der Differenzder Elektronegativität der beiden Partner ab. Jegrößer diese Differenz, desto größer der Grad desTransfers. Ein vollständiger Transfer entsprichtdem Idealfall einer ionischen Bindung.

3.2.5 Ionenpaare

Das typische Beispiel für ionische Kristalle sinddie Alkali-Halogenide: Hier wird ein Elektron voneinem Alkali-Atom auf ein Halogen-Atom über-tragen, so dass die beiden einfach geladenen Io-nen jeweils Edelgaskonfiguration erreichen. DerÜbertrag des einzelnen Valenzelektrons vom Na-trium auf das Chlor ergibt für Na+ die Konfigu-ration [Ne] und für Cl� die Konfiguration [Ar].

Abbildung 3.15: Verteilung der Elektronendich-te in einem NaCl Kristall.

Wie in Abb. 3.15 gezeigt, kann man die Ver-teilung der Elektronendichte in einem Kristall

mit Röntgenbeugung relativ präzis messen. Auf-grund der Edelgaskonfiguration können sie alsgeladene Kugeln angenähert werden. Dieses Bildentspricht der Erwartung, dass der Kristall ausIonen in Edelgaskonfiguration besteht.

Die Energiebillanz bei der Bildung eines Ionen-paars kann in mehrere Schritte zerlegt werden.Es ist sinnvoll, zunächst die Wechselwirkung ineinem einzelnen Ionenpaar zu diskutieren. Zu-nächst findet der Transfer eines Elektrons voneinem zum anderen Atom statt, wodurch das Io-nenpaar gebildet wird.

Na Na+ + e-

Ionisierung

+5,14 eV

Cl + e- Cl-

Elektronena!nität

-3,61 eV

Na+ Cl-+

Gas

Ionenbindung

-7,9 eV Na+ Cl-

Na+Cl-Na+

Cl-

Kristall

Abbildung 3.16: Energiebillanz bei der Bildungvon NaCl.

Wir betrachten hier nicht die Energie, die benö-tigt wird, um Natrium und Chlor aus ihrer nor-malen Form (Metall, resp. molekulares Gas) inatomare Form überzuführen. In den ersten bei-den in Abb. 3.16 dargestellten Schritten wirdein Elektron von einem Natrium-Atom auf einChloratom übertragen. Die gesamte Energie proIonenpaar, setzt sich zusammen aus der Ioni-sierungsenergie EI des Natriums (5.14 eV) undder Elektronenaffinität EA des Chloratoms (-3.61eV). Diese Beiträge zur Energie können nur auseiner quantenmechanischen Berechnung erhaltenwerden. Als Beispiel wird in Kochsalz aus 2 NaAtomen und einem CL2-Molekül 2 Na+ Ionenund 2 Cl�-Ionen. Die elektronische Konfigurati-on der Atome ist Na: 1s22s22p63s = [Ne]3s1 undCl : 1s22s22p63s23p5 = [Ne]3s23p5. Die beiden Io-nen haben somit die Konfigurationen 1s22s22p6=[Ne] und 1s22s22p63s23p6 = [Ar]. Diese ent-

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3 Bindungen im Festkörper

spricht der Konfiguration der Edelgase Neon undArgon.

Unterschale

Kernladung Z

Ioni

satio

nsen

ergi

e (e

V)

Abbildung 3.17: Ionisationsenergie der Elemen-te.

Wie in Abb. 3.17 gezeigt, erreicht die Ionisati-onsenergie bei den Edelgasen (volle Schale) einenMaximalwert, bei den Erdalkalimetallen (ein ein-zelnes Elektron in der äußersten Schale) einenMinimalwert. Bei der Bildung von Cl� wird hin-gegen Energie frei. Diese wird als Elektronenaf-finität EA bezeichnet.

Der Übertrag eines Elektrons vom Na zum Clist insgesamt endotherm, d.h. das Ionenpaar hateine höhere Energie als die beiden neutralen Ato-me:

EI + EA = (5, 14 � 3, 61) eV = 1, 53 eV.

Die Gesamtreaktion bis zum Ionenkristall isttrotzdem stark exotherm, weil die beiden entge-gengesetzt geladenen Ionen sich durch Coulomb-Wechselwirkung anziehen und dadurch die Ener-gie wieder reduzieren.

Der größte Teil der Bindungsenergie (6,37 eVim Beispiel von NaCl) wird bei der Bildung desKristallgitters aus den gasförmigen Ionen frei (-7,9 eV). Diese Energie kann in guter Näherungklassisch über die Coulomb-Wechselwirkung zwi-schen den Ionen berechnet werden. Je geringerder Abstand zwischen den Ionen, desto mehrEnergie wird frei. Die anziehende Coulomb-Wechselwirkung ist wesentlich stärker als die vander Waals Wechselwirkung, welche hier vernach-lässigt werden kann.

Die Tatsache, dass die entgegengesetzt gelade-nen Ionen sich nur bis auf einen Abstand vonetwa 3Å nähern, zeigt, dass auch eine absto-ßende Wechselwirkung vorhanden ist, welche of-fenbar eine deutlich stärkere Abstandsabhängig-keit aufweist. Diese Abstoßung ist im Wesentli-chen auf das Pauli-Prinzip zurückzuführen, wel-ches den Überlapp der Elektronenzustände ver-hindert. Man verwendet für seine Beschreibunggerne ein empirisches Potenzial und schreibt diegesamte Wechselwirkung eines Ionenpaars alsFunktion des Abstandes rij als

Uij(rij) = �e�rij/⇢ ±1

4⇡✏0

q2

rij,

wobei q den Betrag der Ladungen bezeichnet.Das + Zeichen gilt für gleiche Ladungen, das- Zeichen für entgegengesetzte Ladungen. Diehier gewählte exponentielle Abstandsabhängig-keit wird als Born-Meyer Potenzial oder alsBuckingham-Potenzial bezeichnet. Die Parame-tern ⇢ und � werden empirisch bestimmt. Typi-sche Werte sind � ⇡ 0, 3 . . . 3 keV und ⇢ ⇡ 0, 3Å.

Ener

gie

pro

Mol

ekül

in e

V

0

10

-10

Abstand in Å

Abstoßende Energie

/ r�1ij

Coulomb-Energie

Gleichgewichts-lage

Gesamt-energie

/ e�rij/�

2 4 6

Abbildung 3.18: Abstandsabhängigkeit derEnergie in KCl.

Die genaue Form des abstoßenden Potenzials kei-nen wesentlichen Einfluss auf die Eigenschaftendes Kristalls. Sie deutet aber an, dass sich dieIonen bei kleinen Abständen fast wie harte Ku-geln verhalten, d.h. der Überlapp der Elektro-

64

Page 12: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

nenhüllen bleibt sehr klein. Der Parameter r desBorn-Meyer Potenzials kann experimentell ausMessungen der Kompressibilität bestimmt wer-den; typische Werte sind rund 0.3 Å.

3.2.6 Pauli-Prinzip undAustauschwechselwirkung

Die Abstoßung kann als eine Folge des Pauli-Prinzips betrachtet werden: Dieses verlangt, dassdie Wellenfunktion zweier identischer Teilchenantisymmetrisch sein muss. Für zwei Elektro-nen mit parallelem Spin muss die Zweiteilchen-Wellenfunktion deshalb antisymmetrisiert wer-den:

2(r1, r2) = u(r1)v(r2) � u(r2)v(r1),

wobei u, v Einelektronenfunktionen darstellenund r1, r2 die Koordinaten der Elektronen. Füridentische Positionen verschwindet offenbar dieWellenfunktion,

2(r1, r1) = u(r1)v(r1) � u(r1)v(r1) = 0,

d.h. die Wahrscheinlichkeit, zwei Elektronen amgleichen Ort zu finden ist Null, was einer star-ken Abstoßung entspricht. Die Kraft hängt abvom Spin-Zustand der Elektronen; sie existiertnur zwischen Elektronen in identischen Quanten-zuständen.

+Gesamtspin 0Elektronische Energie -80 eV

1sB1s?

1H 1H 2He

+Gesamtspin 1Elektronische Energie -59 eV

1sB2sB

Abbildung 3.19: Energiedifferenz und PauliPrinzip.

Die Stärke dieser effektiven Kraft kann man ab-schätzen, wenn man die elektronischen Zuständeim Helium gedanklich aus Zuständen des Wasser-stoffatoms zusammensetzt: Zwei Elektronen mit

parallelem Spin können nicht gleichzeitig im 1sZustand befinden; eines wird deshalb in den 2sZustand angeregt. Dafür wird eine Energie von21 eV benötigt. Die effektive Energie der Pauli-Abstoßung beträgt somit mindestens 21 eV.

In ionischen Kristallen kann man die Gleichge-wichtsabstände in guter Näherung bestimmen,wenn man die Ionen als (beinahe) harte Ku-geln betrachtet und jeder Ionensorte einen ent-sprechenden Ionenradius zuordnet. Die Abstän-de werden dann durch die Bedingung bestimmt,dass sich die Ionen gerade berühren. In Tabelle3.3 sind Ionenradien für Edelgaskonfigurationen(gefüllte Schalen) gezeigt. Für andere Ladungs-zustände findet man andere Radien. Je höher diepositive Ladung eines Atoms, desto kleiner istder Ionenradius. Die positiven Ionen (Na+) sindjeweils etwas kleiner als die entsprechenden neu-tralen Atome, die negativen (Cl�) etwas größer.

Abbildung 3.20: Grafische Darstellung einigerIonenradien.

Abb. 3.20 stellt einige Ionenradien graphisch dar.

65

Page 13: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

Einheit : Å

Tabelle 3.3: Atom- und Ionenradien der Elemente.

3.2.7 Van der Waals Bindung

Atome oder Moleküle können aber auch eine bin-dende Wechselwirkung eingehen, bei der keineElektronen transferiert werden. Dies geschiehtimmer dann, wenn die Bausteine schon gefüllteElektronenschalen aufweisen, sodass keine Elek-tronen zur Verfügung stehen, welche geteilt wer-den könnten und dadurch eine Bindung erzeugenkönnten. Von den Elementen gehören die Edel-gasatome in diese Klasse, aber auch Molekülekristallisieren auf diese Weise. In einem Kristall,der durch van der Waals-Wechselwirkung zusam-mengehalten wird, ist die Struktur und die elek-tronische Verteilung der Bestandteile sehr ähn-lich zu derjenigen der freien Bestandteile. Diesist ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen

Bindungstypen.

Diese Art der Wechselwirkungen tritt auch inrealen (van der Waals-) Gasen auf und wirdals van der Waals Wechselwirkung, London-Wechselwirkung oder induzierte Dipol-DipolWechselwirkung bezeichnet. Sie kann so verstan-den werden, dass die beiden Atome gegenseitigDipole induzieren, welche sich anziehen. Aller-dings handelt es sich nicht um statische Dipole,der Kristall besitzt kein globales Dipolmoment.In einem klassischen Bild (das notwendigerweiseunvollständig ist) müssten die Atome oszillieren-de Dipolmomente besitzen. Wenn diese in Phaseoszillieren, stellt sich insgesamt eine anziehendeWechselwirkung ein.

Um zu verstehen, wie die van der Waals Wech-selwirkung zustande kommt, betrachten wir ein

66

Page 14: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

x� x�

R

Abbildung 3.21: Schwingung benachbarter Ato-me.

einfaches elektrostatisches Modell. Zwei Atomebestehen aus jeweils einem Kern und einer Elek-tronenhülle, die sich gegenüber dem Kern ver-schieben kann. Die elektrostatische Anziehungzwischen Kern und Elektronenhülle stellt einerücktreibende Kraft dar, welche zu einer oszil-latorischen Bewegung führt. Der entsprechendeHamiltonoperator für ein einzelnes Atom ist so-mit

H =1

2mp2

+C

2x2.

Die Oszillationsfrequenz entspricht einer opti-schen Resonanz mit Frequenz

!0 =

rC

m.

Der Abstand zwischen den beiden Atomkernensei R, die Auslenkungen der Elektronenhülle ausder Ruhelage seien x1 und x2 und die zugehöri-gen Impulse p1 und p2. In guter Näherung kön-nen die Positionen der Kerne als konstant be-trachtet werden.Ohne die Wechselwirkung zwischen den Atomenist der Hamiltonoperator dieses Systems

H0 =1

2mp21 +

C

2x2

1 +1

2mp22 +

C

2x2

2,

wobei pi die zur Auslenkung xi konjugierten Im-pulse darstellen. Die Kraftkonstante ergibt sichaus der Resonanzfrequenz als C = m!2

0, wobeim die reduzierte Masse (~Elektronenmasse) dar-stellt. Die zusätzliche Coulomb Wechselwirkungzwischen den beiden Systemen ist

H1 =q2

4⇡✏0

1

R+

1

R � x1 + x2�

1

R � x1

�1

R + x2

�,

wobei wir angenommen haben, dass die Ladungdes Kerns +q und diejenige der Elektronenhülle–q sei. Hier stellen die beiden ersten (positiven)Terme die Abstoßung zwischen den Kernen undzwischen den Elektronen dar, die beiden nega-tiven Terme die Anziehung zwischen der Elek-tronenhülle des einen Atoms und dem Kern desandern Atoms dar.

Für kleine Auslenkungen, x1, x2 ⌧ R kann die-ser Ausdruck entwickelt werden. Wir schreibendafür

H1 =q2

4⇡✏0R

✓1 +

1

1 �x1R

+x2R

�1

1 �x1R

�1

1 +x2R

◆.

Entwickelt man die Brüche in erster Ordnung in✏ = x/R, d.h. für 1/(1+ ✏) ⇡ 1� ✏, verschwindetder Ausdruck in der Klammer:

1+

⇣1 +

x1

R�

x2

R

⌘�

⇣1 +

x1

R

⌘�

⇣1 �

x2

R

⌘= 0.

In zweiter Ordnung, d.h. mit

1

1 + ✏⇡ 1 � ✏ + ✏2

erhält man

H1 ⇡q2

4⇡✏0R

1

R2

⇥(x1 � x2)

2� x2

1 � x22

= �q2

2⇡✏0

x1x2

R3.

Offenbar ist der Kopplungsterm proportionalzum Produkt der beiden Auslenkungen, d.h. erwird maximal wenn beide Elektronenhüllen indie gleiche Richtung verschoben sind.

3.2.8 Gekoppeltes System

Der gesamte Hamiltonoperator ist die Summe

H = H0 + H1.

des ungestörten Systems H0 und des Kopplungs-terms H1. Auf Grund der Symmetrie des Sy-stems kann der Operator durch Verwendung von

67

Page 15: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

symmetrieangepasste Koordinaten diagonalisiertwerden:

xs =1

p2(x1 + x2) xa =

1p

2(x1 � x2)

und damit

x1 =1

p2(xs + xa) x2 =

1p

2(xs � xa),

wobei s und a für symmetrische und antisymme-trische Linearkombination stehen.

In diesen Koordinaten ist die potenzielle Energievon H0

Hpot =C

2(x2

1 + x22) =

C

2(x2

s + x2a)

und der Kopplungsoperator

H1 = �q2

2⇡✏0R3x1x2 = �

q2

4⇡✏0R3(x2

s � x2a).

Analog definieren wir für die Impulse der beidenElektronenhüllen:

ps =1

p2(p1 + p2) pa =

1p

2(p1 � p2)

und damit

p1 =1

p2(ps + pa) p2 =

1p

2(ps � pa).

Die kinetische Energie wird somit

Hkin =1

2m(p2

1 + p22) =

1

2m(p2

s + p2a).

In den symmetrieangepassten Koordinaten istder gesamte Hamiltonoperator

H = H0 + H1 =

=

1

2mp2s +

1

2

✓C �

q2

2⇡✏0R3

◆x2s

+

1

2mp2a +

1

2

✓C +

q2

2⇡✏0R3

◆x2a

�.

Offenbar entspricht das einem System von 2 un-abhängigen Normalschwingungen, mit den kon-jugierten Koordinaten pS , qs und pa, qa.

Die beiden unabhängigen Schwingungen habendie Frequenzen

!s,a =

sC

m

✓1 ⌥

q2

2⇡✏0R3C

◆.

Mit Hilfe der Taylor-Reihe

p1 ± x = 1 ±

x

2�

x2

8+ . . .

und x = q2/(2⇡✏0R3C) können die beiden Fre-quenzen für x ⌧ 1 entwickelt werden:

!s,a ⇡ !0

"1 ⌥

1

2

q2

2⇡✏0R3C�

1

8

✓q2

2⇡✏0R3C

◆2

+ . . .

#.

Ener

gie

!0

R → ∞

Aufspaltung

1. Ordnung 2. Ordnung

Verschiebung

Abbildung 3.22: Aufspaltung und Verschiebungder Schwingungsfrequenzendurch die Kopplung.

Offenbar sind die Frequenzen der beiden Eigen-moden leicht verschoben. Die Verschiebung er-ster Ordnung ist für die beiden Frequenzen ent-gegengesetzt, die Verschiebung zweiter Ordnungist für beide zu kleineren Frequenzen.

Im Schwingungsgrundzustand besitzt das Ge-samtsystem die Energie

~2(!s + !a).

Diese ist etwas geringer als die Grundzustand-senergie ~!0 der beiden getrennten Atome. DieDifferenz beträgt

�U = �~!01

8

✓q2

2⇡✏0R3C

◆2

= �A

R6.

Da die Energie abnimmt wenn der Abstand zwi-schen den Atomen kleiner wird, entspricht dieseiner anziehenden Wechselwirkung. Ihr Betragist indirekt proportional zur sechsten Potenz des

68

Page 16: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

Abstandes. Da es sich um eine Änderung derNullpunktenergie handelt, sollte dieser induzier-te Dipol nicht als schwingender Dipol verstandenwerden. Offensichtlich verschwindet die Wechsel-wirkung im statischen Grenzfall, wo !0 ! 0, wieauch im klassischen Grenzfall (~ ! 0).

Die Wechselwirkung kann in gewisser Näherungauch klassisch diskutiert werden, als Wechselwir-kung zwischen zwei gekoppelten schwingendenDipolen. Da die Stärke eines Dipole mit der drit-ten Potenz des Abstands abnimmt, nimmt dieWechselwirkung zwischen den beiden mit demProdukt der Dipole, also mit der sechsten Po-tenz ab.

3.2.9 Lennard-Jones Potenzial

Wenn sich die Elektronendichteverteilungenzweier identischer Atome mit gefüllten Elektro-nenschalen überlappen, muss eines der beidenElektronen in ein höher gelegenes Orbital aus-weichen. Weil dafür eine hohe Energie aufge-bracht werden muss, entspricht dies einer star-ken abstoßenden Wechselwirkung. Empirisch hatman für Edelgase ein Potenzial gefunden, das et-wa mit R12 von der Distanz R abhängt.

Das gesamte Potenzial für die Wechselwirkungzwischen zwei Atomen kann damit geschriebenwerden als

U(R) = 4✏

⇣ �

R

⌘12�

⇣ �

R

⌘6�

.

Dieses Potenzial ist als Lennard-Jones Potenzialbekannt. Abb. 3.23 zeigt die beiden Terme unddie Gesamtenergie. Die genaue Form sollte nichtals Naturgesetz betrachtet werden. Sie bildet je-doch die folgenden wichtigen Punkte an:

• Bei großen Abständen ist die Energie pro-portional zu R�6.

• Bei kurzen Distanzen ist das Potenzial starkabstoßend.

• Der Parameter � bestimmt die Distanz beider das Potenzial zwischen anziehend undabstoßend wechselt, während ✏ die Stärke

-1

0

1

1.81.61.0 1.2 1.4 R/�

U

⇣ �

R

⌘6

⇣ �

R

⌘12

Abbildung 3.23: Abstandsabhängigkeit derEnergien im Lennard-JonesPotenzial.

der Wechselwirkung skaliert. Beide Parame-ter können in der Gasphase gemessen wer-den.

Die folgende Tabelle zeigt diese Parameter fürdie Edelgaskristalle

Ne Ar Kr Xe✏[meV] 3,1 10,4 14,0 20,0�[Å] 2,74 3,4 3,65 3,98

Die Zunahme der Bindungsenergie mit der Mas-se der Atome ist auf die höhere Polarisierbarkeitbei einer größeren Zahl von Elektronen zurück-zuführen.

Verschiedene Materialparameter hängen direktvon diesen Parametern ab, wie z.B. die Bin-dungsenergie, der Abstand zwischen nächstenNachbarn, oder der Schmelzpunkt:

Ne Ar Kr XeAbstand [Å] 3,13 3,76 4,01 4,35

Bindungsen. [ eVAtom ] 0,02 0,08 0,12 0,17

Schmelzpunkt [K] 24 84 117 161

Der Bindungsabstand liegt dabei immer etwa 10% über dem Wert von �. Dies liegt daran, dass� den Nulldurchgang des Potenzials angibt, das

69

Page 17: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

Minimum liegt etwa 12,5 % höher. Die Bindungs-energie liegt bei ⇡ 8✏: jedes Atom hat mehrereNachbarn, im Festkörper tragen alle Paarwech-selwirkungen zur Gesamtenergie bei. Dies wirdin Kapitel 3.3 diskutiert.

3.2.10 Metallische Bindung

19+18-

19+18-

19+18-

19+18-

19+18-

19+18-

19+18-

19+18-

Abbildung 3.24: Schematische Darstellung vonAtomrümpfen mit Edelgaskon-figuration und delokalisiertenValenzelektronen für die metal-lische Bindung am Beispiel vonKalium.

In Metallen sind die Valenzelektronen weitge-hend delokalisiert und können sich frei durch dengesamten Kristall bewegen; dies wird in Kapitel 5und 6 genauer diskutiert. Typische Metalle zei-gen deshalb eine hohe elektrische Leitfähigkeit.Die Bindung kann im Wesentlichen so verstan-den werden, dass die Delokalisierung der Elek-tronen ihre kinetische Energie erniedrigt. DieBindung ist, im Gegensatz zur kovalenten Bin-dung, nicht gerichtet, so dass die Metalle häufigin dichtester Kugelpackung kristallisieren. Abb.3.24 zeigt als typisches Beispiel eine schematischeDarstellung der Verhältnisse in metallischem Ka-lium. Die Atomrümpfe bestehen aus einem Kernmit Kernladungszahl Z = 19 sowie 18 Valenz-elektronen, welche die 1s, 2s, 2p, 3s und 3p Scha-len auffüllen. Das Valenzelektron in der 4s Schaleist im Festkörper delokalisiert.

Die metallische Bindung ist schwächer als die ko-valente oder ionische Bindung. Alkalimetalle ha-ben deshalb einen relativ niedrigen Schmelz- undSiedepunkt, da hier lediglich die metallische Bin-dung eine Rolle spielt. Die Abstände zwischenden Atomen sind in metallischem Natrium deut-lich größer als sie z.B. im Na2-Molekül sind, wel-

ches in der Gasphase vorkommt. Bei den Über-gangsmetallen hingegen tragen auch die nur teil-weise gefüllten d-Orbitale zur Bindung bei. De-ren Beitrag ist eher kovalenter Natur und er-gibt deshalb eine sehr viel stärkere Bindung unddementsprechend höhere Schmelzpunkte. Die Ei-genschaften von Materialien mit delokalisiertenElektronen, wie Metalle und Halbleiter werden inden Kapiteln 5-7 im Detail diskutiert; hier wirddeshalb nicht darauf eingegangen.

3.2.11 Kombinierte Bindungen

Die hier diskutierte Klassifizierung von Bin-dungstypen ist hilfreich. Wirkliche Materialienlassen sich aber selten exakt einer dieser Kate-gorien zuordnen. Stattdessen tragen im allgemei-nen unterschiedliche Bindungsarten bei, wie dasBeispiel der Übergangsmetalle zeigt: hier spie-len kovalente wie auch metallische Bindung eineRolle.

Δ (Elektronegativität) = XA-XB

% io

nisc

her C

hara

kter

IBrHBr HCl

HFLiI

LBr

KIKBr

NaCl

KCl

CsCl

LiFKF

CsF

0

25

50

75

100

Abbildung 3.25: Elektronegativität und ioni-scher Charakter.

Auch zwischen kovalenter und ionischer Bindungfindet man alle Übergangsformen. So kann manbei binären Verbindungen einen kontinuierlichenÜbergang von kovalenter zu ionischer Bindungbeobachten. Der relevante Parameter ist die Dif-ferenz der Elektronegativitäten der beiden Part-ner. Elemente wie z.B. Si, Ge sind naturgemäßnicht ionisch gebunden, aber Alkalihalogenidesind praktisch ideale ionische Verbindungen. AlsBeispiel ist RbF 96% ionisch.

70

Page 18: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

Metallische Ionen- Bindung bindung

Metallische Kovalente Bindung Bindung

Ionen- bindung

Kovalente Bindung

Abbildung 3.26: Übergang zwischen unter-schiedlichen Bindungstypen.

Genau so gibt es Übergangsformen zwischen me-tallischer und kovalenter Bindung, zwischen me-tallischer und ionischer Bindung und zwischenionischer und kovalenter Bindung, Abb. 3.26zeigt einige Verbindungen, welche in die entspre-chenden Übergänge eingeordnet werden können.

Eine experimentelle Bestimmung des Bindungs-charakters kann z.B. über Röntgenbeugung er-folgen: die Stärke der Reflexe liefert den Atom-formfaktor f . Im Grenzfall f( ~G ! 0) stellt dieserdie Zahl der Elektronen am betreffenden Atomdar.

Ein Beispiel dafür ist GaAs, welches in der ZnS-Struktur kristallisiert. Die Ordnungszahlen derbeiden Elemente sind Z = 31 für Ga und Z = 33

für As. Für eine ionische Verbindung, bei derGa� und As+ gebildet werden, besitzen beideIonen die gleiche Elektronenzahl, fGa = fAs.Damit sollte der (200) Reflex des Zinkblende-Gitters verschwinden. Experimentell wird aberein (200) Reflex gefunden. Aus dessen Stärkekann der Grad des ionischen Charakters be-stimmt werden.

3.2.12 Wasserstoffbrücken

Wasserstoffatome zeigen bei bestimmten Verbin-dungen eine besondere Art von Bindungen. Mitseinem einzelnen Elektron kann es nicht nur mit

einem Partner eine kovalente Bindung eingehen.Statt dessen geht es eine sehr stark polare Bin-dung ein, bei der das Elektron größtenteils anden stärker elektronegativen Partner (F, O oderN) abgegeben wird, während das verbleibendeProton sich gleichzeitig an ein weiteres Atombindet, welches ein freies Elektronenpaar aus-weist. Diese Art der Bindung wird als Wasser-stoffbrücke bezeichnet. Wasserstoffkerne (=Pro-tonen) können solche Bindungen leichter einge-hen als andere Kerne, da ihr geringes Gewicht siebeweglicher macht und da sie keine Rumpfelek-tronen besitzen.

Abbildung 3.27: Wasserstoffbrücken in Eis.

H-Brücken sind sehr wichtig für die besondereStruktur von Eis oder die hohe Verdampfungs-wärme von Wasser. Die Wasserstoffbrücken füh-ren dazu, dass ein Sauerstoff tetraedrisch vonvier Wasserstoffatomen umgeben ist, wobei zweider Bindungen lang sind (=H-Brücken), zweikurz (=kovalent). Die Wasserstoffatome befindensich in einem (meist asymmetrischen) Doppel-minimumpotenzial und können leicht von einemzum anderen Sauerstoff wechseln. Wasserstoff-brücken werden dann gebildet, wenn der Wasser-stoff an einen Sauerstoff oder einen Stickstoff ge-bunden ist und sich ein weiteres Sauerstoff oderStickstoffatom mit einem freien Elektronenpaarin der Nähe befindet.

Die Wasserstoffbrücken sind auch für die hohenSchmelz- und Siedepunkte von Wasser verant-wortlich: Bei einem Molekulargewicht von 18 sie-det Wasser bei +100

�C. Als Vergleich kann manNeon betrachten, welches ein Atomgewicht von20 aufweist und bei �246

�C verdampft.

Wasserstoffbrücken spielen aber auch in der Bio-

71

Page 19: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

Guanin

Cytosin

AdeninThymin

2 B

indu

ngen

Basen paaren sich über H-Brücken

3 B

indu

ngen

Abbildung 3.28: Wasserstoffbrücken in DNAMolekülen.

logie eine große Rolle. So werden z.B. die bei-den Stränge des DNS-Moleküls durch Wasser-stoffbrücken zusammengehalten. Das BasenpaarGuanin/Cytosin kann 3 Wasserstoffbrücken bil-den, das Basenpaar Adenin/Thymin nur zwei.Dies ist ein wesentlicher Grund für die Ausbil-dung der Paare. Auch bei der Proteinfaltungspielen Wasserstoffbrücken eine wichtige Rolle.

3.3 Gitterenergie

Die Abschnitte 3.1 und 3.2 behandeln Paar-Wechselwirkungen, also Wechselwirkungen zwi-schen Paaren von Atomen, Ionen oder Mole-külen. Die Struktur eines Kristalls wird jedochnicht nur durch die Paar-Wechselwirkung be-stimmt, sondern durch die Minimierung der Ge-samtenergie des Systems. Man muss deshalbnicht nur einzelne Paare betrachten, sondernauch das gesamte Gitter. Zum Glück findet man,dass sich die Eigenschaften des Gitters in vielenFällen auf die Paarwechselwirkungen zurückfüh-ren lassen. Dies gilt insbesondere bei der van derWaals und bei der ionischen Bindung. Diese bei-den werden im Folgenden diskutiert.

Bei Metallen kann man die Gitterenergie nicht inPaarwechselwirkungen zerlegen. Sie werden des-halb hier nicht diskutiert. Ebenfalls nicht dis-kutiert werden hier kovalent gebundene Kristal-

le. Deren Gitterenergie ist vom Betrag her ver-gleichbar mit derjenigen von ionischen Kristal-len. Während die ionischen Kristalle möglichstdicht gepackt sind, findet man bei kovalentenKristallen offenere Strukturen, damit die aus-geprägte Richtungsabhängigkeit der kovalentenBindung befriedigt werden kann.

3.3.1 Van der Waals

Die Gitterenergie erhält man dementsprechend,indem man über alle möglichen Paarwechselwir-kungen summiert. Im Falle der van der WaalsMoleküle fällt die Stärke der Wechselwirkung

Uij(R) = 4✏

⇣ �

R

⌘12�

⇣ �

R

⌘6�

mit der sechsten Potenz des Abstandes ab, so-dass fast nur die Wechselwirkung zwischen näch-sten Nachbarn eine Rolle spielt.

a

Abbildung 3.29: Nächste Nachbarn im fcc Git-ter.

Wir betrachten als Beispiel die fcc Struktur. Hierbesitzt jedes Atom 12 nächste Nachbarn im Ab-stand a/

p2. Von der Stelle (0, 0, 0) aus sind dies

die Positionen (±1/2, ±1/2, 0), (±1/2, 0, ±1/2),(0, ±1/2, ±1/2). In der zweiten Schale mit Ab-stand a befinden sich 6 Nachbarn an den Posi-tionen (±100) , (0, ±1, 0), (0, 0, ±1).

Für die Berechnung der Gitterenergie schreibenwir für Rij = pijR, so dass pij den Abstand inEinheiten des Abstandes R zwischen nächstenNachbarn darstellt. Für die nächsten Nachbarn

72

Page 20: 3BindungenimFestkörper - TU Dortmund

3 Bindungen im Festkörper

im fcc-Gitter ist damit die anziehende Wechsel-wirkungsenergie

U /12

R6

und für die zweitnächsten Nachbarn/ 6/(

p2R)

6= 6/(8R6

). Eine Summierungüber alle Paarwechselwirkungen ergibt für dieseStruktur

X

j

1

R6ij

=1

R6

X

j

1

p6ij

=1

R6

12 +

6

8+

24

27+

12

16+

8

216

+48

343+

6

512+ . . .

⇡1

R614, 45.

Analog erhält man für den abstoßenden Term

X

j

1

R12ij

=1

R12

12 +

6

64+ . . .

�⇡

1

R1212, 13.

Bei der abstoßenden Wechselwirkung spielen so-mit praktisch nur die nächsten Nachbarn eineRolle, während bei der anziehenden Wechselwir-kung auch etwas entferntere Schalen eine Rollespielen. Die Gesamtenergie wird damit

U(R) =1

2

X

ij

Uij(Rij)

⇡ 2N✏

12, 13

⇣ �

R

⌘12� 14, 45

⇣ �

R

⌘6�

,

wobei N die Anzahl der Gitteratome darstellt.

Wie in Abb. 3.30 gezeigt, verhält sich dieGitterenergie als Funktion des Abstandes zwi-schen nächsten Nachbarn qualitativ identisch zurPaar-Wechselwirkung. Allerdings sind die Ach-sen durch die Gittersumme umskaliert und dasMinimum leicht verschoben worden.

Typische Werte für die beiden Parameter sind inTabelle 3.4 zusammengefasst.

1,0 1,5 2,0 2,5R/�

6

4

2

0

-2

-4

Gitt

eren

ergi

e /2

N✏

Gleichgewichts-abstand ~1,09 σ

�8,6N�Bindungsenergie

Abbildung 3.30: Gitterenergie als Funktion desAbstandes.

He Ne Ar Kr Xe✏ [10

�23J] 14 50 167 225 320� [Å] 2,56 2,74 3,4 3,65 3,98

Tabelle 3.4: Parameter des Lennard-Jones Po-tenzials für die Edelgase.

3.3.2 Gleichgewichtsabstand

Die Energie des Gesamtsystems geht definitions-gemäß für große Abstände gegen 0. Für KleineAbstände steigt die Energie sehr stark an. Da-zwischen liegt ein Energieminimum, welches demGleichgewichtszustand entspricht. Der entspre-chende Abstand ist der GleichgewichtsabstandR0. Man kann ihn aus der Minimierung der Git-terenergie bezüglich des Abstandes berechnen:

dU

dR

����R0

= 0

= �2N✏

12 · 12, 13

�12

R130

� 6 · 14, 45�6

R70

oder

145, 56�6= 86, 7 R6

0.

Daraus folgt, dass der GleichgewichtsabstandR0 = 1, 09 � sein sollte. Da sich der Parame-ter � aus Messungen in der Gasphase bestim-men lässt, kann diese Vorhersage experimentell

73

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3 Bindungen im Festkörper

überprüft werden. Tatsächlich liegen die Gitter-konstanten für alle Edelgase im Bereich von 1.09.. 1.14 �.

Indem man diesen Gleichgewichtsabstand in dasPotenzial einsetzt, erhält man die Bindungsener-gie U = �8, 6 N✏. Die Energieskala ✏ kann manwiederum aus Messdaten der Gasphase entneh-men, aber auch aus Messungen am Festkörper,z.B. über die Kompressibilität

= �1

V

@V

@p.

Dabei ändert sich die Energie bei einer Volumen-änderung um

dU = �pdV.

Daraus folgt

@p

@V= �

@2U

@V 2

und

1

= V

@2U

@V 2.

Bei dieser Rechnung ist die Nullpunkt-Energieder Atome noch nicht berücksichtigt, welche ins-besondere bei den leichten Atomen eine signifi-kante Reduktion der Bindungsenergie von bis zu28% ergibt.

Tabelle 3.5: Gitterkonstante r0, Gitterenergie u0

und Kompressibilität B0 für Edel-gaskristalle.

Tabelle 3.5 vergleicht die theoretischen mit denexperimentellen Werten. Man findet eine gu-te Übereinstimmung, trotz des sehr einfachenModells. Für die leichteren Edelgase muss die

hier vernachlässigte Nullpunkt-Energie berück-sichtigt werden. Wegen der dann größeren kine-tischen Energie wird der experimentell ermittelteRadius größer und die Bindung schwächer, d.h.|u0,theo| > |u0,exp|

Die Bindungsenergie nimmt für schwerere Edel-gaskristalle zu: Die größere Zahl von Elektronenbedingt eine höhere Polarisierbarkeit und damiteine höhere Wechselwirkungsstärke.

Helium bleibt aufgrund quantenmechanischerNullpunkt-Schwingungen (ca. 30 - 40% des mitt-leren Abstands zum nächsten Nachbarn) unterNormalbedingungen auch bis zu tiefsten Tempe-raturen flüssig. Es kristallisiert aber unter Druck(4He: 2,5 MPa, d.h. 25 bar; 3He: 33 bar).

3.3.3 Ionische Bindung

Im Falle der ionischen Bindung gehen wir ausvon der Paarwechselwirkung

Uij = �e�pijR/⇢+

1

4⇡✏0

qiqjpijR

. (3.5)

Der abstoßende Term wird als Born-Mayer-Potential oder Buckingham-Potential bezeichnetund enthält die empirischen Parameter r und l.Es hat den Nachteil, dass es für r ! 0 end-lich bleibt, während der Coulomb-Term dort zu! �1 geht. Somit würde das globale Minimumbei r = 0 liegen. Dies kann vermieden werden,wenn man statt dessen ein Born-Potenzial derArt

Uij,Born / r�n

ij

mit z.B. n = 10 verwendet. Den Exponentenn kann man im Einzelfall experimentell bestim-men, indem man Druck an die Probe anlegt unddie Kompressibilität

=1

V

✓@V

@p

T

misst: Je “weicher” das Potential, d.h. umso klei-ner n ist, desto kompressibler ist der Kristall.

Da der Abstoßungsterm exponentiell oder mit ei-ner hohen Potenz mit der Distanz abfällt, kann er

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3 Bindungen im Festkörper

für alle Paare außer den nächsten Nachbarn ver-nachlässigt werden. Dieser Teil der Gittersummewird damit für ein Ion in einem Born-Mayer Po-tenzial

U = z�e�R/⇢,

wobei z die Zahl der nächsten Nachbarn be-schreibt.

Beim Coulomb Term schreiben wir die Summeals

UC = �1

4⇡✏0

↵e2

R,

wobei die Madelung-Konstante1

↵ = �

X

j

q0iq0j

pij

eine Summe über alle Atome des Gitters dar-stellt. q0

i,j= qi,j/e sind jetzt die Ladungen in

Einheiten der Elementarladung. Die MadelungKonstante hängt nur von den relativen Koor-dinaten pij ab und kann deshalb für einen be-stimmten Gittertyp berechnet werden, unabhän-gig davon, durch welche Atome dieses Gitter ge-bildet wird und wie groß der Gleichgewichtsab-stand ist. Unterschiedliche Substanzen, welcheim gleichen Gittertyp kristallisieren, besitzen so-mit die gleiche Madelung-Konstante. Die Unter-schiede in der Gitterenergie sind (in dieser Nähe-rung) lediglich auf die unterschiedlichen Abstän-de R zurückzuführen. Die Größenordnung lässtsich abschätzen aus

1

4⇡✏0

e2

1 A⇡ 14, 3 eV,

also für einen Abstand zwischen nächsten Nach-barn von 1 A.

Die Gitterkonstante a, resp. der Abstand R zwi-schen nächsten Nachbarn wird bestimmt durchdie Minimierung der Energie bezüglich R. DerGleichgewichtsabstand R0 ergibt das Minimum

1Nach Erwin Rudolf Madelung (1881 - 1972).

der potenziellen Energie. Für Ionen mit Ladungq0i= ±e ergibt die Ableitung von Gleichung (3.5)

@U

@R

����R0

= 0 = �z�e�R0/⇢

⇢+ ↵

1

4⇡✏0

e2

R20

oder

z�4⇡✏0R20e

�R0/⇢ = ⇢↵e2.

Daraus kann man den exponentiellen Term ausder Abstoßungsenergie ausrechnen:

z�e�R0/⇢ =⇢↵e2

4⇡✏0R20

= �UC

R0.

Damit wird die Gesamtenergie:

Utot = �N↵e2

4⇡✏0R0(1 �

R0).

Die Energie ist somit proportional zurMadelung-Konstante, und diese muss posi-tiv sein, damit das Gitter stabil ist.

3.3.4 Berechnung derMadelung-Konstanten

+ - + - + -

a=R

Abbildung 3.31: Berechnung der Madelung-Konstanten.

Im eindimensionalen Fall kann die Madelung-Konstante relativ einfach berechnet werden. Wirsummieren über eine alternierende Kette mitkonstantem Abstand und erhalten

↵ = 2(1 �1

2+

1

3�

1

4. . . ).

Für die Berechnung der Summe kann man dieReihenentwicklung

ln(1 + x) = x �x2

2+

x3

3�

x4

4+ . . .

verwenden und erhält

↵ = 2 ln 2.

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3 Bindungen im Festkörper

Abbildung 3.32: Das NaCl Gitter.

In drei Dimensionen ist die analytische Berech-nung der Summe im Allgemeinen sehr aufwän-dig. Wir betrachten als Beispiel zunächst dasNatriumchlorid (! Abb. 3.32). Man verwendetentweder ein Na+ oder ein Cl�-Ion als Refe-renz. Jedes Na+ Ion ist von 6 Cl� Ionen in ok-taedrischer Anordnung umgeben, wobei der Ab-stand R die Hälfte der Gitterkonstante a beträgt,R = a/2. Diese tragen somit einen Beitrag 6 zurMadelung-Konstante bei.

Schale ±pij # Nachbarn Yi1pij

1 +1 6 62 - 2 12 -2.493 + 3 8 2.134 -2 6 -0.875 + 5 24 9.876 - 6 24 0.077 - 8 12 -4.178 +3 30 5.83

Abbildung 3.33: Beiträge der Schalen zur Made-lung-Konstanten.

Die zweitnächsten Nachbarn sind wieder Na+ Io-nen: 12 von ihnen sitzen im

p2-fachen Abstand.

Bis zu dieser Koordinationshülle gerechnet ist dieMadelung-Konstante deshalb 6-12/

p2 ⇡ �2, 49.

Die nächsten beiden Hüllen bestehen aus 8 Cl�Ionen im Abstand

p3 und 6 Na Ionen im Ab-

stand 2. Abb. 3.33 zeigt die Beiträge der wei-teren Schalen. Die Konvergenz ist offenbar sehr

langsam.

3.3.5 Effizientere Algorithmen

1.8

1.75

1.7

1.65

1.6

1.7476

# Ionenpaare10000 20000

Abbildung 3.34: Konvergenz bei der Berechnungder Madelung-Konstanten.

Eine etwas bessere Konvergenz erhält man durchAufsummieren über die Beiträge von entgegen-gesetzten Ionenpaaren. Auch hier muss man je-doch über viele Tausend Ionenpaare summieren,bis die Schwankungen gering werden, wie in Abb.3.34 gezeigt. Generell sind die Abweichungen beider Berechnung von Energien endlicher Kristal-le physikalisch leicht interpretierbar: sie entspre-chen der Energie von Oberflächenladungen, re-spektive der Feldenergie.

CsCl NaCl

Abbildung 3.35: Evjen-Zellen für die Gitter vonCsCl und NaCl.

Diese Technik kann man verfeinern und anstellevon Ionenpaaren andere neutrale Einheiten auf-summieren, welche die Oberflächenladungen ver-kleinern. Der Vorteil bei der Verwendung vonneutralen Einheiten liegt darin, dass deren Po-tenzial eine kürzere Reichweite hat, also mit ei-ner höheren Potenz des Abstands abfällt. Da-durch wird die Konvergenz schneller. Ein Bei-

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3 Bindungen im Festkörper

spiel sind sogenannte. Evjen-Zellen. Die in Abb.3.35 gezeigten Aufteilungen für das CsCl- unddas NaCl-Gitter liefern eine r�5-Abhängigkeit.

Eine weitere Methode ist diejenige von Ewald,bei der man kurzreichweitige Beiträge im direk-ten Raum aufsummiert, langreichweitige im rezi-proken Raum. Dort erscheinen langreichweitige,d.h. langsam variierende Beiträge, in der Nähedes Ursprungs, so dass die Integrationsgrenzeneng gesetzt werden können.

Für unterschiedliche Gittertypen erhält man dieWerte

NaCl ZnS CsCl CaF2

1,7476 1,6381 1,7627 5,0388.

3.3.6 Metalle

Die Eigenschaften von Materialien mit deloka-lisierten Elektronen, wie Metalle und Halbleiterwerden in den Kapiteln 5-7 im Detail diskutiert.Hier sollen nur der Einfluss des Bindungstyps aufdie Struktur kurz angesprochen werden.

Li Na K Cu Ag Au Ionendurchmesser (Å) 1,20 1,90 2,66 1,92 2,52 2,74 Nächster-Nachbar-Abstand (Å) 3,02 3,66 4,52 2,56 2,90 2,88 Bindungsenergie (eV/Atom) 1,63 1,11 0,93 3,49 2,95 3,81 Kristallstruktur bcc bcc bcc fcc fcc fcc

Tabelle 3.6: Abstände, Bindungsenergien undKristallstruktur einiger elementarerMetalle.

Tabelle 3.6 zeigt die wichtigsten Strukturpara-meter und Bindungsenergien einiger elementarerMetalle. Es fällt auf, dass sich die Ionenrümpfeder Alkalimetalle nicht direkt berühren. Die Bin-dung durch die Valenzelektronen ist somit relativlocker. Bei den Edelmetallen Ag und Au hinge-gen liegen die Werte der Rumpfdurchmesser unddie Abstände relativ nah beieinander, die Bin-dungsenergie ist deutlich höher und die Kristall-struktur ist eine andere. Hier wird die metallischeBindung auch durch kovalente Anteile zwischenden d-Elektronen verstärkt.

Die Tatsache, dass die Valenzelektronen nichtnur mit einem Nachbarn Bindungen eingehen,

12 6 24

8 6 12

r1 r2 r3

Koordination für die

fcc

bcc

Struktur

0 1 2 30

1

2|R(r)|2

r [Å]

Abbildung 3.36: Elektronendichte des 2s Orbi-tals von Li als Funktion des Ab-stands.

hängt damit zusammen, dass die Aufenthalts-wahrscheinlichkeit der äußeren Valenzelektronennoch eine relativ große Amplitude bei den näch-sten, übernächsten und dritten Nachbarn haben.Abb. 3.36 zeigt dies für den Fall von Li. Hier fälltinsbesondere auch in der bcc-Struktur die zweiteSchale noch in einen Bereich sehr hoher Elektro-nendichte. Sie ist deshalb bevorzugt.

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