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Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Juli/August 2005 Herausgeber: Landesnotarkammer Bayern Ottostraße 10 80333 München Herausgeberbeirat: Dr. Hermann Amann, Notar in Berchtesgaden Dr. Johann Frank, Notar in Amberg Prof. Dr. Reinhold Geimer, Notar in München Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Notar in Regen Prof. Dr. Dieter Mayer, Notar in München Prof. Dr. Wolfgang Reimann, Notar in Passau Schriftleitung: Andrea Lichtenwimmer, Notarassessorin Dr. Martin T. Schwab, Notarassessor ISSN 0941-4193 Aufsätze Reul: Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden 265 Fischer: EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis 273 Gottwald/Steer: Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers? 278 Grziwotz: Doppelverwertungsverbot im Scheidungs- folgenrecht 284 J. Mayer: Behindertentestament und Pflichtteils- strafklauseln 286 Krafka: Das neue Handels- und Unternehmensregister 290 Krafka: Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes 293 Tagungsbericht Der Notar als Teil der europäischen Justizpolitik – Europäische Notarentage am 14./15.4.2005 in Salzburg (Schill) 295 Rechtsprechung Angemessenheit von Bindungsfristen in notariell beurkundeten Angeboten (OLG Dresden, Urteil vom 26.6.2003, 19 U 512/03) 300 mit Anmerkung Basty 302 Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle eines Versorgungs- ausgleichsausschlusses (BGH, Beschluss vom 6.10.2004, XII ZB 110/99) 308 mit Anmerkung Brandt 310 Letztwillige Verfügung zugunsten eines Heimträgers (VGH Mannheim, Urteil vom 1.7.2004, 6 S 40/04) 317 mit Anmerkung Everts 320 Vereinbarkeit der Abgaben- und Versorgungssatzung der Notarkasse mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV (BayVerfGH, Entscheidung vom 13.4. 2005, Vf. 9-VII-03) 330 mit Anmerkung Binder 333 Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer (BFH, Urteil vom 27.10.2004, II R 12/03) 344 mit Anmerkung Gottwald 345 Mitt BayNot Begründet 1864 4

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Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer BayernJuli/August 2005

Herausgeber:

Landesnotarkammer BayernOttostraße 10 80333 München

Herausgeberbeirat:

Dr. Hermann Amann,Notar in Berchtesgaden

Dr. Johann Frank, Notar in Amberg

Prof. Dr. Reinhold Geimer,Notar in München

Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Notar in Regen

Prof. Dr. Dieter Mayer, Notar in München

Prof. Dr. Wolfgang Reimann,Notar in Passau

Schriftleitung:

Andrea Lichtenwimmer,Notarassessorin

Dr. Martin T. Schwab, Notarassessor

ISSN 0941-4193

Aufsätze

Reul: Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden 265

Fischer: EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis 273

Gottwald/Steer: Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers? 278

Grziwotz: Doppelverwertungsverbot im Scheidungs-folgenrecht 284

J. Mayer: Behindertentestament und Pflichtteils-strafklauseln 286

Krafka: Das neue Handels- und Unternehmensregister 290

Krafka: Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes 293

Tagungsbericht

Der Notar als Teil der europäischen Justizpolitik – EuropäischeNotarentage am 14./15.4.2005 in Salzburg (Schill) 295

Rechtsprechung

Angemessenheit von Bindungsfristen in notariell beurkundeten Angeboten(OLG Dresden, Urteil vom 26.6.2003, 19 U 512/03) 300

mit Anmerkung Basty 302

Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle eines Versorgungs-ausgleichsausschlusses(BGH, Beschluss vom 6.10.2004, XII ZB 110/99) 308

mit Anmerkung Brandt 310

Letztwillige Verfügung zugunsten eines Heimträgers(VGH Mannheim, Urteil vom 1.7.2004, 6 S 40/04) 317

mit Anmerkung Everts 320

Vereinbarkeit der Abgaben- und Versorgungssatzung der Notarkasse mit Art. 3 Abs.1 Satz 1 BV(BayVerfGH, Entscheidung vom 13.4.2005, Vf. 9-VII-03) 330

mit Anmerkung Binder 333

Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer(BFH, Urteil vom 27.10.2004, II R 12/03) 344

mit Anmerkung Gottwald 345

MittBayNotBegründet 1864

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4Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer BayernJuli/August 2005

Begründet 1864

MittBayNotMittBayNot 4/2005

Inhalt

Aufsätze

Reul: Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden 265

Fischer: EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis 273

Gottwald/Steer: Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers? 278

Grziwotz: Doppelverwertungsverbot im Scheidungsfolgenrecht 284

J. Mayer: Behindertentestament und Pflichtteilsstrafklauseln 286

Krafka: Das neue Handels- und Unternehmensregister 290

Krafka: Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes 293

Tagungsbericht

Der Notar als Teil der europäischen Justizpolitik –Europäische Notarentage am 14./15.4.2005 in Salzburg (Schill) 295

Buchbesprechungen

Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 9: Erbrecht (Everts) 298

Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns: Handbuch der GmbH & Co. KG (Terbrack) 299

Jäde/Dirnberger/Weiß: Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung (Grziwotz) 299

Rechtsprechung

Bürgerliches Recht

Allgemeines

1. Persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung bei Verbraucherkreditvertrag zulässig(BGH, Beschluss vom 23.11.2004, XI ZR 27/04) 300

2. Angemessenheit von Bindungsfristen in notariell beurkundeten Angeboten(OLG Dresden, Urteil vom 26.6.2003, 19 U 512/03) 300

mit Anmerkung Basty 302

3. Anwendung der MaBV bei Renovierungsarbeiten oder Schönheitsreparaturen(BayObLG, Beschluss vom 1.10.2004, 3Z BR 129/04) 304

4. Differenzierende Kaufpreisabrede für den Fall der Ausübung eines Mietervorkaufsrechts(OLG München, Beschluss vom 21.1.2005, 10 W 672/05) 306

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Inhalt (Fortsetzung)

IMittBayNot 4/2005

4Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer BayernJuli/August 2005

Begründet 1864

MittBayNot

Sachen- und Grundbuchrecht

5. Unzulässiger Inhalt einer Dienstbarkeit(BayObLG, Beschluss vom 25.2.2005, 2Z BR 224/04) 307

6. Dauernutzungsrecht kann vor Kaufpreisfälligkeit zustehen (nur Leitsatz)(Pfälzisches OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.10.2004, 4 U 35/04) 308

Familienrecht

7. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle eines Versorgungsausgleichsausschlusses(BGH, Beschluss vom 6.10.2004, XII ZB 110/99) 308

mit Anmerkung Brandt 310

8. Verbot der Doppelverwertung von Schulden bei Unterhalt und Zugewinn(OLG München, Beschluss vom 22.6.2004, 16 UF 887/04) 313

9. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Grundschuldbestellung bei genehmigtem Grundstückskaufvertrag mit Belastungsvollmacht(Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.12.2004, 3 W 1307/04) 313

Erbrecht

10. Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Sozialhilfeträger beim gemeinsamen Behindertentestament(BGH, Urteil vom 8.12.2004, IV ZR 223/03) 314

11. Letztwillige Verfügung zugunsten eines Heimträgers(VGH Mannheim, Urteil vom 1.7.2004, 6 S 40/04) 317

mit Anmerkung Everts 320

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

12. Voraussetzungen der Haftung wegen „existenzvernichtenden Eingriffs“(BGH, Urteil vom 13.12.2004, II ZR 256/02) 321

13. Fehlerhafter Gesellschafterwechsel in der Vor-GmbH(BGH, Urteil vom 13.12.2004, II ZR 409/02) 323

14. Umwandlung einer Rechtsanwalts-GmbH in eine Rechtsanwalts-AG(BGH, Beschluss vom 10.1.2005, AnwZ (B) 27/03 und AnwZ (B) 28/03) 324

15. Zuständiges Registergericht bei Anmeldung einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung und Sitzverlegung(OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.10.2004, 20 W 418/04) 327

16. Inhalt der Abtretungsanzeige des Notars(Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 26.1.2005, 2 W 289/04) 328

Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht

17. Hinreichende Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels mit Wertsicherungsklausel(BGH, Beschluss vom 10.12.2004, IXa ZB 73/04) 329

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II MittBayNot 4/2005

Beurkundungs- und Notarrecht

18. Vereinbarkeit der Abgaben- und Versorgungssatzung der Notarkasse mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV(BayVerfGH, Entscheidung vom 13.4.2005, Vf. 9-VII-03) 330

mit Anmerkung Binder 333

19. Zugang zum Amt des hauptberuflichen Notars(BGH, Beschluss vom 14.3.2005, NotZ 27/04) 335

20. Keine allgemeine Belehrungspflicht über Anfall der Spekulationssteuer (LG Stuttgart, Urteil vom 31.8.2004, 15 O 191/04) 338

Kostenrecht

21. Abgeltungsbereich der Hebegebühr(Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.11.2004, 3 W 82/04) 339

22. Anfall gesonderter Betreuungsgebühren bei Kaufvertrag(OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.11.2004, 3 W 39/04) 340

23. Einholung von Löschungsbewilligungen dient nicht dem Vollzug eines Kaufangebots(OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2004, 15 W 100/04) 341

Steuerrecht

24. Künftig Bewertung eines Grundstückssachvermächtnisses mit gemeinem Wert? (Nur Leitsatz)(BFH, Urteil vom 2.7.2004, II R 9/02) 342

25. Hinreichende Bestimmtheit eines Vertrags zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bei Einräumung eines „freien Altenteilsrechts“(BFH, Urteil vom 16.9.2004, X R 7/04) 342

mit Anmerkung Everts 343

26. Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer(BFH, Urteil vom 27.10.2004, II R 12/03) 344

mit Anmerkung Gottwald 345

Standesnachrichten 347

Sonstiges III

Inhalt (Fortsetzung)

4Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer BayernJuli/August 2005

Begründet 1864

MittBayNot

02_Inhalt_I+II 01.07.2005 13:58 Uhr Seite 2

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265265MittBayNot 4/2005 Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

4Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer BayernJuli/August 2005

Begründet 1864

MittBayNotMitteilungsblatt für die im Bereich der Notarkasse

tätigen Notare und Notarassessoren sowie für die Beamten und Angestellten der Notarkasse

Herausgeberbeirat: NotareDr. Hermann Amann, Dr. Johann Frank,

Prof. Dr. Reinhold Geimer, Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Prof. Dr. Dieter Mayer, Prof. Dr. Wolfgang Reimann

Schriftleitung: Notarassessoren Andrea Lichtenwimmer, Dr. Martin T. SchwabHerausgeber: Landesnotarkammer Bayern, Ottostraße 10, 80333 München

Druck: Mediengruppe Universal Grafische Betriebe Manz und Mühlthaler GmbH, Kirschstraße 16, 80999 MünchenGedruckt auf Papier aus 100 % chlorfrei gebleichten Faserstoffen

I. Einleitung

Wertsicherungsklauseln spielen in der notariellen Praxis einebedeutende Rolle. Anzutreffen sind solche Klauseln regel-mäßig in Übergabeverträgen bzw. bei der Verrentung vonKaufpreisansprüchen, wenn es darum geht, langfristige Zah-lungsverbindlichkeiten den sich veränderten Werteverhältnis-sen anzupassen und etwaige Geldwertverluste auszugleichen.Durch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel werdenGeldschulden vom Nennwertprinzip gelöst; ihre summen-mäßige Bestimmbarkeit wird sichergestellt durch Bezug-nahme auf eine in der Wertsicherungsklausel niedergelegteBemessungsgrundlage.1

Die Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln bestimmt sichmaßgeblich nach § 2 Abs. 1 Preisangaben- und Preisklausel-gesetz (PaPkG)2 sowie der hierzu ergangenen Preisklausel-verordnung (PrKV).3 Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des PaPkG darfder Betrag von Geldschulden nicht „unmittelbar und selbst-tätig“ durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder an-deren Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbartenGütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. Zulässig sindWertsicherungsklauseln dagegen für sog. Bereichsausnahmennach § 2 Abs. 1 PaPkG und §§ 1, 4 PrKV.4 Im Übrigen können

AUFSÄTZE

* MittBayNot 2005, 329 (in diesem Heft).1 Siehe zu Wertsicherungsklauseln in der notariellen Praxis: Dür-kes, Wertsicherungsklauseln, 10. Aufl. 1992; v. Heynitz, MittBayNot1998, 398; Kluge, MittRhNotK 2000, 409; Limmer, ZNotP 1999,148; Rasch, DNotZ 2003, 730; Reul, DNotZ 2003, 92.

2 BGBl. I 1998, S. 1253.3 BGBl. I 1998, S. 3043.4 Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 411 f. Das Verbot von Wertsiche-rungsklauseln gilt nicht für den gesamten Geld- und Kapitalverkehr,§ 2 Abs. 1 Satz 3 PaPkG, ausgenommen sind Kreditgeschäfte mit Ver-brauchern, § 6 PrKV; ebenso gilt das Verbot nicht für Verträge von gebiets-ansässigen Kaufleuten mit Gebietsfremden, § 2 Abs. 1 Satz 4 PaPkG,sowie für Erbbaurechtsbestellungsverträge und Erbbauzinsreallastenmit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren, § 1 Ziff. 4 PrKV.

Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauselnin notariellen Urkunden

– zugleich Besprechung der Entscheidung des BGH vom 10.12.2004, IXa ZB 73/04* –

Von Notar a. D. Dr. Adolf Reul, Würzburg

Wertsicherungsklauseln sind seid jeher häufig Bestandteil notarieller Urkunden. Regelmäßig wird als Bezugsgröße ein vomStatistischen Bundesamt veröffentlichter Lebenshaltungspreisindex oder ein bestimmtes Beamtengehalt verwendet. In Recht-sprechung und Literatur war bislang noch nicht endgültig geklärt, ob Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden demBestimmtheitserfordernis genügen und ob eine Zwangsvollstreckung aus ihnen zulässig ist. Der BGH hat mit seiner Ent-scheidung vom 10.12.2004 diese Frage für eine Wertsicherungsklausel bejaht, die auf einen Lebenshaltungspreisindex desStatistischen Bundesamtes Bezug nimmt. Offen gelassen hat er es, ob eine Vollstreckung auch dann zulässig ist, wenn der in derWertsicherungsklausel genannte Lebenshaltungspreisindexes nicht mehr fortgeführt wird. Dieses Problem stellt sich insbeson-dere seit Einführung des neuen Verbraucherpreisindexes für Deutschland VPI im Februar 2003. Der nachfolgende Beitrag gehtdieser Frage nach. Dabei wird auch untersucht, welche Konsequenzen diese neue Rechtsprechung auf Wertsicherungsklauselnhat, die auf ein Beamtengehalt abstellen.

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die an sich verbotenen Wertsicherungsklauseln unter bestimm-ten in der PrKV genannten Voraussetzungen genehmigt wer-den, wenn Zahlungen langfristig zu erbringen sind, § 2 Abs. 1Satz 2 PaPkG. Zuständig für die Genehmigung ist nach § 7PrKV das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn.5 Eine Ge-nehmigungsfähigkeit kommt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PrKV ins-besondere für solche Wertsicherungsklauseln in Betracht, indenen der geschuldete Betrag durch die Änderung eines vomStatistischen Bundesamt oder einem Statistischen Landesamtermittelten Preisindexes für die Gesamtlebenshaltung odereines vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaftermittelten Verbraucherpreisindexes bestimmt werden soll.Dementsprechend wird in den meisten Wertsicherungsklau-seln auf einen solchermaßen vom Statistischen Bundesamtermittelten Preisindex abgestellt und eine Änderung der mitdieser Wertsicherungsklausel „gesicherten“ Zahlungspflichtvon einer bestimmten Veränderung dieses Preisindex in Pro-zenten oder in Punkten abhängig gemacht.

Allgemein anerkannt ist daneben, dass Wertsicherungsklau-seln u. a. auch auf Lohn- oder Gehaltindizes als maßgeblicheBezugsgröße abstellen können.6 Daran hat sich auch durchdie Einführung des Preisangaben- und Preisklauselgesetzesund der Preisklauselverordnung nichts geändert.7 Gelegent-lich wird dabei auf ein bestimmtes Beamtengehalt Bezug ge-nommen.8 Dabei ist zu beachten, dass Beamtengehälter derallgemeinen Kosten- und Preisentwicklung langsamer ange-passt werden als etwa tarifvertraglich gebundene Löhne undGehälter,9 vor allem aber dass sich ihre Entwicklung nur ein-geschränkt nach der Entwicklung der Verbraucherpreise undVerbrauchergewohnheiten richtet.

II. Zwangsvollstreckung bei Geldforderungen mit Wertsicherungsklauseln

1. Bestimmtheit des Vollstreckungstitels

Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist die notarielle Urkunde einausreichender Vollstreckungstitel, wenn sich der Schuldner inder Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft.Gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a. F. musste der zu vollstre-ckende Anspruch auf die Zahlung einer bestimmten Geld-summe oder die Leistung einer bestimmten Menge andererSachen gerichtet sein. Seit der 2. Zwangsvollstreckungs-novelle stellt die Bestimmung mit Wirkung zum 1.1.1999nicht mehr auf einen bestimmten Geldbetrag ab, sondern nurnoch auf einen „zu bezeichnenden Anspruch“, der einer ver-gleichsweisen Regelung zugänglich ist, nicht auf Abgabeeiner Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestandeines Wohnraummietverhältnisses betrifft. Inhaltlich hat sichjedoch nichts daran geändert, dass auch künftig eine Zwangs-vollstreckung wegen Geldforderungen aus notariellen Urkun-den nur zulässig ist, wenn der Betrag bestimmt ist.10

Bestimmt ist danach ein Anspruch, wenn er aus sich herausverständlich ist und für jeden Dritten erkennen lässt, welche

266 MittBayNot 4/2005Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

Leistung der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann.11 Esmuss aufgrund der Formalisierung des Zwangsvollstreckungs-verfahrens sichergestellt sein, dass die Vollstreckungsorganegrundsätzlich allein anhand des Titels, vor allem aber ohneweitere materiell-rechtliche Prüfung die erforderlichen Voll-streckungsmaßnahmen durchführen können.12 Das Erforder-nis der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels beruht dabei aufdem Gedanken, dass die Vollstreckungsorgane als reine Voll-zugshilfe des Staates bei der Durchsetzung des Gläubiger-rechtes keine erneute Prüfung des dem Titel zugrundeliegen-den Anspruchs mehr vornehmen dürfen und hierzu auch nichtüber die erforderlichen Mittel verfügen.13 Wie das Gerichteinerseits vom Kläger fordern kann, dass dieser den Streit-gegenstand bestimmt, woraus sich dann Inhalt und Grenzenseiner Entscheidungsbefugnis/-pflicht ableiten, §§ 253, 308ZPO, muss das Gericht andererseits dem Vollstreckungsorgandurch den Titel den Umfang dessen Vollstreckungsbefugnis/-pflicht aufzeigen.14 Schon in seiner Grundsatzentscheidungaus dem Jahr 1956 stellte der BGH fest, es sei nicht angängig,dass ein Gläubiger mit einer vollstreckbaren Urkunde eineweitergehende vollstreckbare Verpflichtung seines Schuldnerserreichen kann, als er sie mit einer Klage durch daraufhin er-gehendes Urteil oder in einem gerichtlichen Vergleich würdeerhalten können.15 Das Bestimmtheitserfordernis gilt für alleVollstreckungstitel gleichermaßen.

2. Bisherige Rechtsprechung

Bereits unter der alten Fassung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPOmusste der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßignicht zwingend in der Urkunde selbst festgelegt sein oder sichwenigstens aus der Urkunde ohne weiteres errechnen lassen.Dem Bestimmtheitsgrundsatz genügte es, wenn die Berech-nung des zu vollstreckenden Geldbetrages mit Hilfe offen-kundiger, insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt bzw. ausdem Grundbuch ersichtlicher Umstände möglich ist.16

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1988 hatte es der BGHdagegen ausdrücklich offen gelassen, ob aus vollstreckungs-rechtlicher Sicht eine ausreichende Bestimmtheit auch dannbesteht, wenn bei einer Geldforderung eine Wertsicherungs-klausel vereinbart wurde.17 In der älteren Rechtsprechungwurde diese Frage überwiegend verneint.18

5 Postfach 51 50, 65760 Eschborn, Tel.: 06196 9080.6 Vgl. statt aller Dürkes, C Rdnr. 148 ff.7 Vgl. dazu beispielsweise Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 417.8 Siehe hierzu beispielsweise das Muster bei Bosch in Heidel/Pauly/Amend, AnwaltFormulare, 4. Aufl. 2003, § 12 Rdnr. 311.9 Dürkes, C Rdnr. 159; Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 417.10 Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 422; Münch, ZNotP 1998, 474;Wolfsteiner, DNotZ 1999, 317; MünchKommZPO/Wolfsteiner,2. Aufl. 2000, § 794 Rdnr. 230.

11 BGHZ 22, 54 = DNotZ 1957, 200; OLG Hamm, NJW 1974, 652;Wieczorek/Schütze/Heß, ZPO, 3. Aufl. 1999, § 704 Rdnr. 7; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 704 Rdnr. 4.12 Wieczorek/Schütze/Heß, § 704 Rdnr. 7.13 OLG Düsseldorf, NJW 1971, 436, 437.14 Stürner/Münch, JZ 1987, 178, 181.15 BGHZ 22, 54, 63 = DNotZ 1957, 200.16 BGH, MittRhNotK 1995, 140 = MittBayNot 1995, 320 = DNotZ1995, 770 (in dieser Entscheidung wurde die Bestimmtheit einerZwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung bejaht, in der auf eineGrundbucheintragung Bezug genommen wurde. Die Gläubigerbe-rechtigung sollte sich nach dem Verhältnis der gebuchten Miteigen-tumsanteile richten); BGHZ 22, 54; BGH, WM 1981, 189; OLG Düs-seldorf, NJW 1971, 436, 437; OLG Stuttgart, Justiz 1973, 176, 178 f.;OLG Karlsruhe, OLGZ 1991, 227, 228.17 BGH, FamRZ 1989, 267 f. = NJW-RR 1989, 318, unter Bezug-nahme auf BGH, FamRZ 1986, 45, 46 = NJW 1986, 1440 und BGHZ22, 54.18 BGHZ 22, 54, 60 = DNotZ 1957, 200; OLG Nürnberg, NJW1957, 1286, 1287 = DNotZ 1957, 665; LG Essen, NJW 1972, 2050 =DNotZ 1973, 26; OLG Köln, FamRZ 1986, 1018, 1019; OLG Karls-ruhe, OLGZ 91, 227 ff.; AG Charlottenburg, FamRZ 1993, 1105 f.;OLG Düsseldorf, NJW 1971, 436 ff.; siehe dazu auch umfassendDNotI-Report 1996, 1, 2 ff. m. w. N.

Auf

sätz

e

04-Umbruch04 01.07.2005 13:59 Uhr Seite 266

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3. Literatur

Die Literatur hält heute eine Wertsicherungsklausel, die aufeinen vom Statistischen Bundesamt festgestellten und ver-öffentlichten Lebenshaltungspreisindex Bezug nimmt, prak-tisch einhellig für ausreichend bestimmt.19 Entscheidend wirdhierbei darauf abgestellt, dass sich die eigentliche Höhe derzu vollstreckenden Forderung mit Hilfe offenkundiger, all-gemein zugänglicher Quellen ermitteln lässt. Dafür genügenaus dem Bundesgesetzblatt oder aus dem Grundbuch ersicht-liche Umstände.20 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammen-hang die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle und die Neufassungdes § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.21 Sie beschäftigte sich nicht mitder Frage, ob wertgesicherte Forderungen einer Zwangsvoll-streckungsunterwerfung fähig sind.

Bei einer Bezugnahme auf ein genau bezeichnetes Grund-gehalt eines Beamten mit Angabe der Besoldungsgruppe undDienstaltersstufe wird die vollstreckungsrechtliche Bestimmt-heit einer Wertsicherungsklausel ebenso überwiegend be-jaht.22 Zum Teil wird aber wegen der unklaren Rechtslage,welche Einkommensbestandteile zum Grundgehalt einesBeamten gehören (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Stellenzu-lagen), die Bestimmtheit auch in Frage gestellt.23 An andererStelle heißt es schließlich, es sei einerseits das prozessökono-mische Interesse abzuwägen, überflüssige Prozesse zu ver-meiden, andererseits könne dem Gerichtsvollzieher als Voll-streckungsorgan nicht zugemutet werden, dass er vor Beginnder Vollstreckung mathematische Berechnungen anstellt, amt-liche Auskünfte einholt oder eine Reihe von gesetzlichenBestimmungen heranzieht.24

4. Insbesondere Bezugnahme auf die „Düsseldorfer Tabelle“ und auf die Regelbetrags-VO

Streitig diskutiert wird die Bestimmtheit bei der Bezugnahmeauf die Düsseldorfer Tabelle zum Unterhaltsrecht. Entgegen

267MittBayNot 4/2005 Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

der Ansicht des OLG Koblenz25 bejaht Wolfsteiner „geradenoch“ die Bestimmtheit.26 Für die Praxis kann dieser Streitjedoch dahinstehen. Das gewünschte Ziel lässt sich regel-mäßig dadurch erreichen, dass nicht auf die Düsseldorfer Ta-belle Bezug genommen wird, sondern auf die (identischen)Altersstufen des § 1612 a Abs. 3 BGB sowie auf die Regel-betrags-VO. Dabei kann die Höhe des geschuldeten Kindes-unterhalts in einem Prozentsatz des Regelbetrages angegebenwerden. Das Geburtsdatum des Kindes ist regelmäßig im Titelselbst genannt. Der Beginn der jeweiligen Altersstufe kanndeshalb mittels Gesetz und des Geburtsdatums ermittelt wer-den.27 Eine solche Bezugnahme wird in der kautelarjuris-tischen Literatur zur Schaffung eines Vollstreckungstitels hin-sichtlich des Kindesunterhalts ausdrücklich empfohlen.28. Umdem Bestimmtheitserfordernis zu genügen, ist bei der Bezug-nahme zwischen § 1 und § 2 Regelbetrags-VO zu unterschei-den. Im Falle einer pauschalen Verweisung ist der Titel nichtausreichend bestimmt.29

III. Die neue Rechtsprechung des BGH

1. BGH vom 10.12.2003, XII ZR 155/01

Ende 2003 hat nunmehr der BGH in einer ersten Entschei-dung ausdrücklich festgestellt, dass eine Geldforderung voll-streckbar ist, wenn hierzu eine Wertsicherungsklausel verein-bart ist, die auf einen vom Statistischen Bundesamt veröffent-lichten Lebenshaltungspreisindex Bezug nimmt.30

In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die Zwangsvoll-streckung aus einem gerichtlich geschlossenen Unterhaltsver-gleich aus dem Jahr 1990. Darin verpflichtete sich der Kläger,an die Beklagte einen betragsmäßig bestimmten monatlichennachehelichen Unterhalt zu zahlen. Weiter wurde vereinbart,dass der monatliche Unterhalt an den Lebenshaltungspreis-index für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mitmittlerem Einkommen im Jahresdurchschnitt ohne Aufforde-rung bis spätestens 30.3. eines jeden Jahres angepasst werdensollte. Grundlage war das Jahr 1990, Basisjahr das Jahr 1980.Der Kläger zahlte daraufhin nur den Grundbetrag sowie denErhöhungsbetrag aus einer ersten Anpassung im Jahr 1991.Weitere Anpassungen nahm er nicht vor. Die Beklagte er-wirkte wegen der rückständigen, nicht vorgenommenen An-passungszahlungen einen Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss; der Kläger hat Vollstreckungsgegenklage mit demZiel erhoben, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleichinsoweit für unzulässig zu halten.

Der BGH hat die Vollstreckungsgegenklage abgewiesen. Sei-ner Ansicht nach sind Wertsicherungsklauseln, die auf denvom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für dieLebenshaltungskosten abstellen, hinreichend bestimmt, so dassaus ihnen vollstreckt werden kann. Entscheidend ist nachAuffassung des BGH, dass die in Bezug genommenen Daten,nämlich die Indizes des Statistischen Bundesamtes, leicht undzuverlässig feststellbar sind. Sie werden veröffentlicht im

25 OLG Koblenz, FamRZ 1987, 1291 = MittRhNotK 1988, 45;zweifelnd ebenso von Rintelen, RNotZ 2001, 2, 11.26 MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 232; ebenso Lan-genfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen,4. Aufl. 2000, Rdnr. 845.27 OLG Karlsruhe, Rpfleger 2005, 95 = FamRZ 2005, 377.28 Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 2004, Rdnr. 2110,Riemann in DAI-Skriptum „Intensivkurs zu Ehegattenverträgen“,23.–25.10.2003, C S. 70.29 OLG Naumburg, FamRZ 2002, 554; Münch, Rdnr. 2110.30 BGH, DNotZ 2004, 644 = DNotI-Report 2004, 63.

19 Geitner/Pulte, Rpfleger 1980, 93 ff.; Mes, NJW 1973, 875 ff.;Müller-Frank, MittRhNotK 1978, 355, 393 f.; Mümmler, Rpfleger1973, 124, 125 f.; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 232;MünchKommZPO/Krüger, vor § 704 Rdnr. 9; Musielak/Lackmann,ZPO, 4. Aufl. 2005, § 704 Rdnr. 7; Sauer, Bestimmtheit und Be-stimmbarkeit im Hinblick auf die vollstreckbare notarielle Urkunde,1986, S. 69; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechts-schutz, 3. Aufl. 2002, vor § 704 Rdnr. 6; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO,22. Aufl. 2002, vor § 704 Rdnr. 153; Stürner/Münch, JZ 1987, 178,182 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, vor § 704 Rdnr. 16 (an-ders noch die Vorauflage); Wieczorek/Schütze/Heß, § 704 Rdnr. 11;Winkler, BeurkG, 15. Aufl. 2003, § 52 Rdnr. 21 f.; Wolfsteiner, Dievollstreckbare Urkunde, 1978, Rdnr. 27.2, 27.3; Zöller/Stöber, § 794Rdnr. 26 b; a. A. Pohlmann, NJW 1973, 199 f.20 BGH, NJW 1995, 1162 = DNotZ 1995, 770 = MittBayNot 1995,320 = MittRhNotK 1995, 140; BGHZ 22, 54, 61 = DNotZ 1957, 200;OLG Düsseldorf, NJW 1971, 436, 437; Musielak/Lackmann, § 704Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 232; Opalka,NJW 1991, 1796, 1797; Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 153;Stürner/Münch, JZ 1987, 178, 182 f.; Wieczorek/Schütze/Heß, § 704Rdnr. 11; Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 26 b; unzutreffend insoweit Eyl-mann/Vaasen/Limmer, BNotO, BeurkG, 2. Aufl. 2004, § 52 BeurkGRdnr. 7.21 Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 422.22 Mümmler, Rpfleger 1973, 124, 125 f.; Musielak/Lackmann,§ 704 Rdnr. 8; wohl auch MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794Rdnr. 232; Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 153; Wieczorek/Schütze/Heß, § 704 Rdnr. 11.23 Müller-Frank, MittRhNotK 1978, 355, 395 f.; Schuschke/Walker,vor § 704 Rdnr. 6; zweifelnd aber auch Musielak/Lackmann, § 704Rdnr. 8; Winkler, § 52 Rdnr. 22.24 Mümmler, Rpfleger 1973, 124, 125 f.; Winkler, § 52 Rdnr. 21 f.

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Bundesanzeiger, im Statistischen Jahrbuch, in den Monats-und Jahresberichten des Statistischen Bundesamtes sowie u. a. auch in der NJW. Damit sind die Daten offenkundig i. S. d.§ 291 ZPO.31

Ausdrücklich nicht entschieden hat der BGH dagegen dieFrage der Vollstreckbarkeit der Wertsicherungsklausel wegender sich ab dem Jahr 2003 ergebenden Erhöhungsbeträge.Verfahrensgegenstand war nur die Vollstreckbarkeit bis ein-schließlich 1999.

2. BGH vom 10.12.2004, IXa ZB 73/04

In seiner neuesten Entscheidung hat der BGH diese Recht-sprechung auf vollstreckbare Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO übertragen.32 Gegenstand der Entscheidung wareine wertgesicherte Kaufpreisrente aus dem Jahr 1974, die andie Entwicklung des vom Statistischen Bundesamtes fest-gestellten Preisindexes für die Lebenshaltungskosten allerprivaten Haushalte auf der Basis 1970 = 100 anknüpfte. Der IXa-Senat nimmt Bezug auf die vorstehende Entscheidungdes XII. Senats und bestätigt dessen Rechtsauffassung. Gleich-zeitig knüpft er auch an eine Entscheidung des II. Zivilsenatsdes BGH vom 15.12.2003 an.33 In dieser Entscheidung ginges um eine Abfindungsklausel in einem notariell beurkunde-ten Gesellschaftsvertrag mit Zwangsvollstreckungsunterwer-fungserklärung. Nach Ansicht des II. Senats reicht es mangelsBestimmtheit für eine Vollstreckungsfähigkeit nicht aus,wenn sich die Höhe des Abfindungsbetrages weder aus derUrkunde noch aus sonst den Vollstreckungsorganen allgemeinzugänglichen Quellen, sondern nur anhand der Jahresab-schlüsse der Gesellschaft feststellen lässt.

IV. Stellungnahme und offene Fragen

Aus Sicht der notariellen Praxis ist diese neue Rechtspre-chung des BGH zu begrüßen. Der BGH führt mit diesenneuen Entscheidungen seine bereits 1956 begründete Recht-sprechung34 fort. Anhand der Veröffentlichungen des Statisti-schen Bundesamtes kann das Vollstreckungsorgan leicht undeindeutig feststellen, ob und wenn ja in welcher Höhe sich dergeschuldete Geldbetrag aufgrund der vereinbarten Wertsiche-rungsklausel erhöht hat. Schwierige mathematische Berech-nungen sind nicht erforderlich. Mit dieser neuen Rechtspre-chung werden überflüssige Prozesse vermieden und die Justizentlastet. Urkunden, in denen vorsichtige Notare bei der Be-urkundung einer Wertsicherungsklausel die Zwangsvollstre-ckungsunterwerfung nur wegen eines bestimmten Ausgangs-betrages aufnehmen, Erhöhungsbeträge aufgrund der ver-einbarten Wertsicherungsklausel aber ausdrücklich von derZwangsvollstreckungsunterwerfung ausnehmen und statt-dessen den Schuldner lediglich verpflichten, sich wegen derjeweiligen Erhöhungsbeträge gesondert der Zwangsvollstre-

268 MittBayNot 4/2005Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

ckung zu unterwerfen,35 sind daher nicht mehr zeitgemäß.36

Entsprechende Formulare sind auszumustern. Dies gilt jeden-falls bei solchen Wertsicherungsklauseln, die auf einen Le-benshaltungspreisindex des Statistischen Bundesamtes Bezugnehmen.

Diese Rechtsprechung dürfte grundsätzlich auch auf Beam-tenklauseln übertragen werden können, wenn also in einerWertsicherungsklausel als Bezugsgröße ein bestimmtes Grund-gehalt eines Beamten durch Verweisung auf eine bestimmteBesoldungsgruppe und Angabe einer Dienstaltersstufe ge-nannt wird.37 Freilich ist hierbei weiter zu fordern, dass ein-deutig geklärt wird, ob Maßstab für die Wertsicherungsklau-sel allein das Grundgehalt ist, oder ob und wenn ja welche Zu-schläge bzw. die etwaige Zahlung von Einmalbeträgen38 hier-bei mit zu berücksichtigen sind.

Gleichwohl bleiben noch Fragen offen:

Zum einen fragt sich, inwieweit eine Zwangsvollstreckungwegen der Erhöhungsbeträge aus einer Wertsicherungsklauselauch dann (noch) zulässig ist, wenn sich die in der Wertsiche-rungsklausel zugrundegelegten Parameter verändert haben.Zu denken ist vornehmlich an den Fall, dass der der Wert-sicherungsklausel zugrunde gelegte Lebenshaltungspreis-index nicht mehr ermittelt wird. Daneben kommen aber auchstrukturelle Veränderungen in Betracht. Solche liegen bei-spielsweise vor, wenn in einer Wertsicherungsklausel auf einbestimmtes Beamtengehalt einer bestimmten Besoldungs-gruppe und einer bestimmten Dienstaltersstufe verwiesenwird, später dann aber aufgrund besoldungsrechtlicher Ände-rungen eine Dienstaltersstufe wegfällt, eine Besoldungsgruppemit einer anderen zusammengefasst wird, Zuschläge neu miteingerechnet werden, usw.

Zum anderen fragt sich, wer bei einer Zwangsvollstreckungwegen der sich aus einer Wertsicherungsklausel ergebendenErhöhungsbeträge die maßgeblichen Berechnungen vorneh-men muss? Ist es das Vollstreckungsorgan, der Urkundsnotar,der die Vollstreckungsklausel erteilt, oder der Anspruchsgläu-biger selbst?

1. Strukturelle Veränderungen der Bezugsgröße einer Wertsicherungsklausel

a) Ergänzende Vertragsauslegung

aa) Beamtengehalt als Bezugsgröße

Die Beamtenbesoldung unterliegt einem steten Wandel. In derVergangenheit wurden beispielsweise neue Dienstaltersstufeneingeführt, Eingangsstufen sind weggefallen, Ämter wurdenin andere Besoldungsgruppen eingestuft oder eine gesamteBesoldungsgruppe wurde durch eine andere Besoldungs-gruppe ersetzt. Aus letzter Zeit zu erwähnen ist der Wegfall desfrüher zum Grundgehalt zusätzlich gewährten Ortszuschlagssowie anderer Zulagen, die jetzt in weiten Teilen in das Grund-gehalt einbezogen werden. Ebenso neu ist die Einführungeiner sog. Versorgungsrücklage nach § 14 a BBesG.

31 Zur Begründung verweist der BGH hier auf eine ältere Entschei-dung zum Erbbaurecht BGH, NJW 1992, 2088 = MittBayNot 1992,264. Dort ging es um den vertraglichen Anspruch auf Anpassungeines Erbbauzinses bei nachhaltiger wirtschaftlicher und währungs-rechtlicher Veränderung der Verhältnisse. Der BGH bejahte einen sol-chen Anpassungsanspruch wegen Offenkundigkeit und verwies zurBegründung auf die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesam-tes. Die Frage nach der vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheit warallerdings nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Unklar insoweitWinkler, § 52 Rdnr. 21 f.32 MittBayNot 2005, 329 (in diesem Heft). 33 BGH, DNotZ 2004, 707 = WM 2004, 329, 330.34 BGHZ 22, 54 ff. = DNotZ 1957, 200.

35 So z. B. der Hinweis bei Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 423 undbei Winkler, § 52 Rdnr. 22 m. w. N.36 So ausdrücklich Amann in DAI-Skript: Aktuelle Probleme dernotariellen Vertragsgestaltung 2004/2005, Stand Februar 2005, S. 178.Vgl. zu der „Teilvollstreckbarkeit“ wegen des Grundbetrages beiUnbestimmtheit des Erhöhungsbetrages: LG Essen, NJW 1972, 2050= DNotZ 1973, 26.37 Winkler, § 52 Rdnr. 22.38 Einmalbeträge sollten bei Wertsicherungsklauseln, die an ein Be-amtengehalt anknüpfen, von vornherein unberücksichtigt bleiben,weil andernfalls die Berechnung noch weiter erschwert werden würde.

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Wie sich solche strukturellen Veränderungen bei der Beam-tenbesoldung auf eine Wertsicherungsklausel auswirken, warbereits in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand der höchst-richterlichen Rechtsprechung. Diese löste die Probleme einerstrukturellen Veränderung der Bezugsgröße bei einer Wert-sicherungsklausel praktisch ausnahmslos im Wege der ergän-zenden Vertragsauslegung, nicht aber unter Anwendung derGrundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.39

Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist nach allgemeinerAnsicht die vertragliche Regelung entsprechend dem hypo-thetischen Parteiwillen zu ergänzen. Es ist darauf abzustellen,was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrerInteressen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspar-teien vereinbart hätten, wenn sie die Strukturveränderung derBezugsgröße bedacht hätten.40

Im Urteil vom 15.3.1968 behandelte der BGH41 den Wegfallder Eingangsstufe einer bestimmten Besoldungsgruppe undstellte fest, dass es bei ersatzlosem Wegfall des Anfangs-grundgehaltes der Beamtenbesoldungsgruppe nahe liege, dieWertsicherungsklausel dahin auszulegen, dass sich die Par-teien bei Voraussicht des künftigen Wegfalls der als Ver-gleichsgröße gewählten Besoldungsgruppe von Anfang andazu entschlossen hätten, im Rahmen der Wertsicherungs-klausel auf die benachbarte Gehaltsgruppe Bezug zu nehmen.Auch das OLG Hamm hatte im Urteil vom 27.2.197042 dieFrage zu entscheiden, wie sich eine grundlegende Neurege-lung der Beamtenbesoldung auf die Wertsicherungsklauselauswirkt. Das OLG Hamm stellt allgemein auf den Willen derParteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab und wardaher der Auffassung, dass bei einer Strukturveränderung, diein der Besoldungsgruppe A 13 dazu geführt hat, dass vor diebisherige Eingangsstufe eine zusätzliche Stufe neu vorge-schaltet worden ist, nicht aufgrund des bloßen Wortlauts derKlausel die jetzige neue Eingangsstufe der früheren altenEingangsstufe gleichgesetzt werden könne. Maßgeblich sei,welche Vereinbarungen die Parteien getroffen hätten, wennsie die Strukturänderung vorausgesehen hätten. Sie hättendann mit Sicherheit vereinbart, dass nach Eintritt der Struk-turveränderung an die Stelle der alten Eingangsstufe nunmehrdie zweite Dienstaltersstufe treten sollte. Im Urteil des BGHvom 13.10.198243 war die Frage zu entscheiden, wie sich derErsatz eines beamtenrechtlichen Kindergeldzuschlages durchdas allgemeine Kindergeld auswirkt. Auch hier war der BGHder Auffassung, dass das allgemeine Kindergeld in die Ge-haltsberechnung einzubeziehen sei, wenn die Beteiligten eineWertsicherungsklausel vereinbart hatten, in dem noch der be-amtenrechtliche Kindergeldzuschlag enthalten war.

bb) Lebenshaltungspreisindex als Bezugsgröße undUmstellung auf den neuen VerbraucherpreisindexVPI auf der Basis 2000 = 100

Im Februar 2003 hat das Statistische Bundesamt erstmals denneuen Verbraucherpreisindex VPI auf der Basis 2000 = 100veröffentlicht und bis einschließlich Dezember 1999 zurück-

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gerechnet. Gleichzeitig hat es die Berechnung der bisher fürverschiedene Haushaltstypen und zwar getrennt für dasfrühere Bundesgebiet sowie für die neuen Bundesländer undBerlin-Ost ermittelten Lebenshaltungskostenindizes einge-stellt. Dem neuen Verbraucherpreisindex VPI liegen dieVerbraucherpreise und die Verbrauchergewohnheiten allerprivaten Haushalte in Deutschland insgesamt zugrunde. Dadieser Lebenshaltungspreisindex für alle privaten Haushaltein Deutschland bereits seit Januar 1991 berechnet wird, kannmittels Umbasierung der im Dezember 1999 auf der Basis1995 = 100 ermittelten Werte eine vollständige Entwicklungdieses Index ab Januar 1991 dargestellt werden.44

Für die übrigen nicht mehr fortgeführten Indizes kommt eineUmstellung auf den neuen Verbraucherpreisindex VPI ebensooder „erst recht“ im Wege der ergänzenden Vertragsauslegungin Betracht.45 Die Rechtslage ist zum Teil vergleichbar mit dersoeben dargestellten Situation der strukturellen Veränderun-gen bei Beamtenklauseln. Vergleichbar ist die Rechtslage aberauch mit dem Fall, dass eine zunächst unwirksame Wertsiche-rungsklausel durch eine wirksame Wertsicherungsklausel er-setzt wird.46 Nach Auffassung der Rechtsprechung hilft auchhier eine ergänzende Vertragsauslegung, wenn zunächst einungeeigneter Referenzmaßstab für die Wertsicherungsklauselvereinbart wurde.47

b) Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

In der Literatur wird zum Teil aber auch die Ansicht vertreten,es sei in diesen Fällen stets eine einvernehmliche Vertragsän-derung notwendig. Bei Auslaufen der vom Statistischen Bun-desamt nicht mehr fortgeführten Indizes und ihrer Umstellungsei unklar, auf welchen Zeitpunkt man bei der Umstellung derWertsicherungsklausel abstellen müsse; auch kämen theore-tisch verschiedene Folgeindizes in Betracht. Die Vertragsbe-teiligten hätten allerdings einen gegenseitigen Anspruch aufMitwirkung an dieser Vertragsanpassung. Anspruchsgrund-lage hierfür sei § 313 Abs. 1 BGB und die Grundsätze desWegfalls der Geschäftsgrundlage.48

c) Gegenargumente

Diese Auffassung überzeugt nicht. Zwar ist zuzugeben, dasses sicherlich verschiedene Folgeindizes gibt, auf die der ineiner Wertsicherungsklausel vereinbarte und nicht mehr fort-geführte Lebenshaltungspreisindex des Statistischen Bundes-amtes theoretisch umgestellt werden könnte. Nach dem hypo-thetischen Parteiwillen, was also die Parteien bei einer ange-messenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glaubenals redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie dennicht geregelten Fall bedacht hätten,49 kommt jedoch alleinder neue Verbraucherpreisindex VPI allen bisher vom Statisti-

44 Rasch, DNotZ 2003, 730.45 Reul, DNotZ 2003, 92, 95 ff.; Klingmüller/Wichert, ZMR 2003,797, 799; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 245 Rdnr. 29 b;Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004, Rdnr. 3276; Wolf inLambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl.2005, Teil 2 Rdnr. 382.46 BGHZ 63, 132; BGH, NJW 1979, 1545; NJW 1986, 932; OLGKöln, ZMR 1999, 633; Lützenkirchen, OLG-Report, Kommentar18/2001, K41, K43; MünchKommBGB/Grundmann, § 245 Rdnr. 86;Staudinger/Karsten Schmidt, vor § 244 D Rdnr. 333.47 BGHZ 63, 132; BGHZ 81, 135, 141; OLG Köln, BB 1987, 1420m. Anm. Hirte.48 Lützenkirchen, NZM 2001, 835, 836; Schultz, GE 2003, 721,722; Wax, LMK 2004, 83.49 BGHZ 84, 7; BGH, NJW 1994, 1011.

39 BGH, WM 1964, 906; WM 1968, 833; BB 1976, 1483; BB 1983,215; OLG Hamm, WM 1970, 1239; OLG Düsseldorf, DB 1978,2166; Dürkes, C Rdnr. 161 ff.; Staudinger/Karsten Schmidt, BGB,Stand: 1997, vor § 244 Rdnr. D 175 ff., jeweils m. w. N.40 Vgl. allgemein zur ergänzenden Vertragsauslegung BGHZ 90,77; BGH, NJW 1994, 1011; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1035;Staudinger/Karsten Schmidt, vor § 244 D Rdnr. 333.41 WM 1968, 833.42 WM 1970, 1239.43 BB 1983, 215.

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schen Bundesamt veröffentlichten Lebenshaltungskostenindi-zes, die auf einen bestimmten Haushaltstyp Bezug nehmen,am nächsten.50 Von daher ist weder der für die EuropäischeUnion bestimmte harmonisierte Verbraucherpreisindex =HVPI noch der etwa von einem Bundesland für sein Gebietselbst festgestellte Lebenshaltungspreisindex von Bedeutung.

Insbesondere scheidet der vom Statistischen Bundesamt ne-ben dem VPI noch ermittelte harmonisierte Verbraucherpreis-index HVPI als mögliche Alternative aus. Wichtigste Zielset-zung des HVPI ist der Vergleich der Preisveränderungsratenzwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU).Erforderlich ist die Berechnung des HVPI, weil sich die na-tionalen Verbraucherpreisindizes in vielfältiger Weise unter-scheiden. Diese Unterschiede sind z. T. historisch bedingt, re-sultieren aber auch aus unterschiedlichen gesellschaftlichenRahmenbedingungen oder abweichenden Strukturen des sta-tistischen Systems. Auch sind die Ziele der VPI-Berechnungoft weiter gefasst als die des HVPI. Während der HVPI pri-mär das Ziel „Inflationsmessung“ verfolgt, dienen die natio-nalen Verbraucherpreisindizes zusätzlich als „Kompensations-maßstab“ (Wertsicherungsklauseln) sowie als „Deflator“ (z. B.zur Berechnung des realen Wachstums). Auch unterscheidensich die Erfassungsbereiche des deutschen VPI und des deut-schen HVPI durch den jeweils zugrunde gelegten Warenkorb.So wird beispielsweise im VPI das vom Eigentümer selbstgenutzte Wohneigentum (durch Mietäquivalente) mitberück-sichtigt, im HVPI dagegen nicht.51

Ebenso stellt aber auch die Anwendung eines von einemStatistischen Landesamt ermittelten Indexes keine wirklicheAlternative zum VPI dar. Wenn Bezug genommen wird aufdie Ermittlungen zum Lebenshaltungspreisindex durch einebestimmte Bundesbehörde, dann kann weder angenommenwerden, dass an deren Stelle die Ermittlungen einer Landes-behörde treten, noch dass Bezugsgröße für den Lebenshal-tungspreisindex fortan nur ein bestimmtes Bundesland ist.

Schließlich ist auch der maßgebliche Zeitpunkt der Umstel-lung der Wertsicherungsklausel auf den neuen Verbraucher-preisindex VPI nicht zweifelhaft.52 Die Feststellung des hypo-thetischen Parteiwillens der Beteiligten hat seinen Ausgangs-punkt in der zwischen ihnen vereinbarten Wertsicherungs-klausel und der hier getroffenen Bezugnahme auf den konkretvereinbarten Lebenshaltungspreisindex. Von daher erscheintes weiterhin allein richtig zu sein, dass dieser alte Lebenshal-tungspreisindex für die in Rede stehende Wertsicherungsklau-sel so lange maßgebend ist, so lange dieser ursprüngliche Le-benshaltungspreisindex auch fortgeführt wird.53 Stichtag istdamit der 31.12.2002. Bis dahin ist der Wertsicherungsklauselsomit noch der alte Lebenshaltungspreisindex zugrunde zulegen, wie dies von den Vertragsparteien auch vereinbartwurde.54 Erst danach ist auf den neuen VPI umzustellen.

Der Wegfall der bisher vom Statistischen Bundesamt ermittel-ten verschiedenen Lebenshaltungskostenindizes und ihre Er-setzung durch den Verbraucherpreisindex VPI ist letztlich ingewisser Weise ähnlich mit der Situation bei der Festsetzungdes Basiszinssatzes nach § 247 BGB. Auch dieser verändertsich fortlaufend jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli, § 247Abs. 1 Satz 2 BGB. Der aktuelle Basiszinssatz wird nach

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§ 247 Abs. 2 BGB von der Deutschen Bundesbank unverzüg-lich nach Neufestsetzung im Bundesanzeiger bekannt gege-ben. Der alte Basiszinssatz wird durch den neuen Basiszins-satz ersetzt. Ebenso aber ersetzt auch der neue Verbraucher-preisindex VPI die alten nicht mehr fortgeführten Lebenshal-tungskostenindizes. Insoweit besteht ein erheblicher Unter-schied zur Rechtslage bei strukturellen Veränderungen vonWertsicherungsklauseln, die auf ein Beamtengehalt abstellen.Dort mag man in der Tat zweifeln, welches Beamtengehalt,welche Besoldungsgruppe oder welche Dienstaltersstufe andie Stelle der in einer Wertsicherungsklausel vereinbarten, je-doch später weggefallenen Bezugsgröße tritt. Für den hypo-thetischen Parteiwillen kommen verschiedene Alternativen inBetracht. Dagegen tritt an die Stelle der bislang vom Statis-tischen Bundesamt veröffentlichten Lebenshaltungskostenin-dizes allein der neue Verbraucherpreisindex VPI. Alternativenbestehen also gerade nicht.

2. Wahrung des vollstreckungsrechtlichenBestimmtheitserfordernisses nach einerergänzenden Vertragsauslegung

a) VPI als Bezugsgröße der Wertsicherungsklausel

In der Entscheidung vom 10.12.200355 hat der BGH aus-drücklich die Frage einer Vollstreckbarkeit angesprochen,wenn der von den Parteien in der Wertsicherungsklausel inBezug genommene Preisindex ab dem Jahr 2003 nicht mehrfortgeführt wird. Der BGH konnte die Frage offen lassen. Indem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ginges nur um die Vollstreckbarkeit bis zum Jahr 1999. In derjüngsten Entscheidung vom 10.12.2004 erwähnte der BGHdieses Problem nicht.56 Wax57 und Roessink58 bezweifeln, obwegen der Erhöhungsbeträge ab 2003 aus einer Wertsiche-rungsklausel noch die Zwangsvollstreckung betrieben werdenkann. Nach Ansicht von Wax ist für die Anpassung der Wert-sicherungsklausel zwingend eine Änderungsvereinbarungerforderlich.

Dem ist zu widersprechen. Maßgebend ist allein, ob der zuvollstreckende Anspruch bestimmt genug ist. Bestimmt ist derAnspruch, wenn er aus sich heraus verständlich ist und fürjeden Dritten erkennen lässt, welche Leistung der Gläubigervom Schuldner verlangen kann.59 Bestimmtheit besteht zumeinen dann, wenn der zu vollstreckende Geldbetrag betrags-mäßig in dem Titel genannt ist. Zum anderen genügt es, dassdas Vollstreckungsorgan die Höhe des zu vollstreckendenAnspruchs leicht und eindeutig mit Hilfe offenkundiger, all-gemein zugänglicher Quellen ermitteln kann.60 Eine Aus-legung des Titels steht dem Bestimmtheitserfordernis dabeinicht unbedingt entgegen.61

50 Elbel, NJW 1999, Beilage zu Heft 48, 1, 3; Kluge, MittRhNotK2000, 409, 416; Rasch, DNotZ 1999, 467, 473.51 Vgl. dazu http://www.destatis.de/basis/d/preis/vpinfo2.php.52 Reul, DNotZ 2003, 92, 103.53 Reul, DNotZ 2003, 92, 103.54 Reul, DNotZ 2003, 92, 101.

55 BGH, DNotZ 2004, 644, 645.56 MittBayNot 2005. 329 (in diesem Heft).57 LMK 2004, 83.58 FamRB 2004, 150.59 BGHZ 22, 54 = DNotZ 1957, 200; OLG Hamm, NJW 1974, 652;Wieczorek/Schütze/Heß, § 704 Rdnr. 7; Zöller/Stöber, § 704 Rdnr. 4.60 BGH, NJW 1995, 1162 = DNotZ 1995, 770 = MittBayNot 1995,320 = MittRhNotK 1995, 140; BGHZ 22, 54, 61 = DNotZ 1957, 200;OLG Düsseldorf, NJW 1971, 436, 437; Musielak/Lackmann, § 704Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 232; Stein/Jo-nas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 153; Wieczorek/Schütze/Heß, § 704Rdnr. 11; Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 26 b.61 MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 187; Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 26.

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Bei der Umstellung einer Wertsicherungsklausel auf den VPI im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wird dasBestimmtheitserfordernis gewahrt. Der neue VPI wird wie diefrüheren vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Le-benshaltungskostenindizes in allgemein zugänglichen Quel-len, insbesondere im Bundesanzeiger, in der NJW und in derDNotZ veröffentlicht. Gleiches gilt für die im Wege derergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Umstellungauf den VPI. Auf der Basis 2000 = 100 hat das StatistischeBundesamt den neuen VPI bis Dezember 1999 zurückgerech-net.62 Gleichzeitig wurden die alten Lebenshaltungskostenin-dizes noch bis zum 31.12.2002 fortgeführt. Eine Umrechnungder alten Indexwerte auf den VPI zum maßgeblichen Zeit-punkt 31.12.2002 ist daher anhand der Veröffentlichungen desStatistischen Bundesamtes ohne weiteres möglich. Zusätzlichbietet das Statistische Bundesamt ein kostenfreies Umrech-nungsprogramm im Internet an.63 Im Ergebnis ist daher auchdie Umstellung auf den Verbraucherpreisindex VPI bei einerWertsicherungsklausel offenkundig i. S. d. § 291 ZPO. Wegender sich aus einer Wertsicherungsklausel ergebenden Er-höhungsbeträge nach Umstellung auf den Verbraucherpreis-index VPI ab dem Jahr 2003 ist somit eine Zwangsvoll-streckung ohne Bedenken zulässig.

b) Beamtengehalt als Bezugsgröße einerWertsicherungsklausel

Zweifel an dem vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitser-fordernis bestehen allerdings, wenn in einer Wertsicherungs-klausel nicht auf einen vom Statistischen Bundesamt ver-öffentlichten Lebenshaltungspreisindex abgestellt wird, son-dern auf ein bestimmtes Beamtengehalt und es hierbei zustrukturellen Veränderungen kommt. Nach der Rechtspre-chung hilft zwar auch hier eine ergänzende Vertragsausle-gung.64 In den von der Rechtsprechung bislang entschiedenenFällen ging es indessen nur um die schuldrechtliche „Be-stimmbarkeit“, nicht aber um die vollstreckungsrechtlicheBestimmtheit.65 Die ergänzende Vertragsauslegung führt zwardazu, dass hier der wertgesicherte Geldbetrag bestimmbar ist.Vollstreckungsfähig ist er damit aber noch nicht. Anders alsbei der Ersetzung der weggefallenen Lebenshaltungskosten-indizes des Statistischen Bundesamtes durch den Verbrau-cherpreisindex VPI gibt es bei strukturellen Veränderungeneiner Wertsicherungsklausel, die auf ein Beamtengehalt Be-zug nimmt, i. d. R. mehrere Alternativen einer Vertragsanpas-sung. Insbesondere ist es nicht „offenkundig“ i. S. d. § 291ZPO, auf welche Weise eine Vertragsanpassung erfolgt. Mitdem formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren ist es abernicht vereinbar, wenn die Vollstreckungsorgane eine mate-riell-rechtliche Prüfung vornehmen müssen, um die erforder-lichen Vollstreckungsmaßnahmen durchführen zu können.66

Eine Zwangsvollstreckung wegen der Erhöhungsbeträge ausder Wertsicherungsklausel ist in diesen Fällen nicht möglich.Notwendig ist hier eine einvernehmliche Vertragsanpassung,

271MittBayNot 4/2005 Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

auf die nach § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrund-lage Anspruch besteht und die ggf. im Klagewege durchzuset-zen ist.

In der notariellen Praxis sollte deshalb bei Wertsicherungs-klauseln nicht mehr auf ein bestimmtes Beamtengehalt Bezuggenommen werden. Richtig erscheint vielmehr, stattdessennur noch auf den Verbraucherpreisindex VPI abzustellen.

3. Zuständigkeit für die Berechnung des Erhöhungsbetrages

Eine andere Frage ist es, ob es ausreicht, wenn der Notar beiErteilung der vollstreckbaren Ausfertigung lediglich erklärt,dass „die vorstehende Ausfertigung dem XY zum Zwecke derZwangsvollstreckung erteilt wird“, und die Feststellung dereigentlichen Höhe des zu vollstreckenden Geldbetrags demVollstreckungsorgan überlassen kann oder ob der Notar in derVollstreckungsklausel selbst den sich aufgrund der Wertsiche-rungsklausel einschließlich der Umstellung auf den neuenVerbraucherpreisindex ergebenden Geldbetrag beziffern muss.

Wolfsteiner geht davon aus, dass der Notar selbst im Klausel-erteilungsverfahren die maßgeblichen Berechnungen durch-führen muss, nicht aber das Vollstreckungsorgan.67 An andererStelle heißt es dagegen, es genüge, „dass das Vollstreckungs-organ die zu erzwingende Leistung aus dem Titel in Verbin-dung mit anderen allgemein zugänglichen Daten feststellenkann.“68 Auch der BGH hat es in seinem Beschluss vom10.12.200469 genügen lassen, wenn die Berechnung mit Hilfeoffenkundiger, insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt oderdem Grundbuch ersichtlicher Umstände möglich ist. Soweitden veröffentlichten Urteilsgründen zu entnehmen ist, war inder dem Beschluss zugrundeliegenden Vollstreckungsklauselder aufgrund der Wertsicherungsklausel geschuldete Geldbe-trag ebenso nicht beziffert. Die maßgebliche Berechnung derForderungshöhe erfolgte durch das Amtsgericht als Voll-streckungsorgan bzw. durch das Beschwerdegericht.

Im Ergebnis knüpft der BGH mit dieser Aussage an seineältere Rechtsprechung an. Bereits in der Grundsatzentschei-dung aus dem Jahr 195670 stellt er bei der Frage der Be-stimmtheit darauf ob „der Gerichtsvollzieher … bei Vollstre-ckungstiteln auf Zahlung von Zinsen … Höhe und Zeitpunktder Wirksamkeit des neuen Zinssatzes leicht und eindeutigfeststellen kann.“ Damit bringt der BGH zumindest konklu-dent zum Ausdruck, dass das jeweilige Vollstreckungsorgandie maßgeblichen Berechnungen durchführt. Auf derselbenLinie liegen die Entscheidungen des OLG Nürnberg71 und dasLG Essen72. Beide begründen die vollstreckungsrechtlicheUnbestimmtheit einer Wertsicherungsklausel damit, dass eineBerechnung für das Vollstreckungsorgan zu schwierig unddeshalb unzumutbar ist. Damit gehen auch sie unausgespro-chen davon aus, dass das jeweilige Vollstreckungsorgan fürdie Berechnung der Erhöhungsbeträge zuständig ist. Auch dasOLG Düsseldorf vertritt diese Ansicht.73 Es hat jedoch weiter

67 Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 36.16, 49.10 undRdnr. 26.8. Im Ergebnis auch Müller-Frank, MittRhNotK 1975, 355,396.68 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl. 2003, Rdnr. 42;ebenso Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 423 f.69 MittBayNot 2005, 329 (in diesem Heft).70 BGHZ 22, 54, 61 = DNotZ 1957, 200.71 NJW 1957, 1286, 1287 = DNotZ 1957, 665.72 NJW 1972, 2050 = DNotZ 1973, 26.73 NJW 1971, 436, 437.

62 Vgl. Rasch, DNotZ 2003, 730.63 http://www. destatis.de/wsk/. Siehe dazu aber Reul, DNotZ 2003,92, 103.64 BGH, WM 1964, 906; WM 1968, 833; BB 1976, 1483; BB 1983,215; OLG Hamm, WM 1970, 1239; OLG Düsseldorf, DB 1978,2166; Dürkes, C Rdnr. 161 ff.; Staudinger/Karsten Schmidt, vor § 244Rdnr. D 175 ff., jeweils m. w. N.65 BGH, WM 1964, 906; WM 1968, 833; BB 1976, 1483; BB 1983,215; OLG Hamm, WM 1970, 1239; OLG Düsseldorf, DB 1978,2166.66 Mümmler, Rpfleger 1973, 124, 125 f.; Wieczorek/Schütze/Heß,§ 704 Rdnr. 7; Winkler, § 52 Rdnr. 22.

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darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die Vollstre-ckungsorgane allgemein gestiegen sind. Allgemein anerkanntist, dass die Vollstreckungsorgane die Höhe der Zinsen zuerrechnen haben, die von einem bestimmten Basiszinssatzabhängig sind.74 Gleiches gilt im Hinblick auf den Beginn der Verzinsung, wenn diese beispielsweise auf eine Grund-bucheintragung abstellt.75 Ausdrücklich behandelte der BGHdiese Problematik dann in einer Entscheidung aus dem Jahr1993.76 Dort ging es um die Zwangsvollstreckung aus einemitalienischen Gerichtsurteil in Deutschland wegen einer Geld-forderung. Nach dem Inhalt des Urteils waren die bei deritalienischen Lira zwischenzeitlich eingetretenen Währungs-aufwertungen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf künftigeEntwicklungen wegen der Höhe der zu vollstreckenden For-derung ist nach Ansicht des BGH „das Vollstreckungsorgangefordert und berechtigt, die nötige Bestimmung selbst vor-zunehmen, soweit dies aus dem Titel einschließlich etwaigerEntscheidungsgründe selbst oder aufgrund allgemein zugäng-licher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, aufdie der Titel verweist, möglich ist.“77

Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.78 Sie sind letzt-lich die logische Konsequenz der oben getroffenen Feststel-lung, dass eine Geldforderung, die mit einer Wertsicherungs-klausel versehen ist, auch dann vollstreckungsrechtlich aus-reichend bestimmt ist, wenn der der Wertsicherungsklauselzugrundeliegende Lebenshaltungspreisindex anhand allgemeinzugänglicher Quellen ermittelt werden kann. Dies ist auchdann der Fall, wenn ein solcher Lebenshaltungspreisindexnicht mehr fortgeführt wird und im Wege der ergänzendenVertragsauslegung durch den neuen VerbraucherpreisindexVPI ersetzt wird.

Unbenommen ist es dem Notar freilich, wenn er in der Voll-streckungsklausel selbst den zu vollstreckenden Geldbetrag,wie er sich unter Zugrundelegung der Wertsicherungsklauseleinschließlich der Umstellung auf den VPI ergibt, nennt. Da-mit verhindert der Notar das möglicherweise faktisch be-stehende Problem, wenn sich das Vollstreckungsorgan ggf.weigert, die entsprechende Berechnung selbst vorzunehmen.Ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht ist damit nicht zu be-sorgen. Regelmäßig ist es ja der Notar selbst, der die Klauselentworfen und in die Urkunde aufgenommen hat.

4. Vollstreckung im Ausland

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings in demEntwurf der Bundesregierung eines EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetzes enthalten.79 Mit der Verordnung desEuropäischen Parlaments und Rates vom 21.4.2004, in Kraftgetreten am 21.1.2005, wird ab dem 21.10.2005 ein Europäi-scher Vollstreckungstitel für unbestrittene Geldforderungen in

272 MittBayNot 4/2005Reul · Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden

Zivil- und Handelssachen geschaffen.80 Dieser EuropäischeVollstreckungstitel soll Gläubigern eine effizientere grenzüber-schreitende Vollstreckung ermöglichen. Für bestimmte Titelüber unbestrittene Geldforderungen entfallen alle Zwischen-verfahren, die bisher der Vollstreckung aus ausländischenTiteln vorgeschaltet sind. Nach dem Entwurf eines EG-Voll-streckungstitel-Durchführungsgesetzes der Bundesregierungzur Umsetzung dieser Verordnung soll an deren Stelle eine„Bestätigung“ nach §§ 1079 ff. ZPO n. F. treten. Zuständig fürdie Erteilung der Bestätigung sind die Gerichte, Behördenoder Notare, denen die Erteilung einer vollstreckbarenAusfertigung obliegt. Zu dem Zweck, dass möglichst vieledeutsche Titel als Europäische Vollstreckungstitel bestätigtwerden können, enthält § 790 ZPO in der Fassung des EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetzes besondere Vor-schriften für die Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel imAusland, wenn der Titel den Unterhalt nach § 1612 a BGB alsVomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags nach der Regel-betrags-VO festsetzt.81 Nach dem Gesetzentwurf ist aufAntrag der geschuldete Unterhalt zu beziffern. Zuständig fürdie Bezifferung sind die Gerichte, Behörden oder Notare,denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung desTitels obliegt.

Mit diesem Gesetzentwurf bestätigt die Bundesregierungletztlich das hier gefundene Ergebnis. Nur für eine Vollstre-ckung im Ausland kann die Bezifferung eines im Übrigen aus-reichend bestimmten Vollstreckungstitels von dem die Voll-streckungsklausel erteilenden Organ gefordert werden. Füreine Vollstreckung im Inland kann dagegen auf eine solcheBezifferung im Klauselerteilungsverfahren verzichtet werden.

V. Zusammenfassung

Erhöhungsbeträge aus Wertsicherungsklauseln in notariellenUrkunden sind vollstreckungsfähig. Dem Bestimmtheitser-fordernis genügen jedenfalls solche Wertsicherungsklauseln,die auf einen vom Statistischen Bundesamt veröffentlichtenLebenshaltungspreisindex Bezug nehmen. Die Vollstreckbar-keit der Erhöhungsbeträge ist auch nach 2003 gewährleistet.Die nicht mehr fortgeführten Lebenshaltungskostenindizeswerden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durchden neuen Verbraucherpreisindex VPI ersetzt. Auch in diesemFall ist die Berechnung des Erhöhungsbetrages mit Hilfeoffenkundiger Umstände möglich.

Zweifel bestehen an der vollstreckungsrechtlichen Bestimmt-heit dagegen, wenn in einer Wertsicherungsklausel auf ein be-stimmtes Beamtengehalt Bezug genommen wird. Bei struktu-rellen Veränderungen ist das Bestimmtheitserfordernis einersolchen Wertsicherungsklausel nicht mehr erfüllt. In der nota-riellen Praxis sollten daher solche Wertsicherungsklauselnnicht mehr verwendet werden.

Bei der Zwangsvollstreckung aus einer Wertsicherungsklau-sel ist das Vollstreckungsorgan zur Berechnung des Erhöhungs-betrages verpflichtet, der Notar dagegen nicht. Der Notar darfjedoch im Klauselerteilungsverfahren die notwendige Be-rechnung durchführen und in die Vollstreckungsklausel auf-nehmen, insbesondere um eine schnellere Erledigung des Voll-streckungsauftrags durch das Vollstreckungsorgan zu fördern.

74 OLG Düsseldorf, NJW 1971, 436, 437.75 Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 423.76 BGHZ 122, 16 = NJW 1993, 1801.77 BGHZ 122, 16, 18 = NJW 1993, 1801, 1802; ebenso Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 153; Stürner/Münch, JZ 1987, 178, 182 f.78 Ebenso Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 424; vgl. auch Münch,DNotZ 1995, 749, 752.79 Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG)Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbe-strittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz)vom 4.2.2005, BR-Drucks. 88/05.

80 ABl. EU Nr. L 143, S. 15.81 Siehe dazu oben II. 4.

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I. Allgemeines zur Betriebsprämienregelung

Die Betriebsprämienregelung, in der alle von der Produktionentkoppelten Direktzahlungen zusammengefasst werden, istdas Herzstück der beschlossenen Agrarreform. Im Zusammen-hang mit dieser Betriebsprämienregelung wird es auch diemeisten Berührungspunkte geben, die für den juristischen Be-rufsstand bedeutsam sein können. Nachfolgend soll daher eineschematische Darstellung gegeben werden, wie das in Deutsch-land zur Anwendung kommende Entkopplungsmodell hin-sichtlich der Betriebsprämienregelung ausgestaltet ist.2

Wie oben bereits angemerkt, werden die bisherigen Direkt-zahlungen in Deutschland weitestgehend entkoppelt, mit derFolge, dass zwischen ihnen und der Art bzw. dem Umfang derlandwirtschaftlichen Produktion kein Zusammenhang mehrbesteht. Die entkoppelten Direktzahlungen werden nun in die Betriebsprämienregelung überführt und unterliegen inZukunft den einheitlichen Bestimmungen dieser Regelung.Im Zusammenhang mit der Betriebsprämienregelung ist nunwesentlich, dass die Ansprüche der Betriebsinhaber auf ent-koppelte Zahlungen auf der Basis eines Referenzbetrages

273MittBayNot 4/2005 Fischer · EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis

3 Da für Milch im Zeitraum 2000 bis 2002 noch keine Direktzah-lungen erfolgten, wird in diesem speziellen Fall ein anderer Bezugs-punkt gewählt, nämlich die Höhe der verfügbaren einzelbetrieblichenReferenzmenge zum Stichtag 31.3.2005.4 Prämienrechtlich wird Deutschland in 13 Regionen unterteilt; vgl.nachfolgende Tabelle.

1 Für einen ersten Überblick zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsver-fahrens siehe Schmitte, MittBayNot 2004, 95 ff.2 Die wichtigsten Reformbestimmungen finden sich in der VO (EG)Nr. 1782/2003, den EG-Durchführungs-VO (EG) Nr. 795/2004 und(EG) Nr. 796/2004 (in den jeweils gültigen Fassungen), dem Betriebs-prämiendurchführungsgesetz (vom 21.7.2004, BGBl I, S. 1763, 1861),der Betriebsprämiendurchführungsverordnung (vom 3.12.2004, BGBl I,3204) sowie der InVeKoS-Verordnung (vom 26.7.2004, BGBl I,1868).

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eEU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis

Von Ass. jur. Roman Fischer, Bayerischer Bauernverband, München

Im Jahr 2005 kommen durch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Reform) auf die Landwirtschaft umfangreicheNeuregelungen bei den EU-Direktzahlungen zu. Die wichtigsten Änderungen hierbei sind die Entkopplung der Direktzahlun-gen von der Produktion durch die Einführung sogenannter Zahlungsansprüche, die Verknüpfung der Direktzahlungen mit derEinhaltung des landwirtschaftlichen Fachrechts bzw. mit den national festgelegten Bestimmungen für den Erhalt der Flächen ingutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, und die verpflichtende Einführung von Modulationskürzungen. Wenn-gleich die Reform natürlich in erster Linie den unmittelbar betroffenen bäuerlichen Berufsstand tangiert, sind zumindest auchdie rechtsberatenden Berufe mit den sich aus der Reform ergebenden Konsequenzen konfrontiert. Hierzu ist es notwendig,zunächst einen Überblick über die wesentlichen Eckpunkte der Agrarreform zu geben.1

Im Mittelpunkt der Reformbeschlüsse steht die Entkopplung des größten Teils der bislang als Flächen- oder Tierprämienbekannten Direktzahlungen von der landwirtschaftlichen Produktion. Künftig wird die Gewährung der Zahlungen nicht mehrdavon abhängen, welches Produkt in welcher Menge erzeugt wird. In Deutschland erfolgt die Entkopplung zunächst über einsogenanntes Kombinationsmodell, bei dem zwei mögliche Arten der Verteilung der entkoppelten Direktzahlungen miteinanderkombiniert werden. Ein Teil der entkoppelten Direktzahlungen wird nach den Grundsätzen des Regionalmodells, bei demgleichmäßig hohe Beträge je Hektar gewährt werden, verteilt. Vom Umfang der Fläche, über die ein Betrieb zu einembestimmten Zeitpunkt verfügt, hängt dann die Höhe der dem Betriebsinhaber zugewiesenen entkoppelten Direktzahlungen ab.Ein anderer Teil der entkoppelten Direktzahlungen wird nach den Grundsätzen des Standardmodells (auch historisches Modellgenannt) verteilt, wobei hier die Höhe der in der Vergangenheit erhaltenen Direktzahlungen die Höhe der zukünftig gewährtenDirektzahlungen eines Betriebes bestimmt.

Hinzuweisen ist vorab noch darauf, dass die Entkopplung der Direktzahlungen nicht alle Prämienarten erfasst, sondern es auchkünftig noch verschiedene Zahlungen gibt, deren Gewährung teilweise oder vollständig an die Produktion des jeweiligen Er-zeugnisses gebunden ist (z. B. die weiterhin gekoppelten Zahlungen für Eiweißpflanzen, Schalenfrüchte, Energiepflanzen, Stärke-kartoffeln sowie – vorübergehend – Tabak) und dass Voraussetzung für die Ausbezahlung der künftigen Direktzahlungen dieEinhaltung von bestimmten Bewirtschaftungsauflagen (den sogenannten Cross-Compliance-Regelungen, die die landwirtschaft-lichen Flächen, die landwirtschaftliche Erzeugung und die landwirtschaftliche Tätigkeit betreffen) durch den Antragsteller ist.

ermittelt werden. Dieser Referenzbetrag wird von der jeweilszuständigen Landesbehörde festgesetzt und setzt sich zu-sammen aus einem betriebsindividuellen Betrag und einemflächenbezogenen Betrag.

Der betriebsindividuell zuzuweisende Betrag errechnet sichaus dem Mittel bestimmter, von dem jeweiligen Betriebsbe-wirtschafter im Bezugszeitraum 2000 mit 2002 durchschnitt-lich erhaltener Direktzahlungen bzw. Prämienzahlungen (wiez. B. Sonderprämie für männliche Rinder, Schlachtprämie fürKälber, Mutterkuhprämie, Mutterschaftsprämie usw.), wobeiallerdings hierbei wiederum verschiedene Korrekturen vorge-nommen werden, auf die aber nachfolgend nicht eingegangenzu werden braucht.3

Der flächenbezogene Betrag eines Betriebes im Jahr 2005ergibt sich aus dem Umfang seiner angemeldeten beihilfe-fähigen Fläche zum Stichtag 17.5.2005, die dann mit den ent-sprechenden flächenbezogenen Beträgen je Hektar multi-pliziert wird. Die betragsmäßige Höhe der flächenbezogenenBeträge (Hektarprämienrechte), die für Ackerland und fürDauergrünland zugewiesen werden, sind nicht bundeseinheit-lich festgelegt, sondern werden in den verschiedenen Regio-nen4 individuell festgesetzt. Da die exakte Höhe erst nach derAuswertung der Anträge 2005 feststeht, kann sie heute auchnoch nicht genau beziffert werden.

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Übersicht Hektarprämienrechte5

Region 2005 2013

Flächen- Flächen- Einheit-bezogener bezogener liches Dauer- Acker- Hektar-grünland- flächen- prämien-betrag betrag recht

Baden-Württemberg 56 317 302

Bayern 89 299 340

Brandenburg/Berlin 70 274 293

Hessen 47 327 302

Mecklenburg-Vorpommern 61 316 322

Niedersachsen/Bremen 102 259 326

Nordrhein-Westfalen 111 283 347

Rheinland-Pfalz 50 288 280

Saarland 57 296 265

Sachsen 67 321 349

Sachsen-Anhalt 53 337 341

Schleswig-Holstein/Hamburg 124 301 360

Thüringen 61 338 345

Ob einer beihilfefähigen Fläche ein flächenbezogener Betragfür Ackerland oder Dauergrünland zugewiesen wird, hängtgrundsätzlich davon ab, welchen Status diese Fläche am15.5.2003 besessen hat. War die Fläche zum damaligen Zeit-punkt Dauergrünland, erhält sie einen flächenbezogenen Be-trag für Dauergrünland, auch wenn sie 2005 als Ackerland ge-nutzt wird. Wurde sie am 15.5.2003 nicht als Dauergrünlandgenutzt, sondern zum Beispiel als Ackerland, Dauerkulturoder zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken, und wurde sie2005 als Ackerland genutzt, erhält sie einen flächenbezoge-nen Betrag für Ackerland.

Für die Zuteilung der Zahlungsansprüche, womit nachfolgenddie handelbaren Rechte, die, wenn sie mit einer entsprechen-den beihilfefähigen Fläche aktiviert werden, zum Erhalt derentkoppelten Direktzahlung berechtigten, bezeichnet werden,ist es unerheblich, ob es sich bei der beihilfefähigen Flächeum Eigentums- oder Pachtflächen handelt. Entscheidend istnur, wer die beihilfefähige Fläche am Stichtag 17.5.2005 be-wirtschaftet. Daher erhalten die Pächter landwirtschaftlicherFlächen auf Antrag die dazugehörigen Zahlungsansprüchezugewiesen. Zugewiesen werden die Zahlungsansprüche ent-sprechend auch dem Käufer eines Grundstückes oder land-wirtschaftlichen Betriebs, sofern diesem die Kaufsache we-nigstens bereits zum Stichtag zur Bewirtschaftung überlassenist, also die Nutzen und Lasten zu diesem Zeitpunkt bereitsauf den Käufer übergegangen sind. Da es hinsichtlich der Zu-weisung der Zahlungsansprüche eben gerade nicht auf dasFlächeneigentum, sondern auf die Flächenbewirtschaftungankommt, ist es für die Zuweisung der Zahlungsansprüche so-mit unerheblich, ob der Käufer bereits ins Grundbuch einge-tragen ist oder ihm aufgrund des Kaufvertrages zunächst dieBewirtschaftung eingeräumt ist. Soweit in einem besondersdringlichen Fall ein Notartermin zur Beurkundung des Kauf-vertrages nicht mehr vor dem Stichtag vereinbart werden

274 MittBayNot 4/2005Fischer · EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis

konnte, würde es zunächst ausreichen, dem Kaufvertragsab-schluss einen Pachtvertragsabschluss vorzuschalten.

Mit den Beschlüssen zur Agrarreform wurden die nichtflächenakzessorisch ausgestalteten Zahlungsansprüche be-wusst den Betriebsinhabern als Bewirtschaftern der Flächenzugeordnet, und zwar unabhängig davon, ob sie Eigentümeroder Pächter der Flächen sind. Da zudem ausschließlich denBetriebsinhabern das Verfügungsrecht über diese Zahlungs-ansprüche zusteht, ist strittig, ob ein Pächter, der Flächen vordem 17.5.2005 gepachtet und mit diesen Flächen Zahlungs-ansprüche beantragt hat, nach Pachtende dem Verpächter ne-ben der Rückgabe der Flächen auch die Übertragung von Zah-lungsansprüchen schuldet.6 Zum einen wird vertreten, dass,insbesondere schon wegen der durch die EG-rechtlichen Be-stimmungen besonders gestalteten Zahlungsansprüche, keineÜbertragungspflicht bestehe.7 Nach einer anderen Meinungseien mit der Flächenrückgabe gemäß § 596 BGB auch Zah-lungsansprüche zu übertragen.8 Die endgültige Klärung die-ser Frage wird der Rechtsprechung vorbehalten sein. Aller-dings werden die vielfach angeführten Befürchtungen derVerpächter, dass bei einer erneuten Verpachtung der Flächenohne Zahlungsansprüche nur noch geminderte Pachthöhenausgehandelt werden könnten, gerade im deutschen Kombi-modell, wenn überhaupt, nur kurzfristig zutreffend sein. Dennim Rahmen des Kombimodells werden grundsätzlich Zah-lungsansprüche für alle landwirtschaftlichen Nutzflächen – nur mit Ausnahme von Dauerkulturen – zugewiesen und„prämienfreies Land“ wird daher zur Ausnahme. In Folge desEntzugs landwirtschaftlicher Flächen für nichtlandwirtschaft-liche Zwecke, vor allem durch Überbauung, werden baldmehr Zahlungsansprüche als aktivierbare Fläche vorhandensein. Immerhin werden der Landwirtschaft nach wie vor noch ca. 40.000 bis 50.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche jähr-lich entzogen. Das knappe Gut werden mittelfristig dahernicht Zahlungsansprüche, sondern „Aktivierungsflächen“ sein,mit denen Zahlungsansprüche zur Auszahlung gebracht wer-den können. Da zumindest längerfristig ein nicht unerheb-liches Überangebot an „Zahlungsansprüchen“ vorherrschenwird – bei gleichzeitig sinkender Nachfrage nach Zahlungs-ansprüchen – , lässt sich, da Angebot und Nachfrage bekannt-lich den Preis regeln, absehen, in welche Richtung der Wertsolcher Zahlungsanprüche gehen wird.

Der für die jeweiligen Betriebe errechnete Referenzbetrag als Summe aus dem betriebsindividuellen Betrag und demflächenbezogenen Betrag stellt eine Größe dar, die die Ge-samtsumme der einem Betrieb im ersten Jahr der Antrag-stellung grundsätzlich zustehenden Direktzahlungen im Rah-men der Betriebsprämienregelung angibt. Um aber einen Be-zug zwischen den Direktzahlungen und der beihilfefähigenFläche eines Betriebes herzustellen und um die Betriebs-prämienregelung für die künftigen Jahre handhabbarer undflexibler zu gestalten, wird der ermittelte Referenzbetrag beider Zuweisung an die landwirtschaftlichen Betriebe in soge-nannte Zahlungsansprüche aufgeteilt. Der Umfang der bei-hilfefähigen Fläche eines Betriebes zum Stichtag 17.5.2005bestimmt gleichzeitig auch die Anzahl der Zahlungsansprüche,die einem Betriebsinhaber zugewiesen werden. Da landwirt-schaftliche Betriebe in der Regel nicht über eine beihilfe-

5 Schätzwerte des BMVEL; die endgültige Höhe der flächenbezo-genen Beträge hängt vom Umfang der 2005 angemeldeten beihilfe-fähigen Fläche ab.

6 Soweit im Pachtvertrag keine diesbezügliche Regelung getroffenwurde.7 U. a. Dehne, Die Entkoppelung macht nur Juristen glücklich, Land& Forst, Ausgabe vom 14.4.2003, S. 6–8; Jeinsen, Agrar- und Um-weltrecht 2003, 293–297.8 BMVEL, Meilensteine der Agrarpolitik, S. 22.

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fähige Fläche verfügen, die einer glatten Hektarzahl entspricht,entstehen regelmäßig Bruchteile eines Zahlungsanspruchs.Der Wert der einzelnen Zahlungsansprüche hängt wiederumvon der Höhe des betriebsindividuellen Betrages des jeweili-gen Betriebes sowie dem flächenbezogenen Betrag je HektarDauergrünland beziehungsweise Ackerland der Region ab, inder sich die entsprechende Fläche befindet. Je nachdem, ob ineinen Zahlungsanspruch der flächenbezogene Betrag fürDauergrünland oder Ackerland eingegangen ist, spricht manauch von Zahlungsansprüchen für Dauergrünland oder Acker-land.9

Soweit einem Betrieb ein betriebsindividueller Betrag zuge-sprochen wird, weil entsprechende Direktzahlungen (z. B.Bullenschlachtprämien) im Bezugszeitraum 2000 mit 2002bezogen wurden, wird dieser betriebsindividuelle Betraggleichmäßig auf die vorhandenen Acker- und Dauergrünland-zahlungsansprüche des Betriebs aufgeteilt. Dabei wird keinUnterschied zwischen Zahlungsansprüchen für Ackerlandund Dauergrünland gemacht. Entsprechend erhöht sich derWert dieser Zahlungsansprüche. Der betriebsindividuelleBetrag bildet sozusagen das Sahnehäubchen, das auf denflächenbezogenen Betrag aufgesetzt wird. Dieser Betrag wirddeshalb regelmäßig auch als „Top-Up“10 bezeichnet. Derflächenbezogene Betrag verschmilzt auf diese Weise mit dembetriebsindividuellen Betrag zu einem untrennbaren Gesamt-wert des Zahlungsanspruchs. Das Top-Up des Zahlungsan-spruchs kann daher nicht von diesem „abgeschöpft“ und aufeinen anderen Zahlungsanspruch „draufgesetzt“ oder in sons-tiger Weise verwertet werden.

Da die Höhe des betriebsindividuellen Betrages von Betriebzu Betrieb unterschiedlich hoch ausfällt, unterscheiden sich(obwohl innerhalb einer Region die Beträge für Ackerflächenund die Beträge für Dauergrünlandflächen gleich sind) dieWerte der Zahlungsansprüche der Betriebe innerhalb einerRegion teilweise deutlich voneinander. Langfristig wird dasKombinationsmodell in ein reines Regionalmodell überführtwerden, wozu die von Betrieb zu Betrieb unterschiedlichhohen Werte der Zahlungsansprüche schrittweise zu regionaleinheitlichen Zahlungsansprüchen umgewandelt werden.Dieser Übergang erfolgt in der sogenannten Angleichungs-phase oder Abschmelzungsphase zwischen den Jahren 2010und 2013. Mit Beendigung der Abschmelzung ist dann derÜbergang vom Kombinations- zum Regionalmodell abge-schlossen.

Die Zuteilung der Zahlungsansprüche an den Bewirtschaftererfolgt nur auf Antrag. Dieser einmalig einzureichende An-trag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen ist grundsätz-lich gemeinsam mit dem Sammelantrag bzw. Mehrfachantragbei der zuständigen Landesstelle zu stellen. Grundsätzlichmusste der Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche imersten Jahr der Betriebsprämienregelung gestellt werden undzwar bis zum 17.5.2005.11 Vorbehaltlich der Fälle höherer

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Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände verringert sich beiverspäteter Einreichung des Antrags auf Festsetzung von Zah-lungsansprüchen die im Jahr 2005 zu gewährende Betriebs-prämie um jeweils drei Prozent je Arbeitstag Verspätung. Be-trägt die Verspätung mehr als 25 Kalendertage, so wird derAntrag ganz abgelehnt. Ein Antrag auf Festsetzung von Zah-lungsansprüchen kann nur dann noch zu einem späteren Zeit-punkt gestellt werden, wenn eine Antragstellung im Jahr 2005aufgrund eines Falles höherer Gewalt oder außergewöhn-licher Umstände nicht möglich war, oder in Einzelfällen wieNeueinsteigerregelung bzw. Übertragung verpachteter Flächeneine Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalenReserve beantragt wird, die erst nach 2005 bewilligt werdenkann.

Die endgültige Festsetzung der Zahlungsansprüche erfolgtspätestens bis zum 31.12.2005. Der Betriebsinhaber erhältdann einen Bescheid, aus dem Anzahl, Art und Wert seinerZahlungsansprüche hervorgehen. Wie diese Festsetzungsbe-scheide und insbesondere die zugewiesenen Zahlungsansprü-che konkret aussehen, steht derzeit noch nicht fest. Darüberhinaus ist vorgesehen, dass für jeden Betriebsinhaber eineigenes Konto bei einer zentralen Datenbank angelegt wird, indem die Zahlungsansprüche mit ihrem Wert und der jewei-ligen Nutzung aufgeführt werden. Dies dient auch dazu, denHandel mit Zahlungsansprüchen verfolgen zu können.

Zahlungsansprüche können, sofern ein entsprechender Antraggestellt wird, grundsätzlich nur festgesetzt werden, wenn

(1) es sich beim Antragsteller um einen Betriebsinhaberhandelt. Als solcher gelten alle natürlichen oder juristischenPersonen, sowie Vereinigungen natürlicher oder juristischerPersonen, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit12 ausüben.

(2) der Betriebsinhaber zum 17.5.2005 über eine beihilfe-fähige13 Fläche von mindestens 0,3 Hektar verfügt.

II. Spezielle Fragenkreise zur Betriebs-prämienregelung

1. Zurechnung von betriebsindividuellen Beträgen auf Neubewirtschafter

Da für die Zuweisung des flächenbezogenen Betrages derUmfang der dem Antragsteller am 17.5.2005 zur Verfügungstehenden bewirtschafteten beihilfefähigen Flächen ausschlag-gebend ist, fallen der Termin der Antragstellung und der fürdie Zuweisung der flächenbezogenen Beträge entscheidendeZeitpunkt zusammen. Insoweit bestehen hier überwiegendkeine Probleme.

Bei der Zuweisung des betriebsindividuellen Betrags, ausdem die „Top-Ups“ auf die Flächenbeträge aufgesattelt wer-den, ist dagegen zu berücksichtigen, dass zwischen dem maß-geblichen Bezugszeitraum (2000 mit 2002) und der Antrag-stellung mehrere Jahre liegen. Relativ unproblematisch istdieser Umstand dann, wenn die Person des Bewirtschafters„gleich“ geblieben ist in dem Sinne, dass der Bewirtschafter,

12 Als landwirtschaftliche Tätigkeit gelten bisher die Erzeugung,die Zucht und der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, ein-schließlich Ernten, Melken, Zucht oder Haltung von Tieren für land-wirtschaftliche Zwecke. Künftig zählt aber auch die Instandhaltungvon aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommenen Flächenals landwirtschaftliche Tätigkeit.13 Flächen, die überwiegend anderen als landwirtschaftlichenZwecken dienen, wie zum Beispiel Parkflächen, Golfplätze, Straßen-begleitflächen, bleiben unberücksichtigt.

9 Diese Bezeichnung ist allerdings nur bei der erstmaligen Zutei-lung der Zahlungsansprüche von Bedeutung und ist für die künftigenJahre irrelevant, da die Zahlungsansprüche grundsätzlich mit jeg-licher beihilfefähiger Fläche aktiviert werden können (Ausnahmenbei OGS-Flächen und Zahlungsansprüchen bei Stilllegung).10 Wegen der Herkunft aus dem betriebsindividuellen Prämienan-teil auch „BIP“ bezeichnet.11 Für die Antragstellung der meisten Stützungsregelungen ist grund-sätzlich der 15.5. des Kalenderjahres maßgebend; da dieser Tag imJahr 2005 auf Pfingstsonntag fällt, endete die Antragsfrist aufgrundallgemeiner Verwaltungsbestimmungen ausnahmsweise am erstendarauffolgenden Arbeitstag, also am 17.5.2005.

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der am 17.5.2005 den Antrag stellt, auch schon in dem maß-geblichen Zeitraum 2000 mit 2002 einen Betrieb bewirtschaf-tet hat. In diesem Falle werden ihm die im Zeitraum 2000 mit2002 erzielten Prämien auf den betriebsindividuellen Betragzugerechnet. Probleme treten dagegen auf, wenn beispiels-weise ein Bewirtschafter zwar im Zeitraum 2000 mit 2002einen Betrieb führte, in dem er für den betriebsindividuellenBetrag relevante Prämien erzielte, der Bewirtschafter abernoch vor dem maßgeblichen Antragsstichtag (17.5.2005) denBetrieb auf einen Dritten übertragen hat. Das Problem liegthier darin, dass der Erwerber zwar zum maßgeblichen Stich-tag mit den dann von ihm bewirtschafteten Flächen einenAntrag stellen kann und ihm Zahlungsansprüche für diesebewirtschafteten Flächen zugewiesen werden, dass aber derAntragsteller eben in dem für die Zuteilung des betriebs-individuellen Betrags maßgeblichen Zeitraum 2000 mit 2002selbst keine auf den betriebsindividuellen Betrag zuzurech-nenden Prämien erzielte.

Nachfolgend soll dargestellt werden, unter welchen Bedin-gungen eine Übertragung oder Zuweisung von betriebsindivi-duellen Beträgen auf einen „Neubewirtschafter“ möglich ist.

a) Vererbung oder vorweggenommene Erbfolge

Bei einer Vererbung oder vorweggenommenen Erbfolge trittder Erbe grundsätzlich in die Rechtsposition des Erblassersein und erhält bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche diebetriebsindividuellen Beträge des Erblassers zugewiesen, so-fern ihm die Bewirtschaftereigenschaft zusteht. Im Falle der„echten“ Vererbung, die anhand eines Erbscheins nachzuwei-sen ist, beantragt der Erbe die Zuweisung der Zahlungsan-sprüche (und damit die Berechnung des betriebsindividuellenBetrages) für den erhaltenen Betrieb oder Betriebsteil.

Beispiel: Landwirt L, der Inhaber eines Mutterkuhbetrie-bes ist, verstirbt im Jahr 2003 und wird von E beerbt.Aufgrund des Antrages von E werden diesem für dieFestsetzung der Zahlungsansprüche auch die für den Re-ferenzzeitraum 2000–2002 ermittelten betriebsindividu-ellen Beträge des Betriebes des Erblassers L zugewiesen.

Im Falle der „unechten“ Vererbung ist vom Hofnachfolger derNachweis der im Wege der „vorweggenommenen“ Erbfolgeerfolgten Betriebsübernahme durch den Hofübergabevertragzu erbringen. Eine vorweggenommene Erbfolge kann im Ein-zelfall auch dann vorliegen, wenn im Rahmen einer „gleiten-den Hofübergabe“ andere Vertragsformen gewählt wurden. InBetracht kommen hier vor allem unbefristete oder zumindestlangfristige Pachtverträge, aus denen sich ausdrücklich ergibt,dass die Übertragung der Bewirtschaftung dem Ziel der Be-triebsnachfolge durch den künftigen Erben dient. Enthält derPachtvertrag keine derartige Bestimmung, so müssen die Ver-tragsparteien eine gemeinsame schriftliche Erklärung zusam-men mit dem Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüchevorlegen, aus der hervorgeht, dass die Verpachtung der Vor-wegnahme der Erbfolge dient.

b) Änderung der Bezeichnung beziehungsweise des Rechtsstatus, Zusammenschlüsse und Aufteilungen

Bei einer Änderung der Bezeichnung bzw. des Rechtsstatussowie bei Zusammenschlüssen und Aufteilungen von Betrie-ben können bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche fürdie Antragsteller (also die „neuen“ Betriebsinhaber) unterbestimmten Bedingungen auch die betriebsindividuellenBeträge der ursprünglichen Betriebe hinzugerechnet werden.Dazu muss der Antragsteller allerdings die entsprechendeBeziehung zu dem ursprünglichen Betriebsinhaber oder denBetriebsinhabern nachweisen. Ob und inwieweit diese Bezie-

276 MittBayNot 4/2005Fischer · EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis

hung besteht, richtet sich grundsätzlich nach den im jewei-ligen Einzelfall einschlägigen umwandlungsrechtlichen be-ziehungsweise gesellschafts- oder handelsrechtlichen Bestim-mungen in Verbindung mit den gegebenenfalls geschlossenenGesellschaftsverträgen oder den Statuten. Fehlt es an der er-forderlichen Beziehung zwischen dem ursprünglichen Be-triebsinhaber und dem neuen Betriebsinhaber, so können fürkeinen der Betroffenen betriebsindividuelle Beträge berück-sichtigt werden.

c) Kauf eines vom Verkäufer im Referenzzeitraum bewirtschafteten Betriebes

Wer einen Betrieb oder Betriebsteil (also z. B. Flächen) in denletzten beiden Jahren vor dem 17.5.2005 gekauft hat, siehtsich der Tatsache gegenüber, dass er dafür keine betriebsindi-viduellen Anteile erhält, da er den gekauften Betrieb oder Be-triebsteil im Referenzzeitraum ja nicht selbst bewirtschaftethat. Allerdings gibt es die Möglichkeit, sich vom Verkäufer,sofern dieser im für die betriebsindividuellen Beträge maß-geblichen Zeitraum den Betrieb selbst bewirtschaftet hatte,den Referenzbetrag aus dessen Bewirtschaftung im Referenz-zeitraum übertragen zu lassen. Voraussetzung ist dabei zumeinen, dass der Verkäufer im Referenzzeitraum selbst den Be-trieb bewirtschaftet hat und aus dieser Bewirtschaftung Prä-mien erzielt hat, die dazu führen, dass ihm ein betriebsindivi-dueller Betrag zugesprochen werden müsste und zum ande-ren, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer zum Zeitpunkt derAntragstellung Betriebsinhaber sind.

Wenn dies der Fall ist, konnten die Vertragsparteien noch biszum 17.5.2005 einen Übergang des betriebsindividuellenReferenzbetrages des Verkäufers auf den Käufer vereinbaren.Soweit der Kaufvertrag bereits abgeschlossen ist, müsste diesgegebenenfalls durch eine Vertragsänderung erfolgen. Esempfiehlt sich, auch für diese Vertragsänderung die notarielleForm zu wählen, weil eine Vereinbarung in anderer Formunwirksam sein dürfte und dann die Gefahr besteht, dass diebeabsichtigte Übertragung der betriebsindividuellen Referenz-beträge hieran scheitert.

d) Kauf eines im Referenzzeitraum verpachteten Betriebes

Von der Konstellation, dass vor dem 17.5.2005 ein Betrieboder Betriebsteil von einem Verkäufer, der den Betrieb in denJahren 2000–2002 selbst bewirtschaftet hatte, erworben wird,unterscheidet sich der Fall, dass vor dem 17.5.2005 ein Be-trieb oder Betriebsteil gekauft wird, der in den Jahren2000–2002 an einen Dritten verpachtet war. In diesem Fallkann der Verkäufer, da er ja selbst keine für den betriebsindi-viduellen Betrag relevanten Prämien erzielt hat, mit dem Käu-fer auch keinen Übergang des betriebsindividuellen Referenz-betrags vereinbaren. Allerdings kann derjenige, der einen Be-trieb oder Betriebsteil, dessen Flächen im Bezugszeitraumverpachtet waren, vor dem 15.5.2004 gekauft hat und dabeidas Ziel hatte, eine landwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb ei-nes Jahres nach Auslaufen der Pacht aufzunehmen oder zu er-weitern, einen Antrag als Betriebsinhaber in besonderer Lagestellen, damit er für den gekauften Betrieb oder Betriebsteilzusätzliche – beziehungsweise im Wert erhöhte – Zahlungs-ansprüche erhält.

Sofern dem Erwerber, der den verpachteten Betrieb vor dem15.5.2004 gekauft hat, der gekaufte oder gepachtete Betrieberst nach dem 17.5.2005 zur Verfügung steht, weil der Pacht-vertrag mit dem Dritten erst nach diesem Termin ausläuft,erhält der Erwerber über das „normale“ Antragsverfahren fürdiesen Betrieb keinen Referenzbetrag und damit keine Zah-

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lungsansprüche. In diesem Falle hat der Erwerber den Antragauf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aufgrund besondererLage bis zum 15.5., der auf das Auslaufen der Pacht folgt, zustellen.

Sofern der Erwerber, der den verpachteten Betrieb vor dem 15.5.2004 gekauft hat, lediglich im Bezugszeitraum(2000–2002) wegen des laufenden Pachtvertrags noch nichtüber den Betrieb verfügen konnte, wohl aber im Jahr 2005,erhält der Erwerber im Rahmen des „normalen“ Antragsver-fahrens zwar den flächenbezogenen Betrag, aber keinen be-triebsindividuellen Betrag. In diesem Falle kann der Erwerberaufgrund seiner besonderen Lage beantragen, dass die Zah-lungsansprüche erhöht werden. Dieser Antrag auf Erhöhungdes Wertes von Zahlungsansprüchen aufgrund besondererLage war bis zum 17.5.2005 zu stellen.

2. Die Aktivierung der Zahlungsansprüche

a) Aktivierung nur mit beihilfefähigen Flächen

Sind einem Betriebsinhaber Zahlungsansprüche zugewiesenworden, kann der entsprechende Wert der Zahlungsansprüchenur dann ausgezahlt werden, wenn der Betriebsinhaber in sei-nem jährlich zu stellenden Antrag eine entsprechende bei-hilfefähige Fläche nachweist. Diese Fläche kann für jede Pro-duktion genutzt werden, außer für Dauerkulturen einschließ-lich Baumschulflächen, wohl aber für Hopfen. Die Aktivie-rung von Zahlungsansprüchen ist beim Anbau von Obst (außerDauerkulturen), Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärke-kartoffeln allerdings nur unter bestimmten Bedingungenmöglich. Zulässig ist auch, auf den beihilfefähigen Flächenkeine landwirtschaftliche Erzeugung vorzunehmen, sondernlediglich zu gewährleisten, dass die Flächen in gutem land-wirtschaftlichen und ökologischen Zustand gehalten werden.

Wird ein Zahlungsanspruch zusammen mit einer beihilfefähi-gen Fläche mit zulässiger Nutzung nachgewiesen, sprichtman von Aktivierung der Zahlungsansprüche. Ein Zahlungs-anspruch ist mit jeweils einem Hektar beihilfefähiger Flächezu aktivieren. Verfügt der Betriebsinhaber zur Aktivierungeines Zahlungsanspruchs nur über eine beihilfefähige Fläche,die den Bruchteil eines Hektars ausmacht, dann kann er damitauch nur den entsprechenden Bruchteil des Werts des Zah-lungsanspruchs aktivieren. Ein Zahlungsanspruch kann ineinem Antragsjahr nur von demjenigen genutzt werden, derihn am 15.5. des jeweiligen Jahres besitzt.

b) Der 10-Monats-Zeitraum

Eine beihilfefähige Fläche kann nur dann zur Aktivierungeines Zahlungsanspruchs verwendet werden, wenn sie demBetriebsinhaber mindestens zehn Monate zur Verfügungsteht. Eine Ausnahme gilt lediglich für den Fall, dass die zehnMonate aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicherUmstände nicht eingehalten werden können. Den Beginn des10-Monats-Zeitraums muss der Betriebsinhaber jährlich ein-heitlich für seine angemeldete beihilfefähige Gesamtflächefestlegen, wobei der Beginn des 10-Monats-Zeitraums zwi-schen dem 1.9. des der Antragstellung vorausgehenden Jahresund dem 30.4. des Antragsjahres liegen muss.

c) Nicht genutzte Zahlungsansprüche

Zahlungsansprüche, die während drei aufeinander folgenderKalenderjahre nicht genutzt werden, verfallen und werden der nationalen Reserve zugeführt. Der Betriebsinhaber kannentscheiden, welche seiner Zahlungsansprüche er in einembestimmten Kalenderjahr nutzt.

277MittBayNot 4/2005 Fischer · EU-Agrarreform 2003: Betriebsprämienregelungen in der Praxis

3. Die Übertragung von Zahlungsansprüchen

a) Verkauf von Zahlungsansprüchen

Betriebsinhaber können Zahlungsansprüche durch Verkaufoder jede andere endgültige Übertragung (zum BeispielSchenkung) mit und ohne Flächen an andere Betriebsinhaberübertragen. Eine erstmalige Übertragung von Zahlungsan-sprüchen ohne Fläche ist allerdings erst dann möglich, wennder Betriebsinhaber mindestens 80 Prozent aller seiner An-sprüche innerhalb eines Kalenderjahres genutzt hat. Hat erweniger als 80 Prozent aller seiner Zahlungsansprüche inner-halb eines Kalenderjahres genutzt, kann er erst dann Zah-lungsansprüche ohne Flächen übertragen, wenn er sämtlicheZahlungsansprüche, die er im ersten Jahr nicht genutzt hat,freiwillig an die nationale Reserve abgetreten hat.

b) Verpachtung von Zahlungsansprüchen

Eine Verpachtung oder eine ähnliche befristete Überlassungvon Zahlungsansprüchen ist dagegen nur mit Fläche zulässig,das heißt wenn zusammen mit den Zahlungsansprüchen einegleiche Anzahl von Hektar beihilfefähiger Flächen überlassenwird. Dies bedeutet, dass der Verpächter sowohl der Bewirt-schafter der Flächen als auch der Berechtigte der Zahlungs-ansprüche sein muss.

c) Übertragung von Bruchteilen von Zahlungsansprüchen

Bei der Übertragung von Zahlungsansprüchen mit Fläche be-steht grundsätzlich auch die Möglichkeit der Übertragung vonBruchteilen von Zahlungsansprüchen; ein bestehender ganzerZahlungsanspruch kann jedoch nur unter bestimmten Voraus-setzungen aufgeteilt werden. Die Voraussetzungen für die Über-tragung von Bruchteilen von Zahlungsansprüchen sind der-zeit noch nicht abschließend festgelegt.

Beispiel: Landwirt A hat 81 Zahlungsansprüche zu 300 €und verpachtet eine Fläche von 10,2 Hektar mit Zah-lungsansprüchen an seinen Nachbarn B. Nachbar B er-hält 10 ganze Zahlungsansprüche zu 300 € und 0,2 Zah-lungsansprüche zu 300 € (Wert 60 €). Landwirt A ver-bleiben 70 ganze Zahlungsansprüche zu 300 € und ein Bruchteilsanspruch von 0,8 Zahlungsansprüchen zu300 € (Wert 240 €).

d) Die Pfändung von Zahlungsansprüchen

Grundsätzlich gilt, dass auch die sich aus den Zahlungsan-sprüchen ergebenden Ansprüche auf Auszahlungen nach wievor abtretbar und pfändbar sind. Mit der Abtretung bzw. Pfän-dung geht der Anspruch auf die Auszahlung des mit dem Zah-lungsanspruch festgesetzten Betrages auf den neuen Gläubi-ger über. Im Gegensatz zu den bisherigen Erzeugerprämien,die nur Ausfluss einer bestimmten Tätigkeit (z. B. Anbau einerbestimmten Menge Getreide auf einer bestimmten Fläche)waren, handelt es sich bei den nunmehrigen Auszahlungenum hiervon entkoppelte Zahlungen, die ihre Grundlage in denZahlungsansprüchen haben. Zwar setzt die Ausbezahlung desim Zahlungsanspruchs bestimmten Betrages an den „Zah-lungsanspruchsinhaber“ voraus, dass der Zahlungsempfängerbestimmte Voraussetzungen erfüllt (Nachweis beihilfefähigerFläche und Einhaltung der sog. Cross-Compliance-Verpflich-tungen), allerdings ist der Zahlungsanspruch jetzt übertragbarausgestaltet.

Der Inhaber des Zahlungsanspruches kann grundsätzlichjederzeit, d. h. nachdem er erstmalig mindestens 80 Prozentaller seiner Ansprüche innerhalb eines Kalenderjahres genutzthat, diesen Zahlungsanspruch auch ohne Fläche an einen an-deren Bewirtschafter innerhalb der Region verkaufen. Auf-

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grund dieser Verkehrsfähigkeit des Zahlungsanspruches wirdnicht nur die Pfändung des sich aus dem Zahlungsanspruchergebenden Auszahlungsanspruchs für zulässig erachtet wer-den müssen, sondern auch die Pfändung des Zahlungsanspru-ches selbst.

e) Regionale Beschränkung des Handels

Zahlungsansprüche dürfen nur innerhalb derselben Regiongehandelt und genutzt werden. Da die Zahlungsansprücheeinzeln identifiziert und registriert werden, ist aus ihrer Ken-nung jederzeit ersichtlich, welcher Region sie zuzuordnensind. Dies gilt auch für Zahlungsansprüche bei Stilllegung,das heißt die Flächenstilllegungsverpflichtung kann künftignicht mehr in einem anderen Bundesland erbracht werden,sondern nur in der jeweiligen Region.

278 MittBayNot 4/2005Gottwald/Steer · Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers?

Im Rahmen dieses Artikels kann nur auf solche Informationeneingegangen werden, die für den rechtsberatenden Berufs-stand von Bedeutung sein können. Anzumerken ist, dass nachwie vor eine Reihe von Fragen noch nicht abschließend ge-klärt ist und insbesondere noch immer nicht feststeht, wie dieden Bewirtschaftern zugewiesenen Zahlungsansprüche letzt-endlich „in natura“ aussehen werden.14

* Besonderer Dank an Notar a. D. Dr. A. Reul, Würzburg, und NotarDr. L. Hipler, Lindenberg, für wertvolle Hinweise.1 Vgl. Gottwald, Grunderwerbsteuer, 2. Aufl., S. 255.

14 Für eingehende und vertiefte Informationen zu der Agrarreformempfiehlt sich das Studium der über 156-seitigen Informationsbro-schüre „Meilensteine der Agrarpolitik“ des Bundesministeriums fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; abrufbar unterhttp://www.bml.de/index-0000F3FC40C41224BACF6521C0A8D816.html.

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Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers?

Von Notar Dr. Stefan Gottwald, Pappenheim, und Notarassessor Christian Steer, Regensburg*

Beim Steckenbleiben eines Bauvorhabens in Folge einer Insolvenz des Bauträgers stellt sich unter anderem die Frage, ob derErwerber gegenüber dem Finanzamt einen Anspruch auf (teilweise) Rückerstattung der von ihm entrichteten Grunderwerb-steuer hat. In der Praxis ist zu beobachten, dass viele Finanzämter eine Rückerstattung mit der Begründung ablehnen, dass keinFall des § 16 GrEStG vorliege. Soweit ersichtlich, finden sich auch in der Literatur, insbesondere in den einschlägigen Kom-mentaren, nur sehr knappe und eher oberflächlich gehaltene Ausführungen zu dieser Problematik. Deshalb soll den insolvenz-und schadensersatzrechtlichen Folgen einer Insolvenz des Bauträgers nachgegangen werden, um hieraus die grunderwerb-steuerlichen Konsequenzen ziehen zu können.

2 Vgl. BFH, BStBl II 1999, 737; Hofmann, GrEStG, 7. Aufl., § 16Rdnr. 43; Pahlke/Franz, GrEStG, 2. Aufl., § 16 Rdnr 67.3 Vgl. BFH, BStBl II 1993, 59.4 Vgl. BFH, BStBl II 1993, 58.5 Vgl. Pahlke/Franz, § 16 Rdnr. 67; Hofmann, § 16 Rdnr. 43; a. A.dagegen Boruttau/Sack, GrEStG, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 242; Gottwald,Grunderwerbsteuer, S. 255.

I. Vorbemerkungen

Gemäß § 16 Abs. 3 GrEStG ist auf Antrag die Grunderwerb-steuer niedriger festzusetzen bzw. eine bereits erfolgte Steuer-festsetzung zu ändern, sofern die Gegenleistung für dasGrundstück herabgesetzt wird. Die Vorschrift unterscheidetdanach, ob die Herabsetzung im gegenseitigen Einvernehmenerfolgt (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder ob sie auf einemRechtsanspruch beruht (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Während§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG keine Fristerfordernisse aufstellt, istim Fall der einvernehmlichen Kaufpreisreduzierung des § 16Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die dort normierte 2-Jahres-Frist zubeachten.

Eine einvernehmliche Herabsetzung ist beim Bauträgerver-trag etwa denkbar, wenn nachträglich Eigenleistungen des Er-werbers vereinbart werden, die dazu führen, dass sich der anden Bauträger zu leistende Kaufpreis verringert.1 Demgegen-über beruht die Herabsetzung der Gegenleistung auf einemRechtsanspruch, wenn beispielsweise Gewährleistungsrechtedes Käufers infolge einer Schlechterfüllung des Vertragesdurch den Verkäufer zu einer Kaufpreisreduzierung führen.Allerdings verlangt der BFH, dass die Beteiligten hierausauch die tatsächlichen Konsequenzen ziehen, d. h. beispiels-weise das Ergebnis einer berechtigten Minderung auch tat-

sächlich eintreten lassen.2 Daran fehlt es, wenn der Käufer dieteilweise erloschene Kaufpreisforderung gleichwohl entrich-tet oder der Verkäufer seiner Rückzahlungsverpflichtung nichtnachkommt.3

Scheitert der Käufer in seinem Bemühen um Realisierung desRückforderungsanspruchs jedoch nur deshalb, weil seine imInsolvenzverfahren angemeldete und unbestritten gebliebeneForderung ausfällt, so nimmt der BFH dennoch eine Erfül-lung des Tatbestands des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG an.4 Dieswird damit begründet, dass die Minderung des Vermögens desErwerbers nicht mehr kausal auf den Grundstückserwerb,sondern auf den Vermögensverfall des Veräußerers zurückzu-führen sei. Gegen diese Auffassung wird in der Literatur teil-weise angeführt, dass § 16 Abs. 3 GrEStG den tatsächlichenVollzug der Minderung durch die Durchsetzung der Rück-forderungsansprüche voraussetze und folglich die Umstände,die dem entgegenstehen, unbeachtet bleiben müssten.5 Folgtman jedoch der Auffassung des BFH, so bedeutet dies für denFall des „Steckenbleibens“ des Bauwerks infolge einer Insol-venz des Bauträgers, dass alleine maßgeblich ist, ob dies zueiner zivilrechtlichen Reduzierung der Zahlungsansprüche

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aus dem Bauträgervertrag führt (nur in diesem Fall kann § 16GrEStG einschlägig sein) oder nicht.6 Inwieweit es zu einertatsächlichen Zurückerstattung etwa zuviel geleisteter Be-träge kommt, ist dagegen unbeachtlich.

II. Zivil- und grunderwerbsteuerliches Schicksal des Bauträgervertrags nach Insolvenzverfahrenseröffnung

Ein Bauträgervertrag enthält sowohl eine kaufvertraglicheKomponente (Grundstückskauf) als auch eine werkvertrag-liche (Errichtung des Bauwerks). Die beiden Bestandteile desBauträgervertrages erfahren nach Eröffnung des Insolvenz-verfahrens ein unterschiedliches Schicksal.

1. Kaufvertragliche Komponente des Bauträgervertrages

Es ist noch nicht einmal 30 Jahre her, dass der Bauträgerver-trag insolvenzrechtlich als vollständig einheitlicher Vertraggesehen wurde, so dass beim Steckenbleiben des Baus –gleich in welchem Stadium – der Insolvenzverwalter es in derHand hatte, den gesamten Vertrag einschließlich des kaufver-traglichen Teils zu Fall zu bringen. In diesem Fall vermochteauch eine zugunsten des Käufers eingetragene Vormerkungkeine Abhilfe zu schaffen, die mit Wegfall des schuldrecht-lichen Anspruchs gleichfalls untergeht und nur noch in Ge-stalt einer materiell unrichtigen Grundbucheintragung fortbe-steht.7 Erst die Einführung des § 24 Satz 2 KO (jetzt: § 106Abs. 1 Satz 2 InsO) brachte dem durch Vormerkung gesicher-ten Käufer die „Insolvenzfestigkeit“ des Grundstückserwerbsund damit, als denklogische Voraussetzung, die insolvenz-rechtliche Teilbarkeit des Bauträgervertrags in eine kauf- undeine werkvertragliche Komponente.8 Hinsichtlich des kauf-vertraglichen Teils hat es wegen § 106 InsO somit auch derKäufer in der Hand, die Erfüllung zu verlangen, wohingegenhinsichtlich des werkvertraglichen Teils nur der Insolvenz-verwalter die Möglichkeit hat, auf Erfüllung zu bestehen.

Sofern im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrensüber das Vermögen des Bauträgers bereits eine Auflassungs-vormerkung für den Käufer im Grundbuch eingetragen war,führt § 106 Abs. 1 InsO folglich dazu, dass die Auflassungs-vormerkung den Käufer so stellt, als ob das Bauwerk aufeinem ihm bereits gehörenden Grundstück errichtet würde.9

Der Erwerber ist somit davor geschützt, den Anspruch aufÜbertragung des Grundeigentums nicht durchsetzen zu kön-nen und lediglich mit einer geringfügigen Insolvenzforderungabgespeist zu werden. § 106 Abs. 1 InsO ist folglich hinsicht-lich der kaufvertraglichen Komponente des Bauträgervertra-ges lex specialis zu § 103 InsO, der dem Insolvenzverwalterein Wahlrecht bei beiderseits noch nicht vollständig erfülltenVerträgen geben würde. § 106 Abs. 1 InsO gibt dem Käuferunbeschadet der Insolvenz des Bauträgers einen gesichertenund durchsetzbaren Anspruch auf Grundstücksübertragung.Dies bedeutet, dass die für den Käufer eingetragene Auflas-sungsvormerkung insolvenzfest ist. Korrelat ist die Verpflich-tung des Käufers, den anteiligen Grundstückserwerbskauf-preis zu bezahlen.10 Sofern bei Insolvenzverfahrenseröffnung

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der Erwerber noch nichts an den Bauträger bezahlt hat, musser, um das Eigentum am Grundstück zu erlangen, folglich denanteiligen Kaufpreis, soweit er auf das Grundstück entfällt,bezahlen. Da der Erwerber in diesem Fall das Grundstück er-hält, kann er für den auf das Grundstück entfallenden Kauf-preisteil auch keine Herabsetzung der Grunderwerbsteuerverlangen.11

Anders verhält es sich freilich, wenn der Erwerber infolge des„Steckenbleibens“ des Bauvorhabens dem Bauträger eineangemessene Frist zur Leistungserbringung setzt, diese Fristfruchtlos verstreicht12 und anschließend der Erwerber denRücktritt vom gesamten Bauträgervertrag erklärt oder Scha-densersatz statt der Leistung geltend macht (§ 281 Abs. 1, 4BGB, gegebenenfalls i. V. m. §§ 634 Nr. 4, 636 BGB oder § 323 Abs. 1 BGB). Sofern das Schadensersatzverlangen (sogenannter großer Schadensersatz) bzw. die Rücktrittser-klärung auf den gesamten Bauträgervertrag bezogen wird,wird die für den Käufer eingetragene Auflassungsvormerkungunwirksam, so dass auch der Schutz des § 106 Abs. 1 InsOverloren geht.13 Bei einer derartigen Gestaltungserklärungdurch den Erwerber wäre dieser im Insolvenzfall mit derRückforderung seiner etwa bereits erbrachten Leistungen(auch soweit sie das Grundstück betreffen) auf die Insolvenz-quote beschränkt. In einem derartigen Fall könnte der Käuferzwar gegenüber dem Finanzamt die Rückerstattung der ge-samten von ihm geleisteten Grunderwerbsteuer bzw. dieNichtfestsetzung der entsprechenden Grunderwerbsteuer ver-langen; allerdings dürften die zivil- und insolvenzrechtlichenNachteile, die mit dieser umfassenden Gestaltungserklärungverbunden sind, den grunderwerbsteuerlichen Vorteil weitüberwiegen. Aus zivilrechtlicher Sicht sollte der Käufer viel-mehr im Hinblick auf die in § 106 Abs. 1 InsO vorgeseheneMöglichkeit zurückgreifen, sich nur teilweise vom Vertrag zu lösen und lediglich einen sogenannten Teilrücktritt (alsokeinen Rücktritt hinsichtlich der kaufvertraglichen Kompo-nente14) erklären. Da sich der Rücktritt dann nicht auf denkaufvertraglichen Teil des Bauträgervertrages bezieht, kannhierfür auch keine Erstattung bzw. Nichtfestsetzung der Grund-erwerbsteuer beantragt werden.15

2. Werkvertragliche Komponente des Bauträgervertrages

Die zivil- und grunderwerbsteuerlichen Rechtsfolgen für diewerkvertragliche Komponente des Bauträgervertrages hängenprimär davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Erfüllung desVertrages verlangt oder ablehnt.

11 Zum zivil- und grunderwerbsteuerlichen Schicksal der werkver-traglichen Komponente des Bauträgervertrages vgl. nachfolgendeZiffer II. 2.12 Entsprechendes gilt, wenn der Erwerber dem Bauträger wegendessen Fehlleistungen eine Frist zur Nacherfüllung setzt und diesefruchtlos verstreicht.13 Kesseler, RNotZ 2004, 177, 184.14 Zur Möglichkeit eines Teilrücktritts auch innerhalb der werkver-traglichen Komponente vgl. nachfolgende Ziffer II. 3.15 Das neue Schuldrecht kennt – anders als der frühere § 326 Abs. 1Satz 1 Hs. 2 BGB a. F. – keinen Automatismus dahingehend, dass mitAblauf einer berechtigten Nachfristsetzung mit Ablehnungsandro-hung der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen ist; sofern nach einerentsprechenden Nachfristsetzung, z. B. wegen Baumängeln, der Er-werber Anhaltspunkte dafür erhält, dass der Bauträger zahlungsun-fähig werden könnte, sollte er im Hinblick auf den möglichen Verlustdes Schutzes der Auflassungsvormerkung von einer entsprechendenumfassenden Gestaltungserklärung (Rücktritt vom gesamten Bauträ-gervertrag bzw. großer Schadensersatz) Abstand nehmen und ledig-lich den Teilrücktritt erklären.

6 Sofern sich die Kaufpreisforderung zivilrechtlich reduziert, ist§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG mithin einschlägig.7 Vgl. BGH, NJW 1977, 146.8 BGH, NJW 1981, 991, 992 f.; vgl. auch MünchKommInsO/Ott,§ 106 Rdnr. 31.9 Vgl. BGH, NJW 1986, 927; Grziwotz/Koeble/Schmitz, HandbuchBauträgerrecht, 2004, S. 834.10 Vgl. BGH, NJW 1981, 993.

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a. Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter

§ 106 Abs. 1 InsO betrifft als Spezialregelung nur die kauf-vertragliche Seite des Bauträgervertrages. Für das werkver-tragliche Element gilt demgegenüber die allgemeine Rege-lung des § 103 InsO. Diese Vorschrift gibt dem Insolvenzver-walter das Wahlrecht, ob er einen gegenseitigen, zur Zeit derInsolvenzverfahrenseröffnung beiderseits nicht oder nichtvollständig erfüllten Vertrag zur Erfüllung wählt. Als gegen-seitiger Vertrag ist wegen der nach § 106 Abs. 1 InsO separatzu behandelnden kaufvertraglichen Komponente somit nurder werkvertragliche Bestandteil des Bauträgervertrages an-zusehen. Nicht anwendbar ist § 103 Abs. 1 InsO allerdings,wenn eine Vertragspartei die ihr obliegenden Pflichten bereitsvollständig erfüllt hat.16 Beim „Steckenbleiben“ des Bau-werks infolge Insolvenz des Bauträgers steht meist die Über-eignung noch aus; außerdem ist das Bauwerk häufig erst zumTeil fertig gestellt und der Erwerbspreis noch nicht vollstän-dig bezahlt. Folglich ist § 103 InsO anwendbar.

aa) Erlöschenstheorie

In seiner früheren Rechtsprechung hat der BGH17 in derEröffnung des Insolvenzverfahrens eine materiell-rechtlicheUmgestaltung des gegenseitigen Vertrages gesehen.18 Diesein der Literatur oft mit dem Stichwort „Erlöschenstheorie“bezeichnete ältere Rechtsauffassung hätte dazu geführt, dassein Teil der Kaufpreisforderung des Bauträgers automatischerloschen wäre und damit unmittelbar aufgrund der Insol-venzverfahrenseröffnung ein begründeter Antrag auf Rücker-stattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2GrEStG hätte gestellt werden können.

bb) Suspensivtheorie

Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Senat des BGH hatjedoch mit Urteil vom 25.4.2002 die vorstehend bezeichneteErlöschenstheorie aufgegeben.19 Das Gericht sieht in derEröffnung des Insolvenzverfahrens keine materiell-rechtlicheUmgestaltung des gegenseitigen Vertrages mehr; vielmehr hatdie Insolvenz wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinre-den der Vertragspartner nach § 320 BGB lediglich zur Folge,dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche nichtmehr durchsetzen können. Durch diese sogenannte Suspen-sivtheorie20 können folglich die Vertragsparteien das Vertrags-verhältnis nach Beendigung des Insolvenzverfahrens theore-tisch noch so abwickeln, als ob es nie zu einem Insolvenzver-fahren gekommen wäre. Da jedoch nicht davon auszugehenist, dass der Bauträger nach Abschluss des Insolvenzverfah-rens wieder wirtschaftlich leistungsfähig oder leistungswilligist, handelt es sich nur um eine theoretische Möglichkeit fürden Käufer ohne wirtschaftlichen Sinn. Folglich ist der Er-werber beim Bauträgervertrag im Fall einer Insolvenz desBauträgers darauf angewiesen, zivilrechtlich einen Schadens-

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ersatzanspruch wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Erkann dies durch Anmeldung der Schadensersatzforderung zurInsolvenztabelle21 oder durch Verrechnung seines Schadens-ersatzanspruchs gegen die dem Insolvenzverwalter zustehen-den Positionen tun. Voraussetzung für die Geltendmachungeines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung durchden Erwerber ist jedoch, dass der Insolvenzverwalter dieErfüllung des Vertrages abgelehnt hat (§ 103 Abs. 2 Satz 1InsO). Hierbei kann der Insolvenzverwalter von sich aus er-klären, dass er endgültig die Erfüllung der werkvertraglichenKomponente des Bauträgervertrages ablehnt; sofern sich derInsolvenzverwalter nicht äußert, kann ihm der Käufer aucheine Frist setzen, in der sich der Insolvenzverwalter erklärenmuss; unterbleibt die unverzüglich zu erklärende Erfüllungs-wahl durch den Insolvenzverwalter, so steht ebenfalls fest,dass er sein Wahlrecht verloren hat (§ 103 Abs. 2 Satz 2, Satz 3InsO). Hervorzuheben ist, dass eine derartige Erfüllungsab-lehnung durch den Insolvenzverwalter selbst noch keine kon-stitutive Bedeutung hat, sondern ausschließlich bestätigt, dasses bei den mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbun-denen Suspensivfolgen verbleibt.22 Die Erfüllungsablehnungist lediglich Voraussetzung dafür, dass der Erwerber es an-schließend in der Hand hat, Schadensersatz zu verlangen.23

Die alternative Möglichkeit, den Anspruch gegen den Bau-träger bestehen zu lassen, führt demgegenüber dazu, dass derErwerber einer Forderung des Insolvenzverwalters keine Ge-genforderung entgegenhalten kann, sondern Zahlung an denInsolvenzverwalter leisten muss, um nach Beendigung desInsolvenzverfahrens den Erfüllungsanspruch zu den ursprüng-lichen vertraglichen Konditionen gegen den Bauträger durch-zusetzen.24 In der Praxis ist deshalb diese Vorgehensweiseäußerst selten.

Sofern der Erwerber dagegen einen Schadensersatzanspruchgeltend macht, steht ihm dieser Anspruch nur als Insolvenz-gläubiger gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO zu, so dass bei An-meldung zur Insolvenztabelle der Käufer auch nur quotaleBefriedigung erlangen kann. In der Praxis liegt die Funktiondes Schadensersatzanspruches jedoch darin, die vom Insol-venzverwalter geltend gemachten Vergütungsforderungen,die sich aus den vom Bauträger bis zur Insolvenzverfah-renseröffnung erbrachten Werkleistungen ergeben, abzuweh-ren. Nach neuerer Rechtsprechung und überwiegender Litera-turmeinung führen somit erst die Erfüllungsablehnung desInsolvenzverwalters und das Schadensersatzverlangen desErwerbers zu einem sogenannten Abrechnungsverhältnis,wobei die dogmatischen Konturen eines solchen Abrech-nungsverhältnisses etwas unklar sind.25 Aus grunderwerb-

16 Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn trotz erfolgter Besitzüber-gabe, Abnahme und Eigentumsumschreibung noch ein kleiner Rest-betrag aus dem Erwerbspreis offen ist, dessen Bezahlung der Erwer-ber – wegen noch so geringfügiger Mängel – berechtigt verweigert;vgl. Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 848.17 Noch zu den Vorgängernormen des § 103 InsO, nämlich § 17KO, § 9 GesO.18 Vgl. zur früheren Rechtsprechung Kreft, ZIP 1997, 865; Schmitz,Die Bauinsolvenz, 3. Aufl., Rdnr. 58 ff. m. w. N.; Kesseler, RNotZ2004, 177, 181.19 Vgl. BGHZ 150, 353 ff. = DNotZ 2002, 648.20 Vgl. Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 849.

21 Vgl. MünchKommInsO/Kreft, § 103 Rdnr. 22.22 Vgl. Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 850.23 Der Insolvenzverwalter kann auch eine sogenannte Teilerfüllungverlangen; vgl. hierzu Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 852. Wählt derInsolvenzverwalter Erfüllung, so ist die bauvertragliche Komponentedes Bauträgervertrages, die nach § 106 Abs. 1 InsO zunächst von derkaufvertraglichen Komponente abgespalten werden musste, selbstaufzuteilen, indem das zum Zeitpunkt der Erfüllungswahl bereitsvorhandene, vom Bauträger selbst noch erbrachte Teilwerk anhandder vertraglichen Preisgrundlagen bewertet wird. Indem der Insol-venzverwalter den auf das Grundstück und bis dahin erbrachte Teil-werk entfallenden anteiligen Erwerbspreis vom Gesamtfestpreisabzieht, hat er den Restwerklohn ermittelt, der der Insolvenzmassezusteht, wenn sie die restlichen Leistungen erbringt. Vgl. hierzu dieAusführungen unter nachfolgendem Abschnitt 2. b.24 Letzteres gilt jedenfalls, solange kein Zurückbehaltungsrechtgeltend gemacht werden kann; vgl. Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 855.25 Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 855.

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steuerlicher Sicht ist jedoch allein maßgeblich, dass die bei-derseitigen Positionen, die sich aus dem bis zur Insolvenzver-fahrenseröffnung und Erfüllungsablehnung vom Bauträgererbrachten Teilwerk einerseits, den bereits erbrachten Gegen-leistungen des Erwerbers und seinen Schadensersatzforderun-gen wegen Nichterfüllung andererseits ergeben, in ein Ab-rechnungsverhältnis einzustellen sind und sich hier von selbstverrechnen. Es hat dann derjenige Vertragsteil einen An-spruch gegen den anderen, zu dessen Gunsten sich eine über-schießende Spitze ergibt. Unabhängig von der materiell-recht-lichen Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderungdes Erwerbers nach Erfüllungsablehnung (§§ 280 ff. BGBbzw. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO)26 kommt es unstreitig zu einerautomatischen Reduzierung des Zahlungsanspruchs des Bau-trägers. Da dies einer wirksam gewordenen Minderung nach § 441 BGB gleichzusetzen ist, kann somit nach Erfüllungsab-lehnung des Insolvenzverwalters und Schadensersatzverlan-gen des Erwerbers die Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 3Nr. 2 GrEStG zurückerstattet werden. Die 2-Jahres-Frist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist nicht zu beachten, da die Kauf-preisreduzierung nicht einvernehmlich vereinbart, sondernüber ein Schadensersatzbegehren durch den Erwerber einsei-tig herbeigeführt wird.

b. (Teil-)Erfüllungsverlangen durch den Insolvenz-verwalter

aa) § 105 Satz 1 InsO

Das bisher Ausgeführte wirft die Frage auf, was beim steckengebliebenen Bau hinsichtlich der vor Insolvenzeröffnung er-brachten gegenseitigen Leistungen gilt, wenn der Insolvenz-verwalter hinsichtlich der noch ausstehenden Leistungen fürErfüllung optiert. In Betracht kommen wird dies für denInsolvenzverwalter insbesondere dann, wenn die noch aus-stehenden Leistungen vergleichsweise gering sind, etwa nurnoch die Außenanlagen fertig zu stellen sind. Die maßgeb-liche Vorschrift für diese Frage ist § 105 InsO.

Während unter der Konkursordnung insoweit noch das Alles-oder-nichts-Prinzip galt, brachte § 105 Satz 1 InsO eine Flexi-bilisierung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters. Nach die-ser Vorschrift ist der Erwerber, der die ihm obliegende Leis-tung (Zahlung) bei Insolvenzeröffnung teilweise erbracht hat,mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seines An-spruchs auf die Gegenleistung (Bauleistungen) Insolvenz-gläubiger, auch wenn der Insolvenzverwalter wegen der nochausstehenden Leistungen Erfüllung verlangt. Voraussetzungfür die Anwendbarkeit von § 105 Satz 1 InsO ist somit zwei-erlei:

aaa) Zum einen muss die geschuldete Leistung teilbar sein.Die in Rechtsprechung und Lehre hierfür zu findenden Defi-nitionen sind kaum aufschlussreicher oder schärfer konturiertals der nackte Gesetzeswortlaut und damit für den Praktikerwenig ergiebig.27 Hilfreich und für die Praxis entscheidend isthingegen, dass nach kontroverser Diskussion28 der BGH inmittlerweile gefestigter Rechtsprechung entschieden hat, dass

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Bauleistungen in aller Regel als teilbar i. S. d. § 105 Satz 1InsO anzusehen sind.29

bbb) Weitere Voraussetzung des § 105 Satz 1 InsO ist, dassdie bisherige Teilerfüllung nicht gleichmäßig auf beiden Sei-ten erfolgt ist. § 105 Satz 1 InsO ist mithin nur von Bedeu-tung, wenn der Erwerber noch nicht ausgeglichene Vorleis-tungen erbracht hat.30 Wegen § 3 Abs. 2 MaBV wird dies inder Mehrzahl der Bauträgerfälle nicht gegeben sein, dennnach dem Leitbild der MaBV leistet der Bauträger vor, nichtder Erwerber. Wenn aber im Einzelfall, beispielsweise beieiner Bürgschaftsabwicklung oder – aus welchem Grund auchimmer – der Erwerber ohne jede Sicherheit Teilzahlungenüber den Baufortschritt hinaus oder gar vollständige Zahlungvorab erbringt, ist er im Insolvenzfall den für ihn nachteiligenRechtsfolgen des § 105 Satz 1 InsO ausgesetzt, welche so-gleich dargestellt werden.31 Ein Fall der Vorleistung durch denErwerber dürfte faktisch auch dann vorliegen, wenn der Er-werber die Rate für einen fertig gestellten Bauabschnittgeleistet hat, an dem sich später erhebliche Mängel zeigen.32

ccc) Die Rechtsfolge des § 105 Satz 1 InsO ist, dass der Er-werber hinsichtlich seiner noch nicht durch Bauleistungenkompensierten Vorleistung in keinem Falle eine Masseforde-rung erlangt, sondern in jedem Fall (nur) Insolvenzgläubigerist. Bei Ablehnung der weiteren Erfüllung durch den Insol-venzverwalter folgt dies jedoch nicht aus § 105 Satz 1 InsO,sondern aus § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO.33 Wegen § 105 Satz 1InsO – und darin liegt die wesentliche Bedeutung der Norm –gilt jedoch nichts anderes, wenn der Insolvenzverwalter dieErfüllung wählt. Hinsichtlich der noch ausstehenden Leistun-gen ist der Erwerber bei Erfüllungswahl zwar Massegläubigergem. §§ 103 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.34 Hinsichtlich dernoch nicht „verbauten“ Vorleistungen ist er hingegen Insol-venzgläubiger, was konkret bedeutet, dass er im Regelfall mitseiner Forderung weitgehend ausfällt,35 sofern er nicht Re-gressansprüche gegen Dritte hat, z. B. gegen eine Bank imFalle einer Bürgschaftsabwicklung oder gegen Bauhand-werker im Falle von Baumängeln.36

§ 105 Satz 1 InsO führt also zu einer „Spaltung“ des Vertrags.Es ist zu unterscheiden zwischen den bis zur Verfahrenseröff-nung erbrachten Vorleistungen und den nach Insolvenzeröff-nung aus Mitteln der Masse zu erbringenden Restleistungen.37

Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, muss er jedochsämtliche Restleistungen erbringen. Die Flexibilisierung desWahlrechts, die Abkehr vom Alles-oder-nichts-Prinzip derKonkursordnung bedeutet nicht, dass der Insolvenzverwalterdie Möglichkeit hätte, nur Teile der noch ausstehenden Leis-tungen zu erbringen.38 Dies führt, bedingt durch die Beson-

29 BGHZ 129, 336, 342 f.; BGH, NJW 1977, 50 f.; BGH, NJW1995, 1966; BGH, DB 2002, 1499.30 Braun/Kroth, InsO, 2. Aufl., § 105 Rdnr. 7; Uhlenbruck/Berscheid,Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 105 Rdnr. 21.31 Zum Umfang des Schutzes des Käufers durch die Bankbürg-schaft der Globalgläubigerin, vgl. Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 853 ff.32 Kesseler, RNotZ 2004, 171, 197.33 Braun/Kroth, § 105 InsO Rdnr. 8.34 Braun/Kroth, § 105 InsO Rdnr. 8.35 So auch Kesseler, RNotZ 2004, 171, 203 ff.36 Eingehend zu Ansprüchen des Erwerbers gegen Dritte Kesseler,RNotZ 2004, 171, 198 ff.37 BGH, NJW 2001, 3704; Uhlenbruck/Berscheid, § 105 InsO Rdnr. 30.38 BGH, DB 2002, 1499; Uhlenbruck/Berscheid, § 105 InsORdnr. 34. Etwas anderes gilt freilich, wenn eine sogenannte Restab-wicklungsvereinbarung getroffen wird; vgl. hierzu die nachfolgendenAusführungen unter Ziffer 3.

26 Vgl. zum Meinungsstand MünchKommInsO/Huber § 103 Rdnr. 184 m. w. N.27 In RGZ 155, 306, 313 wurde, freilich in anderem Kontext, dafür-gehalten, dass eine Leistung teilbar ist, wenn sie sich ohne Wertmin-derung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks gegenständ-lich in hinreichend verselbständigte Teile aufspalten lässt. In BGH,ZIP 1994, 715, 717 wird Teilbarkeit angenommen, wenn sich der teil-weise erbrachten Gläubigerleistung wirtschaftlich eine Gegenleis-tung zuordnen lässt.28 Vgl. Schmitz, Die Bauinsolvenz, Rdnr. 242 ff.

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derheiten von Bauleistungen, jedoch zu denkwürdigen Fol-gen. Bei der sukzessiven Lieferung von Waren, einem Parade-beispiel einer teilbaren Leistung i. S. d. § 105 Satz 1 InsO,lässt sich problemlos die achte Lieferung ohne die siebte er-bringen. An einem noch nicht errichteten Rohbau lässt sichhingegen kein Außenanstrich anbringen. Hat der Bauherr bei-spielsweise den gesamten Kaufpreis bis auf die letzte Rate fürAußenarbeiten vorgeschossen, als erst der Rohbau fertig ge-stellt und die Innenarbeiten auf halber Strecke waren, fällt derBauträger sodann in Insolvenz und wählt der Insolvenzver-walter Teilerfüllung gemäß § 105 Satz 1 InsO, so müsste derErwerber das Vorhaben selber oder durch Beauftragung einesanderen Bauunternehmens bis auf die Außenarbeiten fertigstellen. Sodann würde der Insolvenzverwalter die Abschluss-arbeiten erbringen und die letzte Rate zur Zahlung an dieInsolvenzmasse verlangen. Denn § 105 Satz 1 InsO stellt nachseinem Wortlaut hinsichtlich der Zäsur, die den Umfang desTeilerfüllungsverlangens begrenzt, auf die vom Erwerber(nicht: Bauträger) erbrachte Teilleistung ab, also nicht auf denFortschritt des Baus, sondern auf den Stand der Zahlung. ZurVermeidung dieses zumeist wenig praktikablen Vorgehenswird vertreten, dass der Insolvenzverwalter beim Erfüllungs-verlangen sämtliche noch ausstehenden Bauleistungen selbsterbringen und (teilweise also nochmalig) vergüten lassenkann.39 Die bei Insolvenzeröffnung erbrachte, damals nochnicht „verbaute“ Vorleistung, m. a. W. die de facto doppeltgezahlten Raten, kann der Erwerber dann als Insolvenzfor-derung zur Insolvenztabelle anmelden.

Die Rechtsfolge des § 105 Satz 1 InsO mag für den Bauherrnhart sein. Sie rechtfertigt sich jedoch zum einen aus demGrundsatz der Gläubigergleichbehandlung und zum anderendaraus, dass der Gläubiger hier durch die Vorausleistung einRisiko eingegangen ist, das ihn wenig schutzwürdig erschei-nen lässt.40 Der letztgenannte Aspekt hat im Bauträgervertragbesonderes Gewicht, denn hier trifft die Härte des § 105 Satz 1 InsO nur denjenigen Bauherrn, der sich freiwillig des Schutzes des § 3 Abs. 2 MaBV begibt und über den Bau-fortschritt hinaus Zahlungen leistet. Zur Klarstellung sei noch-mals betont, dass die Rechtsfolge des § 105 Satz 1 InsO (Aus-fall bezgl. vorgeleisteter Zahlungen) nur dann eintritt, wennder Erwerber entgegen dem Leitbild der MaBV vorleistet undsich auch nicht durch Bürgschaft sichert, er also ungesichertvorleistet.41 Folglich kann der Erwerber keine Kaufpreisredu-zierung erreichen, sofern der Insolvenzverwalter auf Erfül-lung des Vertrages besteht.

Dies führt dazu, dass sich auch die grunderwerbsteuerlicheBemessungsgrundlage nicht reduziert.42 Etwas anderes giltfreilich dann, wenn der Erwerber infolge der im Bauträger-vertrag vereinbarten Fertigstellungsfristen eine zivilrechtliche

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Möglichkeit hat, sich vom Vertrag ganz oder teilweise zulösen und über diese Weise zu einer Reduzierung des Kauf-preises und damit zur Verringerung der grunderwerbsteuer-lichen Bemessungsgrundlage gelangt.

bb) § 105 Satz 2 InsO

Nach § 105 Satz 2 InsO kann der Erwerber wegen der Nicht-erfüllung durch den Bauträger nicht die Rückforderung seinervor Insolvenzeröffnung gezahlten Raten aus der Insolvenz-masse verlangen. Diese Regelung ist, anders als § 105 Satz 1InsO, kein Novum, sondern hatte in § 26 Satz 1 KO eine Vor-gängerin. Der zweite Satz des § 105 InsO, dessen amtlicheÜberschrift „Teilbare Leistungen“ lautet, ist systematisch ver-wirrend verortet43, denn er gilt, wie schon § 26 Satz 1 KO, füralle Rechtsverhältnisse, ob nun teilbar oder nicht44.

Unseres Erachtens kann jedoch aus § 105 Satz 2 InsO nicht gefolgert werden, dass sich die grunderwerbsteuerlicheBemessungsgrundlage nicht reduzieren würde, nur weil derErwerber aufgrund dieser Vorschrift als Massegläubiger aus-scheidet und lediglich als Insolvenzgläubiger angesehen wird.Vielmehr ist hier die eingangs zitierte Rechtsprechung desBFH einschlägig, wonach § 16 GrEStG auch dann anwendbarist, wenn die Rückzahlung der vom Erwerber bereits erbrach-ten Leistungen nur deshalb scheitert, weil der Käufer mitseiner im Insolvenzverfahren angemeldeten und unbestrittengebliebenen Forderung ausfällt. Auch hier lässt sich als Be-gründung anführen, dass die Minderung des Vermögens desErwerbers nicht mehr kausal auf den Grundstückserwerb,sondern auf den Vermögensverfall des Veräußerers zurückzu-führen ist. Weitergehende grunderwerbsteuerliche Schluss-folgerungen zu Lasten des Erwerbers lassen sich aus der Vor-schrift des § 105 Satz 2 InsO nicht ableiten.

3. Praktische Abwicklungsprobleme für den Insolvenzverwalter, Restabwicklungs-vereinbarungen

In der Praxis erfolgen häufig sogenannte Restabwicklungs-vereinbarungen, um ein streitiges Verfahren zu vermeiden.Der Insolvenzverwalter macht, angelehnt an die §§ 103, 105Satz 1 InsO dem Erwerber ein Angebot, zu welchen Konditio-nen er fehlende Leistungen aus der Insolvenzmasse zu erbrin-gen bereit ist. Der Abschluss eines derartigen Vertrages ist fürden Käufer sinnvoll, wenn alternative Lösungen – Erfüllungs-ablehnung durch den Insolvenzverwalter und Fertigstellungauf eigene Kosten durch neu einzusetzende Unternehmer –schwieriger und teurer sind und wenn bei einer solchen Lö-sung mit dem Insolvenzverwalter auch die grundstücksbezo-genen Punkte (Übereignung, Lastenfreistellung) im Zusam-menhang mit der Bauträgerbank ohne langwierige Schwierig-keiten erledigt werden können.

In derartigen Angeboten des Insolvenzverwalters liegt jedochkeine Erfüllungswahl i. S. von §§ 103, 105 Satz 1 InsO, da ereinen gegenüber dem ursprünglichen Vertrag modifiziertenVertrag anbietet. Sofern der Erwerber diese Modifizierungdes Vertrages innerhalb der 2-Jahres-Frist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG annimmt, besteht ebenfalls unproblematisch einAnspruch auf (anteilige) Rückerstattung der Grunderwerb-steuer. Der zurückzuerstattende Betrag errechnet sich aus der

39 Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 852 m. w. N.40 Braun/Kroth , § 105 InsO Rdnr. 3.41 Die hier vertretene Ansicht, dass eine „nicht verbaute“ unge-sicherte Vorleistung bei Insolvenz faktisch verloren ist, der entspre-chende Bauabschnitt entsprechend ein zweites Mal bezahlt werdenmuss, entspricht der durchaus h. M. (so etwa der des Vorsitzenden deszuständigen BGH-Senats Kreft in Festschrift Uhlenbruck, 2000,S. 387, 399 ff.), kritisch mit beachtlichen Argumenten hierzu Kesse-ler, RNotZ 2004, 171, 206.42 Sofern der Käufer die ausstehenden Bauleistungen teilweisenochmals vergüten muss, führt dies allerdings nicht etwa zu einerErhöhung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage; viel-mehr handelt es sich insoweit um eine reine werkvertragliche Leis-tung, die für sich gesehen keine zusätzliche Grunderwerbsteuer aus-löst.

43 So auch Uhlenbruck/Berscheid, § 105 InsO Rdnr. 4.44 Braun/Kroth, § 105 InsO Rdnr. 3; Uhlenbruck/Berscheid, § 105InsO Rdnr. 4.

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Höhe der Reduzierung der Kaufpreisforderung. Ist dagegendie 2-Jahres-Frist bereits abgelaufen, dürfte unseres Erach-tens § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG, welcher keine Fristerforder-nisse aufstellt, eingreifen, da über die Möglichkeit, Schadens-ersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, eine entsprechendeReduzierung der Kaufpreisforderung auch einseitig hättedurchgesetzt werden können. Sicherheitshalber sollte jedochin der Restabwicklungsvereinbarung ausdrücklich klargestelltwerden, dass der Erwerber auch einseitig aufgrund ihm zuste-hender Schadensersatzansprüche eine entsprechende Redu-zierung des Kaufpreises hätte herbeiführen können.

III. Zivil- und grunderwerbsteuerliche Rechtslage bei Ablehnung des Insolvenz-verfahrens mangels Masse

Sofern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens feststeht,dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des beiderseitsnoch nicht vollständig erfüllten Vertrages nicht wählt und derErwerber daraufhin wegen der werkvertraglichen Kompo-nente Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend macht,lässt sich der grunderwerbsteuerliche Anspruch auf teilweiseRückerstattung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 Nr. 2GrEStG klar herleiten.45 Problematischer sind die Fälle, in de-nen das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag des Bauträgersmangels Masse abweist oder der Bauträger ohne Insolvenzan-trag die Arbeiten für einen Zeitraum von mehreren Monateneinstellt. In derartigen Fällen ist dem Erwerber aus Gründender Rechtssicherheit anzuraten, klare rechtliche Verhältnissedadurch zu schaffen, dass er unter Orientierung an den ver-traglich vereinbarten Fertigstellungsterminen eine angemes-sene Frist zur Vertragserfüllung setzt und sich nach frucht-losem Fristablauf hinsichtlich der werkvertraglichen Kompo-nente vom Vertrag löst.

Ein Totalrücktritt (vom gesamten Bauträgervertrag) sollte da-gegen auch hier unterbleiben, da der Käufer sonst nicht nurdie Auflassungsvormerkung als akzessorische Sicherheit ver-liert,46 sondern auch den Anspruch auf Freigabe gegen dieBauträgerbank. Dieser setzt nämlich voraus, dass noch einAnspruch auf Eigentumsverschaffung gegen den Bauträgerbesteht.47 Das bedeutet, dass der Käufer nicht alleine auf-grund einer faktischen Baueinstellung die teilweise Rück-erstattung der Grunderwerbsteuer beantragen kann. Vielmehrmuss er über das richtige zivilrechtliche Vorgehen eine rechts-wirksame Reduzierung seiner Zahlungsverpflichtungen her-beiführen. Erst danach ist sein Antrag auf teilweise Rücker-stattung bzw. teilweise Nichtfestsetzung der Grunderwerb-steuer gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG begründet.48

283MittBayNot 4/2005 Gottwald/Steer · Teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer bei Insolvenz des Bauträgers?

IV. Zusammenfassung

Der Erwerber eines Bauträgerobjekts hat beim „Steckenblei-ben“ des Bauvorhabens infolge einer Insolvenzeröffnung überdas Vermögen eines Bauträgers die Möglichkeit, Schadenser-satz wegen Nichterfüllung hinsichtlich der werkvertraglichenKomponente des Bauträgervertrages geltend zu machen, so-fern der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages ab-lehnt. Durch den Schadensersatzanspruch reduziert sich dieKaufpreisforderung des Bauträgers, so dass ein Antrag aufteilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gestellt werden kann.

Hinsichtlich der kaufvertraglichen Komponente des Bauträ-gervertrages (Grundstückskauf) sollte dagegen kein Rücktrittvom Vertrag erfolgen, da der Käufer andernfalls den Schutzseiner Auflassungsvormerkung verlieren würde und darüberhinaus die Freistellung gegenüber der Globalgläubigerin nichtmehr gesichert wäre. Der Käufer muss somit aktiv zivilrecht-lich tätig werden, um die Grunderwerbsteuer teilweise zu-rückerstattet zu bekommen.

Seinen Schadensersatzanspruch kann er durch Anmeldungder Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle oder durchausdrückliche Verrechnung des Schadensersatzanspruchs ge-gen die dem Insolvenzverwalter zustehenden Positionen imAbrechnungsverhältnis geltend machen.

Auch bei einer sogenannten Restabwicklungsvereinbarungzwischen Käufer und Insolvenzverwalter besteht ein Anspruchauf teilweise Rückerstattung der Grunderwerbsteuer entspre-chend § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Sofern jedoch die 2-Jahres-Fristdes § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG abgelaufen ist, sollte in der Rest-abwicklungsvereinbarung klargestellt werden, dass der Käuferauch einseitig – über einen bestehenden Schadensersatzan-spruch – die Kaufpreisreduzierung hätte herbeiführen können.

Nur in dem Fall, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllungdes Vertrages verlangt, besteht für den Käufer keine Möglich-keit, die Grunderwerbsteuer zurückerstattet zu bekommen,solange er sich nicht aus sonstigen zivilrechtlichen Gründen(z. B. Verzug) vom Vertrag lösen kann. Sofern es infolge derInsolvenz nicht mehr zur tatsächlichen Rückzahlung des re-duzierten Kaufpreises kommt, reduziert sich nach der Recht-sprechung des BFH gleichwohl die grunderwerbsteuerlicheBemessungsgrundlage.

Bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masseist es dem Erwerber ebenfalls möglich, sich hinsichtlich derwerkvertraglichen Komponente vom Vertrag zu lösen (nachangemessener Fristsetzung zur Vertragserfüllung und frucht-losem Fristablauf) und anschließend die teilweise Rückerstat-tung bzw. teilweise Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuerzu beantragen.49 Auch hier sollte kein Totalrücktritt vom ge-samten Bauträgervertrag, sondern lediglich ein Teilrücktritt,bezogen auf die noch nicht erbrachten werkvertraglichenKomponenten, erfolgen.

49 Instruktive Rechenbeispiele zur Ermittlung der genauen Höheder Kaufpreisreduzierung befinden sich bei Grziwotz/Koeble/Schmitz,S. 845, 851 ff.

45 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziffer II. 1.46 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziffer II. 1.47 Vgl. BGH, NJW 2001, 2249; Griwotz/Koeble/Schmitz, S. 872.48 Zur Frage des Freistellungsanspruchs des Erwerbers gegen denBauträger hinsichtlich der Erschließungskosten nach Insolvenzver-fahrenseröffnung, vgl. ausführlich Grziwotz/Koeble/Schmitz, S. 895.

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I. Abhängigkeiten der Scheidungsfolgen

Das Doppelverwertungsverbot ist von einer strafrechtlichen1

zu einer familienrechtlichen Kategorie geworden.2 Dasszwischen den einzelnen Materien des Scheidungs- und Auf-hebungsfolgenrechts Abhängigkeiten bestehen, ist Kautelar-juristen grundsätzlich nichts Neues. Beispiel ist die Abgren-zung zwischen Anwartschaftsrechten, die dem Versorgungs-ausgleich unterliegen, und Vermögenswerten, die unter denZugewinnausgleich fallen. Hierzu enthält das Gesetz (§ 1587Abs. 3 BGB) eine entsprechende Differenzierung. Relevantwird sie insbesondere für Lebensversicherungen.3 Die Tren-nungslinie zwischen Zugewinnausgleich und Versorgungs-ausgleich verläuft mitten durch die Lebensversicherungen.4

Bedeutung hat diese Abgrenzung von Versorgungs- und Zu-gewinnausgleich ferner für bis zum 31.12.2004 geschlosseneLebenspartnerschaften, wenn die Beteiligten keine überein-stimmende Option hinsichtlich des Versorgungsausgleichsabgeben.5 Dass der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt nachDurchführung des Versorgungsausgleichs zu einem teilwei-sen Rentenverlust führen kann, wenn nicht insoweit Unter-haltsansprüche beibehalten werden,6 ist ebenfalls nichts Neues.Kaum verständlich ist – jedenfalls bei unbefangener Lektüredes Wortlauts des § 1586 b BGB – jedoch die teilweise in derLiteratur vertretene Ansicht,7 wonach ein Pflichtteilsverzichtden Verlust nachehelicher Unterhaltsansprüche beim Tod desunterhaltspflichtigen Exehegatten zur Folge hat. Die Konse-quenz dürfte nicht nur für die Beteiligten, sondern auch fürJuristen überraschend sein, da der Pflichtteilsverzicht nachder Scheidung mangels des Bestehens von Pflichtteilsan-sprüchen ohnehin keinerlei Wirkung mehr hat.8 Eine dies-bezügliche Klarstellung ist empfehlenswert.9 Dogmatischwäre auch ein auflösend bedingter Erb- und Pflichtteilsver-zicht in der Scheidungsvereinbarung möglich, der mit Er-löschen des gesetzlichen Ehegattenerbrechts, spätestens mitRechtskraft der Scheidung, wieder entfällt.

Der Gesetzgeber hat, wenn auch nicht immer schlüssig, Ab-hängigkeiten zwischen einzelnen Komponenten der Schei-dungsfolgen hergestellt. So ist Folge des Ausschlusses des

284 MittBayNot 4/2005Grziwotz · Doppelverwertungsverbot im Scheidungsfolgenrecht

Versorgungsausgleichs der Eintritt der Gütertrennung (§ 1414S. 2 BGB). Schwab10 hat zutreffend darauf hingewiesen, dassder benachteiligte Ehegatte dadurch doppelt nachteilig betrof-fen wird. Bei der Vertragsgestaltung ist hierauf zu achten.Auch die Rechtsprechung hat das Scheidungsfolgenrecht teil-weise als Einheit angesehen. So stellt die richterliche Inhalts-kontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungeneine Gesamtbetrachtung an.11 Allerdings zeigt die Praxis nichtzuletzt auch von Prozessvergleichen, dass häufig Zusammen-hänge des Unterhalts mit anderen Regelungsbereichen igno-riert werden und ferner Differenzierungen innerhalb der ein-zelnen Unterhaltstatbestände unterbleiben. Die Vereinbarungeines Pauschalunterhalts für die „Restfamilie“ unter Einschlussdes Trennungsunterhalts, des nachehelichen Unterhalts sowiedes Unterhalts für mehrere Kinder ist nicht selten. Auch No-tare werden mitunter mit entsprechenden außergerichtlichenVergleichen oder Mediationsvereinbarungen konfrontiert.Der Wunsch nach einer Differenzierung zwischen den unter-schiedlichen Unterhaltsbeträgen stößt sodann auf Unver-ständnis. Sollen gar der Elementarunterhalt sowie der Alters-vorsorge-, Krankenvorsorge- und Pflegeversicherungsunter-halt beziffert werden, wird der Kautelarjurist sehr schnell zum„Bedenkenträger“, der ein vom erfolgreichen Familienmedia-tor bereits gefundenes Einvernehmen nur zerstört.

II. Unterhalt und Zugewinnausgleich

1. Ausgleichskonkurrenzen und das Familienheim

Abgrenzungsfragen zwischen Zugewinnausgleich und nach-ehelichem Unterhalt waren aus der Rechtsprechung bisherkaum bekannt. Allerdings können sie auftreten, wenn ein imEndvermögen vorhandener Vermögenswert einerseits demZugewinnausgleich unterliegt und andererseits bei der Be-rechnung der Höhe eines gleichzeitig geschuldeten Unterhaltsherangezogen wird.12 Eine gesetzliche Regelung, wonachUnterhaltsansprüche Vorrang vor dem Zugewinnausgleichhaben, fehlt. Bereits einfache Fälle wie zum Beispiel dieBehandlung des Familienheims im Falle von Trennung undScheidung bereiten deshalb Probleme. Zu den die ehelichenLebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Einkünftengehören nämlich neben dem Einkommen und den Vermögens-erträgnissen aus Kapital auch tatsächliche Nutzungsvorteile,so insbesondere Wohnvorteile, die durch das mietfreie Woh-nen im eigenen Haus entstehen können. Es handelt sich dabeium Nutzungsvorteile (§ 100 BGB). Soweit der objektiveMietwert den dafür erforderlichen Aufwand an Grundstücks-kosten und Grundstückslasten sowie Zins- und Tilgungs-leistungen übersteigt, ist dieser Überschuss den Einkünftender Ehegatten bei der Bestimmung der ehelichen Lebensver-hältnisse hinzuzurechnen. Gleichzeitig bilden die Ehegattenallerdings mit den Tilgungsleistungen Vermögen. Zieht einEhegatte aus dem gemeinsamen Familienheim aus und be-

1 Vgl. nur § 46 Abs. 3 StGB; dazu BGH, NStZ 1982, 113 u. 463;BGH, NStZ-RR 2001, 295; BGH, NStZ-RR 2004, 71.2 Siehe nur Kogel, FamRZ 2004, 1614 ff.; Haußleiter, NJW-Spezial2004, 247 f.; Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 145 ff. Vgl. fernerSchröder, FamRZ 2005, 89 f.; Kogel, FamRZ 2005, 90.3 Siehe nur Wick, Der Versorgungsausgleich, 2004, Rdnr. 156 ff.4 Ähnlich Brudermüller, NJW 2003, 3166. Hierzu nunmehr BGH,FamRZ 2003, 664 = NJW 2003, 1320.5 § 21 Abs. 3 LPartG. Hierzu Grziwotz, DNotZ 2005, 13, 24 f.; aus-führlich zur alten Rechtslage Rieger, FamRZ 2001, 1497 ff.6 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsverein-barungen, 4. Aufl. 2000, Rdnr. 816.7 So Dieckmann, FamRZ 1999, 1029; vgl. auch Palandt/Brudermül-ler, BGB, 64. Aufl. 2005, § 1586 b Rdnr. 8.8 Gegen die vorstehende Ansicht deshalb bereits Grziwotz, FamRZ1991, 1258; Frenz, ZEV 1997, 450; Pentz, FamRZ 1998, 1344;Schmitz, FamRZ 1999, 1569; Bergschneider, FamRZ 2003, 1049;Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl. 1999, § 1586 b Rdnr. 7.9 Hambitzer, FPR 2003, 157; Waldner, Eheverträge, Scheidungs-und Partnerschaftsvereinbarungen, 2. Aufl. 2004, Rdnr. 83.

10 Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl. 2004, VII Rdnr. 308.11 BGH, MittBayNot 2004, 270; BGH, MDR 2005, 216.12 So zutreffend Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, VIIRdnr. 25.

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e Doppelverwertungsverbot im ScheidungsfolgenrechtVon Notar Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen

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wohnt es der andere Ehegatte allein, kann der Wohnwert nichtmehr in vollem Umfang zum Tragen kommen, da der demausgezogenen Ehegatten zuzurechnende Anteil des Wohn-wertes nicht mehr genutzt wird. Es handelt sich um totes Ka-pital, das bei der Bestimmung des Unterhalts außer Betrachtbleibt. Deshalb ist der Wohnwert nur eingeschränkt in Höheeiner angemessenen Wohnungsnutzung dem Verbleibendenallein zuzurechnen. Ist das Eigenheim durch eine Kreditauf-nahme finanziert worden, kann die Tilgung des Darlehensnicht zur Erhöhung des Unterhaltsanspruchs führen, da an-dernfalls der Unterhaltsverpflichtete durch einen erhöhtenUnterhalt die Bildung von Vermögen des Unterhaltsberechtig-ten mitfinanzieren müsste. Sind beide Ehegatten Miteigen-tümer des bisher gemeinsam genutzten Hauses, kann der Aus-ziehende vom Verbleibenden eine Neuregelung der Verwal-tung und Nutzung verlangen (§ 745 Abs. 2 BGB). Insbeson-dere kann er von dem Verbleibenden ein angemessenes Nut-zungsentgelt fordern. In der Praxis erfolgt die Neuregelunghäufig stillschweigend dadurch, dass der Verbleibende dieKosten sowie die Zins- und Tilgungsleistungen für ein ge-meinsames Darlehen allein übernimmt. Ein Nutzungsentgelt-anspruch kann wiederum mit Ausgleichsansprüchen der Ehe-gatten aus § 426 BGB kollidieren, wenn hinsichtlich desBankdarlehens eine Gesamtschuld vorliegt. Während derbestehenden Ehe wird dieser Ausgleich durch die ehelicheRollenverteilung überlagert (§ 1356 BGB); nach der Tren-nung gilt wiederum grundsätzlich die hälftige Ausgleichs-regel des § 426 BGB. Allerdings kann eine neue, das gesetz-liche Ausgleichsverhältnis überlagernde, anderweitige Be-stimmung im Unterhaltsrechtsverhältnis liegen. Das ist zumBeispiel der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige als Alleinver-diener die Kredite weiterhin bedient, aber sein für den Unter-halt einzusetzendes Einkommen um die Zins- und Tilgungs-raten verringert wird. Ferner erhält der unterhaltsberechtigteEhegatte nur einen entsprechend geringeren Unterhalt undträgt einen Teil der Schulden indirekt mit. Die neue Regelungkann auch in der tatsächlichen Ausgestaltung der Nutzungs-verhältnisse des Familienheims liegen.13 Wird das Familien-heim nach der Scheidung veräußert, so stellt sich die Frage,wie der Verkaufserlös zu berücksichtigen ist. Bisher hat derBGH zwischen dem Wohnwert und den Zinsen aus dem Ver-kaufserlös unterschieden. Den Wohnwert hat er bei der Er-mittlung des Unterhaltsbedarfs für eheprägend gehalten, umeinen sozialen Abstieg des Unterhaltsberechtigten zu vermei-den. Die Zinsen aus dem Verkaufserlös sind dagegen nicht alseheprägend angesehen und deshalb auf den Bedarf angerech-net worden.14 Nunmehr hat der BGH seine Rechtsprechungdahingehend geändert, dass er die Zinsen aus dem Verkaufs-erlös als Surrogat des früheren Wohnwerts und damit als ehe-prägend bezeichnet und nach der Differenzmethode berück-sichtigt.15

2. Fälle der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat sich in letzter Zeit mehrfach mit Fäl-len befassen müssen, in denen ein Vermögenswert schon beiFestlegung des Unterhalts als unterhaltsrelevantes Einkom-men berücksichtigt worden ist und beim Zugewinn ein weite-res Mal güterrechtlich auszugleichen war.

285MittBayNot 4/2005 Grziwotz · Doppelverwertungsverbot im Scheidungsfolgenrecht

a) Abfindung als Unterhalt

Der BGH hat Abfindungen, die für den Verlust eines Arbeits-platzes entrichtet wurden, früher nach dem starren Stichtags-prinzip des Zugewinnausgleichs im Endvermögen des aus-gleichspflichtigen Ehegatten berücksichtigt.16 Dies hatte zurFolge, dass nur noch die Zinsen aus der verbleibenden Geld-summe unterhaltsrechtlich relevant werden konnten.17 DerBGH hat dies für eine Abfindung, die im Rahmen eines So-zialplans bezahlt wurde, bereits relativiert.18 Durch die Ein-beziehung einer Abfindung in einen Vergleich über den Tren-nungsunterhalt hatten die Ehegatten vor der Scheidung ineinem neueren Fall nach Ansicht des BGH stillschweigendvereinbart, dass die Abfindung dem güterrechtlichen Aus-gleich entzogen sei.19 Nach dieser Rechtsprechung sind alleAbfindungen mit Versorgungscharakter dem Zugewinnaus-gleich entzogen, soweit sie den künftigen Unterhaltsbedarfdecken sollen. Allerdings ist zu prüfen, ob mit der Abfindungauch der künftige eigene Unterhalt zu decken ist. Die Siche-rung des eigenen Bedarfs geht der Leistung von Unterhalt anden Bedürftigen sogar vor.20

b) Ausgleichskonkurrenz bei einer Beteiligung

In der Entscheidung zur Unternehmensbeteiligung21 hatte derEhemann sich an einem Verlag, bei dem er angestellt war, miteinem Darlehensbetrag beteiligt. Er erhielt erhebliche jähr-liche Gewinnausschüttungen, die beim Trennungs- und Ge-schiedenenunterhalt auch der Ehefrau zugute kamen. Bei Be-endigung des Dienstverhältnisses war die Einlage nur mitihrem Nennwert abzufinden. Die Ehefrau wollte über eineErtragswertberechnung die Unternehmensbeteiligung kapi-talisieren. Der BGH lehnte eine Berücksichtigung im Zuge-winnausgleich ab, da die Parteien in einem Vergleich die Ge-winnanteile als unterhaltsrechtlich relevantes Arbeitseinkom-men behandelt hätten. Andernfalls käme es zu einer unzuläs-sigen Doppelbelastung. Dienen die Erträge dem Unterhalt,scheide der Ertragswert als Bewertungsmethode aus.22

c) Doppelbewertung und Stichtagsprinzip

Der Grundsatz, dass keine zweifache Teilhabe an der gleichenRechtsposition erfolgen darf, ist eindeutig.23 So können bei-spielsweise beim Zusammenleben des Unterhaltsschuldnersmit einem nichtehelichen Partner nicht einerseits ein Einkom-men aus einem Vergütungsanspruch eigener Art und anderer-seits zusätzlich ersparte Aufwendungen angesetzt werden.24

Allerdings lassen sich Überschneidungen wegen der starren

16 BGH, FamRZ 1982, 148; BGH FamRZ 1998, 362.17 Zur Kritik Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 145.18 BGH, FamRZ 2001, 278, 282.19 BGH, FamRZ 2003, 432 = NJW 2003, 1396 = FPR 2003, 244 =MDR 2003, 334 = BGHR 2003, 276; ebenso BGH, FamRZ 2004,1352 = FPR 2004, 376 = MDR 2004, 1120; OLG Frankfurt, FamRZ2000, 611 f.; kritisch zur Begründung: Gerhardt/Schulz, FamRZ2005, 145, 146; Kogel, FamRZ 2003, 1645; ders., FamRZ 2004,1614. Vgl. auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechungzur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl. 2004, Rdnr. 794 ff.20 BGH, FamRZ 2004, 1352, 1353; dazu krit. Maurer, FamRZ 2005,757 ff.21 BGH, FamRZ 2003, 432 = NJW 2003, 1396.22 Zutreffend Brudermüller, NJW 2003, 3166; vgl. auch Kogel,FamRZ 2004, 1614.23 Vgl. nunmehr auch BGH, FamRZ 2003, 432 = NJW 2003, 1396= FPR 2003, 244 = MDR 2003, 334 = BGHR 2003, 276; BGH,FamRZ 2003, 1544 = FPR 2003, 662 = NJW 2003, 3339 = BGHZ156, 105 = MDR 2003, 1292; BGH, FamRZ 2004, 1352 = FPR 2004,376 = MDR 2004, 1120.24 Ebenso FA-FamR/Gerhardt, 5. Aufl. 2005, 6. Kap. Rdnr. 18 a.

13 Instruktiv Hahne, FF 1999, 99 ff.; vgl. Gerhardt in Wendl/Staudigl,Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 6. Aufl. 2004,§ 1 Rdnr. 345 ff.14 BGH, FamRZ 1985, 354; BGH, NJW 1998, 753 = FamRZ 1998,87.15 NJW 2001, 2259, 2261 = FamRZ 2001, 1190. Vgl. dazu die Bei-spiele von Gerhardt, FamRZ 2003, 414.

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Stichtagsregelung beim Zugewinn nicht vollständig vermei-den. Der Unterhalt ist eine monatliche Dauerleistung, derZugewinn eine Einmalzahlung. Beim Unterhalt kann nur einePrognose über die voraussichtliche Laufzeit getroffen weden.Das Güterrecht stellt dagegen auf den Stichtag der Rechts-hängigkeit der Scheidung ab.25 Hat der Ehemann ein Konto-guthaben von 5.000 € am 24.4.2005, an dem der Scheidungs-antrag zugestellt wird, so werden die am 1.5.2005 fällig wer-denden Unterhaltszahlungen nicht als Verbindlichkeiten be-wertet, die das Endvermögen mindern.26 Anders ist dies hin-sichtlich der am Stichtag bereits fälligen Unterhaltsschulden.

Bisher nicht entschieden vom BGH ist das Problem der Dop-pelverwertung von Schulden.27 Eine zweifache Inanspruch-nahme des Bedürftigen wird vermieden, wenn die Schuldallein beim Zugewinn abgezogen wird, nicht dagegen beimUnterhalt.28 Dies hat Auswirkungen auf die Unterhaltsberech-nung.29 Das Verbot der Doppelverwertung gilt ferner auch beiSteuererstattungen und Steuernachzahlungen. Es spielt eben-so bei Arbeitnehmerabfindungen, die bei der Errechnung desUnterhalts als Einkommen berücksichtigt werden, eine Rolle.30

Es gilt dagegen nicht, wenn eine Doppelverwertung von vorn-herein nicht in Betracht kommt. Beispiele sind die Gütertren-nung sowie der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei derScheidung und bei einer Überschuldung.

286 MittBayNot 4/2005Mayer · Behindertentestament und Pflichtteilsstrafklauseln

Umstritten ist, ob der Bedürftige ein Wahlrecht hat, eine beimStichtag für den Zugewinn noch vorhandene Abfindung imUnterhalt oder im Zugewinn anzusetzen. Dies wurde teil-weise bejaht, um die Nachteile der „Unterhaltslösung“, diesich bei einer Wiederheirat, einer Verwirkung bei einer festensozialen Verbindung und der Anrechnung von zusätzlichenEinkünften ergeben, zu vermeiden.31 Demgegenüber vertre-ten Gerhardt und Schulz die Ansicht, dass kein Wahlrechteines Ehegatten besteht, ob Schulden und ihre Tilgung überden Zugewinn oder den Unterhalt auszugleichen sind.32 Siebegründen dies zutreffend damit, dass die Verbindlichkeiten,wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand leben, nach dergesetzlichen Regelung (§ 1375 Abs. 1 BGB) stets im Endver-mögen des Alleinschuldners anzusetzen sind. Bei Schuldenhat deshalb die güterrechtliche Lösung Vorrang.

III. Folgen für Scheidungsvereinbarungen

Im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen sind die vorste-henden Auswirkungen der getroffenen Regelung zu beachten.Dies gilt auch dann, wenn man der wohl zutreffenden „Unter-haltslösung“ folgt. Betroffen sind sowohl Gesamtlösungen,die den nachehelichen Unterhalt und den Zugewinnausgleichregeln, aber auch Vereinbarungen, die nur einen Teilbereichbetreffen. Erfolgt in einer umfassenden Scheidungsverein-barung ein Verzicht auf den Zugewinnausgleich und auf nach-ehelichen Unterhalt, ergeben sich keine Besonderheiten. Wirdnur der Zugewinn ausgeschlossen, muss bei der Regelung desnachehelichen Unterhalts beachtet werden, welche Positionendort zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt in der umgekehrtenKonstellation. In beiden Fällen sollte bei einer bewussten„Verlagerung“ entgegen der wohl h. M.33 auf die hiermit ver-bundene rechtliche Unsicherheit wegen des Fehlens einerhöchstrichterlichen Rechtsprechung hingewiesen werden.

25 Vgl. FA-FamR/Gerhardt, 6. Kap. Rdnr. 18 b.26 BGH, FamRZ 2003, 1544, 1545; vgl. auch Haußleiter/Schulz,Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl.2004, Rdnr. 301 u. 301 a.27 FA-FamR/Gerhardt, 6. Kap. Rdnr. 18 e.28 OLG München, OLGR 2004, 393 = FPR 2004, 509 = FamRB2004, 388 = FamRZ 2005, 459 = MittBayNot 2005, 313 (in diesemHeft).29 Vgl. Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 317 ff.; Niepmann, MDR2003, 845.30 OLG Frankfurt/M., FamRZ 2000, 611, 612; vgl. auch Klingel-höffer, BB 1997, 2216, 2217; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht,VII Rdnr. 25.

31 So Kogel, FamRZ 2004, 1614; Bergschneider, FamRZ 2004, 1356.32 FamRZ 2005, 317.33 Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 317.

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Behindertentestament und Pflichtteilsstrafklauseln

– zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 8.12.2004, IV ZR 223/03* –

Von Notar Dr. Jörg Mayer, Pottenstein

* MittBayNot 2005, 314 (in diesem Heft).1 MittBayNot 2005, 314 (in diesem Heft).2 BGHZ 111, 36 = NJW 1990, 2055 = MittBayNot 1990, 245 m.Anm. Reimann = DNotZ 1992, 241 m. Anm. Reimann; BGHZ 123,368 = NJW 1994, 248 = DNotZ 1994, 380 = MittBayNot 1994, 49 m. Anm. Reimann.

1. Gestaltungsmöglichkeiten beim sog. „Behindertentestament“

Mit der Entscheidung vom 8.12.20041 beschäftigt sich derBGH soweit ersichtlich zum dritten Mal mit dem Behinder-tentestament. In den beiden vorangegangenen Entscheidun-gen2 hat der BGH die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Ge-staltung bei Verwendung der sog. „Erbschaftslösung“ ausge-sprochen. Hier wird das behinderte Kind mit einem Erbteil,

der wegen § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB über der Hälfte seinesgesetzlichen Erbteils liegen muss, zum Erben eingesetzt, je-doch belastet mit einer Dauertestamentsvollstreckung oderVerwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) auf Lebzeiten desBehinderten, um einen Zugriff des Sozialhilfeträgers auf dieseErbschaft zu verhindern (§ 2214 BGB). Zugleich erfolgt einesorgfältig zu formulierende Verwaltungsanordnung i. S. von § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB, wie der Testamentsvollstreckermit den Erträgen zu verfahren hat.3 Dabei ist einerseits zwarsicherzustellen, dass nur solche Erträge ausgekehrt werden,die der Sozialhilfeträger nicht auf sich überleiten oder auf ge-setzliche Leistungen der Sozialhilfe zu Lasten des Behinder-ten anrechnen kann. Andererseits soll der Behinderte hieraus

3 Abschreckendes, weil verunglücktes Beispiel im Fall von OVGBautzen, NJW 1997, 2898 = MittBayNot 1998, 127 m. Anm. Krauß.

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wirklich einen echten Vorteil haben, also Leistungen über dengesetzlichen Sozialhilfestandard bekommen, denn das Behin-dertentestament findet darin seine Rechtfertigung, dass Elternihren behinderten Kindern in ihrer wohlverstandenen Sorgezusätzliche Hilfen gewähren. Dies hat der BGH in beidenGrundsatzentscheidungen ausdrücklich angesprochen unddies sollte Richtschnur jeder Testamentsgestaltung auf diesemschwierigen Gebiet sein, damit das Behindertentestament wirk-lich seinen rechtfertigenden Zweck erfüllen kann, und nichtzum bloßen Familienerhaltungstestament wird, das mög-licherweise dem Verdikt der Sittenwidrigkeit verfällt (§ 138BGB). Um nach dem Tod des Behinderten zu verhindern, dassder Sozialhilfeträger einen Kostenerstattungsanspruch gegendie Erben nach § 102 SGB XII (früher § 92 c BSHG) geltendmachen kann, erfolgt weiter eine Nacherbeneinsetzung, undzwar i. d. R. der Geschwister des Behinderten. Abgesehen vonder Frage, ob bei sehr großen Nachlässen, bei denen bereitsder Pflichtteilsanspruch des Behinderten zur Deckung seinesLebensbedarfs ausreichen würde, nicht doch ausnahmsweiseeine Sittenwidrigkeit in Betracht kommt, ist diese Erbschafts-lösung als grundsätzlich gesicherte Gestaltung anzusehen.4

Allerdings bestehen auch hier noch gewisse Problem- undSchwachstellen,5 insbesondere was den praktischen Vollzugdes Behindertentestaments angeht. Nachteilig ist insbeson-dere auch die gesamthänderische Bindung an die Erben-gemeinschaft, zu der auch der Behinderte gehört.6 Dies hat zu neuen Lösungsversuchen geführt, insbesondere zur sog.Vermächtnislösung7, wonach der Behinderte anstelle einesErbteils ein Vorvermächtnis in Höhe seines Pflichtteils odergrößer erhält, das ebenfalls einer Verwaltungsvollstreckungunterworfen wird. Jedoch treten hier Probleme auf,8 die bisherzumindest höchstrichterlich noch nicht entschieden sind, sodass in der Praxis Vorsicht geboten erscheint.9 Gleiches giltfür die sog. „umgekehrte Vermächtnislösung“ von Grziwotz10

oder die Nacherbenlösung von Litzenburger11, wonach derBehinderte erst zum Nacherben eingesetzt wird.

2. Wirkung von Pflichtteilsstrafklauseln im Behindertentestament

Das Urteil des BGH vom 8.12.200412 betrifft jetzt aber nureine Detailfrage des Behindertentestaments, nämlich die Wir-kung von Pflichtteilsstrafklauseln. Auf die sich hier ergeben-den Probleme hat Spall bereits unter dem zutreffenden Titel„Pflichtteilstrafklausel beim gemeinschaftlichen Behinder-tentestament: Kolumbus-Ei oder trojanisches Pferd?“13, hin-gewiesen. Anlass hierfür war übrigens die Entscheidung desLandgerichts Konstanz, die auch die Ausgangsentscheidung

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zu dem neuen BGH-Urteil war. Mit dem Thema der Pflicht-teilsstrafklauseln in Behindertentestamenten mussten sichmittlerweile schon zwei Oberlandesgerichte beschäftigen.14

a) Pflichtteilsstrafklauseln als Instrument der Nachfolgeplanung

Pflichtteilsstrafklauseln findet man sehr häufig bei gemeinschaft-lichen Testamenten oder Ehegattenerbverträgen, wenn sichEhegatten in der Art des „Berliner Testaments“ (§ 2269 BGB)gegenseitig zu Vollerben einsetzen und erst nach beider Toddie Kinder zu Schlusserben berufen werden. Da die Ab-kömmlinge des erstversterbenden Elternteiles im ersten Erb-fall enterbt werden, besteht die Gefahr, dass der überlebendeEhegatte mit entsprechenden Pflichtteilsansprüchen konfron-tiert wird. Dies versucht man durch entsprechende Pflicht-teilsklauseln zu vermeiden.15 Diese dienen einmal zur Ent-lastung des länger lebenden Ehegatten vor der Pflichtteilsaus-zahlung und den damit verbundenen finanziellen und persön-lichen Belastungen, aber auch zur Vermeidung einer unge-rechtfertigten Bevorzugung des Kindes, das vorzeitig seinenPflichtteil verlangt und dann im zweiten Erbfall u. U. nocheinmal seinen ungekürzten Erbteil erhalten könnte. Schließ-lich finden sich auch Ausgestaltungen, wonach die loyalenKinder, die den letzten Willen der Eltern respektieren und imersten Erbfall keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen, alsBelohnung zusätzlich eine angemessene Sicherung der Nach-lassbeteiligung erhalten sollen, etwa indem man ihnen bei einerPflichtteilsgeltendmachung durch einen anderen ein zusätz-liches Vermächtnis zuwendet, wie dies etwa die sog. „Jastrow’-sche Klausel“ vorsieht. Die Wirkung solcher Pflichtteilsklau-seln beruht also zum einen auf einer Abschreckungswirkung,indem für den Fall der Pflichtteilsgeltendmachung nach demersten Erbfall auch nach dem Tod des länger lebenden derEhegatten das entsprechende Kind enterbt sein soll, und ineiner zuteilenden Wirkung, indem durch entsprechende Ver-mächtnisse oder Ähnliches den loyalen Kindern ein zusätz-licher Vorteil zugewandt wird.

b) Tauglichkeit von Pflichtteilsstrafklauseln beim „Behindertentestament“

Angesichts der Probleme, die aus der „Erbschaftslösung“beim Behindertentestament dann entstehen, wenn bereits imersten Erbfall der Behinderte als Miterbe eingesetzt wird,erscheint es zumindest verständlich, dass es immer wiederHinweise gab, auf eine solche Lösung zu verzichten, undstattdessen den Behinderten im ersten Erbfall zu enterben und mit einer entsprechenden Pflichtteilstrafklausel zu ar-beiten und erst im Schlusserbfall den Behinderten zum Mit-Vorerben zu berufen.16 Die besonderen Risiken dieser Gestal-tung liegen darin, dass nach ganz einhelliger Auffassung imsozialhilferechtlichen Schrifttum17 aber auch im zivilrecht-

14 OLG Frankfurt/M., RNotZ 2004, 164 = ZEV 2004, 24 m. Am.Spall = ZErb 2004, 201; dazu auch Ivo, ZErb 2004, 174; Heinz-Grimm, RdLH 2004, 33; und als Vorinstanz zum BGH das OLGKarlsruhe, NJW-RR 2004, 728 = RNotZ 2004, 95 = MittBayNot2004, 198 [LS] = ZEV 2004, 26 m. Anm. Spall; dazu auch Ivo, a. a. O.;Rohlfing, FamRB 2004, 156; Heinz-Grimm, a. a. O.15 Dazu etwa J. Mayer in Dittmann/Reimann/Bengel, Testamentund Erbvertrag, 4. Aufl. 2002, System. Teil E Rdnr. 88 ff.16 Vgl. etwa van de Loo, NJW 1990, 2852, 2856.17 Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 90 Rdnr. 22;Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand Juni 2003, § 90 Rdnr. 53unter dem Stichwort „Pflichtteilsanspruch“; Münder in LPK-BSHG,5. Aufl. 1998, § 90 Rdnr. 14.

4 Dazu eingehend Bengel in Scherer, Münchener AnwaltshandbuchErbrecht, 2002, § 13 Rdnr. 13 ff.; Spall, FS 200 Jahre NotarkammerPfalz, 2003, S. 121, 128 ff.; zweifelnd allerdings Litzenburger, RNotZ2005, 162, 164 f. wegen der Gefahr der Überleitbarkeit des Ausschla-gungsrechts bei § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB; hierzu unten unter 2 e.5 Dazu etwa Littig/J. Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erbenund Beschenkten, 1999, Rdnr. 213 ff.6 Spall, MittBayNot 2001, 249, 250 f.7 Ausführlich Spall, a. a. O.; Hartmann, ZEV 2001, 89, 91; dazuauch Joussen, NJW 2003, 1851.8 Dazu Damrau/J. Mayer ZEV 2001, 293.9 Vgl. etwa Bengel, a. a. O., § 13 Rdnr. 28.10 ZEV 2002, 409; krit. dazu Spall, FS 200 Jahre NotarkammerPfalz, 135 ff.; Litzenburger, RNotZ 2004, 143.11 RNotZ 2004, 138; krit. dazu J. Mayer, ZEV 2004, 299.12 MittBayNot 2005, 314 (in diesem Heft).13 MittBayNot 2003, 356.

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lichen18 der Pflichtteilsanspruch auf den Sozialhilfeträgernach § 90 Abs. 1 BSHG (jetzt § 93 SGB XII) übergeleitet wer-den kann, und zwar auch dann, wenn der Pflichtteilsanspruchnoch nicht geltend gemacht wurde. Zwar ist dieser nach § 852Abs. 1 ZPO der Pfändung erst dann unterworfen, wenn erdurch Vertrag anerkannt oder rechtshängig wurde. Nach § 90Abs. 1 Satz 4 BSHG (ebenso jetzt § 93 Abs. 1 Satz 4 SGBXII) ist aber die Überleitung eines Anspruchs nicht dadurchausgeschlossen, dass der Anspruch nicht gepfändet werden kann. Insoweit wird der Sozialhilfeträger gegenüber anderenGläubigern, die den Pflichtteilsanspruch pfänden wollen,privilegiert. Die Anhänger der Enterbungslösung versuchtendas Problem damit zu lösen, dass man geltend machte, einesolche Überleitung des Pflichtteilsanspruches nach dem ersten Erbfall wäre ermessensfehlerhaft, weil damit zugleichdie Enterbung im zweiten Erbfall einträte, und dies zu Lastendes Behinderten ginge.19 Aber darauf, wie die Behörde ihrentsprechendes Ermessen ausübt, kann man sich bei derVertragsgestaltung nicht im Voraus verlassen. Hinzu kommt,dass die entsprechende Überleitungsentscheidung ein Ver-waltungsakt ist, der bestandskräftig wird, wenn er nicht rechtzeitig angefochten wird. Unterbleibt dies aber, so ist der Einwand der unrichtigen Ermessensausübung im Rahmeneines Zivilprozesses, bei dem es um das Bestehen des über-geleiteten Anspruches geht, ausgeschlossen. Zu Recht hatsich diese Auffassung daher nicht durchsetzen können. Ausder Sicht der Sozialhilfeträger ist für die Ermessungsentschei-dung zudem zu beachten, dass diese bei einer ausreichenden „Abschottung“ der Erbenstellung des Behinderten durchAnordnung einer Verwaltungsvollstreckung und Vor- und Nach-erbschaft wenige Zugriffsmöglichkeiten im zweiten Erbfallhaben.

c) Zugriffsmöglichkeit des Sozialhilfeträgers auf den Pflichtteilsanspruch

Neuer Wind kam in die Diskussion durch drei Umstände:(1) Dies war zum einen ein überraschender Beschluss des Betreuungssenats des BayObLG.20 Ohne auf die ganz h. M.einzugehen, wurde hier aus dem Wortlaut der §§ 2303 Abs. 1Satz 1, 2325 Abs. 1 und 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB und der dortverwandten „kann“-Formulierung gefolgert, dass der Sozial-hilfeträger diese Ansprüche erst dann verwerten kann, wennder Betroffene, u. U. vertreten durch einen Betreuer, sich zurGeltendmachung dieser Ansprüche entschließt und die in § 852 Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegen. Die-ser Beschluss hat allgemein Unverständnis hervorgerufen.21

(2) Eine andere, insbesondere vom OLG Frankfurt/M.22 ver-tretene Auffassung stellt auf die wirtschaftliche Folge einerderartigen Überleitung ab: da diese zu einer Enterbung imSchlusserbfall führe, bestehe eine Parallele zu der Situation,bei der der Sozialhilfeträger das im Fall von § 2306 Abs. 1Satz 2 BGB bestehende Ausschlagungsrecht eines beschwer-ten Erben auf sich überleiten würde. Die Geltendmachung des

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Pflichtteilsanspruches nach dem Erstverstorbenen der Elternkomme daher bei einer Pflichtteilstrafklausel in ihren Wir-kungen wirtschaftlich der Ausschlagung einer Erbschaft gleich.Bei einer solchen Ausschlagung der belasteten Erbschaft seiaber anerkannt, dass dieses Ausschlagungsrecht der Sozial-hilfeträger nicht auf sich überleiten könne. Interessanter-weise hat der BGH in seiner genannten Entscheidung vom8.12.2004 zu dieser Frage nicht Stellung genommen, obwohldiese auch von der Vorinstanz des OLG Karlsruhe ange-sprochen wurde. (3) Die fundierteste Kritik der herrschendenMeinung kommt von Muscheler. In seiner vorzüglichenMonografie „Universalsukzession und Vonselbsterwerb“23

geht er ausführlich auf diese Problematik ein. Er weist da-raufhin, dass § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG (nunmehr § 93 Abs. 1Satz 4 SGB XII) nur davon spricht, dass der Übergang desAnspruchs auf den Sozialhilfeträger nicht dadurch ausge-schlossen ist, dass der Anspruch nicht gepfändet werdenkann. Er zieht aber die Parallele zur neueren Rechtsprechungdes BGH zur Auslegung des § 852 Abs. 1 ZPO. Nach demWortlaut der Vorschrift ist der Pflichtteilsanspruch der Pfän-dung eigentlich nur dann unterworfen, wenn er durch Vertraganerkannt oder rechtshängig geworden ist. Der BGH hat diesaber dahingehend erweitert, dass bereits vorher der Pflicht-teilsanspruch gepfändet werden kann, wenn auch nur in sei-ner zwangsweisen Verwertung aufschiebend bedingt.24 Diesefrühzeitige Pfändungs- oder aber Überleitungsmöglichkeitsichert den Pflichtteilsanspruch gegen Verfügungen zu Guns-ten Dritter oder gegen einen Zwangsvollstreckungszugriff an-derer. Durch die sich daraus ergebende feine Unterscheidungzwischen der Inhaberschaft des Anspruchs auf der einen Seiteund der Befugnis zur Geltendmachung auf der anderen Seitewird auch dem Normzweck des § 852 ZPO Rechnung ge-tragen, der eigentlich auch gegenüber dem Sozialhilfeträgergelten müsste: Denn dieser besteht darin, dass wegen der per-sönlichen Beziehungen der Beteiligten allein der Berechtigteentscheiden soll, ob er seinen Anspruch geltend macht,25 unddies aber nicht der Entscheidung eines Gläubigers oderDritten (also auch eines Sozialhilfeträgers) überlassen bleibt.Zudem weist Muscheler auf einen (vermeintlichen) Wertungs-widerspruch hin: Das, was der Erblasser dem Bedachtengeben will (als Erbe oder Vermächtnis) und was man daher i. d. R. ohne weitere Bedenken annimmt, soll man nach der h. M. leichter von sich weisen und dem Sozialhilfeträgerleichter entziehen können, als das, was einem der Erblassernicht freiwillig überlässt, obgleich es hierfür viele Gründegibt, auch dies abzulehnen. Dabei wird aber verkannt, dassder Pflichtteil eine unentziehbare Nachlassbeteiligung ist.Und auf diesen kann eben auch ein Sozialhilfeträger zugrei-fen, wenn er das Existenzminimum des Berechtigten sichernmuss. Dies entspricht dem Subsidiaritätsgrundsatz (§ 2 SGBXII), der nach wie vor unser Sozialhilferecht beherrscht. Wei-ter verweist Muscheler auch auf die Unterhaltsfunktion desPflichtteilsanspruches und dass bei Unterhaltsansprüchen das Subsidiaritätsprinzip mittlerweile in erheblichem Maßedurchbrochen sei. Jedoch prägt auch das neue Sozialhilfe-recht im SGB XII die grundlegende Unterscheidung zwischenden Unterhaltsansprüchen (§ 94) und sonstigen vermögens-rechtlichen Ansprüchen, zu denen gerade der Pflichtteilsan-spruch gehört (§ 93). Und die Unterhaltsfunktion des Pflicht-teils ist zudem heute mehr als umstritten.26

18 Bengel in Dittmann/Reimann/Bengel, a. a. O., System. Teil ERdnr. 203; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 35 IV 6 a beiFn. 90; Littig/J. Mayer, a. a. O., Rdnr. 294; Nieder, NJW 1994, 1264,1266; Reimann, DNotZ 1992, 246.19 Van de Loo, a. a. O.; eingehend dazu Spall, MittBayNot 2003,356, 358 ff.20 BayObLGZ 2003, 248, 253 f. = FGPrax 2003, 268 = NJW-RR2004, 1157.21 Vgl. nur DNotI-Report 2003, 189.22 RNotZ 2004, 164 = ZEV 2004, 24 m. Anm. Spall = ZErb 2004,201; offen gelassen von MünchKommBGB/Lange, 4. Aufl. 2004,§ 2317 Rdnr. 10.

23 2002, S. 235 f.; ebenso in der Urteilsbesprechung ZEV 2005, 119 f.24 BGHZ 123, 183, 186 = NJW 1993, 2876.25 Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 852 Rdnr. 1.26 Vgl. etwa Haas, ZEV 2000, 249, 251.

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d) BGH: Überleitbarkeit des Pflichtteilsanspruchs auf den Sozialhilfeträger

Der BGH hat für die Praxis insoweit Klarheit gebracht, alsnunmehr mit der Überleitung des Pflichtteilsanspruchs auchbereits vor seiner Geltendmachung gerechnet werden muss.Das „klassische Berliner Testament“ mit gegenseitiger Erb-einsetzung der Ehegatten und einer enterbenden Pflichtteils-strafklausel ist daher nicht mehr geeignet, gegen den Zugriffdes Trägers der Sozialhilfe Schutz zu bieten.27

e) Überleitbarkeit des Ausschlagungsrechts auf den Sozialhilfeträger?

Nicht entscheiden musste der BGH in seiner Entscheidungvom 8.12.200428 die Frage, ob das bei der Falllage des § 2306Abs. 1 Satz 2 BGB dem Pflichtteilsberechtigten zustehendeAusschlagungsrecht auf einen Träger der Sozialhilfe über-geleitet werden kann. Wäre dies der Fall, so wäre die prak-tische Tauglichkeit des Behindertentestaments in Frage ge-stellt. Der BGH macht in seinem neuen Urteil vom 8.12.2004allenfalls eine indirekte Aussage zu diesem Problem, wenn erdavon spricht, dass nach der h. M. eine solche Überleitungs-möglichkeit nicht besteht, und für die Gegenansicht keineeinzige Stellungnahme zitiert. Litzenburger folgert daraus,dass der Senat ausdrücklich offen lasse, welcher Auffassungzu folgen sei. Er weist daher darauf hin, dass die Gestaltungeines Behindertentestaments an einem „seidenen Faden“ hänge,nämlich an der Nichtüberleitbarkeit des Ausschlagungsrechts.Daher könne nach wie vor kein Berater wirklich sicher sein,dass seine erbrechtliche Gestaltung wirklich den Zugriff desSozialhilfeträgers ausschließe.29 Ganz so pessimistisch würdeich das nicht sehen. Würde der BGH tatsächlich die Überleit-barkeit des Ausschlagungsrechts für möglich halten, hätte erangesichts der besonderen Brisanz des Problems sicherlicheine vorsichtige Andeutung gemacht. Hinzukommt ein prak-tischer Umstand. Die Streitfrage wird bei der Erbschafts-lösung i. d. R. keine Rolle spielen. Denn meist wird die Aus-schlagungsfrist bereits abgelaufen sein, bevor der Sozialhilfe-träger eine Überleitungsentscheidung treffen kann. In denFällen der noch offenen Ausschlagungsfrist wird aber derSozialhilfeträger den Behinderten wegen des Nachranggrund-satzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII) wohl auch darauf verweisenkönnen, das Ausschlagungsrecht auszuüben, weil dadurch derPflichtteilsanspruch zu erlangen ist.30 Die Gefahren, die ausder Ausschlagungsmöglichkeit zur Pflichtteilserlangung resul-tieren, sind aber bei der Vermächtnislösung wesentlich größer,weil es dort keine gesetzliche Ausschlagungsfrist gibt, unddaher bis zur Annahme des Vermächtnisses der Sozialhilfe-träger den Behinderten auf die Wahrnehmung des Ausschla-gungsrechts verweisen kann.

289MittBayNot 4/2005 Mayer · Behindertentestament und Pflichtteilsstrafklauseln

f) Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Sozialhilfeträger

Wird der Pflichtteilsanspruch nicht vom Pflichtteilsberechtig-ten selbst, sondern vom Sozialhilfeträger geltend gemacht,dann besteht die Besonderheit, dass damit das Interesse einesDritten, nämlich das der öffentlichen Hand, in die zunächstrein familiäre Nachlassplanung hineingetragen wird. DieKlausel vermag mit ihrer Abschreckungs- und Zuteilungswir-kung nicht mehr das zu leisten, was sie allein in ihrer Binnen-wirkung vermocht hätte. Ja gerade im Gegenteil: Durch diePflichtteilsgeltendmachung im ersten Erbfall erhält der So-zialhilfeträger einen voll überleitbaren Pflichtteilsanspruchnach dem Tod des ersten Elternteils und dann zur Belohnungauch noch einen weiteren voll verwertbaren Pflichtteil imSchlusserbfall, während bei Fortbestand der Schlusserbenein-setzung mit Verwaltungsvollstreckung und Nacherbeneinset-zung keinerlei Zugriffsmöglichkeiten bestanden hätten. DieProblematik, dass der Pflichtteil von einem anderen, der vonder Enterbungssanktion nicht betroffen wird, geltend gemachtwird, ist nicht neu. So hat bereits das OLG Braunschweig31

sich mit dem Fall befassen müssen, dass der Pflichtteil durcheinen Pfleger des Betroffenen verlangt wurde. Diese Proble-matik lässt sich dann entschärfen, wenn man das Eingreifeneiner derartigen Pflichtteilstrafklausel vom Vorliegen einessubjektiven Tatbestandsmerkmals abhängig macht, wonachfür die enterbende Wirkung dieser Pflichtteilstrafklausel er-forderlich ist, dass der den Pflichtteil fordernde Erbe sich „invorwerfbarer Weise gegen den Willen des Erblassers auf-gelehnt haben muss“.32 Auf diese Kontroverse geht aber derBGH leider überhaupt nicht ein. Je nach Art und Zweck derPflichtteilsklausel kann ein Pflichtteilsverlangen im Sinne derVerwirkungsklausel aber auch dann vorliegen, wenn ein Drit-ter den Pflichtteil geltend macht. Allerdings ist dann im Wegeder ergänzenden Auslegung sorgfältig zu prüfen, ob dies auchgegen den eigentlichen Pflichtteilsberechtigten und die ihmfür den Schlusserbfall zugedachte Erbenstellung wirkt. So hatdas BayObLG in einem Fall, in dem der Pflichtteilsanspruchim ersten Erbfall an die Schwiegertochter weitervererbt wurde,deren Pflichtteilsgeltendmachung nicht dem zum Schlusser-ben eingesetzten Enkel angelastet. Um die vom Erblasser i. d. R.nicht gewollte Doppelbegünstigung dieses Stammes zu ver-meiden, nahm das BayObLG dann aber an, dass der geltendgemachte Pflichtteil auf die Schlusserbenquote anzurechnenist.33 Damit würde aber auch der Einwand von Muscheler34

entkräftet, dass die Eltern die durch die Geltendmachung desPflichtteils eines Kindes entstandene Ungleichbehandlungder anderen Kinder nicht gebilligt hätten. Und so zeigt sich,dass es sich um eine wahrhaft salomonische Entscheidung desBayObLG handelt, die deutlich macht, dass eines der bestendeutschen Zivilgerichte zu Unrecht aufgelöst wird.

31 OLGZ 1977, 185.32 Lange/Kuchinke § 24 IV 6 a; MünchKommBGB/Musielak§ 2269 Rdnr. 65; abschwächend jetzt BayObLGZ 2004, 5, 9 = NJW-RR 2004, 654 = ZEV 2004, 202 m. abl. Anm. Ivo; zur Streitfrage s. J. Mayer in Dittmann/Reimann/Bengel § 2269 Rdnr. 84.33 BayObLG, NJW-RR 1996, 262 = DNotZ 1996, 312 = MittBay-Not 1996, 110 m. Anm. J. Mayer, MittBayNot 1996, 80.34 ZEV 2005, 120.

27 So zutreffend auch Litzenburger, RNotZ 2005, 162 ff.; ebensoSpall, DNotZ 2005, 299, 301.28 MittBayNot 2005, 314 (in diesem Heft).29 RNotZ 2005, 162, 165; tendenziell viel optimistischer Spall,DNotZ 2005, 299, 301, ohne aber auf die Problematik der Überlei-tung des Ausschlagungsrechts einzugehen.30 Vgl. dazu J. Mayer, DNotZ 1994, 347, 355 unter Hinweis auf dieRspr. des VGH Baden-Württemberg.

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I. Bedeutung des EHUG-RefE

Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, zur Umset-zung der Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 15.7.20032 die Führung des Handels-registers bezüglich der Gesellschaften mit beschränkter Haf-tung, der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaftenauf Aktien zu reformieren. Das Bundesministerium der Justiznimmt dies zum Anlass, das gesamte Registerwesen durch das„Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossen-schaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG)“ einerrechtlichen Revision zu unterziehen und erheblich zu moder-nisieren. Bis auf die bereits ab dem Tag nach der Verkün-digung des Gesetzes geltenden Verordnungsermächtigungenund die ebenfalls sofort gültige Aktualisierung der Register-verordnungen soll das EHUG am 1.1.2007 in Kraft treten.3

Ausweislich der Begründung des EHUG-Referentenentwurfs4

sind mit dem Gesetz folgende drei Zielsetzungen verbunden:

– die Umsetzung der die Publizitätsrichtlinie5 novellieren-den Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates,

– die Umstellung des Registerverkehrs von der Papierformauf elektronische Medien und

– die Umsetzung des Plattformmodells bezüglich Kapital-marktnachrichten nach der europäischen Transparenz-richtlinie6 durch Einrichtung des Unternehmensregisters.

290 MittBayNot 4/2005Krafka · Das neue Handels- und Unternehmensregister

Neben der Umsetzung verschiedener technischer Rege-lungen der neu gefassten Publizitätsrichtlinie sieht derReferentenentwurf für die Zeit ab 1.1.2007 aus register-rechtlicher Sicht insbesondere die folgenden wichtigenEckpunkte vor:

– die Einführung der zwingenden elektronischen Register-führung;

– die Einreichung von Unterlagen zum Handelsregisterzwingend in elektronischer Form;

– die Einführung eines elektronisch abrufbaren Unter-nehmensregisters als zentrale Datensammelstelle für denHandelsregisterinhalt samt Bekanntmachung und für diewichtigsten sonstigen Unternehmensinformationen, dieder Offenlegung unterliegen, insbesondere für die kapi-talmarktrechtlichen Publizitätsgegenstände;

– die Einführung eines einheitlichen Zugangsportals(„www.handelsregister.de“) für Einsichtnahmen in dasHandelsregister;

– die Ersetzung der schriftlichen Bekanntmachungen inPapierform aus dem Handelsregister durch die Einstel-lung auf einer einheitlichen Internetseite der Länder; und

– die Verlagerung der Zuständigkeit zur Entgegennahmevon Jahresabschlüssen auf den Betreiber des elektro-nischen Bundesanzeigers.

II. Das Registerrecht des HGB in der Fassung des EHUG-RefE

1. Registerführung und Anmeldungen

Auch nach dem 1.1.2007 soll gemäß § 8 HGB-RefE dieFührung des Handelsregisters bei den Amtsgerichten verblei-ben. Besonders betont wird nunmehr die „elektronischeRegisterführung“, die zu Recht die sprachlich altertümlicheBezeichnung der „Führung in maschineller Form als auto-matisierte Datei“ (§ 8 a HGB) ersetzt. Die Beibehaltung dergerichtlichen Zuständigkeit wird mit deren bewährter Regis-terführung begründet,7 so dass eine auch nur probeweise Ver-lagerung auf andere Institutionen, wie sie nach dem Entwurfeines Registerführungsgesetzes8 vorgesehen war, nicht Ge-genstand des EHUG-RefE ist.

Ebenso wird an dem Erfordernis der öffentlich beglaubigtenForm für Anmeldungen zur Eintragung im Handelsregisterfestgehalten (§ 12 Abs. 1 HGB-RefE). Da Unterlagen in elek-

* Überarbeiteter Vorabdruck der Kommentierung aus Münch-KommHGB, Band 1, 2. Aufl. 2005, vor § 8.1 Veröffentlicht durch das Bundesministerium der Justiz am7.4.2005 und abrufbar z. B. unter „Gesetzesänderungen“ auf derHomepage des DNotI (www.dnoti.de); nachfolgend zitierte Vor-schriften in der Fassung des Entwurfs sind jeweils mit dem Zusatz „-RefE“ bezeichnet.2 Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates inBezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmterRechtsformen (ABl. vom 4.9.2003, Nr. L 221, 13).3 Art. 16 EHUG-RefE.4 EHUG-RefE S. 78 f. (Ziel des Gesetzesentwurfs).5 Richtlinie 68/151/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmun-gen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Arti-kels 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowieDritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zugestalten vom 9.3.1968 (ABl. Nr. L 65, S. 8), zuletzt geändert durchAkte vom 16.4.2003 (ABl. vom 23.9.2003, Nr. L 236, S. 33).6 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und desRates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezugauf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handelauf einem geregelten Markt zugelassen sind und zur Änderung derRichtlinie 2001/34/EG (ABl. vom 31.12.2004, Nr. L 390, S. 38).

7 EHUG-RefE S. 84 (Begründung zu § 8 Abs. 1 HGB-RefE).8 Vgl. hierzu BR-Drucks. 325/03 vom 14.5.2003 und BT-Drucks. 15/1890 vom 6.11.2003.

Auf

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e Das neue Handels- und Unternehmensregister*

– Übersicht über das Registerrecht in der Fassung des Referentenentwurfs zu einem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister

sowie das Unternehmensregister (EHUG-RefE)1 –

Von Notar Dr. Alexander Krafka, Passau

Das bereits seit längerer Zeit als reformbedürftig erkannte deutsche Registerrecht steht vor einer tiefgreifenden Novellierung. Der nunmehr vorliegende Referentenentwurf des hierzu geplanten Gesetzes sieht eine Beibehaltung bewährter Grundsätzeebenso vor wie grundlegende Änderungen, insbesondere des Bekanntmachungsrechts, und die Neueinführung eines Unter-nehmensregisters.

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tronischer Form einzureichen sind (§ 12 Abs. 2 Satz 1 HGB-RefE), müssen Anmeldungen zur Eintragung im Handels-register nach § 39 a BeurkG elektronisch beglaubigt und so-dann elektronisch an das Registergericht weitergeleitet wer-den. Bis Ende 2009 können allerdings die Landesregierungendurch Rechtsverordnung die Beibehaltung des papierschrift-lichen Registerverkehrs vorsehen (Art. 59 Abs. 1 EGHGB-RefE). Einzureichende öffentliche Urkunden können imÜbrigen nach § 371 a ZPO auch in elektronischer Gestalt prä-sentiert werden.9 Ersatzlos abgeschafft wird hingegen dasbereits im Rahmen der Handelsrechtsreform im Jahre 1998durch die Aufhebung der Vorschriften zur Firmenzeichnungeingeschränkte Erfordernis von Namenszeichnungen (§ 12Abs. 1 Alt. 2 HGB): Im Zeitalter elektronischer Kommunika-tionsformen ist die Hinterlegung handschriftlicher Namens-zeichnungen nicht mehr erforderlich, insbesondere unterBerücksichtung der Erwartung, dass künftig im Geschäftsver-kehr die elektronische Signatur die eigenhändige Unterschriftablösen wird.10

2. Unternehmensregister

Die markanteste Neuerung der §§ 8 ff. HGB durch denEHUG-RefE ist die Einführung des zunächst vom Bundesmi-nisterium der Justiz als Teil des Bundesanzeigers elektronischzu führenden Unternehmensregisters in § 8 Abs. 2 bis 4 HGB-RefE. Dieses soll als Plattform dazu dienen, Unternehmens-daten zu bündeln und dem nach Information suchenden Inter-essenten die Einsichtnahme in elektronischer Form zu ermög-lichen. Gedacht ist hierbei neben Privatpersonen auch anInformationsdienstleister, welche die im Internet bekanntgemachten Daten auswerten und weiter verbreiten können.11

Im Gegensatz zum Handelsregister, das weiter von den Ge-richten unter Berücksichtigung ihres formellen und materiel-len Prüfungsrechts geführt wird, ist das Unternehmensregistereine reine Datensammel- und Aufbewahrungsstelle, mit derenBetrieb seitens des Bundesministeriums der Justiz unterBerücksichtigung des § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HGB-RefEauch ein Dritter im Sinne einer privatrechtsförmigen Einrich-tung als Verwaltungshelfer beauftragt werden kann.12 Da dasUnternehmensregister seinerseits bereits Publizitätsinstrumentist und vor allem weil bereits die Bekanntmachungen desHandelsregisters Inhalt des Unternehmensregisters sind (§ 8Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB-RefE), findet naturgemäß keine wei-tere Bekanntmachung der darin gesammelten Daten statt. ZurEinsichtnahme in das Unternehmensregister wird auf dienachstehenden Ausführungen unter 3. verwiesen.

a. Inhalt des Unternehmensregisters

In der Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 1 HGB-RefE ist die Auf-listung derjenigen Gegenstände enthalten, die in das Unter-nehmensregister aufzunehmen sind. Neben dem gesamtenInhalt des Handels- und Genossenschaftsregisters samt denentsprechenden elektronischen Bekanntmachungen sind diesdie Eintragungen in das Partnerschaftsregister, die Unterlagender Rechnungslegung nach § 325 HGB und die übrigen ge-sellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Bekanntmachungen,Mitteilungen und Veröffentlichungen, die in § 8 Abs. 3 Satz 1Nrn. 6 bis 10 HGB-RefE genannt sind. Der Informationsflussan die das Unternehmensregister führende Stelle wird durch

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die nach § 8 Abs. 4 HGB-RefE bestehenden Übermittlungs-pflichten der Gerichte, des Betreibers des elektronischenBundesanzeigers und der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-tungsaufsicht gewährleistet. Die weiteren organisatorischenVorgaben für die Ausgestaltung des Unternehmensregistershat das Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung desBundesrates im Rahmen einer Rechtsverordnung nach § 9 aSatz 1 Nr. 2 HGB-RefE festzulegen. Insbesondere hat derBetreiber nach § 8 Abs. 3 Satz 2 HGB-RefE dafür zu sorgen,dass die Daten des Unternehmensregisters über seine Internet-seite zugänglich sind.

Die Einrichtung des Unternehmensregisters ermöglicht es,die zusammengeführten Daten der Registereintragungen aufeiner einheitlichen Plattform für jedermann zu Informations-zwecken einsehbar zu machen. Im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 2 der Publizitätsrichtlinie ist damit gewährleistet, dass dieder Offenlegung unterliegenden Angaben über eine einzigeAkte zentral elektronisch abrufbar sind.

b. Verhältnis zum Handelsregister

Inhaltlich finden sich im Unternehmensregister u. a. sämtlicheEintragungen im Handels-, Genossenschafts- und Partner-schaftsregister und alle hierauf bezogenen Bekanntmachun-gen samt den zum Register eingereichten Dokumenten.Indem auch die zu den Registereintragungen erfolgten Be-kanntmachungen im Unternehmensregister eingestellt wer-den, wird mittelbar der Anwendungsbereich des § 15 HGBauch für diese Daten eröffnet. Trotz Fehlens einer Regelungist im Fall von Widersprüchen zwischen der Bekanntmachungder Registereintragung durch das Gericht und dem Inhalt desUnternehmensregisters nach dem unveränderten Wortlaut des§ 15 HGB allein auf die gerichtliche Bekanntmachung undsomit im Zweifel nicht auf den Inhalt des Unternehmensregis-ters abzustellen.

3. Registereinsichtnahme

Ist bislang die Einsichtnahme in das in Papierform geführteHandelsregister die Regel des § 9 HGB und der elektronischeAbruf nach § 9 a HGB die Ausnahme, so sieht § 9 Abs. 1HGB-RefE nunmehr als Standardfall den Abruf der Daten ausdem Handelsregister über die einheitliche Internetseite„www.handelsregister.de“ vor, die nicht nur als bloßes Portalzu betreiben ist, das lediglich den Zugang zu den einzelnenLänderregistern ermöglicht, sondern vielmehr den unmittel-baren Zugriff auf alle Registerdaten gewährleisten muss. Diesbedeutet, dass auf der genannten Internetseite alle Daten dergesamten in Deutschland geführten Handels-, Genossen-schafts- und Partnerschaftsregister mittels einer Suchfunktiongleichzeitig abgefragt und anschließend präsentiert werdenkönnen.13 Neben sämtlichen Registereintragungen unterlie-gen auch alle dem Registergericht eingereichten Unterlagendiesem Abrufverfahren. Die nähere Ausgestaltung des § 9Abs. 2 bis 4 HGB-RefE entspricht im Übrigen exakt der Um-setzung des Art. 3 Abs. 3 der Publizitätsrichtlinie in der seit2003 geltenden Fassung. Die Bestimmungen des § 9 Abs. 5und 6 HGB-RefE sind identisch mit denjenigen des § 9 Abs. 3und 4 HGB.

Nach § 9 Abs. 7 HGB-RefE können auch die im Unterneh-mensregister hinterlegten Daten von jedem zu Informations-zwecken eingesehen werden. Allerdings soll der elektroni-sche Abruf nicht über die Zentralplattform „www.handels-register.de“ erfolgen, sondern über die Internetseite des Be-

13 EHUG-RefE S. 90 (Begründung zu § 9 Abs. 1 HGB-RefE).

9 EHUG-RefE S. 95 (Begründung zu § 12 Abs. 1 HGB-RefE).10 EHUG-RefE S. 98 (Begründung zu § 14 HGB-RefE).11 EHUG-RefE S. 78 (Ziele des Gesetzesentwurfs).12 EHUG-RefE S. 86 (Begründung zu § 8 Abs. 2 Satz 2 HGB-RefE).

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treibers des Unternehmensregisters (§ 8 Abs. 3 Satz 2 HGB-RefE). Der Hauptunterschied zur unmittelbaren Einsicht-nahme in das jeweilige Register besteht somit darin, dass dieDatensammlung des Unternehmensregisters nicht durch dieeinzelnen Bundesländer, sondern durch den vom Bundes-ministerium der Justiz beauftragten Betreiber des Unterneh-mensregisters betreut und durch diesen der Allgemeinheitzugänglich gemacht wird. Sofern es sich um Unterlagen, Mit-teilungen und Bekanntmachungen nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 5 bis 10 HGB-RefE handelt, besteht nach § 9 Abs. 7HGB-RefE für den Betreiber des Unternehmensregisterskeine Verpflichtung, die elektronische Übermittlung zu ge-währleisten, wenn das jeweilige Dokument nur in Papierformeingereicht wurde. Die übrigen, insbesondere kapitalmarkt-rechtlichen, Bekanntmachungen und Mitteilungen sind indiesem Fall ggf. abschriftlich anzufordern.

4. Registerbekanntmachungen und Publizität der Rechnungslegung

Von besonderer Bedeutung ist die Modernisierung des Be-kanntmachungsrechts bezüglich der Eintragungen in dasHandelsregister. Nach § 10 HGB-RefE ist vorgesehen, dieBekanntmachung der Handelsregistereintragungen künftigauf der zentralen Internetseite „www.handelsregister.de“ vor-zunehmen. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Pa-pierform und in dem durch das Registergericht festgelegtenweiteren Veröffentlichungsblatt (§ 10 HGB) entfallen somitzugunsten des nicht nur bundesweit kostenfrei verfügbarenInternetzugriffs auf die chronologisch geordneten Bekannt-machungen. Die von der Publizitätsrichtlinie eröffnete Mög-lichkeit, statt der Veröffentlichung im Amtsblatt eine andere,ebenso wirksame Form der Veröffentlichung vorzusehen (Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie), wird damit genutzt.14

Maßgeblich geändert werden auch die Bestimmungen zurOffenlegung von Jahresabschlüssen. Indem die Kontrolle die-ser Offenlegung nunmehr dem Betreiber des elektronischenBundesanzeigers zugewiesen wird (§ 329 Abs. 1 HGB-RefE),sollen die Registergerichte von dieser teils zeit- und arbeits-aufwändigen Tätigkeit entlastet werden. Die entsprechendePublizität wird erzielt, indem dieser Bereich im Rahmen desUnternehmensregisters nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HGB-RefE mittels § 9 Abs. 7 HGB-RefE dem uneingeschränktenEinsichtsrecht nach § 9 Abs. 1 HGB-RefE unterliegt. Der Ver-stoß gegen die Verpflichtungen zur Einreichung und Offen-legung der Rechnungsunterlagen wird künftig zu einer Ord-nungswidrigkeit erklärt (§ 334 Abs. 1 Nr. 5 HGB-RefE), fürderen Verfolgung das neu zu errichtende „Bundesamt fürJustiz“ zuständig sein soll (§ 334 Abs. 4 HGB-RefE).

5. Zweigniederlassungen

Im Recht der Zweigniederlassungen sind mit den Änderungender §§ 13 ff. HGB einige marginale Anpassungen verbunden.Die bisherigen Grundsätze behalten somit ihre Gültigkeit.Hervorzuheben ist jedoch, dass die Eintragungsreihenfolgegeändert wird: Nunmehr prüft nach § 13 Abs. 2 HGB-RefEbereits das Gericht der Hauptniederlassung bzw. des Sitzes,ob die Zweigniederlassung errichtet sowie § 30 HGB beach-tet ist und trägt die Zweigniederlassung in seinem Register –ohne weitere Abstimmungen mit dem Gericht am Ort derZweigniederlassung – ein, wenn dies der Fall ist. Verbundenist damit zwar eine Vereinfachung des Eintragungsmodus, je-doch noch keine endgültig zukunftsfähige Lösung der regis-

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tertechnischen Behandlung von Zweigniederlassungen inlän-discher Rechtsträger, wie sie beispielsweise in der vollständi-gen Abschaffung von gesondert zu führenden Zweignieder-lassungsblättern bestehen könnte.

In verkürzter Form wird die Eintragung im Register des Ge-richts am Ort der Zweigniederlassung beibehalten, so dassentgegen der vorgenannten Kritik auch weiterhin ein echtesZweigniederlassungsregisterblatt einzurichten ist. Allerdingssoll das Gericht am Ort der Zweigniederlassung künftig kei-nerlei Prüfungskompetenzen mehr ausüben und lediglichzentrale Rahmendaten im Register eintragen und bekanntmachen (§ 13 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB-RefE). Eintragungenim Zweigniederlassungsregister erfolgen sodann nur noch,wenn es sich um Tatsachen handelt, die dort einzutragen sind(§ 13 Abs. 3 Sätze 3 und 4 HGB-RefE). Entsprechend werdendie danach überflüssigen Sondervorschriften der §§ 13 a bis13 c HGB aufgehoben. Die Begründung des Referentenent-wurfs führt hierzu an, dass eine weitergehende Offenlegungdurch das Gericht am Ort der Zweigniederlassung nicht ge-boten ist, da ohnehin alle Eintragungen und Dokumente derHauptniederlassung elektronisch abrufbar sein werden.15 Diesallerdings legt es nahe, im Sinne der vorstehenden Aus-führungen auf ein eigenständiges Zweigniederlassungsblattvollständig zu verzichten und die Zweigniederlassung nur imRegister der Hauptniederlassung zu vermerken.

Im Recht der Zweigniederlassungen ausländischer Rechts-träger werden bei § 13 f HGB lediglich redaktionelle Ände-rungen vorgenommen, während bei § 13 g HGB die Bekannt-machung des Inhalts von im Zuge der Gründung übernomme-nen Sacheinlagen bei ausländischen Gesellschaften mit be-schränkter Haftung künftig unterbleiben soll, weil auch dieentsprechende Vorschrift für inländische Gesellschaften mitbeschränkter Haftung (§ 10 Abs. 3 GmbHG) im Zuge desEHUG-RefE aufgehoben wird (s. u. III. Nr. 1).

6. Sprachregelung

Neu eingeführt wird in § 11 HGB-RefE die Möglichkeit, diezum Handelsregister einzureichenden Dokumente und denaktuellen Registerinhalt zusätzlich zur deutschen Sprache (§ 184 GVG) auch in jeder anderen Amtssprache eines Mit-gliedstaats der Europäischen Union übermitteln zu können.Die Vorschrift, die in Abs. 2 Regelungen für etwaige inhalt-liche Divergenzen verschiedener sprachlicher Fassungen ent-hält, geht auf Art. 3 a der Publizitätsrichtlinie zurück. Überdie europarechtliche Vorgabe hinaus gilt § 11 HGB-RefEallerdings nicht nur für Kapitalgesellschaften und beschränktdie Möglichkeit der Einreichung fremdsprachlicher Unter-lagen nicht auf die in Art. 2 der Publizitätsrichtlinie bezeich-neten Urkunden und Angaben. Zu beachten ist, dass imRahmen des § 15 HGB ausschließlich auf die nach § 10 HGBbekannt gemachte deutschsprachige Eintragung abgestelltwird.16

7. Registerverordnungen

Der EHUG-RefE sieht im Übrigen eine Neufassung der Re-gisterverordnungen vor, insbesondere eine Anpassung einerReihe von Vorschriften der HRV, die im Zuge der Umsetzungeiner elektronischen Aktenführung erforderlich sind. Die bis-herige Zweiteilung der HRV wird damit unter Aufhebung desAbschnitts für Papierregister zugunsten des Abschnitts für

14 EHUG-RefE S. 93 (Begründung zu § 10 HGB-RefE).15 EHUG-RefE S. 96 (Begründung zu § 13 Abs. 1 HGB-RefE).16 EHUG-RefE S. 94 (Begründung zu § 10 HGB-RefE).

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elektronische Registerführung beseitigt. Der Hauptteil dieserÄnderungen tritt dem Entwurf zufolge am 1.1.2007 in Kraft(vgl. Art. 5 Abs. 2 EHUG-RefE). Verschiedene kleinere An-passungen die bereits anderweitig erfolgte Gesetzesänderun-gen betreffen, sollen am Tag nach der Verkündigung des Ge-setzes in Kraft treten (s. Art. 5 Abs. 1 EHUG-RefE).

III. Sonstige Änderungen durch den EHUG-RefE

1. Gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungen

Neben einer großen Zahl von registerrechtlich relevantenFolgeänderungen, die insbesondere bei der Abschaffung vonZeichnungspflichten (vgl. etwa die Aufhebung von § 53 Abs. 2 HGB und § 108 Abs. 2 HGB) und bei der Umstellungder Bekanntmachung auf die elektronische Form gebotensind, verfolgt der EHUG-RefE auch das Ziel, weitgehend die-jenigen gesellschaftsrechtlichen Bekanntmachungen abzu-schaffen, denen keine gleichlautende Eintragung im Handels-register korrespondiert. So ist insbesondere vorgesehen, § 40AktG zur Bekanntmachung bestimmter Gründungsdetails beiAktiengesellschaften und § 10 Abs. 3 GmbHG zur Bekannt-machung der Sacheinlage bei der Gründung einer Gesell-schaft mit beschränkter Haftung ersatzlos aufzuheben.

Die erst kürzlich im Zuge des Justizkommunikationsgeset-zes17 auf die Bekanntmachung im elektronischen Bundesan-

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zeiger umgestellten Veröffentlichungen im Rahmen der Auf-lösung oder der Kapitalherabsetzung bei einer GmbH (vgl. § 12 GmbHG i. d. F. des JKomG) sind jedoch ebenso weiterverpflichtend, wie die umwandlungsrechtlichen Bekanntma-chungen (z. B. §§ 19 Abs. 3; 61; 201 UmwG), die allerdingsnach den Bestimmungen des EHUG-RefE in Zukunft nichtmehr im Veröffentlichungsblatt des zuständigen Register-gerichts zu erfolgen haben, sondern ausschließlich im elek-tronischen Bundesanzeiger vorzunehmen sind.18

2. Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen

Einheitlich soll gemäß Art. 4 der reformierten Publizitäts-richtlinie für alle registerpflichtigen Rechtsträger mit derNeufassung des § 37 a HGB und der entsprechenden Vor-schriften der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Gesetze(z. B. § 35 a GmbHG, § 80 AktG) klargestellt werden, dassdie entsprechenden Pflichtangaben ohne Differenzierungnach der äußeren Form des Schreibens zu erfolgen haben,also auch bei einem Telefax oder einer E-Mail.19

17 Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikations-formen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom22.3.2005, BGBl. I S. 837.18 Art. 10 EHUG-RefE.19 EHUG-RefE S. 99 (Begründung zu § 37 a HGB-RefE).

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Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes

Von Notar Dr. Alexander Krafka, Passau

1 Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsfor-men in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom22.3.2005 (BGBl. I S. 837), zum Inkrafttreten siehe Art. 16 JKomG.

Seit 1.4.2005 gelten neue Vorschriften für das Bekanntma-chungsrecht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung:Nach der mit Art. 12 Nr. 1 des Justizkommunikationsgesetzes(JKomG)1 eingefügten Vorschrift des § 12 Satz 1 GmbHGerfolgen die durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorge-schriebenen Bekanntmachungen im elektronischen Bundes-anzeiger, der somit aufgrund Legaldefinition als „Gesell-schaftsblatt“ gilt. Unabhängig von jeder satzungsmäßigen Re-gelung sind daher gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungenbei einer GmbH durch den elektronischen Bundesanzeigervorzunehmen.

1. Anwendungsbereich der neuen Vorschriften

Der Gesetzgeber hat eine Reihe von Vorschriften des GmbH-Gesetzes durch Art. 12 Nr. 1 bis 5 JKomG an die neue Termi-nologie des § 12 GmbHG angepasst. Ausdrücklich sind nun-mehr bei Rückzahlungen des Stammkapitals (§ 30 GmbHG),bei Änderungen in der Besetzung des Aufsichtsrats (§ 52 Abs. 2 GmbHG) und bei Kapitalherabsetzungen die ent-sprechenden gesellschaftsrechtlichen Bekanntmachungen imelektronischen Bundesanzeiger zu veranlassen. Obwohl we-der die Bestimmung des § 65 Abs. 2 GmbHG noch die des § 73 Abs. 1 GmbHG geändert wurden, gilt bezüglich der

Bekanntmachung des Gläubigeraufrufs bei der Auflösungeiner GmbH nichts hiervon Abweichendes. Auch in diesemFall nimmt das Gesetz in § 65 Abs. 2 GmbHG mittelbar über§ 30 Abs. 2 GmbHG nunmehr auf § 12 GmbHG Bezug, sodass der Gläubigeraufruf zwingend im elektronischen Bun-desanzeiger zu erfolgen hat.

Dagegen verbleibt es naturgemäß unverändert auch für Ge-sellschaften mit beschränkter Haftung bei den nach § 10 HGBbestehenden Pflichtbekanntmachungen der Registergerichtefür die im Handelsregister erfolgten Eintragungen samt et-waigen gesetzlich vorgeschriebenen Zusatzbekanntmachun-gen (§ 10 Abs. 3 GmbHG). Diese sind – unabhängig von denhierzu in Planung befindlichen grundlegenden Änderungen –2

bis auf weiteres im Papier-Bundesanzeiger und in einem wei-teren nach § 11 HGB durch das zuständige Registergericht zubestimmenden Blatt vorzunehmen.

2. Auslegung bisheriger Bekanntmachungs-klauseln in Gesellschaftsverträgen

Die Regierungsbegründung des im Gesetzgebungsverfahrennur marginal geänderten § 12 Satz 1 GmbHG in der Fassung

2 Vgl. den Referentenentwurf eines Gesetzes über elektronischeHandelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unterneh-mensregister (EHUG) des Bundesministeriums der Justiz, veröffent-licht am 7.4.2005 –„EHUG-RefE“.

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des JKomG,3 gibt darüber Auskunft, wie sich die Rechtslagehinsichtlich der nahezu ausnahmslos vorhandenen Bekannt-machungs- bzw. Veröffentlichungsklauseln in GmbH-Gesell-schaftsverträgen gestalten soll: „Da die Anordnung des elek-tronischen Bundesanzeigers als Basisgesellschaftsblatt zwin-gendes Gesetzesrecht ist, gilt diese Anordnung und sind ent-gegenstehende Bestimmungen in den Gesellschaftsverträgengegenstandslos, sofern nicht ausnahmsweise einmal ange-nommen werden müsste, dass der Gesellschaftsvertrag gemäߧ 12 Satz 2 neben dem Bundesanzeiger ein anderes öffent-liches Blatt oder elektronische Informationsmedien als zu-sätzliches Gesellschaftsblatt bezeichnen wollte. Da diese Aus-legung äußerst unwahrscheinlich ist, bedürfte es ausdrück-licher Hinweise, dass dies gemeint war“4.

Sieht ein vor dem 1.4.2005 abgeschlossener Gesellschaftsver-trag den „Bundesanzeiger“ als Bekanntmachungsblatt vor, sosteht damit nach Auffassung der Bundesregierung fest, dassnur die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeigererforderlich ist und keinesfalls daneben eine Veröffentlichungin dessen nicht inhaltsgleicher Papierversion. Nicht nur unterdem Gesichtspunkt der Praktikabilität ist dem uneinge-schränkt zuzustimmen. Die Gesetzestechnik, mit § 12 Satz 1GmbHG sämtliche bis dahin geltenden entgegenstehendengesellschaftsvertraglichen Regelungen für die Zukunft außerKraft zu setzen, berührt auch die Interessen etwaiger Mitge-sellschafter und Dritter nicht in unzumutbarer Weise, da nun-mehr als Informationsquelle der weltweit unproblematischeZugang zum elektronischen Bundesanzeiger offen steht. Schutz-würdige Vertrauenspositionen, die der Gesetzgeber hätteberücksichtigen müssen, sind in diesem Zusammenhang nichterkennbar. Eine dem Aktienrecht vergleichbare Situation, woim Rahmen der Neufassung des § 25 AktG durch das Trans-parenz- und Publizitätsgesetz seit 2002 über diese Proble-matik diskutiert wird,5 besteht im Rahmen des § 12 GmbHGnicht, da zwar bei Aktiengesellschaften die Pflicht zur sat-zungsmäßigen Festlegung der Bekanntmachungsform besteht(§ 23 Abs. 4 AktG) nicht jedoch bei Gesellschaften mit be-schränkter Haftung.

Dasselbe gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht den „Bun-desanzeiger“, sondern eine andere regionale oder überregio-nale Tageszeitung oder sonstige Printmedien, wie etwa den„Bayerischen Staatsanzeiger“, als Gesellschaftsblatt benennt.Auch in diesem Fall setzt die durch den Gesetzgeber autori-tativ postulierte Verankerung des elektronischen Bundesan-zeigers als einzig relevantes Bekanntmachungsblatt die entge-genstehende Satzungsregelung automatisch außer Kraft. Eineabweichende Behandlung der Rechtslage aufgrund vermeint-lich entgegenstehender Gesichtspunkte des Gläubiger- undVertrauensschutzes ist entgegen der hierzu – insbesondereseitens des Deutschen Notarinstituts – geäußerten Meinung6

nicht geboten: Jede gesellschaftsvertragliche Festlegung stehtunter dem Vorbehalt einer gegebenenfalls hiervon abweichen-den gesetzlichen Normierung. Weder Dritte noch Mitgesell-schafter haben ein schutzwürdiges Vertrauen dahin gehend,

294 MittBayNot 4/2005Krafka · Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes

dass auch nach der bindenden Entscheidung des Gesetzgebersdie Veröffentlichung gesellschaftsrechtlicher Bekanntmachun-gen in dem vor Inkrafttreten des § 12 GmbHG n. F. bestimm-ten Printmedium erfolgt. Soweit die Regierungsbegründungvon der äußerst unwahrscheinlichen Auslegung der gesell-schaftsvertraglichen Regelung im Sinne der Bestimmung alsweiteres Bekanntmachungsblatt nach § 12 Satz 2 GmbHGspricht, kommt eine solche Auslegung nur dann in Betracht,wenn die Gesellschafter ihren Willen privatautonom gesetzthaben. Dies setzt regelmäßig die Kenntnis der neuen Vor-schrift voraus, da bis zum 1.4.2005 ein gesetzlich vorgesehe-nes Bekanntmachungsmedium nicht existierte. In diesemPunkt behandelt die Regierungsbegründung zutreffend diesogleich anschließend zu beschreibende Fallgruppe. DieAnnahme, dass für die „mit der Gesetzesänderung des § 12GmbHG nicht vertrauten Verkehrskreise bezüglich der Pflicht-bekanntmachungen ein erhebliches Informationsdefizit“drohe,7 wenn in diesem Fall ohne Vorwarnung gesetzeskon-form nur die Veröffentlichung im elektronischen Bundes-anzeiger erfolgt, lässt den Umstand unberücksichtigt, dass dieUnkenntnis des geschriebenen Rechts ein schutzwürdigesVertrauen nicht begründen kann.

Abweichend zu beurteilen sind lediglich die Gesellschaftsver-träge, in denen – sei es durch Gründung oder aufgrund inhalt-licher Neufassung – nach dem 31.3.2005 ein anderes Be-kanntmachungsblatt als der elektronische Bundesanzeigergewählt wurde. Auch wenn dies in Unkenntnis des neuenBekanntmachungsrechts geschehen ist, muss eine solcheSatzungsklausel als Bestimmung eines weiteren öffentlichenBlattes im Sinne des § 12 Satz 2 GmbHG gedeutet werden, dasich insoweit vor allem Dritte aufgrund der – derzeit noch ge-setzlich vorgesehenen –8 gerichtlichen Bekanntmachung nach§ 10 Abs. 3 GmbHG hierauf verlassen dürfen. Wird nach dem31.3.2005 die missverständliche Formulierung der Bekannt-machung im „Bundesanzeiger“ gewählt, ohne klar zu stellen,ob es sich um die elektronische oder papierförmige Fassunghandeln soll, ist davon auszugehen, dass bei Fehlen besonde-rer Anhaltspunkte keine Doppelveröffentlichung gewünschtwird, sondern lediglich unbeholfen auf die bereits existie-rende gesetzliche Normierung des § 12 Satz 1 GmbHG ver-wiesen wird.9

3. Auswirkungen auf die künftige Gestaltung von Gesellschaftsverträgen

Für die Gestaltung von GmbH-Gesellschaftsverträgen emp-fiehlt es sich seit 1.4.2005 auf jede ausdrückliche Regelung zuden Bekanntmachungen der Gesellschaft zu verzichten. ImZuge von Änderungen des Gesellschaftsvertrags bietet es sichan, solche alten Klauseln nicht zu modernisieren, sondernsinnvoller Weise ersatzlos aufzuheben.

Zwar mögen alte Fassungen der Bekanntmachungsklauselnunter Berücksichtigung der dargestellten Rechtslage gegen-standslos sein. Gleichwohl sind sie geeignet, bei Gesellschaftund Beratern Irritationen auszulösen, die eine zutreffendeHandhabung nicht in jedem Fall sicherstellen. Dies gilt auchfür die – nach derzeitigem Gesetzesstand – allenfalls deklara-torische Anordnung, dass Bekanntmachungen der Gesell-schaft „im elektronischen Bundesanzeiger“ erfolgen. Da mit

3 Regierungsbegründung vom 28.10.2004 (BT-Drucks. 15/4067);die Beschlussempfehlung samt Bericht des Rechtsausschusses vom23.2.2005 (BT-Drucks. 15/4952) führte lediglich in Korrespondenzzu § 25 Satz 1 AktG zur Ersetzung des zweiten Wortes des Satz 1(„dieses“) durch das Wort „das“.4 BT-Drucks. 15/4067, 56.5 Zu Nachweisen hierzu vgl. das Gutachten des Deutschen Notar-instituts, DNotI-Report 2005, 81, 82.6 Siehe Fn. 5; auch Noack, DB 2005, 599 lässt die nachstehenderläuterten Aspekte unberücksichtigt.

7 So das Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report2005, 81, 82.8 Zur geplanten ersatzlosen Aufhebung dieser Vorschrift s. Art. 12Nr. 2 EHUG-RefE.9 Ebenso das Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report2005, 81, 83.

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§ 12 GmbHG eine einschlägige gesetzliche Vorschrift exis-tiert, ist eine vertragliche Wiedergabe nicht nur überflüssig,sondern im Falle einer – naturgemäß nicht absehbaren – spä-teren Änderung des Bekanntmachungsrechts geeignet, eben-falls regelmäßig unerfreuliche Zweifelsfragen aufzuwerfen.Dem Vorschlag, gleichwohl eine entsprechende Satzungs-klausel aufzunehmen,10 sollte daher nicht gefolgt werden.

4. Behandlung von Übergangsfällen

Seit seinem Inkrafttreten zum 1.4.2005 stellen sich hinsicht-lich des neuen Bekanntmachungsrechts Fragen bei der Be-handlung von den Übergangsfällen. Da eine tatbestandlicheRückanknüpfung des Gesetzes bei Erlass des JKomG nicht

295MittBayNot 4/2005 Schill · Der Notar als Teil der europäischen Justizpolitik

beabsichtigt war, bleiben abgeschlossene Sachverhalte vonden neuen Vorschriften unberührt. Bereits vor dem 1.4.2005gesellschaftsvertragskonform ergangene Bekanntmachungensind somit nicht im elektronischen Bundesanzeiger zuwiederholen. Wurde also beispielsweise im Oktober 2004 dieBekanntmachung des Gläubigeraufrufs nach § 65 Abs. 2GmbHG im satzungsgemäß vorgesehenen Papier-Bundes-anzeiger vorgenommen, so kann der Schluss der Liquidationohne weitere Veröffentlichung im Oktober 2005 zur Ein-tragung in das Handelsregister angemeldet werden (§§ 73Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Gesichtspunkte des Gläu-biger- und Vertrauensschutzes stehen dem nicht entgegen,weil das Sperrjahr entsprechend der seinerzeitigen Rechtslageab dem erfolgten Gläubigeraufruf korrekt eingehalten wird.Gründe, die den erneuten Anlauf der Frist mit dem Erforder-nis einer weiteren Bekanntmachung im elektronischen Bun-desanzeiger gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

2 VO (EG) 805/2004 – EuVVO, ABl. EU vom 30.4.2004, L 143, 15,im Internet abrufbar unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html;vgl. zum Europäischen Vollstreckungstitel auch Franzmann, Mitt-BayNot 2004, 404; Stadler, RIW 2004, 801; Wagner, NJW 2005,1157; Stein, IPRax 2004, 181; Rauscher, GPR 2004, 286.

10 Siehe das Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report2005, 81, 83.

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TAGUNGSBERICHT

Der Notar als Teil der europäischen Justizpolitik

Europäische Notarentage am 14./15.4.2005 in Salzburg

Von Notarassessor Stephan Schill, LL.M., Alzenau i. Ufr.

1 Vgl. dazu den Tagungsband von Kühnelt (Hrsg.), Basel II – derNotar und die Kreditbesicherung im europäischen Umfeld, Wien 2005.

Bereits zum 17. Mal fanden am 14. und 15.4.2005 die von derösterreichischen Notariatskammer organisierten „EuropäischenNotarentage“ in Salzburg statt. Auch in diesem Jahr warenüber 100 Teilnehmer aus fast allen Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union sowie Russland und Rumänien zugegen.Nachdem bei den 16. Europäischen Notarentagen im letztenJahr Neuerungen im Finanzsektor und Kreditbesicherungs-recht im Mittelpunkt standen,1 war Thema des wissenschaft-lichen Programms der diesjährigen Notarentage „Der Notar inEuropa – im Dienste der Bürger und der Wirtschaft“. Den alleTagungsbeiträge überspannenden Bogen bildete die Fragenach der Funktion des Notars im europäischen Binnenmarkt.Diskussionsbeiträge und Referate betonten die Bedeutung desNotars als Arm der europäischen Justizpolitik und rücktenseine Stellung als Bindeglied zwischen dem Bürger und demzunehmend von europäischen Vorgaben beeinflussten Zivil-recht ins Zentrum. Mehrfach wurde dabei sowohl von Seitender Standesvertreter als auch von mehreren bei der Europäi-schen Kommission tätigen Referatsleitern die spezielle, Rechtund Rechtssicherheit schaffende Rolle der Notare in Europaherausgestellt. Ferner wurde die Anerkennung des Notariatsals Korrelat zur ordentlichen Gerichtsbarkeit hervorgehobenund die Bedeutung der notariellen Beratung und Vertragsver-fassung als Gegenstand hoheitlicher Tätigkeit in den Mittel-punkt gerückt. Der Notar, so der allgemeine Tenor, trage zurWirksamkeit und Durchsetzung europäischer Justizpolitik bei

und helfe, Europa dem Bürger näher zu bringen. Referiertwurde vor allem über Neuerungen, die der europäische Ge-setzgeber plant oder schon verwirklicht hat, sowie über diewachsende Bedeutung der Informationstechnologie in dernotariellen Praxis.

I. Prozessuale und materiellrechtliche Neuerungen

Zu Beginn referierte Dr. Gottfried Musger, Richter am Ober-landesgericht Graz, über „Die vollstreckbare notarielle Ur-kunde im europäischen Zivilprozessrecht“. Er stellte die Mög-lichkeiten der Anerkennung und Vollstreckung notariellerUrkunden nach dem EuGVÜ und der EuGVVO dar und gabeinen Überblick über die Neuerungen, die sich durch die Ver-ordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungs-titels für unbestrittene Forderungen ergeben.2 Er führte aus,inwieweit der Vollstreckungstitel für sogenannte unbestritteneForderungen gerade auch durch öffentliche, insbesonderenotarielle Urkunden geschaffen werden könne. Für die Praxisempfahl Musger, in eine Urkunde über die Errichtung eineseuropäischen Vollstreckungstitels entsprechend dem Wortlautder Verordnung ein explizites „Anerkenntnis“ der Forderung

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aufzunehmen, um Zweifel über die Vollstreckbarkeit alsunbestrittene Forderung gar nicht erst entstehen zu lassen.Strittig sei noch, ob auch der vollstreckbare deutsche An-waltsvergleich unter den Begriff der öffentlichen Urkunde imSinne der Verordnung falle. Zweifel bestehen, weil er nichtunter Mitwirkung einer öffentlichen Urkundsperson geschaf-fen wird. Für den Notar könnten sich im Rahmen des grenz-überschreitenden Rechtsverkehrs gegenüber anwaltlichenUrkunden erhebliche Vorteile ergeben. Insgesamt betrachtetsteigt durch die Schaffung des europäischen Vollstreckungs-titels die Bedeutung des Notars im transeuropäischen Rechts-verkehr. Bemerkenswert ist schließlich das Vertrauen, dasdem Notar aus Sicht des europäischen Gesetzgebers entge-gengebracht wird. Die Anerkennung der besonderen Qualitätnotarieller Urkunden stimmt zudem hoffnungsvoll im Hin-blick auf die Anerkennung des Notars als Träger öffentlicherGewalt.

Anschließend referierte Dr. Susanne Knöfel von der General-direktion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäi-schen Kommission über „Europäisches Vertragsrecht – Be-standsaufnahme und Perspektiven“. Sie gab im Anschluss andie 15. Notarentage im Jahre 2003, die sich schwerpunkt-mäßig mit den Entwicklungen des europäischen Vertrags-rechts befassten, einen Überblick über die nächsten Schritteder Europäischen Kommission auf dem Weg zu einemkohärenten europäischen Vertragsrecht. Im Mittelpunkt desVortrages stand dabei die Mitteilung der Kommission „Euro-päisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaft-lichen Besitzstandes – weiteres Vorgehen“.3 Nachdem dieHarmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungenbisher vor allem über sektorspezifische Lösungsansätze er-folgte (z. B. Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf oder Pau-schalreiserichtlinie), beabsichtigt die Kommission nunmehr,die fehlende Kohärenz und Zersplitterung der verschiedenenvertragsrechtlichen Rechtsmaterien durch einen einheitlichenAnsatz zu beheben. Auf diese Weise soll ein einheitlicherSchutz des Verbrauchers erreicht, dessen Vertrauen in dengrenzüberschreitenden Rechtsverkehr gestärkt und für Unter-nehmen eine stärkere Rechtseinheitlichkeit geschaffen wer-den, die Kosten für Rechtsberatung und Vertragsgestaltungeinsparen hilft. Zu diesem Zweck möchte die Kommission densogenannten Gemeinsamen Referenzrahmen (GRR) schaffen.Er ist als Bezugsdokument für die Überarbeitung und Fortent-wicklung des europäischen Vertragsrechts konzipiert und solldessen Qualitätsverbesserung dienen. Zunächst sollen ge-meinsame vertragsrechtliche Grundsätze, Definitionen undMustervorschläge erarbeitet werden; danach setzt sich derGRR das Ziel, ein durch die Parteien wählbares, zusätzlichesRecht zu schaffen. Ähnlich dem Wiener UN-Kaufrecht(CISG) – allerdings als Opt-in-Lösung – könnte eine zusätz-lich wählbare 26. Rechtsordnung neben den mitgliedstaat-lichen Vertragsrechtsordnungen entstehen. Der GRR trägt zurIntensivierung und Vereinheitlichung eines europäischenRechtsraumes bei. Die konkreten Schritte auf dem Weg zumGemeinsamen Referenzrahmen erfolgen über die Erarbeitungder vertragsrechtlichen Grundlagen durch Forschergruppenund die anschließende Diskussion dieser Vorschläge im so-genannten CFR-Net, einem Netzwerk, das aus Vertretern derPraxis, also der notariellen Berufstände und der Anwaltschaftsowie verschiedener Wirtschaftsverbände besteht. Am Endedieses Prozesses werden für die notarielle Kautelarpraxis imgrenzüberschreitenden Bereich zusätzliche, vertragsrechtlicheInstrumente zur Verfügung stehen.

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Auch in anderen zivilrechtlichen Bereichen ist der euro-päische Gesetzgeber aktiv. Dies machte der Vortrag von Uni-versitätsprofessor DDr. Arthur Weilinger zum europäischenGesellschaftsrecht deutlich. Er rekapitulierte nicht nur die fürden gesellschaftsrechtlichen Bereich relevanten Richtlinien,wie z. B. die Publizitätsrichtlinie, die Kapitalmarktrichtlinieoder die Richtlinie zur Ein-Personen-Gesellschaft, sondernging auch auf die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlas-sungsfreiheit als Ausgangspunkt gesellschaftsrechtlicher Rechts-angleichung und gegenseitiger Anerkennung von Gesell-schaften ein. Daneben gab er einen Überblick über spezielle,durch den europäischen Gesetzgeber geschaffene Gesell-schaftsformen wie die Europäische Wirtschaftliche Interes-senvereinigung (EWIV) und die europäische Aktiengesell-schaft. Gerade dort wird sich zeigen, ob sich im gesellschafts-rechtlichen Bereich europäische Rechtsformen in der notari-ellen Praxis durchsetzen werden.

Mario Paulo Tenreiro, Referatsleiter der GeneraldirektionFreiheit, Sicherheit, Recht der Europäischen Kommission,verdeutlichte in seinem Vortrag, mit welchen Neuerungen imBereich der Justiziellen Zusammenarbeit in Europa zu rech-nen ist. Er befasste sich speziell mit dem sogenannten HaagerProgramm vom November 2004.4 Das vom Ministerrat verab-schiedete Programm spricht im Rahmen der Stärkung vonFreiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Unionauch wichtige Bereiche zur Förderung eines gemeinsameneuropäischen Rechtsraumes in Zivilsachen an. Zentrale An-liegen des Programms sind Fragen des Zugangs zur Justiz ineinem gemeinsamen Binnenmarkt, die Sicherung eines Mini-mums an Verfahrensrechten sowie die gegenseitige Anerken-nung und Kooperation im Justizbereich. Dabei spielt nachAngaben Tenreiros auch die Zusammenarbeit unter den Notaren eine wichtige Rolle, denn ihnen käme eine zentralePosition bei der weiteren Vereinheitlichung des europäischenRechtsraumes zu. Konkrete Schritte, die auf der Basis desHaager Programms beschritten werden sollen, betreffen Rechts-gebiete, die für Notare von besonderer Bedeutung sind. Sosteht beispielsweise die Schaffung eines europäischen Erb-scheins zur Diskussion.5 Auch soll das erbrechtliche und Teiledes familienrechtlichen Kollisionsrechts harmonisiert wer-den.6 Daneben soll die Vereinheitlichung des Kollisionsrechtsfür Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Bereicherungs-recht7 sowie die europarechtliche Harmonisierung im schuld-rechtlichen Bereich zügig vorangetrieben werden. Hier wirdeine Ersetzung des Europäischen Vertragsrechtsübereinkom-mens durch eine entsprechende europäische Verordnung er-wogen.8 Insgesamt soll dadurch auf Grundlage des Haager

3 KOM(2004), 651 vom 11.10.2004, im Internet abrufbar unterhttp://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html.

4 ABl. EU vom 3.3.2005, C 53, 1, im Internet abrufbar unterhttp://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html.5 Vgl. Eule, ZEV 2004, Heft 9, VIII.6 Grünbuch Erb- und Testamentsrecht, KOM(2005), 65 vom1.3.2005 sowie Grünbuch über das anzuwendende Recht und diegerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen, KOM(2005), 82vom 14.3.2005, jeweils im Internet abrufbar unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html; zum Grünbuch Erb- und Testaments-recht siehe Dörner, ZEV 2005, 137.7 Vorentwurf eines Vorschlages für eine Verordnung des Rates überdas auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(„Rom II-VO“), abrufbar im Internet unter http://europa.eu.int/comm/justice_home/unit/civil/consultation/index_de.htm; siehe dazuBenecke, RIW 2003, 830.8 Grünbuch der Kommission über die Umwandlung des Überein-kommens von Rom aus dem Jahre 1980 über das auf vertraglicheSchuldverhältnisse anwendbare Recht in ein Gemeinschaftsinstrumentsowie über seine Aktualisierung, KOM(2002), 654 vom 14.1.2003,im Internet abrufbar unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html.

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Programms ein extensiver Ausbau des europäischen Rechts-raumes betrieben und damit der Dritten Säule der Euro-päischen Union, der Justiziellen Zusammenarbeit, stärkeresGewicht verliehen werden. Es ist daher zu erwarten, dass inverfahrensrechtlicher und in materiellrechtlicher Hinsichtbedeutende Neuerungen für die notarielle Praxis ins Hausstehen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass Europa für dieDurchsetzung und Akzeptanz seiner Politik im Zivilrechts-bereich auf eine kundige, lebendige und visionäre Kautelar-praxis angewiesen ist, in der der Gedanke eines gemeinsamenEuropas fest verankert ist.

II. E-Government und Handelsregister online

Auch in technischer Hinsicht werden sich Umwälzungen inder Ausübung des Notarberufs ergeben. Dies zeigte eineäußerst instruktive Präsentation des Landesgeschäftsführersdes Salzburger Gemeindeverbandes, Dr. Martin Huber, zumE-Government-Portal der Republik Österreich, „Österreichonline“. Das Portal wurde als Reaktion auf die zunehmendeVernetzung und Verbesserung der Informationstechnologieunter Beteiligung von Ministerien, Bund und Ländern ge-schaffen. Ziel des E-Government ist es, durch die Umstellungauf komplett EDV-gestützte Bearbeitung die Verwaltungs-vorgänge zu vereinfachen und zu beschleunigen und die Ver-waltung dem Bürger näher zu bringen. Das umfangreiche E-Government-Programm Österreichs umfasst Informations-service für den Bürger und interne Serviceangebote für dieVerwaltung. Weiter sollen umfangreiche Online-Register undzahlreiche Kommunikationswege zwischen Verwaltung, Bür-ger und Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Die öster-reichische Notariatskammer macht bereits intensiv von denMöglichkeiten Gebrauch, die sich durch neue Medien er-öffnen. Sie führt ein elektronisches Urkundenarchiv, in demsämtliche Notariatsdokumente erfasst werden und so elektro-nisch Behörden zur Verfügung gestellt werden können. Be-deutung wird das E-Government künftig verstärkt auch fürGrundbuch- und Handelsregistersachen erlangen.

Die Bedeutung der computergestützten Datenverarbeitungkam auch in der abschließenden Podiumsdiskussion zu neuenEntwicklungen im Handelsregisterverfahren, an der sich -Notare aus Spanien, Tschechien, Italien und Österreich so-wie der Referatsleiter der Generaldirektion Unternehmen derEuropäischen Kommission Dr. Weinberger beteiligten, zumAusdruck. Bemerkenswert ist, dass in Spanien und Italien dasHandelsregister bereits weitgehend auf elektronische Formumgestellt wurde. So können Notare in Spanien eine verein-fachte Form der Kapitalgesellschaft innerhalb von 48 Stundenzur Eintragung bringen. Der Notar meldet die Gründung derGesellschaft elektronisch an, erhält elektronisch eine Steuer-

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nummer und kann weitere behördlich erforderliche Schritteeinleiten. Italien ist auf dem Weg zu einem vollelektronischenHandelsregister noch weiter vorangeschritten. Dort erfolgenAnmeldungen zum Handelsregister bereits heute vollständigper digital signierter E-Mail. Das Verfahren ist für alle Gesell-schaftsformen anwendbar, eine Eintragungskontrolle durch denRichter beim Handelsregister erfolgt nicht mehr. AlleinigePrüfungsinstanz ist dort der Notar, seitens des Registerswerden nur noch formelle Fragen, wie die Vollständigkeit dereingereichten Unterlagen, überprüft. Eintragungen im Handels-register sind daher inzwischen innerhalb von 24 bis 48 Stun-den möglich und beschleunigen den Rechtsverkehr wesent-lich. In Tschechien bestehen ebenfalls Reformprojekte. Dortsoll die Doppelkontrolle durch Notar und Gericht bei Ein-tragungen im Handelsregister abgeschafft werden, um dasEintragungsverfahren zu beschleunigen. Die Führung desHandelsregisters, einschließlich der Anmeldungen, soll künf-tig vollelektronisch erfolgen. Ähnliche Überlegungen exis-tieren in Österreich, dessen Handelsregister bereits jetzt überInternet weltweit abfragbar ist. Wie in Italien soll die materi-elle und formelle Überprüfung durch den Richter zugunsteneiner ausschließlichen Kontrolle von Registereintragungendurch Notare ersetzt werden. Nach Angaben von Weinbergersind all diese Entwicklungen Ausdruck des Bestrebens, dieWirtschaft zu stärken.

III. Fazit

Als Fazit der Veranstaltung ist hervorzuheben, dass der Notarauch von Vertretern der Europäischen Kommission als Garantfür Rechtssicherheit und Verfahrenseffizienz angesehen undseine Bedeutung für die Schaffung eines gemeinsamen euro-päischen Rechtsraumes betont wurde. Seine Tätigkeit dienedem Schutz des Bürgers und helfe bei der Durchsetzung eineseinheitlichen europäischen Zivilrechtes. Die Tätigkeit desNotars geht dabei über die Erbringung gewöhnlicher Dienst-leistungen hinaus, kommt ihm doch schon aus institutionellerSicht eine herausragende Bedeutung für die europäischeRechtspflege und die Durchsetzung des europäischen Gedan-kens zu. Klar wurde allerdings auch, dass der Notar diesenAnforderungen nur dann gerecht werden kann, wenn er sichmoderner Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechni-ken bedient und mit europarechtlichen und europapolitischenEntwicklungen Schritt hält. Gerade die Perspektive grenz-überschreitender, europäischer Vertragsgestaltung macht dieZukunft Europas aus Sicht des Notarberufes spannend. Ande-rerseits muss sich der Notar aber auch der ihm im Rahmen dereuropäischen Rechtsdurchsetzung zukommenden Verantwor-tung bewusst sein und sich aktiv mit transnationalen Rechts-fragen befassen.

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Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): Münchener Kom-mentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 9: Erb-recht §§ 1922–2385, §§ 27–35 BeurkG. Beck, 2004.2 388 S., 218 €

Das Erbrecht gilt als eine eher statische Materie, bei der sichÄnderungen in der Regel lediglich als kleinere Folgeänderun-gen zu größeren Neuerungen in anderen Rechtsgebieten er-geben. Spätestens seit der Schuldrechtsreform 2002 dürfteden Benutzer aber ein zunehmend mulmiges Gefühl be-schlichen haben, wenn er noch die Vorauflage des „Erbrechts-MüKos“ (1997) in die Hand nahm, abgesehen davon, dass dasFünfte Buch des BGB ebenso wie die anderen – auch – durchÄnderungen der Rechtsprechung und Strömungen desSchrifttums geformt wird.

Bei einem Großkommentar besteht außerdem stets die Ge-fahr, dass er mit jeder Neuauflage lediglich die berühmten„Jahresringe“ ansetzt. Die Gefahr hat sich bei dem vorliegen-den, in der Neuauflage abermals von Schlichting redigiertenWerk zum Glück nicht realisiert, was vor allem dem Umstandeines weitreichenden Wechsels in der Autorenschaft geschul-det sein dürfte (ohne damit das selbstverständlich bleibendeVerdienst der Altautoren schmälern zu wollen). Die „Neuzu-gänge“ (Hagena, Heldrich, Helms, K.-W. Lange, J. Mayer,Zimmermann für Brandner, Burkart, Dütz, Frank und Prom-berger) haben dabei auch den meisten Anteil an der inhalt-lichen Neubearbeitung, und zwar in Bereichen, die die Arbeitdes Notars wesentlich berühren dürften. So hat Hagena etwadie Vorschriften des BeurkG neu kommentiert, Lange dasPflichtteilsrecht (wobei die aktualisierten Erläuterungen zumFristlauf bei § 2325 Abs. 3 BGB bei vorbehaltenen Nutzungs-rechten pars pro toto lobend hervorgehoben seien), und Mayerhat das Erbscheinsverfahren übernommen. Zu Letzterem seivor allem die Kommentierung zu § 2369 BGB (Fremdrechts-erbschein) erwähnt, und hier wiederum die Darstellung dessog. „Transkriptionsproblems“, also der für die Erbscheins-erteilung notwendigen Umsetzung ausländischer Rechtsinsti-tute in die Terminologie des deutschen Erbrechts (z. B. Vin-dikationslegate). Die im Vorwort angepriesene Einarbeitungdes (in erbrechtlicher Hinsicht unausgegorenen) LPartG be-schränkt sich bei Leipold allerdings auf knappe sieben ZeilenVerweisung in der Einleitung (Rdnr. 71), offenbar in der Er-wartung, der Leser möge sich die dort zitierte „Kommentie-rung im Ergänzungsband zur 4. Aufl.“ gönnen, und ist zudemdurch das LPartÜberarbG schon wieder überholt.

Neu bearbeitet hat Leipold demgegenüber die grundlegendenVorschriften über die Auslegung und Anfechtung von Testa-menten (§§ 2064–2086 BGB), also einen Bereich, der ganzbesonders von kommentatorischer Erstarrung bedroht ist.Dass man dem nicht erliegen muss, zeigt Leipold auch gleichselbst: Er hat nämlich bei den Zweifelsfragen zu § 2065 BGB– als, soweit mir ersichtlich, noch der einzige „größere“ Autorzu diesem Punkt – seinen Widerstand gegen die sog. „Die-terle“-Klausel aufgegeben (ohne dies allerdings kenntlich zumachen) und ist jetzt zu Recht mit der ganz h. M. der Auffas-sung, der Erblasser könne zulässigerweise denjenigen zumNacherben einsetzen, den der Vorerbe zu seinem eigenenErben bestimmt (§ 2065 Rdnr. 19). Die anderslautende Ent-scheidung des OLG Frankfurt (DNotZ 2001, 143 m. Anm.Kanzleiter) wird somit immer weiter in die Vereinzelung

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gedrängt; sie kann auch kaum als Beleg einer ernsthaftenAuseinandersetzung mit der Thematik gelten, wie Ivo über-zeugend nachgewiesen hat (DNotZ 2002, 260).

Auch sonst macht man bei den von den „alten“ Kommentato-ren vorgenommenen Aktualisierungen im Laufe seiner täg-lichen Arbeit manchen praxiswichtigen Zufallsfund. So wirdbeispielsweise das m. W. bislang nirgends explizit diskutierteProblem, ob die Revalutierung einer nicht mehr valutiertenGrundschuld als „Verfügung über ein Grundstücksrecht“ i. S.von § 2113 BGB anzusehen ist, jetzt von Grunsky ausdrück-lich und zu Recht bejaht (§ 2113 Rdnr. 7). Denn hierdurchentfällt lt. Grunsky die bisher bestehende Einrede des Eigen-tümers gegenüber der Geltendmachung der Rechte aus derGrundschuld, d. h. diese wird inhaltlich mit dinglicher Wir-kung verändert (nämlich „verstärkt“). Auch unter Wertungs-gesichtspunkten dürfe es, so Grunsky, keinen Unterschiedmachen, ob der Vorerbe die nicht mehr valutierte Grund-schuld löschen lässt und später eine neue Grundschuld be-stellt, oder ob er die nicht gelöschte Grundschuld später ein-fach neu valutiert.

In puncto Schuldrechtsreform sei darauf hingewiesen, dasssich Lange gegen die mittlerweile herrschend zu nennendeAuffassung wendet, die Verjährung des Pflichtteilsanspruchsgem. § 2332 BGB könne in den Grenzen des § 202 Abs. 2BGB durch den Erblasser kraft letztwilliger Verfügung ein-seitig verlängert werden (§ 2332 Rdnr. 1). Umfassend einge-arbeitet ist die Schuldrechtsreform aber auch in den vorder-gründig eher „stillen Winkeln“ des Erbrechts, so z. B. bei derKommentierung von Schlichting zur Haftung wegen Rechts-und Sachmängeln im Vermächtnisrecht (§§ 2182, 2183 BGB).

Hinzuweisen ist schließlich auf die Übernahme des Ab-schnitts zur Testamentsvollstreckung durch Zimmermann, derin diesem Bereich bereits monographisch hervorgetreten ist(Die Testamentsvollstreckung, 2. Aufl. 2003).

Die Ausführungen von Zimmermann zur Testamentsvollstre-ckung an einzelkaufmännischen Unternehmen, gesellschafts-rechtlichen Beteiligungen und sonstigen Mitgliedschaften (§ 2205 Rdnr. 14–46) sind allerdings nahezu wortgleich mitdenjenigen in der Vorauflage von Brandner. Allein die Fragenach der Zulässigkeit eines Testamentsvollstreckervermerksim Handelsregister an Kommanditbeteiligungen wird vonZimmermann jetzt bejaht (§ 2205 Rdnr. 46), ebenso die Frage,ob die Mitwirkung an der Erhöhung der Kommanditeinlagevom Verwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers umfasstwird, ohne dass die Erben zustimmen müssten (§ 2205 Rdnr. 44). Zu Letzterem ist der BGH allerdings – zu Recht –anderer Ansicht (NJW 1989, 3152, 3155). Aktuelle Tenden-zen bleiben hier leider unbeachtet. So wird z. B. der instruk-tive Beitrag von Faust (DB 2002, 189 ff.), der zum Aufbre-chen verkrusteter Denkstrukturen in diesem Bereich beiträgt,eingangs des Abschnitts zwar aufgelistet, aber nicht eingear-beitet. Infolgedessen werden auch im aktuellen Werk immernoch die bekannten Substitute einer „Vollmachts-“ und „Treu-hand“lösung als offenbar der gestalterischen Weisheit letzterSchluss vorgestellt, obgleich diese m. W. in der Praxis nir-gendwo zelebriert werden. Auf die Gründe hierfür habe ich indieser Zeitschrift bereits hingewiesen (MittBayNot 2003, 427ff., mit Formulierungsvorschlägen).

Das Fazit lautet gleichwohl: Der aktuelle „Erbrechts-MüKo“ist praxistauglicher denn je. Wenn man ihn trotzdem nicht

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einfach zur Hand nehmen möchte, so kann dies nur daranliegen, dass man dann alle anderen zwölf Kommentarbände(einschl. Erweiterungsbände) gleich mit in die Hand nehmenmuss. Es besteht nämlich eine Gesamtabnahmeverpflichtung.Diese Verlagspolitik ist mir unverständlich und scheint mirwenig souverän, zumal das hauseigene(!) Konkurrenzwerk,

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der „Bamberger/Roth“, bandweise erworben werden kann,obwohl er nur dreiteilig ist. Demjenigen, der die Investitionnicht scheut, kann der aktuelle Erbrechtsband des MünchenerKommentars zur Anschaffung indes nur empfohlen werden.

Notarassessor Dr. Arne Everts, Würzburg

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Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns: Handbuch derGmbH & Co. KG. 19., neu bearb. Aufl., O. Schmidt,2005. 1102 S., 128 €

Die Rechtsform der GmbH & Co. erfreut sich nach wie vorgroßer Beliebtheit. Dies ist verständlich, verbindet sie doch inidealer Weise die Vorteile der Kapitalgesellschaft mit denender Personengesellschaft. Daran hat auch nichts zu ändernvermocht, dass mittlerweile zahlreiche Regelungen undGrundsätze des Kapitalgesellschaftsrechts auch auf dieGmbH & Co. KG anzuwenden sind. Das hier zu rezensie-rende Werk erfreut sich – wie man dem Erscheinen in dermittlerweile 19. Aufl. entnehmen kann – großer Nachfrageund es darf getrost als Standardliteratur für diesen Gesell-schaftstypus tituliert werden. Die Ausführungen sind straffund auf die Anwendung in der Praxis ausgelegt, ohne wissen-schaftlichen Tiefgang missen zu lassen. Bei einer erstenDurchsicht fällt jedoch leider auf, dass noch nicht alle wichti-gen und aktuellen Urteile ausgewertet sind. So fehlt etwa bei§ 10 Rdnr. 25 (Gesellschafterwechsel und Nachfolge) die Ent-

scheidung des KG vom 8.6.2004 zur Frage, ob bei der Über-tragung von Kommanditanteilen eine Abfindungsversiche-rung überhaupt erforderlich ist; diese Frage beschäftigt der-zeit den BGH. Auch das Urteil des OLG Köln vom 4.2.2004,nach welchem ein Sonderrechtsnachfolgevermerk bei derÜbertragung von KG-Anteilen auch nach den mit dem NaStraG verbundenen Änderungen des HGB weiterhin vonden Registern einzutragen ist, ist leider nicht genannt (vgl.zum Ganzen Terbrack, DStR 2004, 1964 ff. sowie Terbrack,Rpfleger 2003, 105 ff.), wenngleich die von der Literatur da-hingehend geleistete Vorarbeit – zumindest in Teilen – zitiertist. Diese Kritik, die als Anregungen für die 20. Aufl. zu ver-stehen ist, schmälert den Wert des Gesamtwerkes im Übrigensicherlich nicht, denn nahezu jeder Problembereich derGmbH & Co. KG wird umfassend und fundiert kommentiert.Das Werk ist mit einem ausführlichen Stichwortverzeichnisversehen und durch seine übersichtliche Gestaltung und hoch-wertige Ausstattung äußerst benutzerfreundlich. Kurzum: esist zur Anschaffung uneingeschränkt zu empfehlen.

Notar Dr. Christoph Terbrack, Aachen

Jäde/Dirnberger/Weiß: Baugesetzbuch, Baunut-zungsverordnung. 4., überarb. Aufl., Boorberg, 2005.1382 S., 128 €

Der „Jäde/Dirnberger/Weiß“ gehört zwischenzeitlich zu denStandardkommentaren zum BauGB. Die vierte Auflageberücksichtigt die Änderungen durch das EAG Bau. DieKommentierung ist kurz, prägnant und kompetent. Beispielist die Erläuterung von § 19 BauGB durch Jäde. Er weist zu-treffend auf die behördlichen Möglichkeiten bei einer baupla-nungswidrigen Teilung hin. § 19 Abs. 2 BauGB enthält nachJäde demgegenüber kein gesetzliches Verbot, das zur Un-wirksamkeit der Teilung führen würde (Rdnr. 10). Der neueStadtumbauvertrag (§ 171 c) wird von Dirnberger noch rela-tiv knapp kommentiert. Ausführlich und aktuell sind seineErläuterungen zum städtebaulichen Vertrag. Deutlich ist seineAnsicht (§ 11 Rdnr. 51) zur neuerdings wieder thematisiertenFrage der Planungsgewinnabschöpfung: „Bereits wegen desFehlens einer entsprechenden Rechtfertigung zweifellos un-zulässig ist schließlich der Wunsch der Gemeinde, über denZwischenerwerb einen Teil des entstandenen Planungsge-winns abzuschöpfen (…).“ Beurkundungen, die dieser An-sicht des leitenden Verwaltungsdirektors des Bayer. Gemeinde-

tags widersprechen, dürften nicht ratsam sein (a. A. Bleutge,MittBayNot 2005, 100 f.).

Dirnberger erteilt zudem den häufig in Unkenntnis der Kostenermäßigungsvorschrift des § 144 KostO geäußertenWünschen nach getrennter Beurkundung des Grundstücks-geschäfts und des „Bauvertrags“ beim Erschließungsvertrageine klare Absage: Beurkundungsbedürftig ist der gesamteErschließungsvertrag, „da davon auszugehen ist, dass dieübrigen Vereinbarungen mit dem Grundstück in einer Weisezusammenhängen, dass die eine Vereinbarung ohne die an-dere nicht abgeschlossen würde“ (§ 124 Rdnr. 46). Von Inter-esse für Notare ist auch die Erläuterung von Weiß zur Ent-eignung, der darauf hinweist, dass das Enteignungsverfahreneine Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips darstellt(§ 87 Rdnr. 11). Insofern sollte auch das Beurkundungsver-fahren bei Verträgen zur Abwendung einer Enteignung nichthinter diesen Anforderungen zurückbleiben.

Insgesamt bietet der aus bayerischer Feder stammendeBauGB-Kommentar Erläuterungen auf höchstem Niveau.Dies gilt übrigens auch für die ebenfalls in dem Buch ent-haltene kurze Kommentierung der BauNVO.

Notar Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen

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Bürgerliches Recht

1. BGB § 312; VerbrKG § 10 (Persönliche Zwangsvoll-streckungsunterwerfungserklärung bei Verbraucherkreditver-trag zulässig)

Die Unterwerfung unter die persönliche Zwangsvoll-streckung bei Bestellung einer Grundschuld ist auch beieinem Verbraucherkreditvertrag zulässig.

BGH, Beschluss vom 23.11.2004, XI ZR 27/04

Aus den Gründen:

(…) Die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsge-richts, das Überraschungsmoment einer etwaigen Haustür-situation sei für den Abschluss des Darlehensvertrages vom12.4.1996 nicht (mit)ursächlich geworden, lassen einenRechtsfehler nicht erkennen. Eine Vorlage an den Gerichtshofder Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung der Haus-türgeschäfterichtlinie, die den Abschluss des Vertrages ineiner Haustürsituation erfordert, oder zur Verbraucherkredit-richtlinie ist danach nicht veranlasst. Die letztgenannte Richt-linie findet nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) erklärtermaßen auf Kre-ditverträge, die zum Erwerb von Eigentumsrechten an einemGrundstück oder Gebäude bestimmt sind, keine Anwendung.Auf den erst in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründungangesprochenen § 10 Abs. 2 VerbrKrG ist das Berufungs-gericht zu Recht nicht eingegangen. Eine persönliche Unter-werfung unter die Zwangsvollstreckung bei der Bestellungeiner Grundschuld entspricht jahrzehntelanger Praxis. Nichtsspricht unter Berücksichtigung der Materialien zum Verbrau-cherkreditgesetz (BT-Drucks. 11/8274, S. 22) dafür, dass derGesetzgeber diese ihm bekannte Praxis unterbinden wollte.Er hat § 10 Abs. 2 VerbrKrG vielmehr bewusst auf Wechselund Schecks beschränkt. Von einer weiteren Begründung wirdgemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

2. BGB §§ 147, 150; AGBG §§ 1, 10 Nr. 1 (Angemessenheitvon Bindungsfristen in notariell beurkundeten Angeboten)

1. Die einseitig gesetzte Annahmefrist unterfällt der In-haltskontrolle nach § 10 Nr. 1 AGBG.

2. Die in einem formularmäßigen notariellen Angebotzum Kauf einer Eigentumswohnung bestimmte Bin-dungsfrist von zehn Wochen verstößt gegen § 10 Nr. 1AGBG.

3. Für die Frage der Angemessenheit der Bindungsfristist auf die Üblichkeit und Angemessenheit der Fristabzustellen.

OLG Dresden, Urteil vom 26.6.2003, 19 U 512/03

Aus den Gründen:I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertragesüber den Erwerb einer Eigentumswohnung und die Rückzah-lung des geleisteten Teilkaufpreises. Das Landgericht Leipzig

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hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründunghat es ausgeführt, die der Beklagten eingeräumte Annahme-frist von zehn Wochen sei eine vorformulierte Vertragsbe-dingung und unangemessen lang gem. § 10 Nr. 1 AGBG. Andie Stelle dieser unwirksamen Klausel trete nach § 6 Abs. 2AGBG die gesetzliche Bestimmung nach § 147 Abs. 2 BGB.Angemessen sei eine Annahmefrist von maximal sechs Wo-chen, weshalb die Annahme der Beklagten rund acht Wochennach Beurkundung des Angebots der Klägerin verspäteterfolgt sei. Die als neues Angebot zu wertende verspäteteAnnahme habe die Klägerin – zumindest formwirksam – nichtangenommen. Im Übrigen sei der Vertrag wegen arglistigerTäuschung wirksam angefochten worden. Die Beklagte habedie Klägerin über den Bautenstand getäuscht und über die mitdem Wohnungskauf und der Vollfinanzierung verbundenenfinanziellen Auswirkungen weder vollständig noch richtigaufgeklärt. Die Rückzahlung des Kaufpreises könne nur Zugum Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung undauch Lastenfreistellung erfolgen. Hiergegen richtet sich dieBerufung der Beklagten. Die Interessenabwägung unter Be-rücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Vertrags-partner führe zu einer Angemessenheit der streitigen An-nahmefrist. Der Vertrag sei auch nicht wirksam angefochtenworden, weil eine Täuschungsabsicht der Beklagten wederbehauptet noch vom Gericht festgestellt worden sei.

II.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Die Beklagte rügt eine Rechts-verletzung und eine unzureichende Tatsachenfeststellung un-ter Bezeichnung der Umstände und der konkreten Anhalts-punkte (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO).

2. Die Berufung ist indes unbegründet. Nach Auffassungdes Senats ist zwischen den Parteien kein wirksamer Vertragzustande gekommen.

2.1 Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetz-buch und das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemei-nen Geschäftsbedingungen in der bis zum 31.12.2001 gelten-den Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

2.2 Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aufRückzahlung des ohne Rechtsgrund als Kaufpreis an die Be-klagte gezahlten Betrages (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB).Zwischen den Parteien ist kein wirksamer Kaufvertrag zu-stande gekommen, weil die Beklagte das Angebot der Kläge-rin vom 6.7.2000 nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2BGB angenommen hat. Die Klägerin hat sich in dem streit-gegenständlichen Angebot in Teil A für die Dauer von zehnWochen an ihr Angebot gebunden, indem ein Widerruf desAngebots nicht vor Ablauf von zehn Wochen zulässig seinsollte. Danach wäre der Vertrag – ausgehend von dem nota-riellen Kaufvertragsangebot vom 6.7.2000 – durch notariellbeurkundete Annahmeerklärung der Beklagten am 29.8.2000zustande gekommen. Die zitierte Klausel verstößt jedochgegen § 10 Nr. 1 AGBG und ist daher unwirksam. Diese Be-stimmung, der im neuen Recht § 308 Nr. 1 BGB entspricht,findet auf das Schuldverhältnis der Parteien Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

a) Bei den Vertragsbedingungen der Beklagten handelt essich – zwischen den Parteien unstreitig – um für eine Vielzahl

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von Verträgen vorformulierte Bedingungen i. S. d. § 1 Abs. 1Satz 1 AGBG. Die Vorschrift des § 10 Nr. 1 AGBG verbietetunangemessene Annahmefristen, die sich der Verwender inden Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält. Der Kundesoll nicht in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt werden; ersoll über das Zustandekommen des Vertrages nicht im Unkla-ren bleiben (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Groß-kommentar zum AGB-Gesetz, Bd. II, 2. Aufl., § 10 Nr. 1Rdnr. 2; MünchKommBGB/Basedow, 4. Aufl., § 10 Nr. 1Rdnr. 1; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 10 Nr. 1Rdnr. 1). Als Schutzvorschrift zugunsten des Kunden erfasst § 10 Nr. 1 AGBG deshalb nur solche Fristen, die der Verwen-der als Empfänger des Antrags dem Kunden als Antragendensetzt. So liegt hier der Fall. Denn die Beklagte hat sich – zwi-schen den Parteien unstreitig – als Verwender die Annahme-frist gegenüber dem Angebot der Klägerin gewähren lassen.Die Geltung der AGB setzt grundsätzlich das Zustandekom-men des Vertrages voraus. Das ist bei Klauseln, die – wie vor-liegend – die Frist zur Annahme regeln, noch nicht der Fall.Eine „Unterwerfung“ des Kunden unter eine solche Klauseldurch Abschluss eines Vertrags mit dem Verwender liegt des-halb nicht vor. „Vertragsabschlussklauseln“ werden indes denVertragsbedingungen gleichgestellt, weil es sich gleichfallsum vom Verwender vorformulierte Vertragsbedingungen han-delt. Solche Klauseln sind – wie die Regelung des § 10 Nr. 1AGBG zeigt – den Vertragsbedingungen gleichgestellt, dennanderenfalls hätte die Vorschrift keinen Sinn. § 10 Nr. 1AGBG erweitert somit den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AGBG (herrschende Meinung: vgl. Löwe/Graf vonWestphalen/Trinkner, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 9; Wolf/Horn/Lindacher, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 6; Ulmer/Brandner/Hensen,AGBG, 9. Aufl., § 10 Nr. 1 Rdnr. 2; MünchKommBGB/Base-dow, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 3; Erman/Hefermehl/Werner,BGB, 10. Aufl., § 10 Nr. 1 Rdnr. 2; Walchshöfer, WM 1986,1041, 1042). Es wurden vorliegend auch die für die Anwend-barkeit der Vertragsabschlussklausel besonderen Einbezie-hungsvoraussetzungen des § 2 AGBG gewahrt. Bei den Ver-tragsbedingungen der Beklagten handelt es sich um eine füreine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung i. S. d.§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 24 a Nr. 2 AGBG. Da die Klägerin mit demKauf private Zwecke verfolgte und die Ausnahmevorschriftdes § 24 Satz 1 AGBG demzufolge keine Anwendung findet,ist die streitige Klausel an § 10 Nr. 1 AGBG zu messen.

b) Für die Angemessenheit einer Fristbestimmung für dieAnnahme eines Angebotes sind weder allein § 147 Abs. 2BGB mit dem Erwartungshorizont des Antragenden nochallein die Bedürfnisse des Annehmenden maßgebend. DieUnangemessenheit ist vielmehr durch Abwägung der beider-seitigen Interessen nach denselben Kriterien zu ermitteln, dieim Rahmen des § 9 AGBG für die Beurteilung der unange-messenen Benachteiligung des Vertragspartners Anwendungfinden (Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 10 AGBG Rdnr. 3;Wolf/Horn/Lindacher, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 10). Die Ent-scheidung erfordert vielmehr eine wertende Abwägung derInteressen beider Verhandlungspartner unter Berücksichti-gung der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände(vgl. BGH, NJW 2001, 303; BGH, NJW 1988, 2106; BGH,NJW 1986, 1807). Unangemessenheit ist deshalb anzuneh-men, wenn die Interessen des Verwenders den Wert der Inter-essen des Vertragspartners mehr als nur geringfügig unter-schreiten oder wenn die Dauer der Frist erheblich länger istals nach § 147 Abs. 2 BGB erforderlich und dafür keine an-erkennenswerten Interessen des Verwenders sprechen (vgl.Wolf/Horn/Lindacher, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 10; Münch-KommBGB/Basedow, a. a. O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdnr. 5;BGH, NJW 1986, 1807). Dabei ist stets den jeweiligen Um-

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ständen des Einzelfalls angemessen Rechnung zu tragen, zu-mal § 10 Nr. 1 AGBG als typische Klausel mit Wertungsmög-lichkeit verankert wurde (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 11).

c) Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze undin Übereinstimmung mit dem Landgericht ist die vorliegendeAnnahmefrist von zehn Wochen nach Überzeugung des Se-nats unangemessen lang i. S. v. § 10 Nr. 1 AGBG. Bei demKauf einer Eigentumswohnung verstößt eine Bindungsfristvon mehr als vier Wochen regelmäßig gegen § 10 Nr. 1 AGBG(vgl. Erman/Hefermehl/Werner, a. a. O., § 10 Nr. 1 AGBGRdnr. 5; Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, a. a. O., § 10Nr. 1 Rdnr. 13; Schlosser/Coester-Waltjen, AGBG, § 10 Nr. 1 Rdnr. 10; Walchshöfer, WM 1986, 1041; Wolf/Horn/Lindacher,a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 15). Der Senat verkennt dabei nicht,dass die Beklagte vorliegend die Finanzierung der Klägerinvermitteln sollte. Ohne Erfolg macht die Beklagte einen Zeit-raum von insgesamt vier Wochen geltend, in denen eine Prü-fung, Zusammenstellung und Aufbereitung der im Rahmender Verkaufsgespräche übergebenen Erklärungen und Be-scheinigungen sowie Vorabsprachen mit den in Frage kom-menden finanzierenden Kreditinstituten notwendig gewesensein sollen. Denn nach den eigenen Einlassungen der Beklag-ten und ausweislich der Aussagen der erstinstanzlich vernom-menen Zeugen ist die Finanzierung bereits Gegenstand desersten Verkaufsgespräches gewesen. Es wurde anhand derUnterlagen der Klägerin und insbesondere einer Selbstaus-kunft eine Berechnung erstellt. Auf der Grundlage einer EDV-Berechnung wurde der Finanzierungsverlauf über zehn Jahreim Rahmen eines Zweitgesprächs dargelegt. Diese Berech-nung hat gerade dazu gedient, das Kaufinteresse der Klägerinzu wecken. Umstände, die – über den Normalfall hinaus-gehend – eine nochmalige Prüfung, Zusammenstellung undAufbereitung der übergebenen Unterlagen für den Zeitraumvon zwei Wochen erfordert hätten, sind für den Senat nicht er-sichtlich und von der Beklagten auch nicht zwingend darge-tan. Der Senat hält lediglich Vorabsprachen mit den in Fragekommenden finanzierenden Kreditinstituten für notwendig,wobei freilich eine Frist von einer Woche notwendig und auchangemessen ist. Eine bankinterne Prüffrist von vier Wochenfür die Annahme eines Darlehensantrages ist nach Auffassungdes Senats zulässig, weil sachbedingt eine gewisse Überle-gungs- und Bearbeitungszeit, insbesondere zur Prüfung derKreditwürdigkeit des Antragstellers, erforderlich ist (vgl.BGH, NJW 1988, 2106; BGH, NJW 1986, 1807; Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 13;Erman/Hefermehl/Werner, a. a. O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdnr. 5).Nicht gefolgt werden kann hingegen dem Vortrag der Beklag-ten, dass nach Rücklauf der Unterlagen und Finanzierungs-zusage Verhandlungen und Koordinierungen mit den bauaus-führenden Unternehmen wegen der zu erbringenden Sanie-rungsleistungen notwendig gewesen seien und diese Prüfungeinen weiteren Zeitraum von mindestens zwei Wochen in An-spruch genommen habe. Für den Senat ist nicht ersichtlich,weshalb eine Abstimmung mit den bauausführenden Unter-nehmen während der – immerhin vier Wochen dauernden –Prüffrist der Kreditinstitute nicht möglich gewesen sein soll.Daneben ist zu berücksichtigen, dass nach der eigenen Be-hauptung der Beklagten zum 21.2.2000 bereits ein Fertigstel-lungsgrad von 75,3 % erreicht gewesen sein soll und dieBeklagte unter Ziffer 3 des Bauvertrages einen Beginn derAusführungsleistungen zum 1.8.2000 – mithin vor Ablauf derbankinternen Prüffrist – zugesagt hat. Mag der Vortrag derBeklagten insoweit auch widersprüchlich sein, ist gleichwohldavon auszugehen, dass Bauarbeiten bereits im Gange waren.Im Hinblick darauf ist eine angemessene Frist – insbesondere

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von zwei Wochen – nicht zu begründen. Einer Vernehmungdes beklagtenseits benannten Zeugen G zum Beweis dafür,dass ein Zeitraum von zehn Wochen tatsächlich benötigtworden ist, hat es nicht bedurft. Denn entscheidend ist allein,ob die Frist von zehn Wochen üblich und angemessen ist undnicht, ob die Beklagte diesen Zeitraum tatsächlich in An-spruch genommen hat.

d) In Würdigung der Gesamtumstände hätte zur Überzeu-gung des Senats eine kürzere Annahmefrist von maximalsechs Wochen bestimmt werden müssen. Die tatsächlich vor-gesehene Annahmefrist von zehn Wochen ist nach Auffassungdes Senats unangemessen, weil die Interessen der Beklagtenden Wert der Interessen der Klägerin mehr als nur geringfügigüberschreiten und die Dauer der Frist erheblich länger ist alsnach § 147 Abs. 2 BGB erforderlich und dafür keine anerken-nenswerten Interessen des Verwenders sprechen. In diesemZusammenhang ist insbesondere das Interesse des Käufers zuberücksichtigen, nach angemessener Zeit Klarheit über dieAnnahme seines Angebotes zu bekommen. Dies gilt etwaauch für den Erwerb von Fertighäusern und Eigentumswoh-nungen (vgl. Walchshöfer, WM 1986, 1044). Dem Verwenderist insbesondere dann eine rasche und zügige Bearbeitungzuzumuten, wenn er selbst – wie vorliegend – einen raschenGeschäftsabschluss erstrebt.

e) An die Stelle der unwirksamen Annahmefristklausel trittgem. § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzliche Regelung des § 147BGB (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, a. a. O., § 10 Nr. 1 Rdnr. 23;Erman/Hefermehl/Werner, a. a. O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdnr. 4;MünchKommBGB/Basedow, a. a. O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdnr. 10; BGH, NJW 1986, 1807). Die Annahme des Ange-bots durch die Beklagte am 29.8.2000 ist vorliegend verspäteterfolgt. Nach § 150 Abs. 1 BGB gilt zwar die verspätete An-nahme eines Antrags als neuer Antrag. Das Landgericht führtindes zutreffend aus, dass eine Annahme – zumindest wirk-sam – nicht erfolgt ist. Denn eine etwaige konkludente An-nahme der Klägerin durch Zahlung des Kaufpreises hätte der– vorliegend unterbliebenen – notariellen Beurkundung be-durft. Die Verpflichtung zur Veräußerung bzw. zum Erwerbvon Wohnungs- und Teileigentum ist unmittelbar gem. § 313BGB beurkundungspflichtig. Daneben ist kraft der Sonder-norm des § 4 Abs. 3 WEG auch eine Verpflichtung zur Ein-räumung, zum Erwerb und zur Aufhebung von Sondereigen-tum gem. § 313 BGB formbedürftig. Der Vertrag wäre mithingem. §§ 125, 128 BGB nichtig, weil auch eine Heilung desFormmangels nach § 313 Satz 2 BGB nicht vorliegt.

2.3 Dahinstehen kann, ob die Klägerin den Vertrag – daswirksame Zustandekommen unterstellt – wegen arglistigerTäuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB wirksam angefochten hat.Gleichwohl liegen nach Auffassung des Senats konkrete An-haltspunkte vor, dass die Klägerin unrichtig oder jedenfallsnicht vollständig aufgeklärt worden ist. Denn ausweislich desExposés ist die Beklagte gegenüber der Klägerin von einemSanierungsbeginn zum 1.8.2000 und zu einem Sanierungs-ende am 30.12.2001 ausgegangen. Demgegenüber wird dervoraussichtliche Fertigstellungszeitpunkt nach § 3 Abs. 3 desBauvertrages auf den 30.7.2002 datiert. Hinzu kommt, dass imZeitpunkt des notariell beurkundeten Angebots am 6.7.2000ein einen Fertigstellungsgrad der Baumaßnahmen von 75,3 %bestätigender Bautenstandsbericht vom 21.2.2000 vorgelegenhat, der der Klägerin im Zeitpunkt der Angebotsabgabe offen-sichtlich noch nicht zugänglich gemacht worden war. Für denSenat ist nicht erkennbar, dass die Klägerin über die unter-schiedlichen Angaben aufgeklärt oder unterrichtet worden ist.Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin – in dieFinanzierung einbezogene – Mieteinnahmen aus dem ge-

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werblichen Zwischenmietvertrag erst bei Zahlung des gesam-ten Kaufpreises zugeflossen wären. Eine Berücksichtigungvon Mieteinnahmen ab dem 1.8.2000 hätte daher eine voll-ständige Kaufpreiszahlung durch die Klägerin ohne entspre-chende Gegenleistung der Beklagten vorausgesetzt. Hierüberhätte eine Aufklärungspflicht vor allem deshalb bestanden,weil es sich hierbei um Umstände handelt, die für die Wil-lensbildung der Klägerin offensichtlich von ausschlaggeben-der Bedeutung gewesen sind. Denn die steuerlichen Vergüns-tigungen sowie die Mieteinnahmen sind wesentliches Motivder Kaufentscheidung der Klägerin gewesen.

2.4 Die Klägerin kann daher Rückzahlung des KaufpreisesZug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkungund Lastenfreistellung der Beklagten im Hinblick auf die imvorgenannten Grundbuch eingetragenen Finanzierungsgrund-schulden erlangen.

Anmerkung:

Die Entscheidung des OLG Dresden1 gefährdet Verbraucher.(Wenig repräsentative) Umfragen im Kollegenkreis gebenAnlass zu der Vermutung, dass nach seinen Maßstäben eineVielzahl von Bauträgerverträgen unwirksam ist. Eine nichtunerhebliche Zahl solcher Verträge kommt durch Angebotund Annahme zustande. Bindungsfristen von deutlich mehrals vier Wochen sind (bislang) wohl eher die Regel. Das OLGhilft in solchen Fällen den wenigen Erwerbern, die denangeblichen Unwirksamkeitsgrund vor der ersten Zahlungentdecken oder keine Sorge um die Rückzahlung bereitsgeleisteter Zahlungen haben müssen; alle anderen stürzt dasGericht in Not (wenn die Entscheidung richtig ist) und Angst(bis zur endgültigen Klärung der Rechtsfragen). Anlass zumJubel haben Insolvenzverwalter, verspricht das Urteil ihnendoch in vielen Fällen eine enorme Mehrung der Masse.

Für Notare führt die Entscheidung vorerst zu erheblichenUnsicherheiten bei der Gestaltung und Abwicklung von Ver-trägen unter Verbraucherbeteiligung, die durch Angebot undAnnahme zustande kommen. Eine Klärung der Rechtsfragendurch den BGH ist in nächster Zeit nicht zu erwarten. DieEntscheidung ist rechtskräftig. Das OLG hatte die Revisionnicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde blieb er-folglos.2 Hieraus wird man allerdings nicht ableiten können,dass der BGH im Ergebnis zustimmt, sondern nur, dass erkeinen Zulassungsgrund erkannt hat.

Richtig ist der Ausgangspunkt der Entscheidung. Bei An-gebotsgestaltungen darf die Bindungsfrist des Verbrauchersnicht unangemessen lang sein.3 Als „Vertragsabschlussklau-sel“ unterliegen vom Bauträger vorgegebene Annahmefristender Kontrolle gemäß § 308 Nr. 1 BGB.

1. Fraglich ist, welche Frist angemessen ist. Das OLG hältauch angesichts des Umstands, dass es der Bauträger über-nommen hatte, die Finanzierung des Erwerbers zu vermitteln,eine Frist von zehn Wochen als zu lang. Sachlich erforderlichund damit angemessen sei bei diesem besonderen Sachverhalteine Bindungsfrist von höchstens sechs Wochen. Soweit keine

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1 Hierzu auch Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331; Schulze-Hagen,IBR 2004, 372; Thode ZNotP 2005, 162.2 BGH VII ZR 370/03.3 Holland in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grund-stückspraxis, 2000, Teil 2, Rdnr. 682; Kutter, Beck’sches Notarhand-buch, 3. Aufl. 2000, A. II Rdnr. 25.

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besonderen sachlichen Umstände eine längere Frist recht-fertigen,4 dürfte danach wohl nur eine Frist von etwa vierWochen5 anzuerkennen sein.6

Zuweilen wird die Aufspaltung in Angebot und Annahme des-halb angestrebt, um eine Bindung des Bauträgers bis zur Plat-zierung einer hinreichenden Zahl von Objekten, die häufigVoraussetzung für eine Finanzierung des Vorhabens ist, zuvermeiden. Beurkundungsrechtlich wird dies als sachgerech-ter Grund für die Sukzessivbeurkundung anerkannt.7 Ob sichunter diesem Gesichtspunkt längere Bindungsfristen begrün-den lassen,8 erscheint jedoch fraglich. Das Vermarktungs- unddas Finanzierungsrisiko betreffen allein die Sphäre des Bau-trägers. Es erscheint unangemessen, diese Risiken auf denErwerber abzuwälzen. Dies gilt insbesondere angesichts desUmstands, dass es in das Belieben des Bauträgers gestellt ist,wie nachhaltig er sich um eine Platzierung bemüht oder ob ermit Interessenten Verträge abschließt. Angesichts der Wertungder Klauselrichtlinie (vgl. Klauselbeispiel Nr. 1. c des An-hangs) und der mit einer Bindungsfrist verbundenen Be-schränkung der Dispositionsfreiheit des Anbietenden undseines Interesses, in angemessener Zeit Klarheit über die An-nahme des Angebots zu bekommen, dürfte dem Platzierungs-interesse kein besonderes Gewicht zukommen.

Längere Fristen sind jedenfalls bei in der Sphäre des Erwer-bers liegenden Gründen vertretbar, wenn z. B. aufgrund vonSonderwünschen die Beschaffung von Ausstattungsgegen-ständen zu klären oder Angebote Dritter (u. U. durch Aus-schreibung) einzuholen sind. Sie dürften auch dann in Be-tracht kommen, wenn noch eine Baugenehmigung einzuholenist oder andere baurechtliche Fragen zu klären sind.

Für die Vertragsgestaltung ist hieraus abzuleiten, dass in ent-sprechenden Fällen der Grund für längere Fristen angegebenbzw. die Bindungsfrist an die maßgebenden Gründe ange-passt werden sollte.9

2. Eine überlange Bindungsfrist ist gemäß § 308 Nr. 1 BGBunwirksam. Das OLG Dresden nimmt an, in der Folge geltedann die gesetzliche Regelung des § 147 BGB. Das Angebotkann danach nur sofort angenommen werden. Eine verspäteteAnnahme führt nicht zu einem wirksamen Vertrag.

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Dies würde den Verbraucherschutz erheblich beeinträchti-gen.10 Ist ein Vertrag unwirksam, vermittelt eine im Grund-buch eingetragene Auflassungsvormerkung keinerlei Schutz.In der Insolvenz des Bauträgers könnte der Insolvenzverwal-ter die Löschung der Vormerkung verlangen und das betref-fende Objekt ein zweites Mal veräußern, während der Erwer-ber darauf verwiesen wäre, seine Forderungen zur Tabelle an-zumelden. Selbst mit Eigentumsumschreibung würde keineHeilung eintreten, da § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB nur Mängelder Form heilt, nicht Mängel der Einigung durch Angebot und Annahme. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dassdie Problematik meistens erst sehr spät erkannt werden wird,nämlich dann, wenn gegen Ende der Vertragsabwicklung we-gen Sachmängeln gestritten wird. In einem Prozess wäre dieUnwirksamkeit des Vertrags von Amts wegen zu beachten. Eshilft nichts, dass geraume Zeit nach Beurkundung vergangenist und die Vertragsteile den Vertrag stets als wirksam behan-delt haben.11 Für die meisten Erwerber wäre dies eine Kata-strophe. Sie vertrauen auf den abgeschlossenen Vertrag. Siewollen das Vertragsobjekt. Ihnen droht der Verlust bereits ge-zahlter Beträge und darüber hinaus Schaden im Hinblick aufbereits getätigte Aufwendungen (z. B. für Notar- und Grund-buchkosten, selbst durchgeführte Arbeiten oder an den eige-nen Kreditgeber bei einer Rückabwicklung zu leistendeVorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigungen); helfenwürde ihnen dann allenfalls ein Rückzahlungsanspruch gegendas den Bauträger finanzierende Kreditinstitut, wenn im Hin-blick auf ein Freigabeversprechen an dieses geleistet wurde,12

oder die Haftung des beurkundenden Notars, sofern die Vor-aussetzungen hierfür gegeben sind.

Die Auffassung des OLG Dresden ist falsch.13 Aus § 306 BGBergibt sich, dass ein Verstoß gegen AGB-rechtliche Vorschrif-ten nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags führen soll. DieKlauselrichtlinie führt in Erwägungsgrund 21 aus, dass nurdie missbräuchliche Klausel für den Verbraucher unverbind-lich sein soll; „die verbleibenden Klauseln müssen jedochweiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grund-lage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein“. Wennein Klauselverstoß im Ergebnis für den Regelfall zur Unwirk-samkeit des gesamten Vertrags führt, dann wird dies solchenAnforderungen nicht gerecht. Vielmehr muss das Angebottrotz der überlangen Bindungsfrist wirksam sein und bleiben.§ 147 Abs. 2 Satz 1 BGB kann angesichts dieser Wertung desGesetzes in solchen Fällen nicht zur Anwendung kommen.

Bis zur Annahme steht dem Erwerber ein freies Widerrufs-recht zu, wenn das Angebot nicht umgehend angenommenworden ist.14 Wurde das Angebot später angenommen, könntein der Bestimmung einer überlangen Bindungsfrist durch denBauträger möglicherweise eine Pflichtverletzung zu sehensein, wegen der dieser zum Schadensersatz (bis hin zur Rück-abwicklung des Vertrags) verpflichtet sein kann.

3. Die hier erörterten Fragen können für den Notar nicht zu-letzt im Hinblick auf die von ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1MaBV abzugebende Bestätigung über die Rechtswirksamkeitdes Vertrags Bedeutung erlangen. Er wird auf das Problem

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4 Für das Vergaberecht hat der BGH (VII ZR 203/90, BGHZ 116,149) insofern die Besonderheiten bei der Willensbildung in einerGemeinde als hinreichend anerkannt.5 Das Vergaberecht gibt in § 19 Nr. 2 VOB/A eine Zuschlagsfristvon 30 Kalendertagen (bis 1992 waren es 24 Tage) vor, die aber mit hinreichender Begründung verlängert werden kann (BGH vom21.11.1991, VII ZR 203/90, BGHZ 116, 149).6 Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht,2004, Teil 3 Rdnr. 202 (eine Bindungsfrist von mehr als vier Wochenunterliege „erheblichen Zweifeln“); a. A. Cremer/Wagner, NotBZ 2004,331, 333.7 Armbrüster in Huhn/von Schuckmann, 4. Aufl. 2003, § 17Rdnr. 165; Schmidt/Eue in Münchener Vertragshandbuch, Band 5,5. Aufl. 2003, I. 30 Anm. 5 (2. d).8 So Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331, 333; wohl auch Blank,Bauträgervertrag, 2. Aufl. 2002, Rdnr. 1083.9 Beispiel: „Das Angebot kann angenommen werden bis einschließ-lich ... und ist bis dahin unwiderruflich. Nach Ablauf dieser Fristendet das Angebot, ohne dass es widerrufen werden muss. Sofernbereits vorher die baurechtlichen Voraussetzungen für die Durch-führung des vertragsgegenständlichen Bauvorhabens vorliegen, kanndas Angebot nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Be-standskraft der Baugenehmigung bzw. nach dem Zeitpunkt, zu demohne Baugenehmigung mit dem Bau begonnen werden darf, ange-nommen werden.“

10 Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331, 334 f.11 Vgl. zu Fällen der Formunwirksamkeit BGH vom 16.7.2004, VZR 222/03, DNotZ 2005, 120; BGH vom 20.12.2001, IX ZR 401/99,BGHZ 149, 326, 331; BGH vom 2.5.1996, III ZR 50/95, DNotZ 1998,941 m. w. N.; BGH vom 21.2.1992, V ZR 273/90, BauR 1992, 508.12 BGH vom 10.2.2005, VII ZR 184/04 ZfBR 2005, 313.13 Anders Thode ZNotP 2005, 162, 164 f.14 Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331, 336 f.

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einer möglichen Unwirksamkeit des Vertrags zumindest hin-weisen müssen. Sicherheitshalber kann man in solchen Fällenden Erwerber nochmals eine Annahmeerklärung in notariellerForm abgeben lassen, da das verspätet angenommene Ange-bot gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot gilt.

Notar Dr. Gregor Basty, München

3. MaBV §§ 1, 3; KostO §§ 156, 16; BeurkG § 17; BNotO§ 19 (Anwendung der MaBV bei Renovierungsarbeiten oderSchönheitsreparaturen)

1. Der Einwand der unrichtigen Sachbehandlung ge-mäß § 16 KostO und die Aufrechnung mit Schadens-ersatzansprüchen aus der Verletzung spezifisch no-tarieller Pflichten gegen die Kostenforderung desNotars müssen auch im Verfahren der Notarkosten-beschwerde gemäß § 156 KostO beachtet werden(Anschluss an OLG Stuttgart, Justiz 1996, 20, 21 undThürOLG, NotBZ 2003, 359). Insoweit können eineDarlegungs- und eine Substantiierungspflicht mitähnlich hohen Anforderungen wie im Zivilprozessangenommen werden.

2. Ein Bauvorhaben, das zur Anwendbarkeit der Mak-ler- und Bauträgerverordnung führt, liegt nicht vorbei Vereinbarung lediglich geringfügiger Renovie-rungsarbeiten oder bloßer Schönheitsreparaturen, sodass die kaufvertraglichen Elemente die werkvertrag-lichen Teile des Rechtsgeschäfts ganz in den Hinter-grund treten lassen.

3. Zur Aufklärungspflicht des Notars.

BayObLG, Beschluss vom 1.10.2004, 3Z BR 129/04; mitge-teilt von Dr. Erich Denk, Präsident des Landgerichts Kempten(Allgäu)

Aus den Gründen:I.

Der beteiligte Notar beurkundete am 18.2.2002 einen „Kauf-vertrag und Werkvertrag“, mit dem die Beteiligte eine Alt-bauwohnung in Berlin zum Kaufpreis von 58.044 € erwarb.Der Veräußerer verpflichtete sich darin, Modernisierungs-arbeiten nach Maßgabe zweier Anlagen zu der Urkunde für6.449,30 € durchzuführen; unter anderem sollten das Badund einige Fenster der Wohnung erneuert werden. Die Betei-ligte zahlte im Oktober 2002 den Kaufpreis. Einige Tage spä-ter stellte der Veräußerer Insolvenzantrag. Die Erfüllung derwerkvertraglichen Verpflichtung wurde dadurch obsolet.

Der beteiligte Notar erstellte und übersandte der Beteiligtenfür die genannte Beurkundung am 19.3.2003 die vollstreck-bare Ausfertigung einer Kostenrechnung über 724,77 €. DieBeteiligte, die diesen Betrag mittlerweile bezahlt hat, wendetsich dagegen. Sie meint, der Notar habe bei Beurkundungseine Pflichten verletzt, insbesondere gegen die Regelungender Makler- und Bauträgerverordnung verstoßen, die zumVertragsinhalt hätten gemacht werden müssen. Das Verhältnisvon Kaufpreis zu Werklohn sei grob unrichtig. Die Moder-nisierungsarbeiten müssten zum Schaden der Beteiligten fürerheblich mehr als vereinbart vergeben werden.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinenErfolg.

304 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Notar habe keineAmtspflichtverletzung begangen. Die Beschreibung der durch-zuführenden Modernisierungsarbeiten sei hinreichend kon-kret. Wenn sich nachträglich herausgestellt habe, dass dienötigen Arbeiten erheblich umfangreicher seien, als aus derBeschreibung hervorgeht, sei dies nicht dem Notar anzu-lasten. Auch habe der Notar nicht erschließen können, dassdie Arbeiten über geringfügige Renovierungsarbeiten undbloße Schönheitsreparaturen hinausgehen sollten und damitdie Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung zubeachten gewesen wären. Gleiches gelte für das Verhältnisvon Kaufpreis- und Werklohnanteil an dem insgesamt von derBeteiligten zu zahlenden Betrag.

2. Das Landgericht hat die Beschwerde zu Recht zurück-gewiesen.

a) Zutreffend hat das Landgericht die Kostenforderung desNotars als solche bejaht und lediglich den Einwand derPflichtverletzung des Notars einer näheren Prüfung unterzo-gen. Der Kostenschuldner verlagert zwar mit diesem Einwandeine Materie in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,die, soweit das Bestehen von Schadensersatzansprüchen inFrage steht, grundsätzlich in das allgemeine Streitverfahrengehört (vgl. zu einer ähnlichen Problematik BGHR 2004, 977,978). Gleichwohl ist die Aufrechnung mit Schadensersatzan-sprüchen aus der Verletzung spezifisch notarieller Pflichtengegen die Kostenforderung des Notars auch im Verfahren derNotarkostenbeschwerde gemäß § 156 KostO zu beachten(vgl. OLG Stuttgart, Justiz 1996, 20, 21 m. w. N.; ThürOLG,NotBZ 2003, 359).

Die in diesem Zusammenhang maßgebenden Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Es ist insbesondere rechtlichnicht zu beanstanden (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO), dass dieBeschwerdekammer durch zwei Aufklärungsbeschlüsse aufdie Substantiierung des Schadensersatzanspruchs gegen denNotar hingewirkt hat. Die Verlagerung der Prüfung von Scha-densersatzansprüchen in das Verfahren der Notarkostenbe-schwerde darf nicht dazu führen, dass sich der Kostenschuld-ner auf diese Weise den schärferen Darlegungs-, Substanti-ierungs- und Beweisführungspflichten des Zivilprozesses ent-zieht und sich der Amtsermittlungspflicht sowie der Möglich-keit des Freibeweises bedient (§ 12 FGG), ohne das Kosten-risiko tragen zu müssen, das ihn im Falle einer Schadenser-satzklage gegen den Notar träfe (§ 91 ZPO im Gegensatz zu § 156 Abs. 5 KostO). Deshalb treffen ihn hinsichtlich solcherGegenansprüche auch im Verfahren der Notarkostenbeschwerdedem Zivilprozess vergleichbare Darlegungs- und Substanti-ierungspflichten (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2004, 49, 50;Denk, NotBZ 2004, 185 ff.).

b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dieVoraussetzungen für einen aufrechenbaren Schadensersatz-anspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht dargelegtwurden. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob demNotar eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Die Kosten-schuldnerin hat jedenfalls nicht dargetan, was sie im Fall dervon ihr gerügten fehlenden Hinweise anders gemacht hätteund inwiefern dadurch ihr Schaden, der durch die Insolvenzdes Veräußerers bedingt ist, entfallen oder verringert wordenwäre.

aa) Veräußert jemand, gegebenenfalls aufgeteilt in Wohnungs-eigentum, eine Altbauimmobilie, steht es ihm frei, danebenBauleistungen in Bezug auf das Anwesen anzubieten, etwaum den Kaufanreiz zu erhöhen. Sieht er davon ab, unterliegtder Kaufvertrag nicht den besonderen Vorschriften derMakler- und Bauträgerverordnung (MaBV); es handelt sich

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um einen schlichten Grundstückskauf (vgl. Beck’sches Notar-handbuch/Kutter, 3. Aufl., A II Rdnr. 1; Pause, Bauträgerkaufund Baumodelle, 4. Aufl., Rdnr. 991). Verpflichtet sich derVeräußerer hingegen, auch Bauleistungen zu erbringen, diewegen ihrer Art und ihres Umfangs als Bauvorhaben gelten,ist der aus Elementen des Kauf- und Werkvertrags bestehendeBauträgervertrag an den Bestimmungen der MaBV auszu-richten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV; OLG Hamm, Mitt-BayNot 2003, 53; Kutter, a. a. O., Rdnr. 133; Pause, a. a. O.,Rdnr. 49 und 990; Basty, DNotZ 1997, 284, 290). Sind dieBauleistungen so geringfügig, dass sie nicht als Bauvorhabenanzusehen sind, gilt dies jedoch nicht (vgl. Kutter, a. a. O.;Pause, a. a. O., Rdnr. 49).

Vorliegend hat der Veräußerer wohl bewusst die letztgenannteVariante gewählt. Ihm dürfte bekannt gewesen sein, dass erauf diesem Weg die Anwendung der Bestimmungen derMaBV vermeidet, auch der Notar dürfte dies erkannt haben.Hierfür spricht insbesondere der beurkundete Hinweis, eshandele sich um kein Sanierungsobjekt.

bb) Ein Bauvorhaben im Sinn der MaBV liegt nicht vor,wenn lediglich geringfügige Renovierungsarbeiten oder bloßeSchönheitsreparaturen (vgl. Kutter, a. a. O., Rdnr. 133; Paus,a. a. O., Rdnr. 49; Basty, DNotZ 1991, 18, 23) vereinbart wer-den, so dass die kaufvertraglichen Elemente die werkvertrag-lichen Teile des Rechtsgeschäfts ganz in den Hintergrund tre-ten lassen (vgl. Basty, a. a. O.; Warda, MittRhNotK 1987,173, 183 und ders., MittBayNot 1988, 1, 12). Zur Abgren-zung solcher geringfügiger Bauleistungen werden im Schrift-tum unterschiedliche Kriterien genannt. Zum einen handelt es sich um das Verhältnis des Wertes der Werkleistungen zurgesamten Vertragssumme (Basty, a. a. O.; Kutter, a. a. O.).Das Erfordernis einer Baugenehmigung (so Warda, a. a. O.)wird neuerdings als zu unbestimmt abgelehnt (Basty, a. a. O.;Pause, a. a. O., Rdnr. 50) oder nur als Zusatzkriterium zuge-lassen (Kutter, a. a. O.). Zum anderen wird auf die Bedeutungder Maßnahme für Konstruktion, Bestand, Erhaltung undErneuerung des Gebäudes abgestellt (Kutter; Basty). Pausenennt neuerdings (vgl. aber die Vorauflage Brych/Pause,3. Aufl., Rdnr. 99) Planung, Überwachung und Abnahme durcheinen Architekten, das Maß der Vorbereitungs- und Aus-führungszeit und Veränderungen des Erscheinungsbildes,Eingriff in die Bausubstanz oder Erneuerung wesentlicherBauteile als Kriterien (a. a. O., Rdnr. 49). Als Beispiele fürgeringfügige Baumaßnahmen werden Treppenhaus- oderFensteranstriche genannt (Pause, Rdnr. 51), während einBauvorhaben im genannten Sinne angenommen wird bei Ein-bringung oder Entfernung nicht tragender Zwischenwände,umfangreichen Arbeiten am Dach, an der Heizungsanlage, anden Sanitäranlagen und -anschlüssen (Basty), bei Fassaden-sanierungen, unter Umständen schon bei einem umfassendenFassadenanstrich (Pause).

cc) Nach diesen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu bean-standen, dass das Landgericht eine Pflicht des Notars, denVertrag an den Bestimmungen der MaBV auszurichten (vgl.Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 17 Rdnr. 250), verneint hat. Esstellt rechtsfehlerfrei darauf ab, dass für die Bauleistungen einWerklohn von 6.449,30 € vereinbart wurde, der nur einengeringen Teil der gesamten Vertragssumme darstellt. Die Be-wertung der in der Baubeschreibung aufgeführten Einzelmaß-nahmen als unwesentlich für Konstruktion und Bestand desGebäudes ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstan-den. Dem Landgericht als Tatsachengericht steht insoweit einBeurteilungsspielraum zu, der nicht überschritten ist. Schließ-lich durfte das Landgericht auch die Vertragsklausel berück-sichtigen, wonach keine Sanierung vorliege. Dies deutet nach

305MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

allgemeinem Sprachgebrauch darauf hin, dass die gleichwohlzu erbringenden Bauleistungen im Verhältnis zum Gesamt-aufwand geringfügig sind.

dd) Eine Pflichtwidrigkeit des Notars könnte sich unter die-sen Umständen allenfalls aus einer Verletzung seiner Hin-weis- und Belehrungspflichten ergeben (vgl. zur Bedeutungeines solchen Verstoßes für die Gebührenerhebung OLG Celle,Nds. Rpfl. 2004, 247).

(1) Nach § 17 Abs. 1 BeurkG soll der Notar den Willen derBeteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteilig-ten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren undihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschriftwiedergeben. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass derNotar eine rechtswirksame Urkunde über den wahren Willender Beteiligten errichtet. Aus diesem Zweck folgt die inhalt-liche Begrenzung der Pflicht zur Rechtsbelehrung: Sie gehtnur soweit, wie eine Belehrung über das Zustandekommeneiner formgültigen Urkunde erforderlich ist, die den wahrenWillen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der fürdas beabsichtigte Rechtsgeschäft richtigen Form rechtswirk-sam wiedergibt. Dabei soll der Notar darauf achten, dass un-erfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt wer-den. Ob dem Notar wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 1BeurkG eine Pflichtverletzung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO)vorzuwerfen ist, hängt mithin davon ab, welchen Inhalt dieUrkunde nach dem Willen der Vertragsparteien haben sollteund ob er den Willen der Beteiligten vollständig und unzwei-deutig in der von ihm errichteten Urkunde zum Ausdruckgebracht hat. Diesen Willen kann der Notar nur dann richtigerfassen und in die passende rechtliche Form kleiden, wenn erden Tatsachenkern des zu beurkundenden Geschäfts aufge-klärt hat. Dabei darf er regelmäßig die Angaben der Beteilig-ten zugrunde legen, es sei denn, er hat Anhaltspunkte dafür,dass sie als Tatsachen vorgetragene rechtliche Begriffe falschverstanden haben. Bedenken, ob die zu beurkundende Fassungdes Geschäfts dem wahren Willen der Beteiligten entspricht,sind mit diesen zu erörtern (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BeurkG).

Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Der Inhaltdes von den Parteien Gewollten ist in der Urkunde zutreffendwiedergegeben. Das Landgericht hat in seiner Begründung zuRecht darauf abgestellt, dass der Notar nicht verpflichtet sei,die tatsächlichen Angaben der Vertragsparteien zum Anteildes Werklohns am Gesamtaufwand des Erwerbers bzw. zumUmfang der Bauleistungen zu überprüfen.

(2) Über die sich aus § 17 BeurkG ergebenden Pflichten hi-naus hat der Notar aufgrund der allgemeinen Betreuungs-pflicht, die ihn gemäß § 14 Abs. 1 BNotO als Amtsträger dervorsorgenden Rechtspflege trifft, dem Beteiligten, der ihn imVertrauen darauf angegangen hat, vor nicht bedachten Folgenseiner Erklärungen bewahrt zu bleiben, die nötige Aufklärungzu geben. Er darf es nicht geschehen lassen, dass Beteiligte,die über die rechtlichen Folgen ihrer Erklärung falsche Vor-stellungen haben, durch die Abgabe der Erklärung ihre Ver-mögensinteressen vermeidbar gefährden. Die betreuende Be-lehrungspflicht besteht allerdings nur dann, wenn der Notaraufgrund besonderer Umstände des Falls Anlass zu der Ver-mutung haben muss, einem Beteiligten drohe ein Schaden vorallem deshalb, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis derRechtslage der Gefahr nicht bewusst ist (vgl. BGH, NJW1991, 1346 ff.). Der Notar als Träger der vorsorgendenRechtspflege darf es nicht untätig geschehen lassen, dass einBeteiligter in die Gefahr eines folgenschweren Schadensgerät, der durch eine mit wenigen Worten zu gebende Beleh-rung zu vermeiden ist. Nach der ständigen Rechtsprechungdes Bundesgerichtshofs erwachsen demgemäß für den Notar

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Schutzpflichten, wenn er aufgrund besonderer Umstände desFalles – namentlich wegen der rechtlichen Anlage oder derArt der Durchführung des konkreten Geschäfts – Anlass zuder Besorgnis haben muss, einem Beteiligten entstehe einSchaden, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis derRechtslage oder von Sachumständen, welche das beurkundeteRechtsgeschäft als für seine Vermögensinteressen bedeutsamerscheinen lassen, einer Gefährdung dieser Interessen nichtbewusst ist (vgl. BGH, NJW 2003, 1940, 1941).

Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob im vor-liegenden Fall der Notar angesichts des gesamten Inhalts desVertrages gehalten gewesen wäre, die Grundzüge der MaBVund den Grund ihrer Nichtanwendbarkeit auf das Vertragswerknebst den Folgen hieraus mit den Vertragsparteien zu erörternund damit auch der Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich mitder Vertragsgestaltung unter diesem Gesichtspunkt auseinan-derzusetzen. Hierauf ist das Landgericht nicht eingegangen.

ee) Ob eine solche Verpflichtung bestand, kann jedoch da-hingestellt bleiben. Die Beteiligte hat nicht dargelegt, wie siesich verhalten hätte, wenn der Notar einen entsprechendenHinweis gegeben hätte. Es ist durchaus denkbar, dass sie denVertrag gleichwohl in der vorgeschlagenen Form abgeschlos-sen hätte. Deshalb kann auch die Kausalität einer eventuel-len Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nichtnach den Grundsätzen des „aufklärungsrichtigen Verhaltens“(vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 280 Rdnr. 39m. w. N.) vermutet werden. Diese Vermutung greift nicht ein,wenn eine gehörige Aufklärung einen Entscheidungskonfliktausgelöst hätte, weil es mehrere Möglichkeiten aufklärungs-richtigen Verhaltens gab (BGH, NJW 2004, 2967, 2969). DieBeteiligte hätte auch bei Aufklärung sowohl am Vertrag fest-halten wie vom Vertragsschluss Abstand nehmen können. Sieschwankt in ihren Ausführungen auch jetzt noch zwischendem Ziel der Durchführung des Vertrags (Beauftragung Drit-ter, um die nötigen Baumaßnahmen durchzuführen) und demder Rückabwicklung (Anfechtung, Rücktritt). Für den Falldes Abschlusses und der Durchführung des Vertrags ist nichtzu erkennen, wie der fehlende Hinweis obigen Inhalts für deneingetretenen Schaden hätte kausal werden können. Derdurch die Insolvenz des Veräußerers bedingte Schaden wäreauch in diesem Fall eingetreten. Der Schaden im Übrigenkönnte nach dem Vortrag der Beteiligten dann lediglich darinbestehen, dass die vereinbarten Bauleistungen bei einem Drit-ten mehr als mit dem Veräußerer vereinbart kosten. Dasstatsächlich mehr saniert werden soll, als im Vertrag aufgeführtist, hat außer Betracht zu bleiben. Wie eingangs dargestellt,liegt es im Belieben des Veräußerers, ob und in welchem Um-fang er Bauleistungen vertraglich anbietet.

Die Beteiligte wurde von der Beschwerdekammer im erstender zwei Aufklärungsbeschlüsse darauf hingewiesen, dass ihrVortrag auch in den genannten Punkten unzureichend ist.Zwar hat das Landgericht den Schwerpunkt auf die Abgren-zungsfrage bezüglich der Einbeziehung der MaBV gelegt. Eshat jedoch hinreichend deutlich gemacht, dass auch zumSchaden (und damit auch zur Kausalität zwischen denkbarerPflichtwidrigkeit und Schaden) weiterer Sachvortrag nötigsei. Dem ist die Beteiligte nicht nachgekommen. Der Senatkann daher abschließend entscheiden, ohne die Sache erneutan das Landgericht zurückverweisen zu müssen. Die Betei-ligte ist im Übrigen nicht gehindert, ihren vermeintlichenSchadensersatzanspruch im allgemeinen Streitverfahren nachden Grundsätzen der Zivilprozessordnung erneut geltend zumachen (Rechtsgedanke des § 322 Abs. 2 ZPO).

c) Der Einwand der unrichtigen Sachbehandlung gemäß § 16 KostO ist im Verfahren der Notarkostenbeschwerde

306 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

ebenfalls zu beachten (vgl. OLG Stuttgart, Justiz 1996, 20, 21m. w. N.; ThürOLG, NotBZ 2003, 359; OLG Celle, Nds.Rpfl. 2004, 247). Das Landgericht ist hierauf, aus seiner Sichtzu Recht, nicht ausdrücklich eingegangen. § 16 Abs. 1 Satz 1KostO setzt einen offen zutage tretenden Verstoß gegen ein-deutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Ver-sehen voraus (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO,15. Aufl., § 16 Rdnr. 2 m. w. N. und Rdnr. 77). Verneint manwie hier das Landgericht bereits im Rahmen der Prüfungeines Schadensersatzanspruchs eine Pflichtverletzung,kommt insoweit der Einwand der unrichtigen Sachbehand-lung, der deutlich strengere Voraussetzungen aufweist als die Pflicht zum Schadensersatz, nicht mehr in Betracht. Aberauch wenn man die Möglichkeit einer Verletzung der Hin-weispflicht in Betracht zieht, entspräche ein solcher Pflicht-verstoß hier keinesfalls den oben genannten Anforderungen.Ebenso ist es, wie oben dargelegt, völlig unsicher, ob ein Hin-weis des Notars zur Vermeidung der Kosten geführt hätte.

4. BGB §§ 577, 464 Abs. 2 BGB (Differenzierende Kaufpreis-abrede für den Fall der Ausübung eines Mietervorkaufsrechts)

Eine differenzierende Kaufpreisabrede bzw. Kaufpreis-minderung für den Fall, dass das Mietervorkaufsrechtnicht ausgeübt wird und daher der Erstkäufer das be-stehende Mietverhältnis übernehmen muss, ist zulässig.(Leitsatz des Einsenders)

OLG München, Beschluss vom 21.2.2005, 10 W 672/05; ein-gesandt von Notar Dr. Martin Schuck, München

Aus den Gründen:

II.

(…) Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, aber unbe-gründet.

a) Der Antragstellerin steht hinsichtlich der begehrten Ein-tragung einer Auflassungsvormerkung nach § 883 Abs. 1 BGBkein Verfügungsanspruch zu.

aa) Grundsätzlich hat ein Mieter im Falle der Ausübungseines Vorkaufsrechts aus § 577 BGB einen Anspruch aufEintragung einer Auflassungsvormerkung nach § 883 Abs. 1BGB zur Sicherung seines Eigentumsverschaffungsanspruchs(vgl. statt aller Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl.2003, § 577 BGB Rdnr. 63).

bb) Voraussetzung ist aber, dass der eintretende Mieter selbstdie ihm obliegenden Verpflichtungen einzuhalten bereit ist,andernfalls verstößt er gegen § 242 BGB (Palandt/Putzo,BGB, 64. Aufl. 2005, § 464 Rdnr. 3). So liegt der Fall hier.

aaa) Gem. § 464 Abs. 2 BGB kommt der Kauf zwischen demBerechtigten (hier der Antragstellerin als Mieterin) und demVerpflichteten (hier der Antragsgegnerin als Eigentümerin)unter den Bedingungen zustande, welche der Verpflichtetemit dem Dritten (hier den Erstkäufern) vereinbart hat. DerKaufpreis für die Wohnung war mit 170.000 € vereinbartworden, bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts durch dieMieterin wurde ein reduzierter Kaufpreis von 120.000 € fest-gesetzt. Weiterhin war nach Nr. III a) des Kaufvertrags derKaufpreis auf ein Notaranderkonto einzubezahlen, wobei dasErstgericht zutreffend davon ausgeht, dass irgendwelche Be-dingungen oder Fälligkeitsvoraussetzungen für die Auszah-lung an die Antragsgegnerin nicht vorgesehen sind.

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bbb) Die Antragstellerin ist aber nach ihrem eigenen Vortragnur bereit, einen Preis von 120.000 € zu bezahlen. Soweit sieder Auffassung ist, dass sie nur den niedrigeren Preis zu zah-len habe, ist sie rechtsirrig. Eine sog. differenzierende Preis-abrede, wie sie hier getroffen worden ist, ist nämlich nach zu-treffender h. M. zulässig und für den in den Vertrag eintreten-den Mieter bindend (Derleder, NJW 1996, 2817, 2819; Schmidt-Futterer/Blank, a. a. O., Rdnr. 74 m. w. N. auch zur Gegenan-sicht). Weiterhin kann und will die Antragstellerin den (redu-zierten) Kaufpreis nur zahlen, wenn zugunsten der ihn finan-zierenden Stadtsparkasse eine erstrangige Grundschuld ohneBrief über 126.000 € eingetragen wird. Dies würde, woraufdas Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, zu einer vertrag-lich nicht vereinbarten Verzögerung der Kaufpreisauszahlungan die Antragsgegnerin führen.

b) Aus dem Vorstehenden erhellt sich, dass die Antragstelle-rin auch keinen Verfügungsanspruch auf Eintragung einerGrundschuld zugunsten der Stadtsparkasse hat. Im Übri-gen ist der Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht i. S. v.§§ 935, 936, 920 Abs. 1, 294 Abs. 1 ZPO – die bloße Erwäh-nung eines nicht näher bezeichneten Telefongesprächs zwi-schen dem Antragstellervertreter und einem nicht näher be-zeichneten Mitarbeiter der Stadtsparkasse ist schon kein aus-reichender Vortrag (vgl. zu den insoweit bestehenden Anfor-derungen eingehend HdBVR-Dunkl, Rdnr. 513 i. V. m. 25),geschweige denn eine Glaubhaftmachung (vgl. zu den inso-weit bestehenden Anforderungen umfassend HdBVR-Dunkl,Rdnr. 513 i. V. m. 15–24 b).

5. BGB §§ 854, 1090, 1018 (Unzulässiger Inhalt einerDienstbarkeit)

Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist von Amtswegen zu löschen, wenn der Eintragungsvermerk in zuläs-siger Weise auf die Eintragungsbewilligung Bezug nimmtund diese auf eine positive Leistungspflicht gerichtet ist.(Leitsatz der Schriftleitung)

BayObLG, Beschluss vom 25.2.2005, 2Z BR 224/04

Aus den Gründen:I.

In den Wohnungsgrundbüchern A, B und C ist in Abteilung IIzugunsten der Beteiligten zu 1 am ganzen Grundstück lautEintragungsvermerk eingetragen:

Am ganzen Grundstück: Nutzungsbeschränkung (Studenten-wohnungen mit Büros und Läden) für die Stadt N. (= Betei-ligte zu 1); gemäß Bewilligung vom 20.11.1992

(…)

Die Eintragungsbewilligung vom 20.11.1992 hat folgendenWortlaut:

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks (...) verpflichtetsich gegenüber der Stadt N., das auf dem Grundstück zur Er-stellung kommende Anwesen als Studentenwohnungen mitBüros und Läden für immer zu benutzen und zu betreiben.Zur Sicherung dieser Verpflichtung wird zugunsten der Stadt.N. an dem vorgenannten Grundbesitz die Eintragung einerbeschränkten persönlichen Dienstbarkeit bewilligt und be-antragt.

Für die Beteiligte zu 2 ist im Wohnungsgrundbuch A und Ceine Grundschuld eingetragen.

307MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

Die Beteiligte zu 2 hat angeregt, die im WohnungsgrundbuchA, B und C eingetragene beschränkte persönliche Dienstbar-keit von Amts wegen zu löschen, weil die Eintragung ihrerAuffassung nach inhaltlich unzulässig ist. Das Amtsgerichthat dies abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde derBeteiligten zu 2 hinsichtlich der Eintragung im Wohnungs-grundbuch B als unzulässig verworfen; im Übrigen hat es dieBeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Gegen Letzte-res richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat, soweit es für das Rechtsbeschwer-deverfahren noch von Bedeutung ist, ausgeführt: Eine be-schränkte persönliche Dienstbarkeit dürfe den Eigentümerdes betroffenen Grundstücks nicht zu einem positiven Tunverpflichten. Dies sei vorliegend auch nicht der Fall. DerWortlaut der Eintragungsbewilligung lasse zwar einen Ver-pflichtungscharakter erkennen, der Inhalt der Dienstbarkeitwerde aber im Eintragungsvermerk als Nutzungsbeschrän-kung bezeichnet. Auf Letzteres sei abzustellen. Danach seiauf dem Grundstück keine andere Nutzung als die genanntezulässig, nämlich das Anwesen als Studentenwohnanlage mitBüros und Läden zu nutzen. Dem Eintragungsvermerk könneweder ein Gebot zur Nutzung als Studentenwohnung unterAusschluss des allerdings unwirtschaftlichen Leerstands nochein Verbot einer solchen Nutzung entnommen werden. EineUnzulässigkeit der eingetragenen Dienstbarkeit ergebe sichauch nicht aus der Beschränkung auf nur eine Nutzungsmög-lichkeit. Sinnvoll könne das Anwesen zwar nur als Studenten-wohnanlage mit Büros und Läden genutzt werden; diesermittelbare Druck führe aber nicht dazu, dass der jeweiligeEigentümer auch rechtlich zu einem bestimmten Verhaltenverpflichtet sei. Die Dienstbarkeit beschränke auch nicht dierechtliche Verfügungsbefugnis des jeweiligen Eigentümers,sondern habe eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauchder Wohnungen zum Inhalt. Die Befugnis, mit der Sache imRahmen der Gesetze nach Belieben zu verfahren, werdenämlich dahin eingeschränkt, dass lediglich an Studenten ver-mietet werden dürfe. Das sei eine auf den tatsächlichen Ge-brauch gerichtete Beschränkung. Die Nutzung von studen-tischem Wohnraum unterscheide sich deutlich von andererWohnraumnutzung, weil Studenten ihren Lebensmittelpunktüberwiegend nicht am Studienort hätten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichenNachprüfung nicht stand.

a) Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist eine Eintragung vonAmts wegen zu löschen, wenn sie sich nach ihrem Inhalt alsunzulässig erweist. Die Unzulässigkeit muss sich aus demEintragungsvermerk selbst und der zulässiger Weise in Bezuggenommenen Eintragungsbewilligung ergeben; andere Be-weismittel dürfen nicht verwertet werden (Demharter, GBO24. Aufl., § 53 Rdnr. 42).

b) Bei der Auslegung von Grundbucheintragungen ist aufWortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus dem Ein-tragungsvermerk und der zulässiger Weise in Bezug genom-menen Eintragungsbewilligung für den unbefangenen Be-trachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenenergibt (Demharter, § 53 Rdnr. 4).

Stehen der Eintragungsvermerk und eine dort in zulässigerWeise in Bezug genommene Urkunde, insbesondere die Ein-tragungsbewilligung, in einem auch durch Auslegung nichtaufzulösenden Widerspruch zueinander, so liegt eine inhalt-lich unzulässige Grundbucheintragung vor, die von Amts we-gen zu löschen ist (Demharter, § 44 Rdnr. 15; § 53 Rdnr. 4).

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c) Hier ist im Eintragungsvermerk der Rechtsinhalt derGrundstücksbeschränkung mit „Nutzungsbeschränkung”schlag-wortartig angegeben. Wegen der Einzelheiten der Beschrän-kung ist in zulässiger Weise (vgl. Palandt/Bassenge, BGB,64. Aufl., § 1018 Rdnr. 31) gemäß § 874 BGB auf die Ein-tragungsbewilligung Bezug genommen. In dieser heißt es,dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks verpflichtetist, das auf dem Grundstück zur Erstellung kommende An-wesen als Studentenwohnungen mit Büros und Läden fürimmer zu benutzen und zu betreiben und dass zur Sicherungdieser Verpflichtung zugunsten der Beteiligten zu 1 die Ein-tragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bewil-ligt und beantragt wird.

Nach dem Wortlaut des Eintragungsvermerks besteht somitder Inhalt der Dienstbarkeit in einer Unterlassungsverpflich-tung seitens des Eigentümers des belasteten Grundstücks.Demgegenüber ist nach dem Wortlaut der Eintragungsbewilli-gung eine positive Leistungspflicht Inhalt der Dienstbarkeit.

Es kann offen bleiben, ob die eingetragene Beschränkungschon wegen eines nicht aufzulösenden Widerspruchs zulöschen ist. Eine Amtslöschung ist nämlich auch dann vor-zunehmen, wenn man einen unauflösbaren Widerspruchverneint. Was als Inhalt einer Eintragung zu gelten hat, ist ineinem Fall wie hier allein dem Wortlaut der Eintragungsbe-willigung zu entnehmen (vgl. BGH, Rpfleger 1998, 104 f.);nicht haltbar ist es, mit dem Landgericht allein auf den Ein-tragungsvermerk abzustellen.

d) Gegenstand einer beschränkten persönlichen Dienstbar-keit kann nach § 1090 BGB jede Befugnis sein, die den Inhalteiner Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB bilden kann. Da-nach kann die Dienstbarkeit auf die Benutzung des belastetenGrundstücks in einzelnen Beziehungen, auf die Unterlassunggewisser Handlungen auf dem belasteten Grundstück sowieauf den Ausschluss der Ausübung eines Rechts, das sich ausdem Eigentum an dem belasteten Grundstück ergibt, gerichtetsein. Inhalt einer Dienstbarkeit kann dagegen nicht eine posi-tive Leistungspflicht und auch nicht ein positives Tun desEigentümers sein (BGH, NJW-RR 2003, 733 ff.; BayObLGZ1985, 193 ff.). Wortlaut und Sinn der Eintragungsbewilligungverpflichten den Eigentümer des betroffenen Grundstückseindeutig zu einem positiven Tun; Gegenstand des dinglichenRechts ist eine unmittelbare Leistungspflicht. Es ist ausdrück-lich von einer Verpflichtung die Rede. Demgegenüber war in dem vom Bundesgerichtshof (a. a. O.) entschiedenen FallInhalt der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, dass be-stimmte Wohnungen nur als Ferienwohnungen bewirtschaftetund einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zur Ver-fügung gestellt werden durften. Der Bundesgerichtshof hatinsoweit entschieden, dass der Grundstückseigentümer dieAppartements in wirtschaftlich sinnvoller Weise nur als anDritte zu vermietende Ferienwohnungen nutzen könne, diesermittelbare tatsächliche Druck aber nicht dazu führe, dass derGrundstückseigentümer rechtlich zu einem bestimmten Ver-halten verpflichtet sei. Der vom Bundesgerichtshof entschie-dene Fall und der vorliegende Sachverhalt sind weder iden-tisch noch auch nur vergleichbar. Nach der Eintragungsbewil-ligung im vorliegenden Fall ist der Grundstückseigentümereben zu einem positiven Tun verpflichtet und darf dieWohnungen gerade nicht leer stehen lassen. Da Inhalt einerDienstbarkeit nicht eine positive Leistungspflicht sein kann,ist die Eintragung als inhaltlich unzulässig zu löschen.

308 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

6. BGB §§ 313, 985; WEG § 31 (Dauernutzungsrecht kannvor Kaufpreisfälligkeit zustehen)

1. Regelt eine notarielle Urkunde über den Verkaufeines Dauernutzungsrechts zum einen, dass diesesRecht den Rang vor verschiedenen anderen Belastun-gen, „mindestens jedoch vorerst nächst offene Rang-stelle“ erhalten soll und bestimmt sie zum anderen,dass der Kaufpreis erst mit der Eintragung an ersterStelle fällig wird, so liegt darin eine Risikoverteilung,nach der den Käufern das Dauernutzungsrecht alsrangschlechteres Recht bereits vor Kaufpreisfällig-keit zustehen kann.

2. Zu den Voraussetzungen einer Korrektur dieser Risiko-verteilung nach den Grundsätzen über den Wegfallder Geschäftsgrundlage.

Pfälzisches OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.10.2004, 4 U35/04

Hinweis der Schriftleitung:

Das Urteil ist in OLGR-West 2005, 330 abgedruckt.

7. BGB §§ 138, 242, 1408 Abs. 2, 1414, 1587 o (Wirksam-keits- und Ausübungskontrolle eines Versorgungsausgleichs-ausschlusses)

Zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle eines notari-ellen Ehevertrags, der neben der Vereinbarung der Güter-trennung und des Ausschlusses des Versorgungsausgleichsauch Regelungen über den nachehelichen Ehegattenunter-halt, die Übertragung eines Hausanteils auf den Ehemannund eine Ausgleichszahlung des Ehemannes an die Ehe-frau enthält (Fortführung des Senatsurteils vom 11.2.2004,XII ZR 265/02, FamRZ 2004, 601 = MittBayNot 2004, 270;vgl. auch Senatsbeschluss vom 6.10.2004, XII ZB 57/03,DNotZ 2005, 226).

BGH, Beschluss vom 6.10.2004, XII ZB 110/99; mitgeteiltvon Wolfgang Wellner, Richter am BGH

Die 1977 geschlossene Ehe der Parteien, aus der zwei Kinder hervor-gegangen sind, wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts – Fami-liengericht – rechtskräftig geschieden. Die Parteien streiten über dieDurchführung des Versorgungsausgleichs. Mit Ehevertrag vom24.11.1986 hatten die Parteien Gütertrennung vereinbart und denVersorgungsausgleich ausgeschlossen. Für den Fall der Scheidungerklärte sich der Ehemann bereit, der Ehefrau, solange sie keine eige-nen Einkünfte habe, als Unterhalt „auf der heutigen Basis“ einen mo-natlichen Betrag von 300 DM und, falls die Ehefrau halbtags arbeite,von 150 DM zu zahlen, soweit er hierzu unter Berücksichtigungseiner Aufwendungen für das gemeinsame Hausgrundstück und denUnterhalt der Kinder in der Lage sei. Die Ehefrau verpflichtete sichfür den Fall der Scheidung, ihre Hälfte an dem gemeinsamen Haus-grundstück auf den Ehemann zu übertragen. Der Ehemann seinerseitsverpflichtete sich, für den Fall der Scheidung und nach Übertragungdes hälftigen Miteigentums an dem Hausgrundstück der Ehefrau inbestimmten Raten einen Betrag von insgesamt 50.000 DM „als frei-willige Entschädigung für die Tätigkeit im Haushalt und die Erzie-hung der Kinder“ zu zahlen.

Das Amtsgericht hat die von der Ehefrau beantragte Durchführungdes Versorgungsausgleichs – unter Hinweis auf dessen ehevertrag-lichen Ausschluss – abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die Be-schwerde der Ehefrau, mit der diese ihren Antrag auf Durchführungdes Versorgungsausgleichs weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Hier-gegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau.

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Aus den Gründen:

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Ober-landesgericht.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der von denParteien vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichswirksam. Für die Frage der Sittenwidrigkeit eines Rechtsge-schäfts komme es auf die Umstände im Zeitpunkt seiner Vor-nahme an; deshalb seien allein die Folgen des Ausschlusses,hier die fehlende Altersversorgung, nicht entscheidend. An-haltspunkte dafür, dass die Vereinbarung lediglich zu Lastendes Sozialhilfeträgers geschlossen worden sei, lägen nicht vor;auf die Ausnutzung einer psychischen Zwangslage komme esnicht entscheidend an. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlageliege nicht vor. Dazu bedürfe es konkreter Vorstellungen undErwartungen, die bei Vertragsschluss vorgelegen hätten undzwischenzeitlich entfallen seien; solche Vorstellungen oderErwartungen seien hier nicht dargetan. Auch hinderten Treuund Glauben (§ 242 BGB) den Ehemann nicht – auch nichtteilweise für die Zeit der Kindererziehung – sich auf den Aus-schluss des Versorgungsausgleichs zu berufen. Eine solcheAusübungskontrolle werde zwar in der Literatur befürwortet;sie widerspreche aber der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs. Zudem liege im vorliegenden Fall die Besonder-heit vor, dass der Ehemann sich verpflichtet habe, der Ehefraunach erfolgter Übertragung ihrer Anteile am gemeinsamenGrundstück 50.000 DM als freiwillige Entschädigung für ihre„Tätigkeit im Haushalt und für die Erziehung der Kinder“ zuzahlen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprü-fung nicht stand. Wie der Senat in seinem – nach Erlass derhier angefochtenen Entscheidung – ergangenen Urteil vom11.2.2004 (XII ZR 265/02, FamRZ 2004, 601 = MittBayNot2004, 270 mit Anm. Brandt, für BGHZ 158, 81 vorgesehen)dargelegt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität derScheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweckder gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarun-gen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall,wenn dadurch eine evident einseitige und durch die indivi-duelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht ge-rechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen fürden belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichti-gung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrau-ens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständigerWürdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. DieBelastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwe-rer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso ge-nauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die Vereinbarungder Ehegatten über die Abbedingung gesetzlicher Regelungenin den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.

Bei der Ausrichtung am Kernbereich der Scheidungsfolgenwird man für deren Disponibilität eine Rangabstufung vorneh-men können, die sich in erster Linie danach bemisst, welcheBedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen fürden Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben. Der Ver-sorgungsausgleich ist – als gleichberechtigte Teilhabe beiderEhegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen– einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieserehevertraglicher Disposition grundsätzlich zugänglich (§ 1408Abs. 2, § 1587 o BGB). Er ist jedoch andererseits als vorweg-genommener Altersunterhalt zu verstehen; von daher steht ereiner vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen.

309MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen des-halb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein voll-ständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht (Senatsurteil,FamRZ 2004, 601, 605). Der Unterhalt wegen Alters gehört,wie der Senat dargelegt hat, zum Kernbereich des gesetz-lichen Scheidungsfolgenrechts; das Gesetz misst ihm als Aus-druck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu – wasfreilich einen Verzicht nicht generell ausschließt, etwa wenndie Ehe erst im Alter geschlossen wird (Senatsurteil, a. a. O.).Nichts anderes gilt für den Versorgungsausgleich. Ein verein-barter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist deshalb einerInhaltskontrolle am Maßstab des § 138 (Wirksamkeitskon-trolle) sowie des § 242 BGB (Ausübungskontrolle) zu unter-ziehen; maßgebendes Kriterium ist für beide Kontrollschrittedie Frage, ob und inwieweit der Ausschluss des Versorgungs-ausgleichs mit dem Gebot ehelicher Solidarität vereinbar er-scheint.

a) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Tatrichterzunächst – im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle – zu prü-fen, ob die Vereinbarung über den Ausschluss des Versor-gungsausgleichs, allein oder im Zusammenhang mit den üb-rigen Regelungen des Ehevertrags, schon im Zeitpunkt ihresZustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigenLastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – undzwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegattenund ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen dieguten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oderteilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle diegesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erfor-derlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individu-ellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesonderealso auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, dengeplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowieauf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder.Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolg-ten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksich-tigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangennach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den be-nachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zuentsprechen. Ergibt die umfassende Würdigung dieser Ge-sichtspunkte, dass die durch den vereinbarten Ausschluss desVersorgungsausgleichs bewirkte Versorgungssituation sichbereits im Zeitpunkt der Vereinbarung als eine gravierendeVerletzung des dem Versorgungsausgleich zugrundeliegendenGedankens ehelicher Solidarität darstellt, so hat diese Verein-barung nach § 138 Abs. 1 BGB keinen Bestand. Das kannnamentlich dann der Fall sein, wenn ein Ehegatte sich ein-vernehmlich der Betreuung der gemeinsamen Kinder widmetund deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätig-keit in der Ehe verzichtet. Das in diesem Verzicht liegende Ri-siko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der Versorgungs-ausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilenwill und der jedenfalls nicht ohne Kompensation einem Ehe-gatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert.

Eine solche umfassende Gesamtwürdigung hat das Ober-landesgericht nicht vorgenommen. Eine derartige Würdigungwürde Feststellungen über Art und Umfang der von den Ehe-gatten in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte sowie überihre Vermögenssituation im Zeitpunkt des Vertragsschlusseserfordern; sie müsste auch berücksichtigen, in welchem Um-fang die Ehefrau, die nach ihrem Vortrag bereits seit ihrerEheschließung an einer ihre Erwerbsfähigkeit minderndenRückenerkrankung leidet, im Scheidungsfall ihre eigene Al-tersversorgung durch künftige versicherungspflichtige Tätig-keit voraussichtlich weiter ausbauen kann. Soweit der Ehe-

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frau im Ehevertrag für den Scheidungsfall eine Entschädi-gung zugesagt ist, wäre der Frage nachzugehen, ob diese Ent-schädigung als Gegenleistung für die von der Ehefrau für denScheidungsfall zugesagte Übertragung ihres Miteigentumsam gemeinsamen Hausgrundstück auf den Ehemann anzu-sehen oder als (teilweiser) Ausgleich für ihren Verzicht aufeine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit wäh-rend der Ehe zu verstehen ist; im zweiten Falle wäre zu unter-suchen, in welchem Umfang die Ehefrau mit dem Entschädi-gungsbetrag eigene Versorgungsanrechte erwerben könnte.Zu den genannten Gesichtspunkten fehlen die erforderlichentatrichterlichen Feststellungen. Das gilt auch für die Frage,welche subjektiven Aspekte die Ehefrau veranlasst haben,sich – mehrere Jahre nach ihrer Eheschließung und der Geburtihrer Kinder – auf den Ehevertrag und insbesondere auf dendarin vorgesehenen Ausschluss des Versorgungsausgleichseinzulassen. Die vom Oberlandesgericht in Bezug genomme-nen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils sind hierzunicht eindeutig: So soll die Ehefrau einerseits – nach dem Tat-bestand des Urteils – vorgetragen haben, der Ehemann habesie „zu dem Zweck, sie zum Notar zu schleppen“, geschlagen;andererseits soll ihrem Vortrag – nach den Urteilsgründen –nicht zu entnehmen sein, dass sie „zum Notar geschleppt oderunlauter gezwungen“ worden sei.

b) Soweit sich der Ausschluss des Versorgungsausgleichs –bei der gebotenen Gesamtwürdigung – nicht schon als sitten-widrig (§ 138 Abs. 1 BGB) darstellt, muss der Richter – imRahmen der Ausübungskontrolle – prüfen, ob und inwieweitein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechts-macht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegen-über der vom anderen Ehegatten begehrten Durchführung desVersorgungsausgleichs darauf beruft, dass dieser durch denVertrag wirksam abbedungen sei (§ 242 BGB). Dafür sindnicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlussesmaßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – imZeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus demvereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs, alleinoder im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen desEhevertrags, eine im dargelegten Sinn [vgl. II. 2. vor a)] un-zumutbare Lastenverteilung ergibt. Dabei wird ein wirksamvereinbarter – völliger oder teilweiser – Ausschluss des Ver-sorgungsausgleichs einer Ausübungskontrolle am Maßstabdes § 242 BGB vielfach dann nicht standhalten, wenn er dazuführt, dass ein Ehegatte aufgrund einer grundlegenden Verän-derung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinrei-chende Altersversorgung verfügt und dieses Ergebnis mit demGebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint(zu Fällen, in denen Ehegatten ihre eheliche und beruflicheLebenssituation – namentlich im Hinblick auf die Betreuunggemeinsamer Kinder – einvernehmlich ändern: vgl. Senatsbe-schluss vom heutigen Tag, XII ZB 57/03, DNotZ 2005, 226).

Eine solche Ausübungskontrolle hat das Oberlandesgericht –nach der neuen Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlussvom 11.2.2004, a. a. O.) zu Unrecht – für nicht veranlasst er-achtet. Folgerichtig hat es auch keine Feststellungen zu denhierfür maßgebenden Umständen – also namentlich zur frühe-ren und zur aktuellen Lebens-, Versorgungs- und Vermögens-situation der Ehegatten sowie zu den Motiven – getroffen,die die Ehegatten zum Ausschluss des Versorgungsausgleichsbestimmt haben.

3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Be-stand haben. Der Senat vermag auf der Grundlage der vomOberlandesgericht bislang getroffenen Feststellungen in derSache nicht abschließend zu entscheiden. Die Sache war da-her an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

310 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

Anmerkung:

1. Mit der Entscheidung vom 11.2.20041 hat der BGH dieVorgaben des BVerfG2 umgesetzt und durch die detaillierteErörterung der maßgeblichen Parameter dem Praktiker wert-volle Anregungen gegeben. Ein echter „Blitzschlag“3 war dieseEntscheidung nach den Verfassungsgerichtsurteilen und derjahrelangen intensiven Diskussion in der Literatur und derRechtsprechung für den Interessierten nicht mehr, sicherlichaber ein Meilenstein in der Entwicklung der Rechtsprechungund für die mit der Materie befassten Vertragsjuristen undRichter. Mittlerweile ist eine Vielzahl von instanzgericht-lichen Entscheidungen ergangen, Leitlinien zeichnen sich abund die Rechtssicherheit scheint sich zu erhöhen. Allerdingswissen wir nicht zuletzt aus Äußerungen der Vorsitzenden des XII. Zivilsenates Hahne4, dass das vorgenannte Grundla-genurteil des BGH der Anfang und nicht das Ende der Ent-wicklung der Rechtsprechung im Bereich der Inhaltskontrollevon Eheverträgen im weiteren Sinn sein würde. Nun liegt dieerste höchstrichterliche Entscheidung speziell zur Zulässig-keit von Regelungen im Bereich des Versorgungsausgleichsvor. Im Vergleich zur vorgenannten vom Februar 2004, derenEcho in den Medien so groß war, dass sogar ihr Jahrestag inder Süddeutschen Zeitung gefeiert wurde, ist der zu bespre-chenden Entscheidung bislang erheblich weniger Aufmerk-samkeit gewidmet worden.

2. Gegenstand der Entscheidung des OLG München, Zivil-senate in Augsburg, über die der BGH zu befinden hatte, wardie Durchführung des Versorgungsausgleichs, den die Par-teien mit Ehevertrag von 1986 ausgeschlossen hatten. Dane-ben war Gütertrennung vereinbart und die nachehelichenUnterhaltsansprüche der Ehefrau waren weitgehend einge-schränkt worden. Die Ehefrau hatte sich außerdem für denScheidungsfall zur Übertragung eines Miteigentumsanteilsam Familienwohnheim verpflichtet. Gegenleistungen warenvereinbart, allerdings ohne eindeutige Zuordnung zu denRegelungsbereichen Güterrecht, Versorgungsausgleich undUnterhaltsrecht.

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und noch erheblicheZeit darüber hinaus wären derartige Vereinbarungen ohneZweifel auch und v. a. nach der Rechtsprechung des BGH, aufdie sich das OLG bei der Abweisung der Berufung insbeson-dere bezieht, wirksam gewesen. Das OLG weist ausdrücklichdarauf hin, dass der Verzicht der Ehefrau gerade nicht ohneKompensationen erfolgt sei. Der BGH hat den Abweisungs-beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zur erneutenBehandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.Die Zulässigkeit der konkreten Vereinbarungen ist also nochnicht geklärt. Wenn auch über den Ausgang des Verfahrensdamit noch nicht endgültig entschieden ist, so wird doch deut-lich, dass der BGH eine umfassende Inhaltskontrolle bei je-dem Abweichen vom gesetzlichen Normalfall – wenn man sowill vom BGB-Leitbild der Ehe – für kontrollbedürftig hält.Vertragsfreiheit gibt es im neuen Zeitalter nur für Vereinba-rungen, die dem gewählten und einvernehmlich realisiertenEhetyp entsprechen. Die Entscheidung hierüber ist Ergebnis

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1 XII ZR 265/02, FamRZ 2004, 601 = MittBayNot 2004, 270 m. Anm. Brandt.2 NJW 2001, 957 = MittBayNot 2001, 207; BVerfG, NJW 2001,2248 = MittBayNot 2001, 485.3 Bergschneider, FamRZ 2004, 1757.4 DNotZ 2004, 84 ff.; diess. in Schwab/Hahne, Familienrecht imBrennpunkt – Fachkongress zum 50-jährigen Bestehen der FamRZ,2004, S. 201.

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der Inhaltskontrolle, nicht ein Abweichen hiervon Vorausset-zung für die Inhaltskontrolle.

3. Hat der BGH nun die in der Grundsatzentscheidung vom11.2.2004 definierten neuen Leitlinien lediglich fortgeführtoder geben seine Ausführungen Anlass zu erneutem Über-denken unserer Beratungs- und Beurkundungspraxis?

Der BGH referiert zunächst eingehend, oft im wörtlichenZitat, die in der Entscheidung vom 14.2.2004 definierte Kern-bereichslehre, das Prinzip der grundsätzlichen Disponibilitätim Rahmen der Vertragsfreiheit und die Rangabstufung nachder Bedeutung der abbedungenen Scheidungsfolgen für denBerechtigten. Dem Versorgungsausgleich kommt hier nebendem Alters- und Krankheitsunterhalt eine zentrale Stellungzu. Der Versorgungsausgleich steht einerseits dem Zugewinn-ausgleich nahe und ist daher im Rahmen der Vertragsfreiheitdisponibel, d. h einschränkbar oder verzichtbar. Der BHG de-finiert ihn nunmehr gegenüber der Entscheidung vom Vorjahrleicht abgewandelt als „gleichberechtigte Teilhabe beider Ehe-gatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen“5.

Die Typisierung als vorweggenommener Altersunterhalt, diedie strenge Inhaltskontrolle rechtfertigt, erfolgt ebenfalls an-hand neuer Begriffe. Dem Altersunterhalt, der zum innerenKernbereich des Scheidungsfolgenrechts zu rechnen sei,messe das Gesetz „als Ausdruck ehelicher Solidarität beson-dere Bedeutung zu“6, er stehe einer vertraglichen Abbedin-gung nicht schrankenlos offen. In der Entscheidung vom Fe-bruar 2004 ist in dem Zusammenhang noch von „Einstands-pflichten als Ausdruck nachehelicher Solidarität“ die Rede,die „vertraglicher Disposition nur begrenzt offen“ stünden.Als das Abweichen vom gesetzlichen Normalfall rechtferti-genden Grund führt der BGH in beiden Fällen nur die Ehe-schließung im Alter an.

Diese neue Begrifflichkeit könnte zumindest eine Verschie-bung der Akzente in dem Sinn bedeuten, dass der wesentlicheBeurteilungsmaßstab die Solidarität ist, die sich die Eheleutewährend der Ehe schulden und es daher bei weitem nicht nurum nachwirkende Reflexe hieraus im Abwicklungsstadiumgeht. Nimmt man den BGH beim Wort, so sind Modifikatio-nen des Alters- und dann wohl auch des auf gleicher Stufestehenden Krankheitsunterhalts jedenfalls bei nicht deutlichgehobenen Vermögensverhältnissen7 genauso streng zu beur-teilen, wie schon seit langer Zeit jegliche Einschränkungendes Betreuungsunterhalts. Diesen hält die Beratungspraxis imNormalfall jedenfalls ohne gleichwertige Kompensation fürzwingend und nicht verzichtbar. Da der Versorgungsausgleichauf gleicher Stufe eingeordnet wird8, muss für ihn wohl trotzder immer wieder betonten Verwandtschaft zum Zugewinn-ausgleich letztlich dasselbe gelten.

Das kann in der Praxis schwierige Bewertungsprobleme hin-sichtlich der Angemessenheit von Abfindungszahlungen oderLebensversicherungen aufwerfen. Probleme sehe ich auch beiBrüchen in der Erwerbsbiographie, wenn sich Zeiten abhän-giger und sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit mit Zei-ten echter oder scheinbarer Selbständigkeit (Ich-AG mit imWesentlichen einem Geschäftspartner) abwechseln. Gerade indiesem Bereich gingen und gehen gegenseitige Verzichte

311MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

nicht notwendig immer zulasten desjenigen, der z. B. seineErwerbstätigkeit familienbedingt vorübergehend aufgegebenoder eingeschränkt hat (Beamtin oder BAT-Angestellte mitgesicherten Versorgungsanwartschaften und Freiberufler/Ge-werbetreibender).

Wenn aus dem Wesen des Versorgungsausgleichs und seinerVerankerung in der ehelichen Solidarität folgt, dass er nurausnahmsweise ausgeschlossen oder eingeschränkt werdendarf, entstehen daraus wegen der vom BGH immer wieder ge-forderten umfassenden Gesamtbetrachtung9 auch Problemefür den scheinbar „kontrollfesten“ Bereich des Güterrechts.Wenn die Altersversorgung des einen Partners über die demVersorgungsausgleich unterliegenden Rentenversicherungenoder öffentliche Pensionsansprüche erfolgt und die des ande-ren in der dem Zugewinnausgleich unterliegende Vermögens-bildung erfolgt, können „Verletzungen des Gedankens eheli-cher Solidarität“ nicht für beide Bereiche voneinander unab-hängig beurteilt werden. Die Gefahr der „Infizierung“ auchdes Güterrechts droht.10 Und dann ist es nur noch ein kleinerSchritt zur Forderung nach der gleichberechtigten Vermögens-gemeinschaft, die von der ehelichen Solidarität in einer gleich-berechtigen Partnerschaft unabweisbar gefordert wird.11

In der Entscheidung vom 11.2.2004 hatte der BGH zwar aus-geführt, dass sich der Zugewinnausgleich der ehevertrag-lichen Disposition als am weitesten zugänglich erweist, weileheliche Lebensgemeinschaft nicht notwendig auch ehelicheVermögensgemeinschaft bedeuten muss; das Gebot ehelicherSolidarität fordere gerade keine wechselseitige Vermögensbe-teiligung der Ehegatten, weil der Verantwortung bei konkre-ten und aktuellen Unterhaltsbedürfnissen in erster Linie dasUnterhaltsrecht Rechnung trage.12 Der Bundesgerichtshof hataber die Tür einen Spalt offen gelassen und zugestanden, dassgrob unbillige Versorgungsdefizite hilfsweise durch Korrekturder von den Ehegatten gewählten Vermögensordnung kom-pensiert werden müssten.

4. Bei der Inhaltskontrolle differenziert der BGH wiederumnach der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGBund der Ausübungskontrolle des § 242 BGB: „maßgebendesKriterium ist für beide Kontrollschritte die Frage, ob und in-wieweit13 der Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit demGebot ehelicher Solidarität vereinbar erscheint“.14

a) Der BGH betont, dass durchaus auch in Fällen, in denensich eine Sittenwidrigkeit aus allgemeinen Gründen nicht auf-drängt, eine eingehende Wirksamkeitskontrolle (§ 138 BGB)geboten ist: Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, dieauf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt,insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensver-hältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnittder Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten unddie Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit derAbrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründezu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinemVerlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasstund den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem

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5 BGH, NJW 2005, 137, 138 = MittBayNot 2005, 308, 309 (in die-sem Heft); in MittBayNot 2004, 270, 275 war noch die Rede von der„Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen“.6 BGH, MittBayNot 2005, 308, 309.7 BGH, MittBayNot 2004, 270, 275.8 BGH, MittBayNot 2005, 308, 309.

9 BGH, NJW 2005, 137, 139 = MittBayNot 2005, 308, 309.10 Münch, ZNotP 2004, 126.11 So schon jetzt Maier, NJW 2002, 3359, 3364.12 BGH, MittBayNot 2004, 270, 275.13 Was „inwieweit“ bei der Frage nach der Nichtigkeit einzelnerVereinbarungen im Rahmen des § 138 BGB bedeuten soll, bleibtweiterhin ungeklärt.14 BGH, NJW 2005, 137, 138 = MittBayNot 2005, 308, 310.

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Verlangen zu entsprechen.15 Eine gravierende Verletzung desGedankens der ehelichen Solidarität, die zur Nichtigkeit führt,sieht der BGH namentlich in einem kompensationslosen Ver-zicht eines Ehegatten, der familienbedingt auf eigene versor-gungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet.

Auch noch nach der Entscheidung vom 11.2.2004 hatte manweithin angenommen, die Wirksamkeitskontrolle (§ 138 BGB)käme nur für extreme Fälle in Betracht: Drohung, Zwang oderVereinbarungen zu Lasten der Allgemeinheit oder der Kinder.„§ 138 BGB ist [...] ein wenig taugliches Instrument. [...] DerSenat favorisiert eine flexiblere Lösung nach § 242 BGB“, sodie Vorsitzende des XII. Zivilsenats wörtlich noch im April2004.16 Der BGH bewertet nun aber hinsichtlich der objek-tiven wie der subjektiven Gesichtspunkte weit strenger. Einegravierende Verletzung des Gedankens ehelicher Solidaritätsieht er weit vor den in der Tatsacheninstanz behauptetenSchlägen des Ehemannes „zu dem Zweck, sie zum Notar zuschleppen“.17 D. h., will der Notar im Fall der Unwirksamkeitnach § 138 BGB den Regress des durch die vereinbartenModifikationen begünstigten Ehegatten vermeiden, so musser noch genauer als bisher die Umstände und Motive der Ehe-gatten erforschen. Trotz aller grundsätzlichen Bedenken18

wird man dazu raten müssen, die vermögensrechtlichen unddie persönlichen Verhältnisse der Beteiligten, ihre Pläne undWünsche für die Zukunft und die Beweggründe für die ge-wünschten Regelungen möglichst genau und ausführlich indie Urkunde aufzunehmen.19 Ob die Beteiligten diese „Inti-mitäten“ dem Notar und ob jeder Beteiligte dies im Einzelnenseinem gegenwärtigen oder künftigen Ehepartner aufdeckenwill, wage ich zu bezweifeln. Wenn wir diese Angaben alsVoraussetzung für eine Beurkundung fordern, wird wohltatsächlich der eine oder die andere vom Vertragsschluss undder Eheschließung absehen.

b) Auch der zunächst wirksam vereinbarte Ausschluss desVersorgungsausgleichs muss der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB standhalten, d. h., im Zeitpunkt des Scheiterns derLebensgemeinschaft darf sich allein daraus oder im Zusam-menhang mit den übrigen Regelungen des Ehevertrages keineunzumutbare Lastenverteilung ergeben. Insbesondere wennein Ehegatte aufgrund einer grundlegenden Veränderung dergemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Al-tersversorgung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebotehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint, istdem Begünstigten die Berufung auf den zunächst wirksamvereinbarten ganzen oder teilweisen Ausschluss versagt.20 Beijungen Beteiligten, die ihr wesentliches Versorgungsvermö-gen erst noch erwerben müssen, sind Einschränkungen dergesetzlichen Regelungen zum Versorgungsausgleich nur mög-lich, wenn entweder deutlich gehobene Einkommens- undVermögensverhältnisse vorhanden sind und im Krisenfallnoch vorhanden sein werden oder mit Sicherheit aus einereventuellen Familiengründung oder sonstiger familienbeding-ter asymmetrischer Arbeitsteilung keine Nachteile für denErwerb von Versorgungsanrechten resultieren können.

5. Der BGH verlangt bei der Inhaltskontrolle auf jeder Stufeder Prüfung eine umfassende Gesamtwürdigung dahingehend,

312 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

ob die angegriffene Regelung allein oder im Zusammenhangmit den übrigen Regelungen des Ehevertrages im weiterenSinn offenkundig zu einer einseitigen Lastenverteilung führtund daher ganz oder teilweise unwirksam ist oder gewordenist. Im Zusammenhang stehen aber oftmals nicht nur dieRegelungen unmittelbarer Scheidungsfolgen – Zugewinnaus-gleich, Versorgungsausgleich und Unterhalt –, sondern wie imentschiedenen Fall auch Vermögensübertragungen außerhalbdes Zugewinnausgleichs und damit zusammenhängend oderauch nicht Übernahme bzw. Freistellung von Verbindlichkei-ten oder Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen oder -leistun-gen sonstiger Art. Der BGH vermisst ausdrückliche Feststel-lungen, was die vereinbarte Zahlung im entschiedenen Fallkompensieren sollte. Oftmals ist dies aber sehr schwer fest-stellbar oder eine Zuordnung von den Parteien gar nicht ein-deutig gewollt, weil der Gesamtvertrag als Kompromiss einNachgeben in dem einen mit einem Gewinn in einem anderenPunkt verbindet. Nichtsdestotrotz sollte der Vertragsgestalterdarauf drängen, dass sich die Parteien darüber klar werden,welche der Einzelregelungen miteinander stehen und fallenund welche ggf. auch einzeln aufrechterhalten bleiben kön-nen.

Vor der gedankenlosen Verwendung sog. Salvatorischer Klau-seln, die bei Unwirksamkeit einer oder mehrerer Vertrags-klauseln den Vertrag im Übrigen aufrechterhalten und dieParteien zu einer Vertragsanpassung durch eine neue, geradenoch zulässige verpflichten, sei in diesem Zusammenhang ge-warnt.21 Die salvatorische Klausel kann und darf nicht an dieStelle des Willens der Vertragsparteien treten und den Vertraggegen den Willen der Parteien retten. Bedeutsam ist sie ledig-lich für die von § 139 BGB abweichende Zuweisung der Dar-legungs- und Beweislast, die dann denjenigen trifft, der ent-gegen der salvatorischen Klausel den Gesamtvertrag wegender Nichtigkeit in Teilbereichen für unwirksam hält.22 Auchdie salvatorische Klausel selbst unterliegt jedoch der Inhalts-kontrolle,23 sie kann sie nicht vermeiden.

6. Grundlegend Neues, in der Entscheidung vom 11.2.2004nicht wenigstens schon Angedeutetes, hat die Entscheidungnicht gebracht, es geht weiter auf der eingeschlagenen Linie.Gleichwohl sind einige interessante Einzelaspekte zu bemer-ken. In der Tendenz zeichnen sich weitere Einschränkungender Vertragsfreiheit unter Berufung auf die eheliche Solida-rität, jedenfalls für Eheverträge „mit Familienbezug“ ab. Beijungen Paaren, die eine Familiengründung nicht ausschließenkönnen oder wollen, werden Einschränkungen der gesetz-lichen Regelungen zum Versorgungsausgleich einer späterengerichtlichen Überprüfung nur standhalten, wenn entwederdeutlich gehobene Einkommens- und Vermögensverhältnissevorhanden sind und im Krisenfall noch vorhanden sein wer-den oder mit Sicherheit aus der Familiengründung und der ge-planten und realisierten Arbeitsteilung keine Nachteile fürden Erwerb von Versorgungsanrechten resultieren werden.

Entgegen früheren Hoffnungen beschränkt sich der Umfangder gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Eheverträgenicht im Wesentlichen auf die Ausübungskontrolle nach § 242BGB. Der BGH verlangt ausdrücklich auch eine intensivePrüfung und Bewertung der objektiven und subjektiven Um-stände beim Vertragsschluss. Diese Prüfung kann nur erfol-gen, wenn sich diese Umstände im Streitfall nachvollziehenund nachweisen lassen. Daher empfiehlt sich trotz aller Be-denken und praktischen Schwierigkeiten für den Vertragsge-

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15 MittBayNot 2005, 308, 310.16 Hahne in Schwab/Hahne, a.a.O., S. 181, 200; diess., DNotZ 2004,84, 94; Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1519; Langenfeld, DNotZ 2001,272, 277; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 327.17 BGH, NJW 2005, 137, 139 = MittBayNot 2005, 308, 310.18 Brandt, MittBayNot 2004, 281.19 So schon sehr weitgehend Wachter, ZNotP 2003, 408 m. w. N.20 BGH, MittBayNot 2005, 308, 310.

21 Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 2004, Rdnr. 340.22 BGH, DNotI-Report 2003, 37; Münch, a. a. O., Rdnr. 340.23 Schubert, FamRZ 2001, 733, 737; Münch, a. a. O., Rdnr. 340.

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stalter eine möglichst genaue Dokumentation der Umstände,aber auch der beidseitigen oder einseitigen Motive für die ge-wählte Vertragskonstellation.

Im Rahmen der vom BGH geforderten Gesamtwürdigungkann es bei der Wirksamkeitskontrolle wie bei der Ausübungs-kontrolle entscheidend auf den inneren Zusammenhang derRegelungen ankommen. Der Vertrag sollte daher soweit mög-lich definieren, was Gegenleistung wofür ist und was mitein-ander stehen und fallen bzw. unabhängig wirksam bleibensoll. Salvatorische Klauseln dürfen weniger denn je formel-haft verwendet werden.

Ehen und Eheverträge sind ein Problem – immer noch!24 DasHemd für die Ehegatten in der vom BGH geforderten Weisemaßzuschneidern wird für Notare, Rechtsanwälte und Richternicht einfacher. Da bleibt nur, sich Rakete-Dombeks25 halbhoffnungsvollem halb verzweifelten Seufzer anzuschließen:„Wenn das man gut geht.“

Notarin Eva Maria Brandt, Friedberg

24 Hahne in Schwab/Hahne, a. a. O., S. 182.25 NJW 2004, 1273, 1277.

8. BGB § 1578 (Verbot der Doppelverwertung von Schul-den bei Unterhalt und Zugewinn)

Die Tilgung eines eheprägenden Darlehens kann beimnachehelichen Unterhalt wegen des Verbots der Doppel-verwertung nicht berücksichtigt werden, wenn die Dar-lehensschuld bereits als Passivposten den Zugewinnaus-gleich gekürzt hat. (Leitsatz der Schriftleitung)

OLG München, Beschluss vom 22.6.2004, 16 UF 887/04

Aus den Gründen:

(…) Im Hinblick auf die ländliche Region wurde der ehe-prägende Wohnwert vom Familiengericht zu Recht mit 800 €angesetzt. Zusätzliche Einkünfte aus Vermietung einer Ga-rage bestehen nicht. Entgegen den Ausführungen des Fami-liengerichts ist der Wohnwert bzgl. der Hausschulden nur umdie Zinsen und nicht auch um die Tilgung zu kürzen. Dabeisind auch die Zahlungen auf dem Bausparvertrag der Allianzeheprägend, nachdem dieser Vertrag bereits in der Ehe abge-schlossen wurde und damit die Prämienzahlungen und nachder Zuteilung des Vertrages die Abzahlungen zu leisten sind.Bei einem Kredit von 2.458 € und einem Zinssatz von 5,25 %belaufen sich die monatlichen Zinsbelastungen auf 11 €, dieZinsen auf die beiden Verträge bei der Sparkasse nach denvorgelegten Belegen derzeit auf 200 € und 36 €. Es verbleibtdamit noch ein prägender Restwohnwert von 553 €. Die Til-gung der Hausschulden der im Alleineigentum des Antrag-stellers stehenden Immobilie ist zwar eheprägend und wäregrundsätzlich trotz Vermögensbildung auch noch nach derScheidung berücksichtigungsfähig, weil die eheprägende Ver-mögensbildung nach einem objektiven Maßstab bei den Ein-kommensverhältnissen des Antragstellers und der Höhe desWohnwertes angemessen ist (BGH, FamRZ 2000, 950; 1995,869; vgl. eingehend Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht inder familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 344 ff.).Die Antragsgegnerin hat aber zu Recht darauf hingewiesen,dass die Tilgung vorliegend als Abzugsposten ab Scheidungnicht mehr angesetzt werden kann, weil es ansonsten zu einerunzulässigen Doppelverwertung käme (BGH, FamRZ 2003,

313MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

432; Kogel in Anm. zu BGH, FamRZ 2003, 1645). Denn dieTilgung der Hausschulden wurde bereits in vollem Umfangbeim Zugewinn des Antragstellers als Schuld berücksichtigt,d. h. der Zugewinn der Antragsgegnerin hat sich dadurch be-reits um die Hälfte der Schuld des Antragstellers reduziert.Würde man beim Unterhalt die Tilgung der gleichen Schuldebenfalls berücksichtigen, müsste die Antragsgegnerin übereine entsprechende Kürzung des Unterhalts ebenfalls dieHälfte der Tilgung bezahlen. Im Ergebnis müsste sie dadurchdie gesamte Schuld des Antragstellers tilgen, zur Hälfte überdie entsprechende Reduzierung des Zugewinns, zur anderenHälfte über die entsprechende Reduzierung des Unterhalts.Dies stellt aber eine unzulässige Doppelverwertung dar, d. h.nachdem die Tilgung der Schuld bereits beim Zugewinnberücksichtigt wurde, kann sie trotz Prägung der ehelichenLebensverhältnisse im Unterhalt nicht mehr angesetzt werden(BGH, FamRZ 2003, 432). Um Missverständnissen vorzu-beugen, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass dies alleinedie Tilgung der Darlehen betrifft, nicht die zu zahlenden Zin-sen, da letztere den Zugewinn nicht beeinflussen.

Hinweis der Schriftleitung:

Siehe hierzu auch den Aufsatz von Grziwotz, MittBayNot2005, 284 (in diesem Heft).

9. BGB §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1908 i Abs. 1 Satz 1 (Vormund-schaftsgerichtliche Genehmigung der Grundschuldbestellungbei bereits genehmigtem Grundstückskaufvertrag mit Belas-tungsvollmacht)

Die Belastung eines Grundstückes eines Betreuten miteiner Grundschuld zur Kaufpreisfinanzierung durch denKäufer bedarf auch dann der vormundschaftsgerichtlichenGenehmigung, wenn die im Kaufvertrag enthaltene Belas-tungsvollmacht bereits genehmigt worden ist.

Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.12.2004,3 W 130/04; mitgeteilt vom 3. Zivilsenat des OLG

Aus den Gründen:

I.

Mit notariellem Vertrag hat die Beteiligte zu 1) – zugleichhandelnd als gerichtlich bestellte Betreuerin für den Beteilig-ten zu 2) – den im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzan die Beteiligten zu 3) und 4) verkauft. In § 9 Ziff. 1 des no-tariellen Vertrages haben die Verkäufer den Käufern, mehrereKäufer sich gegenseitig, befreit von des Beschränkungen des§ 181 BGB, die Vollmacht erteilt, das Kaufobjekt vor der Um-schreibung mit einer Buchgrundschuld in Höhe von 80.000 €nebst 18 % des Grundschuldbetrages Zinsen p. a. und 5 %einmaliger Nebenleistung zugunsten der W-Bank zu belasten,die dafür erforderlichen Erklärungen abzugeben und die Ver-käufer dinglich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unter-werfen. Anschließend haben die Beteiligten zu 3) und 4) alsBevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 2) eine Grund-schuld entsprechend den in der Vollmacht genannten Angabenbestellt. Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – geneh-migte die Erklärungen der Beteiligten zu 1) als Betreuerin desBeteiligten zu 2) in der notariellen Kaufvertragsurkunde.

Auf den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteilig-ten auf Eintragung der Grundschuld hat der Rechtspflegerbeim Grundbuchamt mit Zwischenverfügung um Vorlage der

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vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Grundschuld-bestellung gebeten. Die dagegen mit der Begründung einge-legte Beschwerde, die vormundschaftsgerichtliche Genehmi-gung der Grundschuldbestellung sei aufgrund der erfolgtenGenehmigung der in dem notariellen Kaufvertrag enthaltenenBelastungsvollmacht entbehrlich, hat das Landgericht zurück-gewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde derBeteiligten.

II.

(…) In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. DerBeschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzungdes Rechts (§ 78 Satz 1 GBO, § 546 ZPO).

Es unterliegt keinen Bedenken, dass die Kammer in Überein-stimmung mit dem Grundbuchamt die vormundschaftsge-richtliche Genehmigung der in der notariellen Urkunde überdie Bestellung einer Grundschuld abgegebenen Erklärungenfür erforderlich gehalten und die, gegen die entsprechendeZwischenverfügung des Grundbuchamtes gerichtete Erstbe-schwerde zurückgewiesen hat.

Gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedarfein Betreuer der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtszur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht aneinem Grundstück. In der Belastung des Grundstückes miteiner Grundschuld liegt eine nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGBgenehmigungsbedürftige Verfügung der von der Betreuerinbevollmächtigten Käufer. Diese handeln in Ausübung derihnen übertragenen Rechtsmacht der Betreuerin, die durchden Vorbehalt der Genehmigung eingeschränkt ist (Staudin-ger/Engler, BGB, 2004, §1821 Rdnr. 57 m. w. N.).

Es kann als nicht entscheidungserheblich offen bleiben, ob inder von der Betreuerin bereits in dem notariellen Kaufvertragerteilten Belastungsvollmacht gleichfalls eine solche Ver-fügung zu sehen ist. Dies dürfte zumindest im Fall einer – hiervorliegenden – widerruflichen Vollmacht zu verneinen sein,da erst die unter Verwendung der Vollmacht vorgenommeneBelastung des Grundstückes die Rechtshandlung darstellt, dieletztlich entscheidend auf das Vermögen des Betreuten ein-wirkt. Dies hat das Landgericht zutreffend ausgeführt.

Rechtsfehlerfrei hat die Kammer auch unter Berufung aufBGHZ 17, 160; 38, 26, 28; 52, 316, 319 und KG, OLGZ1993, 266 dargelegt, dass der Kreis der genehmigungsbedürf-tigen Rechtsgeschäfte im Interesse der Rechtssicherheit aneiner klaren Abgrenzung rein formal und damit eindeutig zubestimmen ist, so dass kein Raum ist für eine wertende, an derwirtschaftlichen oder sonstigen Bedeutung des in Frage ste-henden Geschäfts orientierten Betrachtungsweise. Es verbie-tet sich daher, eine nach dem klaren Wortlaut des § 1821 Abs. 1Nr. 1 BGB genehmigungsbedürftige Verfügung allein deshalbfür genehmigungsfrei zu halten, weil die Interessen des Be-treuten bereits durch die vormundschaftsgerichtliche Geneh-migung eines anderen Rechtsgeschäftes gewahrt würden unddaher für die Genehmigung der formal unter § 1821 Abs. 1Nr. 1 BGB fallenden Verfügung kein Bedürfnis mehr bestehe(KG, a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen entfällt die Genehmigungsbedürf-tigkeit der Grundschuldbestellung nicht deshalb, weil dieBetreuerin in dem notariellen Kaufvertrag die Käufer (wider-ruflich) bevollmächtigt hat, das Grundstück vor der Um-schreibung mit einer (konkret bezeichneten) Grundschuld zubelasten und das Vormundschaftsgericht die Erklärungen derBetreuerin in dem notariellen Kaufvertrag genehmigt hat(ebenso Gutachten DNotl-Report 2003, 129 ff.; Müller,DNotl-Report 1997, 171; Schreiber, NotBZ 2002, 128, 132;Staudinger/Engler, a. a. O.; MünchKommBGB/Wagenitz,

314 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

BGB, 4. Aufl., § 1821 Rdnr. 12; BGB-RGRK/Dickescheidt,vor §§ 1821, 1822 Rdnr. 7; Klüsener, Rpfleger 1981, 461, 462 ff.;Maurer, Rpfleger 1982, 26).

Der zum Teil vertretenen Auffassung, die die vormundschafts-gerichtliche Genehmigung der Belastungsvollmacht ausrei-chen lässt, wenn diese die wesentlichen Vertragsbedingungenfür die Bestellung des Grundpfandrechtes enthält (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Aufl., Rdnr. 3688; LG Schwerin,MittBayNot 1997, 297), steht bereits der Wortlaut des § 1821Abs. 1 Nr. 1 BGB entgegen. Zudem begegnet diese Meinungauch aus Gründen der Rechtssicherheit Bedenken, da inner-halb dieser Ansicht die Frage, wann von einer hinreichendenKonkretisierung des zu bestellenden Grundpfandrechtes aus-zugehen ist, schon nicht einheitlich beantwortet wird.

10. BGB §§ 2084, 2317; BSHG § 90 Abs. 1 (Geltend-machung des Pflichtteilsanspruchs durch den Sozialhilfeträ-ger beim gemeinsamen Behindertentestament)

1. Der Pflichtteilsanspruch kann, wenn er auf denSozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesemauch geltend gemacht werden, ohne dass es insoweitauf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigtenselbst ankäme.

2. Zur Auslegung einer an die Ausübung des Pflichtteils-rechts anknüpfenden Verwirkungsklausel in einemgemeinschaftlichen Ehegattentestament, wenn einSozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch des behin-derten Kindes nach dem erstversterbenden Ehegat-ten auf sich überleitet und geltend macht.

BGH, Urteil vom 8.12.2004 – IV ZR 223/03; mitgeteilt vonWolfgang Wellner, Richter am BGH

Der klagende Sozialhilfeträger nimmt die Beklagten als Erben ihresVaters auf den Pflichtteil (einschließlich eventueller Ausgleichungund Ergänzung) ihrer behinderten Schwester am Nachlass des Vatersin Anspruch. Die Mutter der Beklagten und der Behinderten ist eben-falls verstorben. Der Kläger hat die Pflichtteilsansprüche nach beidenEltern gemäß § 90 BSHG auf sich übergeleitet.

Die Eltern hatten ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errich-tet, in dem sie sich gegenseitig als alleinige Erben einsetzten. AlsErben des Letztversterbenden wurden die acht Kinder bestimmt;Nacherben der Kinder sollten deren Abkömmlinge, beim Fehlen vonAbkömmlingen die übrigen Geschwister oder ersatzweise deren Kin-der sein. Für den Fall, dass eines der Kinder beim Tod des erstver-sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangen sollte, wurde diesesKind (einschließlich seiner Abkömmlinge) beim Tod des letztverster-benden Elternteils ebenfalls auf den Pflichtteil gesetzt. Bezüglich desErbteils der behinderten Tochter wurde auf deren Lebenszeit Testa-mentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker solltenach seinem Ermessen Sachleistungen und Vergünstigungen erbrin-gen, die geeignet sind, dem behinderten Kind Erleichterung und Hil-fen zu verschaffen. Diese Verpflichtung sollte aber entfallen, wenndie Leistungen auf die Sozialhilfe angerechnet würden. Das Vor-mundschaftsgericht bestellte der Behinderten eine Ergänzungsbe-treuerin für den Aufgabenkreis Durchsetzung bestehender Erban-sprüche, insbesondere Pflichtteilsansprüche, aus den Nachlässen derEltern. Die Betreuerin lehnte eine Geltendmachung von Pflichtteils-ansprüchen ab, weil sie in vollem Umfang vom Kläger vereinnahmtwerden würden, die Behinderte davon also selbst keinen Nutzenhätte.

Gründe:

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg; die Revisiondes Klägers führt zum vollen Erfolg seiner Anträge.

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I.

Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, durch die Über-leitung gemäß § 90 BSHG seien die Pflichtteilsansprüche derbehinderten Tochter, die durch das elterliche Testament nachdem Tod des Vaters enterbt worden sei, auf den Kläger über-gegangen und könnten von diesem auch geltend gemachtwerden. Dass ein Pflichtteilsanspruch nach § 852 Abs. 1 ZPOder Pfändung nur unterworfen ist, wenn er durch Vertrag an-erkannt oder rechtshängig geworden ist, und dass ohne dieseVoraussetzungen nach §§ 400, 412 BGB auch kein gesetz-licher Forderungsübergang möglich ist, stehe wegen der ge-setzlichen Regelung in § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG einem Über-gang des Pflichtteilsanspruchs auf den Kläger hier nicht ent-gegen. Vielmehr gehe der Pflichtteilsanspruch auf den Sozial-hilfeträger ohne jede Einschränkung über; insbesonderebleibe dem Pflichtteilsberechtigten nicht persönlich vorbe-halten, ob er den Pflichtteilsanspruch geltend machen wolleoder nicht. Die Entschließung der Ergänzungspflegerin vom13.11.2001, den Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu ma-chen, habe das durch den Bescheid vom 29.6.2001 auf denKläger übergeleitete Pflichtteilsrecht nicht mehr beeinträch-tigen können.

Die Verwirkungsklausel im Testament könne entgegen derAuffassung des Landgerichts nicht dazu führen, § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend anzuwenden. Wenn dasAusschlagungsrecht des Erben, der im Fall des § 2306 Abs. 1Satz 2 BGB trotz Ausschlagung den Anspruch auf den Pflicht-teil behält, nicht nach § 90 BSHG auf den Sozialhilfeträgerübergeleitet werden könne, lasse sich daraus nichts gegeneine Überleitung des wie hier auf Enterbung beruhendenPflichtteilsanspruchs herleiten, auch wenn die Geltendma-chung dieses Pflichtteilsanspruchs aufgrund einer testamenta-rischen Verwirkungsklausel die Enterbung des Pflichtteils-berechtigten in einem anderen Erbfall zur Folge habe. DieÜbereinstimmung in den Rechtsfolgen ändere nichts an denUnterschieden in den Voraussetzungen beider Regelungen.Im vorliegenden Fall komme es auf diese Rechtsfragen aberschon deshalb nicht an, weil eine Auslegung des Testamentsergebe, dass die Eltern bei seiner Errichtung der behindertenTochter nicht das Erbrecht nach dem letztversterbenden El-ternteil hätten versagen wollen, wenn nicht die Tochter selbst,sondern der Sozialhilfeträger beim ersten Erbfall Pflichtteils-ansprüche geltend mache. Zwar hätten die Eltern den über-lebenden Teil sichern und ihre acht Kinder gleich behandelnwollen. Durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach demerstverstorbenen Elternteil würden die anderen Beteiligtenhier aber nicht wesentlich benachteiligt. Vor allem hätten dieEltern mit ihren testamentarischen Regelungen erreichen wol-len, dass der behinderten Tochter über die Sozialhilfe hinausVorteile zufließen; sie hätten ihr das durch Testamentsvoll-streckung gegenüber dem Sozialhilfeträger abgeschirmte Erb-recht nach dem letztversterbenden Elternteil auch dann nichtvorenthalten wollen, wenn der Sozialhilfeträger den Pflicht-teil nach dem erstversterbenden Elternteil in Anspruch neh-men würde.

Damit sei die behinderte Tochter Miterbin nach ihrer zuletztverstorbenen Mutter und also auch Erbeserbin nach ihremVater geworden. Deshalb stehe ihr und folglich auch dem Klä-ger aus übergeleitetem Recht kein Anspruch aus § 2314 BGBzu. Dieser Anspruch setze nämlich die Nichterbenstellung desPflichtteilsberechtigten voraus. Einen Anspruch auf Werter-mittlung auf eigene Kosten auf der Grundlage von § 242 BGBwolle der Kläger nicht geltend machen. Auskunft über denBestand des Nachlasses sei bereits durch den Beklagten imvorliegenden Verfahren erteilt worden. Damit stehe dem Klä-

315MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

ger lediglich noch Auskunft über ausgleichspflichtige Zuwen-dungen und Schenkungen sowie über den Güterstand derEltern der Behinderten zu. Nur insoweit sei der Klage auf dieBerufung stattzugeben. Im Hinblick auf die Stufenklagewerde der Rechtsstreit im Übrigen in entsprechender Anwen-dung von § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurück-verwiesen.

II.

1. Demgegenüber machen die Beklagten mit ihrer Revisiongeltend, die Überleitung des Pflichtteilsanspruchs der Behin-derten berechtige den Kläger für sich genommen noch nichtdazu, diesen Anspruch auch geltend zu machen. Nach derRechtsprechung des BGH sei zwischen dem Bestand desPflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs einerseitsund dem Recht zur Geltendmachung dieser Ansprüche ande-rerseits zu unterscheiden. Nur unter besonderen Umständenkomme etwa im Unterhaltsrecht eine Obliegenheit des Pflicht-teilsberechtigten in Betracht, den Pflichtteilsanspruch geltendzu machen. Eine derartige Obliegenheit sei hier nicht festge-stellt worden. Der Kläger sei an die Entscheidung der Ergän-zungspflegerin, Pflichtteilsansprüche nicht geltend zu machen,gebunden.

2. Dem folgt der Senat nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bun-desgerichtshofs ist Sinn und Zweck des § 852 Abs. 1 ZPO,mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasserund Pflichtteilsberechtigtem allein diesem die Entscheidungzu überlassen, ob der Pflichtteilsanspruch gegen den Erbendurchgesetzt werden soll; Gläubiger des Pflichtteilsberechtig-ten sollen diese Entscheidung nicht an sich ziehen können(BGHZ 123, 183, 186; BGH, NJW 1997, 2384 unter 2).Daran anknüpfend hat der früher für das Familienrecht zu-ständige Senat des Bundesgerichtshofs entschieden, auchwenn sich ein Pflichtteilsberechtigter im allgemeinen Rechts-verkehr frei für oder gegen die Realisierung eines Pflichtteils-anspruchs entscheiden könne, bedeute dies nicht, dass für den Bereich des Unterhaltsrechts notwendig dieselben Grund-sätze zu gelten hätten; hier könne eine Obliegenheit bestehen,den Pflichtteilsanspruch zur Befriedigung von Unterhaltsbe-dürfnissen geltend zu machen (BGH, NJW 1982, 2771 unter2 b). In Abgrenzung zu diesem Urteil hat der XII. Zivilsenatdes Bundesgerichtshofs dann jedoch ausgesprochen, von denVermögensbestandteilen, deren Verwertung dem Unterhalts-berechtigten zuzumuten sei, könne ein Pflichtteilsanspruchnicht von vornherein ausgenommen werden; der Verpflich-tung zu dessen Verwertung könne sich eine Unterhaltsberech-tigte grundsätzlich weder mit dem Argument, zur Befriedi-gung des Pflichtteilsanspruchs müsse die Erbin unwirtschaft-liche Veräußerungen vornehmen, entziehen noch mit derBesorgnis, eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchsgefährde die Aussicht der Pflichtteilsberechtigten, von derPflichtteilsschuldnerin später als deren Erbin eingesetzt zuwerden. Allerdings blieben Zumutbarkeitsgesichtspunkte vonBedeutung (BGH, NJW 1993, 1920 unter II 1 und 2 b).

b) Ähnlich wie die Revision der Beklagten vertritt auchMuscheler (Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002,S. 235) die Auffassung, die bloße Überleitung des Anspruchsdes Pflichtteilsberechtigten auf den Sozialhilfeträger nehmedem Pflichtteilsberechtigten nicht die allein ihm vom Gesetz-geber zugedachte Freiheit, über die Geltendmachung diesesAnspruchs autonom und ohne wirtschaftlichen Druck zu ent-scheiden. Nur wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch(im Sinne von § 852 Abs. 1 ZPO) geltend mache, führe dievorhergehende oder nachträgliche Überleitung nach § 90

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Abs. 1 Satz 1 BSHG dazu, dass der Sozialhilfeträger (end-gültig) auf den Pflichtteilsschuldner zugreifen könne. Auchdas BayObLG hat entschieden, der Sozialhilfeträger könnePflichtteilsansprüche erst dann für sich verwerten, wenn diePflichtteilsberechtigte, vertreten durch ihre Ergänzungsbe-treuerin, sich zur Geltendmachung dieser Ansprüche ent-schlossen habe und die in § 852 Abs. 1 ZPO genannten Vor-aussetzungen vorlägen; die Geltendmachung von Pflichtteils-ansprüchen sei nämlich allein vom Willen des Berechtigtenabhängig, wie auch die Formulierung „kann“ in §§ 2303 Abs. 1 Satz 1, 2325 Abs. 1 und 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB zeige(FGPrax 2003, 268, 270).

c) Nach herrschender Meinung kann der auf Enterbung be-ruhende Pflichtteilsanspruch dagegen, wenn er auf den Sozial-hilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem geltend ge-macht werden, ohne dass es insoweit auf eine Entscheidungdes Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme (vgl. etwa Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl., § 2306 Rdnr. 29; MünchKomm-BGB/Lange, 4. Aufl., § 2317 Rdnr. 10; MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl., § 412 Rdnr. 24; Staudinger/Busche, BGB,§ 412 Rdnr. 16; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB, § 2317Rdnr. 7; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 35 IV 6 a Fn. 90, S. 832; Nieder, NJW 1994, 1264, 1265 m. w. N.;Krampe, AcP 191 [1991] 526, 529).

d) Mit dem Berufungsgericht sieht der Senat einen Anhalts-punkt dafür, dass bei Pflichtteilsansprüchen zwischen derInhaberschaft an einem solchen Anspruch einerseits und derBefugnis zur Geltendmachung andererseits zu unterscheidensei, lediglich in § 852 Abs. 1 ZPO. Welche Bedeutung dieserVorschrift über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hin-aus zukommt, bedarf hier keiner allgemeinen Entscheidung:Denn § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG bestimmt ausdrücklich, derÜbergang eines Anspruchs auf den Sozialhilfeträger werdenicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht über-tragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Damit lässtsich aus § 852 Abs. 1 ZPO keinerlei Einschränkung zumNachteil des Sozialhilfeträgers herleiten. Die Vorschrift des § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG würde ihres Sinnes beraubt, wennman sie einschränkend dahin verstehen wollte, dass derPflichtteilsanspruch nur vorbehaltlich einer persönlichen Ent-scheidung des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachungübergeleitet werden könne (so aber Muscheler, a. a. O.; wiehier dagegen van de Loo, NJW 1990, 2852, 2856; OLGFrankfurt, ZEV 2004, 24). Der Sozialhilfeträger wird als Hel-fer des Sozialhilfeempfängers gerade anders behandelt als an-dere Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten. Strikter als einUnterhaltsberechtigter muss der Sozialhilfeempfänger auchPflichtteilsansprüche infolge von § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHGvorrangig einsetzen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sozialhilfeträger denPflichtteilsanspruch – wie hier – schon vor einer Entscheidungdes Pflichtteilsberechtigten oder seines Betreuers übergeleitethat. Ebenso wenig wie der Pflichtteilsberechtigte selbst anseine Entscheidung, den Pflichtteil nicht geltend zu machen,gebunden ist, steht es auch dem Sozialhilfeträger frei, nacheiner Überleitung über die Geltendmachung des Pflichtteils-anspruchs unabhängig von einer etwa schon vorliegendenÄußerung des Pflichtteilsberechtigten oder dessen Betreuerszu entscheiden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Sozialhilfeträger in denFällen des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB – folgt man der herr-schenden Meinung – das Recht zur Ausschlagung einer etwadurch Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung beschränk-ten Erbschaft des Sozialhilfeempfängers nicht auf sich über-leiten und ausüben kann (vgl. MünchKommBGB/Leipold,

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§ 1942 Rdnr. 14; Bamberger/Roth/Seidl, § 1942 Rdnr. 12;AnwKomm/Ivo, § 1942 Rdnr. 20; Muscheler, a. a. O., S. 231;OLG Stuttgart, ZEV 2002, 367, 369 m. Anm. J. Mayer; OLGFrankfurt, ZEV 2004, 24, 25 m. Anm. Spall; offen gelassen inBGHZ 123, 368, 379). Denn für das Pflichtteilsrecht hat derGesetzgeber – anders als etwa für das Erbrecht (§§ 1942 ff.BGB) – kein besonderes Ausschlagungsrecht geschaffen.

III.

Der Kläger wendet sich mit seiner Revision unter Bezug auf§§ 133, 157, 2084 BGB gegen die Auslegung der Verwir-kungsklausel durch das Berufungsgericht. Er rügt, durch einederartige Klausel solle nicht nur auf einen bewussten Unge-horsam eines Erben reagiert, sondern vor allem die im Testa-ment vorgesehene Vermögensverteilung gesichert werden.Die Auslegung des Berufungsgerichts führe aber zu einer vonden Eltern nicht gewollten wirtschaftlichen Bevorzugung desbehinderten Kindes.

Das Berufungsgericht entnimmt dem gemeinschaftlichen Tes-tament jedoch mit Recht den Willen der Eltern, über eineSicherung des überlebenden Ehegatten und eine Gleichbe-handlung aller Kinder im Schlusserbfall hinaus das Erbe derbehinderten Tochter möglichst vor dem Zugriff des Sozial-hilfeträgers zu bewahren. Das ist insbesondere aus der Anord-nung einer Testamentsvollstreckung für den Erbteil der behin-derten Tochter sowie aus den für die Testamentsvollstreckunggetroffenen näheren Regelungen des Testaments zu schließen.Mit diesen Zielen ist die vom Kläger vertretene Auslegungder Verwirkungsklausel unvereinbar: Anders als die pflicht-teilsberechtigten Geschwister konnte der Sozialhilfeträgervon der Geltendmachung des dem behinderten Kind zuste-henden Pflichtteilsanspruchs nach dem erstversterbendenElternteil hier von vornherein nicht durch die Aussicht abge-halten werden, den im Schlusserbfall der Behinderten zuge-dachten Erbteil zu verlieren. Denn auf den Erbteil der behin-derten Tochter nach dem letztversterbenden Elternteil hätteder Sozialhilfeträger ohnehin nicht zugreifen können (§ 2214BGB). Die Verwirkungsklausel würde bei wortgetreuer An-wendung zu dem geradezu widersinnigen Ergebnis führen,dass der Zugriff auf den Nachlass des erstverstorbenen El-ternteils dem Sozialhilfeträger den sonst versperrten Zugriffauf den Nachlass des letztversterbenden Elternteils überhaupterst eröffnen würde.

Die Verwirkungsklausel muss danach unter Berücksichtigungihres Sinns im Gesamtzusammenhang des Testaments ein-schränkend ausgelegt werden. Wie das Berufungsgericht mitRecht angenommen hat, hätten die Eltern, wenn sie bei Testa-mentserrichtung die ihren Vorstellungen widersprechendenFolgen der Verwirkungsklausel im Hinblick auf die sich da-raus für den Sozialhilfeträger ergebenden Möglichkeiten er-kannt hätten, den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils-anspruchs nach dem erstverstorbenen Elternteil durch denSozialhilfeträger vom Anwendungsbereich der Verwirkungs-klausel ausgenommen. Damit wird das behinderte Kind zwargegenüber seinen Geschwistern bevorzugt, weil es trotz In-anspruchnahme des Pflichtteils nach dem erstverstorbenenElternteil den ihm im Schlusserbfall zugedachten Erbteilnicht verliert. Diese Konsequenz hätten die Eltern aber nachAuffassung des Berufungsgerichts in Kauf genommen. Diesetatrichterliche Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu bean-standen; sie ist auch überzeugend.

IV.

Auf der Grundlage dieser Auslegung gelangt das Berufungs-gericht zutreffend zu dem Ergebnis, dass die behinderteTochter Mit(vor)erbin nach der zuletzt verstorbenen Mutter

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geworden ist. Da die Mutter Alleinerbin des vor ihr verstorbe-nen Vaters war, ist die behinderte Tochter auch dessen (Mit-)Erbeserbin geworden. Daraus hat das Berufungsgericht ge-schlossen, dass der behinderten Tochter und damit auch demKläger die Ansprüche aus § 2314 BGB nicht zustünden, weilsie einen Pflichtteilsberechtigten voraussetzen, der nicht Erbegeworden ist (vgl. BGH, NJW 1993, 2737 unter I.).

Ob dies auch dann gilt, wenn der Pflichtteilsberechtigte wiehier zunächst nicht Erbe war und erst durch einen weiterenErbfall Erbeserbe geworden ist, bedarf hier keiner Entschei-dung. Der Kläger kann jedenfalls im vorliegenden Fall diedem behinderten Kind als Erben der zuletzt verstorbenenMutter etwa nach §§ 2027, 2028, 2038, 2057 BGB zustehen-den Rechte, sich über Bestand und Wert ihres Nachlasses unddes darin enthaltenen Nachlasses des vorverstorbenen Vaterszu informieren, nicht auf sich überleiten. Dem steht die fürden Erbteil des behinderten Kindes nach der Mutter angeord-nete Testamentsvollstreckung entgegen (§ 2214 BGB). DerKläger hat also, auch wenn er den Pflichtteilsanspruch erstübergeleitet hat, als das behinderte Kind bereits Erbeserbindes Vaters geworden war, lediglich die Rechte eines pflicht-teilsberechtigten Nichterben erlangt, wie sie dem behindertenKind vor dem Tod der Mutter zustanden. Deshalb kann derKläger auch den der Verwirklichung des Pflichtteilsanspruchsnach dem Vater dienenden Auskunftsanspruch aus § 2314BGB geltend machen.

Hinweis der Schriftleitung:

Siehe hierzu den Aufsatz von J. Mayer, MittBayNot 2005,286 (in diesem Heft).

11. HeimG a. F. § 14 Abs. 1; HeimG § 14 Abs. 6 (LetztwilligeVerfügung zugunsten eines Heimträgers)

Ist eine letztwillige Verfügung zugunsten eines Heimträ-gers oder der in § 14 Abs. 5 HeimG genannten Personenbereits errichtet und sind auch die sonstigen Vorausset-zungen des heimrechtlichen Testierverbots erfüllt, kannim Nachhinein eine heimaufsichtliche Genehmigung nach § 14 Abs. 6 HeimG nicht mehr erteilt werden. Dabeikommt es nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Antrag-stellung der Testator bereits Heimbewohner ist. (Leitsatzdes Rezensenten)

VGH Mannheim, Urteil vom 1.7.2004, 6 S 40/04; eingesandtvon Notarassessor Dr. Arne Everts, Würzburg

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigungnach § 14 Abs. 6 HeimG für die testamentarische Zuwendung einerinzwischen verstorbenen Heimbewohnerin. Die Klägerin ist Eigen-tümerin des Seniorenheims J. in S., das von dem ihr religiös nahe-stehenden Verein K. betrieben wird. Am 6.3.1999 zog Frau St. in dasSeniorenheim ein, die mit Testament vom 23.6.1998 die Klägerin alsihre Erbin eingesetzt hatte. Dies hatte der Heimleiter im Januar 1999erfahren und danach bei der Heimaufsichtsbehörde angerufen, um zuerörtern, ob die Behörde die Auffassung vertrete, dass § 14 Abs. 1HeimG auf die Klägerin Anwendung finde, und ob bei testamentari-schen Verfügungen von Heimbewohnern zugunsten der Klägerin er-richtete Testamente dem Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 HeimGnicht unterfielen. Am 22.3.1999 stellte der Heimleiter bei der Heim-aufsichtsbehörde den Antrag, generell festzustellen, dass von Heim-bewohnern zu Gunsten der Klägerin errichtete Testamente dem An-wendungsbereich des § 14 Abs. 1 HeimG nicht unterfielen. Hilfs-weise beantragte er, für den Fall der Frau St. eine Ausnahme nach § 14 Abs. 6 HeimG zu genehmigen. Am 24.4.1999 verstarb Frau St.Frau St. habe seit Dezember 1998, zunächst allerdings vorrangig an

317MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

ihrem Wohnort W., nach einem Pflegeheimplatz gesucht. Nur vor-sorglich habe ihr Betreuer auch beim Seniorenheim J. angefragt.Ende Februar/Anfang März 1999 habe sich der Zustand von Frau St.soweit verschlimmert, dass von einem Notfall habe ausgegangenwerden müssen. Der Heimleiter habe Frau St. dann einen AnfangMärz freiwerdenden Pflegeheimplatz angeboten.

Die Heimaufsichtsbehörde untersagte der Klägerin, sich von oder zuGunsten von Bewohnern des Seniorenheims J. Geld oder geldwerteLeistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder ge-währen zu lassen, und lehnte die Erteilung einer Ausnahmegenehmi-gung nach § 14 Abs. 6 HeimG im Fall St. ab.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der am 22.3.1999gestellte Antrag sei verspätet, weil die Erteilung einer Ausnahmege-nehmigung zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr möglich gewe-sen sei. Die Klägerin trägt vor, bereits bei dem Telefongespräch am28.1.1999 zwischen dem Heimleiter und dem Landratsamt habe derHeimleiter deutlich gemacht, dass er ein etwa vorher gegebenes Ein-vernehmen mit dem Testament nicht aufrechterhalten würde, solledieses gegen § 14 HeimG verstoßen. Im Hinblick auf den vorsorg-lichen Anruf im Januar 1999 und den Antrag zwei Wochen nach Ein-zug der Frau St. könne weder auf eine Gefahrenlage noch auf eineUmgehungsabsicht geschlossen werden. Nach der vom Verwaltungs-gericht vertretenen Ansicht wäre die Klägerin gezwungen gewesen,einen Ausnahmeantrag bereits zu einem Zeitpunkt zu stellen, zu demdas entsprechende Gesetz, auf das sich der Antrag stütze, auf denSachverhalt noch gar nicht anwendbar gewesen sei.

Aus den Gründen:

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen,soweit damit die Erteilung einer Ausnahmegenehmigungnach § 14 Abs. 6 HeimG begehrt worden ist. Die Klägerin hatkeinen Anspruch auf eine solche Genehmigung; die ange-fochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig.

1. Die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigungrichtet sich nach § 14 Abs. 6 HeimG. Danach kann die zu-ständige Behörde in Einzelfällen Ausnahmen von den Verbo-ten der Absätze 1 und 5 des § 14 HeimG zulassen, soweit derSchutz der Bewohner die Aufrechterhaltung der Verbote nichterfordert und die Leistungen noch nicht versprochen oder ge-währt worden sind. Die hier maßgebliche Fassung des § 14Abs. 1 HeimG vom 23.4.1990 (BGBl. I, S. 763, 1069), zuletztgeändert am 21.9.1997 (BGBl. I, S. 2390; im Weiteren: § 14Abs. 1 HeimG a. F.) untersagt es dem Heimträger, sich vonoder zu Gunsten von Heimbewohnern Geld- oder geldwerteLeistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechenoder gewähren zu lassen. Die Neufassung des § 14 Abs. 1HeimG vom 5.11.2001 ist hier nicht anwendbar, weil sie erstnach dem Tod von Frau St. in Kraft getreten ist. Zwar folgtaus § 113 Abs. 5 VwGO, dass der Verpflichtungsklage derKlägerin nur dann stattgegeben werden darf, wenn sie imZeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch aufdie begehrte Ausnahmegenehmigung hat. Ob sie einen sol-chen Anspruch hat und welcher Beurteilungszeitpunkt maß-gebend ist, ergibt sich aber nicht aus dem Prozessrecht, son-dern ausschließlich aus dem materiellen Recht (BVerwG,Buchholz 239.2 § 28 SVG Nr. 2, S. 2). Nachdem sich dieNeufassung des § 14 Abs. 1 HeimG keine Rückwirkung bei-misst und auch nicht den Schutz potentieller Erben, sondernder Heimbewohner bezweckt, ist die Gesetzesfassung maß-geblich, die während des Heimaufenthalts der hier zu schüt-zenden Bewohnerin St. galt.

2. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 HeimG a. F. isteröffnet:

a. Die Klägerin ist, wie sie inzwischen anerkennt, Heim-trägerin im Sinne des § 14 Abs. 1 HeimG. Insoweit wird aufdie zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Be-zug genommen (§ 130 b Satz 2 VwGO).

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b. § 14 Abs. 1 HeimG ist auch auf Testamente anwendbar(ebenso die h. A.; vgl. etwa BVerwG, NJW 1990, 2268; BGH,ZEV 1996, 147; s. auch BVerfG, NJW 1998, 2964; Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 9. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 8; LPK-HeimG, 2004, § 14 Rdnr. 5; Dahlem/Giese/Igl/Klie, DasHeimgesetz, Stand: Okt. 2002, § 14 Rdnr. 22; Crößmann/Goberg/Iffland/Mangels, Heimgesetz, 4. Aufl. 2000, Rdnr. 5.5;Gitter/Schmitt, Heimgesetz, Stand: Sept. 2003, § 14 IV Nr. 1;Dubischar, DNotZ 1993, 419, 420; Petersen, DNotZ 2000,739, 740; vgl. dazu auch BT-Drucks. 11/5120, S. 17). Dafürsprechen der Wortlaut der Norm – ein Testament enthält typi-scherweise ein Leistungsversprechen – wie auch ihr Schutz-zweck. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5170,S. 17) ist es Ziel des § 14 HeimG, eine unterschiedliche,privilegierende oder benachteiligende, sachlich nicht gerecht-fertigte Behandlung der Bewohner zu verhindern, sie vorfinanzieller Ausnutzung oder Benachteiligung, insbesonderedurch die nochmalige Abgeltung einer Leistung des Trägers,zu schützen sowie ihre Testierfreiheit zu sichern. Diese Zielewürden unterlaufen, nähme man testamentarische Verfügun-gen von dem Anwendungsbereich der Verbotsnorm aus.

c. § 14 Abs. 1 HeimG a. F. erfasst auch Fälle wie den vor-liegenden, in denen die letztwillige Verfügung bereits vor demEinzug in das Heim errichtet worden ist. Nach seinemSchutzzweck muss das Verbot in diesen Fällen mit dem Ein-zug in das Heim greifen. Denn ab diesem Zeitpunkt entstehtfür den Heimbewohner, der bereits zu Gunsten des Heim-trägers testiert hat, in gleicher Weise wie für denjenigen, dererst nach dem Einzug testiert, die Gefahr einer tatsächlichenBeschränkung seiner Testierfreiheit (KG, NJW-RR 1999, 2;BayObLG, NJW-RR 2001, 295). Die Testierfreiheit bedeutetnicht nur die Freiheit, ein Testament zu errichten, sondernauch, es jederzeit frei widerrufen zu können (vgl. § 2253BGB). Dadurch unterscheidet sich eine testamentarische Ver-fügung von einem vor Einzug bereits verbindlichen Leis-tungsversprechen, etwa einem notariell beurkundeten Schen-kungsversprechen (§ 518 Abs. 1 BGB), das § 14 Abs. 1 HeimGa. F. nicht unterfallen dürfte (vgl. dazu BGH, NJW-RR 1995,1272). Zudem besteht bei Testamenten, auch wenn sie vorEinzug errichtet worden sind, stets die Gefahr einer Störungdes von § 14 Abs. 1 HeimG a. F. – auch – geschützten Heim-friedens aufgrund finanzieller Konkurrenz der Bewohner (vgl.BVerfG, a. a. O.).

3. Die Klägerin hat – ungeachtet der Frage, inwieweit § 14Abs. 6 HeimG bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungennoch Raum für eine Ermessensausübung der Behörde zulässt(vgl. dazu etwa Kunz/Butz/Wiedemann, § 14 Rdnr. 27) –schon deshalb keinen Anspruch auf Erteilung der Ausnahme-genehmigung nach § 14 Abs. 6 HeimG, weil die Leistung be-reits versprochen worden ist.

a. „Versprochen-worden-sein“ im Sinne des § 14 Abs. 6HeimG liegt bei Berücksichtigung der engen systematischenVerknüpfung mit § 14 Abs. 1 HeimG a. F. allerdings nichtbereits dann vor, wenn eine einseitige Versprechenserklärungdes Heimbewohners erfolgt ist. Vielmehr ist nach dem Wort-laut der Verbotsnorm des § 14 Abs. 1 HeimG a. F. erforder-lich, dass sich der Heimträger die Leistung hat versprechenlassen. Das ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn zwischenHeimbewohner und Heimträger Einvernehmen über die Leis-tung besteht, wobei auf das Einvernehmen auch aus den Ge-samtumständen geschlossen werden kann (BVerwG, NJW1990, 2268). Zum Teil bejaht die Rechtsprechung die Voraus-setzungen des § 14 Abs. 1 HeimG a. F. bereits dann, wenn derHeimträger Kenntnis von der Verfügung erlangt hat und derverfügende Heimbewohner dies weiß (vgl. etwa OLG Karls-

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ruhe, ZEV 1996, 146, bestätigt durch BGH, ZEV 1996, 147;BayObLG, NJW-RR 2001, 295). Die Rechtsprechung, diedarüber hinaus ausdrücklich die Annahme durch den bedach-ten Heimträger verlangt, geht jedenfalls dann, wenn der Trä-ger Kenntnis von der Verfügung hatte und durch sein Verhal-ten oder Äußerungen nichts Gegenteiliges hat erkennen las-sen, nach den Gesamtumständen von einem Einvernehmenüber die Verfügung aus (vgl. OVG Berlin, Urteil vom28.3.1989, juris, bestätigt durch BVerwG, NJW 1990, 2268;KG, NJW-RR 1999, 2; BayObLG, NJW 1992, 55; NJW 1993,1143; ähnlich der Rechtsgedanke des § 151 BGB, wonacheine Annahmeerklärung entbehrlich ist, wenn sie nach derVerkehrssitte nicht zu erwarten ist). Dieser letztgenanntenAuffassung schließt der Senat sich an; auf ihrer Grundlage lagim maßgeblichen Zeitpunkt Einvernehmen vor.

Der Heimleiter, dessen Kenntnis sich die Klägerin zurechnenlassen muss (ebenso OVG Berlin, a. a. O., bestätigt durchBVerwG, NJW 1990, 2268; BayObLG, NJW-RR 2001, 295;KG, NJW-RR 1999, 2; OLG Karlsruhe, ZEV 1996, 146;BGH, ZEV 96, 147; Kunz/Butz/Wiedemann, § 14 Rdnr. 24;Gitter/Schmidt, § 14 VIII Nr. 2), hatte bereits mehr als einenMonat vor dem Einzug von Frau St. in das Heim Kenntnis vonderen Testament. Nach Aktenlage und dem Vorbringen derKlägerin in der mündlichen Verhandlung wusste Frau St. umdiese Kenntnis; auch war nach den Gesamtumständen beiihrem Heimeintritt von einem stillschweigenden Einverneh-men zwischen ihr und der Klägerin über die Erbeinsetzungauszugehen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerinweder durch Äußerungen noch durch ihr Verhalten erkennenlassen, dass sie mit der ihr bekannten Erbeinsetzung nicht ein-verstanden wäre.

Die Auffassung der Klägerin, ein Einvernehmen zwischen ihr und Frau St. zum Zeitpunkt des Einzugs sei bereits imHinblick auf das Telefonat des Heimleiters mit der Heimauf-sichtsbehörde im Januar 1999 zu verneinen, geht fehl. IhreBewertung der telefonischen Äußerungen des Heimleiters alsvorsorglicher mündlicher Antragstellung wird durch denbehördlichen Aktenvermerk über dieses Telefonat widerlegt,ausweislich dessen nur allgemein und ohne Namensnennungüber das Testament einer zukünftigen Heimbewohnerin ge-sprochen wurde. Aus der von der Klägerin in der mündlichenVerhandlung vorgelegten Gesprächsnotiz des Heimleitersüber das Telefonat ergibt sich nichts anderes; sie enthältkeinerlei Hinweis auf einen ausdrücklichen oder auch nur„konkludenten“ fallbezogenen Antrag. Dementsprechendnimmt auch der schriftliche Antrag vom 22.3.1999 keinerleiBezug auf das Telefonat. Dass im Nachhinein erkennbar ist,dass das Testament von Frau St. Anlass für das Telefonat war,gibt für die – am damaligen Empfängerhorizont zu orientie-rende – Auslegung der telefonischen Äußerungen des Heim-leiters als Genehmigungsantrag nichts her.

Die Einschätzung der Klägerin, bereits bei dem Telefonathabe der Heimleiter deutlich gemacht, dass er ein etwa vorhergegebenes Einvernehmen mit dem Testament nicht aufrecht-erhalten würde, sollte dieses gegen § 14 HeimG verstoßen,vermag der Senat schon deshalb nicht zu teilen, weil in demTelefonat gerade nicht konkret über den Fall St. gesprochenwurde. Im Übrigen hätte es zur Beseitigung des Einverneh-mens zwischen Frau St. und der Klägerin einer Äußerungoder eines Verhaltens gegenüber Frau St. bedurft. Zudem hätteeine entsprechende Äußerung oder ein entsprechendes Ver-halten, um Auswirkungen auf die Genehmigungsfähigkeit derErbeinsetzung nach § 14 Abs. 6 HeimG zu haben, noch vordem Einzug von Frau St., also noch vor der Anwendbarkeitdes § 14 HeimG, erfolgen müssen. Daran aber fehlt es hier.

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Auch nach Darstellung der Klägerin in der mündlichen Ver-handlung trat von ihrer Seite nach dem Telefonat vom Januar1999 – bei dem die Sachbearbeiterin dem Heimleiter aus-weislich des Aktenvermerks nach behördeninterner Rück-sprache mitteilte, die Genehmigungsbedürftigkeit und -fähig-keit testamentarischer Verfügungen werde nur anhand eineskonkreten Einzelfalls geprüft – zunächst niemand wegen desTestaments an Frau St. heran. Erst nach deren Einzug und vorStellung des schriftlichen Genehmigungsantrags soll derHeimleiter wegen der Erbeinsetzung und der Frage der Ge-nehmigungsbedürftigkeit mit Frau St. gesprochen haben. DerInhalt dieses Gesprächs, zu dessen Klärung die Klägerin inder mündlichen Verhandlung die Zeugenvernehmung desHeimleiters angeregt hat, ist jedoch rechtlich unerheblich.Denn durch dieses Gespräch konnte – ebenso wie durch dennachfolgenden schriftlichen Genehmigungsantrag – das beimHeimeintritt vorhandene Einvernehmen nicht mehr rückwir-kend beseitigt werden. Das Gespräch lässt auch keine tatsäch-lichen Rückschlüsse auf ein fehlendes Einvernehmen bereitszum Zeitpunkt des Einzugs von Frau St. zu, nachdem fest-steht, dass aus der maßgeblichen Sicht von Frau St. bis zudiesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Ein-verständnis der Klägerin mit der letztwilligen Verfügung be-standen. Im Gegenteil konnte Frau St. die bis nach dem Ein-zug andauernde Untätigkeit der Klägerin nur als konkludenteAnnahme ihres testamentarischen Leistungsversprechens auf-fassen.

b. Eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 6 HeimGderart, dass in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahms-weise die nachträgliche Einholung der Ausnahmegenehmi-gung zuzulassen wäre, scheitert bereits an dem insoweit ein-deutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 14 Abs. 6HeimG (vgl. zu den Grenzen zulässiger Auslegung etwaBVerfGE 18, 97, 111 und BVerfGE 54, 277, 299). Zudemliefe die Anerkennung einer nachträglichen Genehmigungs-möglichkeit Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1HeimG grundlegend zuwider. Dies hat das Bundesverwal-tungsgericht in seinem Urteil vom 18.12.1987 (BVerwGE 78,357) noch zur Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 HeimGi. d. F. v. 7.8.1974 (BGBl. I, S. 1873) – heute § 14 Abs. 1 und 6HeimG – für den Fall einer Schenkung ausführlich dargelegt:

„(...) schon der Wortlaut des § 14 Abs. 1 HeimG und der gesetzlicheRegelungszusammenhang (legen) die Annahme nahe, dass die Aus-nahme nur vor dem Abschluss des verbotenen Rechtsgeschäfts zuge-lassen werden darf. Diese Annahme wird durch den Sinn und Zweckder Regelung erhärtet. § 14 Abs. 1 HeimG dient dem Schutz derwegen ihrer besonderen Lebenssituation und der daraus folgendenpersönlichen Abhängigkeit staatlicher Fürsorge bedürftigen Heim-bewohner. Diese sollen vor finanzieller Ausbeutung durch den Heim-träger bewahrt werden. Zudem soll (...) verhindert werden, dass derHeimträger mit Rücksicht auf empfangene Zuwendungen einzelneHeimbewohner bevorzugt behandelt oder die anderen Bewohner be-nachteiligt (...). Nicht gänzlich ausschließen lässt sich ferner, dass einunseriöser Heimträger materiell interessiert sein kann an dem vorzei-tigen Tod eines Heimbewohners, der den durch Heimkosten nichtverbrauchten Restbetrag seines Vermögens dem Heimträger alsSchenkung zukommen lässt; auch vor den damit möglicherweiseverbundenen Risiken müssen Heimbewohner geschützt werden. (...)Ermittlungsschwierigkeiten sowie die dadurch bedingte Gefahr vonbehördlichen Fehlentscheidungen (dürfen) bei der Anwendung derVorschrift nicht vernachlässigt werden. Überdies besteht im Fall derAnerkennung einer nachträglichen Genehmigungsmöglichkeit dieGefahr, dass der Heimträger sich die nachteiligen Folgen des Zeit-ablaufs bis zur Erteilung der Genehmigung bewusst zunutze machtund den Genehmigungsantrag von vornherein erst für die Zeit nachdem Tod des Heimbewohners oder gar nur für den Fall ins Auge fasst,dass die Wirksamkeit der Zuwendung von irgendjemandem in Zwei-fel gezogen werden sollte. (...) Nimmt man den Schutzzweck des § 14Abs. 1 HeimG ernst, so müssen auch derartige Anreize zur Geset-

319MittBayNot 4/2005 Bürgerliches Recht

zesumgehung unterbunden werden, indem die Ausnahmeregelung in § 14 Abs. 1 HeimG strikt ausgelegt und auf vorherige Ausnahmenbegrenzt wird. Der mit der Anerkennung einer nachträglichen Ge-nehmigungsmöglichkeit verbundene Schwebezustand läuft schließ-lich auch dem weiteren Zweck des § 14 Abs. 1 HeimG, nämlich derErhaltung eines von der Vermögenslage der Heimbewohner unbeein-flussten Heimklimas, unmittelbar zuwider. Denn die vom Gesetzge-ber befürchtete Klimastörung kann auch von der Gewährung von Ver-mögensvorteilen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 HeimG ausgehen,die zwar mangels behördlicher Billigung rechtlich nicht wirksam ist,die aber von allen Beteiligten im Hinblick auf ein laufendes oderkünftiges Genehmigungsverfahren als wirksam behandelt wird.“

Diese Erwägungen gelten ohne weiteres auch im Fall dertestamentarischen Verfügung zu Gunsten eines Heimträgers.

Durch die Ablehnung einer nachträglichen Genehmigungwird dem Heimträger auch nicht faktisch die Möglichkeit derErwirkung einer Ausnahmegenehmigung genommen. In derRechtsprechung wird darauf hingewiesen, dass der Träger dieGenehmigung „unverzüglich“ nach der Kenntnisnahme desTestaments beantragen könne (OVG Berlin, Urteil vom28.3.1989, a. a. O.; vgl. auch BayObLG, NJW 1993, 1143),die Leistung sei mangels ausdrücklich oder schlüssig erklär-ten Einverständnisses des Heimträgers noch nicht verspro-chen, wenn er im Anschluss an die Kenntniserlangung demHeimbewohner die Rechtslage deutlich mache und auf dieNotwendigkeit der Einholung einer Ausnahmegenehmigunghinweise (KG, NJW-RR 1999, 2). Diese Erwägung gilt auchhier. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin einenAntrag nach § 14 Abs. 6 HeimG schon vor dem Einzug vonFrau St. hätte stellen können. Jedenfalls hatte sie nach Kennt-nisnahme des Testaments noch vor dem Einzug von Frau St.ausreichend Gelegenheit, durch entsprechende Äußerungenoder ein entsprechendes Verhalten deutlich zu machen, dasssie bei Einzug mangels Genehmigung nicht (mehr) mit derZuwendung einverstanden sein würde. Daran wäre sie beidem zeitlichen Ablauf auch durch die von ihr behauptete Ver-schlimmerung des Gesundheitszustands von Frau St. EndeFebruar/Anfang März nicht gehindert gewesen. Daher war esfür sie keineswegs faktisch unmöglich, eine Ausnahmegeneh-migung zu erlangen. Deshalb kann sie auch aus dem Um-stand, dass in ihrem Fall mit dem Einzug von Frau St. und da-mit zugleich mit Beginn der Geltung des Verbots des § 14Abs. 1 a. F. die Möglichkeit der Genehmigung der letztwilli-gen Verfügung ausgeschlossen war, nichts für sich herleiten.

4. Die Regelung des § 14 Abs. 1 und 6 HeimG a. F. begeg-net in ihren hier entwickelten Auswirkungen auch keinen ver-fassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsge-richt hat in seinem Beschluss vom 3.7.1998 (NJW 1998,2964) ausgeführt, dass das in § 14 HeimG enthaltene Testier-verbot legitimen Gemeinwohlzwecken diene und eine üblicheund zumutbare Einschränkung der Berufs- und Gewerbefrei-heit der Heimträger darstelle, deren berechtigten Interessenbereits durch das Pflegeentgelt Rechnung getragen werde.Auch die als bestimmendes Element der Erbrechtsgarantiegeschützte Testierfreiheit der Heimbewohner wird durch diegerade deren Schutz dienende Regelung des § 14 Abs. 1 und6 HeimG a. F. nicht unverhältnismäßig beschränkt. Das Bun-desverfassungsgericht hat dies u. a. mit der Möglichkeit einesHeimbewohners begründet, in den Fällen, in denen dieGenehmigungsfähigkeit einer testamentarischen Verfügungdaran scheitere, dass der Bewohner vom begünstigten Heim-träger nicht rechtzeitig über den Genehmigungsvorbehalt auf-geklärt worden sei, inhaltsgleich erneut zu testieren (BVerfG,NJW 1998, 2964). Dies gilt grundsätzlich auch in Fallkon-stellationen der vorliegenden Art. Dass diese Möglichkeit an-gesichts des raschen Todes der Frau St. im konkreten Einzel-

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fall nur schwer zu realisieren gewesen wäre, gibt angesichtsder Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung einerNorm zu typisieren (vgl. etwa BVerfGE 17, 1, 23; BVerfGE101, 275, 293), für die Verfassungswidrigkeit der Regelungdes § 14 Abs. 1 und 6 HeimG a. F. nichts her.

Der Senat teilt im Übrigen auch nicht die von der Klägerin inder mündlichen Verhandlung vorgetragene Auffassung, einHeimbewohner könne seinem letzten Willen schon deshalbnicht durch eine erneute Errichtung eines inhaltsgleichen Tes-taments Geltung verschaffen, weil das Einverständnis desHeimträgers mit der früheren, wegen Verstoßes gegen § 14Abs. 1 HeimG nichtigen testamentarischen Verfügung auchbezüglich neuer, inhaltsgleicher Verfügungen fortwirke. Viel-mehr hat der Heimträger es in der Hand, durch entsprechendeÄußerungen oder entsprechendes Verhalten klarzustellen,womit er einverstanden ist und womit nicht.

Anmerkung:

Der Gerichtshof befasst sich mit der praxisrelevanten Frage,ob die letztwillige Verfügung zugunsten eines Heimträgersschon vor der Heimaufnahme unwirksam ist oder jedenfallsmit Einzug in das Heim nichtig werden kann, sofern die üb-rigen Tatbestandsvoraussetzungen der Verbotsvorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG1 erfüllt sind.

1. Häufig haben Testatoren schon vor dem Einzug, aberauch schon vor Erlangung eines „offiziellen“ Bewerberstatusgenaue Vorstellungen von ihrem Aufenthaltsort im fortge-schrittenen Alter und/oder im Pflegefall. Hinzu kommt, dassHeimträger wie etwa Kommunen oder das BRK aufgrundihrer Größe auch Bereiche abdecken, die den Erblasser ausanderen Motiven zu einer letztwilligen Zuwendung veranlas-sen können, dieser also u. U. gar nicht will, dass seinem – spä-teren – Heim etwas über seine heimvertragliche Gegenleis-tung hinaus zukommen soll. Ähnliches gilt im Bereich kirch-licher Trägerschaften. Ob in diesen Fällen § 14 Abs. 1 HeimGzu reduzieren ist, wenn also z. B. eine Zuwendung an dasBRK unter der Auflage erfolgt, diese nicht dem von ihm ge-tragenen speziellen Heim, sondern etwa der Katastrophen-hilfe zukommen zu lassen, ist bislang nicht diskutiert wordenund m. E. zumindest zweifelhaft. Auch wird grundsätzlich einZusammenhang zwischen der Vorteilszuwendung und demHeimvertrag bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.2 Derpotenzielle Anwendungsbereich des § 14 HeimG dürfte somithäufig weiter sein als man denkt. Hinzu kommt, dass einenachträgliche Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 6 HeimGdurch die zuständige Behörde3 unwirksam wäre;4 dies wirddurch den VGH zutreffend auf die Fälle letztwilliger Verfü-gungen übertragen. Entscheidender Zeitpunkt dürfte dabei die

320 MittBayNot 4/2005Bürgerliches Recht

Erlangung der Kenntnis von der letztwilligen Verfügung5,nicht aber der Erbfall sein – für den Notar ein entscheidendesArgument, die behördliche Genehmigung schon vor der Be-urkundung einzuholen (sofern er hiermit beauftragt wird), daman trotz Belehrung immer damit rechnen muss, dass derTestator sofort nach dem Termin sein Geheimnis „ausplau-dert“ und damit sein Testament ungewollt unwirksam macht.

2. Der BGH hatte mit Beschluss vom 27.4.19956 entschie-den, dass die Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG nach ihremSinn und Zweck auch auf den „Heimbewerber“ Anwendungfinde, also auch die Entschließungsfreiheit vor Eintritt in dasHeim schütze. Dieser Auffassung schloss sich u. a. das KG7

an. Daraufhin wurde bei der Reform des HeimG8 die Vor-schrift des § 14 Abs. 1 HeimG tatbestandlich neu gefasst unddabei die „Bewerberinnen und Bewerber um einen Heimplatz“9

ausdrücklich in den Anwendungsbereich aufgenommen.

Diese Neufassung war vorliegend jedoch noch nicht anwend-bar – es stellt sich deshalb die Frage, wie der Fall aktuell zulösen gewesen wäre. Auf den ersten Blick scheint hier Klar-heit zu herrschen: Wäre die Erblasserin im Zeitpunkt der(nicht genehmigten) Testamentserrichtung bereits „förmliche“Bewerberin um einen Heimplatz gewesen, so hätte sich dieLösung unmittelbar aus § 14 Abs. 1 HeimG n. F. ergeben,nämlich sofortige Nichtigkeit. Wäre sie nicht einmal Bewer-berin gewesen, so wäre möglicherweise im Gegenschluss ihreletztwillige Verfügung wirksam gewesen und geblieben, selbstwenn Bewerbung und Heimaufnahme später noch erfolgtwären.10 Hierfür könnten der Wortlaut von § 14 Abs. 1 HeimGn. F. sowie die unter Einbeziehung der Reformgesetzgebungs-geschichte geänderte Gesetzessystematik sprechen, wonachdas HeimG (nur noch) zwischen Bewerbern und Bewohnernunterscheidet – woraus gefolgert werden könnte, dass Perso-nen in einem dritten Status eben nicht erfasst sein sollen.

Diese Argumentation halte ich nicht für zwingend. Zutreffendist zwar, dass eine außerhalb einer Heimsituation getroffeneletztwillige Verfügung, selbst wenn die Kenntnis des Bedach-ten vorliegt, zunächst vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 HeimG(und dessen ratio) nicht erfasst werden kann. Problematischist aber gerade, ob die Verfügung dann, wenn im späteren Ver-lauf der Dinge die Tatbestandmerkmale des § 14 Abs. 1HeimG noch hinzutreten (der Testator also Heimbewohneroder wenigstens -bewerber wird), unwirksam werden kann.Hier stellt sich die Frage, ob im Zeitpunkt der Begründungdes Heimverhältnisses oder des Bewerberstatus nach Errich-tung der letztwilligen Verfügung von einem „Sich-Gewähren-lassen“ der Leistung i. S. von § 14 Abs. 1 HeimG überhauptgesprochen werden kann. Dies wird zum Teil mit der Begrün-dung bezweifelt, dass mit Errichtung der Verfügung undKenntnis des Bedachten die Leistungsgewährung vollständigabgeschlossen sei.11 Nach anderer Auffassung ist der Tat-

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1 Also insbesondere die Kenntnis von der Zuwendung, vgl. hierzunur die zusammenfassende Darstellung unter 3 a) der Urteilsgründe.2 BGHZ 110, 235, 238 f.; vgl. auch BayObLG, DNotZ 2005, 56 –Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, wenn ein Heimmitar-beiter von einer Heimbewohnerin zum Erben eingesetzt wird, nach-dem diese in eine außerhalb der Geschäftsaufgabe des Heimmitarbei-ters liegende Pflegestation verlegt wird.3 In Bayern gem. § 1 ZustVHeimG (BayRS 2170-5-2-A) bei kom-munalen Einrichtungen und solchen, deren Träger einem Landesver-band der freien Wohlfahrtspflege angehören, die Regierungen, imÜbrigen die Kreisverwaltungsbehörden.4 So schon BVerwG, NJW 1988, 984, 985, für den Fall der Schen-kung; Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 10. Aufl. 2004, § 14 Rdnr. 29.

5 G. Müller in DNotI (Hrsg.), Zehn Jahre Deutsches Notarinstitut,S. 153 ff., 164.

6 NJW-RR 1995, 1272.

7 NJW-RR 1999, 2.

8 3. Gesetz zur Änderung des HeimG, BGBl 2001 I, S. 2960 ff., inKraft getreten am 1.1.2002.

9 Wann von einem „Bewerber“ um einen Heimplatz gesprochenwerden kann, ist allerdings unsicher, vgl. hierzu Kunz/Butz/Wiede-mann (Fn. 4), § 14 Rdnr. 4; G. Müller (Fn. 5), S. 163.

10 So etwa G. Müller (Fn. 5), S. 163 f.

11 Petto, Berufserben? Beschränkungen des erbrechtlichen Erwerbsin Heim- und Dienstverhältnissen, Diss. Würzburg 1999, S. 107.

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bestand des „Sich-Gewährenlassens“ mit Errichtung der Ver-fügung und Inkenntnissetzung des Bedachten noch nicht voll-ständig erfüllt. Denn die eigentliche geldwerte Leistung, aufdie es dem Bedachten ankommt, bestehe im tatsächlichen Er-halt der Werte aus dem Nachlass. Neben der bloßen Bestim-mung des Bedachten liege die Leistung, die der Erblasser ge-genüber dem Bedachten erbringt, also auch in der Aufrechter-haltung der Verfügung von Todes wegen; demnach sei voneinem „Sich-Gewährenlassen“ auch dann auszugehen, wennsowohl die Errichtung der letztwilligen Verfügung als auchdie Inkenntnissetzung des Bedachten zeitlich vor dem Einzugins Heim oder der Begründung des Bewerberstatus liegen.12

Die Gesetzesmaterialien stehen zu der letztgenannten Auf-fassung nicht im Widerspruch: Die heutige Fassung des § 14Abs. 1 HeimG fußt auf einer beiläufigen Empfehlung deszuständigen Bundestagsausschusses.13 In der Begründunghierzu ist nur von „zukünftigen Heimbewohnerinnen undHeimbewohnern“ die Rede.14 Damit ist ersichtlich Bezug aufdie vorausgegangene Rechtsprechung genommen worden.Aber sowohl der BGH15 als auch das KG16 differenziertenihrerseits gerade nicht zwischen Heimbewerbern i. e. S. undanderen Testatoren vor dem Einzug.

Schließlich spricht für diese Ansicht der Schutzzweck derNorm. Die Gefahr, dass der Erblasser vom Bedachten im Ver-hältnis zu den anderen Heimbewohnern bevorzugt behandeltwird, besteht unabhängig davon, in welcher Reihenfolge dieeinzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllt worden sind. Zudemwerden so Wertungswidersprüche vermieden: Denn in § 14Abs. 5 HeimG fehlt eine entsprechende Gleichstellung vonBewohnern und Bewerbern. Will man die Gegenposition sys-tematisch konsequent durchhalten, müsste man auch konze-dieren, dass nunmehr alle Zuwendungen an Heimleiter, Be-schäftigte und sonstige Mitarbeiter „im Vorgriff auf die Heim-aufnahme“ stets wirksam seien und dies auch blieben, wennsie nur vor dem Einzug erfolgten. Dass damit Manipulations-möglichkeiten Tür und Tor geöffnet wären, die § 14 HeimGinsgesamt verhindern will, liegt auf der Hand. Eine solcheSchlussfolgerung ist denn auch, soweit ersichtlich, noch nir-gends getroffen worden und dürfte auch vom Gesetzgeber imZuge der Reform des HeimG nicht gewollt gewesen sein.

3. Im Ergebnis sind daher von § 14 Abs. 1 HeimG auch wei-terhin letztwillige Verfügungen zugunsten eines Heimträgerserfasst, die zu einem Zeitpunkt errichtet werden, in dem derTestator weder Heimbewohner noch Heimbewerber war, so-fern im weiteren Verlauf die übrigen Tatbestandsvorausset-zungen des § 14 Abs. 1 HeimG hinzu treten, der Testator alsoin den Status eines „Bewerbers“ einrückt oder seine Heimauf-nahme noch erfolgt. Die letztwillige Verfügung ist und bleibtaber selbstverständlich dann wirksam, wenn es nachfolgendzu einer Bewerbung oder Aufnahme nicht (mehr) kommt.

Notarassessor Dr. Arne Everts, Würzburg

12 Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen vonTodes wegen, 2004, S. 106.13 Vgl. BT-Drucks. 14/6366, S. 16.14 BT-Drucks. 14/6366, S. 32.15 NJW-RR 1995, 1272.16 NJW-RR 1999, 2.

321MittBayNot 4/2005 Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht,Registerrecht

12. GmbHG § 13 Abs. 2 (Voraussetzungen der Haftungwegen „existenzvernichtenden Eingriffs“)

1. Der zur persönlichen Haftung des GmbH-Gesell-schafters führende Haftungstatbestand des „exis-tenzvernichtenden Eingriffs“ bezieht sich nicht aufManagementfehler bei dem Betrieb des Gesellschafts-unternehmens, sondern setzt einen gezielten, betriebs-fremden Zwecken dienenden Eingriff des Gesell-schafters in das Gesellschaftsvermögen voraus.

2. Eine Durchgriffshaftung des GmbH-Gesellschaftersgegenüber sämtlichen Gläubigern setzt einen Eingriffin den zu ihrer Befriedigung dienenden Haftungs-fonds der Gesellschaft voraus; der Entzug von Siche-rungsgut eines einzelnen Gläubigers genügt dafür nicht.

BGH, Urteil vom 13.12.2004, II ZR 256/02; mitgeteilt vonWolfgang Wellner, Richter am BGH

Der Kläger war von 1979 bis zum 30.6.1994 als Handelsvertreter fürdie G. GmbH tätig, welche Koffer und andere Reiseartikel herstellte.Ihr Geschäftsführer und mittelbarer Mehrheitsgesellschafter war derBeklagte. Er hielt 94 % der Anteile an der T. BV, die Alleingesell-schafterin der T. GmbH war; diese wiederum hielt 53,44 % der Ge-schäftsanteile der G. GmbH. Sie hatte gegenüber ihren ausländischenVertriebs-Tochtergesellschaften bereits ab 1992 überfällige Forde-rungen von ca. 3,8 Mio. DM, die in der Folge noch zunahmen. ImApril 1994 veräußerte die G. GmbH, vertreten durch den Beklagten,ihren gesamten – bereits vorher an ihre Hausbank zur Sicherung über-eigneten – Fertigwarenbestand zum Kaufpreis von ca. 3,6 Mio. DMund im Juni 1994 ihre ebenfalls sicherungsübereigneten Rohmateria-lien zum Kaufpreis von ca. 1,6 Mio. DM – jeweils mit zweijährigemZahlungsziel – an die Beklagte zu 2, die H. GmbH, welche den Kauf-preis nicht bezahlte und am 1.12.1995 in Konkurs ging. Bereits zuvoram 14.7.1994 war über das Vermögen der G. GmbH das Konkursver-fahren eröffnet worden, das schließlich im Mai 1999 mangels Masseeingestellt wurde.

Mit seiner Ende 1994 erhobenen Klage nimmt der Kläger den Be-klagten – das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 ist gemäß § 240 ZPOunterbrochen – u. a. nach den Grundsätzen der „Konzernhaftung“ so-wie wegen Konkursverschleppung auf Begleichung seiner aus derZeit nach November 1993 herrührenden Provisionsforderungen ge-gen die G. GmbH in Höhe von 128.371,53 DM (65.635,32 €) inAnspruch. Die erstinstanzlich abgewiesene Klage hatte in zweiterInstanz Erfolg. Dagegen richtet sich die – von dem Senat auf Nicht-zulassungsbeschwerde zugelassene – Revision des Beklagten.

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Entgegen der Ansicht der Revision geht das Berufungs-gericht allerdings zutreffend davon aus, dass der Kläger inseiner Berufungsbegründung die Gründe für die erstinstanz-liche Klageabweisung hinreichend angegriffen hat (§ 519Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F. i. V. m. § 26 Nr. 5 EGZPO) und seineBerufung daher zulässig war. In dem erstinstanzlichen Urteilvom 8.9.1999 wird ausgeführt, der Kläger könne von demBeklagten nach den Grundsätzen der Haftung im qualifiziertfaktischen Konzern in Anbetracht des (vermeintlich) nochnicht abgeschlossenen Konkursverfahrens über das Vermögender G. GmbH „zur Zeit“ nicht Zahlung, sondern nur Sicher-heit entsprechend § 303 AktG verlangen (vgl. dazu BGHZ 95,330, 347). Davon abgesehen sei die Klage aber auch deshalbunbegründet, weil die Beweisaufnahme einen Missbrauch derKonzernleitungsmacht des Beklagten nicht ergeben habe. Da

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der letztere Abweisungsgrund weiter reichte als der erste,genügte es, jenen in der Berufungsbegründung anzugreifen,und schadet es nicht, dass der Kläger erst in einem späterenSchriftsatz vorgetragen hat, das Konkursverfahren sei am17.5.1999 eingestellt worden (vgl. BGHZ 143, 169), was ervorher offenbar noch nicht wusste. Davon abgesehen hat derKläger seine Ansprüche in der Berufungsbegründung auchauf eine Haftung des Beklagten wegen Konkursverschlep-pung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG; dazuBGHZ 126, 181) gestützt und damit den ersten Abweisungs-grund des landgerichtlichen Urteils angegriffen. Unklarheitenüber den Umfang des eingelegten Rechtsmittels bestanden –entgegen der Ansicht der Revision – schon in Anbetracht desauf Zahlung und nicht nur auf Sicherheitsleistung gerichtetenBerufungsantrags nicht.

II. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei aufgrundseiner verschiedenen Gesellschaftsbeteiligungen als „Unter-nehmen“ anzusehen. Er habe seine Leitungsmacht zum einendadurch missbraucht, dass er die ungedeckt gebliebenen For-derungen der G. GmbH gegen ihre ausländischen Vertriebs-töchter 1991/92 ohne Wertberichtigung immer weiter habeanwachsen lassen, ohne auf alsbaldiger Zahlung zu bestehenoder nur noch gegen Vorkasse zu liefern. Solche Handlungs-weise entspreche nicht „kaufmännisch vernünftigem Wirt-schaften“, sondern zeige, dass er mit Rücksicht auf den Kon-zern Belange der G. GmbH vernachlässigt habe. Zum anderenhabe er seine Leitungsmacht durch zwei – Gegenstand seinerstrafgerichtlichen Verurteilung gewesene – Unterschlagungs-handlungen missbraucht, indem er die an die Hausbank der G. GmbH sicherungsübereigneten Fertigwaren und Rohmate-rialien an die Beklagte zu 2 mit langfristigem Zahlungszielveräußert habe. Die der G. GmbH durch diese Handlungenzugefügten Nachteile ließen sich durch Einzelansprüche ge-gen den Beklagten nicht mehr kompensieren, nachdem dasKonkursverfahren eingestellt worden sei und der Beklagteselbst die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO ab-gegeben habe. Er hafte deshalb für die Provisionsforderungendes Klägers entsprechend §§ 302 f. AktG. Offen bleibenkönne, ob der Vortrag des Klägers zu einer daneben geltendgemachten Haftung des Beklagten wegen Konkursverschlep-pung verspätet sei, was kaum anzunehmen sein dürfte.

III. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nichtstand.

1. Das angefochtene Urteil stützt sich auf die inzwischenüberholte – im Übrigen auch nicht richtig angewendete –Rechtsprechung des Senats zur Haftung im qualifiziert fakti-schen Konzern (vgl. dazu BGHZ 122, 123 m. w. N.). Nach derneueren Rechtsprechung des Senats (BGHZ 149, 10, 16 f.;150, 61, 67 f.; 151, 181, 186 f.) haftet der Gesellschafter einerGmbH für die Gesellschaftsschulden persönlich, wenn er aufdie Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rück-sicht nimmt und der Gesellschaft durch offene oder verdeckteEntnahmen ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerteentzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt(sog. „existenzvernichtender Eingriff“). Greift er auf das derGesellschaft überlassene und als Haftungsfonds erforderlicheVermögen zu und bringt dadurch die Gesellschaft in die Lage,ihre Verbindlichkeiten nicht mehr oder nur noch in geringe-rem Maß erfüllen zu können, missbraucht er die Rechtsformder GmbH. Damit verliert er grundsätzlich die Berechtigung,sich auf die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHGzu berufen, soweit sich die der Gesellschaft insgesamt zuge-fügten Nachteile nicht mehr quantifizieren lassen und dahernicht bereits durch Ansprüche nach §§ 30, 31 GmbHG ausge-glichen werden können (BGHZ 151, 181).

322 MittBayNot 4/2005Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

2. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtstragen eine Haftung des Beklagten nach diesen Grundsätzennicht.

a) Entgegen der Ansicht der Revision scheitert eine Haftungdes Beklagten nach obigen Grundsätzen zwar nicht daran,dass er nicht unmittelbar Gesellschafter der G. GmbH war.Der Hinweis der Revision auf das Senatsurteil vom 18.6.2001(II ZR 212/89, BGHZ 148, 123) geht fehl. Dieses Urteil be-trifft den konzernspezifischen Minderheitenschutz; hier dage-gen geht es um den Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubi-ger vor unerlaubten Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen.In diesem Rahmen ist – ebenso wie im Rahmen der §§ 30 f.GmbHG (vgl. BGHZ 81, 311, 315 f.; BGH, II ZR 70/98, NJW1999, 2822) – ein mittelbarer jedenfalls dann wie ein unmit-telbarer Gesellschafter zu behandeln, wenn er über eine zwi-schengeschaltete Holding einen beherrschenden Einfluss aufdie Gesellschaft ausüben kann (vgl. BGH, II ZR 206/02, ZIP2005, 117). Das ist bei dem Beklagten aufgrund seiner Mehr-heitsbeteiligung an der T. BV und deren mittelbarer Mehr-heitsbeteiligung an der G. GmbH der Fall. Er hat überdiesnach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Geschäfts-politik der G. GmbH – über seine Geschäftsführerfunktionhinaus – auch maßgeblich und nachhaltig bestimmt.

Dass der Beklagte die G. GmbH über eine ausländische Hol-ding beherrschte, steht der Anwendung deutschen Rechtsnicht entgegen. Maßgeblich ist hier wie auch im internatio-nalen Konzernrecht die Rechtsordnung, der die abhängigeGesellschaft untersteht (vgl. Emmerich/Habersack, Aktien-und GmbH-Konzernrecht, 3. Aufl., § 311 Rdnr. 21 m. w. N.).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt aberweder ein „Missbrauch der Leitungsmacht“ im Sinne derfrüheren Rechtsprechung des Senats noch ein unerlaubterEingriff des Beklagten in das Gesellschaftsvermögen imSinne der neueren Rechtsprechung des Senats darin, dass derBeklagte im Jahr 1992 fällige Forderungen gegen die auslän-dischen Vertriebstöchter der G. GmbH hat anwachsen lassen,diesen also Kredit gewährt hat. Die damit verbundene finan-zielle Stützung der Tochtergesellschaften kam mittelbar auchder G. GmbH nicht nur aufgrund ihres Anteilsbesitzes, son-dern vor allem deshalb zugute, weil die TochtergesellschaftenBestandteil des Vertriebssystems waren, auf das die G. GmbHfür den Absatz ihrer Produkte angewiesen war. Aus dieserSicht dienten die faktischen Forderungsstundungen – mangelshinreichender gegenteiliger Anhaltspunkte – der Förderungoder Erhaltung der Vertriebsorganisation der G. GmbH undwaren damit eine Maßnahme im Betrieb ihres Unternehmens.Dass der Beklagte dabei im Jahr 1992 zu großzügig verfuhrund erst ab 1993 – nach Ansicht des Berufungsgerichts zuspät – dazu überging, insbesondere die französische Vertriebs-tochter nur noch gegen Vorkasse zu beliefern, mag, wie dasBerufungsgericht feststellt, nicht einem „kaufmännisch ver-nünftigen Wirtschaften“ entsprochen haben und damit unterden gegebenen Umständen eine unternehmerische Fehlleis-tung gewesen sein. Der Haftungstatbestand des existenzver-nichtenden Eingriffs bezieht sich aber nicht auf Management-fehler im Rahmen des Betriebs des Unternehmens im weites-ten Sinne, sondern setzt den gezielten, betriebsfremden Zwe-cken dienenden Entzug von Vermögenswerten voraus, welchedie Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeitenbenötigt. Demgegenüber zeigt der – wenn auch verspätete –Übergang des Beklagten zu Vorkasselieferungen, dass er nichtdarauf abzielte, der G. GmbH die von ihr gelieferte Ware zumNachteil ihrer Gläubiger ohne Gegenleistung der Vertriebs-töchter zu entziehen, was ihm im Übrigen nur im Rahmeneines Gesamtplans, auch den Vertriebstöchtern die Ware oder

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den Veräußerungserlös zu entziehen, einen Vorteil gebrachthätte. Derartiges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.Ebenso wenig liegen hier hinreichende Anhaltspunkte füreine Haftung des Beklagten aus § 826 BGB wegen planmäßi-ger Vermögensverlagerung vor (vgl. BGH, II ZR 302/02, ZIP2004, 2138).

Soweit das Berufungsgericht dem Beklagten vorhält, dass ereine nach Sachlage gebotene Wertberichtigung der stehen-gelassenen Forderungen unterlassen habe, hat das mit den o. g. Haftungsgrundlagen nichts zu tun; dieser Gesichtspunktkönnte allerdings für eine etwaige Haftung des Beklagten we-gen Konkursverschleppung von Bedeutung sein (§ 823 Abs. 2BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG; dazu BGHZ 126, 181). Ab-schließende Feststellungen dazu hat das Berufungsgerichtnicht getroffen.

c) Schließlich lässt sich, wie die Revision zu Recht rügt,eine Durchgriffshaftung des Beklagten auch nicht auf dessen„Unterschlagungshandlungen“ stützen, die Gegenstand seinerstrafgerichtlichen Verurteilung gewesen sind. Sie betrafenFertigwaren und Rohmaterialien, welche die G. GmbH anihre Bank zur Sicherung übereignet hatte. Indem der Beklagtedas – für die Bank „reservierte“ – Sicherungsgut namens derG. GmbH außerhalb des regulären Geschäftsgangs gegenlangfristiges Zahlungsziel an die Beklagte zu 2 veräußerte,beging er zwar eine Unterschlagung gegenüber der Bank,griff aber insoweit nicht zum Nachteil der übrigen Gesell-schaftsgläubiger unter Einschluss des Klägers in das Gesell-schaftsvermögen ein. Ein Wegfall der Haftungsbeschränkungdes § 13 Abs. 2 GmbHG und damit eine Durchgriffshaftungdes Gesellschafters gegenüber sämtlichen Gesellschaftsgläu-bigern (vgl. oben III 1) kommt nur bei einem Eingriff in denzu ihrer Befriedigung dienenden Haftungsfonds in Betracht.

IV. Nach allem kann das angefochtene Urteil mit der ihmvon dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht be-stehen bleiben. Die Sache ist aber nicht entscheidungsreif,weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen unterBerücksichtigung der nunmehrigen Rechtsprechung des Se-nats bedarf. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die vondem Berufungsgericht nur unter dem verfehlten Gesichts-punkt der Unterschlagung gewürdigte Verlagerung nicht nurdes Warenbestandes, sondern – nach den von dem Berufungs-gericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellun-gen des Landgerichts – auch des Vertriebssystems sowie desKundenstamms der G. GmbH auf die offenbar ebenfalls vondem Beklagten beherrschte Beklagte zu 2. Es liegt nahe, dassder G. GmbH durch die von dem Beklagten vorgenommenenEingriffe in ihrer Gesamtheit (vgl. BGH, II ZR 206/02) dieExistenzgrundlage entzogen wurde, wofür auch das wenigspäter eröffnete Konkursverfahren spricht. Abgesehen davon,dass sie keinen Ausgleich für die Übertragung ihres Kunden-stamms erhielt, stand ihr infolge des von dem Beklagten zu 1zugunsten der Beklagten zu 2 vereinbarten langfristigen Zah-lungsziels von zwei Jahren aktuell weder der – ihre Bank-verbindlichkeiten evtl. übersteigende – Gegenwert für dieveräußerten Waren zur Verfügung, noch konnte sie durch denVerkauf der Waren im regulären Geschäftsbetrieb nennens-werte Einnahmen zur Deckung ihrer laufenden Kosten erzie-len. Ihr alsbaldiger Zusammenbruch war damit vorprogram-miert.

Wie der Senat bereits entschieden hat, kann der Gesellschaf-ter einer GmbH den Gesellschaftsgläubigern auch dannwegen existenzvernichtenden Eingriffs oder auch aus § 826BGB haftbar sein, wenn er der Gesellschaft Geschäfts-chancen und Ressourcen mit dem Ziel entzieht, sie auf eineandere von ihm beherrschte Gesellschaft zu verlagern (BGH,

323MittBayNot 4/2005 Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

ZIP 2004, 2138; BGH ZIP 2005, 117). Das setzt allerdingsvoraus, dass wirtschaftlich verwertbare Geschäftschancenüberhaupt noch bestanden, deren Nutzung eine günstigereGestaltung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft imHinblick auf ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlich-keiten ermöglicht hätte. Ist dies der Fall, haftet der Gesell-schafter wegen existenzvernichtenden Eingriffs der Höhenach unbeschränkt, sofern nicht die zugefügten Nachteilebereits nach den Regeln der §§ 30 f. GmbHG ausgeglichenwerden können oder der Gesellschafter nachweist, dass derGesellschaft im Vergleich zu der Vermögenslage bei red-lichem Verhalten nur ein begrenzter – und dann in diesemUmfang auszugleichender – Nachteil entstanden ist. Einemasselose Insolvenz der Gesellschaft schließt einen solchenNachweis nicht aus (BGH, ZIP 2005, 117).

Zu den unter den genannten Gesichtspunkten zu prüfendenVerhältnissen der G. GmbH hat das Berufungsgericht keineFeststellungen getroffen. Die Zurückverweisung gibt ihmGelegenheit, dies nachzuholen. Weiter wird das Berufungs-gericht erforderlichenfalls auch eine Haftung des Beklagtengegenüber dem Kläger aus Konkursverschleppung (§ 823Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG) zu prüfen haben.

13. §§ 11, 15 GmbHG (Fehlerhafter Gesellschafterwechselin der Vor-GmbH)

1. Vor der Eintragung einer GmbH in das Handels-register bestehen noch keine Geschäftsanteile. EinGesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft ist dahernur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertragesmöglich.

2. Auf einen fehlerhaften Gesellschafterwechsel in derVorgesellschaft sind die Grundsätze der fehlerhaftenGesellschaft nicht anwendbar.

BGH, Urteil vom 13.12.2004, II ZR 409/02

Die Klägerin schloss mit der nicht im Handelsregister eingetragenenZ. GmbH einen Subunternehmervertrag, aus dem ihr ein Restwerk-lohn i. H. v. 34.991,34 € zusteht. Die Z. GmbH war 1997 von denGesellschaftern Za., K., A. und M. Kr. gegründet worden. Jeder Ge-sellschafter sollte einen Geschäftsanteil i. H. v. 12.500 DM überneh-men. M. Kr. übertrug ihren Anteil teilweise auf den MitgesellschafterZa. und teilweise auf ihren Ehemann B. Kr. Dieser erklärte sodannseinen Austritt aus der Gesellschaft. Nach zwischenzeitlichem Ab-schluss des Subunternehmervertrages mit der Klägerin übertrug Za. mit notariellem Vertrag vom 16.1.1998 seinen Anteil teilweise,nämlich i. H. v. 10.000 DM, auf den Beklagten. Der Anteil von B. Kr.und weitere Teil-Anteile der übrigen Gesellschafter wurden auf einenweiteren Erwerber N. übertragen. Auf diese Weise sollten Za., K., A.,der Beklagte und N. mit je 10.000 DM an der Gesellschaft beteiligtsein. Noch am 16.1.1998 hielten diese Personen eine Gesellschafter-versammlung ab.

Auch in der Folgezeit kam es nicht zu der Eintragung der Gesell-schaft im Handelsregister. Am 9.4.1998 stellte die Gesellschaft ihreGeschäftstätigkeit ein. Ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvoll-streckungsverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. Mit Schrei-ben vom 27.5.1998 erklärte der Beklagte die Anfechtung seiner Bei-trittserklärung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung.

Die Klägerin meint, der Beklagte sei Mitglied der Vorgesellschaft ge-worden und hafte als solches für die Verbindlichkeiten der Gesell-schaft persönlich. Dementsprechend nimmt sie ihn auf Zahlung desRestwerklohns in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr teilweise stattgegeben. Dagegen richten sich die in dem ange-fochtenen Urteil zugelassenen Revisionen beider Parteien.

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Aus den Gründen:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Rechtsmitteldes Beklagten hat dagegen Erfolg und führt zur vollständigenKlageabweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei nichtGesellschafter der Z. GmbH in Gründung geworden, weil indem Gründungsstadium einer GmbH eine Anteilsübertragungunwirksam sei und ein neuer Gesellschafter nur durch eineÄnderung des Gesellschaftsvertrages aufgenommen werdenkönne, zu der es hier nicht gekommen sei. Dennoch hafte derBeklagte, weil er sich nach den Grundsätzen über die fehler-hafte Gesellschaft wie ein Gesellschafter der Vorgesellschaftbehandeln lassen müsse. Die Gesellschaft sei werbend tätiggewesen. Auf die Anfechtbarkeit der Beitrittserklärungkomme es nicht an, weil die Anfechtung jedenfalls nur für dieZukunft wirksam sein könne. Nach den somit anwendbarenGrundsätzen der Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschaf-ter hafte der Beklagte für die Schulden der Vorgesellschaft un-beschränkt, allerdings nur anteilmäßig entsprechend seinerBeteiligung an der Gesellschaft. Da die Gesellschaft vermö-genslos sei, bestehe insoweit eine Außenhaftung im Verhältniszu den Gesellschaftsgläubigern.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten revisions-rechtlicher Überprüfung stand.

1. Zutreffend und von den Revisionen auch nicht bean-standet ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, derBeklagte sei nicht Gesellschafter der Vorgesellschaft gewor-den. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht vor der Ein-tragung der GmbH noch kein Geschäftsanteil, der übertragenwerden kann. Möglich ist nur die Übertragung des künftigenGeschäftsanteils, die aber erst mit der Eintragung der GmbHin das Handelsregister wirksam wird. Zuvor ist eine Verände-rung des Gesellschafterkreises nur durch eine Änderung desGesellschaftsvertrages möglich (BGHZ 29, 300, 303; BGH, IIZR 123/94, NJW 1997, 1507, insoweit in BGHZ 134, 333nicht abgedruckt). Eine solche Vertragsänderung ist hier nichterfolgt, weil nicht alle Mitglieder der Vorgesellschaft an dernotariellen Vereinbarung vom 16.1.1998 beteiligt waren. Esfehlte M. Kr., die ihre Mitgliedschaft wiederum nicht wirk-sam auf den Mitgesellschafter Za. und ihren Ehemann B. Kr.übertragen hatte. Selbst wenn seinerzeit eine Änderung desGesellschaftsvertrages beabsichtigt gewesen sein sollte, fehltees für deren Wirksamkeit an der notariellen Beurkundung,wie das Berufungsgericht fehlerfrei festgestellt hat.

2. Unzutreffend ist aber die Auffassung des Berufungsge-richts, der Beklagte sei nach den Grundsätzen der fehlerhaftenGesellschaft wie ein Gesellschafter der Vorgesellschaft zubehandeln.

Für den Fall einer mit einem Rechtsmangel behafteten Über-tragung eines GmbH-Anteils hat der Senat unter Aufgabe sei-ner früheren Rechtsprechung angenommen, dass die Grund-sätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht anwendbar sind, dieAnteilsübertragung also von Anfang an unwirksam ist (BGH,II ZR 25/89, NJW 1990, 1915, 1916; BGH, II ZR 3/94, ZIP1995, 1085, 1086; anders noch BGH, II ZR 154/73, WM1975, 512, 514). Die Gesellschaft ist lediglich nach § 16 Abs. 1 GmbHG berechtigt und verpflichtet, denjenigen alsGesellschafter zu behandeln, der als Erwerber des Geschäfts-anteils bei ihr angemeldet ist. Damit ist ihrem Schutzbedürf-nis in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Eines zusätz-

324 MittBayNot 4/2005Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

lichen Schutzes durch die Anwendung der Grundsätze derfehlerhaften Gesellschaft bedarf es nicht.

Das Berufungsgericht hat gemeint, diese Rechtsprechung seiauf die fehlerhafte Anteilsübertragung in einer Vorgesell-schaft nicht übertragbar, weil sie auf nur für die eingetrageneGmbH geltende Vorschriften abstelle (ebenso für das Perso-nengesellschaftsrecht Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 105Rdnr. 94; anders K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6V 2 b; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 705 Rdnr. 374).Dem ist nicht zu folgen. Auf die Vorgesellschaft sind die fürdie GmbH geltenden Regeln anzuwenden, soweit sie nichteine Eintragung im Handelsregister voraussetzen. Diese Aus-nahme greift hier nicht ein. Das Erfordernis einer Gesell-schaftsvertragsänderung zur Auswechslung eines Gesell-schafters setzt gerade voraus, dass die Gesellschaft noch nichtim Handelsregister eingetragen ist.

Danach ist der Beklagte nicht wie ein Gesellschafter der Z. GmbH in Gründung zu behandeln. Als er und der Gesell-schafter Za. am 16.1.1998 die Anteilsübertragung vereinbar-ten, bestand die Gesellschaft noch als Vorgesellschaft. Nachder Feststellung des Berufungsgerichts wurde die Eintragungin das Handelsregister nämlich jedenfalls noch bis zum30.1.1998 betrieben.

3. An dieser Rechtslage hat sich in der Folgezeit nichtsgeändert. Zwar hat die Vorgesellschaft ihre Absicht, die Ge-sellschaftsgründung in das Handelsregister eintragen zu las-sen, aufgegeben. Damit mag sie zu einer OHG oder GbR ge-worden sein (vgl. BGHZ 80, 129, 142 f.; offen gelassen inBGHZ 134, 333, 341). Der Kreis der Gesellschafter hat sichdadurch aber nicht verändert.

4. Nach allem kommt allein eine Haftung des Beklagtennach Rechtsscheinsgrundsätzen in Betracht. Aber auch derenVoraussetzungen sind nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben,ob der Beklagte durch die Teilnahme an der Gesellschafter-versammlung vom 16.1.1998 oder durch ein späteres Verhal-ten nach außen den Rechtsschein gesetzt hat, Gesellschafterder Vorgesellschaft zu sein, oder ob es sich dabei nur um in-terne, allein die Gesellschafter betreffende Vorgänge gehan-delt hat. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht auf einenetwaigen Rechtsschein vertraut. Der Subunternehmervertrag,aus dem sie ihren Anspruch herleitet, war schon zuvor ge-schlossen worden.

14. BRAO §§ 59 c, 59 h (Umwandlung einer Rechtsanwalts-GmbH in eine Rechtsanwalts-AG)

1. Die Umwandlung einer als Rechtsanwaltsgesellschaftzugelassenen GmbH in eine Aktiengesellschaft recht-fertigt nach § 59 h Abs. 3 i. V. m. § 59 c Abs. 1 BRAOden Widerruf der Zulassung als Rechtsanwaltsgesell-schaft.

2. Eine Aktiengesellschaft hat Anspruch auf Zulassungals Rechtsanwaltsgesellschaft, sofern sie die wesent-lichen Voraussetzungen für die Zulassung in Anleh-nung an die §§ 59 c ff. BRAO erfüllt. (Leitsatz derSchriftleitung)

BGH, Beschluss vom 10.1.2005, AnwZ (B) 27/03 und AnwZ(B) 28/03

Die 2000 gegründete „DWP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH“ wurde2001 in das Handelsregister eingetragen und als Rechtsanwaltsge-sellschaft nach § 59 c BRAO zugelassen. Nach Maßgabe des Be-

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schlusses der Gesellschafterversammlung vom 27.9.2001 entstanddurch Umwandlung im Wege des Formwechsels dieser Gesellschaftdie „DWP Rechtsanwaltsaktiengesellschaft“, die am 14.2.2002 in dasHandelsregister eingetragen wurde. Die Antragsgegnerin widerriefmit Verfügung vom 18.6.2002 gegenüber der Antragstellerin die der„DWP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH“ erteilte berufsrechtliche Zu-lassung als Rechtsanwaltsgesellschaft; mit einem weiteren Bescheidvom selben Tag lehnte die Antragsgegnerin den von der Antragstelle-rin hilfsweise gestellten Antrag ab, in der Rechtsform der Aktien-gesellschaft erneut als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zuwerden. Der Anwaltsgerichtshof hat die Anträge auf gerichtlicheEntscheidung zurückgewiesen. Dagegen richten sich die sofortigenBeschwerden der Antragstellerin.

Aus den Gründen:I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin im Verfahrenüber den Widerruf der Zulassung als Rechtsanwaltsgesell-schaft (AnwZ (B) 27/03) ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3,Abs. 4 BRAO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Dieberufsrechtliche Zulassung der Antragstellerin als Rechts-anwaltsgesellschaft ist von der Antragsgegnerin nach demFormwechsel der Gesellschaft mit Recht widerrufen worden.

Nach § 59 h Abs. 3 BRAO ist die berufsrechtliche Zulassungals Rechtsanwaltsgesellschaft unter anderem dann zu wider-rufen, wenn die Rechtsanwaltsgesellschaft nicht mehr dieVoraussetzungen des § 59 c BRAO erfüllt. Dies ist bei der An-tragstellerin der Fall. Sie ist nicht mehr, wie es § 59 c Abs. 1BRAO für die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ver-langt, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Dem Widerruf steht nicht entgegen, dass die Antragstellerinihre Rechtsform durch einen Formwechsel nach §§ 190 ff.UmwG geändert hat. Trotz des identitätswahrenden Charak-ters der formwechselnden Umwandlung war die Antragsgeg-nerin zum Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung berech-tigt, weil die Zulassung von personenbezogenen Vorausset-zungen abhängt (insbesondere §§ 59 e und 59 f BRAO), derenFortbestand bei einem Formwechsel der Gesellschaft nichtgewährleistet ist. Die erteilte Zulassung geht deshalb, wie be-reits der Bundesfinanzhof ausgeführt hat, bei einer Umwand-lung nicht automatisch mit über, sondern muss neu erteiltwerden (BFH, Beschluss vom 3.6.2004, IX B 71/04, GmbHR2004, 1105 = BFH/NV 2004, 1290). Dem schließt sich derSenat an.

II.

Die sofortige Beschwerde in dem Verfahren über den Hilfs-antrag der Antragstellerin, in ihrer geänderten Rechtsform alsAktiengesellschaft erneut als Rechtsanwaltsgesellschaft zu-gelassen zu werden (AnwZ (B) 28/03), ist begründet undführt zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, über diesenAntrag neu zu entscheiden.

Die Antragstellerin kann – unter bestimmten Voraussetzungen– auch in ihrer neuen Rechtsform als Aktiengesellschaft be-anspruchen, als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu wer-den. Dies ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus der Bun-desrechtsanwaltsordnung, denn die §§ 59 c ff. BRAO sehendie Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwalts-gesellschaft nicht vor. Gleichwohl hat auch eine Aktiengesell-schaft einen dahingehenden Anspruch, sofern sie die wesent-lichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Kapitalgesell-schaft als Rechtsanwaltsgesellschaft in Anlehnung an die Be-stimmungen in §§ 59 c ff. BRAO erfüllt. Dies folgt aus höher-rangigem Recht (Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG).

1. Die Aktiengesellschaft hat als juristische Person des Pri-vatrechts gemäß Art. 12 Abs. 1 GG das Grundrecht auf freieBerufswahl. Daraus folgt ihr Recht, Aufträge zu übernehmen,

325MittBayNot 4/2005 Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören, wenn ihrnicht eine solche Tätigkeit durch Regelungen verboten ist, diemit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind. Denn für die Beurtei-lung, ob eine Aktiengesellschaft Anwaltsaufträge überneh-men darf, kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob es gesetz-liche Bestimmungen gibt, die diese Tätigkeit zulassen; viel-mehr ist umgekehrt zu prüfen, ob es rechtliche Regelungengibt, die eine entsprechende Berufsausübung verbieten, undob solche Regelungen, falls und soweit sie bestehen, mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind (BGHZ 124, 224, 225 zurTätigkeit einer Zahnbehandlungs-GmbH). Ein solches gesetz-liches Verbot für die Tätigkeit einer Aktiengesellschaft aufdem Gebiet der anwaltlichen Berufsausübung besteht nicht,so dass eine derartige Tätigkeit grundsätzlich zulässig ist (so bereits BayObLG, NJW 2000, 1647; Henssler/Prütting,BRAO, 2. Aufl., vor § 59 c Rdnr. 18 f.; vgl. auch Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59 a Rdnr. 34 und § 59 c Rdnr. 8).

a) Aus der Bundesrechtsanwaltsordnung ergibt sich nichtsGegenteiliges. Zwar sieht § 59 c Abs. 1 BRAO nur vor, dassGesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Unterneh-mensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsange-legenheiten ist, unter den in § 59 d BRAO näher bestimmtenVoraussetzungen als Rechtsanwaltsgesellschaften zugelassenwerden können. Daraus folgt aber nicht, dass einer Aktienge-sellschaft der Zugang zur Beratung und Vertretung in Rechts-angelegenheiten deshalb verwehrt wäre, weil sie aufgrundihrer Rechtsform nicht die Voraussetzungen nach § 59 c ff.BRAO erfüllt. Diese Regelungen enthalten kein gesetzlichesVerbot für ein Tätigwerden einer Aktiengesellschaft auf demGebiet anwaltlicher Berufsausübung, so dass sich die Frage,ob ein solches Verbot mit der in Art. 12 Abs. 1 GG auch einerAktiengesellschaft gewährten Berufswahlfreiheit und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wäre (verneinend Henssler/Prüt-ting, a. a. O., Rdnr. 20), nicht stellt. Aus der Begründung derBundesregierung für den Entwurf eines Gesetzes zur Ände-rung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsord-nung und anderer Gesetze (BT-Drucks. 13/9820) ist zu ent-nehmen, dass sich der Gesetzentwurf, dessen §§ 59 c ff.BRAO im Wesentlichen unverändert verabschiedet wordensind, auf die Regelung der Rechtsanwalts- und Patentanwalts-gesellschaft mit beschränkter Haftung beschränken und „zurFrage der Zulassung anderer Gesellschaftsformen – insbeson-dere von Aktiengesellschaften – als Anwaltsgesellschaftenkeine Aussage“ machen wollte (a. a. O., S. 11). Die aus denGesetzesmaterialien erkennbare Absicht des Gesetzgebers,sich einer Stellungnahme zur berufsrechtlichen Zulassungeiner Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft be-wusst zu enthalten, steht zwar – methodisch – einer berufs-rechtlichen Zulassung von Aktiengesellschaften im Wegeeiner schlichten Analogie zu den Bestimmungen in §§ 59 c ff.BRAO entgegen, weil es insoweit an einer planwidrigenUnvollständigkeit der gesetzlichen Regelung fehlt. Aus demRegelungsverzicht hinsichtlich der berufsrechtlichen Zulas-sung von Aktiengesellschaften ist aber ein – indirektes – ge-setzliches Verbot für den Zugang einer Aktiengesellschaft zuranwaltlichen Berufstätigkeit nicht herzuleiten (vgl. BFH,Urteil vom 11.3.2004, VII ZR 15/03, NJW 2004, 1974, undBeschluss vom 22.10.2003, I B 168/03, BFH/NV 2004, 224,jeweils m. w. N.; BayObLG, a. a. O.; Henssler/Prütting, a. a. O.,Rdnr. 19 m. w. N.; a. A. Kempter/ Kopp, NJW 2004, 3605,3606). Ein auf ein Verbot gerichtetes gesetzgeberisches Wol-len muss sich aus dem gesetzlichen Regelungswerk mit hin-reichender Deutlichkeit ergeben, wenn dadurch – wie hier –erheblich in grundrechtsrelevante Positionen eingegriffenwürde (BVerfGE 98, 49, 59 f.). Dazu ist die Formulierung inder Gesetzesbegründung, zur berufsrechtlichen Zulassung

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von Aktiengesellschaften „keine Aussage“ zu machen (a. a. O.,S. 11) zu ungenau. Da der Gesetzgeber ein dahingehendesVerbot somit nicht ausgesprochen hat, ist es den Gerichtenverwehrt, ein solches Verbot durch eigene Rechtssätze zuentwickeln, die das Recht der Aktiengesellschaft auf Zugangzur anwaltlichen Berufstätigkeit einschränken würden (vgl.BVerfGE 34, 293, 300 ff.; BGHZ 124, 224, 229 f.).

b) Auch aus den Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzesergibt sich kein Verbot des Zugangs einer Aktiengesellschaft zuranwaltlichen Berufstätigkeit. Das Rechtsberatungsgesetz hateine andere Zielrichtung (vgl. BayObLG, NJW 1995, 199, 201zur Rechtslage vor der gesetzlichen Regelung der Rechtsan-walts-GmbH). Die Berufsausübung der zugelassenen Rechts-anwälte wird vom Rechtsberatungsgesetz nicht berührt (§ 3RBerG). Ob ein Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft besteht, regelt das Rechtsberatungsgesetz nicht.

2. Der Anspruch einer Aktiengesellschaft auf Zugang zuranwaltlichen Berufstätigkeit durch Zulassung als Rechtsan-waltsgesellschaft ist verfassungsrechtlich begründet in Art. 12Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG (ebenso BFH, Urteil vom11.3.2004, a. a. O., und Beschluss vom 22.10.2003, a. a. O.,jeweils m. w. N.; BayObLG, a. a. O., m. w. N., Henssler/Prüt-ting, a. a. O., Rdnr. 11 ff.; vgl. auch Feuerich/Weyland, a. a. O.;a. A. Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605, 3607 f.).

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits aus der gesetz-lichen Anerkennung von Aktiengesellschaften als Steuerbe-ratungsgesellschaften (§ 49 Abs. 1 StBerG) und als Wirt-schaftsprüfungsgesellschaften (§ 28 WiPrO) der Anspruchvon Rechtsanwälten herzuleiten ist, sich beruflich in gleicherWeise wie Steuerberater und Wirtschaftprüfer in einer Aktien-gesellschaft zusammenschließen zu dürfen und auch in dieserRechtsform zur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen zuwerden. Jedenfalls nachdem der GmbH die berufsrechtlicheZulassung als Rechtanwaltsgesellschaft durch §§ 59 c ff.BRAO eröffnet worden ist, darf die Aktiengesellschaft inberufsrechtlicher Hinsicht nicht schlechter stehen als dieGmbH, sofern die Aktiengesellschaft – abgesehen von ihrerRechtsform – die wesentlichen Erfordernisse für die Zulas-sung als Rechtsanwaltsgesellschaft ebenso erfüllt wie dieGmbH. Mit Erwägungen, dass die anwaltliche Berufsaus-übung durch eine Kapitalgesellschaft mit dem gesetzlich undgewohnheitsrechtlich umrissenen Berufsbild des Rechtsan-walts grundsätzlich nicht vereinbar sei, kann der Aktienge-sellschaft der Zugang zur anwaltlichen Berufsausübung nichtmehr verwehrt werden, nachdem der Gesetzgeber die GmbHzur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen hat. Wenn dieAktiengesellschaft in einer ihrer Rechtsform entsprechendenWeise den wesentlichen Anforderungen genügt, die an dieZulassung einer Kapitalgesellschaft als Rechtsanwaltsgesell-schaft zu stellen sind und die in §§ 59 c ff. BRAO für die Zu-lassung einer GmbH ihren Niederschlag gefunden haben,dann folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot(Art. 3 Abs. 1 GG) ihr Anspruch, ebenfalls als Rechtsanwalts-gesellschaft zugelassen zu werden. Denn die Grundrechte ausArt. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG binden Gesetzgebung,vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar gel-tendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG). Die Unterschiede zwischender Rechtsform einer Aktiengesellschaft und einer GmbHrechtfertigen – für sich genommen – keine Differenzierung inder Behandlung beider Kapitalgesellschaften, soweit es umderen Zugang zur anwaltlichen Berufsausübung geht, auf den beide Gesellschaften als juristische Personen aus Art. 12Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gleichermaßen Anspruch haben.

b) Der Auffassung, eine Aktiengesellschaft könne – andersals eine GmbH – wegen der fehlenden gesetzlichen Normen

326 MittBayNot 4/2005Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

für ein Zulassungsverfahren nach der Bundesrechtsanwalts-ordnung nicht als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen,sondern nur als Organisations- oder Besitzgesellschaft tätigwerden (Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605, 3607), kann nichtgefolgt werden. Es mag dahinstehen, ob die in der Beschrän-kung auf eine Organisations- oder Besitzgesellschaft liegendeEinschränkung der Berufswahlfreiheit einer Kapitalgesell-schaft verfassungsrechtlich zulässig gewesen wäre, als dieRegelungen der §§ 59 c ff. BRAO über die berufsrechtlicheZulassung einer GmbH noch nicht galten. Jedenfalls nachdemder Gesetzgeber den Anspruch einer GmbH, unter bestimm-ten Voraussetzungen als Rechtsanwaltsgesellschaft auch zuranwaltlichen Berufsausübung zugelassen zu werden, normierthat, kann eine Aktiengesellschaft ebenfalls beanspruchen,nicht nur als Organisations- oder Besitzgesellschaft tätigwerden zu können, sondern als Rechtsanwaltsgesellschaft zurBerufsausübung zugelassen zu werden, wenn auch sie diewesentlichen Voraussetzungen erfüllt, die für die Zulassungeiner Kapitalgesellschaft gelten.

3. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassungeiner Kapitalgesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft sindzunächst in der Rechtsprechung für die berufsrechtliche Zu-lassung einer GmbH herausgearbeitet worden, als diese ge-setzlich noch nicht geregelt war. In den Bestimmungen der §§ 59 c ff. BRAO sind sie vom Gesetzgeber präzisiert undweiterentwickelt worden. Daran hat sich die Zulassung einerAktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft auszurich-ten, solange eine gesetzliche Normierung der Zulassungsvor-aussetzungen hinsichtlich der Rechtsanwaltsaktiengesell-schaft fehlt. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte be-reits in seinem Beschluss vom 24.11.1994 (NJW 1995, 199),in dem über die grundsätzliche Zulässigkeit des Zusammen-schlusses von Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsaus-übung in einer Kapitalgesellschaft erstmals entschieden wor-den ist, ausgeführt, dass in einer Anwalts-GmbH die Wesens-merkmale des Anwaltsberufes als eines freien Berufes – ins-besondere die Eigenverantwortung und Weisungsfreiheit inder Berufsausübung – durch entsprechende Bestimmungenim Gesellschaftsvertrag gewahrt bleiben müssten, und hattedaraus Mindestanforderungen für die Zulässigkeit und füreine gesetzliche Normierung der Anwalts-GmbH abgeleitet.Diese Entscheidung und der durch sie eingeleitete Auf-fassungswandel über die – verfassungsrechtlich gebotene –Zulässigkeit einer Anwalts-GmbH sind Anlass für die Rege-lung der Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftunggewesen (vgl. Henssler/Prütting, a. a. O., Rdnr. 5). Der Ge-setzgeber hat sich bei der Regelung der §§ 59 c ff. BRAO vondieser Entscheidung leiten lassen; die Begründung des Regie-rungsentwurfs zu §§ 59 c ff. BRAO nimmt ausdrücklich aufsie Bezug (BT-Drucks. 13/9820, S. 11). Nur wenn die Aktien-gesellschaft die wesentlichen Voraussetzungen für die berufs-rechtliche Zulassung einer Kapitalgesellschaft, die gegenwär-tig in §§ 59 c ff. BRAO für die GmbH gesetzlich festgelegtsind, durch entsprechende Bestimmungen in ihrer Satzungwahrt, hat sie aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG ebensowie die GmbH Anspruch auf Zugang zur anwaltlichen Be-rufsausübung durch Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaftin einem § 59 g BRAO entsprechenden Zulassungsverfahren.

Als notwendige Voraussetzung für die berufsrechtliche Zulas-sung einer Aktiengesellschaft müssen danach – in Anlehnungan § 59 c ff. BRAO – folgende Erfordernisse durch die Sat-zung der Aktiengesellschaft zuverlässig sichergestellt sein(vgl. dazu auch Henssler/Prütting, a. a. O., Rdnr. 16 ff.):

– die Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit der inder Aktiengesellschaft tätigen Rechtsanwälte;

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– die Beschränkung des Unternehmensgegenstandes auf dieÜbernahme von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit vonRechtsanwälten gehören (§ 3 Abs. 1 BRAO), und das Ver-bot eines beruflichen Zusammenschlusses für die Aktien-gesellschaft (vgl. § 59 c Abs. 1 und 2 BRAO);

– hinsichtlich der Aktionäre die Einhaltung der auch für dieGesellschafter einer GmbH geltenden Bestimmungen in § 59 e BRAO, insbesondere die Beschränkung des Kreisesder Aktionäre auf in der Gesellschaft beruflich tätigeRechtsanwälte und Angehörige der in § 59 a Abs. 1 Satz 1,Abs. 3 BRAO genannten Berufe (vgl. § 59 e Abs. 1 Satz 1und 2 BRAO);

– Anforderungen an den Vorstand und den Aufsichtsrat derAktiengesellschaft, wie sie in § 59 f BRAO für die Ge-schäftsführung und – entsprechend – auch für den fakul-tativen Aufsichtsrat einer GmbH gelten (zum Aufsichtsratder GmbH: Henssler/Prütting, a. a. O., § 59 f Rdnr. 9 ff.).

Darüber hinaus müssen die allgemeinen, nicht spezifisch ge-sellschaftsrechtlichen Voraussetzungen nach § 7 Nr. 9, § 59 dNr. 2 BRAO (kein Vermögensverfall) und nach § 59 d Nr. 3,§ 59 j BRAO (hinreichende Berufshaftpflichtversicherung derRechtsanwaltsgesellschaft; vgl. auch § 12 Abs. 2 Satz 2, § 14Abs. 2 Nr. 9, § 51 BRAO zur Berufshaftpflicht des Rechts-anwalts) gegeben sein.

Erfüllt die Aktiengesellschaft nach ihrer Zulassung als Rechts-anwaltsgesellschaft diese Voraussetzungen nicht mehr, soführt dies in gleicher Weise zum Erlöschen, zur Zurücknahmeoder zum Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung wie beider GmbH (vgl. § 59 h BRAO).

Um die erforderliche Überprüfung der Zulassungsvorausset-zungen und ihres Fortbestandes zu ermöglichen, unterliegt dieihre Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft beantragendeebenso wie die bereits zugelassene Aktiengesellschaft derPflicht zur Transparenz hinsichtlich ihrer für die Zulassungmaßgeblichen Verhältnisse. Sie hat deshalb – in gleicherWeise, wie jeder Rechtsanwalt – an der Ermittlung des Sach-verhalts mitzuwirken (§ 36 a Abs. 2 BRAO) und hat – ebensowie die GmbH (§ 59 m Abs. 1 BRAO) – jede Änderung derSatzung, der Aktionäre, des Vorstands und des Aufsichtsratessowie die Errichtung oder Auflösung von Zweigniederlassun-gen der Landesjustizverwaltung und der Rechtsanwaltskam-mer unverzüglich anzuzeigen. Dazu ist sie, was die Zusam-mensetzung des Kreises der Aktionäre angeht, dann in derLage, wenn die Aktien nach der Satzung – wie hier – als vin-kulierte Namensaktien ausgegeben werden, deren Übertra-gung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden bleibt (§ 68 Abs. 2 AktG). Im Übrigen gelten auch für die alsRechtsanwaltsgesellschaft zugelassene Aktiengesellschaft dieanwaltlichen Berufspflichten sinngemäß (vgl. die für dieGmbH geltende Verweisung in § 59 m Abs. 2 BRAO).

4. Da die Antragsgegnerin eine Prüfung des Zulassungs-antrags nach Maßgabe der vorgenannten Voraussetzungenbislang nicht vorgenommen hat, ist dies nachzuholen. In die-sem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass gegendie Satzung der Antragstellerin insoweit Bedenken bestehen,als die Bestimmung in § 2 Nr. 4 Satz 2 (Möglichkeit der Be-teiligung der Gesellschaft an gleichartigen oder ähnlichenUnternehmen) gegen das Verbot einer Beteiligung an Zu-sammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübungverstößt (vgl. § 59 c Abs. 2 BRAO). Auch genügt die Sat-zungsbestimmung in § 4 Nr. 3 über die Aktionäre der Antrag-stellerin den Anforderungen nicht hinreichend. Zwar ist durchdie Beschränkung der Aktien auf Namensaktien, die nur mitZustimmung der Gesellschaft übertragbar sind (§ 4 Nr. 2,Nr. 3 Satz 1 der Satzung), die erforderliche Transparenz hin-

327MittBayNot 4/2005 Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

sichtlich der Aktionäre der Antragstellerin sichergestellt. Je-doch erfüllt § 4 Nr. 3 Satz 2 der Satzung („Über die Erteilungder Zustimmung beschließt die Hauptversammlung.“) nichtdas Erfordernis, dass – ebenso wie bei der GmbH – alle An-teilseigner in der Rechtsanwaltsgesellschaft beruflich tätigsein müssen (vgl. § 59 e Abs. 1 Satz 2 BRAO). Dementspre-chend fehlt in der an § 4 Nr. 3 Satz 2 anknüpfenden Bestim-mung in § 14 Nr. 2 Buchst. d der Satzung (Einziehung vonAktien) eine Regelung über die Einziehung von Aktien, so-fern die berufliche Tätigkeit des Aktionärs in der Rechtsan-waltsgesellschaft beendet ist. Dass Gesellschafter der Rechts-anwaltsgesellschaft nach geltendem Recht nur sein kann, werin dieser beruflich tätig ist, beruht auf der Erwägung, dassnach außen erkennbar sein soll, wer hinter der Rechtsanwalts-gesellschaft steht; damit wird verdeckten Interessenkonflik-ten entgegengewirkt.

15. FGG § 5 Abs. 1; HGB § 13 h Abs. 2; UmwG §§ 16, 19,20, 53 (Zuständiges Registergericht bei Anmeldung einer Ver-schmelzung mit Kapitalerhöhung und Sitzverlegung)

Wird mit der Verschmelzung mit Kapitalerhöhung für die aufnehmende GmbH zugleich deren Sitzverlegung an-gemeldet, so ist das Registergericht des bisherigen Sitzeszunächst zur Erledigung des Antrags bezüglich der nach § 53 UmwG vorab einzutragenden Kapitalerhöhung ver-pflichtet, bevor es die Sache zur Eintragung der Verschmel-zung und Sitzverlegung sowie etwaiger sonstiger Satzungs-änderungen an das Gericht des neuen Sitzes abgebenkann.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.10.2004, 20 W418/04

Der Geschäftsführer meldete mit notariell beglaubigter Erklärungvom 24.8.2004 die Verschmelzung der Gesellschaft als aufnehmen-dem Rechtsträger mit der A. GmbH mit Sitz in H als übertragendemRechtsträger durch Aufnahme, die Euro-Umstellung des Stammkapi-tals und dessen Erhöhung zum Zwecke der Durchführung dieserVerschmelzung sowie die Neufassung des Gesellschaftsvertrages u. a.mit Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes sowieder Verlegung des Firmensitzes nach H an.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts K vermerkte die ordnungs-gemäße Anmeldung der Sitzverlegung sowie die neue Firmenan-schrift und übersandte die Akten dem Amtsgericht P zur weiterenVeranlassung. Die Richterin des Amtsgerichts P sandte die Akten mitdem Bemerken zurück, da sich die Änderung von Firma und Satzungauf die neue verschmolzene Gesellschaft beziehe, müssten zunächstbeim Amtsgericht K die Euro-Umstellung sowie die Kapitalerhöhungeingetragen werden. Erst nach Eintragung der Verschmelzung beimAmtsgericht P im Register des übertragenden Rechtsträgers und beimAmtsgericht K im Register des aufnehmenden Rechtsträgers könnedann die Akte zur Eintragung sämtlicher sonstigen Satzungsänderun-gen an das Amtsgericht P übersandt werden.

Der Registerrichter des Amtsgerichts K schickte die Akte erneut demAmtsgericht P mit dem Hinweis, es handele sich um eine einheitlicheAnmeldung, für die nach herrschender Meinung im Hinblick auf dieenthaltene Sitzverlegung insgesamt das Registergericht des neuenSitzes zuständig sei.

Daraufhin hat das Amtsgericht P die Sache dem Senat zur Bestim-mung des zuständigen Registergerichts vorgelegt.

Aus den Gründen:

Der Senat ist zur Entscheidung über die Vorlage gemäß § 5Abs. 1 Satz 1 FGG berufen, da zwischen den zu unterschied-lichen Landgerichtsbezirken gehörenden Amtsgerichten Kund P Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht. Es han-

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delt sich um einen negativen Kompetenzkonflikt, weil beideGerichte ihre Zuständigkeit zur Bearbeitung der Register-anmeldung verneinen.

Das Verfahren ist vom Amtsgericht K zunächst durch Bear-beitung der Anmeldung der Euro-Umstellung und Kapital-erhöhung zum Zwecke der Verschmelzung fortzuführen,bevor es nach deren Eintragung zur weiteren Bearbeitungbezüglich der Verschmelzung, der Sitzverlegung und der übrigen Satzungsänderungen an das Amtsgericht P abgegebenwerden kann.

Allerdings geht der Senat in Übereinstimmung mit der ganzüberwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechungdavon aus, dass bei der Anmeldung der Sitzverlegung einerGmbH, die mit der Anmeldung weiterer Satzungsänderungenoder sonstiger eintragungspflichtiger Vorgänge verbunden ist,der funktionell hierfür nach § 17 Nr. 1 b RPflG zuständige Re-gisterrichter des Gerichts des bisherigen Sitzes regelmäßignur die förmliche Richtigkeit der Anmeldung zu überprüfenund die Akte sodann dem Registergericht des neuen Sitzes zuübersenden hat, welches insgesamt für die materielle Prüfungund Bescheidung des Eintragungsantrages zuständig ist (vgl.OLG Köln, Rpfleger 1975, 251; OLG Hamm, Rpfleger 1974,195 und 1991, 317 = NJW-RR 1991, 1001; OLG Zweibrücken,GmbHR 1992, 678; OLG Frankfurt, Rpfleger 1991, 508 und2002, 455 = NJW-RR 2002, 1395; Baumbach/Hopt, HGB,30. Aufl., § 13 h Rdnr. 2; Röhricht/von Westphalen/Ammon,HGB, 2. Aufl., § 13 h Rdnr. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Pentz, HGB, § 13 h Rdnr. 18; MünchKommHGB/Bokelmann,§ 13 h Rdnr. 5; Ensthaler/Achilles, Gemeinschaftskommentarzum HGB, 6. Aufl., § 13 h Rdnr. 9; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 13 h Rdnr. 4; Staub/Hüffer,HGB, 4. Aufl., § 13 c Rdnr. 5; Keidel/Krafka/Willer, Register-recht, 6. Aufl., Rdnr. 354; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG,4. Aufl., § 4 a Rdnr. 22; Arnold, RPflG, 6. Aufl., § 17 Rdnr. 12;Ziegler, Rpfleger 1991, 485, 486). Dies folgt aus dem mit dergesetzlichen Regelung des § 13 h HGB angestrebten Ziel dermöglichst zügigen Eintragung der Sitzverlegung, das auch fürdie hiermit verbundenen sonstigen Anmeldungen gilt undderen einheitliche materielle Prüfung und Bearbeitung auchzur Vermeidung der Gefahr widersprechender Sachentschei-dungen verschiedener Registergerichte gebietet.

Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Durchbrechung diesesGrundsatzes geboten, weil die verfahrensrechtlichen Vorschrif-ten des Umwandlungsgesetzes für die mit einer Verschmel-zung zu deren Durchführung verbundene Kapitalerhöhungbei dem aufnehmenden Rechtsträger eine einheitliche Eintra-gung nicht gestatten (so bereits OLG Hamm, NJW-RR 1995,357). Denn für diesen Fall sieht § 53 UmwG ausdrücklich vor,dass die Eintragung der Verschmelzung erst nach voraus-gegangener Eintragung der Kapitalerhöhung erfolgen darf.Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die neuen Ge-schäftsanteile für die Gesellschafter der übertragenden Ge-sellschaft bereits zur Verfügung stehen, wenn die Verschmel-zung durch ihre Eintragung im Register der aufnehmendenGesellschaft wirksam wird und gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2UmwG der Vermögensübergang und das Erlöschen der über-tragenden Gesellschaft eintreten. Trotz dieser verfahrens-rechtlichen Trennung, die zur Folge hat, dass die materielleWirksamkeit der Verschmelzung bei jeder dieser beiden Ein-tragungen und auch bei der gemäß § 19 Abs. 1 UmwG zu-sätzlich erforderlichen vorherigen Eintragung der Verschmel-zung im Register der übertragenden Gesellschaft überprüftwerden muss (vgl. Keidel/Krafka/Willer, Rdnr. 1180; Kall-meyer, UmwG, 2. Aufl., § 19 Rdnr. 6), wird die konditionalmit der Verschmelzung verbundene Kapitalerhöhung erst mitder insgesamt konstitutiv wirkenden Eintragung der Verschmel-

328 MittBayNot 4/2005Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Registerrecht

zung im Register der übertragenden Gesellschaft wirksam(vgl. Kallmeyer, § 53 Rdnr. 19 m. w. N.). Hierdurch wird zu-gleich der Gefahr einander widersprechender Sachentschei-dungen der beteiligten Registergerichte begegnet (vgl. OLGHamm, a. a. O.).

Für die bei der aufnehmenden GmbH erforderlichen Ein-tragungen ergibt sich deshalb unter Berücksichtigung derzusammen mit Verschmelzung angemeldeten Sitzverlegungfolgende Reihenfolge und Abgrenzung der Zuständigkeit derbeteiligten Registergerichte: Das Registergericht des bis-herigen Sitzes hat als hierfür örtlich zuständiges Gerichtzunächst den nach § 53 UmwG zeitlich vorrangigen Eintra-gungsvorgang bezüglich der Kapitalerhöhung zu bearbeiten,zu welchem hier auch die ebenfalls angemeldete Euro-Um-stellung des Stammkapitals gehört. Sodann ist der Vorganggemäß § 13 h Abs. 2 HGB an das Registergericht des neuenSitzes zu übersenden, welches die Anmeldung der Verschmel-zung und der übrigen Satzungsänderungen einheitlich zu be-arbeiten und – unter Berücksichtigung des zeitlichen Vorran-ges der Eintragung der Verschmelzung im Register der über-tragenden Gesellschaft – nach § 19 Abs. 1 UmwG – einzutra-gen hat. Einer Abgabe des gesamten Vorganges zur getrenntenEintragung zunächst der Kapitalerhöhung und danach derVerschmelzung sowie der übrigen Satzungsänderungen andas Registergericht des neuen Sitzes zum jetzigen Zeitpunktsteht bereits entgegen, dass dieses Gericht die zeitlich vorran-gige Eintragung der Kapitalerhöhung nicht vollziehen kann,weil es hierfür noch nicht zuständig ist und auch noch keinRegisterblatt zur Verfügung steht. Allerdings besteht kein An-lass, auch die Eintragung der Verschmelzung noch gesondertvon der Sitzverlegung beim Registergericht des bisherigenSitzes vorzunehmen, da dies zu einer vermeidbaren weiterenAufspaltung und einem unnötigen zusätzlichen Eintragungs-vorgang führen würde. Vielmehr verbleibt es insoweit beidem Grundsatz, dass sämtliche gemeinsam mit der Sitzver-legung anstehenden Eintragungsvorgänge einheitlich vomRegistergericht des neuen Sitzes zu bearbeiten sind, auchwenn es sich hierbei um nicht zwingend gesondert zu erledi-gende Vollzugsschritte einer Verschmelzung handelt (ebensofür den Fall einer Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung OLGOldenburg, GmbHR 1997, 657).

Deshalb war zunächst die Verpflichtung des Amtsgerichts Kzur Fortführung des Verfahrens auszusprechen, welches die Sa-che erst nach Erledigung des Eintragungsvorganges bezüglichder Euro-Umstellung und der Kapitalerhöhung an das für denneuen Sitz in H zuständige Registergericht P abgeben kann.

16. GmbHG § 40 Abs. 1; FGG §§ 30, 27 (Inhalt der Abtre-tungsanzeige des Notars)

Die Anzeige der Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteilsdurch den Notar nach § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG brauchtdie Personalien des Abtretenden und des Abtretungsemp-fängers nicht zu enthalten. (Leitsatz der Schriftleitung)

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 26.1.2005,2 W 289/04; eingesandt von Notar Siegfried Ernst Karsten,Schwerin

Aus den Gründen:I.

Der beteiligte Notar zeigte dem Amtsgericht – Handelsregis-ter – unter Hinweis auf § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG an, am

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25.5.2004 die Abtretung eines Geschäftsanteils der betroffe-nen GmbH beurkundet zu haben. Das Amtsgericht hat dieAuffassung vertreten, die Anmeldung sei nicht ordnungs-gemäß, weil sie weder die Personalien des Abtretenden nochdie des Abtretungsempfängers enthalte. Es hat den beteiligtenNotar deshalb um „Nachbesserung“ seiner Anzeige gebeten.Die dagegen gerichtete Beschwerde des Notars wurde zu-rückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat derbeteiligte Notar formgerecht weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde des beteiligten Notars ist begründet.Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf Rechtsverlet-zungen (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

(…)

Der beteiligte Notar ist nach Auffassung des Senats nichtverpflichtet, seine Abtretungsanzeige zu ergänzen. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 40GmbHG ergibt sich, dass die Anzeige des Notars Angaben zuden Personalien des Abtretenden und des Abtretungsemp-fängers zu enthalten hätte (im Ergebnis ebenso OLG Celle,NJW-RR 2000, 40; Scholz/Schneider, GmbHG, 9. Aufl., § 40Rdnr. 24; a. A. z. B. Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht,6. Aufl., Rdnr. 1103; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl.,§ 40 Rdnr. 11).

Entsprechende Angaben sind nach dem Wortlaut des § 40Abs. 1 GmbHG vielmehr ausdrücklich nur für die Liste derGesellschafter vorgeschrieben, die gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1GmbHG nach jeder Änderung des Gesellschafterbestands vonden Geschäftsführern einer GmbH einzureichen ist. DieAnzeigepflicht des Notars umschreibt § 40 Abs. 1 Satz 2GmbHG dagegen nur mit den Worten, der Notar habe die vonihm beurkundete Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils„unverzüglich dem Registergericht anzuzeigen“, ohne denInhalt der geforderten Anzeige näher zu regeln.

Der Sinn und Zweck des § 40 GmbHG rechtfertigt die vonden Vorinstanzen befürwortete Auslegung ebenfalls nicht. Mitdieser Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/8444, S. 79 f.) erreicht werden, dass sich interes-sierte Dritte möglichst zu jeder Zeit und ohne aufwändigePrüfung der Registerakten allein mit Hilfe einer darin be-findlichen Gesellschafterliste einen zutreffenden Überblicküber den jeweils aktuellen Gesellschafterbestand verschaffenkönnen. Dieses Ziel soll dadurch verwirklicht werden, dassder oder die Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet wer-den, nach jeder Veränderung im Gesellschafterbestand eineaktualisierte Gesellschafterliste einzureichen (§ 40 Abs. 1Satz 1 GmbHG). Daneben besteht die Verpflichtung des No-tars, die Abtretung eines Geschäftsanteils anzuzeigen (§ 40Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Mit der Anzeigepflicht soll nach derGesetzesbegründung (a. a. O., S. 80) nur sichergestellt wer-den, dass das Registergericht „überhaupt Kenntnis von Ver-änderungen im Gesellschafterbestand“ erlangt; die Anzeigedes Notars soll dem Registergericht „tatsächliche Anhalts-punkte für einen Gesellschafterwechsel“ geben, um sodanndie Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste durchdie Geschäftsführer (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) anzufordernund gegebenenfalls zu erzwingen. Daraus folgt, dass die An-zeige des Notars nur Hilfsfunktion hat. Informationsgrund-lage für Dritte soll allein die Gesellschafterliste sein. DieAnzeige des Notars soll weder als Informationsgrundlage fürDritte neben die Gesellschafterliste oder gar an ihre Stelletreten noch die – vom Registergericht grundsätzlich ohnehinnicht zu prüfende (Keidel/Kuntze/Winkler, § 127 Rdnr. 11) –inhaltliche Richtigkeit der angeforderten Gesellschafterliste

329MittBayNot 4/2005 Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht

sicherstellen. Das Anfordern der Gesellschafterliste wird aberbereits dann gewährleistet, wenn der Notar die Abtretungeines – nicht näher bezeichneten – Geschäftsanteils überhauptanzeigt, weil schon das dem Registergericht genügend tat-sächliche Anhaltspunkte für einen Gesellschafterwechsel gibt.Deshalb kann von dem Notar auch nicht mehr verlangt wer-den als eine Anzeige dieses Inhalts.

Zwangsvollstreckungs- undInsolvenzrecht

17. ZPO §§ 291, 794 (Hinreichende Bestimmtheit eines Voll-streckungstitels mit Wertsicherungsklausel)

Ein Vollstreckungstitel ist regelmäßig als hinreichend be-stimmt anzusehen, wenn er eine Wertsicherungsklauselenthält, die einen vom Statistischen Bundesamt erstelltenPreisindex für die Lebenshaltungskosten in Bezug nimmt.

BGH, Beschluss vom 10.12.2004, IXa ZB 73/04; mitgeteiltvon Wolfgang Wellner, Richter am BGH

Die Gläubigerin betreibt aus einem notariellen Vertrag vom 29.8.1974die Zwangsvollstreckung wegen der Zahlung einer lebenslangenmonatlichen Rente von 665,09 € einschließlich des seit Januar 2003aufgelaufenen Rückstandes. Mit diesem Vertrag veräußerte die Gläu-bigerin dem Schuldner ein Kraftfahrzeug und die dazugehörigeKraftdroschkengenehmigung. Der Schuldner verpflichtete sich ne-ben der Entrichtung eines Barbetrages zur Zahlung einer lebensläng-lichen monatlichen Rente in Höhe von 600 DM. Zur jeweiligen Höhedieser Rentenzahlung wurde in der Titelurkunde bestimmt:

„Die zu zahlende Unterhaltsrente soll in ihrer Höhe abhängig seinvon der Entwicklung des vom Statistischen Bundesamts festgestell-ten Preisindex für die Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte,der ausgehend von der Basis 1970 = 100 im Juni 1974 127 betrug.Sollte sich der für den Monat August 1974 ermittelte Index erhöhenoder verringern, so soll sich auch die zu zahlende Rente im gleichenVerhältnis erhöhen oder vermindern. Eine Veränderung der Rentekommt jedoch erst dann in Betracht, wenn eine Veränderung des In-dexes zu einer Veränderung der zuletzt geschuldeten Rente um zehnoder mehr Prozent führen würde. Die veränderte Rente ist sodann vondem auf das Eintreten der Voraussetzung folgenden Monatsersten anzu zahlen.“

Der Schuldner verpflichtete sich außerdem, bei der Weitergabe derKraftdroschkengenehmigung an einen Dritten, diesem die durch dennotariellen Vertrag übernommene Verpflichtung aufzuerlegen unddafür Sorge zu tragen, dass auch alle späteren Erwerber der Geneh-migung diese Verpflichtung übernehmen. Nach Maßgabe dieser Ver-einbarungen gab der Schuldner die Genehmigung an einen weiterenTaxiunternehmer und dieser im Jahre 1989 an den Drittschuldnerweiter. Die Erwerber zahlten jeweils die Rente an den Schuldner, derdie Zahlungen an die Gläubigerin weiterleitete. Der Drittschuldnerzahlte seit 1989 zunächst den seinerzeit entsprechend dem Lebens-haltungsindex angepassten Rentenbetrag von monatlich 448,81 € anden Schuldner, reduzierte jedoch seine Zahlungen ab Januar 2003 aufmonatlich 200 €.

Gegen den vom Amtsgericht erlassenen Pfändungs- und Überwei-sungsbeschluss, mit dem die Gläubigerin die Ansprüche des Schuld-ners gegen den Drittschuldner und dessen Ansprüche auf Rücküber-tragung der Kraftdroschkengenehmigung pfändete, machte der Dritt-schuldner in seiner Erinnerung geltend, für die Erhöhung der monat-lichen Unterhaltsleistung anhand des Preisindexes liege kein voll-streckungsfähiger Titel vor. Das Landgericht wies die sofortige Be-schwerde des Drittschuldners zurück und ließ die Rechtsbeschwerdezur Frage der Zulässigkeit wertgesicherter Klauseln in vollstreck-baren Urkunden zu. Der Drittschuldner verfolgt die Aufhebung desPfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.

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Gründe:

Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte undauch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht be-gründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die notarielleUrkunde vom 29.8.1974 habe einen ausreichend bestimmtenund damit vollstreckungsfähigen Inhalt. Dies gelte auch inso-weit, als sich die monatlich zu zahlende Unterhaltsrente ent-sprechend dem Lebenshaltungsindex aller privaten Haushalteerhöhe. Nach der von der Gläubigerin vorgetragenen Berech-nung, der der Drittschuldner nicht entgegengetreten sei, betragedie monatlich zu zahlende Rente seit Januar 2002 655,09 €.

2. Die Rechtsbeschwerde vertritt die Auffassung, die Voll-streckungsklausel erfülle nicht die Anforderungen an dieBestimmtheit von Vollstreckungstiteln, nach denen sich dieHöhe des beizutreibenden Betrages „ohne weiteres“ aus demTitel ergeben müsse. Bereits der mathematisch korrekteLösungsweg zur Berechnung des geschuldeten Betrages seinicht ohne weiteres ersichtlich. Dies ergebe sich schon da-raus, dass es erforderlich sei, umfangreiche Rückrechnungenseit dem vereinbarten Anfangstermin August 1974 vorzuneh-men und Monat für Monat auf Schwankungen von zehn Pro-zent und mehr zu untersuchen. Das Landgericht sei von einemunmittelbar proportionalen Verhältnis der geschuldeten Rentezum Index ausgegangen und habe demnach seiner Entschei-dung eine falsche Berechnung zugrundegelegt

3. Dem hält die Rechtsbeschwerdeerwiderung entgegen,die Höhe des beizutreibenden Betrages sei richtig berechnet.Mit ihren hierzu erhobenen Rügen begebe sich die Rechtsbe-schwerde auf dem Tatrichter vorbehaltenes und ihr deshalbverschlossenes Gebiet. Die Gläubigerin habe die Berechnungder geschuldeten Unterhaltsrente vorgetragen. Die übrigenVerfahrensbeteiligen seien dieser Berechnung nicht entgegen-getreten. Deshalb habe das Beschwerdegericht die dieserBerechnung zugrundeliegenden Daten seiner Entscheidungzugrunde legen dürfen.

4. Das Beschwerdegericht hat richtig entschieden. Die no-tarielle Urkunde vom 29.8.1974 wird den Anforderungen andie Bestimmtheit von Vollstreckungstiteln gerecht, nach de-nen sich die Höhe des beizutreibenden Betrages „ohne weite-res“ aus dem Titel ergeben muss.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes isteine auf Zahlung gerichtete notarielle Urkunde vollstreckbar,wenn darin der geschuldete Geldbetrag bestimmt angegebenist oder sich jedenfalls aus für die Vollstreckungsorgane allge-mein zugänglichen Quellen bestimmen lässt (BGH, Urt. v.15.12.2003, II ZR 358/01, WM 2004, 329, 330; Urt. v.10.12.2003, XII ZR 155/01, FamRZ 2004, 531; Urt. v.15.12.1994, IX ZR 255/93, NJW 1995, 1162). Es genügt,wenn die Berechnung mit Hilfe offenkundiger, insbesondereaus dem Bundesgesetzblatt oder dem Grundbuch ersichtlicherUmstände möglich ist (BGHZ 22, 54, 58; BGH, Urt. v.23.10.1980, III ZR 62/79 = WM 1981, 189, 191). Dies giltauch für eine Vollstreckungsklausel, bei der sich der geschul-dete Betrag aus der Anwendung einer Wertsicherungsklauselergibt, die auf den vom Statistischen Bundesamt ermitteltenPreisindex für die Lebenshaltungskosten abstellt (vgl. BGH,Urt. v. 10.12.2003, a. a. O.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl.,§ 794 Rdnr. 26 b; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 704Rdnr. 7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704Rdnr. 153; MünchKomm/Krüger, ZPO, 2. Aufl., § 704 Rdnr. 9m. w. N.). Denn diese Indizes werden veröffentlicht im Bun-desanzeiger, im Statistischen Jahrbuch, in den Monats- und

330 MittBayNot 4/2005Beurkundungs- und Notarrecht

Jahresberichten des Statistischen Bundesamtes Fachserie 17,Reihe 7 und können erfragt werden über die Homepage desStatistischen Bundesamtes unter www.destatis.de. Sie sinddamit offenkundig im Sinne von § 291 ZPO (vgl. BGH,Urt. v. 24.4.1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088). Mit ihrerHilfe lässt sich der jeweils geschuldete Betrag zuverlässigerrechnen.

b) Das Beschwerdegericht hat auch die Höhe des beizutrei-benden Betrages zum Zeitpunkt der Antragstellung von nun-mehr monatlich 655,09 € „ohne weiteres“ nachvollzogen. Eshat entsprechend dem Vortrag der Gläubigerin die Umrech-nung des nach dem notariellen Vertrag vom 29.8.1974 ge-schuldeten Betrags von 600 DM auf den von der Gläubigerinfür die Umrechnung als maßgeblich angesehenen Monat Ja-nuar 2002 vorgenommen. Daher hat es die für diesen Zeit-raum veröffentlichten und jedermann zugänglichen Indizeszugrundegelegt und an Hand des – inzwischen weggefallenen– Preisindex aller privaten Haushalte der Basis 1995 = 100Prozent sowohl für den August 1974 (Index: 51,7) als auch fürden Januar 2002 (Index: 110,4) auf den Betrag von 1.281,24DM = 655,09 € umgerechnet. Das Beschwerdegericht durftediesen errechneten Betrag auch als ab Antragstellung ge-schuldete monatliche Rente ansehen, weil die Berechnung er-geben hat, dass sich der Index entsprechend der Bedingungim notariellen Vertrag vom 29.8.1974 in dem Zeitraum von1995 bis Januar 2002 um mehr als zehn Prozent verändert hat.Demgegenüber zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf, inwie-weit diese Berechnung fehlerhaft ist oder eine andere Berech-nungsform ein dem Drittschuldner günstigeres Ergebnis er-bracht hätte.

Hinweis der Schriftleitung:

Siehe hierzu den Aufsatz von Reul, MittBayNot 2005, 265 (indiesem Heft).

Beurkundungs- undNotarrecht

18. Abgabensatzung der Notarkasse §§ 1, 2, 6, 13 (Vereinbar-keit der Abgaben- und Versorgungssatzung der Notarkassemit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV)

§§ 1 und 2 der Abgabensatzung für das Jahr 2005 und § 7der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Ver-sorgungssatzung) sind mangels Ermächtigungsgrundlageaufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 13.7.2004, 1 BvR 1332/95, MittBayNot 2005,67, mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV nicht vereinbar. Sie bleibenjedoch bis längstens 31.12.2007 weiter anwendbar, weildie Aufgaben der Notarkasse weiterhin erforderlich sindund einer verlässlichen Finanzierung bedürfen. (Leitsatzder Schriftleitung)

Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom13.4.2005, Vf. 9-VII-03

Aus den Gründen:

Gegenstand der Popularklage ist vor allem die Frage, ob dieAbgabensatzung der Notarkasse so ausgestaltet ist, dass sievon den 10 % aufkommensstärksten Notaren unverhältnis-mäßige, gleichheitswidrige und erdrosselnde Abgaben erhebt

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und ob diese Notare beim Ruhegehalt verfassungswidrig be-nachteiligt werden.

(…)VI.

1. Die Popularklage ist in folgenden Punkten unzulässig:

a) Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abgaben-satzungen 1969 bis 2001 richtet.

Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Prüfung, ob eine Rechts-vorschrift verfassungswidrig ist, seiner Beurteilung grund-sätzlich den Rechtzustand im Zeitpunkt seiner Entscheidungzugrunde zu legen. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriftenunterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann,wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung be-steht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren.Ein solches Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn nicht aus-zuschließen ist, dass von der Rechtsvorschrift noch Grund-rechtsverletzungen ausgehen können, die sich auf dem Wegüber eine Popularklage beseitigen ließen (vgl. VerfGH vom15.11.1996 = VerfGH 49, 153, 157; VerfGH vom 27.5.1998 =VerfGH 51, 74, 81; VerfGH vom 4.7.2001 = VerfGH 54, 47,53; VerfGH vom 18.4.2002 = VerfGH 55, 57, 60).

Die Abgabensatzungen der Notarkasse gelten nur für jeweilsein Jahr oder bis zum Erlass einer neuen Abgabensatzung (§ 18 Abgabensatzung). Die Abgabensatzungen 1969 bis2001 sind mithin bereits außer Kraft. Die Notarkasse hat vor-getragen, dass die aufgrund dieser Abgabensatzungen ergan-genen Abgabenbescheide bestandskräftig und die betreffen-den Abgaben bezahlt seien. Es ist nichts dafür ersichtlich undim Verlauf des Verfahrens ist auch nichts dafür hervorgetre-ten, dass noch ein objektives Interesse im dargelegten Sinn ander Feststellung besteht, ob die Abgabensatzungen für dieJahre 1969 bis 2001 verfassungswidrig gewesen sind. Hinsicht-lich der Frage eines Feststellungsinteresses kommt hinzu,dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtsvom 13.7.2004 (= NJW 2005, 45, 49 = MittBayNot 2005, 67 ff.)eine in die Vergangenheit wirkende Rückabwicklung der als verfassungswidrig erkannten Ermächtigungsregelungen in der Bundesnotarordnung und des auf ihnen beruhendenSatzungsrechts (Abgabensatzungen der Notarkasse) aus ver-fassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. Dietatsächlichen Auswirkungen einer etwaigen Verfassungswid-rigkeit der außer Kraft getretenen Abgabensatzungen derNotarkasse für die Jahre 1969 bis 2001 und damit verbundeneGrundrechtsverletzungen könnten somit auch durch einen Er-folg der Popularklage insoweit nicht mehr „beseitigt“ werden.Ein objektives Interesse daran, die Verfassungswidrigkeit derbereits außer Kraft getretenen Abgabensatzungen 1969 bis2001 festzustellen, ist deshalb nicht gegeben.

Ein Feststellungsinteresse wird nicht dadurch begründet, dassüber die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Ver-sorgung der Notare nur dann sachgerecht entschieden werdenkönnte, wenn zuvor die Frage der Verfassungsmäßigkeit derfrüheren Abgabensatzungen geklärt worden ist. Zwar behaup-tet der Antragsteller einen solchen untrennbaren Zusammen-hang zwischen der Höhe der Notarversorgung und den nachden Abgabensatzungen 1969 bis 2001 geleisteten Abgaben.Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Notarver-sorgung kommt es aber auf die rechtliche Beurteilung derVersorgungsleistung selbst an, etwa darauf, ob diese als einebeamtenrechtlichen Alimentationsgrundsätzen entsprechendeLeistung oder als eine dem Äquivalenzprinzip unterliegendeVersicherungsleistung anzusehen ist. In diesem Zusammen-hang kann es – was die Abgabensatzungen anbelangt – nurauf den allgemeinen, über die Jahre hinweg gleich gebliebe-

331MittBayNot 4/2005 Beurkundungs- und Notarrecht

nen abstrakten Charakter der Abgabe und deren grundsätz-liche Struktur ankommen, nicht aber auf die Verfassungs-mäßigkeit einer konkreten Abgabensatzung der Jahre 1969bis 2001. Die bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit derNotarversorgung gegebenenfalls maßgebenden Fragen kön-nen deshalb – unter Zugrundelegung der derzeit geltendenAbgabensatzung – auch ohne Prüfung der früheren Abgaben-satzungen geklärt werden. Es liegt keine Sachgestaltung vor,die dem Fall vergleichbar wäre, bei dem der Verfassungs-gerichtshof die Frage der Beseitigung des Rechtsscheins einer ungültigen Norm erörtert hat (vgl. hierzu VerfGH vom4.4.1979 = VerfGH 32, 45 ff.; Nawiasky/Schweiger/Knöpfle,Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Rdnr. 100;Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992,Art. 98 Rdnr. 10). Vielmehr sind die vom Verfassungsgerichts-hof in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätze zurÜberprüfung einer außer Kraft getretenen Norm maßgebend.

b) Soweit in der Popularklage ein bestimmter Vollzug dermaßgeblichen Rechtsvorschriften angemahnt wird, nämlichdass der Bescheid über die Entlassung eines Notars Entschei-dungen treffen müsse bezüglich eines dem Entlassenen zu-stehenden Vermögensausgleichs und einer anderen Höhe derVersorgung sowie weiterer Ansprüche, ist sie unzulässig.Fragen des Vollzugs von Rechtsvorschriften sind in einemNormenkontrollverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen (vgl.VerfGH vom 11.11.1997 = VerfGH 50, 226, 245; VerfGHvom 28.1.2003 = VerfGH 56, 1, 3 f.; VerfGH vom 14.11.2003= VerfGH 56, 148, 160; VerfGH vom 17.3.2004 = VerfGH 57,30, 33).

c) Die speziellen Auswirkungen, die die angegriffenen Vor-schriften auf den Antragsteller nach dessen Vortrag haben,sind im Rahmen einer Popularklage verfassungsrechtlich nichtzu überprüfen. In einem Normenkontrollverfahren ist nur diegeneralisierende, auf den Regelfall abstellende Rechtsvor-schrift als solche zu überprüfen, nicht dagegen die persön-liche Situation des Antragstellers, wie sie sich aufgrund derangegriffenen Vorschriften darstellt (vgl. VerfGH vom12.5.1989 = VerfGH 42, 72, 77; VerfGH vom 18.4.1996 =VerfGH 49, 37, 53; VerfGH vom 27.5.1998 = VerfGH 51, 74,87; VerfGH vom 30.6.1998 = VerfGH 51, 94, 102; VerfGHvom 20.10.2003).

2. Im Übrigen ist die Popularklage zulässig.

a) Mit der Popularklage wird vorgetragen, dass durch die an-gegriffenen Rechtsvorschriften Grundrechte der BayerischenVerfassung verletzt werden (Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1VfGHG). Die angegriffenen Vorschriften sind von der Notar-kasse, einer Anstalt des öffentlichen Rechts des FreistaatesBayern (§ 113 Abs. 1 Satz 1 BNotO), gesetzt worden; sie sinddamit Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts imSinn des Art. 55 Abs. 1 VfGHG. Die Zulässigkeit der Popu-larklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof scheitertnicht daran, dass der Zuständigkeitsbereich der Notarkassegemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 BNotO auch den Bezirk des Pfäl-zischen Oberlandesgerichts Zweibrücken umfasst und dassdas Land Rheinland-Pfalz durch Einvernehmensvereinbarun-gen an der Rechtsaufsicht über die Notarkasse beteiligt ist.Eine von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des FreistaatesBayern aufgrund bundesrechtlicher Ermächtigung erlasseneSatzung ist bayerisches Landesrecht, da es für die Zurech-nung auf die erlassende Stelle ankommt (vgl. VerfGH vom24.10.1966 = VerfGH 19, 89, 92; Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Abschnitt IVRdnr. 43, Art. 98 Rdnr. 58). Die Notarkasse ist gemäß § 113Abs. 1 Satz 1 BNotO eine rechtsfähige Anstalt des öffentli-chen Rechts des Freistaates Bayern. Das Bundesverfassungs-

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Page 72: 4 MittBayNot - familienrecht- · PDF fileRebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): Münchener Kommentar zum ... dere seit Einführung des neuen Verbraucherpreisindexes für Deutschland VPI

gericht hat in der Entscheidung vom 13.7.2004 (= NJW 2005,45 ff. = MittBayNot 2005, 67 ff.) lediglich festgestellt, dass inder Bundesnotarordnung Regelungen erforderlich sind überdie Zusammensetzung des satzunggebenden Organs, über dieArt seines Zustandekommens, über die Ermittlung und Be-stellung des Präsidenten und über die jeweils angemesseneBeteiligung der Notare; die Institution der Notarkasse als sol-che sowie deren Zuordnung zum Freistaat Bayern hat dasBundesverfassungsgericht damit nicht beanstandet. Die Ab-gabensatzung und die Regelungen über die Versorgung derNotare beruhen zwar auf der bundesrechtlichen Ermächti-gung in § 113 Abs. 6 und 8 BNotO, sind aber angesichts derZuordnung der Notarkasse zum Freistaat Bayern bayerischesLandesrecht. Dass eine etwaige Nichtigerklärung von Satzun-gen der Notarkasse wegen Verletzung der Bayerischen Verfas-sung auch in den Bereich des Landes Rheinland-Pfalz hinein-wirken würde, ist eine Folge der vom Bayerischen Verfas-sungsgerichtshof nicht überprüfbaren und im Hinblick auf Art 138 GG nicht für grundgesetzwidrig gehaltenen bundes-rechtlichen Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 3 BNotO.

b) Ist – wie hier – eine Popularklage mit einer substanti-ierten Grundrechtsrüge in zulässiger Weise erhoben, erstrecktder Verfassungsgerichtshof seine Prüfung auf alle in Betrachtkommenden Normen der Bayerischen Verfassung, selbstwenn sie nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wennsie keine Grundrechte verbürgen (ständige Rechtsprechung;vgl. VerfGH vom 20.11.2003 = VerfGH 56, 198, 202; VerfGHvom 15.7.2004).

VII.

Nach den Darlegungen zur Zulässigkeit der Popularklage sindnur noch zu prüfen die §§ 1 und 2 der Abgabensatzung sowie§ 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung (Versorgung der No-tare), die in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Ver-fassungsgerichtshofs geltenden Fassung Gegenstand des Ver-fahrens sind (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom4.6.2003 = VerfGH 56, 99, 103). Insoweit ist die Popularklagebegründet.

1. Werden – wie hier – die Vorschriften einer abgeleitetenRechtsnorm in zulässiger Weise mit der Populärklage an-gegriffen, so hat der Verfassungsgerichtshof zu prüfen, ob sieauf einer ausreichenden, verfassungsgemäßen gesetzlichenErmächtigung beruhen. Fehlt es daran, so verstößt die abge-leitete Rechtsvorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3Abs. 1 Satz 1 BV), ohne dass es noch darauf ankommt, obdurch sie Grundrechte der Bayerischen Verfassung verfassungs-widrig eingeschränkt werden (ständige Rechtsprechung; vgl.VerfGH vom 28.7.1988 = VerfGH 41, 83, 88; VerfGH vom19.4.2002 = VerfGH 55, 66, 70; VerfGH vom 15.7.2004 =NVwZ-RR 2005, 176).

a) Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 13.7.2004 (MittBayNot 2005, 67) steht fest (vgl.§ 31 Abs. 1 BVerfGG), dass die bundesrechtliche Ermächti-gungsgrundlage (§ 113 Abs. 6 und 8 BNotO), auf die sich dasvon der Notarkasse gesetzte Satzungsrecht gründet, jedenfallsinsoweit gegen das Grundgesetz verstößt, als sie nicht denverfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, die das De-mokratie- und Rechtsstaatsprinzip an die Übertragung vonRechtsetzungsbefugnissen auf Träger funktionaler Selbst-verwaltung stellt. Angesichts dieser Feststellung des Bundes-verfassungsgerichts verstoßen die hier noch zu prüfenden Sat-zungsvorschriften gegen das Rechtsstaatsprinzip der Baye-rischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), weil sie ohnedie erforderliche grundgesetzgemäße Ermächtigung erlassenworden sind.

332 MittBayNot 4/2005Beurkundungs- und Notarrecht

b) Die Kompetenz zur Regelung einer Satzungsermächti-gung für die Notarkasse kommt dem Bund zu und nicht denLändern. Das Notariat gehört nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GGzur konkurrierenden Gesetzgebung; der Bund hat – unterBeachtung des Art. 138 GG – von dieser Kompetenz durchErlass der Bundesnotarordnung erschöpfend (Art. 72 Abs. 1GG) Gebrauch gemacht. Die Kompetenz zur Neuregelung derSatzungsermächtigung steht damit nach wie vor dem Bundzu; für die Länder ist insoweit keine Regelungskompetenzgegeben.

c) Es führt nicht zu einem anderen Ergebnis, dass dasBundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidungzugleich bestimmt hat, die Verfassungswidrigkeit des § 113BNotO habe nicht die Nichtigkeit dieser Vorschrift und desauf ihm beruhenden Satzungsrechts zur Folge, sondern dieeinschlägigen Normen seien noch für eine Übergangszeitanzuwenden. Diese vom Bundesverfassungsgericht zur Er-möglichung eines schonenden Übergangs angeordnete Maß-gabe ändert nichts daran, dass § 113 BNotO keine grundge-setzgemäße Ermächtigung der Notarkasse für entsprechendesSatzungsrecht darstellt. Damit ist das auf dieser Norm be-ruhende Satzungsrecht der Notarkasse zwar nicht nichtig,aber es verstößt dennoch gegen das Rechtsstaatsprinzip derBayerischen Verfassung.

d) Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Überlegung,dass die Aufgaben der Notarkasse nach § 113 BNotO weiter-hin erforderlich sind und einer verlässlichen Finanzierung be-dürfen, die Weitergeltung des Art. 113 BNotO und des aufihm beruhenden Satzungsrechts für eine Übergangszeit be-gründet. Aus den gleichen Überlegungen heraus sind die hier-für verfassungswidrig erkannten Satzungsbestimmungennicht nichtig, sondern weiter anzuwenden. Das Bundesverfas-sungsgericht hat § 113 BNotO nicht aus Kompetenzgründenbeanstandet; da bundesrechtliche Vorschriften für verfassungs-widrig erklärt worden sind, kann sich der Gesetzgebungsauf-trag des Gerichts nur an den Bundesgesetzgeber und nicht –wie der Antragsteller meint – an den Landesgesetzgeber rich-ten. Weil nicht vorhersehbar ist, wann und wie der Bundesge-setzgeber seinem Regelungsauftrag, den er bis Ende 2006 zuerfüllen hat, nachkommt, muss dem Satzungsgeber auch nochnach dem 31.12.2006 ein angemessener Zeitraum zur Norm-setzung zur Verfügung stehen. Die betreffenden Satzungsbe-stimmungen können deshalb bis längstens 31.12.2007 weiterangewendet werden, soweit sie nicht vorher durch neue Rege-lungen ersetzt werden. Unbeschadet dieser Frist ist der Sat-zungsgeber auf jeden Fall gehalten, unverzüglich nach derNeuregelung des § 113 BNotO durch den Bundesgesetzgeberneues, verfassungsgemäßes Satzungsrecht zu schaffen.

Die Auffassung des Antragstellers, die Notarkasse könne diebetreffenden Vorschriften deshalb nicht während der vomBundesverfassungsgericht vorgesehenen Übergangsfrist wei-ter anwenden, weil sie mangels eines durch Art. 77 Abs. 1 BVvorgeschriebenen Errichtungs- oder Anerkennungsakts durchnachkonstitutionelles förmliches Landesgesetz nicht rechts-fähig sei, ist unzutreffend. Der Verfassungsgerichtshof hatbereits früher die Notarkasse als Anstalt des öffentlichenRechts des Freistaates Bayern anerkannt (vgl. VerfGH vom10.5.1967 = VerfGH 20, 78, 87). Auch der Bundesgerichtshofgeht davon aus, dass der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 74Abs. 1 Nr. 1, Art. 138 GG einen früher bestehenden Rechts-zustand (einschließlich der Notarkasse als wesentlicher Ein-richtung) anerkennen und im Wesentlichen beibehalten wollte(vgl. BGH vom 8.5.1995 = NJW-RR 1996, 242, 243). Ebensogeht das Bundesverfassungsgericht ersichtlich davon aus,dass der Weitergeltung des § 113 BNotO und des auf diesem

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beruhenden Satzungsrechts kein rechtliches Hindernis bei derNotarkasse entgegensteht. Überdies hat der bayerische Ge-setzgeber durch Aufnahme der Bekanntmachung des Bayeri-schen Staatsministeriums der Justiz vom 18.4.1925 (GVBl,145) in die Bayerische Rechtssammlung (BayRS 303-1-1-J)gemäß dem Gesetz über die Sammlung des bayerischen Lan-desrechts (Bayerisches Rechtssammlungsgesetz – BayRSG –vom 10.11.1983, GVBl, 1013) die Verleihung der Rechteeiner Anstalt des öffentlichen Rechts an die Notariatskasse(Notarkasse) in seinen Willen aufgenommen (vgl. auch dieBereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts – BayBS– von 1957, Bd. III S. 44). Ein weiterer Organisationsakt desLandesgesetzgebers, wie ihn der Antragsteller fordert, ist vonder Bayerischen Verfassung nicht geboten.

2. Da die Popularklage – soweit sie zulässig ist – erfolg-reich ist, braucht auf die sonstigen, im Vorbringen des Antrag-stellers aufgeworfenen Rechtsfragen und Rügen nicht mehreingegangen zu werden (vgl. VerfGH vom 27.10.1983 =VerfGH 36, 162, 172). Im Übrigen muss aufgrund der Ent-scheidung des Bundesverfassungsgerichts neues Bundesrechtgeschaffen werden, das die Grundlage für neues Satzungs-recht der Notarkasse bilden wird. Der Inhalt dieses neuenBundesrechts und damit die Grundlage und Ausrichtung deskünftigen Satzungsrechts sind – innerhalb der verfassungs-rechtlichen Vorgaben – offen. Es ist daher nicht veranlasst,jetzt noch verfassungsgerichtliche Aussagen zu treffen überVorschriften, deren Verfassungswidrigkeit der Verfassungs-gerichtshof ohnedies schon festgestellt hat, die aber nach derEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf jeden Fallbis Ende 2006 weiter gelten und dann durch neues Rechtersetzt werden.

VIII.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).Die Notarkasse hat dem Antragsteller 1/5 der ihm durch dasPopularklageverfahren entstandenen notwendigen Auslagenzu erstatten (Art. 27 Abs. 3 VfGHG).

Anmerkung:

Die vorliegende Entscheidung des BayVerfGH ist insofernbemerkenswert, als sie Fragen von grundlegender verfas-sungsrechtlicher Bedeutung aufwirft, auf die das Gericht je-doch nicht eingeht. Es geht um die übergangsweise Fortgel-tung von mit dem Grundgesetz unvereinbaren Gesetzen, umdas Verhältnis von Bundesrecht und Landesverfassungsrechtsowie um die Reichweite landesverfassungsgerichtlicher Kon-trolle.

Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass der BayVerfGH ge-nau wie das BVerfG an der inhaltlichen Ausgestaltung derNotarkasse und ihrer Abgabensatzung nichts auszusetzen hat.Es geht ihm allein um das Fehlen einer wirksamen Ermächti-gungsgrundlage. Die Abgabensatzung der Notarkasse beruhtauf § 113 BNotO, der jedoch vom BVerfG in einem Beschlussvom 13.7.2004 für verfassungswidrig erklärt worden ist.1 AusSicht der Karlsruher Verfassungsrichter wird die Vorschriftden verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie-und des Rechtsstaatsprinzips an die Übertragung von Rechts-setzungsbefugnissen auf Träger funktionaler Selbstverwal-tung nicht gerecht. Gleichzeitig hat das BVerfG § 113 BNotOjedoch für weiterhin anwendbar erklärt und dem Gesetzgeberaufgegeben, bis Ende 2006 für eine neue, verfassungskon-forme Fassung der Satzungsermächtigung zu sorgen.

333MittBayNot 4/2005 Beurkundungs- und Notarrecht

Im Normalfall erklärt das BVerfG Gesetze, die es für verfas-sungswidrig hält, gemäß §§ 78 Satz 1, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3Satz 1 BVerfGG für nichtig. Das verfassungswidrige Gesetzist in diesem Fall von Anfang an (ex tunc) und ohne weiterengestaltenden Akt (ipso iure) rechtsunwirksam.2 Als Alter-native zum Nichtigkeitsverdikt existiert die sog. Unvereinbar-keitserklärung, die allerdings gesetzlich nicht ausdrücklichgeregelt ist. Seit Inkrafttreten des 4. Änderungsgesetzes zumBVerfGG vom 21.12.19703 setzen §§ 31 Abs. 2, 79 Abs. 1BVerfGG die Existenz der Unvereinbarkeitserklärung jedochimplizit voraus. Der Sache nach ist die Unvereinbarkeits-erklärung ein Produkt richterlicher Rechtsfortbildung und hatihren Hauptanwendungsbereich in den Fällen gleichheitswid-riger Begünstigungsausschlüsse,4 wenn sie auch ursprünglichim Zusammenhang mit Art. 12 GG entwickelt worden ist.5

Die Rechtsfolgen einer Unvereinbarkeitserklärung lagen zu-nächst etwas im Dunkeln.6 Inzwischen haben sich jedochklare Grundsätze herausgebildet: Die mit dem Grundgesetzfür unvereinbar erklärte Norm scheidet aus dem Normenbe-stand nicht einfach aus. Sie muss vielmehr vom Gesetzgeberaufgehoben bzw. an die verfassungsrechtlichen Vorgaben an-gepasst werden7. Bis dahin unterliegt die Vorschrift jedochgrundsätzlich einer Anwendungssperre.8 Bis zur Neuregelungdurch den Gesetzgeber kann folglich ein rechtliches Vakuumeintreten, das gerade bei haushaltsrelevanten Normen im Hin-blick auf das Erfordernis einer verlässlichen Finanz- undHaushaltsplanung häufig als unerträglich empfunden wird.9

Aus diesem Grund flankiert das BVerfG die Unvereinbarkeits-erklärung nicht selten mit einer Übergangsregelung. Einesolche Übergangsregelung kann die befristete vorläufige Wei-tergeltung der verfassungswidrigen Norm vorsehen, damit derEintritt eines regelungslosen, ggf. von der verfassungsmäßi-gen Ordnung noch weiter entfernten Zustandes verhindertwird.10 So liegen die Dinge auch hier.11

§ 113 BNotO ist also trotz seiner Unvereinbarkeit mit demGrundgesetz bis zum 31.12.2006 wie ein wirksames Gesetzzu behandeln – und zwar wie ein wirksames Bundesgesetz, daes sich um eine in Ausübung der konkurrierenden Gesetzge-bungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erlassenebundesgesetzliche Regelung handelt. Man wird der Anord-nung der Fortgeltung durch das BVerfG nach der ratio legisvon § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zubilligen müssen.Sie ist folglich für den Rechtsanwender und damit auch fürdie Gerichte verbindlich.

Der vom BayVerfGH verfolgte Gedanke, dass die Abgaben-satzung weiterhin Anwendung findet und dem Satzungsgeber

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1 1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95 und 613/97, NJW 2005, 45 ff. =MittBayNot 2005, 67.

2 Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl. 2004,Rdnr. 378 f. m. w. N.3 BGBl. I, S. 1765.4 Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetzedurch das BVerfG, Diss. 1988, S. 39; Seer, NJW 1996, 285; Schlaich/Korioth (Fn. 2), Rdnr. 401.5 Vgl. BVerfG, 1 BvL 32/70 und 25/71, E 33, 303 ff. („Numerusclausus-Entscheidung“).6 Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG Schlaich/Korioth (Fn. 2), Rdnr. 417 ff. m. w. N.7 Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 20Rdnr. 129; Schlaich/Korioth (Fn. 2), Rdnr. 423 f.8 BVerfG, 1 BvL 20/87 und 20/88, E 91, 389, 404; Schlaich/Korioth(Fn. 2), Rdnr. 421; Seer, NJW 1996, 285, 287.9 BVerfG, 2 BvL 17/99, E 105, 73, 134.10 BVerfG, 1 BvL 22/71 und 21/72, E 37, 217, 262 f.; 1 BvL 620/78, 1335/78, 1104/79, 363/80, E 61, 319, 356 f.; 2 BvE 2/84, 2 BvR442/84, E 73, 40, 101 f.11 BVerfG, 1 BvR 1298/94, NJW 2005, 45, 49.

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eine um ein weiteres Jahr verlängerte Übergangsfrist zur ver-fassungskonformen Neuregelung einzuräumen ist, scheint beioberflächlicher Betrachtung zunächst zutreffend zu sein. DasBVerfG wollte mit der Anordnung der Fortgeltung von § 113BNotO erreichen, dass der bisherige Rechtszustand bis zurNeuregelung der Ermächtigungsgrundlage fortbesteht.12 Fallsder Bundesgesetzgeber seiner Verpflichtung zur verfassungs-konformen Anpassung von § 113 BNotO erst kurz vor Ab-lauf der ihm vom BVerfG gewährten Übergangsfrist am31.12.2006 nachkommen sollte, bliebe dem Satzungsgeber inder Tat kaum mehr die Möglichkeit, eine Neuregelung derAbgabensatzung sorgfältig vorzubereiten. Insofern scheint eskonsequent zu sein, dem Satzungsgeber bis 31.12.2007 Zeitzu lassen, um eine veränderte Abgabensatzung zu beschlie-ßen, die der bis dahin neu gefassten bundesgesetzlichen Er-mächtigungsgrundlage entspricht.

Allein: Bei richtiger Rechtsanwendung hätte es einer derarti-gen Übergangsregelung jedoch überhaupt nicht bedurft. Dennwenn der BayVerfGH wie der BGH13 verfahren wäre und § 113 BNotO in Übereinstimmung mit der Fortgeltungsan-ordnung des BVerfG als wirksames Bundesgesetz behandelthätte, dann hätte er die Abgabensatzung der Notarkasse vonvornherein nicht für verfassungswidrig erklären dürfen.

Zutreffend geht der BayVerfGH davon aus, dass es sich beider Abgabensatzung der Notarkasse trotz der bundesgesetz-lichen Ermächtigungsgrundlage um Landesrecht handelt. DieZurechnung eines Rechtssatzes zum Bund oder zu einemLand bemisst sich anerkanntermaßen ausschließlich nach derQualität des handelnden Organs. Von einem Landesorgan ge-setztes Recht ist daher immer Landesrecht, ohne dass es aufdas Maß der Beeinflussung durch das Bundesrecht an-kommt.14 Wenn man trotz der Besonderheit des „Hineinwir-kens“ nach Rheinland-Pfalz nach § 113 Abs. 1 Satz 1 BNotO,Art. 138 GG davon ausgeht, dass es sich bei der Abgabensat-zung der Notarkasse um eine Vorschrift des bayerischen Lan-desrechts handelt, so ist jene grundsätzlich der Kognitionsbe-fugnis der Landesverfassungsgerichtsbarkeit unterworfen.15

Anders als häufig bei der Verfassungsbeschwerde, die auch inBayern regelmäßig erst nach Erschöpfung des Rechtswegserhoben werden kann,16 geht es bei der Normenkontrolle inForm der Popularklage auch nicht um den Angriff gegen dieEntscheidung eines Bundesorgans (nämlich z. B. des BGHoder des BVerwG).17 Gerügt wird mit der landesrechtlichenNorm vielmehr unzweifelhaft ein Akt der Landesstaatsgewalt.

Problematisch ist allerdings, dass die landesrechtliche Normhier nach den Vorgaben einer bundesgesetzlichen Ermächti-gungsgrundlage ergangen und mithin von dieser determiniertist. Es ging bei der Normsetzung also um die Anwendung von

334 MittBayNot 4/2005Beurkundungs- und Notarrecht

Bundesrecht, und zwar nicht – wie in den üblichen pathologi-schen Fällen – um die Anwendung materieller oder verfah-rensrechtlicher Bundesgesetze durch Landesbehörden oderLandesgerichte, sondern eben um die Anwendung von Bun-desrecht bei der „Landesgesetzgebung“.18

Erfolgt eine Normsetzung durch Landesorgane, hat der Norm-geber sowohl die Vorgaben der bundesgesetzlichen Ermäch-tigungsgrundlage als auch diejenigen der Landesverfassungzu beachten. Seit der Grundsatzentscheidung des BVerfG zur Reichweite der Landesverfassungsgerichtsbarkeit vom15.10.199719 dürfte weitgehend anerkannt sein, dass das Lan-desverfassungsrecht neben dem Grundgesetz Anwendung fin-det, jedenfalls sofern es inhaltsgleich ist.20 Die Anordnung„Bundesrecht bricht Landesrecht“ in Art. 31 GG wird zuneh-mend nicht mehr als Nichtigkeitsanordnung beim Wider-spruch von landesrechtlichen Bestimmungen gegen vermeint-lich „höherrangige“ Bundesgesetze verstanden, sondern nurnoch als bloße Kollisionsnorm aufgefasst, die dem Bundes-recht im Konfliktfall den Anwendungsvorrang einräumt. Nurdann, wenn Landes(verfassungs-)recht im Widerspruch zumGrundgesetz bzw. zu bundesgesetzlichen Normen steht, wirdes von diesen verdrängt.21

Diese Rechtsauffassung hat zur Konsequenz, dass die Anwen-dung von Bundesrecht durch die Landesorgane vom jeweili-gen Landesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit derLandesverfassung überprüft werden kann – allerdings nur, so-fern das Bundesrecht nicht alle Einzelheiten selbst regelt undden Landesorganen ein gewisser Spielraum für die Beachtungder Landesverfassung bleibt.22

Dagegen kann die Landesverfassung unstreitig kein Maßstabfür die Beurteilung der Gültigkeit von Bundesgesetzen sein.Denn der Bundesgesetzgeber ist von vornherein nicht an dieLandesverfassung gebunden. Die Landesverfassungsgerichtemüssen bundesgesetzliche Normen deshalb grundsätzlich alsgültig behandeln.23 Kollidiert ein Bundesgesetz nach Auffas-sung des Landesverfassungsgerichts mit einem in der Landes-verfassung und im Grundgesetz inhaltsgleich enthaltenenGrundrecht oder Verfassungsgrundsatz – wie im vorliegendenFall mit dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip –,kann das Landesverfassungsgericht das Bundesgesetz nichteinfach wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz als nichtig be-handeln. Vielmehr muss es bei Zweifeln an der Vereinbarkeitdes Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz nach Art. 100 Abs. 1Satz 1 GG das BVerfG anrufen.24 Denn die Verwerfungskom-petenz für nachkonstitutionelle förmliche Bundesgesetze liegtallein in Karlsruhe. Eine solche Vorlage im Rahmen einerkonkreten Normenkontrolle wäre im vorliegenden Fall jedochaller Voraussicht nach unzulässig gewesen, weil das BVerfGüber die Verfassungswidrigkeit von § 113 BNotO bereits ent-

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12 BVerfG, 1 BvR 1298/94, NJW 2005, 45, 49.13 Beschlüsse des BGH vom 14.3.2005, NotZ 2/05 und 4/05, jeweilsEntscheidungsgrund II.2, und NotZ 3/05, Entscheidungsgrund II.1.14 BVerfG, 2 BvN 1/62, E 18, 407, 414; von Coelln, Anwendung vonBundesrecht nach Maßgabe der Landesgrundrechte?, 2001, S. 53 f.;speziell für Satzungen ebendort S. 59 und BayVerfGHE 37, 31, 32.15 Detailliert von Coelln (Fn. 14), S. 70 ff.; siehe ferner von Olshau-sen, Landesverfassungsbeschwerde und Bundesrecht, 1980, S. 74 ff.16 Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG; Pestalozza (Fn. 7), § 23 Rdnr. 79.17 Gegen eine Überprüfung bundesgerichtlicher Entscheidung durchdie Landesverfassungsgerichte BVerfG, 2 BvN 1/95, E 96, 345, 371;Schumann in Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teil-band II, 1983, S. 149, 203; E. Klein, DVBl. 1993, 1329, 1334; Rüfner,DÖV 1967, 668, 672; für eine Differenzierung zwischen der bundes-gerichtlichen Entscheidung und den Entscheidungen der Landesge-richte in den Vorinstanzen von Coelln (Fn. 14), S. 342 ff.

18 Zum Ganzen von Coelln (Fn. 14), S. 40 f., 46 ff.19 BVerfG, 2 BvN 1/95, E 96, 345 ff.20 BVerfG, 2 BvN 1/95, E 96, 345, 364 f.21 Von Olshausen (Fn. 15), S. 134 ff.; Dietlein, NVwZ 1994, 6, 9;Überblick zum gegenwärtigen Meinungsstand bei von Coelln (Fn. 14),S. 191 ff.22 Vgl. BVerfG, 2 BvN 1/95, E 96, 345, 366; Wilke, NJW 1993,887, 889; Pestalozza, NVwZ 1993, 340, 344; Tiedemann, DÖV 1999,200, 203; Held, NVwZ 1995, 534, 537; ausführlich von Coelln(Fn. 14), S. 256 ff.23 Von Coelln (Fn. 14), S. 64 f.24 Von Coelln (Fn. 14), S. 297; allgemein zur Vorlagepflicht derLandesverfassungsgerichte nach Art. 100 Abs. 1 GG BVerfG, 2 BvR128/84, E 69, 112, 117 f.

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schieden und trotz Unvereinbarkeitserklärung eben geradedessen Fortgeltung bis zum 31.12.2006 angeordnet hat.

Richtigerweise hätte der BayVerfGH mithin von einer Gültig-keit des § 113 BNotO bis zum 31.12.2006 ausgehen müssen.Weil folglich bis zu diesem Zeitpunkt eine Grundlage für dieAbgabensatzung fortbesteht, hätte der BayVerfGH diese nichteinfach wegen Fehlens einer wirksamen Ermächtigungsnormfür unwirksam erklären dürfen. Eine – wenn auch nur im-plizite – Beurteilung der Wirksamkeit von Bundesgesetzen steht dem Landesverfassungsgericht – wie ausgeführt – ebengerade nicht zu.

Nach alledem hätte die Popularklage als (derzeit) unbe-gründet abgewiesen werden müssen. Eine Feststellung derVerfassungswidrigkeit der Abgabensatzung wegen Fehlenseiner Ermächtigungsgrundlage würde frühestens nach dem31.12.2006 in Betracht kommen – und auch nur dann, falls bis dahin noch keine verfassungskonforme Ausgestaltung des§ 113 BNotO und keine Anpassung der Satzung an die neugefasste Ermächtigungsgrundlage vorgenommen wurde.

Wiss. Mitarbeiter Claus Binder, LL. M. (Harvard), Freiburg

19. BNotO § 6 Abs. 3 (Zugang zum Amt des hauptberuflichenNotars)

Zur Reihenfolge bei der Auswahl für eine ausgeschriebene(Nur-)Notarstelle unter mehreren geeigneten Bewerbern,die sämtlich keinen Anwärterdienst in dem betreffendenBundesland geleistet haben.

BGH, Beschluss vom 14.3.2005, NotZ 27/04; mitgeteilt vonWolfgang Wellner, Richter am BGH

Aus den Gründen:

I.

Der Antragsteller war von 1995 bis 2002 (seit 1997 abgeord-net zum Deutschen Notarinstitut) im notariellen Anwärter-dienst des Landes N. Er wurde zum Notar in D. ernannt, je-doch auf seinen Antrag wieder entlassen, um weiterhin beimDeutschen Notarinstitut tätig zu sein. Er hat sich, ebenso wiedrei auswärtige Notarassessoren, um die vom Antragsgegner(mit Stichtag: 1.12.2003) ausgeschriebene Notarstelle in S.(Bayern) beworben.

Mit Bescheid vom 23.4.2004 teilte der Antragsgegner demAntragsteller mit, dass beabsichtigt sei, die Notarstelle demweiteren Beteiligten, einem seit 1.7.1997 in Sachsen tätigenNotarassessor, zu übertragen. Beigefügt war ein Aktenver-merk mit einer Begründung der Auswahlentscheidung.

Demnach wendet der Antragsgegner für die Bewerbung aus-schließlich außerbayerischer Bewerber um Notarstellen einPunktesystem an, nach dem maximal 50 Punkte erreichbarsind. Dabei werden die Leistungen in der Zweiten Juristi-schen Staatsprüfung und das Leistungsbild bei der Vorberei-tung auf den Notarberuf mit jeweils 30 % der Gesamtbewer-tung (maximal je 15 Punkte) gewichtet. Die Dauer notar-spezifischer Tätigkeiten wird mit 12 % (maximal 6 Punkte)bewertet. Das Ergebnis der Ersten Juristischen Staatsprüfungwird mit 4 % der Gesamtbewertung (maximal 2 Punkte) be-rücksichtigt, notarspezifische Zusatzqualifikationen mit 4 %(maximal 2 Punkte). Ferner geht die Bewertung eines Vorstel-lungsgesprächs mit 20 % des Gesamtergebnisses (maximal 10Punkte) in das Gesamtergebnis ein.

335MittBayNot 4/2005 Beurkundungs- und Notarrecht

Im vorliegenden Fall beruhte die Auswahlentscheidung auffolgenden Bewertungen:

Antragsteller weiterer Beteiligter

Zweite Jur. Staatsprüfung 12,75 14,25

Erste Jur. Staatsprüfung 0,8 1,9

Leistungsbild 15 15

Dauer notarspezifischerTätigkeiten 3,66 3,19

Zusatzqualifikation 0 0

Vorstellungsgespräch 8 9

Summe 40,21 43,34

– Die betreffenden Punktewerte für die Zweite JuristischeStaatsprüfung werden folgendermaßen errechnet: Der noten-beste Bewerber erhält 15 Punkte, die übrigen Bewerber erhal-ten pro schlechterer Notenstufe 1,5 Punkte Abzug; zusätzlichwerden für ein bis zu 5 % schlechteres Ergebnis 0,75 Punkte ab-gezogen, für ein bis zu 10 % schlechteres Ergebnis 1,5 Punkte,usw.

Da hier der beste der vier Bewerber als Examensnote 11,36Punkte hatte, errechnete sich – bei jeweils gleicher Notenstufe(voll befriedigend) – für den weiteren Beteiligten bei 10,92Punkten ein Punktwert von 14,25 und für den Antragsteller(Examen 10,07 Punkte) ein Punktwert von 12,75.

– Zur Ermittlung der Punktewerte für die Erste JuristischeStaatsprüfung erhielt der notenbeste Bewerber 2 Punkte. Dieübrigen Bewerber erhielten einen Abschlag von 0,2 Punktenpro schlechterer Notenstufe sowie Abschläge von 0,1 Punktenfür eine bis zu 5 % schlechtere Prüfungsleistung, usw. Diesführte hier bei der Bestnote von 12,45 Punkten eines drittenMitbewerbers zu 1,9 Punkten für den weiteren Beteiligten(Examensnote: 11,87 Punkte) und zu 0,8 Punkten für denAntragsteller (Examensnote: 7,75 Punkte).

– Beim „Leistungsbild“ erhielten beide Konkurrenten dieHöchstpunktzahl von 15 Punkten. Der Antragsgegner wertetedie Zeugnisse in dem Sinne aus, dass sie beiden höchstefachliche Fähigkeiten zusprächen. Aus den Beurteilungen desweiteren Beteiligten ergebe sich, dass dieser über ein weitüberdurchschnittliches, fundiertes juristisches Wissen ver-füge. Er verfüge über eine mehrjährige Erfahrung bei der Ver-waltung von Notarstellen, seit November 2000 verwalte ersolche Stellen. Im Vergleich zu dem Antragsteller verfüge eraufgrund seiner mehrjährigen Verwaltungstätigkeit übergrößere Erfahrungen in der notariellen Praxis sowie in derorganisatorischen und wirtschaftlichen Führung eines Nota-riats. Die Tätigkeit des Antragstellers stelle aber gleichfallshohe Anforderungen an organisatorisches und wirtschaft-liches Führungsgeschick. Er habe im Rahmen seiner Gut-achtertätigkeit am Deutschen Notarinstitut wissenschaftlichin praktisch allen für die notarielle Praxis relevanten Rechts-gebieten sehr erfolgreich gearbeitet. Dies wiege den prakti-schen Erfahrungsvorsprung des Mitbewerbers auf. Insoweitseien Leistungsunterschiede zwischen beiden Bewerbernnicht zu erkennen.

– Unter „Dauer notarspezifischer Tätigkeiten“ errechneteder Antragsgegner für den Antragsteller zum Stichtag achtJahre und damit 3,66 Punkte, für den weiteren Beteiligtensechs Jahre und damit 3,19 Punkte.

– Beim „Vorstellungsgespräch“ vermerkte der Antragsgeg-ner für den weiteren Beteiligten einen sehr günstigen Gesamt-eindruck. Er wurde mit 9 Punkten bewertet. Für den Antrag-

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steller wurde ein günstiger Gesamteindruck notiert, der zueiner Bewertung mit 8 Punkten führte.

Gegen den Bescheid des Antragsgegners hat der Antragsteller(rechtzeitig) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Da-gegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antrag-stellers.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hatdas Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entschei-dung zurückgewiesen. Es kann nicht festgestellt werden, dassdie Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtswidrig istund dadurch den Antragsteller in seinen Rechten beeinträch-tigt, § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO.

1. Maßstab für die Auswahl unter mehreren geeigneten Be-werbern für das Amt des Notars im Hauptberuf ist gemäß § 6Abs. 3 Satz 1 BNotO die persönliche und fachliche Eignungunter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung ab-schließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung aufden Notarberuf gezeigten Leistungen. Dabei ist gemäß Satz 3die Dauer des Anwärterdienstes angemessen zu berücksich-tigen. Diese gesetzliche Regelung wird den verfassungsrecht-lichen Anforderungen gerecht (BVerfG, Beschluss vom20.4.2004, 1 BvR 838/01 u. a., NJW 2004, 1935, 1936 f.).

Die gesetzlich festgelegten Kriterien der persönlichen undfachlichen Eignung enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe,welche in ihrem Regelungsbereich eine Ermessensentschei-dung der Bestellungsbehörde ausschließen. Das Gericht hatdaher die Auswahlentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zuüberprüfen. Das bedeutet indessen nicht, dass es seine eigeneBeurteilung an die Stelle derjenigen der Behörde zu setzenhätte. Die Rechtskontrolle hat den Charakter der Auswahlent-scheidung als Akt wertender Erkenntnis zu beachten. Diese istvom Gericht nicht zu wiederholen, sondern nur darauf zuüberprüfen, ob ihm ein zutreffendes Verständnis des gesetzli-chen Auswahlmaßstabes zugrunde liegt, ob allgemein gültigeWertmaßstäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen aus-geschlossen sind und ob schließlich der zu beurteilende Tat-bestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (BGHZ 124,327, 330 f.). Der Antragsgegner war befugt, die Auswahlkrite-rien des § 6 Abs. 3 BNotO im Rahmen des ihm eingeräumtenBeurteilungsspielraums durch ein ausdifferenziertes Punkte-system zu konkretisieren. Dieses muss sich allerdings imRahmen des gesetzlich abgesteckten Beurteilungsspielraumshalten. Es dürfen daher nur Gesichtspunkte berücksichtigtwerden, die für die persönliche und fachliche Eignung desBewerbers von Belang sind, denn das Maß der Eignung fürdas Amt des Notars stellt den umfassenden rechtlichen Aus-wahlmaßstab dar (a. a. O., 332 f.).

2. Entgegen der Beschwerde liegt eine Beeinträchtigungder Rechte des Antragstellers weder in der vom Antragsgeg-ner gehandhabten Verwaltungspraxis im Allgemeinen noch inderen Anwendung im konkreten Einzelfall.

a) Das vom Antragsgegner angewendete „50-Punkte-Sys-tem“ ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.

aa) Die generelle Berücksichtigung der Note des ZweitenStaatsexamens mit 30 % und damit mit gleichem Gewicht wiedie Beurteilungen der bei der Vorbereitung auf den Notar-beruf gezeigten Leistungen begegnet keinen Bedenken. ZuRecht hat bereits das Oberlandesgericht ausgeführt, dass sichbei der Auswahl unter mehreren Bewerbern für das Notaramtim Hauptberuf weder aus der Regelung in § 6 Abs. 3 BNotO

336 MittBayNot 4/2005Beurkundungs- und Notarrecht

noch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtsvom 20.4.2004 (a. a. O.) – die sich maßgeblich mit der Be-werberauswahl für das Anwaltsnotariat befasst – ableitenlässt, die Bewertung der fachlichen Leistungen bei der Vor-bereitung auf den Beruf müsse zu mehr als 50 % gewichtetwerden.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt dem Ergeb-nis des Zweiten Juristischen Staatsexamens deshalb eine be-sondere Aussagekraft beim fachlichen Vergleich verschiede-ner Bewerber zu, weil es wesentlich auf der Beurteilungnamentlich nicht gekennzeichneter Arbeiten beruht und voneinem finanziellen Interesse der prüfenden Stelle an derNachfrage nach Prüfungsleistungen frei ist (Beschluss vom3.12.2001, NotZ 20/01, NJW-RR 2002, 705 f.). Zu Recht ver-weist das Oberlandesgericht darauf, dass in der Zweiten Ju-ristischen Staatsprüfung nicht nur Kenntnisse, d. h. konkreteInhalte, abgefragt werden. In der Examensnote kommt dane-ben auch die Beurteilung des juristischen Grundverständnis-ses und der Fähigkeit der praktischen Rechtsanwendung, zumDenken in juristischen Kategorien und zur Lösung unbekann-ter Rechtsprobleme in vertretbarer Zeit zum Ausdruck. Dahergibt das Ergebnis des Staatsexamens auch Auskunft über dieallgemeine juristische Befähigung (vgl. auch BVerfG, a. a. O.,1938). Im Übrigen ist dem weiteren Beteiligten darin zu-zustimmen, dass einige Bereiche, die vom Antragsteller alsnotarfern bezeichnet werden (öffentliches Recht, Arbeits-recht), durchaus für den in der Praxis tätigen Notar von Be-deutung sein können. Die Pflicht zur umfassenden Beratungkann (anders als die mit abstrakten Rechtsfragen befassteTätigkeit des Antragstellers) darüber hinaus auch strafrecht-liche Belange, insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstraf-rechts, umfassen.

(2) Eine andere Einschätzung ist auch nicht von Verfassungswegen geboten. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgerichtdie herausragende Bedeutung der Zweiten JuristischenStaatsprüfung für die Beurteilung der fachlichen Eignung vonNotaren im Hauptberuf ausdrücklich bekräftigt. Während fürdie Aufnahme in den Anwärterdienst diese Note sogar als vor-rangig angesehen werden könne, sei im Zeitpunkt der Bewer-bung um ein Notaramt im Hauptberuf zwar erneut dem Zwei-ten Staatsexamen, aber eben auch den bei der Vorbereitungauf den Notarberuf gezeigten und beurteilten Leistungen Ge-wicht beizumessen (BVerfG, a. a. O., 1937). Wie im ange-fochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts ausgeführt, wirddie Regelung des Antragsgegners diesen Anforderungen ge-recht. Zusätzlich zu den Beurteilungen der auf den Notarberufvorbereitenden Leistungen mit 30 % fließt noch die Dauernotarspezifischer Tätigkeit mit 12 % der Gesamtpunktzahl indie Bewertung ein, womit zugleich auch der Zuwachs an Er-fahrung und fachlicher Qualifikation erfasst wird. Das ZweiteStaatsexamen liegt beim erstmaligen Zugang zum Notariat imHauptberuf regelmäßig auch noch nicht so lange zurück wiein den Fällen des Anwaltsnotariats.

Im Übrigen spielt die vom Antragsteller geforderte stärkereGewichtung des Leistungsbildes im vorliegenden Fall bereitsdeshalb keine Rolle, weil die Einschätzung des Antragsgeg-ners, dass insoweit beiden relevanten Bewerbern gleicher-maßen die Höchstnote zustehe, rechtlich nicht zu beanstandenist.

(3) Soweit der Antragsteller das Umrechnungssystem desAntragsgegners beanstandet, weil es die zu erreichende Höchst-punktzahl von 15 Punkten von dem Zufall abhängig mache,welche Kandidaten sich im Einzelnen bewerben, zeigt erkeinen Rechtsfehler auf. Das Bewertungssystem des Antrags-

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gegners führt dazu, dass an realistischerweise in Betrachtkommende Spitzennoten angeknüpft wird, damit die Höchst-punktzahl von 15 auch tatsächlich erreicht werden kann undsich die aufgefächerten Ergebnisse somit nicht nur im unterenBereich der Skala bewegen. Die Staffelung der Notenunter-schiede nach der besonderen Rechenmethode des Antrags-gegners, die hier zu Folge hat, dass sich bei einem Noten-unterschied von 0,85 Punkten (der weitere Beteiligte: 10,92;der Antragsteller: 10,07) konkret ein Abstand von 1,5 Bewer-tungspunkten zwischen den am gerichtlichen Verfahren betei-ligten Konkurrenten ergibt, hält sich in einem vertretbarenRahmen. Ob es allgemein zu billigen wäre, dass nach demSystem des Antragsgegners im Falle unterschiedlicher Noten-stufen der Bewerber aufgrund der dann mehrfach vorzuneh-menden Abschläge selbst geringfügige Abweichungen in derExamensnote zu beträchtlichen Unterschieden bei den zu ver-anschlagenden Bewertungspunkten führen können (etwa:beste Examensnote 11,50 Punkte = gut, nächstbeste Note11,48 Punkte = voll befriedigend, ergeben einmal 15 und ein-mal 12,75 Bewertungspunkte [1,5 Punkte-Abzug wegen derniedrigeren Notenstufe, weiterer Abzug von 0,75 Punkten we-gen der um bis zu 5 % schlechteren Examensnote]), brauchtnicht entschieden zu werden, weil hier der Antragsteller undder weitere Beteiligte dieselbe Notenstufe erreicht haben.Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es nicht ge-boten, bei einer Notendifferenz von 0,85 Punkten „annäherndgleiche“ Befähigung anzunehmen. Aus dem Beschluss desBGH vom 13.12.1993, NotZ 58/92, DNotZ 1994, 332, 333 er-gibt sich nichts Gegenteiliges (vgl. auch BGH, Beschluss vom22.3.2004, NotZ 19/03, Umdruck S. 7 f.).

bb) Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass derAntragsgegner durchgehend das Ergebnis der Ersten Juris-tischen Staatsprüfung mit 4 % berücksichtigt. Eine Heranzie-hung der in dieser Prüfung gezeigten juristischen Fähigkeitenliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats innerhalb desBeurteilungsspielraums. Der Antragsgegner ist rechtlich nichtgehindert, neben dem abschließenden Zeugnis auch weitereZeugnisse über den Verlauf der juristischen Ausbildung mitheranzuziehen. Dies darf nur nicht dazu führen, dass das Ge-wicht des Zweiten Staatsexamens hinter sie zurücktritt (BGH,Beschluss vom 13.12.1993, NotZ 58/92, DNotZ 1994, 332,333; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12.7.2004, NotZ 4/04,NJW-RR 2004, 1701, 1703). Unter Umständen kann sogareine Pflicht bestehen, die Ergebnisse der Ersten JuristischenStaatsprüfung zur Abrundung des Leistungsvergleiches miteinzubeziehen (BGH, Beschluss vom 22.3.2004, NotZ 20/03,NJW-RR 2004, 859, 860). Die Verwaltungsübung des An-tragsgegners geht dahin, dass die Gewichtung der Ersten Ju-ristischen Staatsprüfung mit 4 % des Gesamtergebnisses ge-genüber 30 % für die Zweite Juristische Staatsprüfung deut-lich geringer ausfällt. Damit bleibt die Regelung insoweit in-nerhalb des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungs-spielraums. Etwaigen Bedenken, was das Abschlagsystem im Falle unterschiedlicher Notenstufen der Bewerber angeht[siehe oben zu aa) (3)], braucht hier nicht nachgegangen zuwerden. Zum einen war der im konkreten Fall unter diesemGesichtspunkt zu Lasten des Antragstellers vorgenommene(nochmalige) Abzug so geringfügig, dass er sich auf das Ge-samtergebnis nicht ausgewirkt haben kann; zum anderen ge-bietet – unabhängig von der vorgenommenen Berechnungs-methode – insoweit die deutlich schwächere Examensnotedes Antragstellers eine signifikant schlechtere Bewertung.

cc) Ob die generelle Bewertung der Ergebnisse der Vorstel-lungsgespräche mit 20 % in jedem Fall als rechtlich beden-kenfrei anzusehen ist, kann hier – da nicht entscheidungs-erheblich – offen bleiben.

337MittBayNot 4/2005 Beurkundungs- und Notarrecht

(1) Gegen die Einbeziehung der Ergebnisse eines persön-lichen Vorstellungsgespräches bestehen grundsätzlich keineBedenken. Diese Möglichkeit ist in § 6 Abs. 3 BNotO zwarnicht ausdrücklich vorgesehen. Es entspricht aber allgemei-nen Grundsätzen des öffentlichen Dienstrechts, dass zur Prü-fung und Gewichtung der persönlichen Eignung eines Bewer-bers (vgl. § 6 Abs. 3 BNotO) sich der zukünftige Dienstherrneben schriftlichen Unterlagen auch einen unmittelbaren Ein-druck verschaffen kann. Dies ist insbesondere dann zulässig,wenn – wie hier – der Bewerber den Anwärterdienst bei eineranderen Landesjustizverwaltung durchlaufen hat (BGH, Be-schluss vom 22.3.2004, NotZ 20/03, NJW-RR 2004, 859,860).

Bei der Gewichtung des persönlichen Eindrucks aus einemVorstellungsgespräch ist allerdings zu berücksichtigen, dasssolche Gespräche nur eine „Momentaufnahme“ von den Fähig-keiten des jeweiligen Bewerbers vermitteln können (BGH,a. a. O.) und in besonders hohem Maße einer subjektiven Wer-tung unterliegen. Das Grundrecht nach Art. 33 Abs. 2 GG for-dert jedoch ein Verfahren, das sich an objektivierbare und inden sachgegebenen Grenzen gerichtlich überprüfbare Metho-den der Persönlichkeitsbeurteilung hält. Dem genügen dieEindrücke einer Seite über den Verlauf eines Gespräches, dassich weitgehend außerhalb der Sachfragen der angestrebtenAmtsführung bewegt, nicht ohne weiteres (BGH, Beschlüssevom 12.7.2004, NotZ 4/04, NJW-RR 2004, 1701, 1702 undNotZ 5/04, Umdruck S. 6 ff.). Eine ausschlaggebende Bedeu-tung darf der Dienstherr dem Vorstellungsgespräch etwa dannbeimessen, wenn keine schriftlichen Leistungsbeurteilungenvorliegen, die wegen ihres sachlichen Gehaltes aussagekräf-tige Erkenntnisquellen zur persönlichen Eignung des Bewer-bers darstellen (BGH, a. a. O.).

(2) Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob sich der An-tragsgegner mit einem generellen Ansatz von 20 % am Ge-samtergebnis noch im Rahmen seines Beurteilungsspielraumsbewegt. Anders als bei der Bewerbung um den Anwärter-dienst liegen hier neben den Befähigungsnachweisen (ins-besondere Ergebnisse der juristischen Staatsprüfungen) be-reits dienstliche Beurteilungen vor, die Auskunft auch überdie persönliche Eignung geben (vgl. BGH, Beschluss vom22.3.2004, NotZ 20/03, NJW-RR 2004, 859, 860). Der An-tragsgegner gewichtet im Rahmen des „Leistungsbilds“ dieseBeurteilungen, die regelmäßig längere Zeiträume, häufigmehrere Jahre, umfassen, selbst insgesamt mit 30 % unddamit nur um die Hälfte stärker als die „Momentaufnahme“aus dem eigenen persönlichen Eindruck, der von einer Reihevon zufälligen Umständen (Krankheit, Stress, persönlicheSympathie oder Antipathie, usw.) beeinflusst sein kann. Eingewisses Missverhältnis könnte sich selbst dann ergeben,wenn noch – wie vom Oberlandesgericht erwogen – zusätz-lich die „Dauer notarspezifischer Tätigkeit“ mit einem Ge-wicht von 12 % berücksichtigt wird; selbst vor diesem Hin-tergrund kann ein „schlechter Tag“ des Bewerbers oder eineKommunikationsstörung zwischen ihm und seinen Gesprächs-partnern unter Umständen (z. B. in einem relativ homogenenBewerberfeld) dazu führen, dass der Eindruck aus einem Vor-stellungsgespräch sämtliche sonst vorhandene Erkenntnissehinsichtlich der persönlichen Eignung des Bewerbers über-wiegt (vgl. BGH, a. a. O.). Das könnte dazu Anlass geben, denEinfluss der Ergebnisse der Vorstellungsgespräche auf dieGesamtbeurteilung – statt einer generellen Gewichtung miteinem Prozentsatz von 20 % – zu relativieren.

(3) Wie schon das Oberlandesgericht angenommen hat,kommt es vorliegend auf diese Frage nicht an, weil auszu-schließen ist, dass sich die geringfügig (um einen Punkt) zu-

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gunsten des weiteren Beteiligten unterschiedliche Bewertungdes Eindrucks, den der Antragsgegner aufgrund der Vorstel-lungsgespräche von den Bewerbern gewann, auf die Besetzungs-entscheidung ausgewirkt hat. Die Auswertung der Vorstel-lungsgespräche durch den Antragsgegner (8 von 40,21 Punk-ten für den Antragsteller und 9 von 43,34 Punkten für denweiteren Beteiligten) kann gestrichen werden, ohne dass derVorsprung des weiteren Beteiligten (von 3,13 Punkten) imGesamtergebnis maßgeblich beeinflusst würde.

dd) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet ferner, dass nachden Auswahlkriterien des Antragsgegners nicht zusätzlichSonderpunkte für Tätigkeiten beim Deutschen Notarinstitut,für Vortragstätigkeiten oder Veröffentlichungen zu notarspe-zifischen Themen zu vergeben sind.

(1) Das Oberlandesgericht hat in dem angefochtenen Be-schluss zu Recht darauf hingewiesen, dass solche Tätigkeitenohne Rechtsfehler bereits im bestehenden Punktesystem desAntragsgegners Berücksichtigung finden können. Die beson-dere fachliche Qualifikation, die sich aus der Gutachtertätig-keit ergibt, kann bei der Leistungsbewertung („Leistungs-bild“) eine Rolle spielen. Diese Zeit wird außerdem im Rah-men der mit 12 % gewichteten notarspezifischen Tätigkeitenmitberücksichtigt. Im Übrigen können zwar auch im Punkte-system des Antragsgegners über Sonderpunkte ganz beson-dere Qualifikationen prinzipiell berücksichtigt werden. Es istaber nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner einen sol-chen Fall hier nicht angenommen hat. Wie der Senat bereitsausgesprochen hat, ist es im Blick auf die Beurteilungenwährend des Anwärterdienstes und darauf, dass die Notar-assessoren bereits beträchtliches wissenschaftliches Potentialeinbringen und auch oft während der Ausbildung mit wissen-schaftlichen Aufgaben betraut werden, nicht geboten, Tätig-keiten der Bewerber beim Deutschen Notarinstitut, wissen-schaftlichen Veröffentlichungen und steuerrechtlichen Fach-kenntnissen ein besonderes, zusätzliches Gewicht beim Leis-tungsvergleich beizumessen (BGH, Beschluss vom 22.3.2004,NotZ 19/03, Umdruck S. 8 f.).

(2) Auf eine mögliche andere Gewichtung solcher Tätigkei-ten in Verwaltungsvorschriften betreffend die Bewertung derEignung der Bewerber bei der Auswahl von Anwaltsnotaren(vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 6 AVNot NRW) kommt es wegen desUnterschieds zwischen dem Anwaltsnotariat und dem hier be-troffenen Nur-Notariat mit dem dafür vorgesehenen Anwär-terdienst (§ 7 BNotO) nicht an. Die Unterscheidung schlägtsich nicht nur in einer unterschiedlichen Ausgestaltung desBerufsbildes nieder, sondern sie hat Auswirkungen insbeson-dere auf die Berufszugangsvoraussetzungen (vgl. BVerfG,Beschluss vom 20.4.2004, 1 BvR 838/01 u. a., NJW 2004,1935, 1937).

b) Auch die Anwendung der erörterten Verwaltungsgrund-sätze des Antragsgegners im vorliegenden konkreten Einzel-fall ist rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Bezüglich der Leistungsbeurteilung hält sich die Ein-schätzung des Antragsgegners, dass beide Bewerber die Höchst-punktzahl von 15 Punkten erfüllt haben, innerhalb des ihmzustehenden Beurteilungsspielraums. Dies gilt entgegen derBeschwerde insbesondere auch für die – im Ergebnis keiner-lei Einschränkungen der Leistungsfähigkeit feststellende –Auswertung der Zeugnisse des weiteren Beteiligten. Wegender Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss ver-wiesen.

Dass der Antragsgegner die Vortragstätigkeit und wissen-schaftlichen Veröffentlichungen des Antragstellers (der nurdie ersten 17 Monate nach Einstellung als Notarassessor

338 MittBayNot 4/2005Beurkundungs- und Notarrecht

tatsächlich im Notardienst tätig war) – auch unter Einbezie-hung seiner Tätigkeit beim Deutschen Notarinstitut und desdort bewiesenen Fachwissens einschließlich besonderersteuerrechtlicher Fachkenntnisse – nicht höher als die jahre-lange praktische Notarstätigkeit des erfolgreichen Mitbewer-bers bewertet hat, hält sich gleichermaßen innerhalb des ihmzustehenden Beurteilungsspielraums. Insbesondere ist nichtzu beanstanden, dass der Antragsgegner einen Erfahrungsvor-sprung des weiteren Beteiligten gegenüber dem Antragstellerhinsichtlich der organisatorischen und wirtschaftlichen Füh-rung eines Notariats angenommen und deshalb bei der Be-wertung und Abwägung sämtlicher Tätigkeiten bis zum Stich-tag jedenfalls keinen Vorrang des Antragstellers im „Leis-tungsbild“ gesehen hat.

bb) Was die Bewertung der Vorstellungsgespräche angeht,hat sich, wie bereits ausgeführt, die geringfügig höhere Ein-stufung des weiteren Beteiligten durch den Antragsgegnernicht zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt.

III.

Der angefochtene Beschluss hat daher Bestand. Zu ändernwar aufgrund des Rechtsmittels des Antragstellers lediglichder Ausspruch über die Erstattung der erstinstanzlichenaußergerichtlichen Kosten des weiteren Beteiligten durch denAntragsteller. Die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO an-wendbare Vorschrift des § 201 BRAO gilt nur für die Ge-richtskosten, so dass die Entscheidung über die außergericht-lichen Auslagen der Beteiligten § 13 a FGG zu entnehmen ist.Die Erstattung erstinstanzlicher Kosten kann nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG ganz oder teilweise angeordnet werden,wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies kommt in Betracht,wenn im Einzelfall besondere Gründe bestehen, die eine Kos-tenerstattung als billig erscheinen lassen (BGH, Beschlussvom 4.12.1989, NotZ 18/89, juris [Umdruck S. 5]). DieZurückweisung des Antrags für sich allein ist in der Regelnoch kein ausreichender Grund, um eine Kostenerstattung an-zuordnen. Es kommt hier also mangels besonderer Umständeder Grundsatz zum Tragen, dass jeder Beteiligte seine außer-gerichtlichen Auslagen im erstinstanzlichen Verfahren selbstzu tragen hat.

20. BeurkG § 17 Abs. 1, EStG § 23 Abs. 1 (Keine allgemeineBelehrungspflicht über Anfall der Spekulationssteuer)

Auf die Möglichkeit der Versteuerung eines „Spekula-tionsgewinns“ muss der Notar grundsätzlich hinweisen,wenn ein Beteiligter selbst die Frage nach der Steuer-pflicht erhoben hat oder wenn der Notar vor oder wäh-rend der Beurkundung davon Kenntnis erhält, dass derVerkäufer das Grundstück innerhalb der „Spekulations-frist“ erworben hat und die Anschaffungskosten unterdem Verkaufspreis liegen. (Leitsatz der Schriftleitung)

LG Stuttgart, Urteil vom 31.8.2004, 15 O 191/04; eingesandtvon Notar Dr. Robert Kiefer, Zweibrücken

Aus den Gründen:

II.

Selbst wenn den Notarvertreter generell Belehrungspflichtenim Verhältnis zur Klägerin getroffen hätten, wäre er jedenfallsnicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf den möglichenAnfall der „Spekulationsteuer“ hinzuweisen.

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Der Notar, der einen Grundstückskaufvertrag beurkundet,ist regelmäßig nicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG gehalten, aufsteuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts hinzu-weisen. Denn diese gehören typischerweise nicht zum Inhalteines Grundstückskaufvertrages selbst, sondern ergeben sichkraft Gesetzes als Folgen daraus (BGH, MDR 1995, 1170 = DNotZ 1996, 116). Von sich aus muss ein Notar auf dieMöglichkeit der Entstehung einer Steuerpflicht nur in denFällen hinweisen, in denen gesetzliche Regelungen dies vor-schreiben, was beim Anfall der „Spekulationsteuer“ nicht derFall ist.

Ausnahmsweise ist der Notar jedoch im Rahmen seiner all-gemeinen Betreuungspflicht (§ 14 Abs. 1 BNotO) gehalten,auch auf steuerliche Gefahren aufmerksam zu machen, wenner aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls Anlass zuder Vermutung haben muss, einem Beteiligten drohe einSchaden, weil er sich der Gefahr des Entstehens einer beson-deren Steuerpflicht nicht bewusst ist. Dies gilt insbesonderefür das Entstehen der sogenannten „Spekulationsteuer“ (BGH,a. a. O.). Auf die Möglichkeit der Versteuerung eines „Speku-lationsgewinns“ muss der Notar grundsätzlich dann hinwei-sen, wenn ein Beteiligter selbst die Frage nach der Steuer-pflicht erhoben hätte – was die Klägerin unstreitig nicht getanhat – oder wenn er vor oder während der Beurkundung desKaufvertrages davon Kenntnis erhält, dass der Verkäufer dasGrundstück innerhalb der „Spekulationsfrist“ erworben hatund die Anschaffungskosten unter dem Verkaufspreis liegen(BGH, MDR 1985, 577; NJW 1989, 586; MDR 1995, 1170;OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2002, 400 und 2003, 91).

Selbst wenn der Notarvertreter aufgrund der Grundbuch-abschrift, die ihm vorlag, tatsächlich Kenntnis vom Zeitpunktdes Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerin gehabthaben sollte, hätte er auf die Möglichkeit des Anfalls der„Spekulationsteuer“ nicht hinweisen müssen. Denn unstreitigwusste der Notarvertreter nicht, dass die Klägerin das Grund-stück selbst zu einem niedrigeren Kaufpreis gekauft hatte.Nur aus einem Vergleich zwischen den früheren Anschaffungs-kosten und dem jetzt vorgesehenen Verkaufspreis könnte sichaber ein Gewinn errechnen, der möglicherweise zu versteuernwäre. Zur Ermittlung von Tatsachen, die für das evtl. Eingrei-fen von Steuertatbeständen von Bedeutung sein können, istder Notar bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertra-ges jedoch nicht verpflichtet (BGH, MDR 1995, 1170). Alleinanhand des Datums des Erwerbs des Grundstücks durch dieKlägerin konnte der Notarvertreter jedenfalls nicht ersehen,ob eine besondere Steuerpflicht entstehen würde. Eine Ver-pflichtung des Notars, bei bloßer Kenntnis des Nichtablaufsder Spekulationsfrist ohne Kenntnis von den sonstigen dieSteuerpflicht auslösenden Umständen in allgemeiner Weiseauf die Möglichkeit des etwaigen Entstehens einer solchenSteuerschuld hinzuweisen, besteht nicht. Dies würde die andie Belehrungspflichten eines Notars in Bezug auf steuer-rechtliche Folgen des beurkundeten Vertrags zu stellendenAnforderungen überspannen. Es kann daher dahingestelltbleiben, ob der Notarvertreter tatsächlich Kenntnis vom Da-tum des Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerin hatteoder sich diese jedenfalls unschwer aus den ihm vorliegendenUnterlagen hätte beschaffen können.

339MittBayNot 4/2005 Kostenrecht

Kostenrecht

21. KostO §§ 147 Abs. 2, 149 KostO (Abgeltungsbereich derHebegebühr)

Die Anzeige des Notars an einen Darlehensgeber, dass der Grundstückskäufer seine Auszahlungsansprüche anden Verkäufer abgetreten hat, löst neben der „Hebe-gebühr“ nach § 149 KostO eine „sonstige Gebühr“ nach § 147 Abs. 2 KostO nicht aus.

Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.11.2004,3 W 82/04; mitgeteilt vom 3. Zivilsenat des OLG

Aus den Gründen:I.

In einem Grundstückskaufvertrag wurde vereinbart, dass die Käufer berechtigt sind, das Grundstück bereits vor Eigen-tumsumschreibung mit Grundpfandrechten zu belasten. ZurSicherung der Verkäuferin traten die Käufer ihre Darlehens-ansprüche gegen die finanzierenden Banken, zu deren Guns-ten zwei Grundpfandrechte bestellt wurden, an diese ab. DerNotar übersandte den Grundschuldgläubigern jeweils voll-streckbare Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkun-den und wies die Grundpfandrechtsgläubiger darauf hin, dassdie Darlehensvaluta auf sein Notaranderkonto zu zahlen sei.Für die Abtretungsanzeigen berechnete er jeweils eine Ge-bühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO.

Die Kostenberechnung ist im Rahmen einer Notarprüfung be-anstandet worden. Der Präsident des Landgerichts hat denNotar gemäß § 156 Abs. 6 Satz 1 KostO angewiesen, die Ent-scheidung des Landgerichts herbeizuführen. Das Landgerichthat die Kostenrechnung um die Gebühren gemäß § 147 Abs. 2KostO gekürzt.

II.

(…) In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg.Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzungdes Rechts (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO, § 546 ZPO).

Mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dassdie von dem Notar anweisungsgemäß ausgeführte Abtretungs-anzeige an die Grundpfandrechtsgläubiger eine „sonstige Ge-bühr“ gemäß § 147 Abs. 2 KostO nicht auslöst. Diese würdenur dann entstehen, wenn für diese Tätigkeit eine Gebührnach der Kostenordnung sonst nicht angefallen wäre. Dies isthier aber nicht der Fall.

Da die Parteien des Kaufvertrages die Hinterlegung des Kauf-preises bei dem Notar vereinbart haben, steht diesem für dasHinterlegungsgeschäft eine Gebühr nach Maßgabe des § 149KostO zu. Die Abtretungsanzeige ist wie die Hinterlegung als Mitwirkungshandlung des Notars an der Schaffung derVoraussetzungen für die Abwicklung der Zug um Zug ge-schuldeten Leistungen aus dem Kaufvertrag anzusehen; siewird deshalb von diesem Gebührentatbestand miterfasst (vgl. OLG Düsseldorf, DNotZ 1993, 280; Hartmann, KostO,34. Aufl., § 149 Rdnr. 4; Korintenberg/Reimann, KostO,15. Aufl., § 149 Rdnr. 7; Rohs/Wedewer, KostO, 3. Aufl.,§ 149 Rdnr. 12). Soweit dieser Auffassung dogmatische Be-denken entgegengehalten werden (vgl. Mümmler, JurBüro1992, 822; Anm. Lappe in KostRsp., § 149 KostO Nr. 26),kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Der Abgel-tungsbereich der Hebegebühr ist weit auszulegen. Von ihr um-fasst wird nicht nur diejenige Tätigkeit des Notars, welche mitder Verwahrung und Auszahlung des Geldes in einem dog-matischen Sinne verbunden ist, sondern die gesamte Mühe-waltung und Verantwortlichkeit des Notars bei Erhebung, Ver-

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wahrung und Ablieferung des Geldes (vgl. Senat, JurBüro1995, 101; Rohs/Wedewer, a. a. O., m. w. N.). Auch wenn dieAbtretungsanzeige dogmatisch von dem Verwahrungsge-schäft zu unterscheiden ist, so dient auch dieses letztlich – wiedie Abtretungsanzeige – der Sicherung des Kaufpreises unddamit der reibungslosen Abwicklung der Zug-um-Zug-Leis-tungen. Die Abtretungsanzeige ist somit unter Berücksichti-gung dieses Zweckes als das Hinterlegungsgeschäft för-derndes Geschäft zu sehen, weshalb sie zur Begründung einersubsidiären Gebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO nicht heran-gezogen werden kann (so auch im Ergebnis – wenn auch mitanderer Begründung – Lappe, a. a. O.).

22. KostO § 147 Abs. 2 (Anfall gesonderter Betreuungs-gebühren bei Kaufvertrag)

Die Überwachung der Kaufpreisfälligkeit, die Einholungder Bestätigung der finanzierenden Bank, dass sie denSicherungsabreden der Grundschuldbestellungsurkundeentsprechend verfahren werde und die Überwachung der Kaufpreiszahlung stellen selbständige Tätigkeiten desNotars im Sinn von § 147 Abs. 2 KostO dar, für die jeweilseine gesonderte Betreuungsgebühr anfällt.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.11.2004, 3 W 39/04

Aus den Gründen:

Nach § 5 des beurkundeten Kaufvertrags hatte der Notar denEintritt der Fälligkeit zu überwachen und dem Käufer mit-zuteilen. Durch § 9 wurde er angewiesen, die Eigentumsum-schreibung erst zu beantragen, nachdem ihm die Kaufpreis-zahlung nachgewiesen worden war. In § 13 wurden die Käu-fer bevollmächtigt, den Vertragsgegenstand schon vor Eigen-tumsumschreibung zu Finanzierungszwecken zu belasten.Von dieser Vollmacht konnte nur der beurkundende NotarGebrauch machen. Er wurde angewiesen sicherzustellen, dassin den Bestellungsurkunden u. a. folgende Erklärungen abge-geben wurden:

„a) Der Grundschuldgläubiger darf die Grundschuld nurinsoweit als Sicherheit verwerten oder behalten, als ertatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kauf-preisschuld der Käuferpartei geleistet hat.

b) Die Käuferpartei tritt ihre Auszahlungsansprüche ge-gen das Kreditinstitut, dessen Kredite durch die einzu-tragenden Grundpfandrechte gesichert werden, in demUmfang, in dem sie der Kaufpreisbelegung dienen, an dieVerkäuferpartei ab und weist das Kreditinstitut unwider-ruflich an, Zahlungen nur gemäß § 5 dieser Vereinbarungzu leisten.

(…) Der Notar darf Ausfertigungen, Originale und be-glaubigte Abschriften der Grundpfandrechtsbestellungs-erklärungen erst herausgeben, wenn die Kreditinstitute,deren Kredite durch die Grundpfandrechte gesichert wer-den, bestätigt haben, dass sie von den Erklärungen ge-mäß a) und b) Kenntnis genommen und entsprechend derAbtretung und unwiderruflichen Anweisung verfahrenwerden.“

Daraufhin beurkundete der Notar die Bestellung einer Brief-grundschuld für die finanzierende Bank der Käufer, wobei die vorstehenden Regelungen als Ziffer „8. EingeschränkteSicherungsabrede“ übernommen wurden. Der Bank über-sandte er eine Fotokopie der Grundschuldbestellungsurkunde

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mit der Bitte um Hereingabe einer Bestätigung, dass sie vonden Erklärungen gemäß Ziffer 8 Kenntnis genommen habeund entsprechend der Abtretung und unwiderruflichen An-weisung verfahren werde. Nachdem diese Bestätigung ein-getroffen war, stellte der Notar die sich aus der Grundschuld-bestellungsurkunde ergebenden Anträge. Nach Erhalt derKaufpreiszahlungsbestätigung stellte der Notar den Antragauf Eigentumsumschreibung.

Für seine Bemühungen in dieser Angelegenheit hat der Notaru. a. drei Betreuungsgebühren gemäß § 147 Abs. 2 KostO be-rechnet, nämlich eine für die „Fälligkeitsüberwachung“, einefür die „Einreichungsüberwachung“ sowie eine für die „Ein-holung der Bestätigung aufgrund der Belastungsvollmacht“.

Der Präsident des Landgerichts hat den Notar gemäß § 156Abs. 5 KostO a. F. angewiesen, hinsichtlich der letzten beidenPositionen die Entscheidung des Landgerichts herbeizufüh-ren. Es handele sich zwar in beiden Fällen um gebühren-pflichtige Geschäfte, gleichwohl sei aber nur eine Betreu-ungsgebühr anzusetzen, weil die in einer Urkunde nieder-gelegten Aufträge zur Einreichungsüberwachung und Ein-holung der Gläubigerbestätigung in untrennbarem Zusam-menhang ständen, ausschließlich dem Interesse der Verkäuferdienten und beide die gleiche Zielsetzung hätten, nämlicheine ungesicherte Vorleistung zu verhindern.

Das Landgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossenund die Kostenrechnung des Notars insoweit aufgehoben, alsdarin eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO für die Einholungder Bestätigung aufgrund der Belastungsvollmacht festge-setzt worden ist. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat es dieweitere Beschwerde gemäß § 156 Abs. 2 KostO zugelassen.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Notar als „Einreichungsüberwachung“ bezeichneteeigenverantwortliche Prüfung und Überwachung der Kauf-preiszahlung vor Einreichung des Umschreibungsantrageseinerseits und die Einholung der Bestätigung der finanzieren-den Bank, dass sie den Sicherungsabreden der Grundschuld-bestellungsurkunde entsprechend verfahren werde, anderer-seits, stellen jeweils Tätigkeiten des Notars i. S. v. § 147 Abs. 2KostO dar. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jedeunter § 147 Abs. 2 KostO fallende Tätigkeit des Notars alsselbständiges Geschäft zu behandeln ist und deshalb jeweilseine gesonderte Betreuungsgebühr anfällt (Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl., S. 184 ff.; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 15. Aufl., § 147 Rdnr. 176 ff.; Mümmler, Jur-Büro 1974, 974, 976). Eine Ausnahme von diesem Grundsatzgilt lediglich dann, wenn zwischen den verschiedenen Tätig-keiten ein so enger Zusammenhang besteht, dass sie als ein-heitliches Geschäft anzusehen sind. Hierfür nicht ausreichendist der Umstand, dass die Aufträge in derselben Urkundeenthalten sind und die Tätigkeiten letztlich demselben wirt-schaftlichen Zweck, hier der Abwicklung des Grundstücks-kaufvertrages, dienen. Es kommt vielmehr darauf an, ob essich nach dem Gesamtbild um gleichwertige, voneinanderunabhängige Tätigkeiten handelt, oder ob die Tätigkeiten in einem solch unmittelbaren sachlichen Zusammenhangstehen, dass die eine die andere, quasi als unselbständigesNebengeschäft, lediglich vorbereitet oder fördert. Letzteresist z. B. im Verhältnis von Erteilung einer Auszahlungsanwei-sung an Finanzierungsgläubiger und Überwachung der Kauf-preiszahlung der Fall (LG Köln, MittRhNotK 1996, 109, 110),ersteres z. B. nach mittlerweile einhelliger Auffassung im Ver-hältnis von Überwachung der Kaufpreisfälligkeit und Über-wachung der Kaufpreiszahlung (Assenmacher/Mathias, a. a. O.,S. 185 m. w. N.; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, a. a. O., Rdnr. 177m. w. N.).

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Im zu entscheidenden Fall gliederte sich die Betreuungstätig-keit des Notars in drei Abschnitte. Zum einen hatte er die in § 5 des Vertrages im Einzelnen aufgeführten Fälligkeitsvoraus-setzungen herbeizuführen, insbesondere Löschungsbewilli-gungen einzuholen, und den Käufern sodann die Fälligkeits-mitteilung zu übersenden. Zum anderen hatte er zur Ermög-lichung der Finanzierung durch die Käufer von der in § 13vorgesehenen Belastungsvollmacht Gebrauch zu machen,allerdings erst nach Einholung einer Bestätigung der finanzie-renden Bank, dass diese die in der Grundschuldbestellungs-urkunde enthaltenen Sicherungsabreden akzeptierte. Schließ-lich hatte er sich gemäß § 9 die Kaufpreiszahlung nachweisenzu lassen, bevor er die Eigentumsumschreibung beantragendurfte. Bei allen drei Tätigkeitskomplexen handelt es sichnach Auffassung des Senats um selbständige und deshalbnebeneinander zu vergütende Geschäfte (vgl. auch OLG Köln,RNotZ 2003, 401, 402). Dass sowohl die Einholung der Gläu-bigerbestätigung als auch die Überwachung der Kaufpreis-zahlung im Interesse des Verkäufers geschehen sind, gebietetkeine einheitliche Betrachtung. Es handelt sich vielmehr umTätigkeiten, die zu unterschiedlichen Zeiten in unterschied-licher Weise mit unterschiedlicher Zielrichtung auszuübenwaren. Während die Einholung der Gläubigerbestätigung eineungesicherte Belastung des Grundstücks des Verkäufers vorEigentumsumschreibung verhindern sollte, diente – hiervonrechtlich unabhängig und, entgegen der Meinung des Präsi-denten des Landgerichts, keineswegs untrennbar miteinanderverbunden – die spätere Überwachung der Kaufpreiszahlungdazu, sicherzustellen, dass eine Eigentumsumschreibung erstnach Ablösung der vorhandenen Grundschuld und Zahlungdes Restkaufpreises an die Verkäufer erfolgte. Da die Kosten-rechnungen des Notars somit rechtlich nicht zu beanstandensind, war die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben.

23. KostO § 146 (Einholung von Löschungsbewilligungendient nicht dem Vollzug eines Kaufangebots)

Beurkundet der Notar ein Angebot zum Abschluss einesGrundstückskaufvertrages, so dient die Einholung vonLöschungsbewilligungen von Grundpfandrechtsgläubigernnicht dem Vollzug dieses Kaufangebotes. Eine Vollzugs-gebühr gem. § 146 Abs. 1 KostO fällt deshalb nicht an.

OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2004, 15 W 100/04; mit-geteilt von Helmut Engelhardt, Richter am OLG

Aus den Gründen:I.

Der Notar beurkundete ein Verkaufsangebot des Beteiligten anseine Mutter, in dem er dieser den Abschluss eines Kaufvertra-ges anbot. In § 3 des Kaufvertragsangebotes heißt es in Bezugauf die in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen zwei Siche-rungshypotheken über 16.811,56 DM bzw. 16.176,70 DM u. a.:

„Die Rechte in Abt. 3 lfd. 8 und 9 werden von der Käu-ferin nicht übernommen. Der Notar wird beauftragt, dieLöschungsbewilligungen der in Abt. 3 lfd. Nr. 8 und 9eingetragenen Rechte einzuholen.“

Der Notar forderte die jeweiligen Grundpfandrechtsgläubigerdaraufhin auf, eine Löschungsbewilligung für die nicht mehrvalutierten Rechte zu erteilen. Die Löschungsbewilligungenwurden in der Folgezeit erteilt und die Rechte im Grundbuchgelöscht. Das Vertragsangebot hat die Mutter des Beteiligten– bislang – nicht angenommen.

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Für seine Tätigkeit erteilte der Notar dem Beteiligten eineKostenberechnung für die Beurkundung des Vertragsange-botes. Darin enthalten ist eine 5/10-Vollzugsgebühr gemäß §§ 32, 146 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KostO.

Der Präsident des Landgerichts beanstandete den Ansatz derVollzugsgebühr mit der Begründung, der Auftrag zur Einho-lung der Löschungsbewilligungen sei mangels Annahme desVertragsangebotes nicht wirksam geworden. Anweisungs-gemäß hat der Notar die Entscheidung des Landgerichts be-antragt; er hat vorgetragen, die Vollzugsgebühr sei dadurchentstanden, dass er bereits vor der Annahme des Vertrags-angebotes mit der Einholung der Löschungsbewilligungenbeauftragt gewesen sei.

Das Landgericht hat die Kostenberechnung korrigiert undanstelle einer 5/10-Vollzugsgebühr gemäß §§ 32, 146 Abs. 1Satz 1 Halbsatz 1 KostO in Höhe von 1.030 DM zweimal eine5/10-Gebühr gemäß §§ 32, 147 Abs. 2 KostO in Höhe von je-weils 25 DM angesetzt. Der Notar wendet sich dagegen mitder weiteren Beschwerde.

II.

(…) Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil die Ent-scheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung desRechts beruht (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO). In verfahrens-rechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einergem. § 156 Abs. 6 KostO zulässigen Anweisungsbeschwerdedes Notars ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entschei-dung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Vor-aussetzungen für die Erhebung einer Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KostO nicht vorliegen. Nachdieser Vorschrift setzt das Entstehen einer Vollzugsgebühru. a. voraus, dass die Tätigkeit des Notars zum Zweck desVollzugs des Geschäfts – hier: Abgabe eines Angebots zumAbschluss eines Grundstückkaufvertrages – erforderlich ist.Der Notar muss also zum Zwecke der Herbeiführung der Voll-zugsfähigkeit tätig geworden sein (Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 15. Aufl., § 146 Rdnr. 10 b). Denn die Voll-zugsgebühr soll alle Maßnahmen zur Herbeiführung derRechtswirksamkeit und Vollzugsfähigkeit des schuldrecht-lichen und/oder dinglichen Rechtsgeschäfts abdecken (Assen-macher/Mathias, KostO, 15. Aufl., „Vollzugsgebühr“, Allge-meines vor 1.).

Zwar kann bei der Beurkundung eines Angebotes zum Ab-schluss eines Grundstückkaufvertrages eine Gebühr anfallen,soweit der Notar zum Vollzug dieses Kaufangebotes tätigwird (Assenmacher/Mathias, a. a. O., 1.1.2.). Jedoch dient dieEinholung von Löschungsbewilligungen für die Grundpfand-rechte nicht dem Vollzug der Abgabe eines Angebots zum Ab-schluss eines Kaufvertrages, sondern ist eine Maßnahme zurDurchführung eines etwaig auf der Grundlage des Angebotsspäter geschlossenen Kaufvertrages. Denn die Beseitigungder Lasten wird erst dann erforderlich, wenn es durch An-nahme des Angebots zum Vertragsschluss kommt. Erst dannentsteht die Verpflichtung des Verkäufers, die Löschung derBelastungen herbeizuführen, um den Anspruch des Käufersauf lastenfreie Übertragung zu erfüllen.

Ist demnach die von dem Notar entfaltete Tätigkeit im Zu-sammenhang mit der Beschaffung der Löschungsbewilligun-gen nicht zum Zwecke des Vollzugs des beurkundeten Kauf-vertragsangebotes erforderlich, kann insoweit nur die Betreu-ungsgebühr nach § 147 KostO angesetzt werden (vgl. Assen-macher/Mathias, a. a. O., 1.1.1 d). Die diesbezüglichen Aus-führungen des Landgerichts werden mit der Beschwerde nichtangegriffen.

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Steuerrecht

24. ErbStG § 10 Abs. 6 Satz 3, § 12 Abs. 1, 3; BewG § 148Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 (Künftig Bewertung eines Grundstücks-sachvermächtnisses mit gemeinem Wert?)

1. Der Grundstückswert für Grundstücke, auf denensich Gebäude auf fremdem Grund und Boden befin-den, ist gemäß § 148 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BewGzu ermitteln.

2. Verstößt der nach § 148 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1BewG ermittelte Wert solch eines Grundstücks, dasmit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden be-baut ist, im Einzelfall gegen das Übermaßverbot, ister im Wege verfassungskonformer Auslegung derVorschrift auf den Verkehrswert des Grundstücksherabzusetzen.

3. Die Rechtsprechung, wonach die aus reinen Grund-stücksvermächtnissen sich ergebenden Sachleistungs-verpflichtungen der Erben und Sachleistungsansprücheder Vermächtnisnehmer ausnahmsweise mit denSteuerwerten der Grundstücke zu bewerten sind,bedarf unter der Geltung der §§ 138 ff. BewG einerÜberprüfung.

BFH, Urteil vom 2.7.2004, II R 9/02

Hinweis der Schriftleitung:

Das Urteil ist abgedruckt etwa in BStBl II 2004, 1039 oderZEV 2004, 474.

25. EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, § 22 Nr. 1 Satz 1; EGBGB Art. 96(Hinreichende Bestimmtheit eines Vertrags zur Vermögens-übergabe gegen Versorgungsleistungen bei Einräumung eines„freien Altenteilsrechts“)

Ein Vertrag, der im Rahmen einer Vermögensübergabegegen Versorgungsleistungen im Wege der vorweggenom-menen Erbfolge den Vermögensübergebern ein „freiesAltenteilsrecht“ einräumt, ist hinreichend bestimmt. Dievom Kern des Altenteilsrechts erfassten Versorgungsleis-tungen (insbesondere, im übergebenen Besitz weiterhinwohnen zu dürfen, sowie freie Verpflegung) bedürfenweder Festlegungen nach der Art noch nach der Höhe.

BFH, Urteil vom 16.9.2004, X R 7/04

Aus den Gründen:I.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt wurden. Im Jahr 1977 hatten die Eltern desKlägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolgeihren Haus- und Grundbesitz übertragen, der bis dahin inTeilen vom Vater des Klägers als Nebenerwerbslandwirt be-wirtschaftet worden war. Gemäß § 4 des Übergabevertrags,erhielten die Eltern des Klägers „lebenslänglich auf der über-tragenen Besitzung ein freies Altenteilsrecht“. Im August1998 legten der Kläger und seine Eltern in einem weiterennotariellen Vertrag den genauen Inhalt des Altenteilsrechtsfest. Danach wurde der Umfang des Wohnrechts im Einzelnenbeschrieben, die Pflicht des Klägers benannt, alle Kosten derBewirtschaftung der von den Eltern benutzten Räume zu tra-gen und ebenso seine Pflicht, die Eltern am gemeinsamen Tisch

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zu beköstigen. Mit der Einkommensteuererklärung machtendie Kläger insgesamt 9 386 DM (Verpflegung 7 700 DM undEnergie 1 686 DM) als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG)geltend. Das beklagte Finanzamt ließ die dauernden Lastennicht mehr zum Abzug zu. Es betrachtete die Versorgungs-leistungen als nach Art und Höhe nicht eindeutig festgelegt.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Es fehle an einerklaren und eindeutigen Vereinbarung über die Höhe der Ver-sorgungsleistungen und die Art und Weise der „Zahlung“.Welche Leistungen mit dem Begriff „freies Altenteilsrecht“umschrieben und geschuldet würden, sei nicht klar. Art. 96EGBGB enthalte keine Definition des Altenteils. Weil dasVersorgungsbedürfnis der Eltern des Klägers wegen der So-zialrente des Vaters nicht mit der eines Vollerwerbslandwirtsvergleichbar sei, könne der Übergabevertrag nicht von vor-neherein als typischer landwirtschaftlicher Vertrag qualifiziertwerden. Daher lasse sich der Umfang der Verpflichtung desKlägers nicht eindeutig aus dem Begriff des Altenteils ablei-ten. Die nachträgliche Konkretisierung führe nicht zu einerAnerkennung der dauernden Lasten, weil die klaren undeindeutigen Vereinbarungen bereits zu Beginn des streitigenRechtsverhältnisses vorliegen müssten. Mit ihrer Revisionrügen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vor-entscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1Nr. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts istder Vermögensübergabevertrag hinreichend bestimmt.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderenVerpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauerndenLasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen,die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang ab-ziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können– nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG –nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden.

Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusam-menhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege dervorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungs-renten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Über-gebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, son-dern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1Nr. 1 a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1Satz 1 EStG) zugeordnet (Urteil des BFH vom 27.8.1997 X R 54/94, BStBl II 1997, 813, unter II. 1. b, m. w. N.).

2. Der zu beurteilende Vertrag beinhaltet eine Vermögens-übergabe gegen Versorgungsleistungen. Dieser Würdigungsteht nicht entgegen, dass Gegenstand der Vermögensüber-gabe keine im Vollerwerb betriebene Landwirtschaft, sonderndie eines Nebenerwerbslandwirts war. Maßgeblich ist, dassdem Kläger der Haus- und Grundbesitz seiner Eltern im Wegeder vorweggenommenen Erbfolge zur weiteren Bewirtschaf-tung übertragen wurde, dass den Vermögensübergebern dafürein lebenslängliches Altenteilsrecht eingeräumt wurde unddass der Vermögensübernehmer die geschuldeten Versorgungs-leistungen aus den Erträgen des übertragenen Vermögens er-wirtschaften konnte.

3. Der Übergabevertrag vom 5.2.1977 zwischen dem Klä-ger und seinen Eltern entspricht einem Altenteilsvertrag imSinne des in Nordrhein-Westfalen fortgeltenden vorkonstitu-tionellen Ausführungsgesetzes zum EGBGB für das König-reich Preußen vom 20.9.1899, jedenfalls aber einem Ver-sorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Alten-

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teilsvertrag zumindest vergleichbar ist (vgl. Senatsurteil vom25.3.1992 X R 38/86, BFH/NV 1992, 595). Die Beteiligtenhaben übereinstimmend ein lebenslängliches und freiesAltenteil für die Eltern des Klägers begründet.

4. Auch wenn die Auslegung von Verträgen zu den tatsäch-lichen Feststellungen i. S. des § 118 Abs. 2 FGO gehört, istdas Revisionsgericht berechtigt, sie darauf zu überprüfen, obdie gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürger-lichen Gesetzbuchs – BGB –), die Denkgesetze und allgemei-nen Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind.

a) Unter Berücksichtigung des Kerns des Begriffs des Al-tenteilrechts ergibt eine §§ 133 und 157 BGB beachtendeAuslegung des Übergabevertrags, dass den Eltern des Klägersdarin ein Anspruch auf die unentgeltliche Überlassung vonWohnräumen und die unentgeltliche Verköstigung einge-räumt wurde. Das hat das FG verkannt.

b) Unabhängig davon, ob im Rahmen einer Vermögens-übergabe den Übergebern eine Geldrente eingeräumt wird, istdas Recht der Altenteiler, im übergebenen Besitz weiterhinwohnen zu dürfen und am Tisch der Übernehmer verköstigtzu werden, seit jeher ein zentrales Element einer Vermö-gensübergabe gegen Versorgungsleistungen und damit ohneweiteres von dem Begriff „Altenteilsrecht“ erfasst. Dies ent-spricht im Streitfall dem Willen der Vertragsbeteiligten undder Verkehrssitte, ohne dass es dafür einer weitergehendenKonkretisierung bedarf. Das wird unterstrichen durch dieBezeichnung des Übergabevertrags mit dem überkommenenBegriff „Übertragsvertrag“, dessen wesentlicher Inhalt als all-gemein bekannt und anerkannt anzusehen war (vgl. Urteil desReichsgerichts vom 11.2.1913 VII 296/12, RGZ 81, 311). In-soweit bedurften die vom Kern des Altenteilbegriffs erfasstenVersorgungsleistungen keiner näheren Festlegung nach Artund Höhe. Charakter und Ausmaß dieser Naturalleistungenergeben sich aus dem Üblichen unter Berücksichtigung derindividuellen Verhältnisse der Beteiligten, so dass sie andersals etwa eine Barrente nicht auf eine klare Konkretisierungangewiesen sind. Dieses Grundverständnis eines Altenteilsliegt auch den einschlägigen landesgesetzlichen Bestimmun-gen zugrunde, selbst wenn diese Konkretisierungen zulassen.Weil mit dem Kernbestand eines Altenteilrechts nur dieGrundbedürfnisse des Wohnens und der Verköstigung abge-deckt sind, wird die Bestimmtheit der konkret geschuldetenVersorgungsleistungen nicht dadurch beeinträchtigt, dass derVater des Klägers aus seiner früheren Berufstätigkeit eineRente bezieht. Einer etwaigen Überversorgung kommt bei derBeurteilung der Versorgungsleistungen keine Bedeutung zu(vgl. Senatsurteile vom 24.3.1993 X R 4/92, BFH/NV 1993,717; vom 31.8.1994 X R 79/92, BFH/NV 1995, 382, und vom16.3.1999 X R 87/95, BFH/NV 2000, 12, unter II. 1. d). Da-mit genügt der Vertrag des Klägers mit seinen Eltern den an eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zustellenden Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit.

c) Dem 1998 geschlossenen Ergänzungsvertrag kommtlediglich eine klarstellende und keine rechtsbegründendeWirkung zu. Für die Entscheidung des Streitfalls ist er ohneBedeutung.

Anmerkung:

1. Die vorstehende Entscheidung des BFH hätte so auch zueinem „bayerischen“ Szenario ergehen können. Für die steuer-liche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob der Übergabe-vertrag ein „Altenteilsvertrag“ nach in Nordrhein-Westfalenweitergeltendem preußischem Recht ist oder aber ein Leib-

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gedingsvertrag i. S. von Art. 7 ff. BayAGBGB.1 Das Konkre-tisierungsproblem, dem sich der BFH zur Beurteilung dersteuerlichen Abzugsfähigkeit der gewährten Versorgungs-leistungen stellen musste, dürfte sich in der gegenwärtigenKautelarpraxis erledigt haben, kann aber für Altfälle auch inBayern noch von Bedeutung sein.

2. Das Judikat fügt sich nahtlos ein in die aktuelle Rechts-entwicklung zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleis-tungen, ausgehend von den grundlegenden Beschlüssen desGroßen Senats des BFH vom 12.5.2003.2 Versorgungsleis-tungen werden als vom Übergeber vorbehaltene Erträge seinesVermögens betrachtet, die nunmehr jedoch vom Übernehmererwirtschaftet werden müssen.3 Dabei kommt es nur nochdarauf an, ob die erzielbaren laufenden Nettoerträge des über-gebenen Vermögens die vereinbarten wiederkehrenden Leis-tungen abdecken.4 Ob die übertragene Wirtschaftseinheit fürsich genommen ausreichend ertragbringend ist, ist nicht ent-scheidend. Das übertragene Vermögen muss nur grundsätz-lich für eine generationenübergreifende Anlage geeignet undbestimmt sein und dem Übernehmer zur Fortsetzung desWirtschaftens überlassen werden, um damit wenigstens teil-weise die Existenz des Übergebers zu sichern.5 Die Finanz-verwaltung hat diese Sichtweise in den III. Rentenerlass über-nommen.6

Vor diesem Hintergrund bezieht der (für Fragen des Sonder-ausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG zuständige) X. Senat konsequenterweise auch Nebenerwerbsbetriebe inden Kreis der steuerlich übergabefähigen Vermögensgegen-stände ein, ohne jedoch auf die Rechtsprechungsänderungdurch den Großen Senat ausdrücklich einzugehen. Damitsteht zugleich fest, dass bloße Liebhaberobjekte – etwa die„Hobbyzucht“ – nicht Gegenstand einer Vermögensübergabegegen Versorgungsleistungen sein können (es sei denn, es wirdeine Umschichtung in eine versorgungsfähige Wirtschaftsein-heit im Übergabevertrag vereinbart)7. Auf die Praxis kommenhier Abgrenzungs- und Nachweisprobleme zu. Denn es mussnoch als offen bezeichnet werden, ob die bestehende (wider-legbare) Vermutung für eine existenzsichernde Wirtschafts-einheit bei Fortführung des Unternehmens durch den Über-nehmer8 auch auf Nebenerwerbsbetriebe Anwendung findet.Dagegen spricht, dass dann sehr leicht auch die Liebhabereizur steuerlich anerkannten Übergabe gegen „Versorgungsleis-tungen“ führen könnte (so dass in Wahrheit Unterhaltsleistun-gen steuerlich anerkannt würden),9 dafür, dass auch Teilbe-triebe in die Vermutung einbezogen werden.10 Die Aussonde-

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1 Vgl. auch Art. 96 EGBGB.2 GrS 1/00, BStBl 2004 II, 95 = MittBayNot 2004, 306 ff.;GrS 2/00, BStBl 2004 II, 100 = MittBayNot 2004, 310 ff.3 BFH, MittBayNot 2004, 306, 308 (unter C. II. 2. c der Gründe),unter Berufung auf BFH BStBl 1990 II, 847.4 BFH, MittBayNot 2004, 306, 308 (unter C. II. 3. der Gründe).5 In diese Richtung schon BFH, MittBayNot 2004, 306, 309 (unterC. II. 6. a der Gründe).6 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)v. 16.9.2004, IV C 3 – S 2255 – 354/04, BStBl 2004 I, 922 = Mitt-BayNot 2005, 85 ff. (Tz. 6 ff., 9 ff.); vgl. hierzu Hipler, ZEV 2004,412 ff.; Schwenke, DStR 2004, 1679 ff.; Everts, MittBayNot2005, 13 ff.7 BFH, MittBayNot 2004, 306, 309 (unter C. II. 6. a der Gründe);BMF (Fn. 6), Tz. 13.8 BFH, MittBayNot 2004, 306, 310 (unter C. II. 6. d bb der Gründe);BMF (Fn. 6), Tz. 23.9 Schönfelder, ZEV 2005, 31, 32.10 BMF (Fn. 6), Tz. 23.

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rung von Verlustobjekten wird daher m. E. nur durch die Wi-derlegung der Vermutung im Einzelfall, d. h. durch die kon-krete Ertragsprognose, erfolgen können.11

3. Aus der Rechtfertigung des Instituts der Vermögensüber-gabe gegen Versorgungsleistungen mit der Rechtsfigur dervorbehaltenen Erträge ist zudem zu folgern, dass das Versor-gungsmotiv der Beteiligten keine Rolle für die rechtliche Ein-ordnung spielt.12 Dies war der Rechtsprechung zwar auchbisher zu entnehmen.13 Der BFH stellt es nunmehr nochmalsfest, ohne allerdings auch hier einen ausdrücklichen Bezugzur aktuellen Judikatur herzustellen. Eine etwaige „Überver-sorgung“ des Übergebers, etwa weil er, wie im entschiedenenFall, bereits anderweit eine Rente bezieht oder aber die aus-geworfenen Beträge angesichts des übertragenen Vermögens-wertes so hoch sind, dass sie bei den konkreten Lebensver-hältnissen des Übergebers niemals verbraucht werden können,steht der steuerlichen Anerkennung der Versorgungsleistun-gen also nicht entgegen.

Notarassessor Dr. Arne Everts, Würzburg

11 Vgl. hierzu BMF (Fn. 6), Tz. 23.

12 Everts, MittBayNot 2005, 13, 15 f. m. w. N.

13 Vgl. die Nachw. im Besprechungsurteil (unter 4. b der Gründe).

26. GrEStG §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 (Erwerb eines Haus-bausatzes vom Grundstücksverkäufer)

Die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes„bebautes Grundstück“ setzt voraus, dass entweder derVeräußerer selbst oder ein mit ihm zusammenwirkenderDritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, dentatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d. h. dasGrundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu ver-setzen. Beim Erwerb eines Hausbausatzes vom Grund-stücksverkäufer kann deshalb nur dann das mit dem Bau-satzhaus bebaute Grundstück einheitlicher Erwerbsge-genstand sein, wenn der Grundstücksveräußerer auch zurAufstellung und Montage der Bausatzteile auf dem Grund-stück verpflichtet ist.

BFH, Urteil vom 27.10.2004, II R 12/03

Die Kläger beabsichtigten, auf einem ihnen zum Kauf angebotenenGrundstück ein Bausatzhaus in Blockhausbauweise zu errichten.Hierzu kauften sie 1995 von der F-GmbH einen Hausbausatz zueinem Preis von 169.500 DM. Nach Abschnitt 4 des Vertrages solltedie Lieferung als erfüllt gelten, wenn der Blockhaus-Holzteilebausatzan der frei befahrbaren Baustelle, auf dem Transportfahrzeug liegend,angeliefert wurde. Die Entladung wie auch die Montage des Bausatz-hauses auf dem Grundstück waren Aufgabe der Kläger. Nach dem„Leistungsverzeichnis“, das dem Kaufvertrag beigefügt war, hatte dieF-GmbH die Baugenehmigungsunterlagen nebst Statik und Aus-führungsplänen anzufertigen, den Wärmeschutznachweis zu erbrin-gen sowie Montagepläne und eine Aufbauanleitung in Bild und Textzu liefern. Ferner hatte die F-GmbH für 32 Stunden einen „Richt-meister“ für die fachliche Anleitung der Kläger bei der Errichtung desRohbaus zu stellen. In der hierzu als „Dienstverschaffungsvertrag“bezeichneten Vereinbarung verpflichteten sich die Kläger, „den fach-lichen Anordnungen des Instrukteurs unbedingt Folge zu leisten“, an-sonsten könne dieser seine Tätigkeit sofort beenden; auch Gewähr-leistungsansprüche seien in diesem Fall ausgeschlossen.

Mit der B-GmbH i. G. schlossen die Kläger 1995 einen Grundstücks-kaufvertrag ab. Dieser kam jedoch wegen finanzieller Schwierigkei-ten bei der Verkäuferin nicht zur Durchführung. In der1998 durchge-führten Zwangsversteigerung erwarb die F-GmbH das Grundstückund veräußerte dieses anschließend durch notariell beurkundeten

344 MittBayNot 4/2005Steuerrecht

Kaufvertrag im Jahr 1999 zu einem Kaufpreis von 87.210 DM an dieKläger. Nach § 6 dieses Vertrages waren die Kläger verpflichtet, aufdem erworbenen Grundstück ein Fertigteilhaus der F-GmbH zu er-richten. Ansonsten sollte die F-GmbH vom Grundstückskaufvertragzurücktreten können. Die Errichtung des Rohbaus (Montage derHausbauteile) nahmen die Kläger mit Hilfe eines von ihnen beauf-tragten Krandienstes und zahlreicher Helfer (Verwandte, Freunde)nach den Anweisungen des Richtmeisters vor.

Das beklagte Finanzamt sah in dem Grundstückskaufvertrag und demBlockhauslieferungsvertrag „ein einheitliches Vertragswerk“ und setztedurch zwei getrennte Bescheide ausgehend von einer (Gesamt-)Ge-genleistung von 256.710 DM (Grundstückskaufpreis: 87.210 DM zu-züglich Gebäudepreis: 169.500 DM) Grunderwerbsteuer gegen dieKläger in Höhe von jeweils 4.492 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen sich die Kläger gegen die Einbezie-hung des Kaufpreises für den Hausbausatz in die grunderwerbsteuer-rechtliche Bemessungsgrundlage wandten, blieben ohne Erfolg. DasFG folgte der Rechtsauffassung des FA, dass als Gegenstand des Er-werbsvorgangs der Kläger nicht nur das unbebaute, sondern das mitdem Fertighaus der F-GmbH bebaute Grundstück anzusehen sei. DieKläger seien bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages hinsicht-lich der Bebauung des Grundstücks mit dem bei der F-GmbH bereitsbestellten Haus gebunden gewesen. Gegenstand des Kaufvertrageshinsichtlich des Hausbausatzes sei nicht nur die Lieferung der für dieRohbauerstellung notwendigen Baumaterialien gewesen; vielmehrhabe der Vertrag darauf abgezielt, den Klägern das Grundstück be-baut zu verschaffen; denn die F-GmbH habe wesentliche, nämlich dieplanerisch-organisatorischen Arbeiten im Zusammenhang mit der Er-richtung des Gebäudes zu erbringen gehabt. So habe sie neben derLieferung der erforderlichen Baumaterialien sämtliche Pläne undAufbauanleitungen erstellt und den Richtmeister als Bauleiter einge-setzt und die Einweisungen vornehmen lassen (EFG 2003, 794).

Mit der Revision rügen die Kläger fehlerhafte Anwendung von §§ 8Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das FG habe nicht berücksichtigt,dass sie das Haus selbst und mit Hilfe von Drittunternehmern sowieFreunden, Verwandten und Bekannten errichtet hätten.

Gründe:II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vor-entscheidung und zur Herabsetzung der festgesetzten Steuerin dem von den Klägern beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3Nr. 1 FGO).

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass im Streitfallals einheitlicher Erwerbsgegenstand das von den Klägern er-worbene Grundstück einschließlich der Bebauung mit demvon der F-GmbH gelieferten Fertigteilhaus anzusehen ist.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb einesAnspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücksder Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstücks-kauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u. a.der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenensonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen desErwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung(Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichenVereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage istdabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Ge-genstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. Urteile des BFHvom 11.3.1981, II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981,537; vom 24.1.1990, II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II1990, 590, und vom 27.10.1999, II R 17/99, BFHE 189, 550,BStBl II 2000, 34). Dieser bestimmt sich nicht nur nach demRechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet.Vielmehr können auch weitere Verträge ggf. mit anderen Ver-tragspartnern einzubeziehen sein. Bei einer solchen Mehrheitvon Verträgen ist ein Grundstück in bebautem Zustand Er-werbsgegenstand, wenn zwischen ihnen ein so enger sachlicher

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Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Be-trachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält (ständigeRechtsprechung, vgl. zuletzt: BFH, Urteil vom 30.4.2003,II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446).

Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grund-stückskaufvertrages tatsächlich unbebaut, kann es der Erwer-ber nur dann von der Veräußererseite als „bebaut“ erhalten,wenn nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Ver-äußerer selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritterdem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichenGrundstückszustand zu verändern, d. h. das Grundstückzukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Dies erfor-dert neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags auchden Abschluss eines Bauvertrages mit der Veräußererseite;diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung ver-pflichtet sein (z. B. BFH-Urteile vom 21.4.1999, II R 29/98,BFH/NV 1999, 1507; in BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34;vom 27.10.1999, II R 20/99, BFH/NV 2000, 349, und inBFH/NV 2003, 1446). In diesem Sinne ist auch die Ein-schränkung zu verstehen, dass die erforderliche Bindung desErwerbers an das „Ob“ und das „Wie“ einer konkreten Be-bauung der Veräußererseite gegenüber bestehen muss. DieAnnahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes „bebautesGrundstück“ setzt deshalb voraus, dass der Erwerber mit demErwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs Rechtsbezie-hungen auch hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks(durch die Veräußererseite) eingegangen ist (so bereits BFH,Urteil vom 9.11.1999, II R 54/98, BFHE 189, 557, BStBl II2000, 143). Ist jedoch die Veräußererseite nicht zu einer Ver-änderung des körperlichen Zustands des Grundstücks, d. h. zuseiner Bebauung, verpflichtet, ist – abgesehen von dem Fallder Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung – dievom Erwerber geschuldete Vergütung aus solchen Verträgen,die die Veräußererseite lediglich zu Dienstleistungen im Zu-sammenhang mit dem vom Erwerber selbst herzustellendenGebäude, zur Lieferung beweglicher Gegenstände (z. B. Bau-materialien) oder zur Bereitstellung von Planungsunterlagen(vgl. BFH-Urteile vom 25.11.1992, II R 67/89, BFHE 169,533, BStBl II 1993, 308; vom 17.6.1998, II R 35/96, BFH/NV1998, 1527, und in BFHE 189, 557, BStBl II 2000, 143) ver-pflichten, nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleis-tung für den Erwerb des (bebauten) Grundstücks hinzuzu-rechnen. Auf die Frage, ob das Grundstück sowie die Dienst-und Sachleistungen von der Veräußererseite einheitlich ange-boten wurden, kommt es beim Fehlen einer Herstellungsver-pflichtung der Veräußererseite ebenso wenig an wie darauf,ob die Verträge in einem objektiv engen sachlichen Zusam-menhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grund-stückskaufvertrages hinsichtlich der konkreten Bebauung desGrundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebundenwar. Beim Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksver-käufer kann somit nur dann das mit dem Bausatzhaus bebauteGrundstück einheitlicher Erwerbsgegenstand sein, wenn derGrundstücksverkäufer auch zur Aufstellung und Montage derBausatzteile auf dem Grundstück verpflichtet ist.

b) Dies hat das FG verkannt, soweit es die Lieferung desBausatzhauses sowie die „planerisch-organisatorischen Ar-beiten“ der F-GmbH für die Annahme hat ausreichen lassen,dass die Kläger das Grundstück bebaut erhalten haben. Dieneben der Übereignungspflicht vereinbarten – und im Streit-fall mit dieser sogar rechtlich verknüpften – Lieferungs- undDienstleistungspflichten der F-GmbH dienten zwar im weites-ten Sinne dem Zweck der Errichtung des Bausatzhauses aufdem von den Klägern erworbenen Grundstück, verpflichtetendie F-GmbH aber nicht zur Aufstellung und Montage derBausatzteile auf dem Grundstück. Deren Leistungspflichten

345MittBayNot 4/2005 Steuerrecht

beschränkten sich vielmehr auf die Bauplanung, die Herstel-lung und Lieferung der Bausatzteile sowie die Gestellungeines Instrukteurs (Richtmeisters) zur Einweisung und Bera-tung der Kläger bei der Errichtung des Rohbaus. Die Zusam-mensetzung der Bausatzteile zu einem Haus und die Herstel-lung einer festen Verbindung mit dem Grundstück lag alleinim Verantwortungsbereich der Kläger. Dass die Kläger hier-bei von einem Instrukteur der F-GmbH unterstützt und bera-ten wurden und ihnen von der F-GmbH auch eine Bauanlei-tung zur Verfügung gestellt wurde, ändert an dieser Beurtei-lung nichts. Denn daraus ergibt sich nicht, dass die F-GmbHdas Haus auf dem Grundstück der Kläger zu errichten hatte;anders als vom FG angenommen hatte die F-GmbH die Auf-stellung des Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger nichtzu erbringen. Dementsprechend war ihre Haftung auch be-schränkt auf die Fehlerfreiheit der angelieferten Bausatzteile,der von ihr erarbeiteten Montagepläne sowie der von ihremInstrukteur erteilten Anweisungen.

2. Die Sache ist spruchreif. Nach den vorstehenden Aus-führungen ist Gegenstand des Erwerbs der Kläger das un-bebaute Grundstück. Dementsprechend ist der Kaufpreis fürdas Bausatzhaus nicht Teil der grunderwerbsteuerrechtlichenGegenleistung. Soweit das FG diesen bei der Ermittlung derGegenleistung berücksichtigt hat, waren die angefochtenenSteuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungenzu ändern.

Anmerkung

1. Gegenleistung

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer nach demWert der Gegenleistung. Zur Gegenleistung gehört jede Leis-tung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grund-stückes gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für dieVeräußerung des Grundstückes empfängt. Eine grunderwerb-steuerliche Gegenleistung liegt nur vor, wenn der Erwerbereinem anderen gegenüber eine Leistung erbringt. Hieran fehltes bei den sogenannten eigennützigen Erwerberleistungen,da hier der Erwerber Leistungen nur für sich selbst bewirkt.Ist etwa Gegenstand eines Erwerbsvorgangs nur das unbe-baute Grundstück und veranlasst der Erwerber selbst eineBebauung des erworbenen Bauplatzes, so gehören die Bau-kosten nicht zur Gegenleistung.1

Selbst wenn sich der Erwerber gegenüber dem Veräußerer(z. B. gegenüber der Gemeinde) zur Bebauung oder zurGebäuderenovierung verpflichtet, handelt es sich um eineeigennützige Erwerberleistung. Auch die häufig im Bauträ-gervertrag anzutreffenden sogenannten Eigenleistungen desKäufers kommen nur diesem zugute, so dass es sich auch in-soweit um eigennützige Erwerberleistungen handelt. Nach-träglich vereinbarte Eigenleistungen sind u. U. gem. § 16 IIINr. 1 GrEStG zu berücksichtigen, sofern sich hierdurch nach-träglich der Kaufpreis reduziert.2

2. Einheitlicher Leistungsgegenstand – Einheitliches Vertragswerk – Vertragsbündeltheorie

Im Gegensatz zu den eigennützigen Erwerberleistungen müs-sen solche Leistungen der grunderwerbsteuerlichen Gegen-leistung hinzugerechnet werden, die nach dem maßgeblichenGegenstand des Erwerbsvorgangs auf einen noch vom Ver-

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1 Vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 8; vgl. fernerBFH/NV 1990, S. 596; Hofmann, GrEStG, 7. Aufl., § 8 Rdnr. 5.2 Vgl. Pahlke/Franz, § 8 Rdnr. 9.

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ung äußerer herzustellenden künftigen Zustand des Grundstücks

entfallen.

Die Bemessungsgrundlage hängt daher davon ab, in welchemZustand (z. B. bebaut oder unbebaut) das Grundstück erwor-ben werden soll. Der tatsächliche Grundstückszustand beiVertragsabschluss ist demgegenüber bedeutungslos.3 In die-sem Zusammenhang spielt die Problematik des sogenannteneinheitlichen Leistungsgegenstandes – zum Teil auch alseinheitliches Vertragswerk oder als Vertragsbündeltheoriebezeichnet4 – eine wichtige Rolle. Diese Grundsätze betreffenalle Erwerbsvorgänge bezüglich Baugrundstücken, bei denenin engem Zusammenhang mit dem Erwerb auch die Bebau-ung oder sonstige Veränderungen des Grundstücks (und/oderdes aufstehenden Gebäudes) herbeigeführt werden. Hierbeihandelt es sich um eine übergesetzliche Rechtsprechung desBFH, welche sich am Sinn und Zweck des Gesetzes orien-tiert.5 Nach der Rechtsprechung zum einheitlichen Leistungs-gegenstand wird der Gegenstand des Erwerbsvorgangs umsolche Vereinbarungen erweitert, welche rechtlich oder wirt-schaftlich in einem engen sachlichen Zusammenhang mit demeigentlichen Grundstückserwerb stehen. Wenn bei objektiverBetrachtungsweise mehrere Vereinbarungen auf einen ein-heitlichen Leistungsgegenstand zielen, so sind diese auch

dann als Einheit zu behandeln, wenn es sich formal um ge-trennte Verträge handelt. In diesen Fällen erhöht sich somitdie grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage. Sind dieVerträge dagegen weder zivilrechtlich verknüpft noch in einemengen sachlichen Zusammenhang mit dem Grundstücks-erwerb stehend, so kann die Grunderwerbsteuer lediglich ausder Gegenleistung für das Grundstück bemessen werden.

3. Erwerb eines Grundstücks nebst Blockholzbausatz

Nach dem Urteil des BFH vom 27.10.2004 können dieGrundsätze des einheitlichen Vertragswerkes jedoch dannnicht angewendet werden, wenn der Erwerber nicht ein be-bautes Grundstück, sondern lediglich einen Bauplatz sowieeinen Blockholzbausatz erwirbt und anschließend selbst denBausatz zusammenbaut. Solange auf Veräußererseite nämlichnicht die Verpflichtung zum Verkauf eines bebauten Grund-stückes begründet wird, sondern lediglich die Verpflichtungzur Lieferung eines Hausbausatzes (zusätzlich zum unbebau-ten Grundstück), kann die Grunderwerbsteuer nur aus denGestehungskosten für den Bauplatz erhoben werden. Geradenoch zulässig ist es, wenn durch die Veräußererseite einRichtmeister für die fachliche Anleitung des Käufers zur Er-richtung des Rohbaues gestellt wird und der Käufer verpflich-tet ist, den Anordnungen dieses Instrukteurs Folge zu leisten.Sofern dagegen der Veräußerer selbst zur Aufstellung undMontage der Bausatzteile verpflichtet ist, würden bereits dieGrundsätze zum einheitlichen Vertragswerk eingreifen. DieHaftung der Veräußererseite muss folglich beschränkt sein aufdie Fehlerfreiheit der angelieferten Bausatzteile und der Mon-tagepläne sowie der Anweisungen des Richtmeisters; keines-falls darf jedoch die Verpflichtung zur Aufstellung und Mon-tage einzelner Bausatzteile durch die Veräußererseite enthal-ten sein. Sofern sich der Veräußerer dagegen zu sonstigenDienstleistungen, wie beispielsweise der Einholung der Bau-genehmigungsunterlagen nebst Statik und Ausführungsplä-nen verpflichtet, sowie zur Erbringung des Wärmeschutz-nachweises, kann die Grunderwerbsteuer nur aus den Kostendes unbebauten Grundstücks erhoben werden. Dem Urteil istzuzustimmen.

Notar Dr. Stefan Gottwald, Pappenheim

3 Vgl. BFH, BStBl. II 1990, 510; Pahlke/Franz, § 9 Rdnr. 5; Hof-mann, § 8 Rdnr. 12 ff.; vgl. hierzu auch Weilbach, GrEStG, § 8Rdnr. 3 a ff.; Boruttau/Sack, GrEStG, 15. Aufl., § 9 Rdnr. 49.4 Von einem einheitlichen Vertragswerk spricht man, wenn Kauf-vertrag und Werkvertrag in einer Urkunde niedergelegt sind. Alseinheitlicher Leistungsgegenstand wird dagegen der Fall bezeichnet,wenn die beiden Verträge in getrennten Urkunden abgefasst werden,aber rechtlich oder wirtschaftlich zusammenhängen. Zu den Einzel-heiten vgl. Gottwald, Grunderwerbsteuerrecht, 2. Auflage, S. 215 ff.mit zahlreichen Beispielen und mit Ausführungen zur Doppelbelas-tung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer beim einheitlichenVertragsgegenstand.5 Vgl. BFH, BStBl. II 1990, 181; vgl. zu der Bestätigung der bis-herigen Rechtsprechung auch Mößlang, ZNotP 2001, 414 ff.; zustim-mend Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 4 Nr. 9 Rdnr. 6; das Steuerent-lastungsgesetz 1999/2000/2002 hat durch die Einführung des § 8Abs. 2 Satz 2 GrEStG – der allerdings ausschließlich für § 8 Abs. 2Satz 1 GrEStG gilt – erstmals die Maßgeblichkeit des künftigenGrundstückszustandes normiert.

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Personaländerungen

1. Verstorben:

Notar a. D. Alfons Niebler, Rosenheim, verstorben am10.4.2005

Notar a. D. Franz Absmeier, Freising, verstorben am5.5.2005

Amtsrätin i. N. Margiet Nitsch-Schilling, München (No-tarstellen Dr. Eckhardt/Spoerer), verstorben am 20.5.2005

2. Amtsniederlegung nach § 48 b BNotO:

Mit Wirkung vom 1.7.2005:

Notar Michael Grötsch, Münchberg

3. Versetzung in den Ruhestand:

Mit Wirkung vom 1.6.2005:

Notar Dr. Hans-Ulrich Stumpp, Simbach

Mit Wirkung vom 1.8.2005:

Notar JR Oskar Herb, Kandel

Mit Wirkung vom 22.12.2005:

Notar Dr. Anton Huber, Vilshofen

Mit Wirkung vom 1.1.2006:

Notar Peter Klossek, Forchheim/Ofr.

4. Es wurde verliehen:

Mit Wirkung vom 1.6.2005:

Landshut dem NotarassessorMarkus Hamp(bisher in Landsberg a. Lech Notarstellen Dr. Lintz/Dr. Rapp)

Rosenheim der NotarassessorinEleonore Traugott(bisher in München Notar-stelle Prof. Dr. Gantzer)

Mit Wirkung vom 1.8.2005:

Kandel/Pfalz dem Notar(in Sozietät mit Notar Dr. Robert KieferDr. Hans Peter Bastian) (bisher in Zweibrücken)

5. Neuernannte Assessoren:

Mit Wirkung vom 1.5.2005:

Veronika Schneider, Coburg (Notarstellen Dannecker/Dr. Heil)

6. Versetzung und sonstige Veränderungen:

Mit Wirkung vom 1.6.2005 haben die Notare Stefan Hösleund Dr. Walter Grafberger in Augsburg ihre Verbindungzur gemeinsamen Berufsausübung beendet.

Notarassessor Jan Heisel, Neustadt a. d. Aisch (Notar-stelle Dr. Mayr), wurde mit Wirkung vom 2.2.2005 pro-moviert.

Notarassessorin Natascha Hühnerbein, Aschaffenburg(Notarstellen Schiller/Holzheu), wurde mit Wirkung vom6.7.2004 promoviert.

Notarassessorin Dr. Diana Burkhardt, Memmingen (No-tarstellen Erber-Faller/Voran), ab 15.5.2005 in Würzburg(DNotI)

Notarassessorin Julia Dölfel, Kelheim (Notarstelle Lebert),ab 16.5.2005 in Landsberg a. Lech (Notarstellen Dr. Lintz/Dr. Rapp)

Notarassessor Johannes Benz, Berchtesgaden (NotarstelleDr. Amann), ab 6.6.2005 in Weiden i. d. Opf. (NotarstelleBaltzer)

Notarassessor Dr. Markus Stuppi, Kaiserslautern (Notar-stellen Pres/Jacob), ab 15.6.2005 in Frankenthal (Geschäfts-führer der Notarkammer Pfalz)

Notarassessorin Eva Wenz, Frankenthal (Geschäftsführe-rin der Notarkammer Pfalz), auf eigenen Wunsch ausge-schieden mit Wirkung vom 16.6.2005

Notarassessorin Dr. Natascha Hühnerbein, Aschaffenburg(Notarstellen Schiller/Holzheu), ab 25.7.2005 in Fürsten-feldbruck (Notarstellen Schüßler/Dr. Brandmüller)

Notarassessor Florian Satzl, (Sonderurlaub), ab 1.8.2005in Kelheim (Notarstelle Lebert)

Notarassessorin Elke Worthmann, Passau (NotarstellenProf. Dr. Reimann/Dr. Westermeier), ab 1.9.2005 in Würz-burg (DNotI)

Oberinspektorin i. N. Angelika Rothhaar, Traunstein(Notarstellen Zahnbrecher/Jenewein), ab 16.8.2005 inMünchen (Prüfungsabteilung der Notarkasse)

Oberinspektor i. N. Andreas Neder, Erlangen (NotarstelleDr. Giehl), ab 1.9.2005 in Wolfratshausen (Notarstelle Dr. Wübben)

Inspektorin i. N. Tatjana Rauch, Wolfratshausen (Notar-stelle Dr. Wübben), ab 1.11.2005 in Waldsassen (Notar-stelle Taubeneder)

7. Ausgeschiedene Angestellte:

Inspektorin i. N. Irene Weiß, München (Notarstelle Jungs-berger), nach Sonderurlaub eigene Kündigung zum31.3.2005

Amtsrat i. N. Werner Rasche, Rockenhausen (Notarstel-len Schneider/Dr. Schmidt), ab 31.5.2005 im Ruhestand

Oberinspektorin i. N. Ulrike Graml, Passau (NotarstelleBächer), nach Sonderurlaub eigene Kündigung zum30.6.2005

STANDESNACHRICHTEN

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Schriftleitung: Notarassessorin Andrea Lichtenwimmer Ottostraße 10, 80333 MünchenNotarassessor Dr. Martin T. Schwab ISSN 0941-4193

Die Mitteilungen erscheinen jährlich mit 6 Heften und können nur über die Geschäftsstelle der Landesnotarkammer Bayern,Ottostraße 10, 80333 München, Telefon 089 551660, Fax 089 55166234, [email protected], bezogen werden.

Der Bezugspreis beträgt jährlich 46 € zuzüglich Versandkosten und wird in einem Betrag am 1.7. in Rechnung gestellt.Einzelheft 12 € einschließlich Versandkosten.

Abbestellungen sind nur zum Ende eines Kalenderjahres möglich und müssen bis 15. November eingegangen sein.

Bestellungen für Einbanddecken sind nicht an die Landesnotarkammer Bayern, sondern direkt zu richten an:Mediengruppe Universal, Kirschstraße 16, 80999 München, Telefon 089 5482170, Fax 089 555551.

Oberamtsrat i. N. Dieter Rothballer, München (Notarstel-len Dr. Vossius/Dr. Engel), ab 31.7.2005 im Ruhestand

Amtsrat i. N. Gosbert Bergmann, Obernburg (Notarstel-len Herrmann/Vollmer), ab 31.8.2005 im Ruhestand

Amtsrat i. N. Heinz Wallner, Vilshofen (Notarstellen Dr.Huber/Hoffmann), ab 31.8.2005 im Ruhestand

Anschriften- und Rufnummernänderungen:

Augsburg, Notarstelle Stefan Hösle, Karlstraße 4/I, 86150 Augs-burg, Telefon 0821 448033-0, Telefax 0821 44803333

Augsburg, Notarstelle Dr. Walter Grafberger, Maximilian-straße 65, 86150 Augsburg, Telefon 0821 454432-0, Tele-fax 0821 45443232

Bad Berneck, Notarstelle Daniel Siebenhaar, Bahnhofstraße 63,95460 Bad Berneck

Heilsbronn, Notarstellen Peter Füller/Dr. Kathrin Maniak,Hauptstraße 5/I, 91560 Heilsbronn, Telefon 09872 8056-0,Telefax 09872 805620, E-Mail: [email protected]

Landshut, Notarstelle Dr. Markus Krebs, Alte Bergstraße 174 b,84028 Landshut, Telefon 0871 23001, Fax 0871 23561,E-Mail: [email protected], Web-Site: www.notar-krebs-landshut.de

Traunstein, Notarstellen Wolfgang Zahnbrecher/Timm Jene-wein, E-Mail: [email protected]

Rosenheim, Notarstelle Eleonore Traugott, 83022 Rosenheim,Rathausstraße 15/II, Telefon 08031 40808-0, Fax 080314080810, E-Mail: [email protected], Web-Site:www.notarin-traugott.de

München, Notarstellen Horst Bender/Dr. Till Schemmann,E-Mail: [email protected]

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IIIMittBayNot 4/2005 Sonstiges

Son

stig

esSONSTIGES

1. Personengesellschaften, Gesellschafts- und Steuerrecht(Herzig, Schmidt, Spiegelberger, Wälzholz)28.–30.7.2005 in Fischbachau

2. Intensivkurs Kostenrecht(Schmidt, Tiedtke)9./10.9.2005 in Kiel

3. Notarforum: Ausgewählte Einzelfragen zum Wohnungseigentum in der notariellen Praxis(Hügel, Langhein)16.9.2005 in Hamburg

Veranstaltungen des DAI

4. Vermögensnachfolge im Zivil- und Steuerrecht(Spiegelberger)29.9–1.10.2005 in Fischbachau

Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Veran-staltungen des Fachinstituts für Notare. Anfragen sind aus-schließlich zu richten an das Deutsche Anwaltsinstitut e.V.,Fachinstitut für Notare, Postfach 25 02 54, 44740 Bochum,Telefon 0234 970640, Fax 0234 703507, E-Mail: [email protected].

1. Apfelbaum: Die Verpfändung der Mitgliedschaft in derAktiengesellschaft. Duncker & Humblot, 2005. 349 S.,79,80 €

2. Bärmann/Pick: Wohnungseigentumsgesetz. 16., völlig neubearb. Aufl., Beck, 2005. 783 S., 39 €

3. Binz/Sorg: Die GmbH & Co. KG. 10. Aufl., Beck, 2005.595 S., 88 €

4. Brandmüller/Lindner: Gewerbliche Stiftungen. 3. Aufl.,E. Schmidt, 2005. 169 S., 36,80 €

5. Ek: Praxisleitfaden für die Hauptversammlung. Beck,2005. 251 S., 48 €

6. Fabis: Vertragskommentar Wohnungseigentum. RWS, 2005.210 S., 64 €

7. Gebauer/Wiedmann (Hrsg.): Zivilrecht unter europäi-schem Einfluss. Boorberg, 2005. 1 675 S., 158 €

8. Grziwotz/Everts/Heinemann/Koller: Grundstückskaufver-träge. RWS, 2005. 576 S., 87,80 €

9. Hausmann/Hohloch (Hrsg.): Das Recht der nichtehe-lichen Lebensgemeinschaft. 2., überarb. und erw. Aufl.,E. Schmidt, 2004. 990 S., 198 €

10. Hartmann: Kostengesetze. 35. Aufl., Beck, 2005. 2 119 S.,109 €

11. Holzer: Die Richtigstellung des Grundbuchs. Duncker &Humblot, 2005. 356 S., 79,80 €

12. Jannott/Frodermann: Handbuch der Europäischen Aktien-gesellschaft. C.F. Müller, 2005. 1 108 S., 134 €

13. Just: Die englische Limited in der Praxis. Beck, 2005. 123 S., 32 €

14. Kästle/Oberbracht: Unternehmenskauf – Share PurchaseAgreement. Beck, 2005. 275 S. + CD-ROM, 33 €

15. Kilian/Stein: Praxishandbuch für Anwaltskanzlei undNotariat. Dt. Anwaltverlag, 2005. 900 S., 128 €

16. Koller/Roth/Morck: Handelsgesetzbuch. 5. Aufl., Beck,2005. 1 198 S., 49 €

17. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: Kostenordnung(KostO). F. Vahlen, 2005. 1 427 S., 120 €

18. Lambert-Lang/Tropf/Frenz (Hrsg.): Handbuch der Grund-stückspraxis. 2., überarb. und erw. Aufl., ZAP, 2005. 1 570 S. + CD-ROM, 128 €

19. Leske: Die notarielle Unparteilichkeit und ihre Sicherungdurch die Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG.Heymanns, 2004. 300 S., 80 €

20. Lorz/Pfisterer/Gerber (Hrsg.): Beck’sches FormularbuchAktienrecht. Beck, 2005. 1 316 S., 128 €

21. Luke: Die U.K. Limited. Boorberg, 2005. 192 S., 35 €

22. Neef: Zur Eintragungsfähigkeit sicherungsvertraglicherEinreden bei der Grundschuld. Duncker & Humblot,2004. 168 S., 69,80 €

23. Schömmer/Reiß: Internationales Erbrecht Italien. 2., neubearb. Aufl., Beck, 2005. 252 S., 38 €

24. Schreiber (Hrsg.): Immobilienrecht. 2., überarb. u. erw.Aufl., E. Schmidt, 2005. 1 568 S., 158 €

25. Schwab/Walter: Schiedsgerichtsbarkeit. 7. Aufl., Beck,2005. 709 S., 98 €

26. Wollny: Unternehmens- und Praxisübertragungen. 6., völ-lig überarb. u. akt. Aufl., NWB, 2005. 940 S., 124 €

27. Zöllner/Noack (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktien-gesetz – Band 6: §§ 15–22 AktG; §§ 291–328 AktG undMeldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG, SpruchG. 3. Aufl.,Heymanns, 2004. 1 388 S., 228 €

Neuerscheinungen

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