4. Verdampfung und Kondensation - uni-magdeburg.de · 402 II) Blasenverdampfung: Mit steigender...

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401 4. Verdampfung und Kondensation Tritt in einem Fluid eine Umwandlung zwischen der flüssigen und gasförmigen Phase auf, also eine Verdampfung oder eine Kondensation, so treten besondere Effekte im Wärmeübergang auf. Diese werden in einem gesonderten Kapitel behandelt. 4.1 Verdampfung Führt man einer Heizfläche so viel Wärme zu, dass ihre Temperatur höher als die Siedetemperatur der angrenzenden Flüssigkeit ist, so verdampft diese. 4.1.1 Phänomenologie Abhängig von der Heizflächentemperatur stellen sich vier verschiedene Verdamp- fungszustände ein, die nachfolgend am Beispiel des Behältersiedens erläutert wer- den. Die von der Heizfläche des Behälters an das Wasser abgegebene Wärme- stromdichte und der dazugehörige Wärmeübergangskoeffizient sind im sogenannten Siedediagramm, Bild 4-1 , in Abhängigkeit von der Differenz zwischen Heizflächen- und Siedetemperatur si w T T T - = Δ dargestellt. Der Verlauf der Siedelinien ist charak- teristisch für alle Flüssigkeiten und Verdampfungstechniken. Bild 4-1: Abhängigkeit der Wärmestromdichte und des Wärmeübergangskoeffi- zienten von der Heizflächenüberhitzung beim Behältersieden I) Konvektionssieden: Liegt die Heizflächentemperatur nur geringfügig über der Siedetemperatur, so ent- stehen noch keine oder nur sehr kleine Dampfblasen, die jedoch schnell wieder kon- densieren. Die Wärme wird daher durch freie Konvektion übertragen.

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4. Verdampfung und Kondensation Tritt in einem Fluid eine Umwandlung zwischen der flüssigen und gasförmigen Phase auf, also eine Verdampfung oder eine Kondensation, so treten besondere Effekte im Wärmeübergang auf. Diese werden in einem gesonderten Kapitel behandelt. 4.1 Verdampfung Führt man einer Heizfläche so viel Wärme zu, dass ihre Temperatur höher als die Siedetemperatur der angrenzenden Flüssigkeit ist, so verdampft diese. 4.1.1 Phänomenologie Abhängig von der Heizflächentemperatur stellen sich vier verschiedene Verdamp-fungszustände ein, die nachfolgend am Beispiel des Behältersiedens erläutert wer-den. Die von der Heizfläche des Behälters an das Wasser abgegebene Wärme-stromdichte und der dazugehörige Wärmeübergangskoeffizient sind im sogenannten Siedediagramm, Bild 4-1, in Abhängigkeit von der Differenz zwischen Heizflächen- und Siedetemperatur siw TTT −=∆ dargestellt. Der Verlauf der Siedelinien ist charak-

teristisch für alle Flüssigkeiten und Verdampfungstechniken.

Bild 4-1: Abhängigkeit der Wärmestromdichte und des Wärmeübergangskoeffi-

zienten von der Heizflächenüberhitzung beim Behältersieden I) Konvektionssieden: Liegt die Heizflächentemperatur nur geringfügig über der Siedetemperatur, so ent-stehen noch keine oder nur sehr kleine Dampfblasen, die jedoch schnell wieder kon-densieren. Die Wärme wird daher durch freie Konvektion übertragen.

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II) Blasenverdampfung: Mit steigender Heizflächentemperatur nimmt die Blasenbildung und durch das Ablö-sen und Aufsteigen der Blasen auch die Rührwirkung stark zu. Die übertragene Wärmestromdichte und folglich der Wärmeübergangskoeffizient steigen daher steil an. III) Partielle Filmverdampfung: Überschreitet die Heizflächentemperatur den Wert im Punkt „B“, den sogenannten burn-out-Punkt oder kritische Wärmestromdichte, so wachsen die Blasen zusammen. Die Heizfläche wird dann partiell mit einem Dampffilm bedeckt. Die Wärmestromdich-te nimmt wieder ab, weil der Dampf aufgrund seiner geringen Wärmeleitfähigkeit iso-lierend wirkt. IV) Stabile Filmverdampfung: Bei Heizflächentemperaturen oberhalb des Punktes „L“, der als Leidenfrostpunkt1 bezeichnet wird, ist die Heizfläche mit einem geschlossenen Dampffilm bedeckt. Lei-denfrost hat bereits 1756 beschrieben, dass ein Wassertropfen auf einer heißen Plat-te zu schweben scheint und wesentlich langsamer verdampft als ein Wassertropfen auf einer Platte mit geringerer Temperatur. Die Wärmeleitung durch den Dampffilm stellt einen zusätzlichen Widerstand dar. Der Wärmeübergangskoeffizient bleibt an-nähernd konstant, und die Wärmestromdichte nimmt nur aufgrund der steigenden Temperaturdifferenz zu. Zu Bild 4-1 sei noch bemerkt, dass der Wärmeübergangskoeffizient α sein Maximum vor dem der Wärmestromdichte qɺ annimmt. Der burn-out-Punkt „B“ mit der zugehö-rigen Temperaturdifferenz BT∆ ist dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmestrom-dichte dort maximal ist

( )( ) 0T

Tdqd

B =∆∆

ɺ.

(4-1)

Wegen Tq ∆⋅α=ɺ folgt dann für die Änderung des Wärmeübergangskoeffizienten durch Differentiation

( )( )

( )( ) ( )

( )0

T

Tq0T

TdTq

dT

Td

d2

B

BBB <

∆−=∆

∆=∆

α ɺ

ɺ

.

(4-2)

An dieser Stelle besitzt α also einen negativen Gradienten. Folglich liegt das Maxi-mum von α vor dem der Wärmestromdichte. Bild 4-2 zeigt Fotografien der genannten vier Verdampfungszustände bei einer in ein ruhendes Ölbad eingetauchten Nickelkugel. Die Dicke des Dampffilmes wird durch

1 Johann Gottlieb Leidenfrost (1715-1794), Professor für Medizin (Naturwissenschaft und Philosophie) in Duisburg

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die Aufnahmetechnik zu groß wiedergegeben. Sie liegt bei dieser Kugel mit einem Durchmesser von 40 mm zwischen 0,1 und 0,3 mm.

Bild 4-2: Die vier Verdampfungszustände beim Abschrecken einer Nickelkugel in

Öl a) stabile Filmverdampfung b) partielle Filmverdampfung c) Blasenverdampfung d) Konvektionssieden

Während der Abkühlung solcher in Flüssigkeiten eingetauchter Körper kann man be-obachten, dass der anfänglich den Körper umhüllende Dampffilm nach einer be-stimmten Zeit zusammenbricht. Bei Kugeln setzt der Zusammenbruch an irgendeiner Störstelle ein und breitet sich explosionsartig über die gesamte Oberfläche aus.

Bild 4-3: Keimstelle einer Heizfläche

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Damit eine Flüssigkeit verdampfen kann, müssen auf der Heizfläche Keimstellen vor-handen sein. Als solche wirken feinste Gasblasen, die in Rauhigkeitsvertiefungen an der Heizfläche haften, wie in Bild 4-3 veranschaulicht ist. An der Grenzfläche zwi-schen Gasblase und Flüssigkeiten in sauberen Behältern mit glatten Wänden, lassen sich derartige Flüssigkeiten über ihre Siedetemperatur erhitzen. Bildet sich bei die-sem sogenannten Siederverzug mit steigender Überhitzung durch eine kleine Stö-rung eine Dampfblase, so wirkt diese als Keimstelle für weitere Blasen und löst eine Kettenreaktion von Dampfblasen aus. Da in der Flüssigkeit infolge dieser Überhit-zung eine große Wärmemenge für die benötigte Verdampfungsenthalpie gespeichert ist, kann es zu einer explosionsartigen Verdampfung eines Teiles der Flüssigkeit kommen. Um dieses zu vermeiden, kann man auf die Heizfläche sogenannte Siede-steine bringen, poröse Körper, deren Porenöffnungen mit dem darin enthaltenen Gas als Keimsstellen dienen. Damit eine Gasblase in einer Vertiefung wachsen kann, muss der Druck in ihr größer sein als die Summe aus statischem Druck der Flüssig-keitssäule und Kapillardruck aufgrund der Oberflächenspannung. Diese Bedingung ist, da in der Blase der Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit bei der Temperatur der Phasengrenzfläche herrscht, nur dann erfüllt, wenn die Temperatur der Phasen-grenzfläche über der Siedetemperatur bei Umgebungsdruck liegt. Um Wärme zur Verdampfung an die Phasengrenzflächen transportieren zu können, muss in der Flüssigkeit ein zusätzliches Temperaturgefälle vorhanden sein. Zur Verdampfung einer Flüssigkeit muss daher auch die Temperatur der Heizfläche höher als die Sie-detemperatur der Flüssigkeit bei Umgebungsdruck sein. Diese Temperaturdifferenz ist allerdings sehr klein. Die Dampfblasen wachsen an der Heizfläche so lange, bis die Auftriebskräfte die Haftkräfte überschreiten. Die Blase reißt dann ab und steigt in der Flüssigkeit empor, wobei ihr Volumen ständig zunimmt. Nach dem Ablösen der Blase bleibt ein kleiner Rest des Gases in der Vertiefung zurück und wirkt als neue Keimzelle. Mit einer Fre-quenz bis zu 100 pro Sekunde können an solchen Keimstellen Blasen erzeugt wer-den. Mit steigender Temperatur der Heizfläche werden auf dieser in zunehmendem Maße Keimstellen aktiviert, bis sie sich schließlich so verdichtet haben, dass die Bla-sen vor ihrem Abriss zu einem geschlossenen Film verschmelzen. Aus dieser Beschreibung der Phänomenologie geht hervor, dass der Verdampfungs-vorgang von einer großen Zahl von Einflussgrößen abhängig ist. Neben den Stoff-werten wie Wärmeleitfähigkeit, spezifische Wärmekapazität, Dichte, Zähigkeit, ther-mischer Volumenausdehnungskoeffizient (jeweils für Dampf und Flüssigkeit), Ver-dampfungsenthalpie und Oberflächenspannung sowie den Eigenschaften der Heiz-fläche wie Rauhigkeit, Sauberkeit, Wärmeleitfähigkeit, spezifische Wärmekapazität und Dichte wird die Wärmeübertragung noch durch verfahrenstechnisch einstellbare Parameter, wie z. B. Strömungsgeschwindigkeit, Flüssigkeitstemperatur und Druck, bestimmt. Aufgrund dieser Vielzahl von Einflussgrößen ist derzeit eine theoretische Beschreibung der Wärmeübertragung nur vereinzelt möglich, und man ist noch auf empirische Ergebnisse angewiesen. Im Folgenden wird nur auf den prinzipiellen Auf-bau der Nusseltfunktionen eingegangen. 4.1.2 Nusseltfunktionen

405

Apparate zum Ver- oder Eindampfen von Flüssigkeiten werden in der Regel im Be-reich der Blasenverdampfung betrieben. Die Nusseltfunktionen zur Beschreibung des Wärmeübergangs hängen zusätzlich zum Strömungszustand und Geometrie noch von einer Vielzahl weiterer Stoffwerte ab. Dies sind die thermophysikalischen Stoff-werte νρλ ,c,, p sowohl der Flüssigkeit als auch des Dampfes, der Verdampfungs-

enthalpie h∆ , der Siedetemperatur SiT , der Oberflächenspannung 0σ und des Be-

netzungswinkels ψ . Darüber hinaus spielt die Oberflächenrauhigkeit der Wand noch eine wichtige Rolle. Als Beispiel wird der Aufbau der Nusseltfunktion für den einfa-chen Grundfall des freien Siedens ohne erzwungene Strömung, das sogenannte Be-hältersieden, angegeben:

⋅σ

ρ⋅⋅

⋅∆⋅

ρ

ρ⋅

⋅λ

⋅= e

f

d

ao

f2f

c

2f

2a

b

f

g

a

sif

a Prd

aa

dhTdq

fNuɺ

. (4-3)

Die Stoffwerte mit dem Index g beziehen sich auf den Dampf, die mit f auf die Flüs-sigkeit. Die Nusseltzahl ist mit dem Abreißdurchmesser da der Blasen als charakteris-tischer Länge gebildet

f

adNu

λ

⋅α= .

(4-4)

Dabei gilt die Beziehung

( )

5,0

gf

oa g

2015,0d

ρ−ρ⋅

σ⋅⋅ψ⋅= .

(4-5)

Hierin sind oσ die Oberflächenspannung und ψ der Randwinkel in Grad zwischen

Dampfblase und Heizwand. Dieser beträgt bei Wasser ungefähr 45°, bei Tiefsiedern 1° und bei anderen Flüssigkeiten 35°. Auf Grund der hohen Anzahl von Anwendungsfällen, insbesondere bei Flüssigkeits-gemischen, wird auf die einschlägigen Lehrbücher und den VDI-Wärmeatlas verwie-sen. 4.1.3 Verdampfertechnik In der Verdampfertechnik ist zu beachten, dass sich mehrere Betriebspunkte einstel-len können, von denen einige bei technischen Prozessen möglichst vermieden wer-den müssen. Wird die Wärme entsprechend Bild 4-4 im Verdampfer konvektiv über-tragen, so gilt im stationären Zustand für die an die siedende Flüssigkeit abgegebene Wärmestromdichte

( )wu TTs1

1q −⋅

λ+

α

=αɺ .

(4-6)

406

Hierin sind α der Wärmeübergangskoeffizient des Heizmittels mit der Temperatur Tu, λ der Wärmeleitkoeffizient der beheizten Wand und s die zugehörige Wanddicke. Die Oberflächentemperatur Tw der Heizfläche stellt sich so ein, dass der zugeführte Wärmestrom nach Gleichung (4-6) und der abgeführte Wärmestrom nach dem Sie-dediagramm gleich sind.

Bild 4-4: Wärmeübertragung an die siedende Flüssigkeit in einem Verdampfer Die Gleichung (4-6) stellt im Siedediagramm bei linearer Achseneinteilung eine Ge-rade mit negativer Steigung dar, wie aus einer Umformung ersichtlich ist

( ) ( )siwsiu TTs1

1TT

s11

q −⋅

λ+

α

−−⋅

λ+

α

=αɺ .

(4-7)

Diese Gerade kann mit der Siedelinie die im Bild 4-5 dargestellten Schnittpunkte ha-ben. Beispielsweise besitzt die Kennlinie „a“ für einen großen Wärmedurchgangswi-derstand der Wand drei Gleichgewichtszustände für die Wärmestromdichte. Ein Gleichgewichtszustand ist nur dann stabil, wenn in diesem die Steigung der Siedeli-nie größer als die der Wärmeübergangskennlinie ist. Das ist in den mit „2“ markierten Punkten nicht der Fall. Für die Kennlinien „a“ sind nur die Zustände „1“ und „3“ als stabil anzusehen. Der Unterschied zwischen dem vom Heizgas zugeführtem Wärme-strom αqɺ und dem von der siedenden Flüssigkeit abgeführten Wärmestrom siqɺ be-

wirkt eine Änderung der Enthalpie und damit der Temperatur der Wand

dt

dTcsqq w

si ⋅⋅ρ⋅=−αɺɺ .

(4-8)

Im Gleichgewicht sind beide Wärmeströme gleich, die Wandtemperatur bleibt folglich konstant. Wird ausgehend vom Betriebspunkt 1 durch eine Störung die Wandtempe-ratur erhöht, wird der an die Flüssigkeit abgeführte Wärmestrom siqɺ größer als der

zugeführte Wärmestrom αqɺ , die Enthalpie und damit die Wandtemperatur nimmt

folglich wieder ab. Sinkt umgekehrt die Wandtemperatur durch die Störung ab, wird

siqq ɺɺ >α , die Temperatur steigt folglich wieder an. Der Betriebspunkt 1 ist also stabil.

Steigt nun ausgehend vom Betriebspunkt 2 die Wandtemperatur an, so ergibt sich

407

siqq ɺɺ >α , so dass die Wandtemperatur weiterhin ansteigt bis zum Betriebspunkt 3.

Steigt die Wandtemperatur über diesen Betriebspunkt hinaus, so wird α> qqsiɺɺ und

die Temperatur kehrt zum Punkt 3 zurück. Dieser Betriebspunkt ist also wiederum stabil. Wird der Verdampfer in der Nähe der maximalen Wärmestromdichte betrie-ben, genügt eine kleine Störung, um das System aus dem stabilen Gleichgewichts-zustand „1“ zunächst in den instabilen Zustand „2“ und weiter in den Gleichgewichts-zustand „3“ zu überführen.

Bild 4-5: Mögliche Betriebspunkte eines Verdampfers Bei diesem Betriebszustand besitzt der Verdampfer jedoch nur noch eine relativ ge-ringe Leistung. Zudem ist die Wandtemperatur erheblich angestiegen, was mitunter zu erheblichen Schäden führen kann. Man ist deshalb bestrebt, steile Wärmeüber-gangskennlinien zu erzeugen, damit bei einem eventuellen Störfall sich der Gleich-gewichtszustand „3“ bei möglichst niedrigen Temperaturen einstellt. Dies erreicht man nach Gleichung (4-7) durch einen großen Wärmeübergangskoeffizienten und eine dünne Heizwand mit hoher Wärmeleitfähigkeit. Als optimal anzusehen ist die im Bild 4-5 eingezeichnet Wärmeübergangskennlinie „b“. Da sich nur ein einziger Schnittpunkt mit der Siedelinie ergibt, ist dieser Betriebszustand stets stabil. Wird dem Verdampfer eine Wärmestromdicht aufgeprägt, z. B. durch elektrische Energie oder Kernenergie, so gilt die waagerechte Kennlinie „c“. Übersteigt die zugehörige Wärmestromdichte durch eine kleine Störung die maximale Wärmestromdichte (Punkt „B“ im Bild 4-1), bewirkt die Differenz zwischen dem aufgeprägten und dem an die Flüssigkeit abgegebenen Wärmestrom eine Enthalpie- und damit Temperaturer-höhung der Heizwand. Aufgrund der sehr großen Wärmestromdichten stellt sich der neue Gleichgewichtszustand äußerst schnell und, wie in dem Bild 4-1 zu erkennen ist, erst bei solch hohen Temperaturen ein, bei denen die meisten Verdampfermate-rialien schmelzen oder keine nennenswerten mechanischen Belastungen mehr auf-nehmen können. Aus diesem Grund bezeichnet man das Maximum der Siedelinie, wie bereits erwähnt, als burn-out-Punkt oder kritische Wärmestromdichte und die Temperatur in diesem Punkt entsprechend als burn-out-Temperatur. Verdampfer mit aufgeprägtem Wärmestrom werden daher aus Sicherheitsgründen weit unterhalb dieses burn-out-Punktes betrieben. Beispiel 4-1: Betriebspunkt elektrischer Herd

408

Auf einem elektrisch beheizten Herd steht ein Topf mit siedendem Wasser unter At-mosphärendruck. Die Heizplatte hat ein Durchmesser von 195 mm mit einer Leistung von 3000 Watt. Welche Temperaturen der Bodenplatte des Topfes können sich ein-stellen? Die Wärmestromdichte beträgt

25222 m/W10m/kW100

195,030004

dQ4

AQ

q ==⋅π

⋅=

⋅π

⋅==

ɺɺ

ɺ .

Nach Bild 4-1 ist bei dieser aufgeprägten Wärmestromdichte nur ein Schnittpunkt mit der Siedelinie möglich, da dieser Wert unterhalb der Wärmestromdichte bei der Lei-denfrosttemperatur liegt. Folglich ergibt sich nur ein Betriebspunkt. Dieser ist damit stets sicher. Die Bodentemperatur des Topfes stellt sich ungefähr bei K13TT ÜW =− ,

also bei C113TW °= ein. Beispiel 4-2: Betriebspunkt Feuerung Ein Kessel mit siedendem Wasser unter Atmosphärendruck wird von einer Flamme mit 1300 °C erwärmt. Wie viele Betriebspunkte ergeben sich und wie hoch ist die Wandtemperatur? Für die von der Flamme an die Wand abgeführte Wärmestromdicht gilt

( ) ( )SiWSiF TTs1

1TT

s11

q −⋅

λ+

α

−−⋅

λ+

α

=ɺ .

Der Wärmeübergangskoeffizient für die Strahlung der Flamme beträgt nach Bild 1-7 ungefähr 300 W/m2/K. Gegenüber diesem Wert ist der konvektive Wärmeübergang vernachlässigbar. Der Wärmetransportwiderstand der Stahlwand λ/s ist wiederum vernachlässigbar klein. Daraus folgt für die Wärmestromdichte bei

( )K1TTC101T SiWW =−°=

( ) ( ) 25

SiF1 m/W106,31001300300TTq ⋅=−⋅=−⋅α=ɺ .

Bei einer Wandtemperatur von 200 °C ( )K100TT SiW =− ergibt als Wärmestromdich-

te

255100 m/W103,3100300106,3q ⋅=⋅−⋅=ɺ .

Dieser Wert liegt oberhalb der minimalen Wärmestromdichte bei der Leidenfrosttem-peratur bei etwa TW = 200 °C von 25 m/W102 ⋅ . Damit ergeben sich prinzipiell zwei

stabile und ein instabiler Betriebszustand. Verbindet man die Punkte 1qɺ und 100qɺ

miteinander, so ergeben sich etwa als Wandtemperaturen: 115 °C, 160 °C (instabil) und 300 °C.

409

4.2 Kondensation Sobald Dampf eine Fläche berührt, die kälter ist als die seinem Druck entsprechende Sattdampftemperatur, tritt Kondensation ein, und die freiwerdende Kondensation-senthalpie geht als Wärme auf die Kühlfläche über. Dabei bildet sich auf dieser ent-weder ein Film aus (Filmkondensation), oder das Kondensat schlägt sich in Form von Tropfen auf die Kühlfläche nieder (Tropfenkondensation). Welche Art von Kondensa-tion auftritt, hängt in sehr starkem Maße von der Beschaffenheit der Oberflächen ab. 4.2.1 Tropfenkondensation Ist die Wand schlecht benetzbar, so bildet das Kondensat feine Tropfen (Bild 4-6). Schon geringe Verunreinigungen an den Kondensationsflächen, z. B. Fett oder Öl, verhindern eine Benetzung und begünstigen die Tropfenkondensation.

Bild 4-6: Ideale Tropfenkondensation Die einzelnen Tropfen fließen an der Kondensatoroberfläche ab. Zwischen den Trop-fen erscheint die blanke Oberfläche. Die Wärmeübergangskoeffizienten bei der Trop-fenkondensation (ungefähr 40000 W/(m2K) für Wasserdampf) sind erheblich höher als die bei der Filmkondensation (ca. 1000 bis 10000 W/(m2K)). Der Wärmeübertra-gungsmechanismus der Tropfenkondensation ist noch nicht im Einzelnen geklärt. Für empirisch ermittelte Gleichungen sei auf das Schrifttum verwiesen, z. B. VDI-Wärmeatlas. Der extrem hohe Wärmeübergang der Tropfenkondensation ist spürbar, wenn man die Hand in den Dampf über siedendem Wasser hält. Der Dampf konden-siert dann an der für den Dampf kalten Hand. Auf Grund des hohen Wärmeüber-gangs ist dies sehr gefährlich, da schnell starke Verbrennungen auftreten. Der hohe Wärmeübergang ist ebenfalls in der Sauna nach einem Aufguss zu spüren. Der

410

Wasserdampf diffundiert vom Ofen zur relativ kalten Haut und kondensiert dort sowie in den Atmungswegen. 4.2.2 Filmkondensation Reine Dämpfe kondensieren an nicht verschmutzten Wänden als Film. Der Wärme-übergang bei Filmkondensation an einer senkrechten Wand wurde erstmals mit der sogenannten Wasserhauttheorie von Nusselt berechnet, die durch Versuche gut bes-tätigt ist. Diese Theorie geht davon aus, dass die Wand vollständig mit einem Kon-densatfilm bedeckt ist, der infolge der Schwerkraft nach unten abläuft. Die weitere Kondensation findet an der Grenzfläche Kondensat – Dampf statt. Dadurch wird der Film nach unten immer dicker. Die sich dabei einstellenden Profile der Geschwindig-keit und der Temperatur sind in Bild 4-7 prinzipiell dargestellt.

Der Kondensatfilm hat an seiner Oberfläche die zu seinem Druck gehörende Satt-dampftemperatur Tsi und an der Wand die konstante Temperatur Tw. Da die Ge-schwindigkeiten und die Dicke des Films sehr klein sind, kann der konvektive Enthal-pietransport gegenüber der Wärmeleitung senkrecht zur Wand vernachlässigt wer-den. Man erhält dann ein lineares Temperaturprofil im Film wie bei der ebenen (ein-dimensionalen) Wärmeleitung. Die durch den Film geleitete Wärmestromdichte be-trägt daher

( )( )

( )wsi TTx

xq −⋅δ

λ=ɺ

(4-9)

mit dem Wärmeleitkoeffizienten λ und der Dicke δ des Kondensats. Im stationären Zustand ist die übertragene Wärmestromdichte gleich der Verdampfungsenthalpie, die durch die Zunahme des Flüssigkeitsfilms dx/md ɺ frei wird

Bild 4-7: Filmkondensation an einer vertikalen Wand

411

( ) ( ) hxdxmd

xq ∆⋅=ɺ

ɺ (4-10)

mit der spezifischen Verdampfungsenthalpie h∆ und dem auf die Breite bezogenen Massenstrom mɺ . Das durch den Filmquerschnitt fließende Kondensat beträgt

( ) ( )( )

∫δ

⋅⋅ρ=x

0

dyy,xwxmɺ . (4-11)

Der Geschwindigkeitsverlauf ergibt sich aus der Navier-Stokesschen Dgl. Da der Flüssigkeitsfilm im Allgemeinen dünn ist und die Geschwindigkeiten klein bleiben, kann die Trägheitskraft vernachlässigt werden. Folglich müssen Schwerkraft und Zä-higkeitskraft im Gleichgewicht stehen. Damit erhält man aus der Navier-Stokesschen Dgl für die Geschwindigkeitsverteilung

2

2

yw

g0∂

∂⋅ν+= .

(4-12)

An der Wand gilt die Haftbedingung

( ) 00yw == . (4-13) Als zweite Randbedingung wird angenommen, dass bei ruhendem oder schwach strömendem Dampf die Impuls- und Reibungskräfte des Dampfes auf dem Konden-satfilm vernachlässigt werden können

( ) 0yy =δ=τ , also ( ) 0yyw

=δ=∂

∂.

(4-14)

Die Integration der Dgl (4-12) ergibt mit diesen beiden Randbedingungen das Ge-schwindigkeitsprofil

( )

⋅−⋅δ⋅

ν= 2y

21

yxg

w , (4-15)

mit dem nunmehr die Integration der Gleichung (4-11) durchgeführt werden kann

( ) ( )xg

31

xm 3δ⋅ν

⋅ρ⋅=ɺ . (4-16)

Diese Gleichung nach x differenziert und mit Gleichung (4-10) in Gleichung (4-11) eingesetzt, ergibt die Dgl. für die Filmdicke

( ) ( ) ( )wsi3 TThx

dxd

xg

−⋅λ=∆⋅δ

⋅δ⋅ν

⋅ρ , (4-17)

deren Lösung mit der Anfangsbedingung ( ) 00x ==δ schließlich die Filmdicke als Funktion der Länge ist

412

( ) ( )4 wsi

hgxTT4

x∆⋅⋅ρ

⋅ν⋅−⋅λ⋅=δ .

(4-18)

Mit der Filmdicke ist nun die Wärmestromdichte nach Gleichung (4-10) berechenbar. Zur allgemeingültigeren Beschreibung soll diese jedoch wiederum durch den New-tonschen Ansatz

( ) ( )wsix TTxq −⋅α=ɺ (4-19)

gebildet werden, wobei xα der ortsabhängige Wärmeübergangskoeffizient ist. Mit

( )xxδ

λ=α

(4-20)

folgt

( )4

wsi

3

x xTT4hg

⋅−⋅λ⋅

∆⋅λ⋅⋅ρ=α .

(4-21)

Der über die Höhe L gemittelte Wärmeübergangskoeffizient

∫ ⋅α⋅=αL

0

x dxL

1

(4-22)

wird mit Gleichung (4-21) zu

( )4

wsi

3

LTT4hg

34

⋅−⋅ν⋅

∆⋅λ⋅⋅ρ⋅=α .

(4-23)

Der mittlere Wärmeübergangskoeffizient ist also um ein drittel größer als der örtliche (am Ort x = L). Die Lösung für den Wärmeübergangskoeffizienten gilt für die laminare Strömung. Um den Zustand der Strömung beschreiben zu können, wird eine Reynoldszahl benötigt. Diese wird zweckmäßigerweise mit der mittleren Geschwindigkeit w und der Dicke δ des Films gebildet

ν

δ⋅=

wRe .

(4-24)

Die mittlere Geschwindigkeit erhält man aus der Massenstromdichte

δ⋅ρ=

mw

ɺ.

(4-25)

413

Mit der Gleichung (4-16) für den Massenstrom und der Gleichung (4-18) für die Film-dicke folgt für die Reynoldszahl

( )4

3wsi

3

333

TT

hLg98

Re−⋅λ

∆⋅ρ⋅⋅ν⋅= .

(4-26)

Korreliert man den Wärmeübergangskoeffizienten aus Gleichung (4-23) mit der Rey-noldszahl, so ergibt sich

3/1Re33

4Nu −⋅

⋅= ,

(4-27)

wobei die Nusseltzahl als

3/12

gNu

ν⋅

λ

α=

(4-28)

definiert ist. Diese ist also nur von der Reynoldszahl abhängig. Das stabile Kondensat strömt zunächst bis zu Reynoldszahlen von ungefähr

47,0lam Pr256Re −⋅≤ (4-29)

laminar. Danach bilden sich auf der Oberfläche Wellen aus. Die Wärmeübertragung wird dadurch etwa um 15 % bis 50 % erhöht. Für Reynoldszahlen oberhalb

400Rekrit > (4-30)

ist die Strömung turbulent. Als Nusseltfunktion gilt dann

65,04,03 PrRe108,3Nu ⋅⋅⋅= − . (4-31) Je nach Literaturstelle werden auch etwas abweichende Funktionen angegeben. Bild 4-8 zeigt die örtliche Nusseltzahl für die laminare und turbulente Strömung in Abhängigkeit von der Reynoldszahl mit der Prandtlzahl als Parameter. Im Über-gangsbereich zwischen laminarer und turbulenter Strömung lässt sich die Nusselt-zahl durch

4 4turb

4lam

4 NuNufNu +⋅= . (4-32)

annähern. Durch denn Faktor f wird die Welligkeit des Films berücksichtigt ( 15,1f ≈ bis 1,5). Obige Nusseltfunktionen gelten auch für die Kondensation an senkrechten Rohren, da ihre Radien im Allgemeinen sehr viel größer als die Filmdicke sind und somit der Film als eben angesehen werden kann. Die Nusseltfunktionen gelten jedoch nicht

414

mehr bei höheren Dampfgeschwindigkeiten, da dann das Geschwindigkeitsfeld des Kondensatfilms durch die Schleppwirkung des Dampfes beeinflusst wird. Für die in diesen Fällen gültigen Nusseltfunktionen sei auf das Schrifttum verwiesen. Für die Kondensation von Metalldämpfen gelten obige Nusseltfunktionen ebenfalls nicht. Bei kondensierenden Metalldämpfen sind Wärmeübergangskoeffizienten ge-messen worden, die erheblich kleiner sind als die aus den Nusseltfunktionen berech-neten, und zwar sowohl für laminare als auch turbulente Strömung. Zusätzlich sind die Wärmeübergangskoeffizienten noch vom Druck der Metalldämpfe abhängig. Da für diesen Fall keine hinreichend abgesicherten allgemeingültigen Nusseltfunktionen bekannt sind, wird auf das Schrifttum verwiesen.

Bild 4-8: Örtliche Nusseltzahlen für die Filmkondensation reiner Dämpfe nach

Mostofizadeh und Stephan (1981)