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2/2004 Informationen für Anwender von METTLER TOLEDO Thermoanalysen-Systemen 20 TA-Tipp Sehr geehrter Kunde, Dank der rasanten Entwicklung in der digitalen Fotografie sind heute CCD-Kameras sehr günstig und trotzdem äusserst empfindlich. Die Bildinformation kann einfach gespei- chert und auch mathematisch ausgewertet werden. Dies eröffnet neue, interessante An- wendungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Thermischen Analyse. Wir freuen uns, mit dem Druck-DSC - Chemilumineszenz/Mikroskopie-Gerät eine Welt- neuheit einführen zu können. Sie können simultan zur DSC-Messung entweder Bilder der Probe aufzeichnen oder die Lichtemission der Probe (Lumineszenz) messen. DSC-Kühlmessungen und ihre Vorteile bei der Charakterisierung von Materialien Ni Jing Einleitung Bei der Materialanalyse mittels DSC werden häufig Heizmessungen durchgeführt. In vielen Fällen lassen sich jedoch mit solchen Messungen die Eigenschaften und das Ver- halten der Probe nicht vollständig verstehen. Kühlmessungen sind dann eine einfache Möglichkeit, um weitere Informationen über die Probe zu erhalten. Kühlmessungen liefern insbesondere zusätzliche Informationen, wenn 1. Unterschiede zwischen Materialien mit verschiedener Geschichte festgestellt werden sollen, z.B. wenn neue und recyclierte Materialien voneinander unterschieden werden sollen, 2. unterschiedliche Strukturen oder Zusammensetzungen nachgewiesen werden sollen, 3. das Phasenverhalten von Materialien mit mesomorphen Strukturen rasch untersucht werden soll, 4. sich mehrere thermische Effekte überlagern. Zur Illustration der Bedeutung von Kühlexperimenten wurden Experimente mit einem DSC822 e durchgeführt, das mit einem IntraCooler und einem Probenwechsler ausgestat- tet ist. Inhalt TA-Tipp - DSC-Kühlmessungen und ihre Vorteile bei der Charakterisierung von Materialien 1 Neu im Verkaufsprogramm - Mikroskopie 4 - Chemilumineszenz 5 Applikationen - Von der Flüssigkeit zum Festkörper – Messung von mechanischen Grössen über mehr als Dekaden 6 - Qualitätssicherung von Kunst- stoffformteilen mittels DSC Teil 2: Fertigungskontrolle 9 - Chemilumineszenz von Polypropylen 12 - Aufklärung thermischer Übergänge mit Hilfe der Heiztisch-Mikroskopie 15 - TA Tipp zum Probenwechsler: Feuchteveränderung vor der Analyse 17 Daten - Exhibitions 19 - Courses and Seminars 19

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2/2004

Informationen für Anwender vonMETTLER TOLEDO Thermoanalysen-Systemen

20TA-Tipp

Sehr geehrter Kunde,Dank der rasanten Entwicklung in der digitalen Fotografie sind heute CCD-Kameras sehrgünstig und trotzdem äusserst empfindlich. Die Bildinformation kann einfach gespei-chert und auch mathematisch ausgewertet werden. Dies eröffnet neue, interessante An-wendungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Thermischen Analyse.Wir freuen uns, mit dem Druck-DSC - Chemilumineszenz/Mikroskopie-Gerät eine Welt-neuheit einführen zu können. Sie können simultan zur DSC-Messung entweder Bilderder Probe aufzeichnen oder die Lichtemission der Probe (Lumineszenz) messen.

DSC-Kühlmessungen und ihre Vorteile beider Charakterisierung von MaterialienNi Jing

EinleitungBei der Materialanalyse mittels DSC werden häufig Heizmessungen durchgeführt. Invielen Fällen lassen sich jedoch mit solchen Messungen die Eigenschaften und das Ver-halten der Probe nicht vollständig verstehen. Kühlmessungen sind dann eine einfacheMöglichkeit, um weitere Informationen über die Probe zu erhalten.

Kühlmessungen liefern insbesondere zusätzliche Informationen, wenn1. Unterschiede zwischen Materialien mit verschiedener Geschichte festgestellt werden

sollen, z.B. wenn neue und recyclierte Materialien voneinander unterschieden werdensollen,

2. unterschiedliche Strukturen oder Zusammensetzungen nachgewiesen werden sollen,3. das Phasenverhalten von Materialien mit mesomorphen Strukturen rasch untersucht

werden soll,4. sich mehrere thermische Effekte überlagern.

Zur Illustration der Bedeutung von Kühlexperimenten wurden Experimente mit einemDSC822e durchgeführt, das mit einem IntraCooler und einem Probenwechsler ausgestat-tet ist.

Inhalt

TA-Tipp- DSC-Kühlmessungen und ihre

Vorteile bei der Charakterisierungvon Materialien 1

Neu im Verkaufsprogramm- Mikroskopie 4- Chemilumineszenz 5

Applikationen- Von der Flüssigkeit zum

Festkörper – Messung vonmechanischen Grössenüber mehr als Dekaden 6

- Qualitätssicherung von Kunst-stoffformteilen mittels DSCTeil 2: Fertigungskontrolle 9

- Chemilumineszenz vonPolypropylen 12

- Aufklärung thermischerÜbergänge mit Hilfe derHeiztisch-Mikroskopie 15

- TA Tipp zum Probenwechsler:Feuchteveränderung vor derAnalyse 17

Daten- Exhibitions 19- Courses and Seminars 19

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Unterscheidung von recycliertemund „neuem“ PolypropylenDie Unterscheidung von recyclierten undnicht recyclierten Materialien ist ein wich-tiger Aspekt bei der Qualitätskontrolle undSicherung. Häufig unterscheidet sich dasrecyclierte vom nicht recyclierten Materialdurch unterschiedliches Kristallisationsver-halten.

In Abbildung 1 sind Heiz- und Kühlkurven(jeweils mit 10 K/min) von recycliertemund „neuem“ Polypropylen (PP) darge-stellt. Es zeigt sich, dass die Heizkurven fürdie beiden Proben praktisch identisch sind.Hingegen machen die Kühlkurven die Un-terschiede offensichtlich. So beginnt dieKristallisation des recyclierten PP’s bei et-was höheren Temperaturen. Zudem ist derKristallisationspeak für das recyclierte Ma-terial breiter und weniger hoch als für dasneue PP. Hingegen ist die Kristallisations-wärme (Peakfläche) unabhängig von derArt des PP’s.Diese Ergebnisse zeigen, dass der Unterschiedzwischen den beiden PP hauptsächlich imunterschiedlichen Kristallisationsverhaltenbesteht. Der Grund dafür ist, dass im recyc-lierten Material der Anteil an athermischenKristallisationskeimen höher ist.Werden mehrere gleich vorbereitete undähnlich schwere Proben vermessen, so zeigtsich, dass das Kristallisationsverhalten gutreproduzierbar ist. Damit kann es als effek-tives Kriterium zur Unterscheidung von re-cycliertem und neuem PP genutzt werden.

Charakterisierung vonverschiedenen PolypropylenenUm anwendungsspezifische Eigenschaftenvon Polymeren einzustellen, werden siehäufig durch gezielte Modifikation ihrerStruktur z.B. durch die Zugabe von Additi-ven verändert. In diesem Beispiel werdenDSC-Messungen an einem Standard-PP,einem PP mit Keimbildner und einem PPmit Harzanteil gezeigt (siehe Abbildung 2).

Mit Ausnahme des kleinen Vorschmelzpeaksbei 123 °C im Fall des mit Harz versetztenPP’s unterscheiden sich die Schmelzkurvender drei Proben praktisch nicht voneinan-der. Heizkurven eignen sich also auch indiesem Fall nicht, um die Unterschiedezwischen den drei Materialien aufzuzeigen.Wie erwartet zeigt die Kühlkurve des PP’smit Keimbildner im Vergleich zu den ande-

Abbildung 1: DSC-Heiz- und Kühlkurven von neuem und recycliertem PP; Heiz- bzw. Kühlrate 10 K/min.

Abbildung 2: DSC-Heiz- und Kühlkurven von verschiedenen Polypropylenen (Standard-PP, PP mit Keim-bildner, PP mit Harz); die Heiz- und Kühlrate betrug jeweils 10 K/min.

ren beiden Proben den Kristallisationspeakbei der höchsten Temperatur. Das Maxi-mum des Kristallisationspeaks dieses PP’sliegt bei 117 °C, ist also 3 K höher als beimStandard-PP. Die Kristallisationsenthalpiewird durch den Keimbildner nicht beein-flusst.Die Kühlkurve für das Harz enthaltendePP zeigt den Kristallisationspeak bei einernoch tieferen Temperatur. Dies deutetdarauf hin, dass der Kristallisationsvor-gang in dieser Probe durch das beigefügte

Harz behindert wird. Zudem ist die Kristal-lisationswärme etwa 7% kleiner als dieKristallisationswärme der beiden anderenProben.

Polymorphie vonflüssigkristallinen MaterialienDas Phasenverhalten von flüssigkristalli-nen Materialien kann mittels DSC einfachuntersucht werden. Wenn es dabei auf einerasche Charakterisierung von unbekanntenProben ankommt, werden Heizraten von

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mindestens 10 K/min verwendet. Unter die-sen Bedingungen kann es vorkommen, dassdie flüssig-flüssig Phasenübergänge vomHauptschmelzpeak (fest-flüssig) überlagertsind. Auch in diesem Fall sind Kühlmes-sungen eine einfache und sichere Möglich-keit, um sämtliche Übergänge eindeutigidentifizieren zu können.

In Abbildung 3 sind Messungen an Choles-teryl Myristat dargestellt. Die Heizkurvezeigt den Hauptschmelzpeak bei 73 °C (A)und einen kleinen Peak bei 83 °C (C), derauf den Übergang der nicht isotropen indie isotrope Flüssigkeit zurückzuführen ist.Die im Hauptschmelzpeak angedeuteteSchulter (B) kann nicht eindeutig als Pha-senumwandlung interpretiert werden.

Während des Kühlexperiments treten nebstdem Kristallisationspeak bei etwa 20 °C (A’)zwei kleine Peaks bei etwa 80 °C (C’) und72 °C (B’) auf. Diese kleinen Peaks ent-sprechen der „Schulter“ B und dem Peak Cdes Heizexperimentes. Es handelt sich dabeium Umwandlungspeaks, wie sie währendÜbergängen zwischen flüssigkristallinenMesophasen auftreten. Diese Übergängeunterkühlen in der Regel bedeutend weni-ger stark als das Kristallisieren. Zudem sinddie mit diesen Umwandlungen verbunde-nen Enthalpien relativ klein.Cholesteryl Myristat liegt nach dem Schmel-zen (A) in einer smektischen (flüssigkris-tallinen) Phase vor. Bei der „Schulter“ Berfolgt die Umwandlung in eine cholesteri-sche Phase und bei C verliert die Flüssig-keit ihre flüssigkristallinen Eigenschaften.Das Beispiel zeigt, dass sich Umwandlun-gen, die sich beim Heizen noch überlagern,wegen des unterschiedlichen Unterkühlver-haltens mit einem Kühlexperiment vonei-nander trennen lassen. Durch die Wahl vonanderen Heiz- bzw. Kühlraten und durchReduzieren der Probenmasse können der-artige Experimente weiter optimiert werden.

Überlagerung von Glasübergangund SchmelzenKühlexperimente können auch dazu einge-setzt werden, um andere sich überlagerndeEffekte voneinander zu trennen. Dies ist an-hand einer Mischung von PET und Wachsin Abbildung 4 demonstriert.

Die Probe wurde zunächst mit 10 K/minaufgeheizt, anschliessend mit 10 K/min

Abbildung 3: Heizen und Kühlen von Cholesteryl Myristat; die Heiz- bzw. Kühlrate betrug 10 K/min.

Abbildung 4: Heiz- und Kühlkurven von einer PET-Wachsprobe. Die Heiz- bzw. Kühlrate betrug 10 K/min.

gekühlt und dann wiederum mit 10 K/minaufgeheizt. Das erste Heizen zeigt 2 endo-therme, überlappende Peaks (A und B),die leicht als überlappende Schmelzpeaksidentifiziert werden könnten. Währenddem zweiten Heizen tritt dagegen nur einendothermer Peak (D) sowie an Stelle desPeaks B ein kleiner, scheinbar exothermerPeak auf.Erst das Kühlexperiment liefert die Erklä-rung für diese Verhalten. Beim Kühlen be-obachtet man einen exothermen Peak (C),der im Vergleich zu den Peaks beim Heizen

(A und D) zu tieferen Temperaturen hinverschoben ist. Ursache dafür ist wiederumdie Unterkühlung der Schmelze beim Küh-len. Die Kühlkurve zeigt zudem zwischen60 °C und 80 °C einen Glasübergang.Damit lassen sich die beiden Heizkurvenwie folgt verstehen: Während dem erstenHeizen schmilzt der Wachs (Peak A);gleichzeitig findet der Glasübergang desPET statt, der beim ersten Aufheizen zu-sätzlich von einem endothermen Relaxa-tionspeak begleitet ist (Peak B). Beimzweiten Heizen tritt dieser Relaxationspeak

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nicht mehr auf, der „exotherme“ Peakunmittelbar nach dem Schmelzpeak desWachses entspricht dem Ende des Glas-übergangs des PET. Grundsätzlich deutetauch der Versatz der Basislinie vor undnach den verschiedenen Peaks (A und Bbzw. D) an, dass dem Schmelzpeak einGlasübergang überlagert ist.

SchlussfolgerungenMit dem DSC822e können kontrollierteKühlexperimente durchgeführt werden, mitdenen beispielsweise Glasübergänge, dasKristallisieren oder die Polymorphie einerProbe während dem Kühlen untersuchtwerden können.

Das Kristallisieren eines Materials zeigtsich auf einer DSC-Kurve als exothermerPeak, wobei der Kristallisationspeak bei

Kühlmessungen wegen der Unterkühlungder Schmelze häufig bei einer tieferenTemperatur auftritt als der entsprechendeSchmelzpeak beim Heizen. Das Kristallisa-tionsverhalten wird durch Modifikationenam Material oft stärker verändert als dasSchmelzverhalten. Kühlkurven eignen sichdeshalb besonders zur Charakterisierungund Differenzierung von leicht unter-schiedlichen Materialien.Polymorphe Umwandlungen können so-wohl beim Heizen wie auch beim Kühlenauftreten. Auch hier erlaubt das unter-schiedliche Unterkühlverhalten verschie-dener Umwandlungen eine Trennung vonsich überlagernden Effekten während einemKühlexperiment.Glasumwandlungen werden auf DSC-Kur-ven als stufenartige Änderungen der Basis-linie erkannt. Werden Glasumwandlungen

während dem Heizen von Schmelzpeaksüberlagert, so erscheinen die beiden Effek-te während Kühlmessungen wegen der Un-terkühlung der Kristallisation voneinandergetrennt.

Ganz allgemein liefern Heizen-Kühlen-Heizen-Experimente wesentlich mehrInformationen über eine Probe als ein ein-zelnes Heizexperiment. Insbesondere beiunbekannten Proben sollte man deshalbimmer derartige Temperaturprogrammedurchführen. Die maximale Kühlrate, mitder eine Probe noch kontrolliert gekühltwerden kann, ist abhängig vom Tempera-turbereich und von den Kühlmöglichkei-ten, mit denen das Gerät ausgerüstet ist(Luftkühlung, Intracooler, Flüssig-Stick-stoff-Kühlung); Einzelheiten hiezu findensich im UserCom 11.

Anstelle einer hochempfindlichen CCD-Ka-mera kann für die Mikroskopie eine güns-tigere Kamera eingesetzt werden. Mit einemZusatz können Sie Ihr HP DSC827e zueinem Druck-DSC - Auflichtmikroskopie-System umrüsten. Sie können damit hoch-empfindliche DSC-Messungen unter Druckmachen und die Probe gleichzeitig visuellbeobachten.Die Mikroskopie erlaubt, Vorgänge zuerkennen, die kleinste oder keine Enthal-pieänderungen hervorrufen (z.B. Farbum-schlag) oder Effekte zu interpretieren (z.B.Polymorphie), die auf dem DSC-Signalnur als Peaks sichtbar sind. Mittels Mikros-kopie sind farbliche oder strukturelle Ver-änderungen der Probe einfach erkennbar.Sie können Ihr Mikroskop mit einer Kame-ra und einem Heiztisch ausrüsten, um Abbildung 1: Zwei unterschiedliche Kristallformen von Sulfapyridin bei ca. 120 °C und 176 °C.

Durchlicht-Mikroskopie durchzuführen(z.B. FP82). Mit dem FP84 von METTLERTOLEDO kann simultan zur Durchlicht-Mikroskopie noch ein DSC-Signal gemes-sen werden. Der Vorteil der Durchlicht-Mikroskopie besteht darin, dass auch pola-risiertes Licht verwendet werden kann und

doppelbrechende Kristalle somit klar er-kannt werden können.

Für genauere Informationen zum ThemaChemilumineszenz und Mikroskopie kön-nen Sie die entsprechenden Datenblättervon Ihrem Verkäufer anfordern.

Neu im Verkaufsprogramm

Mikroskopie

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Abbildung 1: Die Bilder zeigen von oben links nach unten rechts die Chemilumineszenz als Folge der Zerset-zung von zwei identischen Polypropylenfilmen. Auf der einen Filmprobe (rechts) wurde ein Stück Kupferplatziert, das die Zersetzung früher in Gang brachte. Mehr Informationen zu dieser Applikation finden sie aufSeite 12.

Abbildung 2: HP DSC827e mit dem Chemilumines-zenz-Zubehör.

Chemilumineszenz

Mit Chemilumineszenz (CL) wird die Emis-sion von in der Regel sichtbarem Licht wäh-rend chemischen Reaktionen bezeichnet.Lange Zeit wurde die Lichtemission mittelseines Photo-Verstärkers gemessen. Mit denneuen, hochempfindlichen CCD-Kameraserreicht man eine ähnliche Empfindlich-keit, aber die Handhabung ist wesentlicheinfacher. CCD-Kameras haben den Vorteil,dass sie die Bildinformation aufnehmen.Mit Software kann die Bildinformationanalysiert und ausgewertet werden. DieLichtemis-sions-Intensitätskurve ist eineMöglichkeit der Bildauswertung.

Mit klassischen CL-Geräten können Oxida-tions-Induktionszeiten sehr einfach gemes-sen werden. Mit neueren Geräten basierendauf CCD-Kameras kann dank der Bildin-formation zusätzlich die Ausbreitung derOxidation beobachtet werden. Bei einerKombination von CL und Druck-DSC wir-ken Temperatur und Druck zusätzlich alsBeschleunigungsfaktoren. Die Messungenliefern in kürzester Zeit wertvolle Informa-tionen zur Langzeitstabilität. Dies kannzeitraubende Langzeit-Versuche in derKlimakammer ersetzen.

Durch ein spezielles Zubehör können Sieein HP DSC827e zusätzlich auch alsDruck-DSC - CL-Gerät einsetzen.

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Applikationen

Von der Flüssigkeit zum Festkörper – Messung von mecha-nischen Grössen über mehr als 10 DekadenDr. Jürgen Schawe, Dr. V. Zschuppe (Thermo Electron GmbH, Karlsruhe, Germany)

Die Änderung des mechanischen Verhaltensvon mehr als 10 Grössenordnungen wirdam Beispiel einer isothermen Härtungs-reaktion eines Epoxydharzes diskutiert.Das Material durchläuft dabei mehrerStadien (niederviskosen Newton’schenFlüssigkeit, nicht-Newton’schen Flüssig-keit, Gel und Glaszustand). Solche Verän-derungen können vollständig mit einerKombination von DMA/SDTA861e undHaake RheoStress 600 gemessen werden.

EinleitungDie mechanischen Eigenschaften von Ma-terialien können sich als Funktion derTemperatur oder der chemischen Strukturum viele Grössenordnungen ändern. Sowird beim Schmelzen von Eis aus einemelastischen Festkörper eine Flüssigkeit vonetwa 2 mPa s. Das sind mehr als 12 Deka-den Änderung im mechanischen Verhalten.Ähnliche Änderungen des mechanischenVerhaltens treten auch bei Polymeren auf.Die beiden Extreme sind hier der Glaszu-stand und die Schmelze bei hohen Tempe-raturen. Aber auch reaktive Materialien wieKlebstoffe und polymere Beschichtungs-materialien können während der ReaktionÄnderungen des mechanischen Verhaltensin derselben Grössenordnung zeigen.

Aus der Kenntnis der mechanischen Eigen-schaften ergeben sich Informationen überStruktur und molekulare Wechselwirkun-gen. Bei praktischen Anwendungen, z.B.von Klebstoffen oder bei der Herstellungvon Verbundmaterialien, ist die Kenntnisvon Fliessverhalten, Gelierung und Vergla-sung wichtig. Um diese Informationen zuerhalten, müssen die mechanischen Grös-sen in einem möglichst weiten Bereich be-stimmt werden. Das führt messtechnischzu einem Problem, da die Änderung der

Materialien in einer logarithmischen Ska-lierung erfolgt, die zur Verfügung stehen-den Sensoren in den Messgeräten jedocheine lineare Auflösung haben. Die klassi-sche Lösung dieses Problems besteht darin,dass mehrere Geräte und unterschiedlicheProbengeometrien verwendet werden, wo-bei ein Gerät mit einer Geometrie typisch3 bis 5 Dekaden abdeckt. Wenn in einemgrösseren Bereich gemessen werden muss,müssen verschiedene Messkurven aufge-nommen werden, die in einem Überlap-pungsbereich mehr oder weniger überein-stimmen. Um dieses Problem weitestgehendzu beheben, wurde bei der Entwicklung derMETTLER TOLEDO DMA/SDTA861e daraufgeachtet, den Messbereich zu erweitern. Eskönnen daher im Schermodus mit einerProbengeometrie, in einer Messung, Modul-änderungen von bis zu 8 Dekaden ermitteltwerden. So ist es z.B. möglich, das mecha-nische Verhalten eines Material vom Glas-zustand bis unterhalb des Gelpunktes beieiner Einzelmessung zu bestimmen. UmMessdaten in dem Bereich vom Gelpunktbis hinein in die niederviskose Flüssigkeitzu erhalten, kann man die DMA-Messungenmit Rheometerdaten (gemessen mit HaakeRheoStress 600) kombinieren. Dabei ist dergrosse Überlappungsbereich der Messgerätevorteilhaft.

In dieser Arbeit wird am Beispiel einer iso-thermen Härtung eines Epoxidharzes ge-zeigt, wie mittels METTLER TOLEDO DMA/SDTA861e und dem Haake RheoStress 600die gesamte Änderung des Moduls über10 Dekaden bestimmt werden kann.Als Modellsubstanz wird die stöchiometri-sche Mischung des Epoxidharzes Diglyci-dylether des Bisphenol A (DGEBA) und desHärters Diaminodiphenylmethan (DDM)verwendet.

Mechanische Grössen währendeiner Polymerisation: Von derniedermolekularen Flüssigkeitzum polymeren GlasDie Beziehungen zwischen Viskosität ηund Schermodul G lautenG´ = ω η´ (1)undG˝ = ω η˝ (2)Wobei G´ der Speichermodul und G˝ derVerlustmodul ist. ω = 2π f ist die Kreisfre-quenz und f die Frequenz.Bei der Aushärtung eines Epoxidharzsys-tems handelt es sich um eine Polymerisa-tionsreaktion. Die Änderung des mecha-nischen Verhaltens solch eines Systemswährend der Reaktion ist am Beispiel einesstöchiometrischen ReaktionsgemischesDGEBA-DDM in Abbildung 1 dargestellt.Der auf der Abszisse aufgetragene Umsatzwurde während der isothermen Reaktionmittels DSC822e gemessen [1].Vor der Reaktion liegt eine niedermoleku-lare Mischung von Harz und Härter vor.Diese wird in möglichst kurzer Zeit auf dieReaktionstemperatur gebracht. Bei der Re-aktion kommt es zum Wachstum der zu-nächst noch relativ kleinen Moleküle. Indiesem Bereich verhält sich das Materialwie eine Newton’sche Flüssigkeit. Dasheisst, dass nur der Realteil der Viskositätexistiert. Für den Schermodul folgt dannaus Gl. (1) und (2), dass der Speicher-modul praktisch nicht existiert. DerVerlustmodul ist kleiner als 100 Pa. Mitfortschreitender Grösse der Moleküle er-höht sich die Viskosität.Bei einem Umsatz oberhalb 50% sind dieMoleküle so gross, dass die Flüssigkeitaufgrund der stärkeren hydrodynamischenWechselwirkung das Newton’sche Verhaltenverliert. Es wird nun auch ein merklicherSpeicheranteil des Schermoduls gemessen,

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der jedoch noch viel kleiner als der Verlust-modul ist. Damit behält das Material dascharakteristische Verhalten einer Flüssig-keit (G˝ > G´).Ab etwa 70% Umsatz bekommen die Mole-küle eine makroskopische Dimension.Speicher- und Verlustmodul sind in dersel-ben Grössenordnung und schliesslich wirdG´ grösser als G˝. Das Material bekommtdamit eine höhere Formstabilität und so-mit Festkörpereigenschaften. Es bildet sichein Gel. Als Gelpunkt kann die Zeit definiertwerden, bei der das Verhältnis von Speicher-und Verlustmodul, der Verlustfaktor tan δ,frequenzunabhängig ist. In einem stöchio-metrischen System ist das der Schnittpunktder Kurven von G´ und G˝. Bei einem Spei-chermodul von etwa 1 MPa hat das Mate-rial den Modul eines Elastomers, jedochaufgrund des kleineren Polymerisations-grades einen höheren Verlustmodul.Bei einem Umsatz von etwa 80% kommt eszu einer stufenförmigen Vergrösserung vonG´, die mit einem Peak in G˝ einhergeht.Der Speichermodul erreicht etwa 1 GPa.Dieses Verhalten beschreibt einen che-misch induzierten Glasübergang, da diemolekulare Beweglichkeit durch das sichherausbildende polymere Netzwerk starkeingeschränkt wird. Schliesslich vitrifiziertdas Material vollständig bei einem Umsatzvon etwa 85%, und aufgrund der behinder-ten Diffusion kommt die Reaktion prak-tisch zum Erliegen.Es ist offensichtlich, dass die Lage der ein-zelnen Bereiche in Abbildung 1 stark vonder Reaktionstemperatur abhängen. Sowird es z.B. bei einer Reaktionstemperatur,die oberhalb des Glasübergangs der voll-ständig ausgehärteten Probe liegt (hieroberhalb 160 °C) zu keiner Vitrifizierungkommen. Das ist ausführlich in Referenz[1] diskutiert.

Messung von zähen Flüssig-keiten, Gelen und Glasenmittels DMAFür Flüssigkeiten wird der spezielle Proben-halter verwendet, der es erlaubt, eine defi-nierte Probendicke einzustellen. Im DMA/SDTA861e kann die Probenpräparation ex-tern erfolgen. Der Probenhalter mit Probekann dann innerhalb kurzer Zeit (wenigerals 1 min) in den vorgeheizten Ofen ein-gebaut werden. Dadurch erreicht man einMaximum an Reproduzierbarkeit.Bei der Auswahl der Messparameter sindmehrere Randbedingungen zu beachten.Zunächst ist der grosse Modulbereich zuberücksichtigen. Am Ende der Messung hatdie Probe einen Modul von etwa 1 GPa. Umdann hinreichend grosse Auslenkungenmessen zu können, ist eine möglichst gros-se maximale Kraft notwendig. Bei einerFlüssigkeit hingegen wird die zu messendeKraft sehr klein. Entsprechend muss diemaximale Auslenkung so gewählt werden,dass die Kraft noch gemessen werden kann.Es muss aber auch der lineare Bereich derProbe berücksichtigt werden. Dadurch wirddie maximale Amplitude begrenzt. Bei denvorgestellten Messungen wurde eine maxi-male Kraft von 10 N und eine maximaleAuslenkung von 100 µm gewählt.Die Messkurven für eine isotherme Reakti-on bei 90 °C sind für die Frequenzen 1 Hzund 0.1 Hz in Abbildung 2 dargestellt. Da

die Viskosität η in der Flüssigkeit bei klei-nen Reaktionszeiten nahezu frequenzun-abhängig ist, sollten in diesem Bereich dieModulwerte der 1 Hz-Messung entspre-chend Gl.(2) eine Dekade grösser sein alsdie der 0.1 Hz-Messung. Die Daten in Ab-bildung 2 zeigen, dass diese Bedingungerfüllt ist.Die Zeit beim Schnittpunkt von Speicher-und Verlustmodul ist der Gelpunkt. Wie dieMessung zeigt, ist dieser Punkt frequenz-unabhängig.Beim anschliessenden Glasübergang er-kennt man, dass bei 1 Hz das Maximumvon G˝ früher erreicht wird als bei der Mes-sung mit 0.1 Hz. Die Ursache dafür liegt inder Frequenzabhängigkeit des Glasüber-gangs. Bei Messungen an chemisch stabilenMaterialien wird der Glasübergang in derDMA beim Heizen mit grösserer Frequenzbei höheren Temperaturen gemessen [2].Bei höheren Frequenzen beobachtet manden Glasübergang also bei grösseren mole-kularen Beweglichkeiten. In dem hier be-trachteten Fall einer Vernetzungsreaktionsinkt die Beweglichkeit mit der Reaktions-zeit. Es wird also der Glasübergang beihöheren Frequenzen nach kürzeren Reak-tionszeiten gemessen.Nach dem Glasübergang vitrifiziert dasMaterial. Die Reaktion wird praktisch ge-stoppt. Daher verbleiben die G˝-Kurvennahezu unverändert.

Abbildung 1: Änderung des komplexen Schermodulsals Funktion des Umsatzes bei der Härtungsreaktioneines Epoxidharzsystems.

Abbildung 2: Speicher- und Verlustanteil des Schermoduls als Funktion der Messzeit bei einer isothermenVernetzungsreaktion bei 90 °C. Die Messfrequenzen sind 1 Hz und 0.1 Hz. Der frequenzunabhängige Schnitt-punkt von G´ und G˝ ist der Gelpunkt.

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Für eine Messung mit maximaler Genauig-keit kann die Volumenänderung der Probedurch Schrumpfung mittels DSC und TMAkalibriert werden und der kleine Tempera-turverzug zu Beginn der Messung berück-sichtigt werden. Diese Korrekturen sindklein und wurden nicht berücksichtigt.

Erweiterung des Messbereichesmittels RheometerDas DMA/SDTA861e wurde für Proben miteinem Schermodul oberhalb 100 kPa ent-wickelt. Deshalb nimmt bei kleinerenModulen die Genauigkeit ab. Rheometereignen sich besonders gut zur Messung vonFlüssigkeiten. Obwohl es mit der DMA/SDTA861e gelingt, Flüssigkeiten bis zuViskositäten von etwa 10 Pa s hinreichendgenau zu messen (s. Abbildung 3), ist esfür einige Fragestellungen wichtig, dasMaterial auch bei kleineren Viskositäten zucharakterisieren. In diesem Fall eignet sichdie Kombination der DMA-Messungen mitdenen eines Haake RheoStress 600 vonThermo Electron.Auch im vorliegenden Fall einer Vernet-zungsreaktion gelingt es durch eine Kom-bination beider Methoden das gesamtemechanische Verhalten zu analysieren. Umeine möglichst gute Übereinstimmung derbeiden Messmethoden zu erreichen, wurdenmit dem Haake RheoStress 600 periodischeExperimente mit einer Frequenz von 1 Hzdurchgeführt. Dazu wurde eine Anordnungmit parallelen Platten eines Durchmessersvon 6 cm gewählt. Die Deformation betrug5%. Da es sich bei der zu untersuchendenSubstanz um ein härtendes System handelt,mussten Probenhalter für den einmaligenGebrauch verwendet werden.Beim Haake RheoStress 600 kann die Probedirekt auf die vorgeheizte Probenhalterung

Abbildung 3: Viskosität als Funktion der Zeit wäh-rend der Härtungsreaktion bei 90 °C. Die Kurven wur-den mittels Rheometer und DMA bei 1 Hz gemessen.

gebracht werden. Eine typische Messkurveder Viskosität ist in Abbildung 3 dargestellt.Wie in der Abbildung zu sehen ist, kanneine gute Übereinstimmung zwischen DMA-und Rheometer-Messungen erreicht wer-den. Hilfreich ist der grosse Überlappungs-bereich, der durch die beiden Messgeräterealisiert werden kann.

Abbildung 4: Der komplexe Schermodul während derisothermen Vernetzungsreaktion bei 90 °C.

punkt auf 300 kPa vergrössert. Ein visko-elastisches Verhalten des Materials beginntmit dem Erscheinen eines messbaren Spei-chermoduls von 0.1 Pa nach etwa 40 min.Wie mit DSC ermittelt, entspricht dieseReaktionszeit einem Umsatz von ca. 50%.

SchlussfolgerungUm das mechanische Verhalten von Mate-rialien vom Festkörper bis zur nieder-viskosen Flüssigkeit zu messen, müssenÄnderungen der mechanischen Parametervon mehr als 10 Grössenordnungen erfasstwerden. Obwohl die DMA/SDTA861e einenModulbereich von etwa 8 Dekaden erfassenkann, ist insbesondere bei Flüssigkeiten mitViskositäten unterhalb 100 Pa s ein HaakeRheoStress 600 eine gute Ergänzung zumDMA.Besonders vorteilhaft für den Vergleich derMesskurven von DMA und Rheometer beider isothermen Vernetzung ist, dass beibeiden Messgeräten die Probe in eine vor-gewärmte Probenkammer eingeführt wer-den kann.Eine Kombination von DMA/SDTA861e

und Haake RheoStress 600 ist aufgrundder grossen gegenseitigen Überlappungder Messbereiche ideal für die Analyse vonSystemen mit sehr grossen Modul- bzw.Viskositätsänderungen.

Literatur[1] J. Schawe, UserCom 18 (2003), 13.[2] G. Widmann, J. Schawe, R. Riesen,

UserCom 15 (2002), 1.

Der Autor bedankt sich bei Dr. V. Zschuppe(Thermo Electron GmbH) für die Unter-stützung bei den Messungen am HaakeRheoStress 600.

In Abbildung 4 sind die gemessenen Kurvendes Schermoduls dargestellt. Es zeigt sich,dass zu Beginn der Messung die Reaktions-mischung einen Verlustmodul von etwa0.1 Pa hat, der sich dann kontinuierlichmit fortschreiten der Reaktion bis zum Gel-

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Qualitätssicherung von Kunststoffformteilen mittels DSCTeil 2: FertigungskontrolleDr. Achim Frick, Claudia Stern, Fachhochschule Aalen, Kunststofftechnik, Aalen

An Beispielen aus der Praxis werden Anwen-dungen der DSC zur Qualitätssicherungvon Kunststoffformteilen in der Fertigungs-kontrolle gezeigt. Es wird gezeigt, wie dieProzessparameter Massetemperatur, Werk-zeugtemperatur und Verweilzeit in derPolymerschmelze mittels DSC optimiertund kontrolliert werden können. Weiterhinwird gezeigt, wie die Einsatzmöglichkeitvon Rezyklat und die Formteilqualität aufBasis von DSC-Messungen bewertet werdenkann. Teil 1 wurde im UserCom 19 veröf-fentlicht.

EinleitungObwohl die Qualität von kunststofftechni-schen Produkten wesentlich von ihrer Mor-phologie (Gefügestruktur) beeinflusst wird,erfolgt in der Praxis eine Qualitätsbewer-tung häufig nur über Bestimmung der Di-mensionsgenauigkeit, bei der ein Formteilden Qualitätsanforderungen genügt, wenndie Abmessungen innerhalb der gefordertenToleranzen liegen. Um jedoch dem tatsäch-lichen Anforderungsprofil an Formteilebesser genügen zu können, ist es häufignotwendig, bei der Qualitätssicherung Pa-rameter heranzuziehen, mit denen dieMorphologie charakterisiert werden kann.Eine relativ einfache und schnelle Möglich-keit, solche Parameter zu erhalten ist dieDynamische Differenz Kalorimetrie (DSC).Im ersten Teil dieses Beitrages wurden An-wendungen der DSC zur Wareneingangs-kontrolle von Polymeren erläutert. DieserTeil behandelt praktische Beispiele für denEinsatz der DSC in der Fertigungskontrollevon Kunststoffteilen.

MassetemperaturDie Wahl der richtigen Massetemperaturbei der Verarbeitung von teilkristallinenKunststoffen ist mitentscheidend für dieFormteilqualität. Zu hohe Temperaturenverursachen einen thermischen Abbau desPolymers und verschlechtern somit diemechanischen Eigenschaften des Produkts.Mit zunehmender thermischer Schädigungführt der fortschreitende Kettenabbau zu

einer Erhöhung der Kristallisationsge-schwindigkeit. Abbildung 1 zeigt das amBeispiel von Polybutylenterephthalat (PBT).In den DSC-Heizkurven erkennt man nursehr geringe Einflüsse der Massetemperatur.Die Kühlkurven zeigen jedoch signifikanteVeränderungen des Kristallisationspeaks.Durch die grössere Kristallisationsge-schwindigkeit bei höherer Massetemperaturwerden die Peaks schmaler und höher so-wie zu höheren Temperaturen verschoben.

Einfluss verlängerter Verweil-zeitenBei der Wiederverwertung von Produktions-rückständen (Rezyklate) vergrössert sichdie Verweilzeit des Materials im Plastifi-ziergerät. Die dadurch erhöhte thermischeBelastung der Rezyklate kann die Formteil-qualität deutlich verringern und begrenztdie Möglichkeiten der Wiederverwertung.Das ist besonders bedeutend bei den neueninnovativen Spritzgiessverfahren wie Dünn-wandtechnologie und Mikrospritzgiessen,bei denen sich aufgrund der geringen

Schussgewichte die Verweilzeiten der Poly-merschmelze in der Plastifiziereinheit derSpritzgiessmaschine auf 2 bis 9 Minutenvergrössern.

In Abbildung 2 wird am Beispiel von un-verstärktem PBT natur der Einfluss der Ver-weilzeiten auf das Kristallisationsverhaltenbeim Abkühlen aus der Schmelze gezeigt.Bei einer Massetemperatur von 290 °C lagdie Verweilzeit des Werkstoffs bei der Spritz-giessverarbeitung zwischen 3.7 min und18.1 min. Wie im vorherigen Abschnittdiskutiert, bewirkt die fortschreitende De-gradation aufgrund erhöhter thermischerBelastung der Polymerschmelze eine Ver-änderung der Form des Kristallisations-peaks und eine Verschiebung zu höherenTemperaturen. In Analogie zu Abschnitt„Bewertung der Formteilqualität“ (Seite 11)kann diese Information zur Bewertung desRezyklats herangezogen werden. DerPolymerabbau während der Verweilzeit inder Plastifiziereinheit wurde auch durchMessungen der Viskositätszahl bestätigt.

Abbildung 1: DSC-Kurven (Heizen und Kühlen) von PBT-GF30-natur nach Verarbeitung mit unterschiedli-cher Massetemperatur (Tma) zwischen 260 °C und 330 °C. (Temperaturprogramm: Heizen und Kühlenzwischen 30 °C und 280 °C mit einer Rate von 20 K/min; Einwaage: 3.5 ± 0.1 mg, Probenform: Schulter-stab 4 x 2 mm2, Werkstoff: Ultradur B4300 G6 natur, Spülgas: N2)

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Einfluss der WerkzeugtemperaturBei der Verarbeitung von Kunststoffen be-stimmen die thermischen Prozessbedingun-gen, wie Masse- und Werkzeugtemperatur,die Verarbeitbarkeit und die Abkühlge-schwindigkeit der Polymerschmelze. Dadie Gefügestruktur von den Abkühlbedin-gungen abhängt, werden dadurch die Form-teileigenschaften beeinflusst. Deshalb istdie Einhaltung einer optimalen Werkzeug-temperatur beim Spritzgiessen von Thermo-plasten sehr wichtig.Bei teilkristallinen Polymeren besteht eineAbhängigkeit des Kristallinitätsgrades vonder Abkühlgeschwindigkeit und somit vonder Werkzeugtemperatur, die deshalb mass-geblich das Schwindungsverhalten vonKunststoffteilen bestimmt (s. Abbildung 3).

Den Einfluss der Werkzeugoberflächentem-peratur auf die Morphologie der Polymerekann an der Nachkristallisation erkannt

werden, die bei einer DSC-Heizmessung alsexothermer Peak zwischen Glasübergangund Schmelzpeak zu erkennen ist. Das istin Abbildung 4 am Beispiel von Polyamid(PA-GF20) dargestellt. Die Nachkristallisa-tion findet bei signifikant tieferen Tempera-turen statt, wenn die Werkzeugtemperaturunterhalb der Glasübergangstemperatur(hier 80 °C) liegt. Für eine optimalespritzgiesstechnische Verarbeitung vonKunststoffen gilt die Regel, dass die Werk-

Abbildung 3: Gesamtschwindung nach 30 Tagen inAbhängigkeit der Werkzeugoberflächen-Temperatur.(Werkstoff: Ultradur B4520 schwarz 0110)

Abbildung 4: Einfluss der Werkzeugtemperatur auf das Nachkristallisationsverhalten von teilaromatisiertemPA-GF 20 schwarz. (Werkstoff: Grivory GV2H schwarz 9815; Probenform: Schulterstab 4 x 1 mm2; Heizrate:20 K/min; Spülgas: N2; Einwaage: 7.9 ± 0.1 mg)

zeugtemperatur oberhalb der Glasüber-gangstemperatur liegen sollte, da sonstgeringe Formteiltoleranzen nicht einge-halten und sogar nicht korrigierbare Ver-zugserscheinungen entstehen können.

Detektion der TemperkonditionenZur Gewährleistung gleichbleibender Ei-genschaften während der Gebrauchdauerwerden Formteile nach der Fertigung ofteinem Temperprozess unterzogen. Dabeiwerden durch Nachkristallisation die mor-phologischen Strukturen verändert. DieseStrukturänderungen können mittels DSCdurch Analyse des Schmelzverhaltens er-kannt werden. Für ein glasfaserverstärktesPolyamid sind dazu Beispiele in den Abbil-dungen 5 und 6 gezeigt.

In Abbildung 5 sind DSC-Kurven von Probennach unterschiedlich langer Temperungim Umlaufofen bei 100 °C dargestellt. DieTemperung beeinflusst den exothermenKristallisationspeak bei etwa 225 °C. Mitgrösserer Temperzeit wird er schmaler undhöher. Die Fläche des nachfolgendenSchmelzpeaks (Schmelzenthalpie) ver-grössert sich etwas mit der Temperzeit. Dasdeutet auf eine Vergrösserung des Kristal-lisationsgrads. Die Formänderung desSchmelzpeaks zwischen 240 °C und 270 °Czeigt den Einfluss der Temperung auf dieMorphologie. Während bei kleinen Temper-zeiten ein Doppelpeak gemessen wird, ent-

Abbildung 2: DSC-Kühlkurven von PBT nach unterschiedlichen Verweilzeiten bei 290 °C (Werkstoff: UltradurB4520 natur, Kühlrate: 20 K/min, Spülgas: N2, Einwaage: 3.5 ± 0.1 mg).

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steht nach Temperung über 2 Stunden einEinzelpeak, dessen Maximum mit derTemperung zu höheren Temperaturen ver-schoben wird. Die ursprünglich instabileGefügestruktur im Formteil bildet mit län-gerer Temperung durch Rekristallisationeine stabilere Morphologie mit einer höhe-ren Schmelztemperatur heraus.Um Formteile mit konstanter Qualität zufertigen und so Qualitätsmängel zu ver-

meiden, sollte für das hier betrachtete Ma-terial der Spritzgiessprozess so optimiertwerden, dass die Formteile DSC-Kurvenliefern, deren Schmelzpeaks mindestensdenen der Proben nach der zweistündigenTemperung entspricht.

In einer weiteren Messserie wurden die PA-Proben eine Stunde bei unterschiedlichenTemperaturen zwischen 120 °C und 220 °C

im Umluftofen getempert. Die danach ge-messenen DSC-Kurven sind in Abbildung 6dargestellt. Neben den bereits diskutiertenKristallisations- und Schmelzpeaks ist beiallen Kurven ein kleiner Temperpeak etwa10 bis 20 K oberhalb der Tempertemperaturzu erkennen. Die Ursache für diesen Peakist das Schmelzen kleiner instabiler Kristal-lite, die während der Temperung gebildetwurden, aber schon bei etwas höherenTemperaturen schmelzen. Aufgrund einesmöglichen Temperpeaks können also DSC-Messungen genutzt werden, um nachträg-lich die thermischen Einsatzbedingungenwährend des Gebrauches von Kunststoff-teilen zu beurteilen. Beim ersten Aufheizenkann ein Temperpeak in der DSC-Kurvenicht von einem Effekt einer weiteren Ma-terialkomponente im Formteil unterschie-den werden. Klarheit liefert hier die zweiteHeizkurve. Während aufgrund der Beseiti-gung der Vorgeschichte beim Schmelzendann der Temperpeak verschwindet (s. Ab-bildung 6), zeigen weitere Materialkom-ponenten weiterhin thermische Effekte.

Bewertung der FormteilqualitätIn der Praxis wird die Qualität von Form-teilen oft durch die Bestimmung derViskositätszahl (VZ) mittels Lösungsviskosi-metrie beurteilt. Die Bewertung der Ergeb-nisse erfolgt gemäss einer Faustregel, diebesagt, dass ein Formteil den Anforderun-gen nicht genügt und ausgesondert wird,wenn sich die Viskositätszahl nach der Ver-arbeitung um mehr als 10% zum Wert vorder Verarbeitung verringert hat. DiesesVerfahren hat den Nachteil, dass es relativzeitaufwendig ist und erhebliche Mengenan Sonderabfällen infolge der eingesetztenLösemittel entstehen. Eine schnellere Alter-native zur Charakterisierung der Formteil-qualität bietet die DSC-Messung, wobei derZusammenhang zwischen der Kristallisa-tionstemperatur beim Abkühlen und derViskositätszahl ausgenutzt wird. Es ist dazulediglich eine Kalibrierkurve und ein Aus-wahlkriterium notwendig. Die Kalibrier-kurve erhält man entsprechend Abbildung 7durch Messung von Viskositätszahl undKristallisationstemperatur unterschiedlichthermisch beanspruchter Materialien. Ausdieser Kalibrierkurve wird als Auswahl-kriterium die maximal zulässige Kristal-lisationstemperatur Tc,max bestimmt, beider VZ um 10% kleiner als der Ausgangs-wert ist.

Abbildung 5: Einfluss der Temperkonditionen auf die DSC-Kurve von PA-GF20 schwarz. (Werkstoff: GrivoryGV2H schwarz 9815, teilaromatisiert; Tempertemperatur: 100 °C; Heizrate: 20 K/min; Spülgas: N2; Ein-waage: 7.9 ± 0.1 mg)

Abbildung 6: DSC-Kurven nach einstündiger Temperung bei unterschiedlichen Temperaturen von PA-GF20schwarz. Zum Vergleich ist eine Kurve vom zweiten Aufheizen dargestellt. (Werkstoff: Grivory GV2H schwarz9815, teilaromatisiert; Heizrate: 20 K/min; Spülgas: N2; Einwaage: 7.9 ± 0.1 mg)

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Abbildung 7: Zusammenhang zwischen der Kristal-lisationstemperatur und dem Viskositätszahlabfallsowie Bestimmung der Grenztemperatur Tc,max.(Werkstoff: Ultradur B4300 G6 natur; Probenform:Schulterstab 4 x 2 mm2; Kühlrate: 20 K/min; Spül-gas: N2; Einwaage: 3.5 ± 0.1 mg)

Abbildung 8: Qualitätsbeurteilung von Formteilen mit Hilfe der DSC entsprechend Abbildung 7.(Werkstoff: Ultradur B4300 G6 natur; Probenform: Schulterstab 4 x 2 mm2; Abkühlung: 280 - 30 °C; Kühl-rate: 20 K/min; Spülgas: N2; Einwaage: 3.5 ± 0.1 mg)

sagefähigkeit charakterisiert werdenkönnen. Polymere können mit Hilfe vonDSC-Untersuchungen identifiziert und ihrSchmelz- und Kristallisationsverhaltenbeschrieben werden. Die DSC-Analyse er-möglicht weiterhin die qualitative undquantitative Erfassung einer möglichen,verarbeitungsinduzierten Polymerschädi-gung und gestattet somit die Beurteilungder jeweiligen Formteilqualität. Die DSC-

Prüfung eignet sich auch zur Beschreibungder fertigungsinduzierten Morphologieteilkristalliner Thermoplaste.

Umfassende Informationen über die Proben-präparation, Anwendungsmöglichkeiten und-grenzen der DSC in der Kunststofftechnik sindim Technischen Handbuch – DSC dargestellt.Dieses Buch kann bei Prof. Dr.-Ing. Achim Frickan der FH Aalen erworben werden.

Abbildung 8 zeigt, wie eine einfache unddirekte Bewertung der Formteilqualität mitHilfe der DSC-Messung erfolgen kann. Istdie Kristallisationstemperatur der Formtei-le unterhalb der Grenztemperatur Tc,max,hat das Formteil die geforderte Qualität.Anderenfalls muss es als Schlechtteil aus-gesondert werden. Eine solche schnelle Un-terscheidung der Qualität kann bei Einsatzder Softwareoption AutoEval automatisiertwerden.

ZusammenfassungDie in dieser Artikelserie dargelegten Bei-spiele belegen, dass durch Einsatz der DSCin der Kunststofftechnik Kunststoff-Form-massen und daraus gefertigte technischeFormteile umfassend und mit hoher Aus-

Chemilumineszenz von PolypropylenDr. M. Schubnell

Abbildung 1: Möglicher Reaktionsmechanismus bei der oxidativen Zersetzung von Polyolefinen [1].

EinleitungMit Chemilumineszenz (CL) wird die Emis-sion von in der Regel sichtbarem Licht wäh-rend chemischen Reaktionen bezeichnet.In den 60er Jahren wurden auch Polymerehinsichtlich dieses Phänomens untersucht.Die meisten Polymere zersetzen sich unternatürlichen Bedingungen als Folge derOxidation durch den Luftsauerstoff. In ei-nem ersten Schritt bilden sich im Polymerals Folge von Wärme, mechanischer Be-lastung oder Lichteinwirkung instabile

R

ROOH RH

R

2 RH ROO

O2

ROH + 1O2 + 3R=O*RH ROOROOH{ }

R + ROH + H2O

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Alkylradikale, die mit Sauerstoff zu Pero-xidradikalen reagieren. Peroxidradikalekönnen auch bereits bei der Herstellung desKunststoffes entstehen und als unerwünsch-tes Nebenprodukt im Kunststoff vorhandensein. In einer Kettenreaktion beschleunigendie Peroxidradikale in Anwesenheit vonSauerstoff die Zersetzung des Polymers.

Bei welchem Reaktionsschritt die Chemilu-mineszenz entsteht, ist noch nicht restlosgeklärt. Ein in der Literatur häufig be-schriebener Mechanismus geht davon aus,dass CL dann entsteht, wenn zwei Peroxid-radikale rekombinieren, wobei sich nebenSauerstoff ein angeregtes Carbonyl-Radikalbildet (Russell Mechanismus [2]). MittelsCL lässt sich somit beispielsweise gezieltdie Oxidation von Polymeren und damitauch der Einfluss von Stabilisatoren unter-suchen. In diesem Beitrag wird gezeigt, wiesolche Untersuchungen mit einem HPDSC827e durchgeführt werden können.

ExperimentellesChemilumineszenz-Messungen werdenentweder mit nicht abbildenden Photomul-tipliern oder mit abbildenden, hochemp-findlichen CCD-Kameras durchgeführt. DieDetektion mit CCD-Kameras hat dabei denVorteil, dass sich auch erkennen lässt, wodie CL entsteht. Dies ist dann interessant,wenn beispielsweise der Einfluss von Stör-stellen in der Probe auf deren Zersetzungs-verhalten untersucht werden soll. Inunserem Fall wurde eine CCD-Kamera(SensiCam von PCO) zusammen mit einemlichtstarken Objektiv (Navitar, Blenden-zahl 0.95, Brennweite 50 mm) verwendet,um die CL einer Probe im HP DSC827e zuuntersuchen. Der Aufbau ist schematischin Abbildung 2 dargestellt.

Als Probe wurde ein Film aus Polypropylen(PP) verwendet. Von diesem Material wur-den jeweils zwei kleine Stücke in einenTiegel gelegt (Gewicht der Einzelstückeetwa 0.4 mg, je etwa 4 mm2 gross), wobeiauf eines der beiden Folienstücke zusätz-lich ein kleines Stück Kupfer gelegt wurde.Die Proben wurden anschliessend unter50 ml/min Sauerstoff bei verschiedenenTemperaturen im HP DSC gemessen. Fürdie CL-Messung wurde die Lichtintensität jenach Temperatur während 5 (bei 150 °C),10 (bei 140 °C und 130 °C) oder 15 Minu-

stück wirkt also als eine Art „Zersetzungs-keim“. Erst nach etwa 110 Minuten beginntauch die zweite Probe zunehmend zuleuchten. Es ist auch erkennbar, dass dieVerteilung der CL über die Probenflächenicht homogen ist. Dies bedeutet, dass sichoffenbar spontan „Zersetzungszentren“bilden, von denen die Oxidation der Probeausgeht.

In Abbildung 4 ist der CL-Verlauf für diebeiden Proben zusammen mit dem gemes-senen DSC-Signal dargestellt. Aus demAnstieg der CL-Kurven lassen sich für diebeiden Proben die entsprechenden Induk-tionszeiten bestimmen. Für die Probe mitKupfer ergibt sich eine OIT von etwa 60 Mi-nuten, für die Probe ohne Kupfer eine vonetwa 100 Minuten. Die Bestimmung der OITaus der DSC-Kurve erweist sich als nichtganz einfach, weil die Basislinie offensicht-lich nirgends horizontal verläuft. Das liegtdaran, dass Polypropylen bei hohen Tem-peraturen stark rekristallisiert, was sichauch auf den Verlauf der DSC-Kurve aus-wirkt. Die CL hingegen wird durch dieseVorgänge nicht beeinflusst. Entsprechendlässt sich die OIT wesentlich zuverlässigerbestimmen. Aus dem DSC-Kurvenverlaufkann eine OIT von etwa 80 Minuten abge-schätzt werden. Dieser Wert hat hier jedochkeine Bedeutung, weil mit der DSC die Sum-me der Zersetzungsvorgänge von 2 „unter-schiedlichen“ Proben registriert wird. DieIntensität der CL ist für die Probe ohneKupfer deutlich höher. Auch ist die Stei-gung beim Anstieg der CL-Kurve der Probe

Abbildung 2: Schematischer Aufbau zur Messung derChemilumineszenz. Die Brennweite des Objektivs be-trägt 50 mm; verwendet wurde zudem ein 30fach-Konverter. Lichtstärke des Objektivs: 0.95. VerwendeteKamera: Sensicam von PCO.

ten (bei 120 °C) aufintegriert. Das ersteBild wurde jeweils als „Dunkelbild“ ver-wendet und nachträglich von allen anderenBildern abgezogen. Für die Berechnungder Chemilumineszenzkurve wurden diemittleren Grauwerte der beiden Proben-stücke als Funktion der Zeit aufgetragen.

ErgebnisseIn Abbildung 3 sind Aufnahmen bei 140 °Czu jeweils unterschiedlichen Zeitpunktendargestellt. Erste Anzeichen von CL erge-ben sich nach etwa 60 - 70 Minuten. Daskleine dunkle Dreieck, das auf den Bildernerkennbar ist, ist das kleine Stück Kupfer,das auf eine Probe gelegt wurde. Die Bilderzeigen, dass die Oxidation eindeutig vondiesem Kupferstück ausgeht; das Kupfer-

nach 70 min (bei 140 °C) nach 90 min (bei 140 °C) nach 110 min (bei 140 °C)

nach 130 min (bei 140 °C) nach 190 min (bei 140 °C) nach 230 min (bei 140 °C)

Abbildung 3: Chemilumineszenz von 2 Polypropylenproben. Das dunkle Dreieck ist ein kleines Stück Kupfer,das die Zersetzung des Polypropylenfilms beschleunigt.

CCD-Kamera mit kurzbrenn-weitigem, licht-starkem Objektiv

Quarzgläser

40 µl-Tiegel(Probe / Referenz)

Sensor

Ofen

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Abbildung 5: Zusammenhang zwischen dem DSC-Signal und der Wurzel des CL-Signals. Das CL-Signalist proportional zum Quadrat der Radikalkonzentra-tion, das DSC-Signal proportional zur Radikalkon-zentration. (Annahme: CL entsteht bei der Abbruch-reaktion).

ohne Kupfer grösser, was auf eine höhereAktivierungsenergie hindeutet.Wenn die Lumineszenz bei der Rekombina-tion von zwei Radikalen entsteht, so müsstedie Wurzel aus der CL-Intensität (Summeder beiden Proben) proportional zum DSC-Signal sein. In Abbildung 5 ist dieser Zu-sammenhang dargestellt. Die Figur zeigt,dass der Anstieg der CL in guter Näherungproportional zum DSC-Signal ist. Nach Er-reichen der maximalen CL-Intensität ergibtsich ebenfalls wieder eine Proportionalität,allerdings mit einer anderen Steigung.Dies deutet darauf hin, dass ab diesem Zeit-punkt andere Zersetzungsmechanismenablaufen.

Abbildung 6: CL-Kurven für PP bei verschiedenenTemperaturen.

Abbildung 7: CL-Kurven für PP mit einem kleinenStück Kupfer bei verschiedenen Temperaturen.

Abbildung 8: Arrhenius-Diagramm für die Proben mitund ohne Kupfer. Mit abnehmender Temperatur wirdder Einfluss des Kupfers vernachlässigbar.

senheit von Kupfer die Aktivierungsenergieder Zersetzung vor allem bei den hohenTemperaturen. Bei tiefen Temperaturenhat die Anwesenheit von Kupfer hingegenkeine Wirkung.

SchlussfolgerungenDie Zersetzung von Polymeren kann anhandder Chemilumineszenz beobachtet werden.Auf diese Weise lassen sich beispielsweiseEinflüsse von Stabilisatoren oder anderenAdditiven auf die Stabilität von Polymerenuntersuchen.

Gegenüber reinen DSC-Messungen habenCL-Messungen mit einer CCD-Kamera ver-schiedene Vorteile.1. Chemilumineszenz entsteht spezifisch

nur während der Zersetzung des Poly-mers. Sie ist damit wesentlich selekti-ver und spezifischer als die DSC, beider verschiedene Prozesse gleichzeitigablaufen können (im obigen BeispielRekristallisation und Zersetzung).

2. Chemilumineszenz kann mit den heutezur Verfügung stehenden Detektorensehr effizient nachgewiesen werden.Mittels CL sind Zersetzungsvorgängesomit auch bei tiefen (und damit beiin der Praxis relevanteren) Temperatu-ren zugänglich.

3. Aus der Verteilung der CL können Aus-breitungs- und Keimbildungsphänome-ne der Zersetzung beobachtet werden.

4. Es genügen bereits kleinste Probenmen-gen, um Chemilumineszenz-Messun-gen erfolgreich durchführen zu können.

Am Beispiel von einem Film aus Polypropy-len konnte gezeigt werden, dass die Zerset-zung der Probe von „Zersetzungskeimen“ausgeht. Bei den Proben, bei denen zusätz-lich ein kleines Stück Kupfer auf die Poly-merprobe gelegt wurde, konnte bei höherenTemperaturen eindeutig festgestellt wer-den, dass das Kupfer als „Zersetzungskeim“wirkt. Bei tieferen Temperaturen geht diese„Keimwirkung“ des Kupfers verloren.

Literatur[1] D. J. Lacey, V. Dudler, Polymer degrada-

tion and Stability 51, 101, 1996[2] G. A. Russell, J. Am. Chem. Soc. 79, 3871,

1956

In den Abbildungen 6 und 7 sind die CLbei verschiedenen Temperaturen für dieProben ohne und mit Kupfer als Funktionder Zeit dargestellt. Die Kurven zeigen,dass bei 120 °C offenbar zwei CL-Anstiegeauftreten. Zudem nimmt die Steigung desAnstiegs der Chemilumineszenz mit ab-nehmender Temperatur scheinbar zu.Weitere Bilder bei 120 °C und 130 °C zei-gen, dass bei diesen Temperaturen die CLnicht mehr ausschliesslich vom Kupferausgeht. Vielmehr entwickeln sich die ers-ten „Leuchtzentren“ weit weg vom Kupfer.

Dieses Ergebnis kann wie folgt interpretiertwerden: Die Zersetzung von Stabilisatorenund dem eigentlichen Polymer erfolgt mitunterschiedlichen Kinetiken. Bei höherenTemperaturen überlagern sich diese beidenProzesse, was zu einem Anstieg in der CL-(und auch der DSC-) Kurve führt. Beitieferen Temperaturen wird hingegen zu-nächst der Stabilisator abgebaut (Anstiegder CL-Kurve bei 120 °C nach etwa 250 Mi-nuten). Die eigentliche Zersetzung desPolymers setzt erst nach etwa 700 Minutenein, wobei nach etwa 1000 Minuten einestarke Beschleunigung festzustellen ist.Der Vergleich der OIT der Proben mit undohne Kupfer zeigt, dass bei den hohenTemperaturen ein deutlicher Einfluss desKupfers festgestellt werden kann (vgl. Ab-bildung 8). Offenbar ändert sich in Anwe-

Abbildung 4: Chemilumineszenzkurven für die beidenProben und entsprechende DSC-Kurve. Bei 140 °C be-wirkt Cu eine Reduktion der OIT um etwa 40 Minuten.

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Aufklärung thermischer Übergänge mit Hilfe der Heiztisch-MikroskopieDr. Matthias Wagner, Dr. Rod Bottom

EinleitungDSC ist ein hervorragendes Werkzeug, umPhasenübergänge in Materialien zu analy-sieren. Temperaturen von Schmelzprozes-sen, Kristallisationen, Fest-fest- und Flüs-sigkristall-Umwandlungen können schnellund einfach bestimmt und als exo- oderendotherme Peaks in DSC-Thermogram-men angezeigt werden. Jedoch weiss manaufgrund der DSC-Kurven noch nicht, wasdie thermischen Ereignisse für die Strukturder Materialien bedeuten. Dafür wird einoptisches Darstellungssystem benötigt.

Die Heiztisch-Mikroskopie ist eine Technik,welche weit verbreitet zur Charakterisie-rung von thermischen Übergängen benutztwird. Durch die Möglichkeit, die morpho-logische Veränderung der Probe währenddes Aufheizens direkt betrachten zu kön-nen, wird es viel einfacher, die DSC-Kurverichtig zu interpretieren. Änderungen inder Form und Struktur von Kristallen wer-den genauso gut gesehen wie ihre Grösseund Anzahl. Die Heiztisch-Mikroskopie hatauch den Vorteil, dass die Empfindlichkeitdes Systems in keiner Weise durch unter-schiedliche Heizraten beeinflusst wird.

Aktuelle MesstechnikenIn der Vergangenheit war die Aufnahme derBildinformation nicht gerade einfach. Pho-toapparate und Videokameras lassen sichseit langer Zeit ohne Probleme auf Mikros-kopen montieren, aber die Archivierungder Bilder war auf Photopapier und aufden Videorecorder beschränkt. Heute ist esabsolut notwendig, dass die Informationen

digital verfügbar sind, was bedeutet, dassdie Stand- und Videobilder auf einem PC-System gespeichert werden müssen. Es istebenfalls ein Muss, dass neben der Bild-information weitere Parameter, wie dieProbentemperatur, der Grössenmassstab,die Probenbezeichnung, das Datum unddie Zeit dokumentiert werden.

Für das METTLER TOLEDO FP82 Heiztisch-system stehen aus diesem Grunde zweineue Programmpakete zur Verfügung.Studio Capture als ökonomische Lösungfür Standardanwendungen und analySIS®

für den High-End User.Beide Programme nutzen die neueste PCVideo-Aufnahme-Technologie und erlau-ben, Bilder der Probe im Heiztisch auf demBildschirm anzuschauen und bewegte undStandbilder direkt auf der Festplatte desComputers zu speichern. Wenn das FP90-Steuergerät, welches das FP82 kontrolliert,mit dem Computer verbunden ist, könnenbeide Programme die Probentemperaturauslesen und in jedem Bild- und Video-rahmen anzeigen.

Ein Computer-gestütztes System hat gegen-über konventionellen Videoaufnahmenfolgende Vorteile:• Zeitverzögertes Video: Hierbei wird mit

einer langsameren Bildrate aufgenom-men als bei der gleichzeitigen online-Darstellung. Dies hat den Vorteil, dasseine Stunde Messung auf einige Minu-ten Wiedergabe komprimiert wird undsomit der Umwandlungsprozess klarerwird.

• Offline Bildaufnahme: Einzelne Bilderkönnen nachträglich aus direkt auf denPC überspielten Videos extrahiert wer-den. Das spart das sehr zeitraubendeBetrachten der online-Aufnahme beilangsamen Heizraten.

• Leichte Datenverfügbarkeit: Standbilderund auch Videos können leicht elektro-nisch zur Verfügung gestellt, per E-mailverschickt, auf Internetseiten platziertoder auf Speicher-Medien kopiert werden.Moderne Kompressionsalgorithmen ga-rantieren, dass auch bei langer Mess-dauer die Dateigrössen handhabbarbleiben.

• 21CFR-11 Anpassung: PharmazeutischeFirmen müssen sich an FDA-Vorschrif-ten halten. Betreffend elektronisch ge-speicherter Daten und elektronischerUnterschriften muss dies gemäss derFDA-Richtlinie 21 CFR Teil 11 erfolgen.Für Studio Capture ist ein Pharma-Paket erhältlich, in dem jedes Bild undjedes Video mit Benutzername, Datumund Zeit versehen ist. Videos und Bilderwerden in einem speziellen Ordner ge-speichert, in welchem einmal abgelegteDateien nicht mehr geändert oder ge-löscht werden können. Zusätzlich doku-mentiert ein Prüfpfad jedes Speichernvon Dateien und Ein- und Ausloggenmit Datum, Zeit und Benutzeridentifi-kation.

AnalySIS stellt als analySIS FDA darüberhinaus das volle Instrumentarium für dieErfüllung des FDA 21 CFR Teil 11 Regel-werks zur Verfügung.

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ApplikationsbeispieleNachfolgend sind zwei Beispiele von mitbeiden Systemen erstellten Anwendungenaufgeführt:

SulfapyridinSulfapyridin gehört zur Wirkstoffklasse derantibakteriell wirksamen Sulfonamide.Das heutzutage bekannteste Medikament,in dem es zum Einsatz kommt, ist dasSulfasalazin, welches sich aus Salicylsäureund Sulfapyridin zusammensetzt und zurBehandlung von rheumatoider Arthritisbenutzt wird. Studien zur Polymorphie desSulfapyridins können in der pharmakolo-gischen Literatur gefunden werden [z.B. 1].Sulfapyridin zeigt eine Kristallisation unddiverse fest/fest-Übergänge, sobald es ausdem Glaszustand aufgeheizt wird. DieseÜbergänge können in der DSC-Kurve leichterkannt werden (Abbildung 1). Dabei ist esnicht möglich zu erkennen, welcher Über-gang gerade stattfindet. Benutzt man dasFP82 mit Bilddarstellungssystem, so ist esmöglich aufzuklären, welchen Prozessendie DSC-Peaks entsprechen. Abbildung 2zeigt die Probe bei 120 °C. Spherulit-Kris-talle sind aus der Glasphase gewachsen.Bei 176.6 °C (Abbildung 3) haben sich dieSpherulite durch Schmelzen und Kristal-lisieren in die neue rhombische Modifika-tion umgebildet.Diese Anwendung wurde mit Hilfe vonanalySIS erstellt.

ChlorpropamidChlorpropamid ist ein Arzneimittel gegenDiabetes mellitus. Es ist ein Antidiabeti-kum, das zur Gruppe der sogenanntenSulfonylharnstoffe gehört. Dieses Medika-ment sorgt dafür, dass mehr Insulin freige-setzt wird und dieses dann im Körper denBlutzuckerspiegel senkt.Chlorpropamid kann in bis zu fünf unter-schiedlichen Modifikationen vorliegen,welche unterschiedliche Löslichkeiten zei-gen. Dadurch wird die Freigabegeschwin-digkeit des Medikamentes entscheidend

beeinflusst. Modifikation II (Schmelzpunkt125 °C) löst sich bei Körpertemperatur(37 °C) beispielsweise um 55 % besser alsModifikation III (Schmelzpunkt 123 °C)[2, 3].Deshalb sind Untersuchungen zur Polymor-phie von Pharmawirkstoffen wichtig. Dieeinzelnen polymorphen Formen und ihreEigenschaften können mittels Heiztisch-mikroskopie optimal betrachtet werden.Eine DSC-Kurve (Abbildung 4) zeigt diepolymorphen Umwandlungen von Chlor-propamid beim ersten Aufheizen.

Abbbildung 1: DSC-Kurve von Sulfapyridin.

Abbildung 2: Sulfapyridinkristalle bei 120.1 °C.

Abbildung 3: Sulfapyridin-Kristalle bei 176.6 °C. Abbildung 4: DSC-Kurve von Chlorpropamid.

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Abbildung 5: Chlorpropamid-Kristalle abgekühlt von135 °C mit 10 K/min und bei 100 °C isotherm ge-halten.

Abbildung 6: Chlorpropamid-Kristalle abgekühlt von135 °C mit 10 K/min und bei 90 °C isotherm ge-halten.

Abbildung 7: Chlorpropamid-Kristalle abgekühlt von135 °C mit 10 K/min und bei 80 °C isotherm ge-halten.

ZusammenfassungDie Heiztisch-Mikroskopie ist ein sehr wert-volles Werkzeug bei der Charakterisierungvon Polymorphen und bei der Untersuchungvon Schmelz- und Kristallisationsprozes-sen. Durch die Kombination mit modernenBild- und Videoaufnahme-Technologienwird der Nutzen dieser Technik wesentlichgesteigert und der einfache elektronischeDatenaustausch erst ermöglicht.

Literatur[1] Burger, K. Schulte u. R. Ramberger:

Aufklärung thermodynamischer Bezie-hungen zwischen fünf polymorphenModifikationen von Sulfapyridin mit-tels DSCJ. Therm. Anal. 19, 475 - 484 (1980)

[2] Burger: Einfluss der Polymorphie desWirkstoffes auf die Eigenschaften vonTabletten: Chlorpropamid, Teil IPharm. Ind. 38, 306 - 312 (1976)

[3] Burger: Einfluss der Polymorphie desWirkstoffes auf die Eigenschaften vonTabletten: Chlorpropamid, Teil IIPharm. Ind. 38, 639 - 643 (1976)

Eine weitere wichtige Untersuchung ist dieAufklärung des Kristallisationsverhaltensin Abhängigkeit von der Kühlrate.Chlorpropamid kristallisiert aus der Schmel-ze. Dabei kann die Probe kontrolliert beikonstanter Rate gekühlt oder isotherm ge-halten werden. Abhängig vom Kühlprofilbilden sich Kristalle unterschiedlicher Mor-phologie.Abbildungen 5 bis 7 zeigen verschiedeneKristallformen von Chlorpropamid jeweilsisotherm kristallisiert bei 100 °C, 90 °Cund 80 °C. Sowohl die Grösse als auch dieAnzahl der Kristalle wird durch die Tempe-ratur beeinflusst. Bei hohen Temperaturenist die Keimbildungsrate klein und die Kris-tallwachstumsrate gross, sodass eine kleineAnzahl grosser Kristalle gebildet wird (Ab-bildung 5). Je niedriger die Temperaturdesto höher die Keimbildungsrate und des-

to kleiner die Kristallwachstumsrate. Dieskann an der steigenden Anzahl von kleinenKristallen bei niedriger Temperatur gese-hen werden (Abbildungen 6 und 7).

Diese Anwendung wurde mit Hilfe vonStudio Capture erstellt.

TA Tipp zum Probenwechsler: Feuchteveränderungvor der AnalyseDr. R. Riesen

Bei Serienbestimmungen werden in derThermischen Analyse oft Probenwechslereingesetzt, mit dem Vorteil, dass die Probengemeinsam vorbereitet und die Analysenüber Nacht oder gar über das Wochenendedurchgeführt werden können. Gerade beilängerdauernden thermogravimetrischenExperimenten sind die Proben aber längereZeit den Umgebungsbedingungen ausge-

setzt, wodurch flüchtige Anteile wie Feuch-tigkeit entweichen können und somit dasAnalysenresultat beeinflusst wird. Umge-kehrt können hygroskopische Substanzenwährend dieser Zeit Feuchtigkeit aufneh-men.Diese Veränderungen während der Lage-rung auf dem Probenteller kann auf zweiArten verhindert werden:

1. Die Proben werden in Aluminiumtie-geln hermetisch verschlossen und derDeckel wird erst vor der Messung perfo-riert. Dazu wird der Probenwechslermit dem Tiegeldeckel-Perforierset aus-gerüstet, siehe Abbildung 1. Dies istbesonders geeignet bei Feuchtebestim-mungen von z.B. pharmazeutischenSubstanzen.

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2. Die Proben werden in Keramiktiegelnmit speziellem Aludeckel gelagert. DerDeckel wird dann durch den Proben-wechsler während der Messung abge-hoben.

Das folgende Beispiel soll die Auswirkungder Lagerung im offenen Tiegel zeigen unddie Bedeutung des Tiegeldeckel-Perforier-sets unterstreichen.

Bestimmung des Feuchigkeits-gehalts von Polyamid 6Polyamid 6 kann je nach Umgebungs-bedingungen bis zu 10 % Feuchtigkeit auf-

Abbildung 3: Feuchtigkeit von PA6 gemessen mit TGA. Die Kreise (rot) zeigen dieResultate der Proben A, die mit hermetisch verschlossenem Tiegel gelagert wur-den, die Vierecke diejenigen der offen gelagerten Proben B. Schwarz gestricheltist die exponentielle Ausgleichskurve: m = 4.32 + 4.74 * exp(-t/8.146) mit m in %und t in Stunden.

Eine Zusammenstellung der Resultate zeigtAbbildung 3, in der die gemessenen Feuch-tigkeiten in Funktion der Lagerzeit aufdem Probenteller aufgetragen sind. Mit ei-ner exponentiellen Ausgleichskurve überdie Proben B lässt sich die Trocknungsge-schwindigkeit abschätzen. Zum Beispielsind nach einer Stunde offener Lagerungschon ca. 6 % der ursprünglich vorhande-nen Feuchtigkeit verdampft.

SchlussfolgerungThermogravimetrische Messungen müssenmit offenen Tiegeln durchgeführt werden.Proben, die schon bei Umgebungsbedin-gungen Gewichtsänderungen erleiden(Feuchtigkeitsänderungen, Verdampfun-gen von leichtflüchtigen Komponenten)müssen deshalb sofort gemessen werden.Bei Seriemessungen mit Probenwechslermuss das spezielle Deckelperforierset einge-setzt werden, damit die Substanzen herme-tisch verschlossen gelagert werden können,bis die Messung durchgeführt wird.Ohne diese Massnahme würden Gewichts-verluste gemessen, die nicht mehr die ur-sprüngliche Probe charakterisieren.

Abbildung 2: Das Diagramm zeigt diese Messkurven, wobei die durchgezoge-nen Linien das Trocknen der Proben (B) mit gelochtem Deckel zeigen. Die gestri-chelten Kurven zeigen die hermetisch geschlossenen Proben (A), die kurz vorder Messung automatisch mit einer 0.1 mm-Nadel gelocht wurden.

Abbildung 1: Der Probenwechsler ist ausgerüstet miteiner Nadel, die vor der Messung den speziellen Alu-miniumdeckel durchsticht.

nehmen, was grosse Veränderungen derphysikalischen Eigenschaften zur Folge hat.Bei Geweben für Kleider kann diese Spei-cherfähigkeit von Wasser aber durchauserwünscht sein. Die Bestimmung des Was-sergehalts wurde mittels Thermogravimet-rie durch Mehrfachbestimmung gemacht,wozu der Probenwechsler eingesetzt wurde.Kleine Körnchen von 8 bis 10 mg eines PA6Granulats, das bei 100 % rel. Luftfeuchtig-keit gelagert wurde, wurden in 40 µl-Alu-miniumtiegel gelegt. Bei 8 Proben wurdendie Tiegel mit dem speziellen Deckel (fürdie spätere Perforation) hermetisch ver-schlossen (Proben A), bei 8 anderen wurdeder normale Deckel mit einem Loch von0.35 mm versehen (Proben B). Um denEinfluss der Lagerdauer auf dem Proben-wechsler zu zeigen, wurden die Proben ab-wechslungsweise analysiert. Dazu wurdejede Probe mit 5 K/min von 30 auf 230 °Caufgeheizt und der Gewichtsverlust regist-riert. Die Messkurven sind in Abbildung 2zusammengestellt.Wegen dem offenen Deckel trocknen dieProben B schon während des Lagerns, sodass z.B. nach 20 Stunden nur noch 4.6 %Feuchtigkeit festgestellt wird. Die hermetischverschlossen gelagerten Proben (A) zeigenhingegen eine konstante Feuchtigkeit von9.23 % (Standardabweichung 0.11 %). Diegeringen Unterschiede im Verlauf der TGA-Kurven sind durch die kleinen Abweichun-gen in den Probenformen bedingt.

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SW Basic/TMA/DMA Basic (Deutsch) 19. September, 2005 SW Basic/TMA/DMA Basic (English) September 26, 2005DMA Advanced/TGA (Deutsch) 20. September, 2005 DMA Advanced/TGA (English) September 27, 2005TGA-MS/DSC Basic (Deutsch) 21. September, 2005 TGA-MS/DSC Basic (English) September 28, 2005DSC Advanced/TGA-FTIR (Deutsch) 22. September, 2005 DSC Advanced/TGA-FTIR (English) September 29, 2005SW Advanced (Deutsch) 23. September, 2005 SW Advanced (English) September 30, 2005

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