55½Orte im Vatikan, die man gesehen haben muss · Der Vatikan hat um die 800Einwohner, aber fast...

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Annett Klingner 55½ Orte im Vatikan, die man gesehen haben muss emons:

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Annett Klingner

55½ Orte im Vatikan,

die man gesehen haben muss

emons:

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Herzlichen Dank für die wertvolle Unterstützung (in alphabetischer Reihenfolge):

S.E. Card. Angelo Comastri, Thomas Helbig, Barbara Lück, Prof. Dr. Arnold Nesselrath, Msgr. Paolo Nicolini, Dr. Rosanna Di Pinto, Paola Spalvieri, Timo Strauch sowie Volker Bartsch und last but not least Martin Klingner

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbHAlle Rechte vorbehalten© der Fotografien: Annett Klingner, außer:per gentile concessione della Fabbrica di San Pietro in Vaticano S. 11, 17, 27, 33, 43, 45, 49, 53, 55, 57, 59, 67, 71, 77, 83, 97, 99, 101, 107, 111, 113© Musei Vaticani S. 21, 25, 41, 47, 61, 63, 85, 91, 95, 103, 109, 117Layout: Eva Kraskes, nach einem Konzept von Lübbeke | Naumann | ThobenKartografie: altancicek.design, www.altancicek.deKartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbLDruck und Bindung: B.O.S.S Medien GmbH, GochPrinted in Germany 2015ISBN 978-3-95451-699-5Originalausgabe

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Ewig, heilig, geheimnisvollund abgeschirmt

Ein guter Kilometer in der Länge und 850 Meter in derBreite: Das ist das Reich des wichtigsten Gottesmannes.Der Papst herrscht über den mit Abstand kleinsten Staatder Welt. Doch trotz seiner klaustrophobischen Enge hatder Vatikan alles, was ein Land braucht: ein Territorium,Einwohner, eine Verfassung und eine Regierung. Er be-sitzt eine eigene Staatsbürgerschaft, eine Flagge und eineNationalhymne. Dazu eine eigene Mini-Armee – derenMitglieder ausnahmslos aus dem Ausland stammen müs-sen, bunte Renaissance-Kostüme und eine Hellebarde tra-gen – sowie eine Gendarmerie und eine Feuerwehr.

Der Vatikan hat um die 800 Einwohner, aber fast 20 Mil-lionen Touristen pro Jahr. Die Gäste überqueren an manchenStellen ungehindert die Staatsgrenze; doch wenn sie falschgekleidet sind, dürfen sie nicht mal ins Museum. Dass kaumMenschen freien Zutritt haben und alle, die drin sind, so einGeheimnis darum machen, was sich hinter den meterdickenMauern abspielt, sorgt für unzählige Mythen, Legenden undBegehrlichkeiten. Dabei sind die öffentlich zugänglichen Be-reiche ohnehin die spannendsten.

Wie kommt man denn nun in den Vatikan? Und was istdort für Normalsterbliche erlaubt? Was und wo ist der Heili-ge Stuhl? Wie gelangen Sie in den Garten des Papstes, um dortzu spazieren? Oder in seine Sommerresidenz? Dieses Buch führtSie an 55½ besondere, geschichtsträchtige und skurrile Orte.

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Die Attentats-PlaketteWo die Schüsse auf Johannes Paul II. fielen | 8

Der Aufstieg zur Kuppel551 Stufen bis zur Traumaussicht | 10

Die Aula Paolo VIAuferstehung aus einem Atomkrater | 12

Der BahnhofVier Züge in 80 Jahren | 14

Die Basen des ZiboriumsSzenen einer Geburt | 16

Die BenediktionsloggiaDer berühmteste Balkon der Welt | 18

Der Borgo-BrandSiegeszug der Bohne | 20

Der Campo Santo TeutonicoEnklave inmitten des Vatikans | 22

Castel GandolfoIm Garten der päpstlichen Sommerresidenz flanieren | 24

Das edle ScheingrabRuhm für einen glücklosen Papst | 26

Der fehlende dritte ArmDie unvollendeten Kolonnaden des Petersplatzes | 28

Das Fenster des PapstesImmer sonntags um 12 | 30

Der Fuß des PetrusReiz der Berührung | 32

Die gelben KästenSchnelle Post vom Vatikan | 34

Die GlockentürmeNiederlage eines Genies | 36

Die goldene KugelWie ein Leuchtturm | 38

Die Graffiti der PlündererVor einem halben Jahrtausend wurden Bilder getötet | 40

Gregors DrachenDie Tiere im Petersdom | 42

Der gute PapstEin unversehrter Heiliger | 44

Die Haut des ApostelsDie Leiden Michelangelos | 46

Der heilige AndreasStörmanöver eines Genies | 48

Die heiligen MauernGrenzverlauf des Vatikanstaates | 50

Das höchste KloFür alle Bedürfnisse | 52

Die kleine große NischeEine modellierte Erinnerung | 54

Die kleinen KuppelnUnterschätzte Pracht | 56

Die knackigsten WächterZu schön für Engel des Todes | 58

Der kniende EngelSchönheit zum Verbrennen | 60

LaokoonEin alter neuer Arm | 62

Die Madonna della BocciataDas geschwollene Gesicht der Muttergottes | 64

Die MosaikeSteinchen für die Ewigkeit | 66

Der ObeliskSonnenuhr mit Geschichte | 68

Die OrgelnNicht eine, sondern ganze fünf | 70

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Das Papst-Segen-BüroGute Wünsche von ganz oben | 72

Der Passetto di BorgoFluchtweg der Päpste | 74

Die Platte der PäpsteDas weltgrößte begehbare Mausoleum | 76

Der Platz für AudienzenEinmal dem Papst ganz nah sein | 78

Die Porta Sant’AnnaTor zur weltlichen Seite des Vatikans | 80

Die PrüfmarkenRiss-Wächter des Petersdoms | 82

Die Rampe der MeereBoote statt Schlangen | 84

Die Scala RegiaEine geniale optische Täuschung | 86

Die SchokoladenseiteDer Himmel der Heiligen | 88

Das Schrank-Spalier300 Meter Stauraum | 90

Die SchweizergardeDie kleinste und älteste Armee der Welt | 92

Die Sphäre mit SphäreModerne Kunst im Vatikan | 94

Die Sterne der GrößtenKalkül einer spektakulären Architektur | 96

Der Tanz des FilareteEine Bottega in Weinlaune | 98

Das TaufbeckenEin Stein für Kaiser und Könige | 100

Die TotenstadtNekropole an der Via Triumphalis | 102

Die Uhr für den TeufelDie verrückten Zeitmesser vom Petersplatz | 104

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Die Vatikanische NekropoleDie Gebeine des Apostelfürsten | 106

Die Vatikanischen GärtenDas verborgene Paradies | 108

Die verwundete PietàAttentat auf eine Berühmtheit | 110

Der WetterhahnVom Blitz getroffen | 112

Die WindroseGeschichte frischer Brisen auf dem Petersplatz | 114

Das zensierte FreskoMichelangelos Heilige waren zu nackt | 116

Der SchornsteinSchwarzer Rauch – weißer Rauch | 118

55½ weitere Fakten über den Vatikan | 120

Adressen und Anfahrt | 138

Der Vatikan online | 140

Literatur | 141

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Adresse Petersplatz, rechte Seite nahe der Kolonnaden und des Bronze-Tores | Tipp Auf dem trapezförmigen Gebäude rechts des Petersdoms,dessen Schmalseite zum Platz zeigt, ließ Johannes Paul II. zum Dank fürden glimpflichen Ausgang ein Mosaik der Muttergottes anbringen.

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Petersplatz, 13. Mai 1981, kurz nach 17 Uhr: Johannes Paul II.hat seine Generalaudienz beendet. Er steigt in einen weißenJeep und fährt stehend die Absperrungen entlang. Immer wie-der stoppt das Fahrzeug, damit er die Hände der Gläubigenschütteln kann. Karol Wojtyla ist ein Pontifex zum Anfassen,ein Star. Auch an diesem Nachmittag.

Plötzlich drängt ein schmächtiger junger Mann an denWagen. Er reißt einen Revolver hoch, schießt dreimal. Mitschmerzverzerrtem Gesicht bricht der Papst zusammen. EineKugel hat seine Hand verletzt, die zweite den Arm. Dasdritte Projektil ist in den Bauch eingedrungen, hat den Darmdurchschlagen und ist nur Millimeter neben der Wirbelsäulewieder ausgetreten. Das Papamobil gibt Gas und rast durchdie geschockte Menge. Eilig wird der Heilige Vater in dieGemelli-Klinik gebracht. Als er im OP eintrifft, hat er be-reits drei Liter Blut verloren und kaum noch einen fühlbarenPuls. Er bekommt die letzte Ölung. Die Operation dauertüber fünf Stunden; doch erst vier Tage später ist klar, dass erüberlebt.

Der Attentäter wird sofort gefasst. Es ist der türkischeRechtsextremist Mehmet Ali Ağca. Warum er auf den Papstschoss, blieb bis heute ungeklärt. Viele vermuten die Draht-zieher des Attentats beim sowjetischen KGB. Johannes Paul II.vergab Ağca öffentlich und besuchte ihn Ende 1983 sogar imGefängnis. Die Stelle, an der die Schüsse fielen, ist durch eineMarmortafel im Pflaster markiert.

1__Die Attentats-PlaketteWo die Schüsse auf Johannes Paul II. fielen

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Adresse In der Vorhalle des Petersdomes gehen Sie nach rechts, der Wegzur Kuppel ist ausgeschildert. | Öffnungszeiten April – Sept. 8–18 Uhr,Okt. – März 8 – 17 Uhr | Tipp Vom Umgang der Laterne aus haben Sie einen grandiosen Überblick über das vatikanische Gelände. DenGouverneurspalast erkennen Sie am Wappen des aktuellen Papstes. Dieses ist aus Blumen in die Wiese vor dem Palast gepflanzt.

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Rom hat viele sensationelle Aussichtspunkte. Doch der Um-gang oberhalb der Kuppel des Petersdoms bietet über dieatemberaubende Sicht auf das römische Stadtzentrum hinausetwas Einzigartiges: den Blick auf die Vatikanischen Gärtenund Paläste, aber auch den Petersplatz. Vor dem Genuss sindjedoch Beinarbeit und Kondition gefragt. Denn bis zur Spit-ze der berühmten Basilika müssen 551 Stufen überwundenwerden.

Auf den ersten 231 Stufen, die auf das Dach des Peters-doms führen und auch per Fahrstuhl zurückgelegt werdenkönnen, gestaltet sich der Weg noch recht bequem. Außerdemkann man nach der ersten Etappe in Ruhe verschnaufen, dieMosaike im Tambour (dem Ring unterhalb der Kuppel) ausallernächster Nähe bestaunen und aus 140 Meter Höhe einenBlick in den Petersdom werfen. Dann warten weitere 320 Stu-fen und mit ihnen der anstrengendste Teil des Aufstieges.

Die »Lumaca S. Andrea« (Schneckentreppe des heiligenAndreas) windet sich steil empor, und spätestens am schrä-gen gelb gekachelten »Giro de�Monti« zwischen den beidenKuppelschalen dürfte niemandem mehr kalt sein. Nach einpaar eisernen Stiegen geht es schließlich den engen »Giro del-la Lanterna« hinauf. Dann ist es geschafft, und man erreichtden schmalen Umgang um die 18 Meter hohe Laterne überdem »Kuppelauge«, deren Fenster das Innere erhellen. Damitman dort genügend Platz hat, sollte man den Aufstieg für denfrühen Morgen oder den späteren Nachmittag einplanen.

2__Der Aufstieg zur Kuppel551 Stufen bis zur Traumaussicht

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Adresse Audienzhalle Paolo VI, Via Teutonica, 00120 Città del Vaticano(links außerhalb der Kolonnaden des Petersplatzes) | TippHier finden beischlechtem und besonders heißem Wetter die Generalaudienzen am Mitt-woch sowie gelegentlich Sinfoniekonzerte statt. Seit 2008 produzieren2.394 Solarmodule auf dem Dach der Audienzhalle Strom für über100 Haushalte. Die Anlage ist das Geschenk einer deutschen Firma und von der Kuppel des Petersdoms aus gut zu sehen.

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1964 gab Paul VI. eine Audienzhalle in Auftrag. Der immerstärkere Strom von Katholiken nach Rom und ihr Drang, denPapst live zu erleben, hatten die bis dahin genutzten Säle fürAudienzen zu klein werden lassen.

Stararchitekt Pier Luigi Nervi bekam den prestigeträchti-gen Auftrag. Doch er stand vor einem gewaltigen Problem:Auf einer winzigen Fläche sollten 6.300 sitzende oder 12.000stehende Menschen Platz finden. Und das mit möglichst frei-er Sicht auf ihr Kirchenoberhaupt. Der erfahrene Konstruk-teur löste es, indem er das trapezförmige Gebäude aus Stahl-beton errichtete. Das erlaubte ihm, eine freitragende gewölbteDecke einzuziehen. 42 beleuchtete Rippen verleihen dem Saalzusätzliche Weite. Und die Travertin-Verkleidung passt dasGebäude optisch an den Petersdom an. 1971 wurde es eröff-net.

Nur ein kleiner Teil der Sala Paolo VI steht auf vatikani-schem Gelände. Das führt zu der kuriosen Situation, dass derPapst bei Generalaudienzen im eigenen Staat sitzt, währendihm die Besucher aus dem Ausland, also aus Italien, zuhören.Von dort aus können sie auch die eigenwillige Jesus-Skulpturdes Bildhauers Pericle Fazzini betrachten. Das 40 Tonnenschwere Werk aus Bronze und Messing erstreckt sich im Hin-tergrund des Podiums über eine Fläche von 7 mal 20 mal3 Metern. Der Künstler gab an, dass der von ihm geschaffe-ne Gottessohn in einem Olivenhain aus dem Krater einer nu-klearen Explosion heraus auferstehe.

3__Die Aula Paolo VIAuferstehung aus einem Atomkrater

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Adresse Vatikanstadt (nur mit Vatikan-Ausweis zugänglich) | TippWerden Petersplatz über die Via Paolo VI. verlässt, dann dem Mauerverlaufüber die Via di Porta Cavalleggeri und die Via della Stazione Vaticanafolgt, kommt direkt zum Tor, durch das die Züge in den Vatikan fahren.Auch per Bus 46 erreichbar (Aurelia/Piazzale Gregorio VII.).

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150 Meter hinterm Petersdom liegt der päpstliche Bahnhof.Touristen dürfen ihn nicht besuchen, von der Kuppel des Pe-tersdoms aus ist er aber bestens zu sehen. Mussolini machte dasGebäude dem 1929 entstandenen Vatikanstaat zum Geschenk.Es entspricht dem Geschmack jener Zeit, ist außen mit Tra-vertin und innen mit Marmor verkleidet, mit grünen Marmor-säulen, Reliefs, Wasserspeiern und Bronzevasen geschmückt.

1933 wurde der Bahnhof mit großem Pomp eingeweiht,danach verfiel er weitgehend in einen prunkvollen Dornrös-chenschlaf. Dabei gibt es sogar eine 200 Meter lange Bahn-linie, die durch ein großes Tor von Rom getrennt ist. Möch-te ein Zug hinein, muss der Lokführer auf eine Klingel in derVatikanmauer drücken. Die Gleise sind ans italienische Ei-senbahnnetz angeschlossen, trotzdem fahren nur selten Zügeab. Zuletzt reiste Johannes Paul II. im Jahr 2002 von hier ausnach Assisi.

Auch die Waren für den Vatikan kommen nicht per Wag-gon, deshalb wurde die ohnehin überdimensionierte Emp-fangshalle zu einem zweistöckigen Shopping-Paradies um-gebaut. Wer einen Vatikan-Ausweis hat, darf steuerfrei kon-sumieren: elektrische und elektronische Geräte, Kosmetika,Uhren, edle Marken-Garderobe und sogar Dessous. Alles zuüberaus christlichen Preisen. Allerdings kaufen hier wenigerOrdensschwestern ein, sondern eher Diplomatinnen. Damittrotzdem niemand vergisst, wo er shoppt, hängt über demEingang ein stilisiertes Kreuz.

4__Der BahnhofVier Züge in 80 Jahren

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Adresse Petersdom, senkrecht unter der Kuppel | Tipp Auf den gedrehtenSäulen lassen sich spannende Details entdecken. Neben verschiedenemBlattwerk und zahlreichen Bienen (den Wappentieren der Barberini)finden sich an den unteren Säulenringen Sonnen oder auch eine Eidechse,die einen Skorpion frisst.

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Der monumentale Papstaltar im Zentrum des Petersdoms istweltberühmt. Und fast jeder Reiseführer erinnert daran, dasssein Auftraggeber, Papst Urban VIII., für das 63 Tonnenschwere Werk sogar die antike bronzene Kassettendecke derPantheon-Vorhalle einschmelzen ließ. Doch fast niemand be-achtet die Basen der 29 Meter hohen gedrehten Säulen.

Wer vom Longinus-Pfeiler aus (dort geht es in die Grot-ten) im Uhrzeigersinn um das Ziborium geht, entdeckt inAugenhöhe marmorne Kartuschen. Sie zeigen das WappenUrbans VIII. (drei Bienen) sowie einen weiblichen Kopf. Aufdem ersten Relief lächelt die Frau sanft, während die Tiaraüber ihr einen Cherub sowie eine himmelwärts laufende Bie-ne zeigt. Doch auf den folgenden Darstellungen verzerrt sichihr Gesicht immer mehr. Schließlich scheint sie zu schreien.Erst die siebte Kartusche zeigt sie wieder entspannt, und dieachte präsentiert einen pausbäckigen kleinen Jungen.

Offiziell bezieht sich dieser Zyklus auf eine Bibelstelle(Offenbarung 12, 1–5). Diese spricht von einem Weib, dasmit Sonne und Mond bekleidet ist und in den Wehen liegt.Doch der Überlieferung nach spielen die in Marmor gemei-ßelten Geburtsszenen auf ein ehrgeiziges Ziel Urbans VIII.an. Der kinderlose Papst protegierte seine Brüder und Neffenim Höchstmaß. Damit wollte er die Macht seiner Dynastiefestigen und steigern. Die Reliefs untermauern seine Erwar-tung, dass nach ihm wieder ein Barberini den Papstthron be-steigen würde.

5__Die Basen des ZiboriumsSzenen einer Geburt

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Adresse Petersdom | Tipp Oberhalb der Benediktionsloggia verläuft einelateinische Inschrift über das gesamte Fassadengesims. Sie lautet übersetzt:»Zu Ehren des Apostelfürsten; von Paul V. Borghese aus Rom, PontifexMaximus, im Jahr 1612, dem siebten Jahr seines Pontifikats«.

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Sobald aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle weißerRauch strömt, wissen die Wartenden auf dem Petersplatz undvor den Fernsehschirmen, dass ein neuer Papst gewählt wor-den ist. Sofort beginnen die Glocken im linken Turm des Pe-tersdoms für eine Viertelstunde zu läuten. Schweizergardisten,das Musikkorps der italienischen Armee und Carabinieri desVatikans marschieren in Paradeuniformen auf. Dann schauenalle gespannt auf die Fassade.

Über den fünf Eingängen zum Petersdom befinden sichneun Fenster, von denen drei durch einen hervorspringendenGebäudeteil (den man Risalit nennt) hervorgehoben sind.Das mittlere hat einen Balkon und wird von Säulen einge-rahmt, die während des Konklaves mit purpurnem Samt ver-kleidet sind. Dann heißt es warten. Denn verborgen vor denAugen der Öffentlichkeit fragt der Kardinalprotodiakon denGewählten zunächst, ob er das Amt annimmt und welchenNamen er wählt. Sobald der neue Pontifex die päpstlichenGewänder trägt, schwören ihm die Kardinäle Treue. Alle be-geben sich in die Benediktionsloggia, und der dienstältesteKardinal tritt auf den Balkon, um das neue Kirchenoberhauptmit dem berühmten Satz »Annuntio vobis gaudium magnum:Habemus Papam!« vorzustellen.

Zu Ostern, Weihnachten und bei anderen kirchlichenHochfesten spendet der Papst von dort aus den apostolischenSegen »Urbi et orbi«. Der musikalische Benedikt XVI. sangihn, Papst Franziskus sprach ihn lieber.

6__Die BenediktionsloggiaDer berühmteste Balkon der Welt