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  • 6. Descartes und die Analytische Geometrie.

    Die moderne Mathematik beginnt mit Descartes, und zwar mit seinem Buch Geome-trie(*). Dabei muss man sich vergegenwartigen, da es im mittelalterlichen Europa seituber 1000 Jahren keine wirkliche Entwicklung von Mathematik gab. Insbesondere hatdas romische Weltreich existiert, ohne eine nennenswerte Mathematik hervorzubringen.Griechische Mathematik war lange Zeit in Europa vergessen und die Erinnerung wurdenur noch von den Arabern bewahrt. Erst ab dem 13. Jahrhundert und uber den Kontaktzu den Arabern (insbesondere nach dem Fall Konstantinopels) wurde Europa wieder mitder Klassik bekannt und dies verursachte den Aufbruch in der Renaissance. In der Zeit vonDescartes (also im 17. Jhdt.) kam aber nun ein neues Element hinzu. Jetzt wurde Math-ematik nicht mehr kontemplativ betrieben. Das Interesse an den Anwendungen wurdeimmer wichtiger. Im Gegensatz von den Elementen des Euklids legt Descartes keinsystematisches Lehrbuch vor und verzichtet sogar ganz absichtlich darauf, seinen Ergeb-nissen die allgemeinste Form zu geben. Dies heit nicht, da Descartes grundsatzlich einensystematischen Aufbau wie im Euklid ablehnte. Ganz im Gegenteil. Aber in der Ge-ometrie bestand sein Interesse darin eine Methode zu ubermitteln mit der man zu neuenErkenntnissen kommen kann (man sagte damals, da hier die Analyse und nicht nur dieSynthese eines Problems geliefert wurde).

    (*) Dies ist ursprunglich als Anhang zu einem groeren Werk von Descartes erschienen. Ich benutze hier dieAusgabe [Descartes, Geometrie, Wiss. Buchg., 1981]

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 6 Analytische Geometrie 85

    1. Das Kartesische Koordinatensystem.

    Im gewissen Sinne haben ja schon die Renaissance Maler Koordinaten benutzt. Jedenfallsist es ein Leichtes ihre Gitterschirme in Koordinaten Systeme der Ebene zu verwandeln:

    3

    2( x, y ) = ( 3, 2 )

    x

    y

    3

    2

    Vom Gitterschirm zum Koordinatensystem

    Man bezeichnet zwar Descartes als den Entdecker des Koordinatensystems. Das heitnicht, da er als erster Koordinaten benutzt hat. Wie gesagt waren die RenaissanceMaler ihm hier schon hundert Jahre zuvorgekommen. Aber Descartes hat etwas nochviel wichtigeres getan:

    Descartes hat gezeigt, wie man Koordninaten benutzen kann, um geometrische Problemein algebraische zu verwandeln (und umgekehrt).

    Diese neue Methode soll in diesem Kapitel erlautert werden. Insbesondere wollen wir sehenwie Descartes seinen Ubersetzungsmechanismus benutzt hat, um das klassische Problemder Dreiteilung des Winkels zu losen. Fur die Losung kam, neben der Methode der Koor-dinaten, noch ein anderes, neues Moment hinzu. Ein Moment, dass es weder bei den altenGriechen noch bei den Renaissance Malern gab. Dieses neue Moment ist eine neue Inter-pretaion der Mathematik uberhaupt. Danach ist Mathematik nicht mehe ein statisches,platonisches Gebilde (die griechische Mathematik wollte ja keine Bewegung kennen). Siewird vielmehr erzeugt. Ganz knonkrete sind z.B. bei Descartes die zu betrachtenden ge-ometrischen Kurven nicht vorgeformt, sondern sie werden bewegungsmaig und zwar durchMaschinen erzeugt. Selbst der Kreis ist nicht vorgegeben. Er muss durch eine Maschine,namlich dem Zirkel erzeugt werden. Das Gleiche gilt fur die gerade Linie usw.

    Mit diesem Wandel des Gesichtspunktes war nun aber fur Descartes uberhaupt nicht mehrklar warum man sich auf Zirkel und Lineal beschranken sollte. Im Gegenteil. Man solltenach seiner Meinung alle diesbezuglichen Beschrankungen aufgeben und nicht nur Zirkelund Lineal sondern alle Maschinen zur Erzeugung von Kurven zulassen. Dann werdenauch alle klassischen Probleme losbar werden. In dieser neuen Denkart bestand nun dieneue Mathematik, die den Beginn der modernen Mathematik darstellt.

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 86 . Geometrie (L2)

    2. Gleichungen und Geraden.

    Um die Gleichung einer Geraden zu bestimmen braucht man entweder zwei Punkte odereinen Punkt und eine Richtung. Entsprechend gibt es die Punkt-Richtungs-Form einerGeraden oder die Zwei-Punkte-Form.

    n

    y - n

    x

    (x,y)

    xa

    x 2x 1 x

    (x ,y ) 2 2

    (x ,y ) 1 1

    (x,y)

    x - x 2 1

    y - y 2 1

    y - y 1

    Punkt-Richtungs-Form Zwei-Punkte-Form

    Man erinnere sich, da

    tan(a) =Gegenkathete

    Ankathete

    Danach folgt aus dem linken Diagramm:

    y nx 0 = tan(a) =: m.

    Also

    y = mx+ n

    Dies ist die Punkt-Richtungs-Form der Geraden Gleichung.

    Aus dem rechten Diagramm entnehmen wir:

    y y1x x1

    =y2 y1x2 x1

    und dies ist die Zwei-Punkte-Form der Geraden Gleichung.

    Sind (a, 0) und (0, b) die Schnittpunkte der Geraden mit der x-Achse bzw. mit dery-Achse, dann ist nach der Zwei-Punkte-Form:

    y bx 0 =

    b 0a 0

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 6 Analytische Geometrie 87

    und so

    ay ab = bx

    also

    ay bx = ab

    ist auch eine Form der Geraden Gleichung. Wir halten fest: Die Gleichung

    ax+ by = d

    ist die allgemeine Form der Geraden Gleichung in der Ebene. Ebenso zeigt man,da

    ax+ by + cz = d

    die allgemeine Form der Ebenen Gleichung im Raum ist. Wenn (x0, y0, z0) irgendeinPunkt ist, der in der Ebene liegt, dann gilt:

    ax+ by + cz = ax0 + by0 + cz0 a(x x0) + b(y y0) + c(z z0) = 0

    Dies ist auch eine Form der Ebenen Gleichung.

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 88 . Geometrie (L2)

    3. Die Dreiteilung des Winkels (bei Descartes).

    Descartes hat seine neue analytische Geometrie benutzt, um die klassischen Problemeanzugehen: Verdopplung des Wurfels, Dreiteilung des Winkels, Quadratur des Kreises(und um Probleme des Brillenschleifens zu behandeln). Das Problem der Dreiteilungdes Winkels ist von ihm vollstandig gelost. Dies ist in der Geometrie von Descartesdargestellt. Das Verfahren war zwar im Prinzip schon den Griechen bekannt. Neu beiDescartes aber ist sein Bestehen darauf, dass Parabeln gleichberechtigt neben Geraden undKreisen stehen mussen (denn sie sind ebenso wie Geraden und Kreise durch Maschinenerzeugbar).

    Aufgabe. Man teile einen beliebigen Winkel in drei Teile (mit Hilfe von Lineal, Zirkelund Parabel).

    Losung. [Descartes, Geometrie, S. 97f]

    Schritt 1.

    N

    Q T

    PR

    0

    Dreiteilung des Winkels bei Descartes

    180o = 6 QNR+ 6 NQR+ 6 NRQ

    = 6 QNR+ 6 NQR+ 6 RQT

    = 6 QNR+ 26 NQR

    180o = 6 NOQ+ 6 ONQ+ 6 NQO

    = 6 NOQ+ 26 NQR

    und so6 NOQ = 6 QNR

    Weiter ist6 NQR = 6 RQT = 6 NRQ.

    Also folgtNO : NQ = NQ : QR, (1)

    nach dem Strahlensatz (siehe nachstes Kapitel), denn man kann QNR so in NOQhineinlegen, dass die Spitzen N und O ubereinstimmen.

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 6 Analytische Geometrie 89

    Schritt 2. Zeichne QS parallel zu 0T .

    N

    Q T

    PS R

    0

    Dreiteilung des Winkels bei Descartes

    Dann ist180o = 6 QSR+ 6 SQR+ 6 QRS

    180o = 6 QSR+ 6 SQR+ 6 RQT

    Also ist6 QRS = 6 RQT = 6 NQR

    Weiter ist6 QSR = 6 QTQ = 6 RQT = 6 QRS

    Schlielich6 SQR = 6 QOT = 6 NOQ

    Also folgtNQ : QR = QR : RS (2)

    wieder aus dem Strahlensatz (s. nachstes Kapitel). (1) und (2) ergeben

    NO : NQ = NQ : QR = QR : RS (3)

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 90 . Geometrie (L2)

    Schritt 3. Wir entnehmen der Figur (beachte QS ist parallel zu OT)

    N

    Q T

    PS R U

    0

    Dreiteilung des Winkels bei Descartes

    die GleichungenNR = NQ, SU = QT, UP = TP

    Also3NQ = NQ+QT + TP = NR+ SU + UP

    = NP + SR (4)

    Schritt 4. Ubersetzung in Algebra.Man setze

    NO = 1, NP = q und NQ = x

    Dann folgt wegen (3):

    1

    x=

    x

    QR=

    QR

    RS QR = x2, RS = x3

    und wegen (4):x3 3x+ q = 0

    Somit ist die Dreiteilung eines Winkels auf eine kubischen Gleichung zuruckgefuhrt.

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 6 Analytische Geometrie 91

    Scritt 5. Losung einer kubischen Gleichung.Descartes behauptet, dass man die Losung der kubischen Gleichung immer erreichen kann,indem man eine Par abel mit einem Kreis schneidet. Er argumentiert wie folgt:

    a

    q

    Losung einer kubischen Gleichung

    Nun mu man die Gleichungen der obigen Kurven, d.h. die Gleichung des Kreise und derParabel aufstellen. Man erhalt:

    Gleichung des Kreises: (x q)2 + (y a)2 = a2 + q2

    Gleichung der Parabel: y = x2

    Hieraus ergibt sich durch Einsetzen

    x2 2qx+ q2 + y2 2ay + a2 = a2 + q2

    x2 2qx+ y2 2ay = 0x2 2qx+ x4 2ax2 = 0

    x 2q + x3 2ax = 0x3 + (1 2a)x 2q = 0

    Also mu man

    a = 2 und q =1

    2

    wahlen, um die Dreiteilungs Gleichung

    3x x3 = q

    zu losen.

    Damit ist die Dreiteilung des Winkels erbracht, sofern man (wie Descartes) die Benutzungvon Parabeln erlaubt!

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 92 . Geometrie (L2)

    4. Perspektive und Computer Graphiken.

    Fruher wurden Zeichnungen in der darstellenden Geometrie sehr zeitaufwendig mit Federund Tusche gezeichnet (und nach Normvorschrift beschriftet). Heute werden solche Dar-stellungen mit CadCam-Software Paketen erstellt. Dabei werden die Stutzdaten am tat-sachlichen Objekt im Raum gemessen und dem Computer eingegeben. Das Software Pakethat dann die Formeln der projektiven Abbildungen einprogrammiert, nach denen dann dieZentralprokektionen dargestellt werden. Man kann dann die entsprechenden Figuren mitEuklidischen Bewegungen (Translation, Rotation) verschieben und dabei die Projektionenimmer wieder in Realtime berechnen (siehe nachstes Kapitel).

    Wir wollen jetzt die analytische Form der Zentralprojektion finden. Diese konnen wir danneinem Computer eingeben.

    Aufgabe. Gesucht ist eine Abbildung

    p : R3 R2, p(x, y, z) = (u, v)die alle Punkte (x, y, z) des 3-dim. Raumes auf eine Ebene so abbildet, dass Figuren imRaum in perspektivische Figuren in der Ebene ubergehen.

    Losung.

    Wir stellen uns vor, dass die Ebene gegeben ist durch

    {(a, y, z)|y, z R }Es ist also die Ebene die, in einem Abstand a vom Nullpunkt, senkrecht auf der x-Achsesteht. Der Nullpunktg soll das Projektionszentrum sein.

    v

    u

    x

    y

    z

    a

    P = (x,y,z)

    P

    Bildschirm

    Projektionsabbildung

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 6 Analytische Geometrie 93

    Nach dem Strahlensatz (s. nachstes Kapitel) gilt:

    z :

    x2 + y2 = v :

    u2 + a2

    undy : x = u : a

    Also istu = a y

    x

    und

    v =

    u2 + a2

    x2 + y2 z =

    a2y2

    x2+ a2

    x2 + y2 z = a

    y2 + x2

    x

    x2 + y2 z

    = a zx

    Prokektionsformel. Wir haben somit

    p(x, y, z) = (a yx, a z

    x)

    als Formel fur die gesuchte Zentralprojektion.

    Beispiel. Ein Quadrat in der xy-Ebene wird unter der Zentralprojektion auf eine Streckeabgebildet. Setzen wir a = 1. Dann wird z.B. der Wurfel mit den 8 Eckern:

    (2,1, 1), (2, 1, 1), (4,1, 1), (4, 1, 1),

    (2,1, 3), (2, 1, 3), (4,1, 3), (4, 1, 3)abgebildet auf das 4-Eck:

    (0.5, 0.5), (0.5, 0.5), (0.25, 0.25), (0.25, 0.25),

    (0.5, 1.5), (0.5, 1.5),0.25, 0.75), (0.25, 075)(wie man leicht durch Einsetzen in die Formel nachrechnet).

    Das Bildquadrat auf dem Bildschirm

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)

  • 94 . Geometrie (L2)

    5. Geometrische Satze.

    Man kann die Descartesche Methode der Ubersetzung von geometrischen in algebraischeProbleme auch gut fur die Aufstellung neuer geometrischer Satze verwenden. Hier einBeispiel.

    Aufgabe. Gegeben seien zwei disjunkte Kreise g, h in der Ebene, die sich nicht gegen-seitig enthalten. Man bestimme den Mittelpunkt und den Radius eines Kreises, der beidegegebenen Kreise g und h senkrecht schneidet.

    Losung. Betrachte das folgende Diagramm

    0 X A

    CD

    g

    h

    Ein Kreis der zwei andere rechtwinklig schneidet

    In dieser Figur seien die Winkel 6 0CX = 90o und 6 XDA = 90o.

    Wir suchen einen Punkt X mitXC = XD ()

    Wir schreibenx := 0X, a := 0A, r1 := 0C, r2 := AD

    Nach Pythagoras gilt:

    XC2 = x2 r21, XD2 = (a x)2 r2

    2

    Also lautet die Bedingung (*)

    x2 r21= a2 2ax+ x2 r2

    2

    Demnach sind Mittelpunkt und Radius des gesuchten Kreises gegeben durch

    x =a

    2+

    r21 r2

    2

    2aund r2 = x2 r2

    1

    Literatur:

    R. Descartes, Geometrie, Wiss. Buchges. (1981)

    Klaus Johannson, Geometrie (L2)