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Verbraucherpolitik ohne Fundament? Modelle politikbegleitender Verbraucherforschung Fachgespräch der Friedrich Ebert Stiftung 7. Juli 2011, Bonn

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Verbraucherpolitik ohne Fundament? Modelle politikbegleitender Verbraucherforschung

Fachgespräch der Friedrich Ebert Stiftung

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Die Verbraucher in der empirischen Forschung.

Möglichkeiten einer Einbindung ins deutsche Forschungssystem VortragKornelia Hagen

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Themen des Vortrags

I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung

Wissenschaftliche und empirisch fundierte Politikberatung

II Ausgangslage empirische Verbraucherforschung

Inhalte

Potentielle Informationsquellen/–lieferanten (amtliche Statistik, im Prozess produzierte Daten, wissenschaftliche Primäranalysen/-erhebungen)

Instrumente/Methoden der empirischen Sozial-/Wirtschaftsforschung

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen empirischen Forschungsinfrastruktur in der Verbraucherforschung zur empirisch fundierten Beratung der Verbraucherpolitik

Inhaltlicher und methodischer Rahmen

Institutionalisierung, Organisation und Finanzierung

Beispiele empirischer Forschungsinfrastrukturen anderer Forschungsfelder

IV Zusammenfassung in vier Thesen zur empirischen Verbraucherforschung und zur empirisch fundierten Beratung der Verbraucherpolitik

Veröffentlichung zum Vortrag

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung

Dimensionen des Themas der Veranstaltung• Verhältnis Wissenschaft – Politik: Was kann wissenschaftliche

Politikberatung leisten, wie muss sie organisiert sein, welche Probleme gibt es

• Wissenschaftssystem, -organisation, -strukturen, und Forschungsförderung, Vernetzungsforschung

• (empirische) Verbraucherforschung: Abgrenzung gegenüber anderen Forschungsfeldern (Vortrag Reisch), inhaltliche und methodische Schwerpunktsetzungen

• Verbraucherpolitik: Ziele, Strategien, Instrumente, Fragen der Verbraucherpolitik an die Verbraucherforschung

• Wirkungsforschung

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

„Große soziale und wirtschaftswissenschaftliche Datenerhebungen und Sammlungen sollen in allen Wissenschaftsbereichen einen Beitrag zum Erkenntnisgewinn in der Forschung und zur systematischen Weiterentwicklung von Erkenntnissen liefern.“

(Empfehlungen des Wissenschaftsrats, 2011)

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

„In unserer heutigen, hochkomplexen Welt ist eine fundierte Politikberatung unentbehrlich. In vielen komplizierten Bereichen kann die Politik bei wichtigen Entscheidungen ohne ein wissenschaftliches Fundament kaum noch die richtigen Entscheidungen treffen. (....)Je evidenzbasierter die Beratung ist, umso wichtiger wird sie für die Politik.“

(Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Juli 2011, Pressegespräch zur Vorstellung des DIW Vierteljahrsheftes zur Wirtschaftsforschung zum Schwerpunktthema „Politikberatung hinter den Kulissen der Macht“).

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

„ Wissenschaftstheoretisch spricht viel für die Position, dass eine ökonomische Theorie zumindest einem Falsifizierungsversuch ausgesetzt werden sollte. Eine empirische Überprüfung sollte (..) unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens sein.“

„So ließe sich gut legitimieren, empirisches Arbeiten zu den unverzichtbaren Voraussetzungen der Berufung auf einen ökonomischen Lehrstuhl zu machen.“

(Krupp, 2004, Was kann die (National-)Ökonomie zur Gestaltung der Wirtschaftspolitik beitragen, In: Wirtschaftsdienst 2/2004, S. 85 und 89)

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

Ökonomie ist eine angewandte Wissenschaft. (...) An sie wird die Erwartung herangetragen, (...) Politiker mit fachlichem Rat zu unterstützen. Im Idealfall wünscht man sich (..) klare und eindeutige Empfehlungen. (...) Die Realität sieht etwas anders aus. Die Politiker sind unzufrieden mit der ökonomischen Beratung, weil sie nur selten klare und eindeutige Antworten von der ökonomischen Profession bekommen.

(Gert G. Wagner und Wolfgang Wiegard, Volkswirtschaftliche Forschung und Politikberatung)

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltung – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

Marktversagen bei der Politikberatung

Auf dem Gutachten- und Beratungsmarkt findet wie auf allen Märkten ein Selektions- und Matching-Prozess statt. Gefahr von Ineffizienzen/Marktversagen ist besonders groß, weil dieser Markt in besonderer Weise durch unvollständige und asymmetrische Information charakterisiert ist.

Das Zustandekommen effizienter Marktergebnisse erfordert organisatorische und institutionelle Rahmenbedingungen, die eigennütziges Verhalten aller Beteiligten koordinieren.

Anreizfördernde institutionelle Strukturen belohnen gute Arbeit mit Reputationsgewinnen und bestrafen schlechte mit Reputationsverlusten. Dies setzt die Veröffentlichung von Gutachten und Daten voraus. Nur so ist eine kritische Auseinandersetzung möglich, und lässt sich erreichen, dass Gefälligkeitsgutachten entlarvt werden. (Gert G. Wagner und Wolfgang Wiegard, a. a. O., S. 7)

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I Anmerkungen zum Thema der Veranstaltungen – Wissenschaftlich fundierte Politikberatung

Vermischung von Tatsachenfeststellung und wertbasierten Empfehlungen ein Grundproblem wissenschaftlicher Politikberatung

Beispielsweise führt die Frage „Steigen die Abschlüsse von Riestersparverträgen?“ zu einer rein empirischen Tatsachenbehauptung.

Frage „Ist die staatliche Förderung der Abschlüsse von Riestersparverträgen verteilungsgerecht oder Sollte die staatliche Förderung der Riestersparverträge anders/stärker staatlich gefördert werden?“ vermischt von vornherein Tatsachenfeststellung (über Wirkungen und Nebenwirkungen) mit Wertvorstellungen über die Vorteile/Nachteile staatlicher Förderung des Riestersparens. (in Anlehnung an Gert G. Wagner, 2011, Effektive Politikberatung, In: Wirtschaftsdienst 3/2011, S. 150-151, S. 151)

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung

Ziel von Verbraucherforschung und –politik ist Vermeidung und Abbau von Verbraucherschäden - Verbraucherschäden können entstehen durch ...

• Informationsasymmetrie zuungunsten der Verbraucher

• zunehmende Komplexität von Märkten und Produkten

• Entstehung neuer Märkte, insbesondere die Ausgliederung von Teilen der durch den Staat organisierten sozialen Sicherungssysteme in Marktorganisation (z. B. Riestersparen, Weiterbildung, bald auch Pflege?)

• Globalisierung, schnelle Innovationszyklen/Produktabfolge

• Liberalisierung, Privatisierung von ehemaligen Staatsmonopolen (Energie, Telekommunikation, Bahn) (fehlende oder falsche Regulierung)

• Nicht rationales Verhalten von Anbietern und Verbrauchern.

• Politikgestaltung, falsche Wahl der Instrumente, zu wenig, zu viel Regulierung.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung

Inhaltliches und methodisches Konzept für eine mittelfristige Forschungsstrategie, ein „nationaler Forschungsplan empirische Verbraucherforschung“ fehlt bislang; angesichts knapper Ressourcen wäre ein Forschungsplan wichtig.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung – Inhalte

Exemplarische Forschungsfragen zum Verbraucherverhalten und zur Gestaltung von Marktbeziehungen

o Welche kurz-/langfristigen Motive haben Verbraucher bei der Auswahl von Gütern, was hindert, was befördert die Auswahl (Beispiel: Warum werden Riestersparverträge nicht abgeschlossen)?

oWie informieren sich Verbraucher über die Qualität und Kosten von Gütern, welche Bereitschaft haben sie zur Information, was verstehen sie, was verstehen sie nicht, welche Informationskanäle nutzen sie?

oWelche Motive und Hemmnisse gibt es bei Güter-/Anbieterwechsel oder Kündigung (z. B. Riestersparverträge, Bankkonten, Stromanbieter)?

oWarum und wann beschweren sich Verbraucher, wie erfolgreich sind ihre Beschwerden?

oGibt es die Bereitschaft sich zu bilden (LLL in Verbraucherbelangen), werden spezifische Bildungsangebote angenommen?

oWelche Verbrauchertypen gibt es, welche sozio-ökonomischen Merkmale weisen diese Typen auf?

oWodurch bildet sich Verbrauchervertrauen?

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten

• Amtliche Statistik des Statistischen Bundesamtes und der Statistischen Bundesämter

• im Prozess generierte Daten (Staat, Aufsichten, Anbieter, Anbieterverbände, Verbraucherorganisationen)

• Primäranalysen und unabhängige wissenschaftliche Forschungsinfrastruktur

• Auftragsforschung (EU, Bund, Länder, Aufsichten, Verbraucherorganisationen etc.)

• ((unabhängige) Produkttests)

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Amtliche Statistik

• Es gibt keine amtliche Statistik in Deutschland zum Verbraucherverhalten und über die Marktbeziehungen.

• Einzige amtliche Statistiken mit Kontext zu Verbrauchern sind die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) und der Verbraucherpreisindex

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Amtliche Statistik - EVS

EVS liefert repräsentative Informationen über Ausgaben und Einnahmen privater Haushalte und Personen in diesen Haushalten, nicht aber über diesbezügliche Entscheidungen und Motive der Verbraucher und liefert auch keine Hintergründe für andere verbraucherrelevante Aspekte.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Im Prozess generierte Daten

• Beurteilung, ob solche Daten für die empirische Fundierung der Beratung der Verbraucherpolitik zu nuten sind, erfordert detaillierte Analyse bezogen auf spezifische Fragenstellungen und Konsumfelder.

• Aber Tendenz eindeutig: Im Prozess produzierte Daten zum Verbraucherverhalten, über die Gestaltung von Marktbeziehungen, über Auswahl, Wechsel, Kündigung, Beschwerden gibt es für viele Konsumfelder nicht oder werden von den Datenproduzenten nicht für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt (Beispiele: Riester, Nährwertkennzeichnung, Pflege, Umgang mit Energie). Zumeist werden nur Informationen zum Vertragsabschluss und –ende erhoben.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Im Prozess generierte Daten

Bei Verhalten und Motiven handelt es sich um sensible Informationen über Verbraucher. Solche Informationen (z. B. Abschlüsse, Wechsel, Kündigungen, Beschwerden von Riesterverträgen) dürften nicht im alleinigen Ermessen von Anbietern oder Verbraucherorganisationen (z. B. Vorgangserfassung) erhoben werden. Zumindest in Fällen staatlicher Förderung/Einflussnahme auf die Gestaltung des Konsumfeldes und öffentliche Finanzierung von Datenerhebungen im Prozess müsste(n)

a) verpflichtende Standardinformationen erhoben werden.

b) der Zugang für die unabhängige Wissenschaft zu solchen Erhebungen verpflichtend geregelt werden (Informationen sind nicht der private Besitz von Anbietern oder Verbraucherverbänden).

c) der Zugang zu solchen Daten unter strengsten Auflagen (Datenschutzregeln, Anonymisierung der Daten, Nachweis der wissenschaftlich unabhängigen Forschung, Verwendungszweck für konkrete wissenschaftliche Fragestellungen) geregelt werden.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Wissenschaftliche Primäranalysen

Wissenschaftliche empirische Primäranalysen sind zu unterscheiden nach

• zeitlicher Dimension: Wiederholte Analysen über die Zeit – auf einen Zeitpunkt/-raum bezogen

• Untersuchungssampleo repräsentativ - nicht repräsentativ

• Untersuchungsthemen, u. a. o Zufriedenheit, Einstellung, Wünsche von Verbraucherno faktisches Verhalten von Verbrauchern o Analysen über Produkte, Branchen, Anbietero Analysen über Rahmenbedingungen (Wirksamkeitsanalysen)

• Erhebungsmethoden der empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschung, u. a. o Feldstudien, Befragungen (schriftlich, mündlich, online, telefonisch)oExperimente im Labor/unter konstruierten Bedingungeno ex ante, begleitende, ex post EvaluierungenoSchwächen-Stärken-Profileo Fokusgruppendiskussion

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Wissenschaftliche Primäranalysen

• Beurteilung, ob Daten von Primäranalysen für die Verbraucherpolitik nutzbar sind, erfordert spezifische Analyse der einzelnen Primäranalysen.

• Die Qualität solcher Studien lässt sich nur beurteilen, wenn Berichte einschließlich Datenbasis und –methode für andere Experten offen gelegt werden.

• Auch hier eindeutige Tendenz: Befunde vieler dieser Analysen lassen sich nicht auf andere Situationen (Personen, Zeitpunkte) übertragen, sie sind nicht verallgemeinerbar.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Wissenschaftliche Primäranalysen

• Gründe dafür, dass die Analyseergebnisse nicht übertragbar sind: o Analysen werden nur für einen Zeitpunkt/-raum durchgeführt;

Verhaltensänderungen lassen sich aber nur über die Zeit, wenn sie wiederholt für dieselbe Gruppe erhoben werden – also im Längsschnitt - beobachten. Nur auf dieser Basis sind Kausalanalysen möglich.

o Analysen sind nicht repräsentativ, beziehen sich nur auf kleine Untersuchungssamples.

oErhoben werden nur Zufriedenheit und Einstellungen, nicht aber faktisches Verhalten.

o Analysen weisen anbieterorientierte Interessenlage auf, statt Ausrichtung an Problemlagen von Verbrauchern.

oAnalysen sind nicht replizierbar (fehlende Information über Methode oder auch Erhebung aus anderen Gründen nicht wiederholbar).

oAnalysen werden auf der Angebotsseite durchgeführt (zum Beispiel Mystery Shopping, Analyse von Produktkonditionen); Rückschlüsse auf das Verbraucherverhalten und Marktlage insgesamt lassen sich daraus nicht ableiten, nur Problemfelder.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Wissenschaftliche Primäranalysen - Experimente

Experimentelle Tests sind für die Politikgestaltung hilfreich, reichen aber für eine fundierte empirische Beratung der Politik nicht aus. Gründe dafür sind,

• oftmals nur kleine Testgruppen, Befunde sind nur punktuell, nicht verallgemeinerbar.

• methodisches Design von Tests ist kaum überprüfbar, nicht replizierbar (es gibt eine Vielzahl von Experimenten).

• Tests finden oftmals unter speziellen (konstruierten) Bedingungen statt (z. B. Studenten im Hörsaal).

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung Potentielle Datenquellen/-lieferanten – Wissenschaftliche Primäranalysen – Fokusgruppen

Diskussionen mit Fokusgruppen, Bürgerdialoge, Verbraucherparlamente sind hilfreich für die Politik beim Erkennen von Wünschen, Einstellungen und Problemlagen, reichen aber nicht für eine fundierte empirische Beratung der Politik aus. Gründe dafür sind,

• kleine Samples,

• Momentaufnahmen, keine Erhebung des faktischen Verhaltens,

• keine Kausalanalysen möglich.

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II Ausgangslage – empirische Verbraucherforschung

Gegenwärtige empirische Verbraucherforschung in der Gesamtschau• Verbraucherverhalten und Marktbeziehungen (Auswahl, Wechsel, Kündigung,

Beschwerden):onur sehr punktuell, oft experimentelle Studien auf der Grundlage kleiner,

konstruierter Samples oder Befragungen bei kleinen Samples durchgeführt, keine amtliche Statistik, kaum im Prozess produzierte Daten.

• Anbieterverhalten (Informations- und Angebotsverhalten):opunktuell durch Produkt-/Dienstleistungstests, detaillierte Branchenanalyseno in stärkerem Ausmaß (anbieterorientierte) Marketingforschung.

• Rahmensetzung: (staatliches Verhalten (Instrumente und Regulierungsgrad), Aufsichtsbehörden, Verbraucherorganisationen

onur wenige Evaluierungen, kaum fundierte Gesetzesfolgenabschätzung (Beispiele keine Gesetzesfolgenabschätzung und auch keine Evaluierungen bislang für Riester insgesamt, Restaurantbewertung, Nährwertkennzeichnung, Erneuerbare-Energien-Gesetz; Beispiel Evaluierung: Verbraucherinformationsgesetz, (Anlage-)Beratungsprotokolle).

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ....

Mikroökonomische Marktbeobachtung von drei MarktfaktorenoVerbraucherverhalten: Konsumausgabeverhalten nach Auswahl, Wechsel,

Kündigung, Beschwerden, sozioökonomischen Merkmalen von Verbrauchertypen

oAnbieterverhaltenoRahmensetzung

Makroökonomische Analysen• Konsum in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Binnennachfrage und

Einkommensaggregat)

• Konsum in der konjunkturellen Betrachtung

• Konsum als Motor für Innovation

• Konsum und andere politische Ziele (Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit, fiskalische Auswirkungen)

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Inhalte und Methode

• Basis muss der methodische und wissenschaftliche Standard der empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschung sein

• Feldforschung/Survey

• Erhebung faktischen Verhaltens

• repräsentatives Sample

• wiederholte Beobachtung einer Stichprobe derselben Verbraucher (Längsschnitt)

• Mischung aus Standardthemen und wechselnden Schwerpunkten; mikroökonomische Beobachtung des Verbraucherverhaltens

• inhaltliche Ausrichtung orientiert an Problemlagen der Verbraucher, Identifizierung u. a. durch Diskussionen mit Verbraucherorganisationen und Administration

• Öffnung der Forschungsinfrastruktur für experimentelle Studien mit ‚echten‘ und repräsentativ ausgewählten Verbrauchern des Untersuchungssamples

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Institutionelle Verankerung und Organisation • Freier Zugang wissenschaftlicher Einrichtungen zu den Daten

• Multidisziplinarität, inhaltlicher Umfang und methodische Vielfalt einer Erhebung wie zuvor skizziert, bedarf einer festen wissenschaftlichen Infrastruktur

• Arbeitsprofil der Statistischen Ämter ist dazu nicht geeignet, Arbeitsprofile universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen sind prinzipiell geeignet

• Auswahl der Institution im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens auf der Grundlage von Kriterien und Nachweisen zur Qualifikation und Organisation der sich bewerbenden Institutionen

• Qualitätskontrolle durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

• Einbindung des Wissens von Verbraucherorganisationen und Administration durch Anhörungen, Beiräte

• Rolle der gegenwärtig bekannten Vernetzungsaktivitäten (BMELV und NRW) innerhalb eines wissenschaftsgetragenes polítik- und anbieterunabhängiges Verbraucherpanels ist eher nicht zu erkennen.

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IÍI Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Freier Zugang zu Datensätzen

„ ... Datensätze, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zugrunde liegen, aber auch alle Datensätze, die für amtliche Zwecke benutzt werden, müssen unter strenger Beachtung datenschutzrechtlicher Restriktionen für Re-Analysen verfügbar sein. (...) Der Zugang zu diesen Daten muss diskriminierungsfrei erfolgen, d. h. der Datenbesitzer darf nicht anhand seiner Interessen darüber entscheiden, wer die Daten erhält und wer nicht. (...) Bei der Bereitstellung von Daten handelt es sich um ein öffentliches Gut; die Verwendung einmal produzierter Daten durch einen zusätzlichen Nutzer ist im Allgemeinen zu Grenzkosten von nahe Null möglich. Da eine private, „freiwillige“ Bereitstellung von öffentlichen Gütern in aller Regel zu einer Unterversorgung und entsprechenden Ineffizienzen führt, ist die Produktion von grundlegenden Datensätzen öffentlich zu finanzieren. (...) Da Verfahren und Methoden der Datenerhebung ständig weiterentwickelt werden, ist eine stärkere Anbindung der „Statistikproduktion“ an die Wissenschaft sinnvoll.“(Gert G. Wagner und Wolfgang Wiegard, a. a. O., S. 9)

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Freier Zugang zu Datensätzen

„Die ungehinderte Möglichkeit einer Überprüfung empirischer Untersuchungen muss gewährleistet sein, wenn volkswirtschaftliche Forschung und Politikberatung effizient erfolgen soll.“ (Gert G. Wagner, 2000, Statistik ist weit mehr als Erbsenzählerei, In: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 216, S. 263 – 277, s-. ).

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ....

Kommission der Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) besteht in der Leibniz Gemeinschaft seit 2009. Es gibt einen Bericht dieser Kommission (state-of-the art-Kompendium) hinsichtlich der Informationsstruktur in Deutschland. Neben Lizensierung/Hosting, kulturelles Erbe, virtuelle Forschungsumgebungen, Ausbildung, Retrodigitalisierung, nichttextuelle Materialien, Langzeitarchivierung, Open Access gibt es das Handlungsfeld „Forschungsdaten und Informationskompetenz“. Zu jedem dieser acht Handlungsfelder gibt es inhaltliche, organisatorische, finanzielle, rechtliche und technische Empfehlungen.

Es gibt so etwas wie eine optimierte Landschaft der Informationsinfrastruktur, der Rahmen muss definiert werden (Strukturen, Prozesse, Koordination), es müssen potenzielle Synergien aufgezeigt werden. Für jedes der acht Handlungsfelder empfiehlt die Kommission, die Ernennung von jeweils einem Koordinator, für die weiteren Schritte wettbewerbliche und durch Peer-Review-Verfahren gesteuerte Allokationsverfahren.

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Finanzierung

• Finanzierung kann nicht Aufgabe der Auftragsforschung sein, die eher punktuelle Forschung finanziert

• gemeinsame Finanzierung durch BMELV und andere Fachressorts, insbesondere BMBF wäre erforderlich

• Beteiligung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sollte gewonnen werden

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Beispiele für Längsstudien/Panels in anderen Forschungsfeldern

• Nationales Bildungspanel (NEPS)oErmittlung und Abbildung von individuellen Bildungsprozessen und –

verläufen über das gesamte LebenoUni Bamberg

• Pairfam (Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamic)oRepräsentative, multidisziplinäre und längsschnittliche Beziehungs- und

Familienpanel zur Analyse partnerschaftlicher und familiärer LebensformenoPanel begann 2008 und wurde auf 14 Jahre angelegto Pairfam umfasst mehr als 12000 zufällig ausgewählte „Ankerpersonen“oUni Bremen

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III Konzept einer wissenschaftsgetragenen unabhängigen Forschungsinfrastruktur ...

Beispiele für Längsstudien/Panels in anderen Forschungsfeldern

• Deutsches Mobilitätspanel (MOP)oBesteht seit 1994o Inhalt u. a. mit welchen Verkehrsmitteln Menschen unterwegs sindoErhebung durch einwöchige TagebucheintragungenoUniversität Karlsruhe am Karlsruher Institute of Technology (KIT)

• Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) oBeginn vor über 25 JahrenoBefragung von über 20000 Personen in rund 10000 privaten Haushalteno Inhalte: Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und GesundheitoDIW Berlin

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IV Zusammenfassung in vier Thesen ...

These 1:Ein oft geäußertes Urteil zum Stand der empirischen Verbraucherforschung lautet, es gibt keine Daten. Meine These ist, es gibt viele Daten, allerdings sind diese aus verschiedenen Gründen (fehlende Repräsentativität, keine Wiederholung u. a. m. siehe Folien zuvor) nicht oder nur sehr bedingt geeignet für eine fundierte Politikberatung und wirksame Politikgestaltung.

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IV Zusammenfassung in vier Thesen ...

These 2: Empirische Verbraucherforschung und empirisch fundierte Politikberatung umspannt unterschiedliche inhaltliche und methodische Konzepte. Diese explizit darzulegen und zu konkretisieren, welche Vor- und Nachteile mit den jeweiligen inhaltlichen und methodischen Konzepten verbunden sind, ist Aufgabe von Wissenschaftlern. Es gibt allerdings nur Wenige, die sich explizit mit der Frage befassen, wie ein empirisches Konzept der Verbraucherforschung aussehen sollte.

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IV Zusammenfassung in vier Thesen ...

zu These 2: • Forschungsgetriebene Konzepte

oWirksamkeitsstudien/EvaluationenoVerbraucherpanel – repräsentative Längsschnitterhebung zum

Verbraucherverhalten (DIW)oExperimentelle Tests (als Untergruppe eines Panels) (DIW)oFokusgruppendiskussionen

• Politikgetriebene KonzepteoMarktbeobachtung (Vzbv, Grüne z. B. Marktwächter)oVerbrauchercheck (Vzbv, SPD)oGesetzesfolgenabschätzung (BR)oBürgerdialoge (BMBF)oVerbraucherparlament (Vzbv)

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IV Zusammenfassung in vier Thesen ...

These 3:Vielfalt im Hinblick auf die methodische Basis empirischer Verbraucherforschung zur empirisch fundierten Beratung der Verbraucherpolitik ist wünschenswert. Diese Vielfalt muss sich aber auf verlässliche Grundlagen, einen Forschungskern beziehen können. Der Kern einer empirischen und kontinuierlichen Beratung der Verbraucherpolitik erfordert den Aufbau und die Pflege einer systematischen Forschungsinfrastruktur – eines Verbraucherpanels - mit folgenden Merkmalen:

• auftragsunabhängig,

• wissenschaftsgetragen,

• politik- und anbieterunabhängig,

• repräsentativ

• Wiederholungsstudie derselben Stichprobe der Verbraucher.

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IV Zusammenfassung in vier Thesen ...

These 4:Eine gute Empirie ist notwendige Voraussetzung für eine fundierte Politikberatung, reicht aber nicht aus, um die Politik fundiert zu beraten. Die Erkenntnisse aus der Empirie müssen von normativen Wertungen getrennt werden. Es gibt auch unterschiedliche empirische Erkenntnisse. Es gehört zu den Aufgaben der Wissenschaft darzulegen, warum die Befunde unterschiedlich sind.

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Veröffentlichung der Vortragenden zum Thema ...

Hagen, Kornelia: Wirksame Beratung der Verbraucherpolitik setzt unabhängige Daten über das Verhalten von Verbrauchern voraus, In: DIW Wochenbericht Nr. 25/2011, S. 18 – 24.

Hagen, Kornelia: „Moderne verbraucherbezogene Forschung ausbauen – Tatsächliche Auswirkungen gesetzlicher Rahmenbedingungen auf Verbraucher prüfen.“ Stellungnahme zu Fragen des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen einer Öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag (Drucksache 17/2343), Ausschussdrucksache 17(10)350-G, 19. Januar 2011, Berlin.

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Angaben zur Vortragenden

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Kornelia HagenDeutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW)Tel. 030 – 89789-668Email: [email protected]

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