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7.2.8 Bilioduodenale Fisteln (z. B. Sump-Syndrom) Bilioduodenale Fisteln können entweder spontan oder durch operative Eingriffe entstehen. Spontan entwickeln sie sich, wenn auch sehr selten, suprapapillär nach Per- foration eines Gallengangssteines bei Verschluss oder hochgradiger Stenose der Papille (Abb. 7.36 a). In der Vor-ERCP-Ära wurden von chirurgischer Seite häu- fig zur Sanierung des Ductus choledochus und Beseiti- gung einer Papillenstenose Bougies antegrad in Richtung Papille vorgeschoben. Hierbei nahm der Bougie nicht sel- ten den Weg des geringsten Widerstandes und perforier- te die Duodenalwand klinisch meist irrelevant ober- halb des Papillensphinkters im noch intramuralen Anteil des DHC. Endoskopisch findet sich hierbei eine kleine artifizielle Öffnung kranial der Papillenöffnung (Abb. 7.36 b). Durch eine Papillotomie gelingt es meis- tens problemlos, das stehengebliebene Papillendach zu durchtrennen und damit den Zugang zum Ductus chole- dochus zu erweitern (s. DVD). Die Choledochobulbostomie bzw. Choledochoduode- nostomie wurde früher als palliative Maßnahme bei nicht resektablen Pankreaskopfprozessen oder nicht zu entfernenden distal lokalisierten Gallengangssteinen an- gelegt (Abb. 7.37). Selten kann sie auch spontan als Komplikation eines Ulcus duodeni mit Perforation in Abb. 7.33 Stein- papille bei einer Pa- tientin mit septi- scher Cholangitis. Abb. 7.34 Stein- papille. Abb. 7.35 Duodenaldivertikel mit zentraler Vorwölbung der Papille durch inkarzerierten Papillenstein. a b Abb. 7.36 a, b Bilioduodenale Fisteln. a Fistel im Papillendach durch Steinperforation. b Suprapapilläre Fistel nach früherer intraoperativer Bougie- rung. 119 7.2 Variationen und pathologische Befunde aus: Keymling u. a., Das ERCP-Buch (ISBN 9783131493019) © 2013 Georg Thieme Verlag KG

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7.2.8 Bilioduodenale Fisteln(z. B. Sump-Syndrom)Bilioduodenale Fisteln können entweder spontan oderdurch operative Eingriffe entstehen. Spontan entwickelnsie sich, wenn auch sehr selten, suprapapillär nach Per-foration eines Gallengangssteines bei Verschluss oderhochgradiger Stenose der Papille (▶ Abb. 7.36 a).

In der Vor-ERCP-Ära wurden von chirurgischer Seite häu-fig zur Sanierung des Ductus choledochus und Beseiti-gung einer Papillenstenose Bougies antegrad in Richtung

Papille vorgeschoben. Hierbei nahm der Bougie nicht sel-ten den Weg des geringsten Widerstandes und perforier-te die Duodenalwand – klinisch meist irrelevant – ober-halb des Papillensphinkters im noch intramuralen Anteildes DHC. Endoskopisch findet sich hierbei eine kleineartifizielle Öffnung kranial der Papillenöffnung(▶ Abb. 7.36 b). Durch eine Papillotomie gelingt es meis-tens problemlos, das stehengebliebene Papillendach zudurchtrennen und damit den Zugang zum Ductus chole-dochus zu erweitern (s. DVD).

Die Choledochobulbostomie bzw. Choledochoduode-nostomie wurde früher als palliative Maßnahme beinicht resektablen Pankreaskopfprozessen oder nicht zuentfernenden distal lokalisierten Gallengangssteinen an-gelegt (▶ Abb. 7.37). Selten kann sie auch spontan alsKomplikation eines Ulcus duodeni mit Perforation in

Abb. 7.33 Stein-papille bei einer Pa-tientin mit septi-scher Cholangitis.

Abb. 7.34 Stein-papille.

Abb. 7.35 Duodenaldivertikel mit zentraler Vorwölbung derPapille durch inkarzerierten Papillenstein.

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Abb. 7.36a, b Bilioduodenale Fisteln.a Fistel im Papillendach durch Steinperforation.b Suprapapilläre Fistel nach früherer intraoperativer Bougie-

rung.

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7.2 Variationen und pathologische Befunde

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den distalen Ductus choledochus auftreten. Im weiterenVerlauf kann es hierbei zum sog. Sump-Syndrom kom-men (▶ Abb. 7.38). Durch die weite Kommunikation zwi-schen Dünndarm und Gallengang bei Seit-zu-Seit-Anas-tomose sammeln sich Speisereste, Detritus und einge-dickte Galle im distalen Anteil des Ductus choledochus,der dann als Schlammfang fungiert. Dies kann bis zumVerschluss der Anastomose, zur Cholestase und zur Chol-angitis führen. Auch hier gilt die endoskopische Papillo-tomie mit Entfernung des Fremdmaterials als Therapieder Wahl [11, 21]. Gelingt dies nicht, ist die Notwendig-keit einer Hepatikojejunostomie interdisziplinär abzuklä-ren.

Alternativ besteht evtl. in Zukunft die Möglichkeit, wasbisher jedoch nur als Kasuistik publiziert wurde, mittelsendoskopischer Implantation eines Schirmchens (Am-platzer Septal Occluder), analog der Behandlung des of-fenen Foramen ovale, die Choledochoduodenostomie zuverschließen [34]. Bei der Seltenheit des Sump-Syndromswird sich diese endoskopische Technik nur auf wenigePatienten beschränken.

7.2.9 Intraduktale papilläremuzinöse Neoplasie (IPMN)Das endoskopische Bild einer IPMN vom Hauptgangtypist charakteristisch und unverwechselbar, quasi eine „pri-ma vista“ Diagnose. Der Porus der Papille ist meist fisch-maulartig geöffnet, im Lumen befindet sich glasig durch-sichtiger Schleim, der zu einer nahezu kompletten Ob-struktion des Ganges führt (▶ Abb. 7.39, ▶ Abb. 7.40).Diese Prozesse sind überwiegend bei älteren Patientenzu finden, sie entstehen vorzugsweise im Pankreaskopfund da sie sich zum Großteil im Hautgang („main ductIPMN“) entwickeln, stehen sie direkt mit dem Ductuspancreaticus in Verbindung [61, 62, 64]. Die intensiveSchleimproduktion führt zum klinischen Bild einer chro-nischen obstruktiven Pankreatitis mit abdominellenSchmerzen, Steatorrhö sowie Diabetes mellitus.

Der Schleim ist endoskopisch nicht zu beseitigen, im Rah-men der Pankreatoskopie kann optisch kontrolliert derintraduktale Prozess histologisch gesichert werden(▶ Abb. 7.41) [62]. Diese Tumoren gelten als obligate Prä-

Abb. 7.37 Choledochobulbostomie.

Abb. 7.38a, b Sump-Syndrom.a Komplett mit Speiseresten und eingedickter Galle auszementierte Choledochobulbostomie.b Cholangioskopischer Befund.

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kanzerosen, die in 30 – 60% maligne entarten und in eininvasives Karzinom übergehen können.

Dies gilt nicht für eine spezielle Untergruppe der IPMN,die sich primär in den Seiten- bzw. sekundären Gängen(„branch duct IPMN“) entwickeln und prognostisch güns-tiger mit einem Entartungsrisiko von 10 – 15% beurteiltwerden. Als indirekte Malignitätskriterien werden hierbeieine Größe von mehr als 3 cm, der Nachweis von intra-zystischen Polypen sowie Knoten und unregelmäßig kon-figurierte Zystenwände angesehen [107].

Kasuistik

Anamnese und KlinikEine 63-jährige Patientin litt seit 5 Monaten unter Stea-torrhö, die u. a. zur Gewichtsabnahme von 8 kg führte.In einem auswärtigen Krankenhaus fand sich bei der ERPein massiv dilatierter Ductus pancreaticus mit Kontrast-mittelaussparungen im Kopfbereich, die als Pankreas-gangsteine interpretiert wurden (▶ Abb. 7.42). Unterder Diagnose einer chronischen Pankreatitis mit mani-fester exokriner Pankreasinsuffizienz bei Pankreatiko-lithiasis erfolgte die Verlegung in die Medizinische KlinikC, Klinikum Ludwigshafen [62].

Diagnostik▶ Ultraschall: Die Ultraschalluntersuchung des Abdo-mens ergab einen nahezu identischen Befund wie in derERP, der Ductus pancreaticus war auf 12mm erweitert,im Kopfbereich echoreiche Strukturen ohne Schall-schatten, keine freie Flüssigkeit.

▶ ERCP: Die ERCP zeigte eine weiche fischmaulartigklaffende Papille, die problemlos zu intubieren war. Nachretrograder Anfärbung des Pankreasganges war diesergleich konfiguriert wie in der Vor-ERCP beschrieben.Nach Papillotomie und Eingehen mit einem Fogarty-Ballonkatheter wurden überraschend keine Konkremen-te gewonnen. Daraufhin Entschluss zur Pankreatikosko-pie. Mit einem Pankreatikoskop der Firma Olympus er-folgte im Sinne einer Mother-Baby-Duodenoskopie dieIntubation des Pankreasganges, was problemlos gelang.Der Ductus pancreaticus konnte mit diesem 3,5mmmessenden Pankreatikoskop komplett intubiert werden,wobei sich intraduktal ein multifokal wachsender zot-tenartiger Tumor zeigte, der vollständig auf den Pan-kreaskopf begrenzt schien (▶ Abb. 7.43). Unter endo-skopischer bzw. radiologischer Kontrolle Entnahme vonMaterial für die Zytologie und Histologie aus dem Tu-morareal.

▶ Histologie: Die mikroskopische Analyse der Gewe-beproben ergab ein einschichtiges Zylinderepithel, daszum Teil papillär konfiguriert war; in der Alcian-FärbungNachweis von intrazellulärer Schleimbildung(▶ Abb. 7.41).

DiagnoseIntraduktale papilläre muzinöse Neoplasie vom Haupt-gangtyp (IPMN).

Abb. 7.39 Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN):Blick auf die mit Schleim gefüllte klaffende Papille.

Abb. 7.40 Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN):separate Öffnungen, oben Gallengang, unten klaffende Pan-kreasgangöffnung.

Abb. 7.41 Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN) –Histologie: einschichtiges Zylinderepithel mit basal lokalisiertenZellkernen im Zytoplasma, blau gefärbt = saure Muko-polysaccharide (Alcian-Färbung).

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VerlaufAufgrund der unklaren Dignität sowie des malignenEntartungsrisikos erfolgte die komplikationslose partielleDuodenopankreatektomie. Intraoperativ konnten keinetumorösen Veränderungen am Pankreaskopf getastetwerden, die Resektion erfolgte ausschließlich nach dembeschriebenen endoskopischen Befund. Die histologi-sche Untersuchung des Resektates zeigte dann, dass derbenigne Tumor makroskopisch auf den resezierten Pan-kreaskopf beschränkt war, mikroskopisch fanden sichjedoch im Bereich der Absetzungsstelle in den kleinenGängen noch Anteile dieser muzinösen zystischen Neo-plasie. Das Angebot einer totalen Pankreatektomielehnte die Patientin jedoch ab.

7.3 Kanülierung der PapilleIm Folgenden sollen die verschiedenen Techniken derPapillenkanülierung dargestellt werden. Obwohl heutedie überwiegende Mehrzahl der ERCPs mit therapeuti-scher Intension durchgeführt und von daher häufig pri-mär schon das Papillotom zum Einsatz kommt, sollte –

unabhängig von der zum Teil kontroversen Diskussion –

insbesondere auch der Anfänger die Papillenintubation

mit dem normalen Kontrastmittelkatheter beherrschen[19, 42].

7.3.1 KonventionellerKontrastmittelkatheterDie Voraussetzung für eine erfolgreiche Kanülierung istdie optimale Position des Duodenoskops. Die Papille soll-te in der oberen Hälfte des endoskopischen Bildes inmittlerer Position und direktem Blick auf das Orifiziumeingestellt werden. Die beiden Räder am Kontrollkörperwerden fixiert, der Albarranhebel geschlossen. Anschlie-ßend wird der mit Kontrastmittel gefüllte Katheter vor-geschoben, bis er am geschlossenen Albarranhebel an-stößt. Unter vorsichtigem Vorschieben öffnet man dannden Albarranhebel, bis der Katheter sichtbar in RichtungPapille im Bild erscheint. Nun sollte man etwas Kontrast-mittel geben, um möglichst sicher sein zu können, dassder Teflonkatheter bis zur Spitze mit Kontrastmittel ge-füllt ist. Kommt es zur versehentlichen Luftinjektion inden Pankreasgang, können Pankreatitiden ausgelöst wer-den. Außerdem kann bei Luftapplikation in den Ductuscholedochus die Differenzierung zwischen Stein und Lufterschwert sein und es dadurch zu Fehlinterpretationenkommen. Vor einem sofortigen Intubationsversuch sollteman die Papillenöffnung erst genau beobachten. Ist nureine Öffnung zu sehen oder finden sich getrennte, also 2Ausführungsgänge (▶ Abb. 7.44)? Verdeckt ein vergrö-ßertes Papillendach den Blick auf das Orifizium, so mussman versuchen, die Falte mit dem Katheter wegzuschie-ben. Die Luftgabe ins Duodenum sollte kontrolliert – sowenig wie nötig – erfolgen, da sonst die Peristaltik ver-stärkt stimuliert wird. Alles Kleinigkeiten, die aber fürden Erfolg der Untersuchung wichtig sein können.

In Abhängigkeit von der Fragestellung sollte man sichschon zu Beginn entscheiden, welchen Gang man primärdarstellen will. Der Ductus choledochus ist gewöhnlichschwieriger zu intubieren, da er meist direkt unter demPapillendach bei etwa 11 Uhr im linken oberen Segment

Abb. 7.42 Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN) –ERP: intraduktale Kontrastmittelaussparung.

Abb. 7.43 Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN) –Pankreoskopie: Blick in den Pankreasgang zeigt zottenartigenTumor.

Abb. 7.44 Majorpapille mit 2 getrennten Öffnungen.

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liegt und relativ parallel zum Duodenum tangential steilintubiert werden muss (▶ Abb. 7.45). Die Erfolgsraten fürdie Kathetersondierungen liegen im Durchschnitt bei80 – 90%, in 10 – 20% der Fälle bedarf es der im Anschlussbeschriebenen ergänzenden Techniken.

Zur Intubation des Ductus choledochus wird der Albar-ranhebel etwas angehoben und die horizontale Achsedurch Drehen des großen Bedienungsrades korrigiert,bis die Katheterspitze im Porus nach vorsichtigem wei-terem Vorschieben verschwindet. Liegt die Katheterspitze1 – 2 cm im distalen Gallengang, wird durch Kontrastmit-telgabe die Position radiologisch überprüft und sicher-gestellt, dass man nicht versehentlich den Pankreasgangintubiert hat. Radiologisch nicht überprüftes „blindes“Vorschieben des Katheters in den Pankreasgang kann zuVerletzungen und gravierenden Pankreatitiden führen.Kommt es zur synchronen Darstellung beider Gänge, soll-te durch vorsichtiges Zurückziehen des Katheters, diskre-te Änderung des Endoskops und Spielen mit dem Albar-ranhebel versucht werden, die gewünschte Position zuerreichen [68, 73].

Liegt der Katheter korrekt, führt man ihn unter Kontrast-mittelgabe weiter in den Gallengang vor. Hierbei ist eswichtig, dass nicht zu viel Kontrastmittel gespritzt wird,da durch ein Überspritzen die Beurteilung erschwert, Be-funde übersehen und Komplikationen im Sinne einerCholangitis bei Gallengangsstenosen provoziert werdenkönnen. Direkt nach der ersten Kontrastmittelgabe er-folgt die radiologische Bilddokumentation.

Die Darstellung des Pankreasganges ist meist einfacher,da dieser im rechten Winkel zur Duodenalwand senk-recht zum Endoskop verläuft. Die Erfolgsraten betragenohne den Einsatz weiterer Hilfsmittel nach der Literatur90 – 95%. Die Kontrastmittelgabe darf nur vorsichtig undlangsam erfolgen, multiple Injektionen, insbesondereeine Parenchymografie, ein Überspritzen der Gänge istzu vermeiden, da hierdurch ebenfalls Komplikationenauftreten können.

Kanülierung der Majorpapille

● Gallengangdarstellung: tangential bei ca. 11 Uhr● Pankreasgangdarstellung: senkrecht zur Duodenal-wand bei ca. 1 Uhr

Ist aufgrund der Befunde eine Kanülierung der Minorpa-pille erforderlich, so ist diese ca. 1 – 2 cm rechts oberhalbder Majorpapille zu suchen. Manchmal kann sie voneiner Duodenalfalte verdeckt sein, sodass man mit demTeflonkatheter diesen Bereich abtasten muss. Die Intuba-tion erfolgt mit einem Katheter mit besonders dünnerSpitze, was das Einhaken in den Porus erleichtert (Minor-katheter) (▶ Abb. 7.46). Die Röntgendurchleuchtung soll-te schon zuvor optimal auf das relevante Areal fokussiertwerden, da der Katheter wegen der schwierigen, zum Teilinstabilen Position rasch wieder dislozieren kann undman deshalb wenig Zeit für die radiologische Dokumen-tation zur Verfügung hat.

Gelingt bei vermutetem Pancreas divisum die endoskopi-sche Identifikation der Minorpapille primär nicht, sokann es hilfreich sein, nach intravenöser Sekretin-Gabeauf das entsprechende Schleimhautareal Methylenlösungzu sprühen [84]. Kurze Zeit nach der Sekretin-Gabekommt es über die gesteigerte Pankreassekretproduktionzum Auswaschen der blauen Farbe im Bereich der Minor-papille, sodass der Porus schließlich sichtbar wird(▶ Abb. 7.47).

Merke

Alle endoskopischen Interventionen und Intubationsver-suche an der Papille müssen vorsichtig und sanftdurchgeführt werden. Die Papille ist ein sehr empfindli-cher Bereich, mit Druck oder zu forschen Katheterma-nipulationen erzeugt man nur Komplikationen. Regis-triert man einen Widerstand in der Papille, sollte derKatheter etwas zurückgezogen und durch Änderung der

Lokalisation des Gallengangs

Abb. 7.45 Lokalisation des Gallenganges bei 11 Uhr.

Abb. 7.46 Intubation der Minorpapille mit einem speziellenKatheter.

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Position ein erneuter Versuch unternommen werden –keine Gewalt!Bei Verdacht bzw. Nachweis eines Papillenödems durchsubmuköse Paravasatbildung empfiehlt es sich, die Un-tersuchung abzubrechen und bis zum nächsten Tag ab-zuwarten oder die Untersuchung an einen erfahrenenKollegen zu übergeben. Weitere Papillenmanipulationenkönnen katastrophale Folgen haben – deshalb Konzen-tration und Vorsicht!

7.3.2 Katheter mit FührungsdrahtDie Sondierung der Papille über einen Führungsdraht,der durch einen Teflonkatheter stabilisiert wird, kannaus zweierlei Gründen indiziert sein. Zum einen, wenndie Papille aufgrund diffiziler Architektur (z. B. Papillen-

stenose) mit dem normalen Katheter nicht intubierbarund kein Kontrastmittel injiziert werden kann. Zum an-deren zeigen neuere Studien, dass bei der Papillensondie-rung mit einem Führungsdraht die Erfolgsraten zum Teilhöher und zusätzlich das Pankreatitisrisiko niedriger warals bei der konventionellen Kontrastmittelsondierung [4,6, 10, 57, 69]. Die bisher publizierten Berichte sind jedochnicht eindeutig, sodass beide Methoden ihre Berechti-gung besitzen.

Gelingt zum Beispiel bei einer Papillenstenose die Intu-bation mit dem üblichen Katheter nicht, führt man nachDurchspülung des Katheters mit Kochsalz einen an derSpitze besonders flexiblen hydrophilen 0,025 oder 0,032Inch langen Draht vorsichtig in den Porus vor. Unter kom-binierter radiologisch-endoskopischer Kontrolle versuchtman durch leichte Modifikation der Gerätelage, geringesVor- und Zurückziehen des Drahtes und Spielen mit demAlbarranhebel den Gang zu intubieren. Liegt der Draht imDuctus choledochus, wird der KM-Katheter nachgescho-ben, der Draht entfernt und schließlich das Kontrastmit-tel injiziert.

Bei der alternativen Methode ist die Vorgehensweiseidentisch, nur beginnt man bei der Gangsondierunggleich mit einem Führungsdraht mit weicher Spitze. DieStudienergebnisse mit zum Teil unterschiedlichen Resul-taten sind in ▶ Tab. 7.5 dargestellt.

Inwieweit die scheinbaren Vorteile die erhöhten Kostenfür den Einwegdraht rechtfertigen, und zwar in der Rou-tine bei jeder ERCP, muss jeder Untersucher für sich ent-scheiden.

Tab. 7.5 Papillenkanülierung: Kontrastmittelinjektion versus Führungsdraht.

Autor, Jahr Anzahl der Patienten Pankreatitis Erfolgsquote Kanülierung

KM Draht KM (%) Draht (%) KM (%) Draht (%)

Lella et al. 2004 [69] 200 200 4 0 98 99

p < 0,01

Apostolopoulos et al. 2005 [4] 60 63 8 0 93 91

p = 0,02

Artifon et al. 2007 [6] 150 150 17 9 78 91

p = 0,02 p < 0,05

Bailey et al. 2008 [10] 211 202 6 8 74 81

p = 0,48 p = 0,03

Katsinelos et al. 2008 [57] 165 167 8 5 54 81

p = 0,37 p < 0,001

KM = Kanülierung konventionell nach Kontrastmitteldarstellung; Draht = Kanülierung primär mittels Führungsdraht

Abb. 7.47 Bessere Darstellung der Minorpapille durch Appli-kation von Methylenblau.

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7.3.3 PapillotomBei einer großen, tief liegenden und durch eine Falte ver-legten Papille können die bisher beschriebenen Intubati-onstechniken versagen. Ebenso wenn das Duodenum,beispielsweise bei einem Pankreaskarzinom oder einerchronischen Pankreatitis, verzogen ist, gelingt die Unter-suchung mit dem herkömmlichen Instrumentarium nurselten.

Das Papillotom als quasi abwinkelbarer Führungskatheterkann hier sehr hilfreich sein [55, 91]. Durch Strecken undAbwinkeln des Papillotoms kann man die Papille und dasOrifizium so verändern, dass die Gangdarstellung undanschließend durch vorsichtiges Entspannen des Papillo-toms die Intubation möglich wird. Voraussetzung dafürist, dass man den Porus der Papille mit der Spitze desPapillotoms über 1 – 2mm intubieren und dann entspre-chend zurechtdrehen kann. Ohne ein wenn auch nur mi-

nimales Einhaken im Porus rutscht das Papillotom ab unddie Situation ist so schwierig wie zuvor (▶ Abb. 7.48).

Selbstverständlich sollte man bei diesem Manöver nurein Zweikanalpapillotom verwenden, bei dem das Kon-trastmittel an der Spitze austritt. Bei den einfacherenPapillotomen hingegen fließt das Kontrastmittel im Be-reich des Schneidedrahtes heraus und es kommt nichtzur Gangdarstellung.

Aber nicht nur bei der komplizierten Papillotomie kanndas Papillotom als „flexibler Führungskatheter“ einge-setzt werden, es wird schon primär zur Porussondierungund -intubation empfohlen, insbesondere bei gesichertertherapeutischer Indikation. Hierzu gibt es zahlreiche Stu-dien, die einhellig zeigen, dass die Gangsondierung miteinem steuerbaren Papillotom schneller und häufiger ge-lingt (▶ Tab. 7.6) [29, 67, 96]. Auffallend hierbei ist jedochdie ungewöhnlich geringe Erfolgsrate der Katheterkanü-lierung, die unseren Erfahrungen nicht entspricht.

a

Abb. 7.48a – d Intubation einer tief liegenden Papille.a Nicht einsehbare Papillenöffnung.b Versuch, die Papillenöffnung mittels Papillotom anzuheben und zu intubieren.c Papillenöffnung mit Papillotom korrekt intubiert.d Papillotomie.

b

c d

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7.3 Kanülierung der Papille

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Der Anfänger sollte unabhängig davon primär mit demKM-Katheter versuchen, den Porus zu intubieren, umhier ein Gefühl für das Agieren an der Papille zu bekom-men. Der dünnere Katheter bzw. der Führungsdraht glei-tet leichter in den Gallengang als das etwas dickere Pa-pillotom.

Der erfahrene Untersucher hingegen benutzt bei entspre-chender Indikation zweifellos meist direkt das Papillo-tom.

7.3.4 Precut-PapillotomDas Precut-Papillotom und hier besonders das Zwei-kanal-Precut-Papillotom mit separatem Kontrastmittel-lumen hat seine Indikation, wenn die Intubation mitdem normalen Papillotom aufgrund fehlender Einhak-möglichkeit nicht gelingt. Die Spitze des Precut wird aufden Porus gesetzt und der Schneidedraht gespannt, umdie Lage der Papille zu optimieren. Dadurch bohrt sichdie Spitze des Precut in den Porus und nach Kontrast-mittelgabe kommt es bei korrekter Einstellung zur Gang-darstellung. Anschließend gelingt entweder direkt die In-tubation des Ganges oder man muss versuchen, mittelsFührungsdraht die Passage durch die Papille zu finden(s. S. 128).

7.3.5 NadelmesservorschnittIn ganz seltenen Fällen gelingt mit keiner der vor-beschriebenen Techniken eine Gangdarstellung. Die Pa-pille ist derart groß, dass man trotz Papillotom oder Pre-cut das Orifizium nicht nach kranial luxieren kann, odersie ist so winzig, dass eine Intubation gleichfalls nichtgelingt. Hier hat das Nadelmesser (Needle Knife) seineIndikation. Bei einer großen Papille versucht man mitder ausgefahrenen Nadel das Dach, bei einer winzigenPapille den Oberrand zu inzidieren, in der Hoffnung, an-schließend den Gang sondieren zu können. Zur genauenTechnik siehe Seite 130.

7.3.6 Kanülierung beim operiertenMagen

Billroth-II-Magen

Die ERCP bei Patienten mit Magenteilresektion nach Bill-roth II kann sowohl mit Instrumenten mit prograder alsauch mit Seitblickoptik durchgeführt werden (s. S. 110).Für die Lage der Papille ist es egal, ob ein Billroth-II-Magen mit bzw. ohne Braunsche Fußpunktanastomoseuntersucht wird [83, 112]. Ebenso ist die anatomischeSituation identisch, wenn das Instrument über die zufüh-rende oder abführende Schlinge vorgeschoben wird. DieTopografie, der Verlauf der Gänge, ist immer umgekehrtzur normalen ERCP – man kommt von „unten“. Das Er-reichen der Papillenregion von distal trifft die anatomi-schen Verhältnisse „auf dem Kopf“ an. Der Gallengangbefindet sich bei 5 Uhr im Gegensatz zur normalen 11-Uhr-Position, der Pankreasgang bei 11 Uhr im Vergleichzu 1 Uhr bei normaler Anatomie.

Merke

Grundsätzlich sollten beim Billroth-II-Magen gerade Ka-theter benutzt werden, da die gewöhnlich leichte Vor-krümmung des Teflonschlauches nur für die normaleAnatomie zweckmäßig ist.

Bei prograder Optik liegt der Ductus choledochus tangen-tial im Dach der Papille, jetzt aber bei 5 Uhr [56, 35], [56].Der Pankreasgang befindet sich oben in der Basis derPapille bei ungefähr 11 Uhr (▶ Abb. 7.49) (s. auch S. 137).

Mit einem Duodenoskop gestaltet sich die Choledochus-darstellung gelegentlich primär schwieriger [59]. VonVorteil ist jedoch der Albarranhebel, mit dem man diePosition des Katheters entsprechend variieren kann.Auch bei der Untersuchung mit der Seitblickoptik befin-det sich der Gallengang natürlich im Papillendach, derAlbarranhebel ist weitgehend zu öffnen, damit der Kathe-

Tab. 7.6 Erfolgsrate und Dauer der Choledochuskanülierung: Führungskatheter versus Papillotom.

Autor, Jahr Anzahl derPatienten

Führungskatheter Papillotom p-Wert

Cortas et al. 1999 [29] 47 Erfolgsrate 67% 97% 0,009

Untersuchungszeit(min)

13,5 ± 6,14 3 ± 5 0,0001

Schwacha et al. 2000 [96](n = 100)

100 Erfolgsrate 62% 84% 0,023

Untersuchungszeit nicht angegeben

Laasch et al. 2003 [67](n = 208)

208 Erfolgsrate 66% 79% 0,15

Untersuchungszeit(min)

1,5(0,1 – 9,5)

1,5(0,1 – 9,5)

0,34

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ter nahezu steil auf das Papillendach zuläuft(▶ Abb. 7.50).

Ist das Ziel, den Pankreasgang darzustellen, so wird dasGerät etwas vorgeschoben, der Albarranhebel partiell ge-schlossen, bis der Katheter quasi senkrecht auf den Papil-lenporus zuläuft.

Die Erfolgsraten einer gelungenen Kanülierung beim Bill-roth-II-Magen variieren in der Literatur zwischen 55 und95%, im Mittel liegen sie bei 75 – 80% [25, 50, 95].

Auf die Situation nach partieller Duodenopankreatekto-mie wurde schon ausführlich auf Seite 112f. eingegangen.Instrumentell ist hierbei primär, insbesondere bei derpyloruserhaltenden Variante, das Duodenoskop zu favori-sieren. Gelingt dies nicht aufgrund der Länge der zufüh-renden Schlinge, ist die Untersuchung mit einem pädia-trischen Koloskop zu versuchen. Die biliodigestive Anas-tomose befindet sich ca. 10 – 15 cm proximal des intesti-nalen Blindsackes, die Pankreasanastomose ist in Abhän-gigkeit vom Operationsverfahren End-zu-Seit oder End-zu-End mit dem Dünndarm verbunden. Die Kanülierungdes Ductus choledochus ist meist problemlos, hingegenist die Pankreasgangöffnung oft derart winzig, dass sieder endoskopischen Identifikation häufig entgeht.

Merke

Alles ist „umgekehrt“ beim Billroth-II-Magen:● Ductus choledochus bei 5 Uhr● Pankreasgang bei 11 Uhr● Katheterspitze begradigen

Roux-Y-Anastomose

Weitaus schwieriger ist die Situation nach operativenEingriffen mit Roux-Y-Rekonstruktionen. Mit konventio-nellen Endoskopen beträgt die Erfolgsrate maximal 30%,in der klinischen Realität ist sie eher noch geringer [50].Zunehmend durchzusetzen scheint sich hier die Ballon-enteroskopie mit gelungener Choledochusdarstellung inbis zu 90% und erfolgreichen therapeutischen Interven-tionen in 53 – 90% der Fälle [1, 75, 76, 78, 87, 93]. DasPapillenbild ist analog wie beim Zustand nach Billroth-II-Resektion um 180° gedreht, das heißt, der Gallenganggeht bei 5 Uhr, der Pankreasgang bei etwa 11 Uhr ab.

7.4 Technik der PapillotomieDie endoskopische Papillotomie, erstmals im Juni 1973von Classen und Demling in Erlangen und wenige Wo-chen später von Kawai in Japan erfolgreich durchgeführt,stellte einen Meilenstein in der Entwicklung der operati-ven Endoskopie am biliopankreatischen System dar [28,58]. Mit der partiellen bzw. kompletten Durchtrennungdes Papillensphinkters war das Tor für interventionelleMaßnahmen am Gallen- bzw. Pankreasgang geöffnet.

Die Papilla Vateri ist ein kompliziertes Gebilde, in dem 3Ringmuskel, der Sphincter papillae, der distale Sphinkterdes Ductus pancreaticus sowie der des Ductus choledo-chus die biliopankreatische Sekretabgabe kontrollieren.

Abb. 7.49 Papillenintubation mit prograder Optik bei Billroth-II-Magen [103].

Abb. 7.50 Papillenintubation mit Duodenoskop bei Billroth-II-Magen [103].

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7.4 Technik der Papillotomie

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Bei der Papillotomie wird das Papillendach mit Anteilendes Papillenmuskels durchtrennt (selten komplett), wes-halb der Begriff Papillotomie die endoskopische Maßnah-me besser beschreibt als das Wort Sphinkterotomie(▶ Abb. 7.51). Indikationen und Anwendungsmöglichkei-ten haben in den vergangenen nahezu 40 Jahren auf-grund eindrucksvoller technischer Verbesserungensowie neuer Inzisionstechniken zugenommen. Heutestellt die Papillotomie für einen Großteil intraduktalerErkrankungen des biliopankreatischen Systems einemaßgeschneiderte und minimal invasive Therapie dar.

Hauptindikation der Papillotomie ist die Obstruktion desGallengangsystems benigner sowie maligner Ursache.Auch funktionelle oder strukturelle Störungen der Papilleim Sinne der sog. Sphincter-Oddi-Dysfunktion (SOD)können eine Indikation zur Papillotomie darstellen. Beipathologischen Befunden des Pankreas bzw. Pankreas-ganges wie Stenosen, Konkremente oder Pseudozystenist die Pankreasgangpapillotomie Voraussetzung für en-doskopische interventionelle Maßnahmen (▶ Tab. 7.7).

Das Spektrum der endoskopischen Techniken, die Papil-lenöffnung zu erweitern, ist vielfältig, man unterscheidetim Einzelnen:1. Standardpapillotomie2. Precut-Papillotomie3. Nadelmesser-Papillotomie4. Papillendilatation

7.4.1 Papillotomie des GallengangesDas Instrumentarium zur Durchführung einer Papilloto-mie entspricht in der Form weitgehend noch dem ur-sprünglichen Demling-Classen-Papillotom. Neben verbes-serten Materialien und feiner zulaufenden Spitzen stelltvor allem das doppellumige Zweikanalpapillotom, beidem über den zentralen innen verlaufenden Kanal Kon-trastmittel oder ein Führungsdraht zur besseren Kanülie-rung platziert werden kann, einen deutlichen Fortschrittdar.

Abb. 7.51a, b Papillotomie: Schnittlänge (a) und Schnittrichtung (b).

Tab. 7.7 Indikationen für die endoskopische Papillotomie.

Indikationen für die endoskopische Papillotomie

Papille Papillentumor (benigne, maligne)Sphincter-Oddi-Dysfunktion

Gallen-gang

CholedocholithiasisStenosen (entzündlich, postoperativ, Tumor)Leckage (postoperativ)CholangioskopieRaritäten (Choledochozele, Sump-Syndrom,intraduktale Parasiten)

Pankreas-gang

PankreatikolithiasisStenosenPseudozystenPankreatikoskopiePancreas divisum (?)

Duodenalwand

Gallengang

Pankreasgang

Ampullen-Sphinkter

Gallengang,Richtung ca. 11 Uhr

oberste quer verlaufendeDuodenalfalte

Pankreasgang,Richtung ca. 1 – 2 Uhr

endoskopische Sichtauf die Ampullea b

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7 Papilla Vateri

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Standardpapillotomie

Die Intubation der Papille kann – wie schon mehrfachbeschrieben – mit unterschiedlichen Instrumenten vor-genommen werden. Zum einen konventionell mit einemKontrastmittelkatheter, der nach korrekter Position inSeldinger-Technik auf ein Papillotom gewechselt wird,oder man setzt schon initial ein Papillotom ein, mit demdie Kanülierung direkt und kontrolliert durch Kontrast-mittelgabe erfolgt. Neuere Studien, insbesondere ausdem angloamerikanischen Raum, empfehlen die Sondie-rung mit einem hydrophilen flexiblen Führungsdraht, derüber ein Papillotom geleitet wird. Anschließend erfolgtdann bei einem dreilumigen Papillotom über den nochfreien Kanal die Kontrastmittelgabe zur Diagnosesiche-rung. Beim zweilumigen Papillotom wird dieses in denGang vorgeschoben, der Draht entfernt und nachfolgenddas Kontrastmittel zur Gangdarstellung injiziert.

Merke

Ist eine Papillotomie zu erwarten, sollte man gleich zumPapillotom greifen, die Kanülierung ist zum Teil ein-facher und vor allem spart man Untersuchungs- undDurchleuchtungszeit.

Nach überprüfter korrekter Lage des Papillotoms, dasheißt, der Stahldraht zeigt in Richtung 11 Uhr entspre-chend dem Verlauf des Ductus choledochus (▶ Abb. 7.52),wird der Draht leicht gespannt und vorsichtig zurück-gezogen, bis etwa die Hälfte des Drahtes außerhalb derPapille zu sehen ist. Anschließend erfolgt kontrolliert undschrittweise, senkrecht zur meist nachweisbaren kleinenquer verlaufenden Falte, die Papillotomie (▶ Abb. 7.53).Die Länge des Schnittes ist abhängig von der Indikationund der lokalen Anatomie (s. DVD).

Bei großen Gallengangssteinen muss versucht werden,das gesamte Dach zu durchtrennen, bei kleineren Papil-len sind nur kleinere Schnitte möglich. Im Allgemeinenkann man bis zur ersten quer verlaufenden Duodenalfalteschneiden, ohne dass die Gefahr der Perforation besteht.

Abb. 7.52 Papillotomie des Gallenganges: SchnittführungRichtung ca. 11 Uhr.

a

b

c

Abb. 7.53a – c Papillotomie des Gallenganges: Durchführung.a Intubation.b Schrittweise Papillotomie.c Komplette Durchtrennung des Papillendaches.

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7.4 Technik der Papillotomie

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Bei der Papillotomie sollte das Papillotom nicht maximalgespannt sein, denn zum einen rutscht das Papillotomrelativ leicht aus der Papille heraus, zum anderen gestal-tet sich der Schneidevorgang häufig unkontrolliert („zip-per cut“). Zuerst sieht man fast nichts und dann plötzlichreißt quasi das gesamte Papillendach auf mit der Gefahreiner Blutung oder Perforation. Deshalb besser langsamkleinere und kontrollierte Schnitte setzen!

Papillotomie des Gallenganges

● Stahldraht-Position 11 Uhr● Schneidevorgang mit distalem Drittel bis Hälfte desDrahtes

● Papillotom mittlere Spannung („zipper cut“!)● Papillotomie schrittweise – sukzessive

Das Risiko einer Blutung scheint bei Verwendung einesDiathermiegerätes mit sog. Endocut-Technik (Erbe) ge-ringer zu sein [63, 86, 90]. Hier erfolgt mikroprozessor-gesteuert je nach aktuellem Gewebewiderstand die Ap-plikation von Schneide- bzw. Koagulationsstrom. In einerprospektiven Studie von Norton et al. traten bei Einsatzvon reinem Schneidestrom viermal häufiger Blutungenim Rahmen einer Papillotomie auf als bei Endocut-Ein-stellung [90].

Transpankreatische endoskopischeSphinkterotomie (TPS-ES)

Der Vollständigkeit halber soll auch eine seltene Methodedargestellt werden, die sog. transpankreatische endosko-pische Sphinkterotomie (TPS-ES). Gelingt trotz Common-Channel-Situation keine selektive Intubation des Gallen-ganges, kann man versuchen, das Papillotom oder Precutüber den gemeinsamen Ausführgang in Richtung Pankre-asgang vorzuschieben und anschließend durch kontrol-lierte Inzision des Papillendaches den Zugang zumDuctus choledochus zu eröffnen (▶ Abb. 7.54). Erstmalswurde die TPS-ES von Goff 1995 beschrieben [45]. Cata-lano et al. publizierten 2004 eine kleine kontrollierte Stu-die „Needle knife vs. TPS-ES“ [23]. In der Intention-to-treat-Analyse lag die Erfolgsrate der TPS-ES mit 94% sig-nifikant höher als in der Needle-Knife-Gruppe mit 75%(p = 0,08). Auch die Komplikationsrate zeigte einen deut-lichen Vorteil für die TPS-ES-Technik (3,5% vs. 17,7%).Weitere Studien sind hierzu bisher nicht publiziert,daher sollte diese Technik nur von sehr erfahrenen En-doskopikern versucht werden, wenn andere Methodenversagen.

Vorschneide-Papillotomie

Trotz der Vielfalt verschiedener Führungskatheter undunterschiedlich konfigurierten Zwei- und Dreikanalpapil-lotomen misslingt die Papillotomie auch bei erfahrenen

Endoskopikern in 5 – 20% der Fälle. Hier erweitern dieVorschneidetechniken das therapeutische Arsenal an In-terventionsmöglichkeiten an der Papille und schließendie bis dato noch verbliebene therapeutische Lücke [73,97, 104].

Die Precut-Papillotomie ist angezeigt, wenn die selektiveKanülierung des Gallenganges misslingt, da das Standard-papillotom nicht tief genug, mindestens bis zum Schnei-dedraht, in den Gang eingeführt werden kann [42, 100].Beim Precut-Papillotom ist die Nasenspitze maximal1mm lang oder der Draht beginnt direkt am distalenEnde des Papillotoms. Ziel dieser Vorschneidetechnik istes, das Papillendach zu eröffnen, um dann anschließendnach Sichtbarwerden der Gallengangsmündung denSphinkter selektiv korrekt mit dem gleichen Systemoder mit einem konventionellen Papillotom zu durch-trennen. Hierzu wird die Nase des Precut-Papillotoms inden Papillenporus platziert und schrittweise in Richtung11 Uhr geschnitten (▶ Abb. 7.55). Gelingt danach dieKontrastierung des Ductus choledochus nicht, ist esmanchmal sinnvoll 1 – 2 Tage abzuwarten, um die Unter-suchung nach Abschwellung des Papillenödems dann zuwiederholen. Nicht selten springt der Katheter beimzweiten Versuch sofort in den Gallengang und die Unter-suchung kann definitiv abgeschlossen werden.

In vielen Arbeiten wird sowohl für die Precut-Papilloto-mie als auch für die Nadelmesser-Papillotomie aus-schließlich Schneidestrom empfohlen. Unsere eigenen Er-fahrungen können dies nicht bestätigen: Im gewöhnli-chen Endocut-Modus (Erbe) traten nicht vermehrt Blu-tungen oder andere Komplikationen auf.

Abb. 7.54 Transpankreatische endoskopische Sphinkteroto-mie (TPS-ES).

Gallengang

Septum

Pankreasgang

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7 Papilla Vateri

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