Aal-grün: Eine neue Farbe in der Fluoreszenz-Toolbox

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TREFFPUNKT FORSCHUNG | Aale (Anguillus spec.) sind beliebte Speisefische mit einem verblüffen- den Lebenslauf: Erwachsene Aale leben in Flüssen und wandern zur Fortpflanzung Tausende von Kilo- metern weit in ihre arttypischen Laichgewässer der Ozeane. Dort schlüpfen aus den befruchteten Eiern weidenblattförmige Larven, welche sich schließlich in längli- che Glasaale verwandeln und die Rückreise in die Flüsse antreten. Glasaale sind nahezu durchsichtig, zeigen in blauem Licht aber eine charakteristische Grün-Fluores- zenz. Diese geht von jungen Mus- kelfasern entlang der zentralen Körperachse aus, erscheint aber nicht in Kiemen, Herz oder Ver- dauungsorganen. Kumagai und seiner Arbeits- gruppe gelang es, das Fluoreszenz- Protein aus dem Japanischen Aal (Anguillus japonicus) zu isolieren und die zugehörige cDNA zu klo- nieren [1]. Sie nennen das Aal- Fluoreszenz-Protein UnaG (Unagi Green protein), in Anspielung auf Unagi, das japanische Wort für Aal, das in Europa vor allem Sushi-Fans vertraut ist. UnaG leuchtet grün (527 nm) in blauem Licht. Anders als GFP ist es sauerstoffunabhän- gig. Das ist für seine Anwendung günstig, weil sauerstoffarme Ge- webe gerade bei Krebs, Ischämie, Parasitenbefall und niedriger Stoff- wechselrate auftreten und sich bis- her der Fluoreszenzmarkierung entzogen. Biochemisch gesehen gehört UnaG zu den Fettsäure-bindenden Proteinen (fatty acid binding pro- teins FABP). Es leuchtet nicht wie GFP durch einen eigenen farbtra- genden Anhang (Chromophor), sondern entwickelt erst dann eine Fluoreszenz, wenn es an Bilirubin bindet. Dieses Abbauprodukt von Hämoglobin ist ein bedeutender Marker für die Leberfunktion, er- höhte Werte im Blutserum des Menschen weisen beispielsweise auf Gelbsucht hin. Eine Labormes- sung von Bilirubin erfolgte bisher indirekt durch Lichtabsorption und ist recht umständlich. Mit UnaG ist jetzt eine direkte Fluores- zenzmessung möglich, die auch nach einer Hämolyse durch unge- kühlten Transport oder längerer Aufbewahrung der Blutprobe noch funktioniert. Daher ist der Einsatz selbst in unwegsamen Regionen von Entwicklungslän- dern möglich, um dort beispiels- weise eine lebensbedrohende Neugeborenen-Gelbsucht zu diagnostizieren. In niedriger Dosierung schützt Bilirubin Zellen vor oxidativem Stress. Das könnte auf seine Funk- tion in der Muskulatur des Aals hinweisen, der sich durch seine 338 | Biol. Unserer Zeit | 6/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ZELLBIOLOGIE Aal-grün: Eine neue Farbe in der Fluoreszenz-Toolbox Fluoreszenz-Proteine haben die experimentelle Biologie in den vergan- genen Jahren revolutioniert: Ihr Aufleuchten zeigt, wann, wo und oft auch wozu entsprechend markierte Proteine in einer Zelle auftauchen. Neben dem grün fluoreszierenden Protein GFP (green fluorescent protein) aus der Qualle Aequorea verwenden Labore inzwischen modifizierte GFP-artige Proteine mit anderen Fluoreszenzspektren und NIR-Proteine (near infrared) aus Bakterien. Jetzt wurde im Aal ein Fluoreszenz-Protein mit vollkommen neuen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten entdeckt. PREISRÄTSEL Neues Naturmagazin am Start Fundiert und unterhaltsam möchte das Magazin TIERWELT- live alle drei Monate Wissenwertes, Aktuelles und Über- raschendes über Tiere und Natur berichten, ergänzt durch Reportagen und Bildstrecken. Mit den Machern der TV-Serie „Expeditionen ins Tierreich” und in Zusammenarbeit mit der Heinz Sielmann Stiftung wird die Zeitschrift von einem Team aus Tierfilmern, Biologen und Naturfotografen zusammen- gestellt. Verlost werden drei Jahresabonnements von TIERWELT live unter denjenigen, die folgende Frage richtig beantworten: Welcher scheue Laufvogel lebt hauptsächlich auf Neuguinea (Abbildung)? Hinweis: Das TV-Team von „Expeditionen ins Tierreich“ konnte den Einzelgänger bei den Dreharbeiten zu „Wildes Australien“ beobachten: http://bit.ly/1hj9ali Schicken Sie bitte Ihre Lösung per Postkarte bis zum 27. Januar 2014 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“, Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach- Anschriften angeben! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. ABB. Fluoreszierender Glasaal. Bild: A. Kumagai, RIKEN Brain Science Institute.

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Aale (Anguillus spec.) sind beliebteSpeisefische mit einem verblüffen-den Lebenslauf: Erwachsene Aaleleben in Flüssen und wandern zurFortpflanzung Tausende von Kilo-metern weit in ihre arttypischenLaichgewässer der Ozeane. Dortschlüpfen aus den befruchteten Eiern weidenblattförmige Larven,welche sich schließlich in längli-che Glasaale verwandeln und dieRückreise in die Flüsse antreten.Glasaale sind nahezu durchsichtig,zeigen in blauem Licht aber einecharakteristische Grün-Fluores-zenz. Diese geht von jungen Mus-kelfasern entlang der zentralenKörperachse aus, erscheint abernicht in Kiemen, Herz oder Ver-dauungsorganen.

Kumagai und seiner Arbeits-gruppe gelang es, das Fluoreszenz-Protein aus dem Japanischen Aal(Anguillus japonicus) zu isolierenund die zugehörige cDNA zu klo-nieren [1]. Sie nennen das Aal-Fluoreszenz-Protein UnaG (UnagiGreen protein), in Anspielung aufUnagi, das japanische Wort für Aal,das in Europa vor allem Sushi-Fansvertraut ist. UnaG leuchtet grün(527 nm) in blauem Licht. Andersals GFP ist es sauerstoffunabhän-gig. Das ist für seine Anwendunggünstig, weil sauerstoffarme Ge-webe gerade bei Krebs, Ischämie,Parasitenbefall und niedriger Stoff-wechselrate auftreten und sich bis-her der Fluoreszenzmarkierungentzogen.

Biochemisch gesehen gehörtUnaG zu den Fettsäure-bindendenProteinen (fatty acid binding pro-teins FABP). Es leuchtet nicht wieGFP durch einen eigenen farbtra-genden Anhang (Chromophor),sondern entwickelt erst dann eineFluoreszenz, wenn es an Bilirubinbindet. Dieses Abbauprodukt vonHämoglobin ist ein bedeutenderMarker für die Leberfunktion, er-höhte Werte im Blutserum desMenschen weisen beispielsweiseauf Gelbsucht hin. Eine Labormes-sung von Bilirubin erfolgte bisherindirekt durch Lichtabsorption

und ist recht umständlich. MitUnaG ist jetzt eine direkte Fluor es -zenzmessung möglich, die auchnach einer Hämolyse durch unge-kühlten Transport oder längererAufbewahrung der Blutprobe noch funktioniert. Daher ist derEinsatz selbst in unwegsamen Regionen von Entwicklungslän-dern möglich, um dort beispiels-weise eine lebensbedrohende Neugeborenen-Gelbsucht zu diagnostizieren.

In niedriger Dosierung schütztBilirubin Zellen vor oxidativemStress. Das könnte auf seine Funk-tion in der Muskulatur des Aalshinweisen, der sich durch seine

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Aal-grün: Eine neue Farbe in der Fluoreszenz-ToolboxFluoreszenz-Proteine haben die experimentelle Biologie in den vergan-genen Jahren revolutioniert: Ihr Aufleuchten zeigt, wann, wo und oftauch wozu entsprechend markierte Proteine in einer Zelle auftauchen.Neben dem grün fluoreszierenden Protein GFP (green fluorescent protein) aus der Qualle Aequorea verwenden Labore inzwischen modifizierte GFP-artige Proteine mit anderen Fluoreszenzspektren und NIR-Proteine (near infrared) aus Bakterien. Jetzt wurde im Aal ein Fluoreszenz-Protein mit vollkommen neuen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten entdeckt.

PR E I S R Ä T S E L

Neues Naturmagazin am StartFundiert und unterhaltsam möchte das Magazin TIERWELT-live alle drei Monate Wissenwertes, Aktuelles und Über -raschendes über Tiere und Natur berichten, ergänzt durchReportagen und Bildstrecken. Mit den Machern der TV-Serie„Expeditionen ins Tierreich” und in Zusammenarbeit mit derHeinz Sielmann Stiftung wird die Zeitschrift von einem Teamaus Tierfilmern, Biologen und Naturfotografen zusammen-gestellt. Verlost werden drei Jahresabonnements von TIERWELT live

unter denjenigen, die folgende Frage richtig beantworten: Welcher scheue Laufvogel lebt hauptsächlich auf Neuguinea (Abbildung)? Hinweis: Das TV-Team von „Expeditionen ins Tierreich“ konnte den Einzelgänger beiden Dreharbeiten zu „Wildes Australien“ beobachten:http://bit.ly/1hj9ali

Schicken Sie bitte Ihre Lösung per Postkarte bis zum 27. Januar 2014 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“,Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach- Anschriften angeben! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

A B B . Fluoreszierender Glasaal. Bild: A. Kumagai, RIKEN Brain Science Institute.

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Dauerleistungsfähigkeit auszeich-net. UnaG kann daher helfen, dieAufgabe von Bilirubin im Organis-mus aufzuklären und so nicht nurdie Biologie des Aales, sondernauch den Häm-Stoffwechsel des

Menschen besser zu verstehen.Vermutlich kann UnaG wie GFPder Ausgangsstoff für weitere indu-zierbare Fluoreszenzmoleküle wer-den und so einen breiten Anwen-dungsbereich erlangen.

[1] A. Kumagai et al., A Bilirubin-InducibleFluorescent Protein from Eel Muscle, Cell 2013, 153, 1602-1611.

Inge Kronberg, Büsumwww.naturverstehen.de

N AT U R S C H U T Z

Der Kampf um die Seen in den fünf „neuen Ländern“

Seen sind komplex vernetzte und sensible ökologische Systeme, die durch eine Vielzahl anthropogener Einflüsse oder gar als Rendite-objekte Gefahr laufen, ihren natürlichen Charakter zu verlieren. Bisheute wurden schon etwa 14.000 ha Wasserfläche in der ehemaligenDDR an private Eigentümer verkauft – ohne dass die Öffentlichkeit vieldavon erfuhr. Bürgerproteste sorgten für ein Umdenken, sodass nunviele Seen wieder im Besitz von Bundesländern wie Mecklenburg-Vor-pommern und Brandenburg sind.

Als im Jahr 2007 der kleine Verein„Pro Mellensee“, der sich seit Jah-ren bemühte, den gleichnamigen,eutrophen See in einen besserenökologischen Zustand zu bringen,Fördermittel beantragte, wurde ermit einer „Veränderungssperre“konfrontiert. Nachforschungen er-gaben Folgendes: Der See mit sei-nen ca. 240 ha Wasserfläche, derzu DDR-Zeiten zum Volkseigentumgehörte, war wie landwirtschaftli-che Nutzflächen, Wälder und vieleandere Seen aufgrund des Eini-gungsvertrags zwischen der DDRund der BRD am 3.10.1990 in dasEigentum des Bundes überführtworden.

Gemäß Treuhandgesetz vom17.6.1990 sowie dem Entschädi-gungs- und Ausgleichsgesetz wa-ren die Privatisierung und even -tuelle Entschädigungen früherer Eigentümer der oben genanntenFlächen durch das Bundesfinanz-ministerium geregelt. Ausführen-des Organ ist die vom Ministeriumausgegliederte Bundesvermögens-und Verwaltungsgesellschaft(BVVG) als Tochter der Bundesan-stalt für vereinigungsbedingte Son-

deraufgaben (BvS). Nachdem ProMellensee e.V. von den Seenver-käufen erfuhr und kurz zuvor eindem Mellensee vorgelagerter See(Wolziger See) von einer Immobi-liengesellschaft aus einem anderenBundesland ersteigert worden war,initiierte der Verein sofort eine Unterschriftenaktion gegen die Privatisierung der Seen, denn manhörte, dass der Mellensee einer dernächsten Seen wäre, der auchdurch eine Versteigerung privati-siert werden sollte. An viele politi-sche Institutionen auf Landes- undBundesebene wurden Anfragenund Protestbriefe gesandt, um Lan-

des- und Bundesebene aufzurüt-teln und diesen Umgang mit denSeen, die neben ihrer ökologi-schen und touristischen Bedeu-tung vor allem hohen Identität stif-tenden Wert für die Bevölkerungbesitzen, zu unterbinden. Ein aufPrivatbesitz beruhendes Eigen-tumsmosaik zusammenhängenderSeenstrukturen hätte unvorherseh-bare Folgen für die Nachhaltigkeitökologischer und naturschutzge-mäßer Zusammenhänge.

Nicht selten blieben Antwortenaus, kamen erst nach Monaten,oder man wurde auf andere Insti-tutionen oder aber auf die Unan-tastbarkeit der gesetzlichen Vor-schriften hingewiesen.

Inzwischen wurden die Medienaufmerksam. Lokale und überre-gionale Zeitungen, Fernsehen undRundfunk berichteten über dieSeenprivatisierungen.

Die Proteste verstärkten sichvor allem nach der Online-Petitiondes BUND an den Bundestag, diein einem relativ kurzen Zeitraumvon weit über 100.000 Bürgernaus dem gesamten Bundesgebietmitgezeichnet und damit eine derBundestagspetitionen mit denmeisten Unterzeichnern wurde.

Schließlich kam es zu Vorstö-ßen der Bundesländer Mecklen-burg-Vorpommern und Branden-burg im Bundesrat mit Forderun-gen nach kostenloser Übertragungder noch im Besitz der BVVG be-findlichen Seen. Der Bund ließsich auf eine kostenlose Übertra-gung nicht ein, wollte aber die in-zwischen enormes Aufsehen erre-gende Situation vom Tisch habenund schlug vor, die noch im Besitzder BVVG verbliebenen Seen im

A B B . Wem sollen die Seen in denneuen Bundesländern gehören? Hierder Mellensee in Brandenburg, eineder umstrittenen Wasserflächen.