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W. Ruf-Ballauf Einführung in die Gesundheitswissenschaften 1 Duale Hochschule VS-Schwenningen – Fakultät Sozialwesen 2. Semester Modul 8 – Sommersemester Gesundheitswissenschaften für die Soziale Arbeit I Vorlesung: „Einführung in die Gesundheitswissenschaften“ Dozent: Dr. Wolfgang Ruf-Ballauf Stand: April 2017 Inhalt 1. Gesundheitswissenschaften / Public Health 3 a. Definition und Entwicklung des Fachgebietes 3 b. Grundlagen der Gesundheitswissenschaften 4 I. Medizin 4 II. Sozialwissenschaften 6 III. Verhaltenswissenschaft 8 IV. Epidemiologie 10 V. Gesundheitsökonomie 11 VI. Ethik 13 VII. Gesundheitspolitik 14 2. Die großen Körpersysteme 16 a. Stütz- und Bewegungsapparat 16 b. Herz-Kreislaufsystem und Lunge 18 c. Verdauungssystem und Stoffwechsel 20 d. Urogenital-und Reproduktionssystem 22 e. Blut- und Immunsystem 24 f. Hormone 27 g. Sinnesorgane und Haut 29 h. Nervensystem und Psyche 31 3. Gesundheitsstörungen und sozialmedizinisch wichtige Krankheitsbilder a. Modelle von Gesundheit und Krankheit . 33 b. Das Krankheitsfolgemodell der WHO : Die ICF 36 c. Sozialmedizin – Fachgebiet und Begrifflichkeit 39 d. Die großen Volkskrankheiten 43 e. Krankheit und sozialer Status 46 4. Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention 50 a. Salutogenese-Konzept 51 b. Vorsorgeprogramme 52 c. Prävention 53 d. Betriebliches Gesundheitsmanagement 55

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DualeHochschuleVS-Schwenningen–FakultätSozialwesen2.SemesterModul8–SommersemesterGesundheitswissenschaftenfürdieSozialeArbeitIVorlesung:

„EinführungindieGesundheitswissenschaften“Dozent:Dr.WolfgangRuf-BallaufStand:April2017Inhalt

1. Gesundheitswissenschaften/PublicHealth 3

a. DefinitionundEntwicklungdesFachgebietes 3b. GrundlagenderGesundheitswissenschaften 4

I. Medizin 4II. Sozialwissenschaften 6III. Verhaltenswissenschaft 8IV. Epidemiologie 10V. Gesundheitsökonomie 11VI. Ethik 13VII. Gesundheitspolitik 14

2. DiegroßenKörpersysteme 16

a. Stütz-undBewegungsapparat 16b. Herz-KreislaufsystemundLunge 18c. VerdauungssystemundStoffwechsel 20d. Urogenital-undReproduktionssystem 22e. Blut-undImmunsystem 24f. Hormone 27g. SinnesorganeundHaut 29h. NervensystemundPsyche 31

3. GesundheitsstörungenundsozialmedizinischwichtigeKrankheitsbilder

a. ModellevonGesundheitundKrankheit . 33b. DasKrankheitsfolgemodellderWHO:DieICF 36c. Sozialmedizin–FachgebietundBegrifflichkeit 39d. DiegroßenVolkskrankheiten 43e. KrankheitundsozialerStatus 46

4. GesundheitsförderungundKrankheitsprävention 50

a. Salutogenese-Konzept 51b. Vorsorgeprogramme 52c. Prävention 53d. BetrieblichesGesundheitsmanagement 55

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e. SozialeArbeitundGesundheitsförderung 57

5. DasöffentlicheGesundheitswesen 58

a. DasgegliederteSystemdersozialenSicherung 58b. KrankenversicherungundPflegeversicherung 60c. ÖffentlicheGesundheitsdiensteundihreAufgaben 62d. SozialeArbeitundöffentlichesGesundheitswesen 65

Literaturliste 66WeitereLiteratur 67Anhänge: IGesundoderkrank?ZweiBeispiele 68IIAnwendungsbeispielzurICF–Quantifizierunggestörtermentaler 69FunktionenbeiALZHEIMER-DemenzIIILeistungenderPflegeversicherung 73IVFragebogenzurLebensorientierung(SOC–Antonovsky) 74Hinweise:

DasSkriptzurVorlesungstelltdieWissensbasisdarundsolltevollständiggelesenwerden.InderVorlesungwirddasSkriptnichtsystematischdurchgesprochen,vielmehrwirdderStoffdurchFolienundDiskussionvertieft.DieKenntnisdesSkriptsistdaherVoraussetzung,umoptimalprofitierenzukönnen.Internet-Linkswurdenüberprüftundaktualisiert.DieQuellenangabevonInternetadressen(URL)ohneLinkfunktionbetrifftmöglicherweisenichtmehraktiveInternetseiten.ZahlenangabenohneQuellenhinweisbeziehensichaufAngabendes/derStatistischenBundesamtes(http://www.destatis.de),Robert-Koch-Instituts(RKI)(http://www.rki.de)oderGesundheitsberichtserstattungdesBundes(http://www.gbe-bund.de).DasSkriptistVorlesungsmaterialundnichtzumöffentlichenGebrauchbestimmt.

Autor:Dr.med.WolfgangRuf-BallaufFacharztfürPsychosomatischeMedizinundPsychotherapieFacharztfürInnereMedizin–Gastroenterologie-Zusatzqualifikationen:Sozialmedizin,Psychotherapie,Rehabilitationswesenhttp://www.ruf-ballauf.deTutoriumzurVorlesung:ZweiinhaltlichidentischeTerminewerdenangeboten.Eswirdempfohlen,aneinemderbeidenTermineteilzunehmen,dieTerminesindoffenfürbeideKurseTermine:20.und24.April2017,jeweilsum13:30Uhr.Raumwirdkurzfristigbekanntgegeben

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1. Gesundheitswissenschaften/PublicHealth

a. DefinitionundEntwicklungdesFachgebietesPublicHealthisterstmalsinden20-igerJahrendesletztenJahrhundertssodefiniertworden(Winslow1920):„Publichealthisthescienceandtheartofpreventingdisease,prolonginglife,andpromotingphys-icalhealthandefficiencythroughorganizedCommunityeffortsforthesanitationoftheenviron-ment,thecontrolofCommunityinfections,theeducationoftheindividualinprinciplesofpersonalhygiene,theorganizationofmedicalandnursingServicesfortheearlydiagnosisandpreventivetreatmentfordisease,andthedevelopmentofthesocialmachinerywhichwillensuretoeveryin-dividualintheCommunityaStandardoflivingadequateforthemaintenanceofhealth."

ZusammengefasstgehtesumdieVerbesserungdergesundheitlichenLagederBevölkerungund–zumindestdamals–umdieSteigerungderLebenserwartungdurchgesellschaftlicheorganisierteMaßnahmen.IneinerneuerenDefinitionwirddiegesellschaftlicheDimensionunterstrichen(OxfordTextbookofPublicHealth1991):„Publichealthistheprocessofmobilizinglocal,state,nationalandinternationalresourcestosolvethemajorhealthproblemsaffectingcommunities."

HeuteistnichtmehrdieLebensverlängerung(„addyearstolife“)dasprimäreZiel,sonderdieSteigerungderLebensqualität(„addlifetoyears“–WHO).DieStrategienvonWinslowwurdenweitgehendbeibehalten:

• Verbesserungder(Umwelt-)Hygiene• EindämmungderInfektionskrankheitendurchpräventiveMaßnahmen• Gesundheitserziehung• präventiveundfrühdiagnostischeAusrichtungdesmedizinischenSystems• Einbindungnicht-medizinischerBerufsgruppen(z.B.Sozialarbeiterinnen)indasVersorgungs-

system• AbbaugesundheitlicherundsozialerUngleichheit

DieGewichtungenhabensichallerdingsverschoben.InfektionskrankheitenbegrenzenindenentwickeltenLändernnichtmehrdieLebenserwartung.DieHygienehatsichindenin-dustrialisiertenLändernerheblichverbessert,wobeiUmweltfaktoren(wieder)zunehmendeineRollespielen.SchwerpunktesindheutediemedizinischenundpsychosozialenVersor-gungssysteme.DerBegriff„PublicHealth“findetimDeutschenkeinetreffendeÜbersetzung.Inzwischenwird„PublicHealth“undGesundheitswissenschafteninDeutschlandweitgehendsynonymgebraucht.DreiPrinzipienkennzeichnendieGesundheitswissenschaften:PrinzipderMultidisziplinarität

EsgibteinenRichtungsstreitdarüber,obdieGesundheitswissenschafteneineUnterdis-ziplinderMedizindarstellenoderobdieMedizingleichberechtigtnebenanderenDiszip-linenihrenBeitragzurAnalyseundLösunggesellschaftsbezogenerGesundheitsproble-meleistet.DieVoraussetzungenfür„PublicHealth“-Studiengängesindregionaldurch-ausunterschiedlich;aneinigenHochschulenwerdennurMedizinerzugelassen,dieMehrheitderUniversitätenverfolgteherdasPrinzipderMultidisziplinarität(s.unten).

Bevölkerungs-undSystembezugPublicHealthbefasstsichmitBevölkerungsgruppenunddemGesundheitssystemundnichtmitdemeinzelnenIndividuum.GesundheitsökonomieundGesundheitspolitiksinddeshalbwichtig,genausowiedieEpidemiologie,diesichmitderVerteilungvonGe-sundheitszuständen,RisikenundRessourceninderBevölkerungbefasstunddasGe-wichtderunterschiedlichenEinflussfaktorenanalysiert.

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AnwendungsorientierungIndenGesundheitswissenschaftengehtesnichtinersterLinieumGrundlagenfor-schung,sondernumeinenkonkretenBeitragzurLösunggesundheitlicherProblemeinderBevölkerung.PublicHealthliefertAnalysenzuzentralenGesundheitsproblemen,benenntAnsatzpunktefürihreLösungundentwickeltStrategienundLösungsansätze.Beispiele:- WissenundEinstellungenzurZahngesundheitimKleinkindalterwurdenerhobenundBera-

tungsprogrammefürElternentwickelt.- EinProgrammzurVerhinderungberufsbedingterAllergienimHandwerkwurdeinZusam-

menarbeitmiteinerKrankenkasseentwickeltundevaluiert.b. GrundlagenderGesundheitswissenschaftenPublicHealthistehereine„Multidisziplin“,derenGrundlageninnatur-,geistes-undgesell-schaftwissenschaftlichenFächernzufindensind.ImFolgendenwerdendiespezifischenBei-trägedereinzelnenFächerzuPublicHealthskizziert.

I. MedizinÄrztesindhäufigderAnsicht,dassdieMedizin(„ärztlicheHeilkunst“)denentscheiden-denBeitragzurVerwirklichungderZielevonPublicHealthliefert.Diesistnurinsoweitrichtig,alsdieWiederherstellungoderVerbesserungderGesundheitdesIndividuumsalsZielärztlicherBemühungenauchderVerbesserungdesGesundheitszustandesderBe-völkerungdient.EsbestehteineWechselwirkungzwischenderGesundheitdesIndividu-umsundderGesellschaft.JedeVerbesserungdesGesundheitszustandesdesEinzelnenwirdsichineinerbesserenVolksgesundheitundumgekehrtzeigen.HierbeibleibtderFocusärztlichenHandelnsjedochaufdasIndividuumbeschränkt.

DieSteigerungderLebenserwartungim20.Jahrhundert(s.Grafik)wareinErgebnisme-dizinischenFortschritts.ABER:DerSachverständigenratfürdiekonzentrierteAktionimGesundheitswesenschätztnachAuswertungnationalerundinternationalerStudienimJahr2001denBeitragdesGesundheitswesensimengerenSinneauf10bis40%bezogenaufdieVeränderungderLebenserwartungundSterberaten(Mortalität).Diesbedeutet,dassandereFaktorenandiesenVeränderungen(deutlich)mehrGewichthabenalsdieMedizin.

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AlsBeispielfürdenhistorischenFortschrittderMedizinistdieBehandlungvonInfekti-onskrankheiten,insbesonderederTuberkulose,zunennen.SoließdiePasteurisierungderMilchnach1900dieLebenserwartungsprunghaftansteigen.DieEntwicklungderBCG-ImpfungunddieEntdeckungvonTuberkulostatika(AntibiotikagegenTuberkulose)eliminiertendieTuberkuloseinDeutschlandfastvollständig.HeuteistmedizinischesGrundwissendieVoraussetzungdafür,dassMaßnahmenderPublicHealthwieGesundheitsförderungundPräventionüberhaupterfolgreichange-wandtwerdenkönnen.Beispielhaftseiengenannt:

DieInfektiologiehatgrundlegendeErkenntnissezumVerständnisvonInfektionskrankheiten,derenProphylaxeundTherapieerarbeitet.DievonderRisikofaktorenmedizinidentifiziertenProtektiv-undRisikofaktorengebendenda-raufbezogenenMaßnahmenderVerhaltens-undVerhältnispräventiondieLegitimationundAusrichtung.ArbeitsmedizinischeErkenntnisseliefertendieGrundlagenzurProphylaxevonBerufskrankhei-ten,zumArbeitsschutzundanderenPräventions-maßnahmeninBetrieben.ErnährungsphysiologischeErkenntnissebildendieGrundlagefürErnährungsempfehlungenundDiätprogramme.SportmedizinischeErkenntnissewurdennichtnurzurEntwicklungdesLeistungssportes,son-dernauchzurFörderungdesBreitensportesgenutzt.ErkenntnissederGerontologieundGeriatriebildendieBasisfürPräventionsmaßnahmeninhöherenAltersgruppen.ErkenntnissederPränatalmedizinbildendieGrundlagezurReduktionderfrühkindlichenSterblichkeit.ErkenntnissederPsychoanalysehabenzumVerständnisundzurBeeinflussbarkeitintrapsy-chischerKonfliktebeigetragen.ErkenntnissederMedizinischenSoziologieundSozialmedizinüberdieEffektivitätundEffizienzvonSystemenderGesundheitsversorgungkönnenfürgesundheitspolitischeEntscheidungengenutztwerden.(zitiertaus:Kolip,„Gesundheitswissenschaften–eineEinführung“,s.Literaturempfehlungen)

DieMedizinfördertauchmitdirektenVersorgungsleistungendieZielevonPublicHealth.FolgendeLeistungenwerdengenannt:

RegelmäßigeSchwangerschaftsuntersuchungenunddaraufbezogeneärztlicheBehandlungentragenzurSenkungderpränatalenSterblichkeitebensowiedieEntwicklungderGeburtshilfezurSenkungderMüttersterblichkeitbei.FrüherkennungsuntersuchungenfürKinderkrankheiten.ImpfungvonKleinkindernmitSenkungderMorbiditäts-undMortalitätsratenbeiInfektions-krankheitensowiedieImpfungvonErwachsenenbeibesonderenGefährdungenChirurgischeNotfallversorgungbeiUnfallopfern.LinderungvonBeschwerdenundBefindlichkeitsstörungenbei„banalen"Krankheiten(wieEr-kältungskrankheiten,Wetterfühligkeit,Überforderungssyndromenetc.)mitihrenAuswirkun-genaufdieArbeits-undLeistungsfähigkeitsowiedassubjektiveWohlbefinden.FrühdiagnoseundTherapievonHerz-Kreislauf-ErkrankungenmitihrenAuswirkungenaufdieVerhinderungvonSchlaganfällenundHerzinfarktensowiedieVerlängerungderLebenser-wartung.FrühdiagnoseundTherapievonKrebserkrankungenmitihrenAuswirkungenaufdieEr-höhungderLebenserwartungunddieReduzierungdesLeidensderBetroffenen.FrühdiagnoseundTherapievonStoffwechselerkrankungen(z.B.Diabetes,rheumatischeEr-krankungen)mitihrenAuswirkungenaufdieLebensdauerundLebensqualitätderBetroffe-nen.LebensverlängerndeMaßnahmenbeiBehinderungenundaltersspezifischenBeschwerden.(zitiertaus:Kolip,„Gesundheitswissenschaften–eineEinführung“,s.Literaturempfehlungen)

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AlsweitereGrundlagesinddieStatistikenzurmedizinischenVersorgungundzumsub-jektivenKrankheits-/Gesundheitsstatuszunennen.DieImpfprophylaxeistBeispielfüreinenüberwiegendmedizinischbegründetenBeitragzuPublicHealth.AufgesetzlicherGrundlage(Injektionsschutzgesetz2001)wirddieUm-setzungundAktualisierungderImpfprophylaxedurcheineKommission(STIKO–ständigImpfkommissionamRobert-Koch-Institut)überwacht.DieImmunitätwichtigerInfekti-onskrankheitenhateinenhohenStanderreicht,z.B.Diphtherie80%,Masern92%,Mumps90%,Pocken100%(PockenalsKrankheitistinEuropaeliminiert).AlsweiterenBeitragzuPublicHealthsinddiePräventionsmaßnahmengegenHerz-Kreislauf-Erkrankungen(TodesursacheNr.1!)zunennen.Dieswirdunten(4.Gesund-heitsförderungundKrankheitsprävention)weiterausgeführt.

II. SozialwissenschaftenDerFocusderSozialwissenschaftenliegtauf- derUntersuchungdersozialenUngleichverteilungvonGesundheitundKrankheit,- sozialenFaktorenbeiAusbruchundVerlaufvonKrankheiten,- derVerbindungvonsozialerUnterstützungundKrankheit,- derUntersuchungstrukturellerundindividuellerDeterminantendesGesundheits-

undKrankheitsverhaltens.SozialeUngleichverteilungvonGesundheitundKrankheit.EntsprechendderZugehörig-keitzursozialenSchicht(soziologischesSchichtenmodell:ZugehörigkeitdefiniertdurchEinkommen,QualifikationundberuflicheStellung)istdasErkrankungsrisiko(Morbidität)indenunterensozialenSchichtendeutlicherhöht,beiMännernmehralsbeiFrauen.GleichwohlweisenKrankheitshäufigkeitendeutlicheGeschlechterunterschiedeauf(z.B.mehrHerzinfarktebeiMännern,mehrDepressionenbeiFrauen),jedochbleibtderSchichtengradientbezogenaufeineKrankheitstetsbeobachtbar.DieserZusammenhanggiltfüralleLänderundfastalleKrankheiten.DieseUngleichheitbeginntbereitsimKin-desalterunderreichteinMaximumumdas50.Lebensjahr.ErstinhöheremLebensalternivellierensichdieUnterschiede.DieFaktoren,diedieSchichtzugehörigkeitbestimmen,werdenauchfürdieMorbiditätsunterschiedeverantwortlichgemacht.Derentschei-dendeFaktoristwohldiematerielleLage,diesichaufWohnqualität,Hygienestandards,Ernährungsgewohnheiten,TeilhabeamgesellschaftlichenLeben(Kino,Theater,Konzer-te…)undInformationsmöglichkeiten(überGesundheitsgefährdungen)auswirkt.Quali-fikationbzw.BildungwirktsicheinerseitsaufWissenüberGesundheitundPräventi-onsmöglichkeitenaus,andererseitsbestimmtsieauchdieStellungimBeruf.Hiermitverbundensindbestimmte,berufs-bzw.tätigkeitsspezifischeBelastungsprofile(z.B.hö-hereLärm-undEmissionsbelastungenbeieinfachenbzw.wenigerqualifiziertenTätig-keiten).FernerwerdenPräventionsmöglichkeiteninunterensozialenSchichtenwenigerangenommen(z.B.Sport,Vorsorgeuntersuchungenu.a.).DerZusammenhangwirdwei-teruntenausführlicherdargestellt(3.eKrankheitundsozialerStatus).DerBeitragderSozialwissenschaftenandieserStelleistauch,eine(politische)Diskussi-ondarüberanzustoßen,wieweiteinLandseinenBürgerngleicheLebenschancener-möglichtundwieentsprechendderPrioritäten(knappe)Ressourcenverteiltwerdensol-len.SozialeDeterminantenvonGesundheitundKrankheit.ZuberücksichtigensinddieAus-wirkungenakuterundchronischerBelastungen,VulnerabilitätsfaktorenundLebenswei-sebzw.Lebensstile.AkuteBelastungensindmeistLebensereignisse(„lifeevent“),dieeineerheblicheAnpassungsleistungerfordern.Einerseitsbestehtindenunterensozia-

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lenSchichteneinehöhereWahrscheinlichkeiteines„lifeevent“,andererseitssinddieBewältigungsmöglichkeiten(„coping“)geringer,z.B.durchmangelndesozialeUnterstüt-zung(s.u.).ChronischeBelastungensindübereinenlängerenZeitraumwirksamundführennachei-nersog.LatenzphasezurerhöhtenKrankheitsanfälligkeit.SolcheBelastungensindnichtnurdieArbeitsbedingungen,sonderninsbesondereauchpsychosozialeFaktorenwiehohesEngagementbeigeringerAnerkennung,Konkurrenz-undKonfliktsituationen,Ar-beitsplatzsicherheitusw.DanichtalleMenschen,dieeinerbestimmtenBelastungausgesetztsind,erkranken,mussesweitere,individuelleFaktoren(Vulnerabilitätsfaktoren)geben,diedasKrank-heitsrisikomodifizieren.SolcheVulnerabilitätsfaktorensindentwedergenetischbedingtoderinder(frühen)KindheiterworbeninfolgebiographischerDefiziteundBelastungen.ÜberdiepsychosozialenRisikofaktorenausderKindheitunddieAuswirkungenaufGe-sundheit/KrankheitwirdausführlichinderVorlesung„Psychosomatik“imkommendenSemestereingegangen.GesundheitsbezogenenLebensstilenwirdebenfallsBedeutungbeigemessen.UnterLe-bensstilverstehtman„regelmäßiggemeinsamauftretendeVerhaltensweisen,Interakti-onsmuster,Wissensbestände,EinstellungenundMeinungen“(Hradil,1999).LebensstilewerdenweitgehenddurchdasElternhausu.a.durchdessenmaterielleMöglichkeitengeprägt.Damitsindsieschichtspezifischundwerdenkaumverändert,oftüberGenera-tionentradiert.SozialeUnterstützung/sozialeNetzwerke.ManunterscheidetsozialeUnterstützungvonnahestehendenVertrauenspersonen(„starkeBindungen“)undPersonen,dieinnerhalbeinerInstitutionhilfreichseinkönnen(ArbeitskollegInnen,MitarbeitervonIntegrations-diensten,Rehabilitationseinrichtungen,Krankenkasse,Arbeitsamt,Nachbarschaftshilfe,Selbsthilfegruppenusw.)(„schwacheBindungen“).StarkeBindungensindinersterLiniebeiderAbfederungakuterBelastungssituationenwichtig.DerpsychologischeEffektliegtineinerSelbstwertsteigerungsowiederRedukti-onvonAngstundDepression.NacheinergroßenamerikanischenGemeindeuntersu-chung(AlamedaCountyStudy)ergibtsichnachca.10Jahreneinca.3-fachhöheresSterblichkeitsrisikobeiPersonenmitgeringersozialerUnterstützung.DasAusmaßderUnterstützungvariiertmitdemAlter,istzwischen25und45Jahrenamgrößten.FrauenerhaltenmehrUnterstützungalsMänner,VerheiratetemehralsUnverheiratete.DerGradderUnterstützungsteigtauchmitdemsozioökonomischenStatus.DieserBereichderSozialwissenschaftenbeziehtsichalsonichtaufRisiken,dieErkran-kungenbewirkenkönnen,sondernaufRessourcen,dieErkrankungenverhindernhelfen.Salutogenese.EinspeziellerBereichderRessourcenseiteistdasKonzeptderSalutogene-se.AusgehendvonderBeobachtung,dassnichtalleMenschen,dieBelastungenausge-setztsind,aucherkranken,werdendiegesunderhaltendenFaktoren(Resilienzfaktoren)undEinflüsseuntersucht(undgestärkt).HierbeihatsichdasKonzeptvonAntonovsky(1987)durchgesetzt,welchesdensog.Kohärenzsinn(„senseofcoherence“)alsKernbe-inhaltet.Weiterunten(4.a)wirddiesausgeführt.StrukturelleundindividuelleDeterminantendesGesundheits-undKrankheitsverhaltens.UnterstrukturellenDeterminantenwerdendieRahmenbedingungenderjeweiligenGe-sundheitssystemeverstanden.DasSpektrumreichtvonsteuerfinanziertenstaatlichenSystemen(England),Mischformen(„wohlfahrtstaatlicheVersorgung“)wieinDeutsch-land,bishinzuprivatwirtschaftlichorganisiertenSystemen(USA).IndenUSAexistierennebenderprivaten,risikoabhängigenKrankenversicherungVersicherungenfürErwerbs-

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tätige,fürArme(Medicaid),fürAlte(Medicare),u.a.EntsprechendheterogenistdasLeistungsangebotunddamitdieGesundheitsversorgung.VieleMenschenhabentrotzderReformenderObama-RegierungkeinerleiKrankenversicherung.AuchwennkeinestrukturellenBarrierenimVersorgungsangebotbestehen,zeigtsich,dassdasInanspruchnahmeverhaltensehrunterschiedlichist.NiedrigerBildungsgradistmiteinemverspätetenAufsuchenmedizinischerHilfeundgeringerNutzungpräventiverAngeboteassoziiert.ArmutkorreliertmiteinerniedrigerenFrequenzvonArztbesuchen,selbstwenndiesekostenfreiangebotenwerden.DieInanspruchnahmeistauchvonderDiagnoseabhängig.Einepsychiatrischeoderpsy-chosomatischeDiagnosegiltalsStigmatisierungundwirdgernevermieden.DiesesPhä-nomenistschichtabhängigundunterliegtkulturellenEinflüssen.

III. VerhaltenswissenschaftDerBeitragderPsychologiesetztsichausverschiedenenBereichenzusammen,diealsÜbersichtwiedergegebenwerden:- Kognitionspsychologie:KonstruktionvonModellenzuGesundheitundKrankheit,

ProzessederInformationundgesundheitsrelevanterEntscheidungen.- PsychologiederEmotionundMotivation:dasErlebenvonKrankheitiststetsvon

(starken)Emotionenbegleitet,dieinnererAntriebfürgesundheitsrelevantesVerhal-tensind.

- Psychophysiologie:AufklärungderVerknüpfungpsychologischerundkörperlicherVorgänge.

- Sozialpsychologie:gesellschaftlichrelevanteErklärungsmodelledesVerhaltenswiez.B.dieAttributionstheorie,alsodie(laienhafte)ZuordnungkausalerVerknüpfungeninderKrankheitsentstehungalsBasisfürBewältigungsprozesse.

- Entwicklungspsychologie:biographischbegründeteEntstehungvonEinstellungenundVerhaltensweisen,diegesundheitsrelevantsind(z.B.dasInanspruchnahmever-haltenvonGesundheitsdiensten).

- KlinischePsychologie:EntstehungundBehandlungpsychischerStörungen- Gesundheitspsychologie:s.u.InsbesonderedieGesundheitspsychologielieferteinenwichtigenBeitragzuPublicHealth.GesundheitspsychologieintegriertdiefürGesundheit/KrankheitrelevantenEr-kenntnissederobendargestelltenGrundlagendisziplinenderPsychologiezueineran-gewandtenDisziplin.NacheinerDefinitionderAmericanPsychologicalAssociationistGesundheitspsychologie

„dieGesamtheitallererzieherischen,wissenschaftlichenundprofessionellenBeiträgederDis-ziplinPsychologiezurFörderungundErhaltungvonGesundheit,zurPräventionundBehand-lungvonErkrankungen,zurIdentifikationätiologischerunddiagnostischerKorrelatevonGe-sundheit,KrankheitunddamitverbundenerFehlfunktionensowiezurAnalyseundVerbesse-rungdergesundheitlichenVersorgungssystemeundgesundheitspolitischerEntscheidungsfin-dung.“(Anmerkung:Ätiologie=UrsachenderKrankheitsentstehung)

DieserumfassendenundanspruchsvollenDefinitionstehtdie(Forschungs-)PraxisderGesundheitspsychologieentgegen,diesichüberwiegendamIndividuumbzw.anGrup-penorientiertunddiegesellschaftlichenBezügewenigerberücksichtigt.DiegesundheitspsychologischenInterventionsstrategienzielenebenfallsaufindividuelleVerhaltensänderungenab.HierhandeltessichumteilweisesehrelaborierteKonzepte,z.B.zurGewichtsreduktionoderRaucherentwöhnung,diemitpsychologischenMetho-dendieVerhaltensänderungdesEinzelnenimFocushaben.Teilweisehandeltessich

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auchumpsychagogischeAnsätze,d.h.umdenGrenzbereichzwischenPsychologieundPädagogik.UnterdiesemAspekttragendieVerhaltenswissenschaftenauchzurAusbildungimBe-reichPublicHealthbei.AnderEntwicklungentsprechenderStudiengängesinddieVer-haltenswissenschaften(„behaviouralsciences“)starkbeteiligt,d.h.dieseStudiengängeenthaltenentsprechendefachlicheBausteine.KernbereichesinddieEbenenderÄtiolo-gie1,Prävention,InterventionundRehabilitation.DieätiologischeEbenebeschäftigtsichmitderRollederpsychologischenFaktoreninfolgendenTeilbereichen:- KonzeptefürGesundheitundKrankheit

z.B.dieFrage,warumeinmedizinischesKausalmodellwiedasRisikofaktorenmodelldesHerzinfarkts(Risikofaktoren:Rauchen,hoherBlutdruck,Übergewicht,hoheBlutfettwer-te,Diabetes,DIstressunderblicheBelastung)nichtausreicht,umVerhaltensänderungenzubewirken;GrundkönntedasVorhandenseinsubjektiverKrankheitskonzeptesein,dieemotionalstarkbesetztsind.

- gesundheitsrelevanteVerhaltensweisenVerhaltenist–auchimBereichGesundheit/Krankheit–mitverschiedenenÜberzeu-gungenverknüpftwieKontrollüberzeugungen,Selbstwirksamkeits-undErgebniserwar-tungen(„ichhabeallesunterKontrolleundsowieichesmache,wirdesschonklap-pen“).ImHealthBelief-ModellkommtdiesbeispielsweisezumAusdruck(„ichweißambesten,wasgutfürmichist“)undbedingtdamitgesundheitsrelevantesVerhalten.

- GesundheitundKrankheitselbstz.B.dieVorstellung,KrankheitentsteheinfolgenichtgelungenerBewältigungvonBelas-tungen(Stress-Vulnerabilitätskonzept–LazarusundFolkman1987).EsgehteinerseitsalsoumVulnerabilitätsfaktoren,diedieKrankheitsanfälligkeiterhöhen,andererseitsauchumRessourcen-bzw.Resilienzfaktoren,diebewältigungsförderndsind(s.u.Kon-zeptderSalutogenese).

- KrankheitsbewältigungDasStress-VulnerabilitätskonzeptspieltnichtnurfürdieEntstehung,sonderninsbeson-dereauchfürdieBewältigungvonKrankheiteneinewichtigeRolle.DiesituativeBewer-tungeinerKrankheitssituationundRessourceneinschätzungentscheidetüberdieBewäl-tigungsstrategie(„Coping“),diez.B.aufmerksamkeitsfokussierendodervermeidendseinkann.

- Nutzungsverhalten(vonAngebotendesGesundheitssystems)BestimmteAngebotedergesundheitlichenVersorgungwerdenkaumgenutzt,anderehingegensehr.HiergehtesumdieFaktoren,diedenNutzungsgradbestimmen.EinFak-torwärez.B.dieArzt-Patient-Interaktion,alsodieKommunikationzwischendemGe-sundheitsexpertenunddemBetroffenen.DieserentscheidetauchüberdieCompliance,d.h.denGradzudemPatientInnendieExperten-Vorgabenbefolgen(Therapietreue,Be-folgenderRatschlägeusw.).

InderPräventionliegtderSchwerpunktinderGesundheitskommunikationz.B.durchdieVermittlungvonInformationenüberRisikoverhaltenoderTherapiekonzepte.DieinterventionelleEbeneumfasstKonzeptefürpsychologische(Verhaltens-)Trainingsz.B.zumStressmanagement,Problemlösetraining,Wahrnehmungstrainingusw.PsychotherapeutischeInterventionenprägendieEbenederRehabilitation.AuchdieGe-staltungstrukturellerundinhaltlicherRahmenbedingungenistBestandteildieserEbene.

1FaktorenderkausalenEntstehungvonPhänomenen,AnteileinesFaktorsamPhänomen,ZusammenhangzwischendenFaktoren,z.B.istRaucheneinewesentlicheUrsachevonBronchialkrebs,abernichtalleRaucherbekommenBronchialkrebs,dasVerhältnisRaucher:Nichtraucherbeträgtjedoch10:1

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IV. Epidemiologie

DefinitiondesFachgebietes:EpidemiologieistdieUntersuchungderVerteilungundderDeterminantenvonKrankheitshäufigkeiteninumschriebenenBevölkerungsgruppenalsGrundlagefürdiePlanungvonmedizinischenLeistungenundzurLösungvonGesund-heitsproblemen.WörtlichübersetztbedeutetdiesergriechischeAusdruck„StudiumüberdasVolk“,ausdermedizinischenPerspektivekönntemanEpidemiologieauchalsBevölkerungsmedizincharakterisieren.EpidemiologischeMethodensindHandwerkszeug,mitdemnotwendigeInformationenindenGesundheitswissenschaftenerhaltenwerdenkönnen.HierbeigehtesnichtnurumBasisinformationenwiez.B.dieIdentifikationvonRisikogruppen,sondernauchumdieWirksamkeitinterventionellerStrategien.ObjektepidemiologischerStudiensindstetsGruppenoderTeilgruppenderGesellschaft,nichtdasIndividuum.EntsprechendsinddieErgebnissezuwerten.WenneineStudieergibt,dassRauchereinzehnfacherhöhtesRisikoimVergleichzuNichtrauchernhaben,anBronchialkrebszuerkranken,dannkanndarausnichtvorhergesagtwerden,obundwanneineinzelnerRauchererkrankt.AuseinersolchenStudiekannjedochauchbe-gründetwerden,dassdieEntwicklungvonAnti-RaucherKampagnensinnvollist.DieWirksamkeitsolcherKampagnenkannwiederrummitepidemiologischenMethodenevaluiertwerden.DieepidemiologischeBegrifflichkeithatEinganginweiteBereichederGesundheitswis-senschaftengefunden.EpidemiologischeBasisbegriffe:

Prävalenz:MaßfürdenBestandanKrankenzueinemdefiniertenZeitpunkt(Punktprävalenz)oderZeitraum(Periodenprävalenz),Inzidenz:MaßfürdieAnzahlderNeuerkrankungenineinemdefiniertenZeitraum,ggf.inner-halbeinerdefiniertenPopulation,Regionusw.Mortalität:ZahlderTodesfälleineinemZeitraum,ggf.innerhalbeinerdefiniertenPopulation,Regionusw.Letalität:ZahlderTodesfällebezogenaufdieZahlderNeuerkrankungen,einMaßfürdie"Tödlichkeit"einerKrankheit.AlsRate(Prävalen-,Inzidenz-usw.)wirddieAnzahlpro100.000derBevölkerungoderBevölkerungs-gruppen(meistproJahr)bezeichnet.AltersstandardisierteRaten:DieAltersstandardisierungerlaubt,RateninPopulationenmitunterschiedlicherAltersstrukturzuver-gleichen.SiegibtdieHäufigkeiteinerErkrankungoderTodesursacheunterinsgesamt100.000Personeneinerfestgelegten,inderRegelfiktiven,Altersstrukturan.Hierwirddersog.Europastandardverwen-det.

DieBasisfragenepidemiologischenArbeitenskönnensoformuliertwerden:Was(welchesGesundheitsproblem)liegtvor?WarumtrittdiesesProblemauf?Wann(InwelchemZeitraum)undzuwelchemZeitpunkttrittdasProblemauf?WieentwickeltsichdasProblem?WotrittdasProblemauf?Weristbetroffen?

EpidemiologischeBasismethodensindjenachFragestellungdieverschiedenenStudien-typen:

Querschnittstudien:MomentaufnahmedesIst-Zustandes,Längsschnittstudien:periodischwiederholteQuerschnittstudien,Kohortenstudien:LängsschnittuntersuchungendefinierterGruppenz.B.solchermitundohneRisikoexposition,

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Fall-Kontroll-Studien:Längsschnittstudiendefinierter„Fälle“,beidenenjedochdieExpositionz.B.hinsichtlicheinesRisikos,erstamEndederStudienerfasstwird,Interventionsstudien:eineneueGesundheitsmaßnahme(diagnostischeodertherapeutischeMethodez.B.neuesMedikament)wirdhinsichtlichihrerWirksamkeituntersucht.Meta-Analysen:ZusammenfassungundAuswertungmehrerer/vielerStudienmitderselbenFragestellung(s.u.).

IndenGesundheitswissenschaftenisteswichtig,StudienentsprechenddefinierterGü-tekriterienbeurteilenzukönnen.DasVorgehenbeiderDurchführungvonStudienkannsoskizziertwerden:- FormulierungdesUntersuchungsziels- FestlegungderParameter(zuuntersuchendeGrößen)- WahldesStudiendesigns(Studientyp,s.o.)- Datenerhebung- StatistikundBerechnungderZielgrößen- BewertungderErgebnisseAusderEpidemiologiekommtauchdasKonzeptderEvidenz.EvidenzbasierteMedizin(EBM)bedeuteteinePatientenversorgung,diesichaufdenjeweilsbestenwissenschaft-lichenNachweisstützt.EswurdeeineHierarchiederEvidenzentwickelt,wonachdieEvidenzgradeIbisVIdefiniertwurden.DerEvidenzgradergibtsichausderMethode,mitderdieErkenntnissegewonnenwurden.DieMethodenreichenvonMetaanalysen2,be-stimmtenInterventionsstudien(RCTs)3undanderenStudientypen(z.B.Fallkontrollstu-dien,s.o.)bishinzuExpertenmeinungen(letztereentsprächenGradVIderEvidenz).Hinweis:ImletztenTeildesSkripts"Psychosomatik"(Wintersemester)findensichweitereInformationenzumFachgebietEpidemiologie.

V. GesundheitsökonomieInderGesundheitsversorgungmusszwischendem(medizinisch)Möglichenunddem(medizinisch)Notwendigenunterschiedenwerden.AngesichtsbegrenzterRessourcenmüssendieSystemebzw.Versorgungsangebotezweckmäßiggestaltetwerden.GesundheitsökonomieistalsoeinerseitsdiewissenschaftlicheAuseinandersetzungmitderKnappheitderRessourcen.Zumanderenwirdversucht,wirtschaftswissenschaftlicheMethodenaufdasGesundheitswesenzuübertragen.Diesistnurbegrenztmöglich,daderGesundheitsbereichkeinwirklichfreifunktionierenderMarktist.SoistdieTheorievonAngebotundNachfragenichtdirektübertragbar.Kosten-Nutzen-Analysenhingegen(oder:Kosten-Wirksamkeits-Analysen)sindmittlerweisegängigeMethodeinderGe-sundheitsökonomie,mitderesgelingt,AufwandundErtraginBeziehungzusetzen.Un-ter„Ertrag“istdabeidieGesundheitsmaximierung,vielfachauchLebensqualitätzuver-stehen.Dabeiwirdmanfeststellen,dassdie(ökonomisch)aufwändigsteMedizinnichtimmerdiebestenErfolgeerbringt.WichtigeThemenbereichederGesundheitsökonomiesollenkurzbeschriebenwerden:NachfragenachGesundheitsleistungen.DieMischfinanzierungvonSozialleistungeninDeutschland(BeiträgederVersicherten,ArbeitgeberundSteuergelder)hatzurFolge,dasskeinwirklicherWettbewerbunterdenLeistungsträgernstattfindet.DennochkanndieNachfragedurchdenUmfangdesAngebotsinbegrenztemUmfanggesteuertwer-

2EineMetaanalyseistdiezusammenfassendeAuswertungmöglichstvielerPrimärstudienzurselbenFragestel-lung,siestelltdie„AnalysederAnalysen“dar.DurchdieBetrachtungvielerStudienergebnissemiteinerinsge-samthohenProbandenzahlsinddieAussagemöglichkeitengrößerbzw.dieIrrtumswahrscheinlichkeitgeringer3RCT=randomisedconrolledtrial;diesbedeutet,dassbeieinerInterventionsstudieeinezufälligeZuordnungzumInterventionszweigundzumKontrollzweig(„Placebo“-Behandlung)derStudieerfolgt.

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den.BeiVorhandenseineinesVersicherungsschutzeswerdenLeistungenmehrnachge-fragtalsohneVersicherungsschutz.BestimmteAngebotestimulierenebenfallsdieNach-frage(„angebotsinduzierteNachfrage“).DieRisikoeinschätzungisteinwesentlichesPrinzipderVersicherungsökonomie.ImBe-reichdergesetzlichenKrankenversicherungkönnenhoheRisikennichtausgegliedertwerdenbzw.nichtmithöherenBeiträgenausgeglichenwerden.PrivateKrankenversi-cherungenkönnen–ökonomischgesehen–günstigerwirtschaften,weilsieinderRegelTarifeanbieten,diegeringeRisikenmithoherSelbstbeteiligungverbinden,wasindiesenFällenzusehrgeringenAusgabenführt.AngebotvonGesundheitsleistungen.DasAngebotvonGesundheitsleistungenisteineDienstleistung,derGesundheitssektoristausökonomischerSichtDienstleistungsindust-rie.DirektundindirektBeschäftigtedieserIndustriewerdenaufca.3Millionenge-schätzt,stellenalsoeinenerheblichenWirtschaftsfaktordar.DasProduktderGesund-heitsindustrie(VerbesserungundErhaltderGesundheit)unterliegtjedochanderenGe-setzmäßigkeitenalsandereindustrielleProdukte.ZumeinenhatdasKonsumverhalten(welcheGesundheitsleistungenwerdenbevorzugtinAnspruchgenommen?)einenwe-sentlichenEinflussaufdasProduktselbst,zumanderensinddieGeldströmesehrver-schieden.BesondersdieVergütungssystemeübeneinenstarkenAnreizaufdasAnge-botsspektrumaus.DieeuropäischenGesundheitssystemekennenalsVergütungsformendasGehalt,dieFallpauschalen,dieKopfpauschalenunddieEinzelleistungsvergütung.BeispielsweisehatdieEinführungderEinzelleistungsvergütunginDänemarkzuver-mehrtenLeistungenderHausärzteundzueinemRückgangderFacharztüberweisungenundKrankenhauseinweisungengeführt.EinebesondereVergütungsformfürKranken-häusersindkomplexenFallpauschalen(DRGs=diagnosisrelatedgroups),dieseit2003indeutschenAkutkrankenhäuserneingeführtwurden.Fürüber600FallgruppenwurdenmittlereKostenermittelt(„Kostengewichte“),diealsAnreizgedachtsind,PatientennichtüberGebührlangeundteuerzubehandeln.InwieweitdiesesZielerreichtwird,istunklar.ÖkonomischeEvaluationvonGesundheitsleistungen.Seitüber10JahrenbesehtinDeutschlanddiegesetzlichePflicht,GesundheitsleistungenaufihreWirksamkeitundWirtschaftlichkeitzuüberprüfenundsieggf.ausdemLeistungskatalogauszuschließen.DiesobliegtdemGemeinsamenBundesausschussderÄrzteundKrankenkassen(GBA-www.g-ba.de).ÖkonomischeAnalysensindimGesundheitssektorproblematisch.AmhäufigstenwirddiesversuchtdurchKrankheitskosten-Analysen,Kosten-Minimierungs-Analysen,Kosten-Effektivitäts-Studien,Kosten-Nutzwert-Analysen4undKosten-Nutzen-Studien5.GeradedieausderIndustriestammendenKosten-Nutzen-Analysensindje-dochaufGesundheitsleistungennichtdirektübertragbar.ManagementvonEinrichtungenderGesundheitsversorgung.DerWettbewerbzwischendenEinrichtungenimGesundheitssektornimmtzu.InsoweitsinddieeinzelnenTrägerbemüht,ihreEinrichtungendurchdieAnwendungmodernerManagementmethodenimInteresseder„Kunden“undBeschäftigtenzuoptimieren.Management-Aufgabenum-fassen:ExterneManagement-Aufgaben

- Vertretung/Repräsentationnachaußen

4UnterNutzwertwirdLebensqualitätund(Rest-)Lebenszeitverstanden,häufigausgedrücktinsog.QALYs(dassind„qualitätsbereinigteLebensjahre“,d.h.LebensjahrevergleichbarguterQualität)5Gemeintistdie„Wirtschaftlichkeit“einerInvestition,berechenbardurchEinnahmeüberschussrechnung,Kapi-talfluss,Kapitalkosten,Zinsen,Rendite,Amortisationsdauer,Betriebskosten,Gesamtkostenu.a.

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- externeKunden1:Kostenträger(z.B.GKV,privateKV,BGs,DRVusw.)- externeKunden2:Zuweiser(z.B.Hausärzte),Vermittler(z.B.Sozialdienste)- externeKunden3:Zielgruppen(möglichePatienten)- Öffentlichkeitsarbeit

InterneManagement-Aufgaben- Qualitätsmanagement,insbesonderedie- SicherungderStruktur-,Prozess-undErgebnisqualität- EinhaltungfachlicherStandards(Fachgesellschaften->Leitlinien)- Patientenzufriedenheit- Mitarbeiter-Management- Personalplanungund-einsatz- Personalführung(z.B.Beurteilungsrichtlinien)- Personalentwicklung(Aus-,Fort-undWeiterbildung)- Mitarbeiterzufriedenheit- Budgetverantwortung- Konzeptentwicklung

VI. Ethik

Ethikals„TheoriederMoral“versucht,Regeln,PrinzipienundIdealefürunserHandelnzubenennen,damitdiesesHandelnalsmoralischgutbewertetwird.BesondersimHinblickaufdieEntwicklungneuerTechnikenundMedikamentesindethi-scheFragenwichtig.MitderBioethikhatsicheineDisziplinentwickelt,diewesentlichdazubeiträgt,welcheForschungsansätze,diagnostischeundtherapeutischeVerfahrenangewandtwerdendürfen(Beispiel:Stammzellforschung).EthischeFragenspielenauchinderPalliativmedizineineherausragendeRolle,wennesdarumgeht,beiunheilbarKrankendieLebensqualitätzuverbessernbzw.unnötigesLeidenzuersparen.InFormderPatientenverfügungen,Betreuungs-undVorsorgevollmachtenhatdiesaufPatien-tenseiteseinenNiederschlaggefunden.DaaufGrunddesdemographischenWandelsGesundheitsleistungenzukünftigüberwie-gendbeiälterenMenschenerbrachtwerden,erhaltenethischeFrageaucheinezuneh-mendeBedeutung.DieGrundprinzipienorientierensichstarkanAutonomieundSelbst-bestimmung,wiesieimGrundgesetzverankertsind.DieBioethikhatsichausderMedi-zinethikentwickelt,dieimWesentlichenaufHippokrates,Kantu.a.zurückgeht.InzwischenistdieZuständigkeitfürmedizinethischeFrageninDeutschlandklargeregelt.ImBereichdesGesundheitswesensgibteszahlreicheKommissionen,diedieEinhaltungderethischenGrundsätzeüberwachensollen.EineübergeordneteKommissionistseit1995beiderBundesärztekammer(BÄK)angesiedelt.SiehatzufolgendenFragenStel-lungnahmenherausgegeben:ForschungmitMinderjährigen,(Weiter-)VerwendungvonmenschlichenKörpermaterialien,Stammzellforschung,Schutznicht-einwilligungsfähigerPersonen,SchutzpersönlicherDatenindermedizinischenForschungu.a.EinefürdiePalliativmedizinwichtigeStellungnahmebetrifft:„EmpfehlungenderBundesärztekam-merundderZentralenEthikkommissionbeiderBundesärztekammerzumUmgangmitVorsorgevollmachtundPatientenverfügunginderärztlichenPraxis(2007)“.(Siehe:http://www.zentrale-ethikkommission.de)FernerhatjedeLandesärztekammer(LÄK)ihreeigeneKommission,dieinderArbeits-gemeinschaftderEthikkommissionenzusammenarbeiten.AuchanjederUniversitätsindentsprechendeGremieneingerichtet,diehauptsächlichethischeFragenimRahmenvonForschungsprojektenbehandelnundebenfallsmitdeno.a.Institutionenkooperieren.AuchpharmazeutischeFirmenmüssenanwendungsori-

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entierteForschung(EinführungneuerMedikamente)durchEthik-Kommissionenge-nehmigenlassen

VII. GesundheitspolitikEsgibtguteGründe,warumGesundheitspolitikBestandteilvonPublicHealthist.Bei-spielhaftseiengenannt:

- DiegrundgesetzlicheVerpflichtung- DiesozialeUngleichheitvonKrankheitundLebenserwartung- DerZusammenhangzwischenkollektiverundindividuellerGesundheit- EinflussfaktorenmitAuswirkungenaufdieGesundheitwieErnährung,Bildung,

Wohnen,Verkehru.a.- (weitere)UmweltbedingungenundGesundheit- ArbeitsbedingungenundGesundheit(Arbeitsunfälle,Berufskrankheiten)- BedrohungderGesellschaftdurchgesundheitlicheRisiken(Seuchen,AIDS,usw.)- WertvorstellungeneinersozialorientiertenGesellschaft- StrukturendesGesundheitswesens- ReformendesGesundheitswesens

IneinemsozialorientiertenGemeinwesenwirdGesundheitalsöffentlichesGutaufge-fasst.Gesundheitspolitikkannbeschriebenwerdenals

„…soziales,d.h.aufTunundLassenAndererbezogenesHandelnsozugestalten,dassHerstellungundVerteilungvonGütern(wiez.B.derGesundheit)verbindlichnachNor-menwieGerechtigkeit,GleichheitoderSicherheitgeregeltsind.“(aus:Kolip:Gesundheitswissenschaften.S.LiteraturempfehlungenimAnhang)

ImKonzepteinessozialenRechtsstaates(abgeleitetausGrundgesetzArtikel28,Abs.1)sindOrientierungsnormenwieSolidarität,GerechtigkeitundGleichheitgutbegründbar.InderBetrachtungderGesundheitspolitikgehteseinmalumdasGesundheitssystemselbst,zumanderenumdieDimensionenderPolitikimHinblickaufdieInhalte,dieInsti-tutionenunddieProzesse.

GrobstrukturdesGesundheitswesensbezogenaufdiegesetzlicheKrankenversicherungQuelle:http://www.informierterpatient.de/media/pol_graf.gif

AlsGesundheitssystemkönntemandieInstitutionen,VerhaltensregelnundInteraktio-nenzwischendenbeteiligtenInstitutionenundPersonencharakterisieren,derenAufga-beesist,Krankheitbzw.GesundheitsrisikenzuidentifizierensowieVermeidungundBewältigungvonKrankheitsoweitmöglichzubewirken.

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MitdenSozialgesetzbüchernistinDeutschlandeinsehrdifferenziertesundgegliedertesSystemdersozialenSicherungentstanden,welchesnichtnurdasGesundheitswesenimengerenSinne,sondernallefürGesundheitundWohlbefindenwichtigensozialenBerei-cheregelt.HierdieÜbersichtüberdieSozialgesetzbücher::s.http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de

- SGBI-AllgemeinerTeil- SGBII-GrundsicherungfürArbeitsuchende- SGBIII-Arbeitsförderung- SGBIV-GemeinsameVorschriftenfürdieSozialversicherung- SGBV-GesetzlicheKrankenversicherung- SGBVI-GesetzlicheRentenversicherung- SGBVII-GesetzlicheUnfallversicherung- SGBVIII-Kinder-undJugendhilfe- SGBIX-RehabilitationundTeilhabebehinderterMenschen- SGBX-SozialverwaltungsverfahrenundSozialdatenschutz- SGBXI-SozialePflegeversicherung- SGBXII-Sozialhilfe(früher:BSHG)

EinedetaillierteDarstellungunseresGesundheitssystemsistandieserStellenichtmög-lich.InstitutionenderGesundheitspolitiksindzumeinenalletatsächlichenInstitutionen,Krankenkassen,KassenärztlichenVereinigungen,Pharmafirmen,Ausschüsse,Interes-sensverbändeusw.,zumanderenRahmenbedingungenundRegulierungsmechanismenzwischendenBeteiligten.GesundheitspolitikandieserStellehatdasZiel,einenInteres-sens-undMachtausgleichzwischendenstaatlichenInstitutionen,dengesellschaftlichenEinrichtungenunddenwirtschaftlichenInteressen(z.B.derPharmaindustrie)zube-werkstelligen.InDeutschlandistdieVerflechtungzwischendenInstitutionenextrem,teilweiseun-übersichtlichundwenigflexibel,sodassverständlichwird,warumReformansätzeimmerwiederanPartikularinteressenscheitern.DasNetzwerkderInstitutionenistzumgeringenTeilhierarchischdurchdenSaat(z.B.RisikostrukturausgleichoderKrankenhausplan),größtenteilsjedochdurchKooperationbestimmterGruppengeregelt.EinBeispielistdasZusammenwirkenderKassenärztli-chenVereinigung(KV-ursprünglich:InteressenvertretungderVertragsärztInnen=„Kas-senärzte“)mitdenKrankenkassenimGBA(gemeinsamerBundesausschuss),wodurchdas(Pflicht-)LeistungsspektrumdergesetzlichenKrankenversicherungfestgelegtwird.ZudemwirddurchdieseKooperationz.B.dieflächendeckendeambulanteVersorgunggarantiert.GeradeimletztenPunktversagenausSichtdesDozentendieRegelmechanismenzunehmend.DieKVkanndieVersorgungz.B.imländlichenostdeutschenRaumkaumsicherstellen;fernersinddieHonorarstrukturenextremkompliziertundnichtmehrdurchschaubar.ImDienstleistungssek-toristesüblich,dass„Kunden“eineDienstleistung,diesieinAnspruchnehmen,direktbezahlen.BeiGesundheitsleistungenfindetzwischenLeistungserbringerundKonsumentkeinGeldflussstatt,vielmehrhandelnstellvertretendKrankenkassenundkassenärztlicheVereinigungen,wasfürbeideSeiten(PatientenundÄrzte)bedeutet,dassderWertderLeistungnichttransparentist.InhaltevonGesundheitspolitik.DieglobalenZielesindimSGBVfestgelegt:VersorgungderVersicherten,WirtschaftlichkeitundangemesseneVergütungderLeistungserbrin-ger.DieVersorgungsolldemmedizinischenWissensstandentsprechen,ausreichend,zweckmäßig,wirksamundhumansein.

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NebendenglobalenZielenwärenkonkreteinhaltlicheZiele(Beispiel:VerringerungderZahlderSuizide,verbessertePrävention,StärkungderPalliativmedizinu.a.)zunennen,diejedochvonderPolitikkaumformuliertwerden.VielmehrfindetdiepolitischeDis-kussionfastausschließlichunterKostengesichtspunktenstatt,beidenenRationalisie-rung,Effizienzsteigerung,Prioritätensetzungusw.debatiertwerden.TatsächlicheInhaltetretenindenHintergrund.ImVordergrundstehenVerteilungskämpfeundMachtfragen.ProzesseinderGesundheitspolitik.HiergehtesumdieAbläufeundVorgehensweisen,mitdenendieBeteiligtenihreInteressendurchsetzen.VieleProzessabläufesindgesetz-lichoderdurchVerträgezwischenVerbändenundInstitutionengeregelt.EsgibtjedochauchdiffuseFormenderMachtentwicklungz.B.überMedienundLobbyarbeit.GeradederLobbyismusistimGesundheitswesenstarkverbreitetundentscheidetoftdarüber,wiegutsicheineneueMethodeodereinneuesMedikamentamGesundheitsmarktetabliert.AlsBeispielseidiePharmaindustriegenannt:nachdem„Arzneiverordnungs-report2000“(SchwabeundPaffrath2001)warenvonca.45.000Medikamentennur24.800nachdemArzneimittelgesetzvon1976zugelassen.DerRestbehieltseineZulas-sungaufGrundeinerÜbergangsregelung,dieeigentlich1990auslaufensollte.Zudemwurdegeschätzt,dassetwaeinVierteilallerMedikamentenverschreibungenaufArz-neimittelentfallen,derenWirksamkeitnichterwiesenist.DerLobbyismusimGesundheitswesenisteinweitererGrundfürdasScheiternvonRe-formansätzen.

2. DiegroßenKörpersysteme

ImfolgendenAbschnittwerdendieKörpersystemeinfolgenderSystematikbesprochen:• Welche(anatomischen)StrukturengehörenzumjeweiligenSystem?• WelchesinddieFunktionendesSystems?• BeispielhafteBesprechungvon(wenigen)KrankheitsbildernmitdemSchwerpunktsozi-

almedizinischerRelevanz

a. Stütz-undBewegungsapparatStrukturen:zumStütz-undBewegungsapparatzähltdasKnochengerüstmitdenzentralge-legenenWirbelsäule,Schulter-undBeckengürtelmitdenExtremitätensowiedemSchädel.DieHalswirbelsäule(HWS)umfasst7Wirbel,dieBrustwirbelsäule(BWS)12WirbelunddieLendenwirbelsäule(LWS)5Wirbel.NachuntenschließtsichdasKreuzbein(undSteißbein)an,welchesdieKörperlastüberdieBeckenknochenaufdieBeineüberträgt.Zwischenje-demWirbelkörperbefindensichBandscheiben,diealsFederelementewieGelkissendämp-fen.InderWirbelsäuleläuftderWirbelkanal,derdasRückenmarkalsVerbindungsstrangundSchaltstationzwischenGehirn(Zentralnervensystem)undPeripherie(Muskel,Haut,in-nereOrgane)enthält.ZumBewegungsapparatgehörenfernersämtlichenMuskelnmitihrenSehnenundBändern.DieBeweglichkeitwirddurchGelenkegarantiert,diedurchdenÜberzugderGelenkflächenmitGelenkknorpel(„geschmierteGleitflächen“)reibungs-minimiertwerden.Funktionen:DieNamensgebungerklärtdieFunktion.DeraufrechteGangistentwicklungs-geschichtlichein„junges“ProduktundeineSchwachstelledes„BewegungstiersMensch“.DaheristdiesesSystemanfällig.FürdieStatikisteineguteMuskulaturerforderlich,dieesverhindert,dassdieWirbelsäulevorzeitigverschleißt.DieMuskulatursorgtalsonichtnurfürBewegungen,sondernstabilisiertauchdieWirbelsäuleundschütztGelenke,indemdieGelenkführung,dieauchdurchBänderbewirktwird,zusätzlichstabilisiertwird.

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Beispiel:BandscheibenvorfallderHWS(zwischenWirbel2und3–>Pfeil),dargestelltimLängsschnittderoberenWirbelsäuledurchMRT(Magnetresonanztomographie)Quelle:http://www.radiologie-am-theater.de/praxis/sammlung/wirbelsaeule/bandscheibenvorfall-hws/

Krankheitsbilder:DieUrsachenvonErkrankungendesStütz-undBewegungsapparateslas-sensichgrobindreiBereichegliedern.- Degenerative(abnutzungsbedingte)Erkrankungen(sieheBeispieleunten)- EntzündlicheErkrankungen(z.B.Gelenkrheuma)- Verletzungsfolgen.GeradediedegenerativenErkrankungennehmensozialmedizinischeinenbreitenRaumeinundsindderzweithäufigsteFrühberentungsgrund(21%derFrühberentungenbeiMännern,19%beiFrauen–2003,VDR-Statistik).DiesevorzeitigeAbnutzungentstehtdurchBewe-gungs-undTrainingsmangel,einseitigeBelastungenundFehlhaltungensowieangeborenenSchwächeoderFehlstellungen.DiehäufigstendegenerativenLeidensind:o Bandscheiben-undandereRückenleidenDieBandscheibenwerdenmitderZeitflacher,dieDämpfungsfunktionlässtnachunddieGelenkflächenderWirbelsäuleverschleißenrascher.DiesführtzuchronischenSchmerzenvorwiegendimunterenBereichderLWS.SolcheSchmerzzuständekönnensich„verselbst-ständigen“undAnlassfürz.T.psychosomatischverstärkteSchmerzkrankheitenwerden.Rü-ckenleidenund–schmerzen(dienatürlichnochandereUrsachenhabenkönnen)sindderhäufigsteGrundderGewährungvonLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben(z.B.Umschu-lung)odergareinervorzeitigenBerentung.o ArthroseArthroseistdervorzeitigeVerschleißvonGelenkenmitderFolgevonSchmerzenundzu-nehmenderBewegungseinschränkung.DieUrsachenwurdenobengenannt.ImErwerbsle-bensindArthrosenoftFolgeneinseitigerArbeitsbelastungenbzw.ungünstigerArbeitsbe-dingungen(Zwangshaltungen).SiesindoftAnlassfürberufsförderndeLeistungen(heute:LeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben).

DerBandscheibenvorfallistdiediehäufigsteundakuteFormeinesBandscheibenleidens.HierbeireißtderäußereBandscheibenringeinunddasGelderBandscheibetrittausdemInnernausundkannz.B.aufdieNervenwurzelnunddasRü-ckenmarkdrücken.DiesverursachtstarkeSchmerzenbishinzuGefühls-störungenundMuskellähmungen.ImletzterenFallmussoperiertwer-den(AbsaugungdesGels).Chroni-scheBandscheibenleidensindmeistdieFolgemehrfachstattgefundenerBandscheibenvorfälle.

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b. Herz-KreislaufsystemundLungeStrukturen:HierzugehörendasHerzmitden4Herzkammern(rechteundlinkeVorkammer,rechteundlinkeHerzkammer)undalleBlutgefäße.DurchdieHerzklappen,dassindRück-schlagventilezwischendenVor-undHauptkammernsowiezwischenHauptkammernunddenabgehendengroßenSchlagadern,erfolgteinzielgerichtetesundeffektivesPumpen.DasKreislaufsystemwirdindengroßenKreislauf(allevonderlinkenHerzkammerausgehendeBlutversorgungerPeripherie),denkleinenKreislauf(vonderrechtenHerzkammerausge-hendeBlutversorgungderLunge)unddieteilweisesehrspezialisiertenKreisläufederein-zelnenOrganeunterteilt.BeidenBlutgefäßenunterscheidetmanArterien=Schlagadern,diedasBlutvomHerzenindieOrganetransportierenundVenen,diedasBlutzumHerzenzurücktransportieren.DieSchlagadernhabeneinen3-schichtigenAufbau(s.u.):einefeineInnenhaut,einemuskuläreMittelschichtundeineäußereErnährungsschicht.DieLunge,imBrustkorbmitrechtemundlinkemLungenflügelgelegen,wirdüberdasBron-chialsystembelüftetundenthältimInnerntausendevonkleinenLungenbläschen,derFlä-chezusammengenommendieGrößeeinesFußballfeldserreicht.Funktionen:DieBlutversorgungunddamitdieErnährungderOrganeistdieentscheidendeFunktiondesKreislaufs.MitdemBlutwirdnichtnurSauerstoffundNahrungtransportiert,sondernanderewichtigeStoffe(Baustoffe,HormoneoderAbwehrkörper–s.u.,Abschnitt„BlutundImmunsystem“).DasHerzalszentralePumpebewirktdenTransportundhältdenzumTransportnotwendigenDruck(Blutdruck)aufrecht.DieLungedientdemGasaustausch:AufnahmevonSauerstofffürdenEnergiestoffwechselundAbgabevonKohlendioxid(CO2)als„Abfallprodukt“derVerbrennung.Krankheitsbilder:Herzkreislauferkrankungen(HKE)sinddieVolkskrankheitNr.1undstellenmitAbstanddiehäufigsteTodesursachedar(41,1%HKE+6,9%Herzinfarktin2010).ZuGrundeliegtdieArteriosklerose,d.h.dervorzeitigeVerschleißderSchlagadern(Verhärtung,EinengungundVerschlussderAdern).DieArterioskleroseistindenindustrialisiertenLän-dernweitverbreitetundwirddurchRisikofaktorenbegünstigt:Rauchen,hoherBlutdruck,

ImBeispieldieArthroseeinesKnie-gelenksimRöntgenbild,diehaupt-sächlichdeninnenseitigenTeildesGelenksbetrifft(imBildrechts).ImBildlinks(weißerPfeil)istderGe-lenkspaltnochnormalbreit,rechtsdeutlichabgeflacht.DiesistFolgedesAbbausvonGelenkknorpel,wodurchdieKnochendirektaufei-nanderreibenunddieGelenkflä-chensichverformen,dieBeweglich-keitdesGelenksabnimmtundstar-keSchmerzenauftreten.Entnommenaus:http://www.aerztehaus-roden-stein.de/orthopaeden/arthrose.html

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erhöhteBlutfettwerte,erheblichesÜbergewicht,Zuckerkrankheit,Bewegungsmangel,Dis-tress,psychosozialeBelastungen.

Quelle:https://www.vitanet.de/herz-kreislauf/khk-angina-pectoris/ursache/DieFolgederArterioskleroseistdieMangelversorgungderbetroffenenOrgane.WenneszueinemakutenVerschlusseinerwichtigenSchlagaderkommt,stirbtofteinTeildesOrganesab,dendieseSchlagadermitBlutversorgthat.o HerzinfarktHierhandeltessichumdenmeistakutenVerschlusseinerHerzkranzarterie.DieseSchlag-adernversorgenvonaußendenHerzmuskelmitBlut.DieFolgeist,dasseinmehroderwe-nigergroßerTeildesHerzmuskels(meistderlinkenHerzkammer)abstirbt.DieGefahrist,dassdierestlichePumpleistungdesHerzensnichtmehrausreichtundeszumHerzversagenkommtoderdassHerzrhythmusstörungenauftreten,diemeistUrsachederplötzlichenTo-desfällebeiHerzinfarktdarstellen.VorbotedesHerzinfarktsistdiemeistbelastungsabhän-gige,schmerzhafteBrustenge(„Anginapectoris“)oftverbundenmitLuftnot.o SchlaganfallDieallermeistenSchlaganfällesinddurcharteriosklerotischeGefäßverschlüssevonHirnarte-rienverursacht.DieAuswirkungenrichtensichdanach,wiegroßdieverschlosseneAderistundwelchenHirnabschnittsiemitBlutversorgthat.EinigeSchlaganfällesindauchdurchBlutgerinnselverursacht,diesichoftankrankenHerzklappenbilden,sichablösen,insGe-hirn(oderandereOrgane)mitdemBlutstromverfrachtetwerdenunddorteineArteriever-stopfen(sog.Embolie).WenigeroftentstehenSchlaganfälledurchHirnblutungeninfolgegeplatzterHirngefäße.BeiVerdachtaufSchlaganfalloderHerzinfarktistschnellesHandelnerforderlich,dadieBe-handlungserfolgesehrdavonabhängen,wieraschdieBehandlungbegonnenwird.ObwohldiemoderneMedizinzahlreicheBehandlungsoptionenbietet,wirdesletztlichnurdurchgeeignetePräventionsmaßnahmengelingen,dieseKrankheiteneinzudämmen(s.u.).o ChronischobstruktiveLungenkrankheitInfolgeeinerchronischenBronchitiskommteszuvermehrterSchleimbildungundEinengung(Obstruktion)vonBronchien.DiesführtzueinemLuftstauinderLunge,derdieLungeüber-

DieArterioskle-rosebeginntmitEinlagerungenunterdieinnereGefäßhaut(En-dothel),wasmanPlaquebil-dungnennt.BeiFortschreitenderErkrankung„wächst“derPlaqueundengtdieSchlagaderein.ImEndsta-diumkanneszumakutenVerschlussderSchlagaderkommen.

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dehntundletztlichzueinerSchädigungderLungenbläschenführt(sog.Blählunge-Lungen-emphysem).UrsachensindmeistUmweltbelastungenbzw.Schadstoffe,dieinderLuftent-haltensind.ManchmalsindauchAllergien(allergischesAsthma)derAuslöserbzw.dieGrundkrankheit.DiehäufigsteSchädigungkommtdurch(inhalierendes)Zigarettenrauchenzustande,aberauchberufsbedingteSchädigungensindhierzunennen(Asbest,Bergbau,Holz-undMehl-staub,Chemikalien,Dämpfeusw.).KrankheitsfolgeisteinestetigeAbnahmederLungen-funktion,imEndstadiumkommteszuheftigsterLuftnotbeikleinstenAnstrengungenoderbereitsinRuhe.c. VerdauungssystemundStoffwechselStrukturen:DerMagen-Darm-TraktbeginntimMund,setztsichmitSpeisröhreundMagenfort,umfasstdenDünndarm(Zwölffingerdarm,KrummdarmundLeerdarm,insgesamtca.3-3,5mlang),denDickdarm(Blinddarm,EnddarmundMastdarm,insgesamtca.1bis1,5mlang)unddieanhängendenOrganewieLeber/GalleundBauchspeicheldrüse(Pankreas).DieLeberistdaswichtigsteOrgandesStoffwechsels.

Bild:Magen-Darm-TraktalsschematischesModellQuelle:http://www.familienhilfe-polyposis.de/assets/images/Magen-Darm-Trakt1.jpgFunktionen:DerMagen-Darm-TraktdientdemAufschlussderNahrungundAufnahmederverdaulichenNahrungsbestandteileindenKörper.ZerkleinerungderNahrungimMund,VersetzungmitSäureundFermentenimMagenalsZwischenspeicher,HinzufügungweitererFermentedurchBauchspeicheldrüseundLösungsvermittler(Galle),ZerlegunginkleineBau-steineundAufnahmedieserBausteineimDünndarm.ZudiesemZweckweistderDünndarmeinefaltigeOberflächenstruktur(„Zotten“)auf,wodurcheineOberflächenvergrößerungauf200Quadratmetererreichtwird.ImDickdarmwirddenunverdaulichenBestandteilenWas-serentzogenundderbisdahinflüssigeKoteingedickt.DieBauchspeicheldrüseproduziertaußerFermenten,dieindenZwölffingerdarmzusammenmitderGalleabgegebenwerden,nochInsulin,welchesandasBlutabgegebenwird,umdenZuckerstoffwechselzuregulieren.

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FernerhatderMagen-Darm-Trakt,denmansichauchalseineriesigeKontaktflächezwi-schenUmweltundKörper(innerem)vorstellenkann,einewichtigeFunktioninderAusei-nandersetzungzwischenMenschundUmwelt,damitbeiderAllergieentstehungundfürdasImmunsystem.DieLeberistdieuniverselle„Stoffwechselfabrik“desKörpers,dieeinerseitsvielewichtigeKörperbausteineproduziert,andererseitsfürdieEntgiftungzahlreicherSubstanzen(Alkohol,Medikamente,Umweltgifte)sorgt.Krankheitsbilder:HäufigeKrankheitsbildernebendenuntenausgewähltensindMagen-undZwölffingerdarmgeschwüre,Gallensteinleiden,Lebercirrhose(VerhärtungundSchrumpfungderLeberamhäufigstendurchAlkoholmissbrauch),Hepatitis(Leberentzündung),Diabetes(Zuckerkrankheit–s.Hormonsystem)undchronischentzündlicheDarmerkrankungenwieMorbusCROHNoderColitisulcerosa.o Adipositas(starkesÜbergewicht)AlsMaßwirddersog.Body-Mass-Index(BMI)herangezogen:BMI=Körpergewicht(kg)/(Körpergröße(m))2(KörpergewichtinKilodividiertdurch:KörpergrößeinMeterzumQuadrat)

DerNormalbereichgehtvon20bis25.Mansprichtvon(geringem)ÜbergewichtbeieinemBMIbiszu29,9,vonAdipositas(„Fettsucht“)GradIbeieinemBMIbis34,9,GradIIbis39,9undGradIIIbeieinemBMIvon40undmehr.DieUrsachensindzumallergrößtenTeildurchFehlverhalten(Nahrungzufettundzuviel),nurzueinemgeringenTeildurchkörperlicheKrankheitenbedingt(z.B.Schilddrüsenunter-funktion).InmanchenKulturengiltAdipositasauchalsgesellschaftlichakzeptiertodersogarerwünscht.DieHäufigkeitvonÜbergewichtindenindustrialisiertenLändernistgroß.JederzweiteEr-wachseneweisteinenBMIvonüber25auf(60%derMännerund43%derFrauen,nach:statist.Bundesamt2009).AdipösimSinnederobigenDefinition(BMIüber30)sind16%derMännerund14%derFrauen.BeiJugendlichen(13-17Jahre)beträgtdiePrävalenzvonÜbergewichtinDeutschlandbereits17%.DasernährungsbezogeneFehlverhaltenwirdbegünstigtdurchsitzendeTätigkeiten,man-gelndeBewegung,fettreicheNahrung,Stress,psychischeProblemeu.a.AdipositasstellteinmehrfachesRisikodar:WirbelsäuleundGelenke(Arthrose)verschleißenschneller,dieHäufigkeitvonHerzkreislauferkrankungen(Herzinfarkt,Schlaganfall)nimmtzu,DiabetesmellitusTypII(sog.Alterszucker,derbeiadipösenMenschenaberschonmit35oder40Jahrenauftretenkann)wirdbeientsprechenderErbanlageausgelöst–nurumdiewichtigstenGesundheitsfolgenzunennen.AuchdieseelischenAuswirkungen(Rückzug,De-pression,sozialeDiskriminierung)sindbedeutsam.EinbesonderesRisikofürHerzinfarktstelltder„androideTyp“derFettverteilungdar(Fett-ansammlungvorwiegendimBauchraum,meistabernichtnurbeiMännern).ProgrammezurGewichtsabnahmesindimSinnederPräventionauchindersozialenArbeitwichtig.o DarmkrebsUnterDarmkrebswirddievonderinnerstenSchichtdesDickdarms(Epithelschicht)ausge-hendeKrebsart(Karzinom)verstanden.EsistbeiMännernnachProstatakrebsundbeiFrau-ennachBrustkrebsdiezweithäufigsteKrebsart.Etwa65.000MenschenerkrankeninDeutschlandjährlichneu(InzidenzrateMänner63,Frauen40pro100.000),6%erBevölkerungerkrankenimLaufdesLebens(Lebenszeitprävalenz),dieMortalitätsrate(Sterblichkeit)beträgtetwadieHälftederInzidenzrate.

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DerDarmkrebskannzurVerengungdesDarmesundDarmverschlussführenbzw.führtdurchAbsiedelungen(Metastasen)zumBefallweitererOrgane(Leber,Lungeu.a.).DabeiDiagnosestellungbereits25%derPatientenMetastasenaufweisen,kommtderPräventionundFrüherkennungbesondereBedeutungzu.VorstufenvonDarmkrebssindPolypenbil-dungen(gutartigeSchleimhautwucherungen,ausdenenspäterKrebsentsteht).UrsachenvonDarmkrebs:

• genetischenVeranlagungzuPolypenbildungen• falscheErnährung(zuwenigpflanzlicheNahrung,zuwenigBallaststoffe,zuvielFett)• Giftstoffe(z.B.Alkohol)• BewegungsmangelsollebenfallseinerhöhtesRisikobewirken.

DieErfolgsaussichten(5-Jahresüberlebensrate)derBehandlunghängeninersterLinievomKrebsstadiumbeiDiagnosestellungab,betragenimFrühstadium85–100%,imSpätstadi-umnurnoch30%,insgesamtsindes63%.EmpfehlungenzurPräventionumfassen:ausgewogeneErnährungmiteinemhohenAnteilanpflanzlicherNahrungundBallaststoffen,VermeidungvontoxischenNahrungsbestandteilen(z.B.größereAlkoholmengen)undvielBewegung.FrüherkennungsmaßnahmenumfassenregelmäßigeStuhluntersuchungenundAustastungdesMastdarms.Damitwerdenjedochnur60-70%derKrebserkrankungenerfasst.DievollständigeDarmspiegelungistameffektivsten,sollteabdem50.LebensjahrzweimalimAbstandvon10Jahrenerfolgen,beigenetischerDispositionzuPolypenbildungenfrüherundöfter.d. Urogenital-undReproduktionssystemStrukturen:ZumHarntraktgehörendieNieren,dieHarnleiter,dieHarnblaseunddieHarn-röhre,zumReproduktionssystemdieinnerenundäußerenGeschlechtsorganeunddieBrustdrüsen.Funktionen:DieNierendienenderRegulationdesFlüssigkeits-undSalzhaushaltes,derEnt-fernungvon(wasserlöslichen)Stoffwechselendprodukten(z.B.Harnstoff)undvonGiftstof-fen,wobeiwichtigeStoffe(Eiweiß,Salze,Wasser,Hormone…)durchdieNierenzurückge-haltenwerden.FernerspielendieNiereneinewichtigeRollebeiderBlutdruckregulation(ProduktiondesHormonsRenin)undderBildungvonrotenBlutkörperchen(ProduktiondesHormonsErythropoetin–EPO).DieGeschlechtsorganedienenderReproduktion(Fortpflanzung)undsindebenfallsanderBildungzahlreicherHormone(männlichebzw.weiblicheSexualhormone)beteiligt.Krankheitsbilder:AusderFüllevonKrankheitsbildernkönnennurwenigeherausgegriffenwerden.o BrustkrebsMitAbstandhäufigsteKrebsartderFrau,jährlicherkrankeninDeutschlandca.74.500Frauenneu(2012).UrsachenvonBrustkrebs:

• GenetischesRisiko• Rauchen• Hormontherapien(Pille?)• Alkoholkonsum• Übergewicht• fettreicheErnährung• geringekörperlicheAktivität

(zitiertnach:http://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/ursachen-und-risikofaktoren.html)

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NebenPräventionspieltdieFrüherkennungeinewesentlicheRolleundsollteabdem30.LebensjahrdurchregelmäßigegynäkologischeVorsorgeerfolgen.DieRöntgenuntersuchung(Mammographie)wirdkontroversdiskutiert,istinbestimmtenFällenunerlässlichundstelltabdem40.Lebensjahrkeinzusätzliches(Strahlen-)Risikodar.

Bild:FrühstadiumeinesBrustkrebses(Pfeil)imRöntgenbild(Mammographie)Quelle:http://members.aon.at/manfreda/mammo-2.jpgNebendenbildgebendenVerfahren(Mammographie,UltraschallundMagnetresonanzto-mographie,MRT)istdieSelbstuntersuchungderBrustdiewichtigsteMaßnahme:ca.90%derBrustkrebsewurdensoentdeckt.AllerdingsistdieGeschwulstdannoftbereitsziemlichgroß,sodassdieSelbstuntersuchungnichtdiegynäkologischeVorsorgeersetzt.BehandlungsoptionensindOperation,Bestrahlung,Chemotherapieundevtl.Hormonthera-pie.DieAussichtenhängennebendemKrebsstadiumdavonab,umwelchefeingeweblicheKrebsartessichhandelt,obggf.beideBrüstebetroffensindundobdieKrebszellensog.Hormonrezeptorenbesitzen.BeifrühzeitigerEntdeckungundgünstigenFaktorenistBrust-krebshäufigheilbar(5-JahresÜberlebensrateheuteca.85%).o ProstatakrebsDerKrebsderVorsteherdrüse(Prostata)istvordemBronchialkrebsdiehäufigsteKrebsartdesMannes.Inzidenzratenwerden(altersstandardisiert)mit111/100.000unddieMortali-tätsratemit21/100.000angegeben(2008).Darausfolgt,dassdieSterblichkeit(Letalität)nichtsohochistwiebeianderenKrebsarten,weilderKrebslangsamwächst.VieleältereMännerhabenProstatakrebs,ohneeszuwissenundohnedaranzusterben.Dennochistje-derdritteTodesfalldurchKrebsbeiMännerndaraufzurückzuführen.DiePrävalenz(s.Bild)iststarkaltersabhängig.DieUrsachenvonProstatakrebssindweitgehendunklar.Sicherist,dasseseingenetischesRisikogibt.ObsexuelleAktivitätodergarbestimmteSexualpraktikendasRisikoerhöhen,istunklar.Belegtist,dassdasmännlicheSexualhormon(Testosteron)einenstimulierendenEin-flussaufdieProstataundwahrscheinlichauchaufKrebszellenhat.BeiTestosteronmangelkommtesfastniezumProstatakrebs.DiebeiälterenMännernfastimmervorhandeneVer-größerungderProstata(sog.Prostatahyperplasie)stelltjedochkeinRisikodar.AuchhieristdieregelmäßigeVorsorgeuntersuchungzurFrüherkennungdiewichtigsteMaßnahme.RektaleUntersuchung(AbtastenderProstatavomMastdarmaus–mitetwasÜbungauchselbstdurchführbar)undLaborkontrollensindeffektiv.NebenderUrinuntersu-

Brustkrebs(Mammakarzinom)istdiehäufigsteKrebsartbeiderFrau,kommtimübrigenauchbeiMännernvor(ca.1:100).InDeutschlandbeträgtdieInzidenzrateca.124/100.000,dieMortalitätsrateetwa25/100.000.DieLetalitätliegtumdie30%.IndenIndustrienationenistBrustkrebshäufiger.DieUrsachenliegenindeno.a.Risikofaktoren.NiedrigeresRisikohabenFrauen,diefrühKin-derbekommenundlangestillen.

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chungistdiePSA-Bestimmung(PSA=prostata-spezifischeAntigen,einspeziellerBlutwert)regelmäßiganzuraten.Ultraschalluntersuchungensindebenfallshilfreich.

AltersabhängigkeitdesProstatkrebses,entnommenaus:http://www.euromed.de/medizin/behandlungsspektrum/krankheitsbild/prostata/Prostata_Abb_1_Diagramm_Prostatakrebs_und_Alter.pngAlsBehandlungsverfahrenkommenwiebeianderenKrebsartenOperation,BestrahlungundChemotherapie,evtl.auchHormonblocker-TherapieinFrage.VonradikalenOperationenkannheutevorallembeiälterenMännernabgesehenwerden:hiergenügtoftdielokaleAusschälungverbundenmitgezielterNachbestrahlung.Die5-Jahresüberlebens-ratebeträgtca.92%.o ChronischeNierenschädigungundDialyseEinechronischeSchädigungderNierenwirdamhäufigstendurchDiabetesmellitus(Zucker-krankheit)undBluthochdruckbewirkt.AuchdieübermäßigeundlangjährigeEinnahmevonSchmerzmittelnführtzumNierenversagen(„Analgetika-Nephropathie“).SeltenerkommtesauchdurchNierenentzündungen(nicht:Harnwegsinfekte!)zuNierenschädigungen.ImEnd-stadiumderNierenschädigungmussdieBehandlungdurchBlutwäsche(künstlicheNiere–Dialysebehandlung)oderdurchNierentransplantationerfolgen.InDeutschlandgibtesetwa57.000DialysepatientInnen(Statistik2012)und24.000Nierentransplantierte.DieDialyse-behandlungkostetjährlichca.60.000€proPatient.e. Blut-undImmunsystemStrukturen:BlutenthältFlüssigkeitmitzahlreichen,daringelöstenStoffensowiezelluläreBestandtteile.DieBlutzellenwerdenvomKnochenmark(roteundweißeBlutkörperchenundBlutplättchen),bestimmteweißeBlutkörperchen(s.Immunsystem)auchvonLymph-knotenundMilzproduziert.DiegelöstenBlutbestandteilewerdenvonderLeberundande-renOrganen(z.B.Hormondrüsen)gebildetundandasBlutabgegeben.DasImmunsystembestehtausbestimmtenZellen(Lymphozytenundandere)undspezifi-schenEiweißkörpern(Antikörper),dieunterschiedlichAufgabenhaben.DieZellenundAnti-körperdesImmunsystemswerdeninLymphknoten,MilzundKnochenmarkgebildet,zu-mindestindenerstenLebensjahrenauchinderThymusdrüse.

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Funktionen:DasBlut(Blutmengeca.4,5Liter)istdasHaupttransportmitteldesKörpers,wodurchSauerstoff,Nährstoffe,Hormone,„Abfälle“usw.imKörperverteiltwerdenbzw.andierichtigeStellegelangen.DasImmunsystemreguliertdieAuseinandersetzungdesKörpersmitderUmwelt.ImmunreaktionenspielensichdeshalbsehrhäufigandenKontaktflächenzwischenKörperundUmweltab.DieKontaktflächensindHaut,Schleimhäute,Atemwege(mitBronchialsystem)undMagen-Darm-Trakt.DieAufgabeist,Fremdstoffe(Bakterien,Viren,Gifteusw.)unschädlichzumachen.EsspieltaucheineRollebeiderEntstehungvonAllergien(Überempfindlichkeitsreaktionen).NebendenlokalisiertenImmunreaktionen(wiez.B.beiKontaktallergienderHaut)sindauchAllgemeinreaktionen(sog.systemischeReaktionenwiebeimallergischenSchock)möglich.AbwehrreaktionenumfassendreiMöglichkeiten:

• unspezifischeAbwehrdurchweißeBlutkörperchen(Granulozyten,„Freßzellen“,„Killerzellen“)

• spezifischeAbwehrdurchverschiedeneLymphozytenarten• spezifischeAbwehrdurchAntikörper(Antigen-Antikörper-Reaktionen)

DasImmunsystemzeichneteinewesentlicheEigenschaftaus:esvermagzwischenkörpereigenenStoffenundkörperfremdenStoffenzuunterscheiden.DieseUnterscheidungsfähigkeitistbeidensog.Autoimmunkrankheitenverlorengegangen(s.u.).Krankheitsbilder:diehäufigsteBlutkrankheitistdieAnämie(Blutarmut).GeradebeiMädchen/FrauenmitstarkenRegelblutungenkommteshäufigzuBlutarmut.ZurBlutbildungsindEisenundbestimmteVitamineerforderlich.o AutoimmunkrankheitenGrundlageallerAutoimmunkrankheitenist,dasskörpereigeneStoffeoderkörpereigenesGewebefälschlicherweiseals„fremd“erkanntwerdenundAbwehrvorgängesichdagegenrichten.DiesführtzueinererheblichenSchädigungodergarZerstörungkörpereigenerStrukturen.DieUrsachensindletztlichunklar,einegenetischeDispositionund/oderÄhn-lichkeitvonFremdmaterialmitkörpereigenenSubstanzenspieleneineRolle.WarumeineAutoimmunkrankheitjedochzueinembestimmtenZeitpunktausbricht,kannseltenbe-gründetwerden.Manvermutet,dasshierbeiUmweltbelastungen(Infektionen,GiftebishinzuStressundpsychischenFaktoren)eineRollespielen.DiewichtigstenAutoimmunkrankheitensind:Autoimmunhepatitis,bestimmteFormenderchronischenGastritis,Colitisulcerosa,Dermatomyositis(„Muskelrheuma“),Diabetesmelli-tusTyp1,Basedow’scheErkrankung(Schilddrüsenüberfunktion),MorbusBechterewderWirbelsäule,MorbusCrohn,MultipleSkleroseundGelenkrheuma(Polyarthritis).EineursächlicheBehandlungexistiertnicht,durchbestimmteMedikamente,dieallgemeinImmunreaktionenunterdrücken(Immunsuppressiva–u.a.Cortison),lassensichdieSymp-tomereduzieren.o HIVundAIDSHIVbedeutetHumanesImmundefizienzVirus.VirensindinfektiösePartikel,bestehendausKapselundgenetischemMaterial(DNSoderRNS),diesichjedochnurinnerhalbeinerWirts-zellevermehrenkönnen,dasienichtübereineneigenenStoffwechselverfügen.NachderAnsteckungkommteszueinerakutenHIV-Infektion,diemitgrippeähnlichenSymptomenverläuftunddahermeistnichterkanntwird.SpäterlassensichAntikörperge-gendasHIV-Virusnachweisen(einnegativerHIV-TestunmittelbarnachfraglichemKontaktsagtdahernichts,müsstenacheinigenWochenwiederholtwerden).ErstnachJahrenkannsichdasKrankheitsbild„AIDS“entwickeln(AIDS=AquiredImmunodeficiencySyndrom–er-worbenesImmundefekt-Syndrom).DiesentstehtdurchlangsameZerstörungbestimmter

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Lymphozyten(diesog.CDT4HelferZellen),diefürdiespezifischezelluläreAbwehrbenötigtwerden.ImMittelnach10Jahrenkommtesdadurchzuvermehrten,teilsschwerenundle-bensbedrohlichenInfektionenmitKeimen(Bakterien,Pilze,Parasiten),diebeiintaktemImmunsystemsonstproblemlosbeseitigtwerden.

HIV-Virus(schematischeAbbildung,GrößedesVirusetwa0,1µm(mikrometer,1µm=1000mm)Quelle:http://www.vircolab.com/content/backgrounders/www.vircolab.com/hiv_virus.gifInDeutschlandgabesEnde2014etwa83.400HIV-Infizierte,82%sindMänner(etwajedertausendsteMann).AlsInfektionswegwirdvermutet:homosexuellerSex(65%),heterosexu-ellerSex(22%),Drogenabhängigkeit(Spritzen)undMigrationausLändernmithoherHIV-Durchseuchungjeweilsetwa10–11%.3.200Menschenerkranktenneu(84%Männer),480PersonenverstarbenanAIDS-Folgen(AngabendesRKI2015).WeltweitistdieSituationwesentlichdramatischer,wiediefolgendeTabellezeigt:

Regionale Statistik 2010 (Quelle: UNAIDS 2011, Bild: stepmap.de) Weltregionen Menschen

mit HIV Neuinfektionen

2010 an Aids ver-

storben HIV-Prävalenz Er-

wachsene (%) Sub-Sahara Afri-ka

22,9 Mio. 1,9 Mio. 1,2 Mio. 5,0 %

Süd- und Süd-Ost-Asien

4,0 Mio. 270 Tsd. 250 Tsd. 0,3 %

Ost-Asien 790 Tsd. 88 Tsd. 56 Tsd. 0,1 % Latein-Amerika 1,5 Mio 100 Tsd. 67 Tsd. 0,4% Nord-Amerika 1,3 Mio. 58 Tsd. 20 Tsd. 0,6% West- und Zent-ral-Europa

840 Tsd. 30 Tsd. 9,9 Tsd. 0,2

Ost-Europa und Zentral-Asien

1,5 Mio. 160 Tsd. 90 Tsd. 0,9%

Karibik 200 Tsd. 12 Tsd. 9 Tsd. 0,9% Mittlerer Osten und Nord-Afrika

470 Tsd. 59 Tsd. 35 Tsd. 0,2%

Ozeanien 54 Tsd. 3,3 Tsd. 1,6 Tsd. 0,3% Gesamt 34 Mio. 2,7 Mio. 1,8 Mio.

DasHIV-Viruswirdnurdurchinten-sivenKontaktmitKörperflüssigkei-ten(Blut,Sperma,Vaginalsekret,Muttermilch)überVerletzungenoderSchleimhäuteübertragen.DasInfektionsrisikohängtvonArtundHäufigkeitdesKontaktsab,vonderViruskonzentrationderKörperflüs-sigkeitundvondersog.ViruslastdesBlutes.DurchGegenständeodereinfachenKontakt(Händeschütteln,auchKüs-seohneVerletzungderMund-schleimhaut)oderTröpfchen(Nies-sen,Husten)wirddasVirusnichtübertragen.

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In2013wirdvonUNAIDSdieGesamtzahlderHIV-Infiziertenmit35MillionenMenschenan-gegeben,dieZahlderNeuinfektionenmit2,1Millionen,dieVerstorbenenmit1,5Millionen.ImVergleichzu2010sindNeuinfektionenundTodesfällealsorückläufig.DiePräventionvonHIV-InfektionenerfolgtdurchSchutzvorKontaktmitinfiziertenKörper-flüssigkeiten,inersterLiniedurchgeschütztenGeschlechtsverkehr(Kondome).IndiesemZusammenhangistdieKampagne„GibAIDSkeineChance“besonderszuerwähnen,dieseit25JahrenvonderBZgAgeführtwird:https://www.gib-aids-keine-chance.de/wissen/aids_hiv/massnahmen_gegen_hiv_und_aids.php

DieBehandlungsmöglichkeitensindheutewesentlichverbessert,einedifferenzierteDarstel-lungderMedikamente(sog.antiretroviraleMedikamente)würdedenRahmenhierspren-gen.f. HormoneStrukturenundFunktionen:hierzurechnenallehormonproduzierendenOrganeundZellen,dassog.endokrineSystem.ZudenEndokrinenDrüsengehören:Hypothalamus–Hypophysen-System(HypothalamusisteinbestimmterBereichdesZwi-schenhirns,HypophysedieHirnanhangsdrüse,unterteiltinVorderlappenundHinterlappen).Hypophysenvorderlappen(HVL)

ZumeinenwerdenhierdieSteuerhormonegebildet,diewiederumdieHormonproduk-tionandererDrüsenkontrollieren,z.B.dasSteuerhormonderSchilddrüse(TSH),derNe-benniere(ACTH)undderKeimdrüsen(FSHundLH).WeitereHormonedesHVLsindProlactin(stimuliertdieMilchproduktiondesBrustdrüsen)Somatotropin(Wachstumshormon,regtdieEntwicklungderKörpergewebean,insbe-sonderederKnochensubstanzundderMuskelnundbeeinflusstdenKohlenhydratstoff-wechsel)MelanozytenstimulierendesHormon(MSH,regeltdieFärbungderPigmentzellendenHaut)Endorphine(auch„Glückshormone“genannt;bewirkenWohlgefühlundverminderndieSchmerzempfindung)

Hypophysenhinterlappen(HHL)Oxytocin(regtdieMuskelkontraktionderGebährmutteranundsorgtdafür,dassdieBrustdrüsennachderGeburteinesKindesMilchproduzieren;imGehirnstimuliertesaufReproduktiongerichtetesVerhaltenundfördertVertrauen)VasopressinoderantidiuretischesHormon(ADH,RegelungderWasserausscheidung,Be-teiligunganderBlutdruckregulation)

Zirbeldrüse(hinterer,kleinerAnhangsteildesZwischenhirns)BildungvonMelatonin,welchesdenSchlaf-Wach-Rhythmusregeltundlichtgesteuertproduziertwird.

SchilddrüseTrijodthyronin(T3)undThyroxin(T4)(bewirkeninfastallenKörperzelleneineSteige-rungdesEnergiestoffwechsels)Calcitonin(reguliertzusammenmitParathormon(s.unten)denCalcium-undPhosphat-stoffwechseldurchHemmungvonKnochenabbau)

Nebenschilddrüse(diesog.Epithelkörperchen)Parathormon(PTH,erhöhtdenCalciumspiegelimKörperdurchvermehrtenKnochenab-bau)

Nebenniere(oberhalbderNierengelegen,unterteiltinNebennierenmarkund–rinde)

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Nebennierenrinde(produziertdiesog.Steroidhormone)Cortisol(stimuliertdenZucker-,Fett-undEiweißstoffwechsel,Stresshormon,unter-drücktdieImmunabwehr)Aldosteron(reguliertdenSalzhaushalt,hemmtindenNierendieNatriumausscheidung)Sexualhormone(weibliche–Östrogene-undmännliche–Androgene-HormoneinErgän-zungderProduktiondurchdieKeimdrüsen)

NebennierenmarkAdrenalinundNoradrenalin(dassinddiesog.Katecholamine,diebeiStressausgeschüt-tetwerdenundzahlreicheKörper-undStoffwechselreaktionenauslösen,BeteiligunganderBlutdruckregulation)

LangerhansscheInselnderBauchspeicheldrüse(„Inselzellen“))Insulin(RegulationdesZuckerstoffwechsels,SenkungdesBlutzuckers–Glucose-durchSteigerungderAufnahmevonGlucoseindieKörperzellen)

SpezialisierteZellenindenKeimdrüsenHoden(produzierendasTestosteron,welchendieBildungvonSpermienstimuliertundmännlicheMerkmalefördert)Ovarien(Eierstöcke,produzierendasGelbkörperhormonProgesteron,bereitetdieGe-bährmutterschleimhautaufdiemöglicheEinnistungeinesbefruchtetenEisvor)

WeiterespezialisierteZelleninverschiedenenOrganen(Herz,Magen-Darm-Trakt,Plazenta)-wirdhiernichtausgeführt.

Krankheitsbildero Diabetesmellitus(Zuckerkrankheit)ManunterscheidetzweiArtenderZuckerkrankheit:DiabetesmellitusTypI(sog.juveniler,also“jugendlicher”)Diabetes-ca.5-10%derDiabe-teserkrankungen.HierbeihandeltessichumeineAutoimmunkrankheit(s.o.),beiderAntikörpergegendiesog.InselzellenderBauchspeicheldrüsegebildetwerdenunddieseZellenletztlichzerstören.FolgeisteinInsulinmangelunddadurchAnstiegdesBlutzuckers.DaeinInsulinmangelvor-liegt,mussInsulingespritztwerden,umdenZuckerspiegelzusenken.DaInsulineinEiweiß-stoffist,kannesnichtoralmitderNahrungzugeführtwerden,daesdurchdieVerdauungs-fermentesofortinaktiviertwerdenwürde.DiabetesmellitusTypII(sog.Alterszucker)-ca.90–95%derDiabeteserkrankungen.BeidenmeistübergewichtigenPatientenfehltesnichtanInsulin,sonderndasInsulinkannseineWirkungandenKörperzellennichtentfalten(sog.Insulinresistenz).ZuGrundeliegtei-neerblicheStörung,diesichabererstbeiFehlernährungunddadurchbedingtesÜberge-wichtbemerkbarmacht.DieBehandlungerfolgtdurchGewichtsabnahmeundMedikamen-te,diedieInsulinwirkung(deskörpereigenenInsulins)verbessernsollen.InbestimmtenFäl-lenmusszusätzlichInsulingespritztwerden.DerBegriff„Alterszucker“klingtverharmlo-send;dieSpätschäden(s.u.)sindgenausogravierendwiebeimDiabetesTypI;zudemkanndieKrankheitbeientsprechenderVeranlagungundFehlernährungbereitsmit35bis40Jah-renauftreten.GefürchtetsinddieSpätschädenderZuckerkrankheit:SchädigungderAugen(Blindheit),derNieren(Nierenversagen),derperipherenNerven(Gefühlsstörungen)unddesGehirns(Schlaganfall).DiabetesgehörtzudengroßenVolkskrankheitenderIndustrienationen.InDeutschlandsindaktuell9%derBevölkerungbetroffen,d.h.über7MillionenMenschen,vor10Jahrenwarenesnur6%.InderGruppederüber60-JährigenistdiePrävalenzsogar30%.Etwa5–10%derGesundheitskostenentfallenaufdieBehandlungderZuckerkrank-

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heitbzw.derenSpätschäden.Insgesamt„kostet“dieZuckerkrankheit32MilliardenEuroproJahr.o Schilddrüsenüber-und-unterfunktionDieSchilddrüsenunterfunktion(Hypothyreose)istgekennzeichnetdurcheineunzureichendeVersorgungderKörperzellenmitSchilddrüsenhormonen.Diemangelhafteodersogarfeh-lendeProduktionderSchilddrüsenhormoneistentwederangeborenoder-häufiger–er-worbenz.B.durchJodmangel,wasauchzurKropfbildungführt.DiehäufigstenBeschwerdensind:leichteErmüdbarkeit,allgemeineSchwäche,ständigesFrieren,Kälteintoleranz,Kon-zentrationsschwäche,Haarausfall,Depression(!).DieSymptomekönnendurchEinnahmevonSchilddrüsenhormon(Thyroxin)vollständigbeseitigtwerden.-BeiderSchilddrüsenüber-funktion(Hyperthyreose)werdenmehrSchilddrüsenhormoneproduziert,alsderKörperbraucht.DieFolgeisteingesteigerterStoffwechseldesOrganismus.HäufigsteUrsacheisteineAutoimmunerkrankungderSchilddrüsez.B.BasedowscheErkrankungodergutartigeTumoren.AlsBeschwerdenkommenvor:allgemeineUnruhe,Nervosität,Herzjagen,Ge-wichtsabnahmetrotzstarkenAppetits,ErhöhungderKörpertemperatur,starkesSchwitzen,häufigerStuhlgangoftmitDurchfallverbundenu.a.DieBehandlungerfolgtmedikamentös,durchBestrahlung(GabevonradioaktivemJod)oderdurchOperation.g. SinnesorganeundHautStrukturen:DieHautisteinesdergrößtenOrgansystemedesMenschen,dieOberflächebe-trägtca.1,7m2.ZumSystemHautgehörenauchdieHautanhangsgebildewieHaaremitHaarbalgmuskelundHaarfollikel(KeimzentrenderHaare),Nägel,Schweißdrüsen,Talkdrü-sen,Milchdrüsen.AuchspezielleStrukturenwiedieAugenliderrechnendazu.DieHauthateinen3-schichtigenAufbau(Oberhaut,LederhautundUnterhaut).InderHautliegenspezia-lisierteZellenwiePigmentzellenoderSinneszellen(Tast-undSchmerzsinn).SinnesorganesindfernerAugen,Ohren,Nase(Geruchssinn),Zunge(Geschmackssinn).Funktionen:DieHautisteinGrenzorganzwischenKörperundUmwelt,daherhatsieeineAbwehrfunktion(ReaktionendesImmunsystems).DieHautreguliertdenWärmehaushalt(z.B.durchSchwitzen).DurchdiePigmentzellenschütztdieHautvorschädlicherStrahlung(UV-Strahlung).SieistauchKontakt-undSinnesorgan(Tastsinn,Temperatursinn,Schmerz-sinn).FernergiltdieHautauchalsStammzellreservoir(StammzellensindKörperzellen,diesichinverschiedeneZelltypenoderGewebedifferenzierenkönnen.JenachArtderStamm-zelleundihrerBeeinflussunghabensiedasPotential,sichinjeglichesGewebe(sog.embry-onaleStammzellen)oderinbestimmtefestgelegteGewebetypen(sog.adulteStammzellen)zuentwickeln.Krankheitsbildero SchwerhörigkeitDieEinschränkungdesHörvermögenswirdalsSchwerhörigkeit,dieweitgehendeAufhebungdesHörvermögensalsTaubheitbezeichnet.DieDiagnoseerfolgtmittelsAudiogramm(Hör-schwellenkurve).ImBilddasnormaleAudiogramm(obereKurve)unddasAudiogrammbeiSchwerhörigkeit(untereKurve),diemeistinbestimmtenFrequenzbereicheninErscheinungtritt.DieUrsacheeinerSchwerhörigkeitliegtentwederimMittelohr(gestörteSchallleitung)oderimInnenohr(gestörteSchallempfindung).NurbeiderSchallleitungsschwerhörigkeitkom-menevtl.operativeMaßnahmenoderHörgeräteinBetrachtzurVerbesserungderSchalllei-tungimMittelohr.

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Quelle:www.bzga.de/bzga_stat/lug/kap33/images/a194.gifInDeutschlandgibtesetwa4bis6MillionenHörgeschädigte,überwiegendMenschenhö-herenAlters,vondenenfasteineMillionmitHörgerätenversorgtsind.BeiKindernwirdei-neSchwerhörigkeitnichtimmerfrühzeitigentdeckt.EsentstehtmanchmalderEindruckei-nerMinderbegabung,wenneinKindwegenSchwerhörigkeitz.B.demSchulunterrichtnichtfolgenkann.DahermussvomKinderarztbeidenVorsorgeuntersuchungenstetsdasHör-vermögengeprüftwerden.o EndogenesEkzembzw.NeurodermitisDerBegriff„endogen“deutetaufinnereGründebeiderEntstehung.BeieinemendogenenEkzemistdieseinegenetischeVeranlagung–siebetrifftetwazehnProzentderBevölke-rung.DashäufigsteendogeneEkzemistdassogenannteatopischeEkzem–dieNeuroder-mitis.

KindererkrankenineinerHäufigkeitvonetwa30%aneinerNeurodermitis,wennbereitseinEltern-teilunterdieserHautkrankheitleidet.Istbeibei-denElternteileneinendogenesEkzemaufgetre-ten,soerkrankenetwa60%derKinder.HäufigleidendieBetroffenenauchunterBronchialasth-ma,HeuschnupfenoderNahrungsmittelallergien.PsychischeFaktorenverursachendasEkzemzwarnicht,könnenjedochzueinerVerschlimmerungbeitragen.TypischistdieLokalisationandenStreckseitenderExtremitäten(s.Foto).

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h. NervensystemundPsyche

Quelle:www.uni-potsdam.de/portal/mai04/bilder/gehirn.jpgStrukturen:ManunterscheidetperipheresundzentralesNervensystem.DasperiphereNer-vensystembildetdieBrückedesZentralnervensystemszuallenKörperteilen.JedereinzelnedieserNervenisteinBündelaussensorischen(SinneseindrückezumGehirnleitende)undmotorischen(Muskelbewegungenauslösende)Nervenfasern.43NervenpaareverlassendasRückenmarkzudenOrganen.ZwölfvonihnenbildendieHirnnerven,diedenSchädelanderSchädelbasisverlassen.Dieübrigen31Paare,diesog.Spinalnerven,tretenzwischendenWirbelkörpernausdemRückenmarkDasZentralnervensystembestehtausdemRückenmarkunddemGehirn.DasRückenmarkistdergemeinsameKabelkanalfürNervenfasern,dieentwederabsteigend(motorisch)oderaufsteigend(sensibel)sind.DasGehirnbestehtausverlängertemMark,Mittelhirn,Zwi-schenhirn,KleinhirnundGroßhirn.Funktionen:DasperiphereNervensystemstelltdieVerbindungvondenSinnesorganenzumGehirnher(sensorischeBahnen)undz.B.alsmotorischenBahnendieVerbindungvomGe-hirnzudenOrganen.DanebengibtesnochdasautonomeNervensystem,welchessowohlaufsteigendewieabsteigendeNervenbahnenenthält.FunktionellistesgegliedertinSympa-thikus(„Stresssystem“)undParasympathikus(„Erholungssystem“).EsreguliertdieTätigkeitinnererOrgane(Darm,Herzschlag,Atmungusw.).DieTeiledesGehirnshabensehrunterschiedlicheFunktionen,derenBeschreibungdenRahmensprengenwürde(s.a.Hormonsystem).WasdenMenschenauszeichnet,sinddieFähigkeitenderGroßhirnrinde.AusschließlichderenAktivitätenkommenzumBewusstsein.ImGroßhirnstehteineNervenzelleinKontaktmithundertenbistausendenandererNer-venzellenüberKontaktstellen,diesog.Synapsen(neuronalesNetzwerk,Neuron=Nerven-zelle).DiesistdieBasisfürAssoziationenbzw.typischeReaktions-undVerhaltensmuster.

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NeuronaleNetzwerkesinddynamisch,d.h.Anzahlund„Leichtgängigkeit“derSynapsensindveränderbar(auchimAlter).DurchLernvorgängeerhöhtsichz.B.dieSynapsendichte.

Quelle:www.jdw-online.de/pages/de/image73584 Das Großhirn ist in sog. Areale unterteilt, denen spezielle Funktionen zugeordnet werden können (z.B. das Broca- und Wernicke-Areal für Sprachmotorik und Sprachsensorik).

Quelle:http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/gehirn.gifKrankheitsbildero DemenzDemenzistder(vorzeitige)AbbaudergeistigenundpsychosozialenFähigkeiteninfolgeei-nesAbsterbensvonNervenzellenimGroßhirn.EsgibtverschiedeneFormenbzw.UrsachenvonDemenz.DiehäufigsteFormistdieDemenzvomALZHEIMER-Typundbetrifft2/3allerFälle.DiezweithäufigsteFormwirddurchArteriosklerosevonkleinenHirnarterienausgelöstz.B.durchBluthochdruckoderDiabetes.InsgesamtgibtesinDeutschlandca.1,4MillionenDemenzkranke(Prävalenz2009).AufGrundderdemographischenEntwicklungistin2050mit3MillionenErkranktenzurechnen.ProJahrkommenca.40.000Fälledazu(Inzidenz).DieErkrankungiststarkaltersabhängig,diePrävalenzsteigtvon1,6%(65-Jährige)auf26%(85-Jährige).ZurEpidemiologiesiehe:https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf

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o DepressionEineDepressionmachtsichdurch(anhaltende)Niedergeschlagenheit,Rückzug,Antriebsar-mut,Interessenverlust,starkeErmüdbarkeit,Konzentrations-undGedächtnisprobleme,Schlafstörungen,Grübeleien,Schuldgefühle,innereLeereundhäufigauchSuizidgedankenbemerkbar.DepressionensindhäufigeKrankheitsbilder.EinigeZahlenzurDepression(2004):Lebenszeitprävalenz:19%,Einjahresprävalenz:12%(Erwachsene)1-JahresInzidenz:2%(2Neuerkrankungenauf100Personen).FrauenerkrankenetwadoppeltsohäufigwieMänner.DasErstmanifestationsaltereinerDepressionliegtmeistzwischen30.und40.Lebensjahr,einzweiterGipfelderHäufigkeitfindetsichbeiPersonenüber60Jahre.KinderundJugendlicheerkrankenseltener,jedochwirddiePunktprävalenzmitimmerhin3-4%angegeben.Ansog.Altersdepressionleidenüber65-Jährigein15–25%,inAltenheimenschätztmandieHäufigkeitauf30–40%.Etwa30%derSuizideentfallenaufüber65-JährigewegenDe-pression.DasKrankheitsbildsowiedieBehandlungsmöglichkeitenwerdeninanderenLehr-veranstaltungenausführlichbesprochen.

3. GesundheitsstörungenundsozialmedizinischwichtigeKrankheitsbilder

a. ModellevonGesundheitundKrankheitInderMedizinistmangewohnt,überKrankheitundkrankmachendeFaktorenzusprechen.IndenGesundheitswissenschaftengehteseherumGesundheitunddieGesundheiterhal-tendenFaktoren.GesundheitwirdvonderWHOdefiniertalsZustandvölligenkörperlichen,geistigenundsozialenWohlbefindensundnichtnurdasFreiseinvonKrankheitundGebre-chen(„Healthisastateofcompletephysical,mental,andsocialwell-beingandnotmerelytheabsenceofdeseaseorinfinity“).InderPraxisistdieTrennungzwischengesundundkrankmitunterschwierig,objektiveKriterienfehlenoft.KrankheitwirdinderRegelalsNormabweichung(derKörper-Struktur,derFunktion,desVerhaltens…)definiert,Wasdie„Norm“ist,unterliegtnichtnurmedizinischenKriterien,auchkulturelleundgesellschaftlicheEinflüssespieleneineRolle.BeispielsweisewurdeHo-mosexualität1970nochals„Krankheit“indenKlassifikationssystemen(DSMIII)geführt,währendsieheutealsLebensformgesellschaftlichakzeptiertist.SostelltauchAdipositas(Übergewicht)inmanchenKulturkreisenkeineNormabweichungdar.FernerbestehtöfterseineDiskrepanzenzwischenBefundundBefinden:trotzobjektivbestehenderKrankheitsbe-funde(z.B.hoherBlutdruck,pathologischeLaborwerte…)fühleichmichnichtkrank.DurchdieKlassifikationderKrankheiten(ICD=internationalclassificationofdisease,Versi-on10)hatdieWHOinternationalfestgelegt,wasalsKrankheitwiedefiniertist.DieseFest-legunghatjedoch,wieobendargestellt,ihre(kulturellen)Grenzen.Krankheitenkönnenakutoderchronischverlaufen.AkuteKrankheitenendenentwedermitdervölligenWiederherstellungodermiteinerteilweisenWiederherstellungderGesundheit.BeichronischverlaufendenErkrankungenisteinevollständigeHeilungseltenmöglich,allen-fallsisteineLinderungerreichbar.DieMehrheitallervorhandenenErkrankungen(Prä-valenz)sindchronischeErkrankungen.SolcheErkrankungenkönnengleichbleibend(chro-nisch)verlaufen,oderwellenförmig„inSchüben“auftreten.DiesenVerlaufstypnenntmanauch„chronischrezidivierend“.UnserGesundheitssystemistüberwiegendaufdieBehand-

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lungakuterErkrankungenausgerichtet,inderVersorgungchronischKrankerbestehenDefi-zite.Gesundheitist„dashöchsteGut“inunsererGesellschaft.DieseEinstellunghabenvorwie-gendältereMenschen,JungenichtindemMaße.TrotzdesinsgesamthohenStellenwertesvonGesundheithandelnvieleMenschenwiderbesseresWissen,indemsiesich„ungesund“verhalten.ZurBefriedigungkurzfristigerBedürfnissewerdenGesundheitsrisikeninKaufge-nommen.GesundheithatverschiedeneDimensionen:

• StörungsfreiheitGesundheitwirdvonvielenMenschenalsFreiseinvonKrankheitenverstanden.Die-setraditionelleSichtausderZeitderAufklärung(um1730)istauchheutenochweitverbreitet.EshandeltsichumeineNegativdefinition,ebendasNegativbildvonKrankheit.KrankheitsdefinitionensindüberwiegendExpertensache.Gesundheits-empfindenjedochhängtnichtvonExpertenmeinungenüberKrankheitab,sondernistindividuellundunmittelbarerfahrbar.

• WohlbefindenDieseDimensionrücktdassubjektiveEmpfindenindenVordergrund:ichbinge-sund,wennichmichgutfühle.DemträgtdieWHO-DefinitionRechnung.Wohlbe-findenalssubjektiveGesundheitsdefinitionistdaherweitverbreitet,meistens–abernichtimmer–zutreffend.Beispielsweisefühltsichjemand,derrauchtundtrinkt,häufigwohl,istjedochnichtgesund.

• LeistungsfähigkeitundRollenerfüllungIneinerebenfallstraditionellenSichtweisewirdalsgesundderjenigeverstanden,derinderLageist,dieihmgestelltenAufgabenzuleistenunddieRollenerwartun-genzuerfüllen.IndieserDimensionrücktsehrstarkdasgesellschaftlicheInteresseindenVordergrund.DieseSichtweisehatihrenNiederschlaginderSozialgesetzge-bunggefunden.Z.B.wirddieZuständigkeitfürdiesozialeAbsicherungzwischenKrankenkasseundRentenversicherungausschließlichüberdasLeistungsvermögenfestgelegt.DieDiskussiondieserSichtweisevonGesundheitisthistorischbelastet:imNationalsozialismuswurdeVolksgesundheitaufdieserSchienepropagiert.

• Gleichgewichtszustand(Homöostase)DiesewohlältesteSichtweisevonGesundheitistinfastallenKulturenundbeiunsbereitsimantikenGriechenland(500v.Chr.)zufinden.WerinderLageist,dieGe-gensätzlichkeitenderUmweltunddesIndividuumsineineBalancezubringen,istgesund.DerEinklangvonMakro-undMikrokosmoswurdez.B.vonHippokratesalsIdealvonGesundheitangesehen.DiesschließtdieinnereHarmonieein,wiesiebei-spielsweiseinasiatischenKulturenimYinundYangSystemangestrebtwird.AuchindenantikenafrikanischenundsüdamerikanischenKulturenfindensichähnlicheGleichgewichtstheorien.

• GesundheitalsFlexibilität(Heterostase)DieErfahrungzeigt,dassdasobenbeschriebeneGleichgewicht,dieHomöostase,häufiggestörtwirdz.B.durchKrankheit,durchLebensereignisseusw.GesundheitkanndaherauchalsFähigkeitbetrachtetwerden,mitsolchenStörungenzurechtzukommen,siezuüberwinden.DieseSichtweiseistaufBewältigung(coping)gerich-tet:gesundist,wereinhohesBewältigungspotenzialhat.PopuläristdasHeterosta-se-ModellvonAntonovskygeworden(Salutogenese-Modells.u.).GrundannahmeistdieTatsache,dassderIdealzustandderHomöostaseunrealistischist,dassStörun-gendesGleichgewichtsnormalerweiseauftretenundzumLebengehören.

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• AnpassungsfähigkeitÄhnlichwieimHeterostase-ModellwirdhiernichtvoneinemGleichgewichtzwi-schenIndividuumundUmweltausgegangen.VielmehrstellenEntwicklungsanforde-rungenund–notwendigkeitendenMenschenimmerwiedervordasErfordernisder(körperlichen,seelischen,geistigen)Anpassung.GesundheitkanndaherauchalsAnpassungsvermögenandienormalenEntwicklungsschrittedesLebensverstandenwerden.

Wiegesundwirsind,hängtvonzahlreicheninnerenundäußerenFaktorenab.Zudeninne-renFaktorenrechnendiegenetischeVeranlagung,diephysischeundpsychischeGrundkon-stitution,dasImmunsystem,Hormonsystemusw.,alsäußereFaktorensinddiesozioöko-nomischeLage,diehygienischenVerhältnisse,dasBildungsangebot,dieArbeitsbedingun-gen,dieprivateLebensformunddiesozialeEinbindungmaßgebend.SubjektiveKrankheitsmodelle.DiehäufigeDiskrepanzzwischenBefundundBefindenistdadurchzuerklären,dassjederMenscheigeneVorstellungenüberGesundheitundKrank-heithat,diesichnichtanmedizinischenTatsachenorientieren.Für(psychosomatischorien-tierte)ÄrztewiefürSozialarbeiteristeswichtig,diesubjektiveTheorieeinesPatienten/Kli-entenzukennen,umihn„dortabzuholen,woersteht“.EineschonimMittelalterverbreite-tesubjektiveKrankheitstheorieistdiejenige,dieKrankheitalsStrafefürschuldhaftesFehl-verhaltenansieht.Diese„Theorie“istauchheutenochz.B.beiDepressionenanzutreffen(wohldeshalb,weilinderDepressionhäufigSchuldgefühlauftreten–alsFolge,nichtalsUr-sache!).BefundundBefindenlassensichinfolgendemSchemabetrachten:

objektiverBefundundsubjektivesBefinden

Befund

ohne krank

Befin

den

gut gesundscheingesundbzw.funktionellgesund

schlechtscheinkrankoderpsycho-somatisch

krankkrank

FindenSiefürjedesdergrauenQuadrateeinBeispiel!WissenschaftlicheKrankheitsmodelle.Hiersindzunennen:

o NaturalistischeKrankheitsmodelleKrankheitwirdalsNaturphänomenaufgefasst,welchessichmitdenMethodendermodernenNaturwissenschaftenaufklärenunderforschenlässt.ImZugederreduk-tionistischenBetrachtungsweiseistdiesesModellderzeitamweitestenverbreitet.EinebesondereFormistdasRisikofaktorenmodell,beidemangenommenwird,dassdieHäufungkrankheitsspezifischerRisikofaktorendieErkrankungswahrscheinlich-keit(erheblich)erhöht.

o PsychosomatischeKrankheitsmodelleDieEntstehungvielerKrankheitenwirdalsStörungdesGleichgewichtleiblich-seelischerVorgängegesehen,wobeisowohlpsycho-somatischeWirkungenalsauch

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somato-psychischeWirkungenstattfinden(Beispiel:DepressiveMenschenbekom-menhäufigereinenHerzinfarkt,MenschennachHerzinfarktentwickelnöftereineDepression).AusführlichwerdendieseModelleinderVorlesung„Psychosomatik“imkommendenSemesterbesprochen.

o Vulnerabilitäts-Stress-ModellIndiesemModellgehtesumsubjektiveBelastungsfaktoren,diedieBewältigungs-möglichkeitendesIndividuumsübersteigen.VulnerabilitätbedeutetindividuelleEmpfindlichkeitoderVerletzlichkeitbestimmtenBelastungengegenüber.DieseVul-nerabilitätistErgebnisderGrundkonstitution(Veranlagung)undderimLaufdesLe-benserworbenenBewältigungsressourcen.Beispielsweiseistbekannt,dassdieEr-krankungshäufigkeitbeieineiigenZwillingen,diegetrenntaufgewachsensind,auchbeiüberwiegendanlagebedingtenErkrankungennicht100%beträgt.EineeinfacheDarstellungdesModellsfindetmanz.B.beihttp://www.bwpat.de/ht2008/ft12/abb_Krug/Abb2.jpg

o SoziokulturelleModelleImVordergrundstehenhiernichtindividuelleErklärungensondernKrankheitwirdalsPhänomenderGesellschaftaufgefasstbzw.untersucht,wiesichKrankheitaufdieGesellschaftauswirkt.ZuGrundeliegtdieBeobachtung,dassKrankheitzunächsteinindividuellesPhänomenist,jedochimmeraucheinesozialeDimensionhat.KrankheitkanndaherauchalssozialeAbweichunggesehenwerden.DieBewertungalsAbweichunghängtwiederumsehrstarkvondenkulturellenNormenab.

b. DasKrankheitsfolgemodellderWHO:DieICFICF=InternationalClassificationofFunctioning(imDeutschenals“InternationaleKlassifika-tionderFunktionsfähigkeit,BehinderungundGesundheit“bezeichnet).AusgehendvonderErkenntnis,dassfürMenschen,dievonKrankheitbetroffensind,nichtdieDiagnosenachICD-10,sonderndieAuswirkungeneinerErkrankungmaßgebendsind,wurdevonderWHOeinKlassifikationssystementwickelt,welchesdieKrankheitsfolgeninverschiedenenEbenendarstellt.AlsFolgekrankheitsbedingterFunktionsstörungeneinzel-nerKörpersystemekommteszuBehinderungenunddamitzurEinschränkungenderTeil-habeamLebeninderGesellschaftund/oderimErwerbsleben.IndenKlassifikationsebenenderICFwerdendieseEinschränkungensehrgenaubeschriebenunddamitauchAnsätzezurVerbesserungderTeilhabez.B.durchRehabilitationgefunden.DieBundesarbeitsgemein-schaftfürRehabilitation(BAR)hateinensehrschönen,übersichtlichenPraxisleidfadenzurICFentwickelt,downloadunterfolgenderAdresse:http://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/publikationen/icf-praxisleitfaeden/downloads/ICF1.pdf

Manunterscheidetdie- KlassifikationdererstenEbene- KlassifikationderzweitenEbene- Detailklassifikation.

DieKlassifikationdererstenEbeneumfasstdieKlassifikationderKörperfunktionen

Kapitel1:MentaleFunktionen(->siehe2.Ebene)Kapitel2:SinnesfunktionenundSchmerzKapitel3:Stimm-undSprechfunktionenKapitel4:Funktionendeskardiovaskulären,hämatologischen,Immun-undAtmungssystemsKapitel5:FunktionendesVerdauungs-,desStoffwechsel-unddes

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endokrinenSystemsKapitel6:FunktionendesUrogenital-undreproduktivenSystemsKapitel7:NeuromuskuloskeletaleundbewegungsbezogeneFunktionenKapitel8:FunktionenderHautundderHautanhangsgebilde

KlassifikationderKörperstrukturenKapitel1:StrukturendesNervensystemsKapitel2:DasAuge,dasOhrundmitdieseninZusammenhangstehendeStrukturenKapitel3:Strukturen,dieanderStimmeunddemSprechenbeteiligtsindKapitel4:Strukturendeskardiovaskulären,desImmun-unddesAtmungssystemsKapitel5:MitdemVerdauungs-,StoffwechselundendokrinenSysteminZusammenhangstehendeStrukturenKapitel6:MitdemUrogenital-unddemReproduktionssysteminZusammenhangstehendeStrukturenKapitel7:MitderBewegunginZusammenhangstehendeStrukturenKapitel8:StrukturenderHautundHautanhangsgebilde

KlassifikationderAktivitätenundPartizipation(Teilhabe)Kapitel1:LernenundWissensanwendungKapitel2:AllgemeineAufgabenundAnforderungenKapitel3:KommunikationKapitel4:MobilitätKapitel5:SelbstversorgungKapitel6:HäuslichesLebenKapitel7:InterpersonelleInteraktionenundBeziehungenKapitel8:BedeutendeLebensbereicheKapitel9:Gemeinschafts-,sozialesundstaatsbürgerlichesLeben

KlassifikationderUmweltfaktorenKapitel1:ProdukteundTechnologienKapitel2:NatürlicheundvomMenschenveränderteUmweltKapitel3:UnterstützungundBeziehungenKapitel4:EinstellungenKapitel5:Dienste,SystemeundHandlungsgrundsätze

DieKlassifikationderzweitenEbenewirdbeispielhaftamKapitel1(MentaleFunktionen)derKlassifikationderKörperfunktionendargestellt:

GobalementaleFunktionen(b110-b139)b110FunktionendesBewusstseins(->sieheDetailklassifikation)b114FunktionenderOrientierungb117FunktionenderIntelligenzb122GlobalepsychosozialeFunktionenb126FunktionenvonTemperamentundPersönlichkeitb130FunktionenderpsychischenEnergieunddesAntriebsb134FunktionendesSchlafesb139GlobalementaleFunktionen,andersodernichtnäherbezeichnet

SpezifischementaleFunktionen(b140-b189)b140FunktionenderAufmerksamkeitb144FunktionendesGedächtnissesb147PsychomotorischeFunktionen

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b152EmotionaleFunktionenb156FunktionenderWahrnehmungb160FunktionendesDenkensb164HöherekognitiveFunktionenb167Kognitiv-sprachlicheFunktionenb172DasRechnenbetreffendeFunktionenb176MentaleFunktionen,diedieDurchführungkomplexerBewegungshandlun-genbetreffenb180DieSelbstwahrnehmungunddieZeitwahrnehmungbetreffendeFunktio-nenb189SpeziellementaleFunktionen,andersodernichtnäherbezeichnetb198MentaleFunktionen,andersbezeichnetb199MentaleFunktionen,nichtnäherbezeichnet

DieKlassifikationinderzweitenEbeneistinähnlicherWeisefüralleanderenKapiteldererstenEbeneausgeführt.InderDetailklassifikationwirddasAusmaßderSchädigungquantifiziert.HierbeiwirdSchädigungalsBeeinträchtigungeinerKörperfunktionoder–strukturimSinneeinerwesent-lichenAbweichungodereinesVerlustesverstanden.FolgendeSkalazurQuantifizierungwirdangewendet:

Code AusmaßderSchädigung BeeinträchtigungvonStruktur/Funktionxxx.0 Schädigungnichtvorhanden 0-4%xxx.1 Schädigungleichtausgeprägt 5-24%xxx.2 Schädigungmäßigausgeprägt 25-49%xxx.3 Schädigungerheblichausgeprägt 50-95%xxx.4 Schädigungvollausgeprägt 96-100%xxx.8 nichtspezifiziertxxx.9 nichtanwendbar

BeispielhaftwirddieDetailklassifikationKörperfunktionen->MentaleFunktionen->globaleMentaleFunktionen->FunktionendesBewusstseins(b110)ausgeführt:

b110FunktionendesBewusstseinsCharakterisierung:AllgemeinementaleFunktionen,diediebewussteWahrnehmungundWachheitein-schließlichKlarheitundKontinuitätdesWachheitszustandesbetreffen

einschließlich:Funktionen,dieZustand,KontinuitätundQualitätdesBewusstseinsbe-treffen;Bewusstseinsverlust,Koma,vegetativerStatus(ApallischesSyndrom),Dämmer-zustand(Fugue),Trance,Besessenheit,drogeninduzierteBewusstseinsveränderungen,Delir,Stuporausschließlich:FunktionenderOrientierung(b114);FunktionenderpsychischenEnergieunddesAntriebs(b130);FunktionendesSchlafes(b134)

Differenzierung:b1100BewusstseinszustandMentaleFunktionen,diesichbeiVeränderungalsZuständewieBewusstseinstrübung,Stuporo-derKomaäußern(->sieheBeispielunten)b1101KontinuitätdesBewusstseinsMentaleFunktionen,diesichinErhaltderWachheit,AufmerksamkeitundbewussterWahrneh-mungäußernunddiebeieinerStörungzuDämmerzustand(Fugue),TranceoderähnlichenZu-ständenführenkönnenb1102QualitätdesBewusstseins

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MentaleFunktionen,diesichbeiVeränderungenaufdieArtdesEmpfindensvonWachheit,Auf-merksamkeitundbewussterWahrnehmungauswirken,wiedrogeninduzierteBewusstseinsver-änderungenodereinDelirb1108FunktionendesBewusstseins,andersbezeichnetb1109FunktionendesBewusstseins,nichtnäherbezeichnet

EntsprechendderBeeinträchtigungeinerTeilfunktionwirdzuletztdasAusmaßderSchädi-gungangegeben,wieobendargestellt.Beispiel:EinPatientimKomamitvollständigemBe-wusstseinsverlustwürdemitb1100.4codiert.Anwendungsbeispiel:Beidem68-jährigenDiplomingenieurwurdevor4JahrendieDiagnoseeinerpräsenilenDemenz(ALZHEIMER-Erkrankung)gestellt.DerfrüherlebhafteundkontaktfreudigeMannhatsichsehrzu-rückgezogen.NebenerheblichenStörungendesKurz-undLangzeitgedächtnissesisternichtinderLage,dieZeitunglängerals15Minutenzulesen.DieFähigkeitzuschreibenhatstarkabgenom-men,nurseineUnterschriftistnochgutleserlich,Rechnenistkaumnochmöglich.DersprachlicheAusdruckscheintvorhanden,umfasstaberimWesentlichenFloskelnohneDifferenzierung.EristnochinderLage,sichselbstständiganzukleiden,andieEinhaltungderKörperhygienemusserer-innertwerden.AktivitätenderHaushaltsführungsindstarkeingeschränkt,größereEinkäufemüs-senAndereerledigen.SpaziergängeimViertelsindgutmöglich,inderStadtfindetersichaufver-trautenWegenzurecht,inneuerUmgebungjedochnicht.BeeinträchtigeKörperfunktionen:MentaleFunktionen

GlobaleFunktionenOrientierung b114.3Intelligenz b117.3GlobalepsychosozialeFunktionen b122.2PsychischeEnergieundAntrieb b130.2

SpezifischeFunktionen–schätzensiehierdenSchweregradxselbstein!Aufmerksamkeit b140.xGedächtnis b144.xEmotionaleFunktionen b152.xDenken b160.xHöherekognitiveFunktionen b164.xKognitiv-sprachlicheFunktionen b167.xRechnen b172.x

Stimm-undSprechfunktionenBitteselbsterarbeiten…

BewegungsbezogeneFunktionenBitteselbsterarbeiten…

HINWEIS:DieICFkannkostenfreidowngeloadedwerdenvomDIMDI(DeutschesInstitutfürmedizinischeDokumentationundInformation):http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htmc. Sozialmedizin–FachgebietundBegrifflichkeitDasFachgebietistnichteinheitlichdefiniert.SozialmedizinalsTeildisziplinderMedizinana-lysiertundbeschreibtdieWechselwirkungenzwischenKrankheit,Gesundheit,IndividuumundGesellschaftsowiedieOrganisationsstrukturendesGesundheitswesensunddesmedi-zinischenVersorgungssystems.FernerwerdenStrategienzurPräventionundBekämpfungvonKrankheitenentwickelt.ImUnterschiedzurMehrzahlderklassischen,überwiegendku-rativausgerichtetenmedizinischenFächerverfolgtdieSozialmedizineinenüberdieIndivi-dualmedizinhinausgehendenbevölkerungsbezogenenAnsatzunterVerwendungepidemio-

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logischer,klinischer,sozial-u.verhaltenswissenschaftlicher,ökonomischerundökologischerMethoden.ZielderSozialmedizinistdieeffektiveundeffizienteVermeidungoderBewälti-gunggesundheitlicherProblemeundihrersozialenFolgenbeiEinzelnenu.inderBevölke-rung.DergutachterlicheTeilärztlich-sozialmedizinischerTätigkeitbestehtdarin,AuswirkungenvonKrankheiten(nachderICF)imHinblickaufdieEinschränkungderTeilhabeamgesell-schaftlichenLebenzubeurteilen,z.B.dieFrage,obeineSchwerbehinderungvorliegt.BeiMenschenimerwerbsfähigenAlterstelltsichoftdieFragenacheinerEinschränkungdesLeistungsvermögensfürdenArbeitsmarkt,alsodieFragederErwerbsminderung.Diesozi-almedizinischeLeistungsbeurteilungistmeistGrundlagefürdieGewährungoderVersagungvonLeistungenderSozialleistungsträger(Krankenkasse,Rentenversicherung,Versorgungs-ämterusw.).AuchinderSozialgerichtsbarkeitwirdaufdieseLeistungsbeurteilungenzu-rückgegriffenbzw.entsprechendeGutachtenangefordert.DiesozialmedizinischeBegrifflichkeitistimSGBdefiniertoderdurchdieRechtsprechungentwickeltworden.HiereinigeBeispielehäufigverwendeterBegriffe(alphabetisch):

AufnichtabsehbareZeitEineErwerbsminderungistgrundsätzlicherstdannrentenrechtlichrelevant,wennsie„aufnichtabsehbareZeit“vorliegt(§43SGBVI).ImHinblickauf§101SGBVIisthieruntereinZeitraumvonmindestens6Kalen-dermonatenzuverstehen(RechtsprechungdesBundessozialgerichts),nachdergenanntenVorschriftwirddieRentenichtvorBeginndes7.KalendermonatsnachEintrittderErwerbsminderunggeleistet.BeieinerErwerbsminderungvonwenigerals6MonatenDauerkommtesdahernichtzueinerRentenleistung.ImGegensatzzumRentenrechtwirdbeiderGrundsicherungfürArbeitssuchende(§8SGBII)derAusdruck"aufabsehbareZeitaußerstande"verwendet.HierspielennurdieabZeitpunktderBeurteilung-inderZu-kunftliegenden-MonateeineRolle;esistzuprognostizieren,obinnerhalbdernächsten6MonatemitderWiedererlangungderErwerbsfähigkeitgerechnetwerdenkann.ArbeitsunfähigkeitNachdenArbeitsunfähigkeits-RichtliniendesgemeinsamenBundesausschussesderÄrzteundKrankenkas-senheißtesu.a.:"Arbeitsunfähigkeitliegtvor,wenneinVersicherteraufgrundvonKrankheitseineausge-übteTätigkeitnichtmehrodernurunterderGefahrderVerschlimmerungderErkrankungausführenkann."DerhäufigverwandteBegriff"Krankschreibung"führtindieIrre.Denn:nichtimmerbedeutetKrankheitauchgleichzeitigArbeitsunfähigkeit.ObKrankheitdieArbeitsfähigkeitbeeinträchtigt,hängtvonvielenFak-torenab,z.B.vonderArtundderSchwerederKrankheit,vomkörperlichenundpsychischenGesamtzu-standdeskrankenMenschenundinsbesonderevonderberuflichenTätigkeitunddendamitverbundenenAnforderungen.Obwohldie„Arbeitsunfähigkeit“keinmedizinischerBegriffist,musssieärztlichfestgestelltwerden.DieärztlicheVerordnung(Bescheinigung)vonArbeitsruhebegründeteineGeldleistung(Lohnfortzahlung,Krankengeld),dievomArbeitgeberoderdemzuständigenLeistungsträgergewährtwird.ErwerbsminderungIndergesetzlichenRentenversicherung(SGBVI)istErwerbsminderungeinerentenrechtlichrelevanteEin-schränkungderErwerbsfähigkeitimSinnedesab1.1.2001geltenden§43SGBVI.DanachsindVersicherteteilweiseerwerbsgemindert,diewegenKrankheitoderBehinderungaufnichtab-sehbareZeitaußerstandesind,unterdenüblichenBedingungendesallgemeinenArbeitsmarktesmindes-tens6Stundentäglicherwerbstätigzusein.VollerwerbsgemindertsindVersicherte,dieingleichemSinnenichtmehrmindestens3Stundentäglicherwerbstätigseinkönnen.HiervonistzuunterscheidenderBegriffderMinderungderErwerbsfähigkeit(MdE)nachdemSGBVII–Ge-setzlicheUnfallversicherung–,demBundesversorgungsgesetz(BVG),demBeamtenversorgungsgesetz(Be-amtVG),bzw.derGradderBehinderung(GdB),dergem.§69SGBIXvondenfürdieDurchführungdesBun-desversorgungsgesetzeszuständigenBehördenfestgestelltwird.BarrierefreiDieNutzungvonGegenständen,GebrauchsgüternundObjektenistbarrierefrei,wennalleMenschenundsomitauchalleMenschenmitBehinderungensieuneingeschränktnutzenkönnen.BarrierefreinachdemBehindertengleichstellungsgesetz(§4BGG)sindbaulicheundsonstigeAnlagen,Ver-kehrsmittel,technischeGebrauchsgegenstände,SystemederInformationsverarbeitung,akustischeundvi-suelleInformationsquellenundKommunikationseinrichtungensowieanderegestalteteLebensbereiche,wennsiefürbehinderteMenscheninderallgemeinüblichenWeiseohnebesondereErschwernisundgrundsätzlichohnefremdeHilfezugänglichundnutzbarsind.

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BehinderungDerBegriffderBehinderungistnichteinheitlichgeregelt.NachdenVorgabendesSGBIXisteinMenschalsbehindertanzusehen,wenneineBeeinträchtigungderTeilhabevorliegt.DerBehinderungsbegriffnachderICFistweitergefasstundbeinhaltetjedeBeeinträchtigungderKörperfunktionen,Körperstrukturen,Aktivi-tätenundTeilhabe.ImSinnedesSGBIXsindMenschenbehindert(§2SGBIX),wennihrekörperlicheFunktion,geistigeFähig-keitoderseelischeGesundheitmithoherWahrscheinlichkeitlängerals6MonatevondemfürdasLebensal-tertypischenZustandabweichenunddaherihreTeilhabeamLebeninderGesellschaftbeeinträchtigtist.SiesindvonBehinderungbedroht,wenndieBeeinträchtigungzuerwartenist.InderICFwirdjedeBeeinträchtigungderfunktionalenGesundheitBehinderunggenannt.EineBehinderungistdasErgebnisdernegativenWechselwirkungzwischeneinerPersonmiteinemGesundheitsproblem(ICD)unddenKontextfaktorenaufdiefunktionaleGesundheitdieserPerson,d.h.aufihreKörperfunktionen,Körperstrukturen,AktivitätenoderTeilhabe.FunktionaleGesundheitEinePersongiltimSinnederICFalsfunktionalgesund,wenn–vorihremgesamtenLebenshintergrund(KonzeptderKontextfaktoren:UmweltfaktorenundpersonenbezogeneFaktoren)–

1.ihrekörperlichenFunktionen(einschließlichdesmentalenBereiches)undKörperstrukturenall-gemeinanerkannten(statistischen)Normenentsprechen(KonzeptederKörperfunktionenoderKörperstrukturen)2.siealldastunkann,wasvoneinemMenschenohneGesundheitsproblemerwartetwird(Kon-zeptderAktivitäten)und3.sieihrDaseininallenLebensbereichen,dieihrwichtigsind,inderWeiseunddemUmfangent-faltenkann,wieesvoneinemMenschenohneBeeinträchtigungderKörperfunktionenoderKör-perstrukturenoderderAktivitätenerwartetwird(KonzeptderTeilhabeanLebensbereichen).

GradderBehinderung(GdB)DerGradderBehinderung(GdB)imSinnedesSchwerbehindertenrechts(SGBIX,Teil2:BesondereRegelun-genzurTeilhabeschwerbehinderterMenschen,§§68ff.SGBIX)kennzeichnetdasAusmaßeinerbestehen-denBehinderungmitdendarausfürdenbehindertenMenscheninsämtlichenLebensbereichenresultie-rendenFunktionsbeeinträchtigungenundderenAuswirkungenaufdieTeilhabeamLebeninderGesell-schaft.IndiesemZusammenhangistvondemBehinderungsbegriffdesSGBIX(§2)auszugehen.DerBegriffdesGdBistfinal(d.h.aufalleGesundheitsstörungenunabhängigvonihrerUrsache)bezogen.FürdieErmittlungdesGdBwerdenalleAuswirkungeneinerlängerals6MonateandauerndenFunktionsbe-einträchtigungbemessen,dieaufeinemregelwidrigenkörperlichen,geistigen,seelischenZustandberuhen;regelwidrigisteinZustanddann,wennervondemfürdasLebensaltertypischenZustandabweicht.Physiologische(=normale)VeränderungenimAlterwerdennichtberücksichtigt.DerGradderBehinderungwirdnachZehnergradenabgestuftfestgestellt(abGdB20,dann30,40usw.bis100).LiegenmehrereFunktionsbeeinträchtigungenvor,wirdderGesamt-GdBunterWürdigungderAuswirkun-gendereinzelnenFunktionsbeeinträchtigungeninihrerGesamtheitundunterBerücksichtigungihrergege-benenfallswechselseitigenBeziehungenzueinandergebildet.AusdemGdBistnichtaufLeistungsvoraussetzungenandererRechtsgebiete,z.B.dasAusmaßeinerLeis-tungsminderungimSinnedergesetzlichenRentenversicherung,zuschließen.FürBegutachtungundBewertungdesGdBwerdendie„AnhaltspunktefürdieärztlicheGutachtertätigkeitimsozialenEntschädigungsrechtundnachdemSchwerbehindertenrecht(Teil2SGBIX)mitdendarinent-haltenenTabellen"inderjeweilsgeltendenFassungzugrundegelegt.HilfsmittelHilfsmittel(imSinnevon§31SGBIX)umfassendieHilfen,dieunterBerücksichtigungderUmständedesEinzelfallserforderlichsind,umdenErfolgeinerRehabilitationzusichern,einerdrohendenBehinderungvorzubeugenodereineBehinderungauszugleichen,soweitsienichtalsallgemeineGebrauchsgegenständedestäglichenLebensanzusehensind.ZuHilfsmittelnzählenz.B.Seh-undHörhilfen,KörperersatzstückesowieorthopädischeHilfsmittel.KontextfaktorenKontextfaktorensindimSinnederICFalleGegebenheitendesLebenshintergrundeseinerPerson.Sieglie-dernsichinsogenanntepersonenbezogeneFaktorenundinsogenannteUmweltfaktoren.PersonenbezogeneFaktorensinddieFaktoren,diesichaufdiebetrachtetePersonselbstbeziehenunddenspezifischenHintergrunddesLebensundderLebenserfüllungeinesMenschenausmachen,z.B.AlternundLebenserfahrung.SieumfassenGegebenheiten,dienichtBestandteildesGesundheitsproblemsoderGe-sundheitszustandessind.DieICFsiehtfürdieseFaktorennochkeineKlassifikationvor.

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Umweltfaktorenbildendiematerielle,sozialeundeinstellungsbezogeneUmwelt,inderMenschenlebenundihrLebengestalten.Siekönnenpositiv(Förderfaktoren)odernegativ(Barrieren)wirken.IndersozialmedizinischenBegutachtungistzuprüfen,welcheKontextfaktoreneinenEinflussaufdieLeis-tungsfähigkeitimErwerbslebenhaben.Orthesen(mechanischeGelenkstützen)könnenz.B.alsFörderfakto-renangesehenwerden,diefehlendeAutomatikschaltungimPkwalsBarriere.PersonenbezogeneFaktorenkönnenzusätzlicheInformationenliefern.PräventionInderMedizinbedeutetPrävention,demAuftretenvonKrankheitenzuvorzukommen(Primärprävention),auftretendeKrankheitenmöglichstfrühzeitigzuerkennenundihrFortschreitenzuverhindern(Sekun-därprävention),dieVerschlimmerungbereitsaufgetretenerKrankheitenzuvermeidenunddieKrankheits-folgenzukompensieren(Tertiärprävention)sowiePflegebedürftigkeitzuvermeiden.PrimärpräventionkanninunterschiedlichenHandlungs-undThemenfeldernerfolgenwiebeispielsweiseBe-kämpfungdesBewegungsmangels,Ernährungsschulung,VermeidengesundheitlichriskanterVerhaltenswei-sen,Drogenprävention,ArbeitsplatzhygieneundImpfungen.WennesbereitszuErkrankungengekommenist,sindSekundär-undTertiärpräventionerforderlich,z.B.imRahmenderRehabilitationStress,arbeitsbedingterArbeitsbedingterStressisteineemotionale,kognitive,verhaltensmäßigeundphysiologischeReaktionaufwidrigeundschädlicheAspektedesArbeitsinhalts,derArbeitsorganisationundderArbeitsumgebung(Eu-ropäischeAgenturfürSicherheitundGesundheitsschutzamArbeitsplatz,2002).StressisteinZustand,derdurchhoheAktivierungs-undBelastungsniveausgekennzeichnetistundoftmitdemGefühlverbundenist,mankönnedieSituationnichtbewältigen.Umstellungs-undAnpassungsvermögenUmstellungs-undAnpassungsvermögenbezeichnetdieFähigkeitzumsituationsgerechtenDenkenundHandelnbeiunterschiedlichenkörperlichen,psychischenundsozialenAnforderungen.ImArbeitsprozesssteigtderGradderAnforderungandieseFähigkeitmitwachsenderVariabilitätderzuerledigendenArbeits-aufgaben.ImRahmenderberuflichenNeuorientierungwirddieseFähigkeitbeiderEinarbeitunginbisherunbekannteTätigkeitsbereicheabverlangtWunsch-undWahlrechtDieVorschriftdes§9SGBIXsollfürdenBereichderTeilhabesicherstellen,dassberechtigtenWünschenbehinderterundvonBehinderungbedrohterMenschenhinsichtlichderAuswahlsowiederAusführungderLeistungenzurTeilhabeentsprochenunddabeiRücksichtaufihrepersönlicheLebenssituation,geschlechts-spezifischenundreligiösenBedürfnissegenommenwird.

AlleBegriffekönnennachgeschlagenwerdenunter:http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/208364/publicationFile/59514/druckfassung_glossar_.pdf

SozialmedizinalsTeildisziplinderSozialwissenschaftbefasstsichu.a.mitsozialenFaktorenvonKrankheitundBehinderungen,z.B.

GrundlagenderEpidemiologie(s.o.)SozialeSchichtundKrankheit(s.u.)ArbeitsweltundKrankheitArbeitslosigkeitundKrankheitMigrationundKrankheitGeschlechterrollen,FamilienfaktorenundKrankheitUmweltundKrankheit

SystemanalysedesGesundheitswesensz.B.BerufeimGesundheitswesenInstitutionenimGesundheitswesenPatientenimGesundheitswesenSozialmedizinischePraxis(Gesundheitsförderung,Sozialtherapie,Rehabilitation,…)

DieÜbergängezwischenmedizinischerundsozialwissenschaftlichorientierterSozialmedizinsindfließend.InsofernistSozialmedizin(wiedieGesundheitswissenschafteninsgesamt)eineMultidisziplin.

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d. DiegroßenVolkskrankheitenEingrundsätzlichesProblemepidemiologischerForschunginDeutschlandist,dasskeineall-gemeinenKrankheitsstatistikenexistieren.ZwarkönnendieDiagnosedatenderKrankenkas-senundKrankenhäuserausgewertetwerden,wasaberbeiderVielzahlderKassenundun-terschiedlichzusammengesetzterKlientelekeineallgemeingültigenAussagenermöglicht.DieAuswertungvonKrankenhausdatenistzudemLändersache.MankannhilfsweisedieStatistikderTodesursachenheranziehen.DabeiwerdenjedochKrankheiten,dienichtzumTodeführen,abervonerheblicher(volkswirtschaftlicher)Bedeutungsind,nichtberücksich-tigt(BeispieledafürwärenRückenleiden,DepressionenundDiabetesmellitus).EssindnurwenigeKrankheiten,dieunsereLebenserwartungbegrenzen.EinÜberblick(s.u.)zeigt,dassfast40%derTodesursachenaufHerz-Kreislauferkrankungenzurückzuführensind,alsoFolgenvonArteriosklerosewieHerzinfarktundSchlaganfall.EinViertelderDeutschenver-stirbtanKrebs.DasrestlicheViertelderTodesursachenteiltsichentsprechenddernachfol-gendenTabelledesstatistischenBundesamtesfür2014auf,wobeiaufeineSuizidratevon1,5%derTodesfälle(ca.11.000Menschen)hingewiesenwerdensoll(Suizidesindinderun-tenstehendenTabelleunter„äußereUrsachen“versteckt).

ImHinblickaufGesundheitsförderungundKrankheitspräventionsindimWesentlichenvierKrankheitsgruppenzubetrachten:

I. Herz-Kreislauf-ErkrankungenII. RückenleidenIII. Psychische/PsychosomatischeStörungeninsbesondereDepressionenIV. Ernährungs-undStoffwechselkrankheiteninsbesondereDiabetesmellitus

58%Frauen42%MännerUrsacheHerzin40,5%UrsacheGehirnin18,6%92%über65Jahre

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o Herz-Kreislauf-ErkrankungenDieEntstehungvonArteriosklerosenachdemRisikofaktorenmodellwurdeobendarge-stellt.PrimäreRisikofaktorensind:Rauchen,hoherBlutdruck,erhöhteBlutfettwerte,er-heblichesÜbergewicht,Zuckerkrankheit,Bewegungsmangel,Distress(„negativer“Stress),DepressionundgenetischesRisiko.WeiterepsychischeundsozialeFaktorenwirkensichübereineHäufungderprimärenFaktorenaus:AngehörigeunterersozialerSchichtenernährensichschlechter(->erhöhteBlutfettwerte),rauchenmehr,habenmehrÜbergewicht(->hoherBlutdruck,Diabetes).DieArterioskleroseführtletztlichzurVerstopfungvonArterien(Schlagadern),wobeidasKrankheitsbilddavonabhängigist,anwelchemOrganeineAderverstopft.Beieinerver-schlossenenHerzkranzaderentstehtderHerzinfarkt,beieinerSchlagaderdesGehirnsderSchlaganfall.AberauchandereOrganekönnenbetroffensein(Nieren,Beine,Netz-hautderAugen).DieHauptschlagaderimBauchraumzeigthäufigdasGegenteil:sieer-weitertsichsackartigundkannplatzen(sog.Aortenaneurysma).Wieerwähnt,stellendieErkrankungeninderFolgevonArterioskleroseetwa40%allerTodesursachen.DieVermeidungvonArterioskleroseistdasPräventionsthemaNr.1!BisaufdiegenetischeDispositionkönntenalleobenerwähntenRisikofaktorendurchgeeignetePräventionsmaßnahemeliminiertwerden.Arterioskleroseistvermeidbar!DieFrageist,warumwirmehrGeldfürdieBehandlungderArteriosklerose-Folgenaus-geben,alsfürwirksamePräventionsprogramme.EsistdurchStudienerwiesen,dassIn-vestitioneninPräventioneffizientersind,alsdieSteigerungder„Reparatur“-Aufwendungen.Die(Gesundheits-)Politikignoriertdasoffensichtlich:

ImJahre2005solltenachdemWillenderrot-grünenBundesregierungdas"GesetzzurStär-kungdergesundheitlichenPrävention"inKrafttreten.DamitsolltediePräventionnebenKuration,PflegeundRehabilitationzueinereigenständigen"viertenSäule"desSystemsderGesundheitssicherungausgebautwerden.IndenJahren2005bis2007solltendieindieneuenStrukturenfließendenGelderstetigzunehmen,umimJahre2008denvorgesehenenjährlichenUmfangvon250Mio.Euroerreichen.Dazukamesnicht:DerGesetzentwurfwurdenachausführlicherAnhörungimBundestagsausschussfürGesundheitundSozialeSi-cherungzwaram22.April2005vomBundestagverabschiedet.InseinerSitzungam27.Mai2005beschlossderBundesratdannjedochdasGesetzaufzuhaltenunddenVermittlungs-ausschuss"mitdemZieldergrundlegendenÜberarbeitung"anzurufen.ImMärz2013wur-dedas„GesetzzurFörderungderPrävention“imKabinettverabschiedet.Zielist,fürPrä-ventioninderGKV6EuroproVersichertemin2014auszugeben(2013sindes3,01€).DieHälftedesGeldessolldieBZgA(BundeszentralefürgesundheitlicheAufklärung)erhaltenfürPräventionskampagnen.DieBonusprogrammederKassensollengestärktwerden.Einwei-tererSchwerpunktsindHausärzteundbetrieblicheAngebote.PräventionindenLebenswel-ten(z.B.regionaleBesonderheiten,Stadtteileusw.)istnichtvorgesehen.

o Rückenleiden22%derArbeitsunfähigkeitstageentfielen2013aufMuskel-/Skeletterkrankungen,da-runterüberwiegendRückenleiden(Psyche17%,Atmung14%,Verletzungen12%).BeiMännernsindRückenschmerzendiehäufigste,beiFrauendiezweithäufigsteUrsa-chefürArbeitsausfälle,mindestenseinDrittelallervorzeitigenRentenanträgewirdwe-geneineschronischenRückenleidensgestellt.DiegeschätztenKostenbetragen40Milli-ardenEuroproJahr.RückenschmerzistzuallerersteinSymptomundkeineDiagnose.DeshalbmüssendiesePatientenimHinblickaufkörperliche,psychischeundsozialeUrsachenabgeklärtwer-den.Nurbei15-20ProzentfindenÄrztekörperlicheVeränderungenwiez.B.Abnut-

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zungserscheinungenvonWirbeln,ArthrosenindenWirbelgelenkenoderBandscheiben-schäden,diedieSchmerzenerklären.Dasbedeutet,dasspsychosozialeFaktorenbeiRü-ckenschmerzeneinewichtigeRollespielen,nichtseltendieentscheidendeRolle.DieseTatsachewirdoftübersehen,wenndieRückenschmerzpatientenausschließlichvomOr-thopädenbehandeltwerden.Beietwa35ProzentderPatientenwirdausdemakutenSchmerzeinchronischesLeid,dasihreLebensqualitäterheblichbeeinträchtigt.ObausdemRückenschmerzeinechro-nischeSchmerzkrankheitentsteht,entscheidetsichdurchdiepersönlichenFähigkeitendesEinzelnenzurSchmerz-undKonfliktverarbeitung.VieledieserPatientenkönnennichtNeinsagenundladensichständigzuvielauf,derandauerndeDruckfindetnichtzuletztinimmerwiederauftretendenoderständigenRückenschmerzeneinVentil.BeidiesenPatientenistdieMotivierungzurPsychotherapiebesonderswichtig.ZwarneigenSchmerzpatientendazu,sichzuschonen,dasaberführtnurzuweiterenVerspannungenundFehlhaltungen.StattRuhewirddeshalbseiteinigenJahrenRücken-trainingverordnet.GeeignetistdafürfastjedeFormderBewegung,dieSpaßmachtunddenRückennichteinseitigbelastet.Etwa70.000-malproJahrwerdeninDeutschlandBandscheibenoperiert,oftmitgerin-gemErfolg,weilSchmerzennichtimmeraufeine(zufällig)festgestellteBandscheiben-vorwölbungzurückzuführensind.EineOperationistnurdannangezeigt,wennneurolo-gischeAusfällewieLähmungserscheinungenodererheblicheTaubheitsgefühleeindeutigaufeinenBandscheibenvorfallzurückzuführensind.

o VolkskrankheitDepression5-6MillionenDeutschesindjährlichvoneinerdepressivenStörungbetroffen,diesichdurchanhaltendeSymptomewietiefeNiedergeschlagenheit,Antriebslosigkeit,Schlaf-störungenundInteressenverlustäußert.ObwohldieKrankheitmitAntidepressivaundPsychotherapieerfolgreichzubehandelnist,erhaltenderzeitnuretwa10ProzentallerBetroffeneneineTherapie,diedemStandderMedizinentspricht.DieBehandlungskos-tenbetragenca.4,5MilliardenEuro,hinzukommenVersorgungskostenundvolkswirt-schaftlicheFolgekostenvongeschätzten20–30MilliardenEuro.DasSuizidrisikowirdoftunterschätzt,denn15ProzentallerPatientenmitschwerenDe-pressionennehmensichimLaufeihrerKrankheitdasLeben,wennsienichtrichtigbe-handeltwerden.DieZahlderSuizidopferliegtweitüberderZahlderVerkehrstoten,istseitJahrenleichtrückläufig.Depressionenwerdenin50ProzentallerFällegarnichterkannt.DieDiagnosegestaltetsichschwierig,weilvielePatientenim(Arzt-)GesprächkörperlicheBeschwerdenindenVordergrundstellen.ErstdurchgezieltesNachfragenistesoftmöglich,eineDepressionzuerkennen.DiesistinersterLinieAufgabederÄrzte,aberauchvonMultiplikatorenwieSozialarbeiter,PfarreroderAltenpflegekräfte,dieinderErkennungdepressiverStö-rungengeschultwerdensollten.Hinzukommt,dasspsychischeKrankheitenimmernocheinTabu-Themasind.GemäßderDevise"Jederistmalschlechtdrauf"werdendieErkrankungunddieLeidenderBe-troffenenhäufigverharmlost.VielePatiententrauensichnicht,offenzuzugeben,dasssieaneinerpsychischenErkrankungleiden.SiebefürchtenAusgrenzung.PsychischKrankewerdeninunsererGesellschaftimmernochandersbehandeltalskörperlichKranke.AufklärungundInformationkanndazubeitragen,dassesdenBetroffeneninZu-kunftleichterfällt,sichzuihrerErkrankungzubekennen.

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o DiabetesmellitusDiabetesmellitus(Zuckerkrankheit)istentwederdurchInsulinmangel(TypI–ca.2-5%derDiabetiker))oderdurchInsulinresistenz(TypII–ca.95%derDiabetiker),alsoeinnicht-AnsprechenderKörperzellenaufInsulin,bedingt(genauess.o.–diegroßenKör-persysteme:Hormonsystem).ZurErinnerung:InDeutschlandsindetwa8MillionenMenschenbetroffen(Gesamtprä-valenz),inderGruppederüber60-Jährigensogar30%.Etwa5–10%derGesundheits-kostenentfallenaufdieBehandlungderZuckerkrankheitbzw.derenSpätschäden.Ins-gesamt„kostet“dieZuckerkrankheit25MilliardenEuroproJahr.AngehörigederunterensozialenSchichthabendoppeltsohäufigDiabeteswieOber-schicht-Angehörige.IndenneuenBundesländerngibtesdeutlichmehrDiabetesalsindenaltenLändern.DieZuckerkrankheitselbstistnichttödlich,diePatientensterbenjedochandenFolgenderSpätschäden(DurchblutungsstörungenanBeinen,Nieren,Augen,GehirnundNer-ven).DieSpätschädensindFolgezunehmenderGefäßveränderungen,dersog.Mikro-angiopathieundMakroangiopathie.WährenddieMakroangiopathiederArteriosklerosegleichzusetzenist,kennzeichnetdieMikroangiopathieeineSchädigungderfeinstenAdern(sog.ArteriolenundKapillaren)derbetroffenenOrgane.DasBildeinerdurchdia-betischeMikroangiopathiegeschädigtenNetzhautdesAugeswurdeobendargestellt.UrsachedesTypIIDiabetesisteinegenetischeVeranlagung.DieKrankheitkommtje-docherstdannzumAusbruch,wenndieLebensweisezuÜbergewichtundBewegungs-mangelführt.DiePrimärpräventionmusssichdaherganzaufdiesePunkte(ErnährungundBewegung)konzentrieren,umÜbergewichtzuvermeiden.DieVermeidungvonSpätschäden(Sekundärprävention)gelingtnebendenbereitser-wähntenAnsätzen(Gewichtsabnahmebzw.–kontrolle,Bewegung)durchKontrollederZuckerwerte,insbesonderedessog.Langzeitwertes(HbA1c).DieserWertgibtdarüberAuskunft,wiegutdieZuckerwerteindenletzten3Monatendurchschnittlichwaren.InderSekundärpräventionistdiePatientenschulungdasWichtigste,umdiegenanntenZie-lezuerreichen.InDeutschlandgibtesmittlerweileSchwerpunktpraxen,dieSchulungundÜberwachungvonDiabetikernkompetentdurchführen.LeideristdieInanspruch-nahmez.B.fürSchulungenindenunterensozialenSchichtendeutlichgeringer.HierkönnenSozialarbeiterInnenMotivationsarbeitleisten.EinensehrgutenÜberblicküberdasThema„Diabetes“gibtfolgendeWebsite:http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gasts&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=9432::Herz

VermutlichwirddieDemenzangesichtsderdemographischenEntwicklungebenfallsbaldzudenVolkskrankheitengerechnetwerdenmüssen.DasKrankheitsbildwirdinderVorlesung"PsychiatrieundRehabilitation"besprochen.e. KrankheitundsozialerStatusBereitsmehrfachwurdeaufdieSchichtabhängigkeitzahlreicherErkrankungenundderLe-benserwartunginsgesamthingewiesen.DiewissenschaftlichenGrundlagenundDatenwer-dendurchdasFachgebietderSozialepidemiologiebearbeitetbzw.erhoben.EinesoziologischeGrundlageistdieTheoriedersozialenSchichtung.SchichtungmeintGliederungderGesellschaftnachdemtypischenStatus(denSoziallagen)ihrerMitglieder.SozialeSchichtungistdievertikaleundhierarchischeGliederungderGesellschaftalsAus-druckvonsozioökonomischenUngleichheitenunddendamitlegitimiertenökonomischenundsozialenPrivilegien.SchichtungäußertsichineinemfürdieMitgliedereinerSchichtet-

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wagleichenLebensstil.DieSchichtzugehörigkeitbestimmtsichdurchHerkunft,Bildungsni-veau,Beruf,Einkommen,Besitz,Sprache,u.a.Schichtensindnichtscharfabgrenzbar,gehenfließendineinanderüber.Üblicherweisewirdeingeteiltnach:Oberschicht(6%),Mittel-schicht(ca.50%,unterteiltinobere/untereMittelschicht)undUnterschicht(ca.44%,ebenfallsunterteilinobere/untereUnterschicht).DieAnteiledereinzelnenSchichtenanderGesamtgesellschaftsindinteressanterweiseindenletztenJahrenweitgehendgleichge-blieben.DerWechselderSchichtzugehörigkeitz.B.durchBildung/Ausbildungoderhöhe-resEinkommenwirdalssozialeMobilitätbezeichnet.DieerhöhteKrankheitsanfälligkeitderunterensozialenSchichtenwirdinderSozialmedizinundindenGesundheitswissenschaftendurcheinZusammenwirkenvonpersönlichenundsozialenBelastungsfaktorenbeimangelndersozialerUnterstützungerklärt.HierbeistehendensozialenStressorendiesozialenundpersönlichenRessourcengegenüber,dieüberGe-sundheitundLebenserwartungentscheiden.IndenunterensozialenSchichtenergebensich:•BelastungendurcheinehöhereZahlundIntensitätsozialerStressoren(z.B.eingeschränkteVerfügbarkeitvonEinkommenundWohnraum,chronischeArbeitsbelastungen,langdau-erndeArbeitslosigkeit,geringesEinkommen,ungesicherteundzudemschlechteWohnver-hältnisse,hoheVerschuldung,chronischeErkrankungen,psychischeProbleme,sozialeAus-grenzung);•geringereVerfügbarkeitvonsozialenRessourcen(z.B.wenigeoderdysfunktionaleNetz-werkedersozialenUnterstützung);•geringebzw.wenigerangemessenepersönlicheRessourcenundBewältigungsmöglichkei-ten(z.B.OrientierungdesGesundheitsverhaltensanschädlichenNormenderBezugsgrup-penbzw.negativensozialenWerten,geringereAufmerksamkeitgegenüberSymptomenundStörungen,wenigeoderinadäquatepersönlicheBewältigungsstrategiengegenüberBelas-tungen).AngehörigeunterersozialerSchichtensindauchanfälligerfürkritischeLebensereignisse(sog.lifeevents),fürderenBewältigung(coping)siewenigerMöglichkeitenhaben.InfolgendenBereichenderGesundheitbestehtfürunteresozialeSchichteneinerhöhtesKrankheitsrisiko:

o Herz-Kreislauf-Krankheiteno ArterielleHypertonie(Bluthochdruck)o StoffwechselkrankheitenwieDiabetesundhoheBlutfettwerteo ÜbergewichtundFettsuchto Tabak-undAlkoholkonsumo PsychischeErkrankungenwieDepressiono Medikamentenkonsum

HingegensindprotektiveFaktoren(Schutzfaktoren)vermindertwiez.B.o KörperlicheAktivitätundSporto HilfreichesozialeNetzwerkeo InanspruchnahmevonVersorgungssystemeno WissenüberGesundheit,Ernährung…

ZusammenhängezwischendemsozialenStatusundKrankheitenkonntenunteranderemfürHerz-Kreislauf-Erkrankungen(HerzinfarktundSchlaganfall:zwei-bisdreifacherhöhtesRisi-ko),Krebs-undLebererkrankungen(Leberzirrhose)festgestelltwerden.ArbeiterhabeneinedoppeltsohoheSterblichkeitwieAkademiker.EineUntersuchungvonAngestelltenergab,dassdieSterblichkeitbeiniedrigemEinkommenungefährdoppeltsogroßistwiebeihöhe-remEinkommen.

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DiehöhereKrankheitshäufigkeitundSterblichkeitindenunterensozialenSchichtensollbei-spielhaftfürdieFaktorenBildung,ArmutundArbeitslosigkeitnäherbetrachtetwerden.MangelndeBildungisteinwichtigerFaktorfürGesundheits-oderRisikoverhalten.IneinerälterenabernachwievorzutreffendenUntersuchungdesRobert-Koch-Instituts(1991)wurdefestgestellt:MännermitsehrniedrigemBildungsniveaurauchendoppeltsohäufigwiejenemithohemBildungs-niveau,dieAnteilestarkerRauchersindsogardreifachhöher.BeidenFrauenergebensichbezogenaufdieRauchgewohnheiteninsgesamtgeringerebildungsspezifischeDifferenzen.Sehrdeutlichun-terscheidensichdieBildungsgruppeninBezugaufihresportlicheAktivität.70%derMännerundFrauenmitsehrniedrigemBildungsstatussindnichtregelmäßigsportlichaktiv.MitsteigendemBil-dungsniveausteigtauchderProzentsatzdersportlichAktivenkontinuierlich.WasdenregelmäßigenAlkoholkonsumanbelangt,sindfürMännerundFrauengegenläufigeTrendszubeschreiben.BeiMännernfindetsichderhöchsteProzentsatzregelmäßigerAlkoholkonsumenteninderGruppemitsehrniedrigemBildungsstatus,beiFraueninderamhöchstengebildeten.

Quelle:RKI,Gesundheitssurveys.ImWestenwurdenPerso-nenimAltervon25bis69Jahren,imOstenimAltervon18bis79JahrenindieBefragungeinbezogen.BildungistnureineDimen-siondessozialenStatus.BezüglichdesRisiko-oderGesundheitsverhaltensergibtsichjedocheindeut-licherBildungsgradient.UnterdenRisikofaktorenfürHerz-Kreislauf-ErkrankungenergebensichdiedeutlichstenbildungsspezifischenUnter-schiedefürdasstarkeÜber-gewicht.MännersowieFrauenmitsehrniedrigemBildungs-niveausindetwadreimalsooftstarkübergewichtigwiePersonenmitsehrhohemBildungsstatus.DeutlicheUnterschiedefindensichbeiFrauenauchimHinblickaufdieRisikofaktorenBluthoch-druckundzuhoheBlutfett-werte.DieGesamtbelastungüberdieRisikofaktorenfürHerz-Kreislauf-Erkrankungen,einschließlichdemZigaretten-rauchen,steigtmitabneh-mendemBildungsniveaudeut-lichan.AuchdieserZusam-menhangistbeiFrauennochstärkerausgeprägtalsbeiMännern.

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UnterdenRisikofaktorenfürHerz-Kreislauf-ErkrankungenergebensichdiedeutlichstenbildungsspezifischenUnterschiedefürdasstarkeÜbergewicht.MännersowieFrauenmitsehrniedrigemBildungsniveausindetwadreimalsooftstarkübergewichtigwiePer-sonenmitsehrhohemBildungsstatus.DeutlicheUnterschiedefindensichbeiFrauenauchimHinblickaufdieRisikofaktorenBluthochdruckundzuhoheBlutfettwerte.DieGesamtbelastungüberdieRisikofaktorenfürHerz-Kreislauf-Erkrankungen,einschließlichdemZigarettenrauchen,steigtmitabnehmendemBildungsniveaudeutlichan.Auchdie-serZusammenhangistbeiFrauenstärkerausgeprägtalsbeiMännern.MännerunterersozialerSchichtenhabeneindoppeltsohohesRisiko,aneinemHerzinfarktzuerkranken,wieandere.IneinemZeitraumvonzehnJahrenerkrankenodersterbenetwasechsProzentder40-bis65jährigenaneinemHerzinfarkt,abernurdreiProzentderMän-nerinFührungspositionen.Armut.NebenBildungistdieökonomischeSituationeineweitere,wichtigeDimensiondessozialenStatus.Etwa8%derBevölkerungindenneuenund13%indenaltenBundeslän-derngeltenalsarm.ArmutistmiterhöhterKrankheitshäufigkeitundSterblichkeitver-knüpft."Armutsrisikogruppen"sindz.B.Arbeitslose,Wohnungslose,Alleinerziehende,Kin-der,Ausländer…KrankheitselbststelltwiederumeinArmutsrisikodar.Manschätzt,dassetwaeinDrittelderKündigungeninWirklichkeitaufKrankheitzurückzuführenist.Bevölke-rungsgruppen,diebesondersvonArmutbetroffensind,habeneinsignifikanterhöhtesMorbiditäts-undMortalitätsrisiko.DieLebenserwartungistbeiArmutumfast10Jahrege-ringer!EsgibtimWesentlichenvierErklärungsansätzebzw.Hypothesen:1)NichtArmutmachtkrank,sondernKrankheitmachtarm.2)ArmehabeneinenschlechterenZugangzurmedizinischenVersorgung.3)DieLebensbedingungenmachenArmekrank.4)ArmeweiseneinungünstigeresGesundheitsverhaltenauf.Soistnachgewiesenworden,dassdieEinführungderPraxisgebührdieZahlderArztbesucheindenunterensozialenSchichtendeutlichreduzierthat.InzwischenwurdediePraxisgebührwiederabgeschafft(2013).Arbeitslosigkeit,insbesondereLangzeitarbeitslosigkeit,istinunterensozialenSchichtendeutlichhäufiger.VerschiedeneStudienbelegen,dassArbeitslosigkeitmiteinemerhöhtenErkrankungsrisikokorreliert.Soleidenzwischen20und60ProzentallerArbeitslosenunterseelischenundkörperlichenErkrankungen,wobeipsychischeundpsychosomatischeKrank-heitenüberwiegen.BeidenpsychosomatischenBeschwerdendominierenÄngste,Schlaflo-sigkeitunddepressiveSymptome.EinerhöhtesRisikobestehtauchfürHerz-Kreislauf-Krankheiten(um50Prozenterhöht)undKrebs.EinummehralsdasDoppelteerhöhtesRisi-kobesteht,UnfälleodereinengewaltsamenTod(auchdurchSuizid)zuerleiden.Erkrankun-genderVerdauungsorgane,zumBeispielMagen-undZwölffingerdarmgeschwüre,tretenebenfallshäufigerauf.Langzeitarbeitslosesindbesondersbetroffen.SiehabeneinedeutlicherhöhteHäufigkeitfürHerz-Kreislauf-undAtemwegs-Erkrankungen.ZudemtretenbeiLang-zeitarbeitslosensignifikanthäufigsuizidalePhasenauf.SuizidversucheundvollzogeneSelbsttötungensindgenerellhäufigerbeiarbeitslosenMenschen.Selbsttötungsversuchefindensichbiszu20malhäufigeralsbeivergleichbarenGruppenvonErwerbstätigen.

Ø DieSterblichkeitbeiArbeitslosenistinsgesamtumdas2,6fachehöheristalsbeiEr-werbstätigen.ArbeitslosenehmenimVergleichzuErwerbstätigenseltenermedizi-nischeVorsorgeuntersuchungenundGesundheitsförderungsmaßnahmenwahr.

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4. GesundheitsförderungundKrankheitspräventionDieGesamtausgabendergesetzlichenKrankenkassenlagen2015bei209,3MilliardenEuro.Hinzukommenüber5MilliardenEuroZuzahlungenderVersicherten.FürVorsorge,Rehabili-tationundFrüherkennungwurdeeinvergleichsweisegeringerBetragvonca.5,3Milliarden€aufgewendet,dersichaufteiltinPrimärprävention(4%),Selbsthilfeförderung(0,9%),Zahnprophylaxe(16%),Schutzimpfungen(29%),medizinischeVorsorge(6%),Mütterkuren(10%),FrüherkennungbeiKindernundErwachsenen(29%).DieAusgabenproJahrundVersichertenbetrugenin20133,01€undin20154,16€..

FürGesundheitsförderungundKrankheitspräventionimengerenSinnewirdalsokaumGeldausgegeben.ObigeGrafikdokumentiertdieAufwendungendergesetzlichenKrankenkassen(AngabenderGKV2014).DiePräventiongesetzlichzuverankern,istseit2005mehrfachge-scheitert(s.S.44-45).ErstimJuni2013wurdedas„Präventionsförderungsgesetz“imBun-destagbeschlossen.Zielistes,6€proVersichertemproJahrfürPräventionaufzuwenden.DasistzwareineVerdoppelung,jedochimmernocheinvergleichsweisegeringerBetrag.WeitereInformationen:http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/2013-02/praeventionsfoerderungsgesetz-beschlossen.htmlDieGesamtausgabenfürPräventionundGesundheitsförderunginDeutschlandliegenbeica.10MilliardenEuro,weilnochandereTrägerhierfürAufwendungenleisten(gesetzlicheRentenversicherung,öffentlicheHand,Unfallversicherung,privateKrankenversicherungusw.).GesundheitsförderungumfasstlautWHOfünfBereiche:

- EntwicklungeinergesundheitsförderndenGesamtpolitik- GesundheitsförderndeLebensweltenschaffen- GesundheitsbezogeneGemeinschaftsaktionenunterstützen

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- PersönlicheKompetenzenentwickeln- Gesundheitsdiensteneuorientieren

AusSichtdesDozentenhatGesundheitsförderunginDeutschlandnochzuwenigGewicht.

a. Salutogenese-KonzeptEinspeziellerAnsatzderGesundheitsförderungistdasSalutogenese-Konzept,zurückgehendaufdenMedizinsoziologenAaronAntonovsky(geb.1923inNewYork,gest.1994inIsrael).IndertraditionellenMedizinwirdinderRegeldieAbfolgekrankmachenderFaktorenuntersucht,umKrankheitbesserverstehenzukönnen(Pathogenese).GesundheitistjedochnichtnurdieAbwesenheitvonKrankheit.Daherliegtesnahe,nichtdiekrankmachendenFaktorensonderndiegesunderhaltendenFaktorenzubetrachten(Salutogenese).MankannsichGesundheitundKrankheitalsPendelvorstellen,welchesindieeineoderande-reRichtungausschlägt.HiergehtesumdieKräfte,diedasPendelRichtungGesundheitbewe-gen.DieGrundlagederSalutogenesestammtausBeobachtungenderStress-undCoping-Forschung(1979erschienAntonovskysBuch„Health,StressandCoping“).InderBewältigungvonStresssituationenwerdenRessourcenaktiviert,wasuns-beierfolgreicherBewältigung–einGefühldesVertrauensindieeigenenFähigkeitenvermittelt.DiesesGefühlverstärktsichmitjederbewältigtenSituationunderzeugteinVertrauen,dassdieUmweltvorhersagbaristundsichdieDingemithoherWahrscheinlichkeitsoentwickeln,wiemanesvernünftigerweiseerwartenkann(Sinnhaftigkeit).DerAblaufderDingestelltsichunslogisch,zusammenhängend(„kohärent“)undnachvollziehbardar.DieseErfahrungbezeichnetAntonovskyalsKohärenz-sinn(„senseofcoherence“–SOC).DerSOCistdasKernelementdesSalutogenese-Konzepts.DieAusprägungdesSOCentscheidetdarüber,wieguteinIndividuumStörungenderGesundheitundStressbewältigenkann.ErlässtsichindreiKomponentengliedern:Verstehbarkeit,HandhabbarkeitundBedeutsamkeit.AusdiesenKomponentenentwickeltsichdasGefühlderVorhersage:dieAbläufeinmeinemInnernundinderUmweltsindnichtzufälligoderchaotisch,sondernvorhersagbar.Jenach-dem,wiegutentwickeltdieeinzelnenKomponenten(Verstehbarkeit,HandhabbarkeitundBe-deutsamkeit)sind,bleibenwirstabil,fühlenunsimGleichgewichtoderüber-bzw.unterfor-dert.AntonovskyhatausführlichdieEntwicklungderKomponenteninKindheit,JugendundErwachsenenalterbeschriebenunddaraufhingewiesen,dassderSOCeinerDynamikunter-liegt,d.h.inGrenzenauchbeiErwachsenenentwicklungsfähigbleibt.DieAusprägungdesSOClässtsichmitdemvonAntonovskyentwickeltenFragebogen(AngangIIISeite74)erfassen.ImFolgendenzweiBeispieleausdemBuchAntonovskys„Salutogenese–ZurEntmystifizierungderGesundheit“,diedenUnterschiedzwischenMenschenmitstarkemundschwachemKohä-renzgefühlzeigen:

Beispiel1Mann,50,verheiratet,zweiKinder,LeitereinersozialenEinrichtung,ÜberlebenderdesHolocaust[InErinnerunganEreignissedesZweitenWeltkriegs]ObwohldieseEreignissefürmichlebendeEr-innerungensind,bezogensiesich,sowieeswar,nichtspeziellaufmich.IchhattenichtdasGefühleinespersönlichenAffronts.Wasgeschah,geschahjedemvonuns.[AlsIS-jährigerimGhetto]IchführtegleichermaßenmeineStudienfortundschlossmichdemUntergrundan,woichlernte,mitWaffenumzugehen.(...)Dieshieltmichgesund.(...)Ichwarpessimistisch,glaubtenicht,dassichoderanderelebendausdemGanzenherauskommenwürden.(...)Aberichhieltnichtsdavon,meineIdentitätaufzugeben,nur,umamLebenzubleiben.[ImKonzentrationslager]DerTodwarkeintäg-lichesEreignis,fandjedochinjedemMomentstatt.Aberwirwurdenisoliert,auchhierwareswie-dereinkollektivesEreignis,nichtgegenmichpersönlichgerichtet.[NachdemKrieg]Eswarnatür-lich,dassichnachIsraelging(...)derArmeebeitrat(...)unddannanfingzustudieren.Beispiel2Frau,50,verwitwet,zweiKinder,Hausfrau,ToddesEhemannsvordreiJahren

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IchbineinekrankeFrau,ichhabeimmeranirgendetwasgelitten,auchschonvorderTragödievordreiJahren,alsmeinMannstarb.(...)SiewarfenihnausdemKrankenhaus,alsoballesinOrdnungsei.AberichwussteaufgrundseinesAussehens,dasserkrankwar.(...)IchglaubeandasSchicksal.Sicher,ichweißnicht,inwessenHändenesliegt,weilichnichtmehranGottglaube.(...)IchkonnteseinemVa-ternicht indieAugensehen-erstarbeinJahrspäter-odermeinemälterenSohn.(...) IchweintenichtbeiderBeerdigung,aberseitdemhabeichnurnochgeweint.(...)MeinLebenistseitjehervollerVerlustegewesen.(...)DieDingesindhart,ichhabekeinenGlaubenanirgendjemandenmehr.(...)DasganzeLebenistvollerProbleme,nurbeimSterbengibteskeineProbleme.(...)Ichdenkenichteinmaldaran,miteinemMannauszugehenoderwiederzuheiraten.(...)WirhabendieKnaus-Ogino-Methodeangewandt,aberesgabPannenundichhattemehrereAbtreibungen.MeinMannwolltenichtverste-hen.Alserdamitdrohte,zuanderenFrauenzugehen,sagteich,esmachemirnichtsaus,solangeermichbloßinRuheließe.

StressorenwerdenindertraditionellenSichtmeistalsschädlichbetrachtet.Antonovskybe-zeichnetStressorenals„Widerstands-Defizite“.Manweißjedoch,dasseinpotentiellschädi-genderStressordanngesundheitsförderlichwirkenkann,wenngleichzeitigsozialeUnterstüt-zungerfahrenwird.IndiesemFallwirddiestressbedingteAktivierungvonKörperundGeistpositivgenutzt.b. VorsorgeprogrammeVorsorgehatnichtzumZiel,Krankheitenzuverhindert,dieswärePrävention(s.u.).VorsorgefördertGesundheit,weildurchrechtzeitigeEntdeckungvonEntwicklungsdefiziten(beiKin-dern)oderKrankheitenwiez.B.KrebsdieFörder-undHeilungschancenverbessertwerden.VorsorgedientalsoderFrüherkennunggesundheitlicherStörungen.VorsorgeprogrammeinnerhalbderGKVexistierenz.B.fürKinderundJugendliche(neunVor-sorgeuntersuchungenfürKinderinnerhalbderersten6Lebensjahre,eineJugendgesundheits-untersuchungzwischendem13.und14.Lebensjahr),fürSchwangere,zurErkennungvonHerz-Kreislauferkrankungen(„Gesundheits-Check“)undzurKrebsfrüherkennung.DerLeistungsumfangistgenaufestgelegt.AlsBeispielseiendieProgrammederGKVzurKrebs-vorsorge(=Krebsfrüherkennung)undzurFrüherkennungvonHerz-Kreislauferkrankungendar-gestellt:Hautkrebsfrüherkennung

ab35.Lebensjahralle2JahreGenitaluntersuchungzurKrebsfrüherkennungbeiFrauen

ab20.LebensjahrjährlichBrustuntersuchungzurKrebsfrüherkennungbeiFrauen

ab30.LebensjahrjährlichFrüherkennungvonHerz-Kreislauf-Erkrankungen,NierenerkrankungenundZuckerkrankheit

(Untersuchung+kleinerLaborcheck)ab35.Lebensjahralle2Jahre

Prostata-/GenitaluntersuchungzurKrebsfrüherkennungbeiMännern

ab45.LebensjahrjährlichEnddarm-undStuhluntersuchungzurDarmkrebsfrüherkennung

ab50.LebensjahrjährlichDarmspiegelungzurDarmkrebsfrüherkennung

ab55.Lebensjahrzweimalin10JahrenZwischendem50.und69.LebensjahrhabenFrauenaußerdemallezweiJahreAnspruchaufeineMammographie(RöntgenuntersuchungderBrust)

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c. PräventionUnterPräventionwerdenhierMaßnahmenverstanden,diedasAuftretenvonErkrankungenverhindernsollen,alsoderKrankheitzuvorzukommen.DieherkömmlicheEinteilungistwiefolgt:PrimärpräventionistdieVerhinderungderErstmanifestationeinerKrankheit.Beispiel:DurchBewegungsprogrammeundErnährungsschulungkönnenHerz-KreislauferkrankungenundDiabetesvermiedenwerden.WeitereBeispielesindDrogenprävention,ArbeitsplatzhygieneundImpfprogramme.Sekundärpräventionbedeutet,beieinerbereitsbestehendenKrankheitderenerneutesAuftre-tenzuverhindern.Beispiel:NachHerzinfarktkanndurchEliminationvonRisikofaktoreneinweitererInfarktvermiedenwerden.Oder:NachBandscheibenvorfall(BSV)kanndurchRückenschuleundevtl.orthopädischeHilfsmittelamArbeitsplatz(Stehpult,orthopädischerBürostuhl…)einweitererBSVvermiedenwerden.Tertiärpräventionheißt,dieVerschlimmerungeinerbestehendenErkrankungzuverhindernundKrankheitsfolgenzulindern.Beispiel:BeibeginnenderAlzheimer-Demenzkann„Gehirn-Jogging“dasFortschreitenderErkrankungverzögern.DiegenannteEinteilungderPräventionistzwar(noch)allgemeingebräuchlich,wurdeaberin-zwischendurchneuereAnsätzeverändert.InderTerminologiederWHOwirddiePrimärprä-ventionalseigentlichePräventionmitdemZielderInzidenzreduktionbezeichnet.Sekun-därpräventiongeschiehtdurchBehandlung(„treatment“)undTertiärpräventiondurchAuf-rechterhaltungderBehandlung(„maintenance“).NeuereAnsätzederEinteilungunterscheiden:universalePrävention,selektivePräventionundindiziertePrävention(Mrazek&Haggerty1994).UniversalePrävention:ZielistdieInzidenzreduktionneuerKrankheitsfälleinderAllgemeinbe-völkerungoderBevölkerungsteilen,unabhängigvomjeweiligenErkrankungsrisiko,z.B.durchSchulungsprogramme,Massenmedienkampagnen,Reihenimpfungen,Trinkwasseroptimierungetc.SelektivePrävention:ZielistebenfallsdieInzidenzreduktionneuerKrankheitsfällebeiGruppenmiterhöhtemKrankheitsrisiko,jedochohneVorliegeneinerErkrankung.DievorliegendenPro-grammesindRisikofaktoren-orientiertundbeziehensichsowohlaufkörperlichewiepsychi-scheErkrankungen.IndiziertePrävention:ZielistauchdieInzidenzreduktionneuerKrankheitsfällejedochbeiGruppenmiteinigenSymptomenderKrankheit,jedochohneErfüllungallerDiagnosekriterien.AuchhiergibtesProgrammefürkörperlicheundseelischeStörungen.PräventionsprogrammeexistierenfürKinderundJugendlichesowiefürErwachsene.Beispiel-haftseienzweiProgrammeerwähnt(aus:http://www.gesundheitspsychologie.net/,aufderStartseiterechtsfindensichdieLinkszudenPräventionsprogrammen):PräventionsprogrammfürKinderundJugendliche„StarkimLeben“Schwerpunkte:Nikotinprävention,Magersuchtprävention,SelbstsicherheitZielgruppe:SchülerderKlassen7und8Ziele:PrimäreundsekundäreNikotinprävention,Magersuchtprävention,SelbstsicherheitundStandfes-tigkeit,ReduktionvonRisikoverhaltenundErgreifenvonSchutzmaßnahmen,Hilfeholenkönnen,besse-reKörperwahrnehmungInhalte:Mutproben,Standfestigkeit,selbstsicheresVerhalteninSympathie-undRecht-HabenSituatio-nen,PersönlicheStärken,Flirttraining,KörperberührungenundSexualitätbeiJungen,Körperbildbei

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Mädchen,Marlboro-Mann,FrauenundRauchen,Gefühleerkennenundausdrücken,UmgangmitschlechtenStimmungen,Hilfeholen/Beratungseinrichtungen,KrebsfrüherkennungundSelbstuntersu-chungen(Brust-undHodenkrebs)Methodik/Didaktik:EinsatzvonSchülernalsTeamleiter(Peer-Leader),Gruppenarbeit,Rollenspieltrai-ning,verhaltenstherapeutischeHausaufgaben,mädchen-undjungenspezifischeAufgabenstellungen,spezielleTrainingsmaterialienfürRaucherundNichtraucher.Durchführung:Schulklassen,9DoppelstundeninKlasse7,3DoppelstundeninKlasse8Trainer:LehrerundSchüler(Peer-Leader)mitvorhergehenderSchulungPräventionsprogrammefürErwachsene„Abnehmen-abermitVernunft“Zielgruppe:ErwachsenemitÜbergewicht(BMI>25)Ziele:LangfristigeUmstellungdesEssverhaltens,derErnährungunddesBewegungsverhaltens.Inhalte:DieTeilnehmer/innenwerdenangeleitet,ihrEssverhaltenzubeobachtenundzuanalysieren,schrittweisezuverändernundnachhaltigzustabilisieren.WeitereZielesinddieVerbesserungderKör-perwahrnehmungundderBeweglichkeit/Kondition,dasErlerneneinesEntspannungsverfahrensundFörderungdespersönlichenWohlbefindensMethodik/Didaktik:WichtigeBausteinesindAufstelleneinesindividuellenEssensplan(kalorien-undfettreduzierte,ausgewogeneMischkostnachdenEmpfehlungenderDGE-DeutscheGesellschaftfürEr-nährung),schrittweisesUmsetzenderZiele,Bewegungs-undEntspannungsübungen,ÜbungenzurStressbewältigungundProblemlösen,RollenspielezumUmgangmitVersuchungssituationen.Durchführung:DasProgrammistfürGruppenvon8-12Teilnehmer/innenkonzipiertundläuftüber20Wochenmit16angeleitetenGruppentreffenà90Minutenund4TreffeninEigenregie(ohneTrainer/in).Trainer:DieKursewerdenvonspeziellgeschultenFachkräftendurchgeführt(Dipl.-Ökotrophologen/innen,Diätassistenten/innen,Dipl.-Psychologen/-innenundÄrzte/-innen).DieSchu-lungwirdvonSchulungsleiternmitlangjährigerErfahrungdurchgeführtunderstrecktsichüber4Tage.SchulungenundQualitätssicherungwerdenvomIFT(InstitutfürTherapieforschung)organisiert;dortistaucheineListegeschulterTrainererhältlich.InsgesamtwurdenvomIFTseitÜbernahmederfachlichenBetreuung1991über1400Trainerausgebildet(siehe:www.ift-gesundheit.de).KrankheitspräventionundGesundheitsförderungergänzensich.AneinemBeispielseidiesdargestellt.Gesundheitsziel:Gesundaufwachsen(Ernährung,Bewegung,Stressbewältigung)Einzelziele:

•FörderungvongesundemErnährungsverhaltenbeiKindernundJugendlichen,ReduktionvonFehlernährung(SettingKiTa,SchuleundFamilie/Freizeit)•StärkungmotorischerFähigkeiten,ReduktionvonBewegungsmangel(SettingKiTa,SchuleundFamilie/Freizeit)•StärkungderFähigkeitenzurStressbewältigung,ReduktionvonStressoren(SettingKiTa,SchuleundFamilie/Freizeit)•OptimierungderRahmenbedingungenfürGesundheitsförderunginKiTa,Schule,FamilieundFreizeit(AktionsfeldRahmenbedingungen)

Maßnahmen:•Gesundheitsbezogene,aufsuchendeAngebotefürjunge,sozialbenachteiligteFamilien•AusbauundVernetzungfamilienbezogenerAngeboteinsozialbenachteiligtenStadtteilen•AusbauniedrigschwelligerHilfsangeboteinsozialbenachteiligtenStadtteilen•EntwicklungvonKonzeptenfüreine„GesundheitsförderlicheKindertagesstätte“•ErprobungderGemeinschaftsverpflegunginderKiTa•Auf-undAusbau(über)regionalerService-undBeratungsstrukturenzurgesundheitsförderndenSchulentwicklung•Evaluationderzeit(an)laufenderModellversuchezurUnterstützungundVernetzunggesund-heitsfördernderSchulen•AnpassungdesKonzeptesder„gesundheitsförderndenSchule“aufdieSchulformderBerufs-schule

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ÜbernationaleGesundheitszieleinformiertdasBfG:http://www.bmg.bund.de/themen/gesundheitssystem/gesundheitsziele.html

d. BetrieblichesGesundheitsmanagement

NurgesundeundzufriedeneMitarbeitersindguteMitarbeiterunderhöhendieProduktivitätdesBetriebs!

GesundheitsförderungimBetriebistManagementaufgabe.Dahersprichtmanvonbetriebli-chemGesundheitsmanagement(BGM).GlobalisierungundStrukturwandelderWirtschafter-höhendenZeitdruck,steigerndieKomplexitätderAufgabenunddieVerantwortung.InVer-bindungmitdemdemografischenWandel,mitUnternehmensverkäufen,Fusionenundper-manentenRestrukturierungenstellendieseTrendsdieUnternehmenvorneueHerausforde-rungen.DieFolgendieserEntwicklung-wiebeispielsweiseMobbing,Motivationsverlust,inne-reKündigung,BurnoutundarbeitsbedingteErkrankungen-zuverhütenundzubekämpfen,wirdzueinerzentralenAufgabefürdiebetrieblichePersonal-undGesundheitspolitiksowiedenArbeits-undGesundheitsschutz.MitarbeiterinnenundMitarbeitersinddiewichtigsteRessourceeinesUnternehmens:Siemüs-sengefördertundgeschütztwerdengeradeinZeitenschnellenWandels.EinaktivesGesund-heitsmanagementbedeuteteinenachhaltigeInvestitionindasbetrieblicheSozial-undHu-man“kapital“undmobilisiertunerschlosseneLeistungspotenziale,dieBeidennutzen-denBe-schäftigtenunddenUnternehmen.BGMzieltaufdieFührung,dieUnternehmenskultur,dasBetriebsklima,diesozialeKompetenz,aufdieArbeitsbedingungenunddasGesundheitsverhalten:EinemvorzeitigenVerschleißderMitarbeiterinnenundMitarbeiterwirdaufallenUnternehmensebenenentgegengewirkt.Ge-sundheitundWohlbefindenderBeschäftigtenwerdengefördert.DurchgeringereFehlzeiten,einestärkereMotivation,verbesserteQualitätundProduktivitätwirddasBetriebsergebnissowiedielangfristigeRentabilitätundWettbewerbsfähigkeitdesUnternehmensgesteigert.LeitprinzipiendesBGMsinddieIntegrationunddiePartizipation.EsintegriertdiebetrieblichenAktivitätenzumSchutzdesMenschenbeiderArbeitundzurgesundheitsförderlichenGestaltungvonArbeitsinhalten,ArbeitsbedingungenundArbeitsorganisationsowiediepersonenbezogenenMaßnahmenzurbesserenBewältigungdesArbeitsalltags.DasBGMgibtOrientierungfüreinVerhaltenderBeschäftigten,vorallemderFührungskräfte,dasSicherheit,GesundheitundWohlbefindenfördert.Erfolgreichkannesnursein,wennalleBeschäftigtengruppenaktivbeteiligtwerden.InderRegelwirdzunächsteinLenkungsgremiumgeschaffen,dasdieInstitutionalisierung,AusgestaltungundWeiterentwicklungderBereicheArbeitsschutz,Gesundheitsförderung,SuchtpräventionundSozialberatungkoordiniert.BesonderskonfliktanfälligerweistsichdieGestaltungderSchnittstellenfürdieKooperationverschiedenerbetrieblicherFachstellenwiez.B.Arbeitssicherheit,betriebsärztlicheundsozialeDienste,Personal-,Organisations-undQua-litätsmanagementsowiedieZusammenarbeitmitdenInteressenvertretungen.DasBGMträgtzueinerzielgerichtetenMaßnahmenentwicklungundzurÜberprüfungderWirksamkeitgesundheitsbezogenerAktivitäten-mitBlickaufihreWirkungfürFrauenundMänner-bei.EssorgtaußerdemfüreineBeteiligungderOrganisationanüberbetrieblichen,nationalenundinternationalenfachlichenNetzwerken.Strukturen,InstrumenteundMaßnahmendesBGM:Arbeitsschutz/Gesundheitsschutz:integriertesArbeitsschutz-/Gefahrstoffmanagementsys-tem,Gefährdungsbeurteilung,moderiertesSicherheitsgespräch

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Organisationsentwicklung:Leitbildentwicklung,BegleitungvonVeränderungsprozessen,Kli-magruppenQualitätsmanagement:Q-Managementssystem(z.B.TQM,EFQM),Qualitätszirkel,Qualitäts-standard/-auditSozialberatung:Mitarbeiterberatung,Konfliktmoderation,PartnerschaftlichesVerhaltenamArbeitsplatzBetrieblicherUmweltschutzGesundheitsförderung:Gesundheitsbericht,Gesundheitszirkel,GesundheitskompetenzPersonalentwicklung:Führungskompetenz,Personal-/Teamentwicklungsprogramme,Mitar-beiterbefragungen,Stress-/SelbstmanagementSuchtpräventionundSuchthilfe:Präventionsangebote,Stufengespräche,Vorgesetztensemi-nare,UmgangmitauffälligenMitarbeiter/innen(aus:Dr.E.Wienemann|WeiterbildungsstudiumArbeitswissenschaft|UniversitätHannover|2002)

MaßnahmeninnerhalbdesBGMlaufennachallgemeinenPrinzipiendesQualitätsmanage-mentsab:

Quelle:www.bgm-bielefeld.de BeispielfüreinProgramminnerhalbdesBGM:GesundheitsförderungvonAzubisimBetrieb(Fa.ThyssenKruppNirosta)DieAuszubildendendurchlaufenimRahmenIhrerAusbildunginsgesamt4Gesundheitstage

imRahmeneinerEinführungswocheimerstenbzw.zweitenLehrjahrimzweitenbzw.drittenLehrjahrimRahmeneinerAbschlusswoche

DieThemenstrukturumfasstSuchtmittelBewegungErnährungSportGesundheits-Check

DieThemensindweiteraufgegliedert,dasThemaSuchtmittelumfasstbeispielsweise:Alkohol/Nikotin/Cannabis...Mussdochjederselbstwissen-oder?Alkohol=legal/Drogen=illegal.Wiesolltedasgeregeltsein?Alkohol&Drogen,washatdasmitArbeitssicherheitzutun?ErarbeitungeinereigenenEinstellungzumThemaSuchtmittel.

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IndiesemZusammenhangistauchdasProgramm„AzubiFit“zuerwähnen,welchesumfassen-derals„GesundheitsportalfürAzubis“imInternetauftritt(http://www.azubifit.com/),insbe-sonderedieSeiten„Sogehtgesund“sindempfehlenswert.e. SozialeArbeitundGesundheitsförderung„GesundheitsförderungzieltaufeinenProzess,allenMenscheneinhöheresMaßanSelbstbestimmungüberihreGesundheitzuermöglichenundsiedamitzurStärkungihrerGesundheitzubefähigen.Umeinumfassendeskörperliches,seelischesundsozialesWohlbefindenzuerlangen,istesnotwendig,dassso-wohlEinzelnealsauchGruppenihreBedürfnissebefriedigen,ihreWünscheundHoffnungenwahrneh-menundverwirklichensowieihreUmweltmeisternbzw.verändernkönnen.IndiesemSinneistdieGe-sundheitalseinwesentlicherBestandteildesalltäglichenLebenszuverstehenundnichtalsvorrangigesLebensziel.GesundheitstehtfüreinpositivesKonzept,dasingleicherWeisedieBedeutungsozialerundindividuellerRessourcenfürdieGesundheitbetontwiediekörperlichenFähigkeiten.DieVerantwortungfürGesundheitsförderungliegtdeshalbnichtnurbeidemGesundheitssektorsondernbeiallenPolitik-bereichenundzieltüberdieEntwicklunggesündererLebensweisenhinausaufdieFörderungvonum-fassendemWohlbefindenhin.“(Weltgesundheitsorganisation2006–Ottawa-Charta)DasichsozialeArbeitunteranderemdamitbefasst:„…gesellschaftlichbenachteiligteoderpersönlichbeeinträchtigteMenschenzumöglichsteigenständigerLebensbewältigungzubefä-higenundzurIntegrationindieGesellschaftanzuleiten“undandererseitsGesundheit/Krank-heitsozialungleichverteiltsind,brauchteskeineweitereBegründung,umGesundheitsförde-rungimweitestenSinnealseinederHauptaufgabensozialerArbeitzubegreifen.DerunmittelbareZusammenhangvonArmutundGesundheitistinderSozialarbeitseitlangembewusstundbegründetprofessionelleInterventionen.Dieseerfolgenkonkretinklarum-schriebenenArbeitsfeldernwieöffentlicherGesundheitsdienst,SozialdienstinKliniken,Sucht-beratungoderRehabilitation.HierbeimusssichSozialarbeiteinerseitsabgrenzengegenüberneuen„Gesundheitsberufen“(Gesundheitswirt,publichealth,Gesundheitsberaterusw.),dieteilweisealsFachhochschulausbildungangebotenwerden,andererseitsgegenüberdenmehrmedizinischorientiertenBerufsfeldern(z.B.Pflegewissenschaftenu.a.).DieGesundheitsförderungalsklinischeSozialarbeit(clinicalsocialwork)istalsanwendungsori-entierterTeilderSozialarbeitswissenschaftzuverstehen.BesondersdieAbgrenzungzuGe-sundheitswissenschaftenistschwierig.IndersozialenArbeitsindimmerdergesellschaftlicheBezugunddiesozialpolitischeDimensionvonBedeutung,derSchwerpunktliegtaufLebens-bewältigungundsozialerIntegration,währendGesundheitswissenschaftLebenszufriedenheitundWohlbefindenimFocushat–ebenfallsmitdemBlickwinkeldesgesellschaftlichenHinter-grunds.InderTatgibteseinegroßeSchnittmengezwischenbeidenFeldern.BeispielfürGesundheitsförderungundPräventionimStadtteilimRahmenklinischerSozialar-beit(Chemnitz):Problemlage:GesundheitsdefizitebetroffenerGruppenwieAlleinerziehendeundihreKinder,Arbeitslose,kinderreicheFamilien,Ausländer,Migrantenu.a.vordemHintergrundschlechterWohnqualität,maroderBausubstanzundstädtebaulicherDefizite.

• Zielgruppenanalyse• HandlungsprinzipienundZiele:Gemeindenähe,SelbsthilfeundSelbstverantwortung.Stärkung

derBetroffenenkompetenz,AufbauvonnichtmedizinischenPräventionsangebotenundsozia-lenUnterstützungssystemen,VernetzungbestehenderEinrichtungenzurGesundheitsversor-gung.StärkungeinesmedizinischenSystems,welcheseinlängeresVerbleibenPflegebedürftigerimbekanntenWohn-undLebensumfeldundeinenbedarfsgerechtenZukaufvonHilfenermög-licht.

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• EinrichtungeinesBürgerbürosalsAnlaufstelle,zurInformation,Kommunikation,HerstellungvonKontaktenusw.DasBürgerbüroistein„Netzwerkknoten“(s.u.)

• GesundheitsförderlichesSetting(d.h.VerbesserungderRahmenbedingungen,unterdenendieMenschenimStadtteilleben).

• Netzwerkarbeit:StärkungeinessozialunterstützendenNetzwerkszuremotionalenUnterstüt-zung,VermittlungundAufrechterhaltungeinersozialenIdentität,materiellerHilfeundDienst-leistung,VermittlungvonInformationenundHerstellungneuersozialerKontakte.KnotendesNetzwerkssindz.B.VereineundInstitutionen,Kommunalverwaltung,Bürgerbüro,dieBürgerdesWohngebietes.NetzwerkbeispielistdieAGKulturundSoziales:HierarbeitenVereine,Schule,Jugend-,Sozial-undKulturamt,PolizeiundBürgermit.

• VerbesserungderbaulichenStrukturz.B.ReduzierungderBrachenundSchaffungeinigerFrei-zeitplätze,SchaffungderJugendaktionsfläche(Skater-undStreetballfläche,Multifunktionsflä-chemitKletterwandelementen,Sprayerwändeundvielesmehr).RealisierungdurchZusam-menarbeitmitdenNutzernundBürgerbeteiligung.

• GewinnungvonAngebotsträgernzurgesundheitlichenPräventionunteranderemdieKinderta-geseinrichtungen,Schulen,Freizeiteinrichtungen,aberauchdieGewerbetreibendenundöf-fentlichenEinrichtungenwieBehördenoderdasBürgerbüro.

• Z.B.AngebotsträgerSchule:PräventionsangebotefürgesundeErnährung,BewegungundStressregulation.TrainingsfürdenUmgangmitKonfliktenundGewaltsituationen.

• AngebotefürbestimmteZielgruppenwieMigranten(interkulturelleBegegnungsstätte,Dol-metschenbeiArztbesuchen,PräventionsinformationinMutterspracheu.a.)

• EntwicklungvonniedrigschwelligenAngeboten(z.B.MaßnahmenmitZielgesundeErnährung,Rauchen,Blutdruckkontrolle,Entspannung,StressbewältigungoderAutogenesTraining.Ver-mittlunginFormvonFormvonGesundheitsfestenoderthemenorientiertenGroßaktionen.zuAuchdiebetrieblicheGesundheitsförderunggehörthierzu.

• MedialeUnterstützung(z.B.Handzettel,FaltblätteroderBroschürendieüberdieeinzelnenRi-siko-undVerhaltensbereiche,Internetportale,Plakate,Aufkleber,Ausstellungsmaterialien,ei-gene(Stadtteil-)Zeitungen,KooperationmitPresseundRundfunk.

• GesundheitsbildungundGesundheitserziehungalssozialpädagogischerAnsatz(Vorträge,Se-minare,Kurse,workshops–Einrichtungeiner„Gesundheitswerkstatt“)

sieheauch:http://www.chemnitz.de/chemnitz/de/soziales-gesundheit/gesundheit/konzeptionen-und-berichte/

5. DasöffentlicheGesundheitswesen

a. DasgegliederteSystemdersozialenSicherungGrundgedankedesSozialstaatesist,diewichtigstenLebensrisikendesEinzelnendurchdieGemeinschaft(finanziell)aufzufangen.HierzuisteineReihevonSozialversicherun-genundVersorgungssystemegeschaffenworden,diehierimÜberblickdargestelltwer-den:

FinanzierungaktuellerSatz

Lebensrisiken ZuständigeInstitutionen

Leistungenz.B.

Beiträge(AG+AN)14,6%+variablerZu-satzbeitr.(AN)

Krankheit,Arbeitsunfä-higkeitundandere

Krankenversicherung(GKV)

Früherkennung,Be-handlung,Medizin,Rehabilitation,Kran-kengeld.

Beiträge Pflegebedürftigkeit Pflegeversicherung LeistungenzurPflege

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(AG+AN)2,55%

(GPV) (Pflegegeld,Sachleis-tungen).

Beiträge(AG+AN)18,7%undSteuern(Bundes-zuschuss)

Alter,Erwerbsminderungfrüher:Erwerbsunfähigkeit,Be-rufsunfähigkeit

Rentenversicherung(GRV)

Medizinischeundberuf-licheRehabilitation,Übergangsgeld,Renten.

Beiträge(AG)(jenachRisikou.a.)

BeruflichbedingteGe-sundheitsschäden

Unfallversicherung

Medizinischeundberuf-licheRehabilitation,Verletzten-undÜber-gangsgeld,Renten,Pflege.

Beiträge(AG+AN)undUmlagen3,0%

Arbeitslosigkeit Arbeitslosenversiche-rung

BeruflicheRehabilitati-on,Ausbildungs-undÜbergangsgeld,Arbeits-losengeldund-hilfe,Arbeitsvermittlung.

Steuern GesundheitsschädendurchSonderopfer

Versorgung Medizinischeundberuf-liche,ggf.sozialeReha-bilitation,Versorgungs-kranken-undÜber-gangsgeld,Renten,Pflege.

Steuern BesondereBelastungenAusgleichssysteme Geldleistungen:Kinder-undWohngeld.Befrei-ungen:unentgeltlicheBeförderungimNah-verkehr.Sonderrechte:Kündigungsschutz.

AN=ArbeitnehmerAG=ArbeitgeberBetragssätze2017

BundeszuschüsseausSteuermittelngibtesfürGKV(2017:14,5Milliarden€)undfürGRV(2017:86,7Milliarden€)fürLeistungen,dienichtbeitragsgedecktsind.b. KrankenversicherungundPflegeversicherungDasRisikoKrankheitundPflegbedürftigkeitistdurchdieKranken-undPflegeversicherungabgedeckt.DieKrankenversicherunggliedertsichindiegesetzliche(GKV–ca.90%,entspr.70MioVer-sicherte)undprivate(PKV–ca.10%)Krankenversicherung.InderGKVsindArbeitnehmerversicherungspflichtig,wennihrBruttogehalteinebestimmteHöchstgrenzenichtüber-schreitet(Versicherungspflichtgrenze4.800EURmonatlichesBruttoeinkommenin2017).Versichertekönnenfreiwählen,beiwelcherKassesiesichversichernlassenmöchten.InderKrankenversicherungsindgrundsätzlichversicherungspflichtig:

•Arbeitnehmer,einschließlichderzuihrerBerufsausbildungBeschäftigten,•BeziehervonArbeitslosengeldoderArbeitslosenhilfe,•LandwirtschaftlicheUnternehmerundderenFamilienangehörige,•KünstlerundPublizistennachdemKünstlersozialversicherungsgesetz,

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•PersoneninEinrichtungenderJugendhilfe,•TeilnehmeranLeistungenzurTeilhabeamArbeitsleben,•BehinderteMenscheninanerkanntenWerkstättenundinAnstalten,HeimenodergleichartigenEinrichtungen,•Studenten,•PraktikantenundAuszubildendeohneArbeitsentgeltsowieAuszubildendedesZweitenBil-dungswegs,•Rentner/Rentenantragsteller,dieeinebestimmteVorversicherungszeiterfüllthaben,•Personen,dieüberkeinenanderweitigenKrankenversicherungsschutzverfügenundaufgrundihresStatusdemSystemdergesetzlichenKrankenversicherungzuzuordnensindoderzuletztge-setzlichkrankenversichertwaren.

DarüberhinausgibtesinderKrankenversicherungauchfreiwilligVersicherte(z.B.Selbstän-dige)undFamilienversicherte.FreiwilligversichernkannsichimWesentlichennur,werzu-vorpflicht-oderfamilienversichertwar.Beitragsfreifamilienversichertsindunterbestimm-tenVoraussetzungenderEhe-oderLebenspartnerunddieKindervonMitgliedern.DieFinanzierungderGKVfolgtdemBeitragsprinzip.BeiArbeitnehmernwirdderBeitragvonderzeit14,6%jehälftigvonArbeitnehmerundArbeitgeberaufgebrachtbiszursog.Bei-tragsbemessungsgrenze(in2017liegtsiebei4.350€proMonat).DieBeiträgefürAuszubil-dendemiteinemLohnoderGehaltvonbiszu325EurowerdenvomArbeitgeberalleinfi-nanziert.FürpflichtversicherteRentnerübernimmtderRentenversicherungsträgerdieHälf-tederBeträgeausderRente.FreiwilligversicherteRentnerzahlenihrenBeitragselbst,er-haltenaberaufAntrageinenBeitragszuschussdesRentenversicherungsträgers.StudentenzahlendensogenanntenStudentenbeitrag,derbeiallenKrankenkasseneinheitlichfestge-legtist(2017:–ohneKind-66,33€+15,25€Pflegeversicherung,kinderloseStudentenab23.LJzahlen16,87€).DerzusätzlicheBeitragallerMitgliedervon0,9%(mitBefreiungsrege-lungen)wurdeab1.1.2015abgeschafft.JenachKrankenkassewirdjedocheinvomVersi-chertenalleinzuzahlenderZusatzbeitragerhoben.DieLeistungenderGKVwerdenvomgemeinsamenBundesausschuss(http://www.g-ba.de/)festgelegt.DerGemeinsameBundesausschuss(G-BA)istdasobersteBeschlussgremiumdergemeinsamenSelbstverwaltungderÄrzte,Zahnärzte,Psychotherapeuten,KrankenhäuserundKrankenkasseninDeutschland(Grundlageistder§92SGBV).ErbestimmtinFormvonRichtliniendenLeistungskatalogderGesetzlichenKrankenversicherung(GKV)fürdie70Mil-lionenVersichertenundlegtdamitfest,welcheLeistungendermedizinischenVersorgungvonderGKVerstattetwerden.DieLeistungengliedernsichinDienstleistungen,Sachleistun-gen,Geldleistungen,Gesundheitsförderung,Krankheitsverhütung,FrüherkennungundKrankenbehandlung.DieLeistungeninderKrankenbehandlungumfassen:

•DieärztlicheundzahnärztlicheBehandlung,•dieKrankenhausbehandlung,•Arzneimittel,Verbandmittel,Heilmittel,z.B.Massagen,undHilfsmittelwieHörgerätoderRoll-stuhl,•dieHaushaltshilfe,fallsVersicherte,inderenHaushalteinKindunter12Jahrenlebt,insKran-kenhausmüssenundihrenHaushaltnichtweiterführenkönnen,•diehäuslicheKrankenpflege,wenndadurcheinKrankenhausaufenthaltvermiedenoderver-kürztwerdenkann,•diekieferorthopädischeBehandlungbeiVersichertenbiszum18.Lebensjahrsowie•MaßnahmenzurVorsorgeundRehabilitation.

DieTrägerderGKVsinddieallgemeinenOrtskrankenkassen(AOK),dieBetriebskrankenkas-sen(BKK),dieInnungskrankenkassen(IKK),dielandwirtschaftlicheSozialversicherungunddieKnappschaftsowiedieErsatzkassen.SeitAnfangder90er-JahrehatsichdieZahlderge-

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setzlichenKrankenkassendeutlichverringert.1991warenesnoch1.209Kassen,inzwischensindes118Kassen(Stand1.1.2016).DieAOKbeispielsweisekonzentriertesichvon276Ortskrankenkassen1991auf11AOKs(2015).MitdemGesundheitsfondswurdedieFinanzierungderGKVaufeineandereGrundlagege-stellt.AlleBeiträgewerdenvondenKrankenkassenindenvomBundesversicherungsamtverwaltetenGesundheitsfondseinbezahlt,hinzukommteinBundeszuschuss(2015:11,5Milliarden,2016:14Milliarden,2017geplant14,5Milliarden).VondortwerdendieMittelandieKassenverteilt.DieMittelzuteilungandieKrankenkassenberücksichtigtdieKrank-heits-Wahrscheinlichkeit(Morbidität)innerhalbderPopulationderjeweiligenKasse,wodurcheinRisikoausgleichbesteht.DadurchsolljedeKasseannähernddieFinanzmittelerhalten,diesiezurVersorgungihrerVersichertenbenötigt.Krankenkassen,diemitderMittelzuteilungnichtauskommen,könneneinenzusätzlichenBeitragvonihrenMitgliedernverlangen.DieseZusatzprämiemussvondenMitgliedernalleinegetragenwerden;d.h.,Ar-beitgeber,RentenversicherungsträgeroderandereSozialleistungsträgerbeteiligensichhie-rannicht(Ausnahme:AzubismiteinemEntgeldvonunter325€).DieMitgliederhabenindiesemFalleinSonderkündigungsrecht,d.h.siekönnensofortineineKassewechseln,diekeineZusatzprämieverlangt.DerZusatzbeitragliegtderzeitzwischen0,3und1,8%.DerGesundheitsfondssollBeitragsstabilitätgarantierenunddasunterschiedlicheKrank-heitsrisikoausgleichen.Wenninnerhalbvon2JahrenderFondwenigerals95%derAusga-bendeckt,wirdderBeitragssatzerhöht.DiePflegeversicherungals„fünfteSäulederSozialversicherung“isteinePflichtversicherungfüralle.Sieistebenfallsbeitragsfinanziert.DeraktuelleBeitragssatzliegtbei2,55Prozentbzw.2,8%(Kinderlose)vomLohnbzw.Gehalt.ArbeitgeberundArbeitnehmerübernehmenjeweilsdieHäflte.Kinderlose,diemindestens23Jahrealtundnach1939geborensind,zah-leneinenBeitragszuschlagvon0,25Prozent.WieinderKrankenversicherunggibteseineObergrenzefürdieBeiträge.RentnerzahlenihrenBeitragalleinentsprechenddergesetzli-cheRentesowieweitererEinkünftebiszurBeitragsbemessungsgrenze.Studentenbezahlenderzeitmonatlich15,25Euro,fürKinderloseab23Jahre16,87€.BeiArbeitslosenüber-nimmtdieBundesanstaltfürArbeitdieBeitragszahlung,wennsiebeimArbeitsamtregis-triertsind.DieLeistungenrichtensichnachderPflegebedürftigkeitin3Stufen,dievommedizinischenDienstderKrankenkassen(MdK)eingeschätztwird.Ab2017greifteineReformderPV,aus3Pflegestufenwerden5Pflegegrade.

• Pflegestufe0→Pflegegrad2• Pflegestufe1→Pflegegrad2• Pflegestufe1+eingeschränkteAlltagskompetenz→Pflegegrad3• Pflegestufe2→Pflegegrad3• Pflegestufe2+eingeschränkteAlltagskompetenz→Pflegegrad4• Pflegestufe3→Pflegegrad4• Pflegestufe3+eingeschränkteAlltagskompetenz→Pflegegrad5

• Härtefall→Pflegegrad5Mit„eingeschränkterAlltagskompetenz“wurdendieLeistungenDemenzkrankerverbessert.ÜberdieLeistungenderPflegeversicherunginformiertderAnhang(S.73-74).EsbestehteineWartezeitfürdenLeistungsbezugvon5Jahren,d.h.esmüssenvorAntrag-stellung5JahrelangBeiträgeentrichtetwordensein.c. ÖffentlicheGesundheitsdiensteundihreAufgabenÖffentlicherGesundheitsdienst(ÖGD)istdieOrganisationvonDienststellenaufderEbenevonBund,Ländern,KreisenundGemeinden,diedemSchutzderGesundheitderGemein-

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schaftunddeseinzelnendient.WahrgenommenwirdderÖGDschwerpunktmäßigvondenGesundheitsämtern,regionalauchvonanderenÄmtern(z.B.Umweltschutzämtern).NebendenstaatlichenundkommunalenEinrichtungendesÖGDgibtesnochandereTrägerwieKörperschaften,AnstaltenoderStiftungenundsonstigeInstitutionenwiez.B.VerbändeundVereine.OrganisationsformundZuständigkeitenwerdenimBundvonderBundesregierungundindenLändern,denKreisenundGemeindenvondenLandesregierungenbestimmt.DerÖGDwirdhäufigalsdie„dritteSäuleimGesundheitswesen“bezeichnet.DieAufgabendesöffentlichenGesundheitsdienstesumfassenfolgendeBereiche:

• SeuchenhygieneundGesundheitsschutz• UmwelthygieneundToxikologie• GesundheitsförderungundGesundheitsvorsorge• Jugendgesundheitspflege• SozialmedizinischerDienst• AmtsärztlicherDienstundgutachterlicheAufgaben• GesundheitsberichterstattungundEpidemiologie

SeuchenhygieneundGesundheitsschutzErkennung,VerhütungundBekämpfungvonübertragbarenKrankheitenmitHilfevonvorbeugen-den,zielgerichtetenundgesundheitspolizeilichenMaßnahmen;insbesondereaufderGrundlagedesBundesseuchengesetzes.SchutzderBevölkerungvorderWeiterverbreitungvonAIDS;vornehmlichdurchMaßnahmenderGesundheitserziehung-und-aufklärung(z.B.Beratungsgespräche,Öffentlichkeitsarbeit,Multiplika-torentrainingfürLehrerundAusbilder)undkostenloseHIV-Antikörpertests.Verhütung,Feststellung,ErkennungundVeranlassungderBehandlungvonGeschlechtskrankhei-ten.SchutzderBevölkerungvorübertragbarenKrankheiten,gegendiedurchSchutzimpfungimmuni-siertwerdenkann(Impfwesen).ÜberwachungdesDurchimpfungsgradesderBevölkerung.SchutzvonPersonalundPatientenimKrankenhaus(Krankenhaushygiene).ZurVerminderungderKrankenhausinfektionenerfolgteineregelmäßigeBeratungundKontrollederKrankenhäuserbeiNeu-undUmbauten,InvestitionenundimBetriebdurchalleEbenen.DiehoheZahlvonKranken-hausinfektionenerforderteineIntensivierungderBeratungs-undKontrolltätigkeit(=regelmäßigeKrankenhausbesichtigungen).

UmwelthygieneundToxikologieAllgemeinesZielistdieVerringerungdergesundheitlichenBelastungenderBevölkerungbeiderNutzungderUmwelt(Umwelthygiene,Umweltschutz).EssollendieRisikofaktorenfürdiemensch-licheGesundheiterkannt(z.B.beiKontrollen,Ortsbesichtigungen,Probeentnahmen)undimSinnederPräventiongegenschädlicheEinflüsseMaßnahmenveranlasstwerden.HiererfolgtdieZu-sammenarbeitmitanderenStellen(z.B.Gewerbeaufsichtsamt,Wasserwirtschaftsamt).Diesum-fasstz.B.hygienischeBereichewieAbfallhygiene,Abwasserhygiene,Badewasserhygiene,Kranken-haushygiene,Lebensmittelhygiene(Lebensmittelüberwachung)undTrinkwasserhygiene.

GesundheitsförderungundGesundheitsvorsorgeAufgabenschwerpunktesinddiezielgruppenorientierteGesundheitserziehungund-aufklärungübervermeidbareRisikofaktorenundHinführungzueinergesundenLebensführung.DazugehörtdieKoordinationundInitiierungvonentsprechendenAngebotenaufregionalerEbene(z.B.Ge-sundheitstageund-wochen,VeranstaltungenzumWeltgesundheitstag,Aus-undFortbildungvonMultiplikatoren).EineweitereAufgabeistdieBeratungvonSchwangerensowievonElternmitSäuglingenundKleinkindern(sog.Mütterberatung),soweitandereInstitutionendieseAufgabenichtwahrnehmen(FrüherkennungvonKrankheiten,Mutterschaftshilfe).DiesschließeindieBeratungvonElternzudenThemenErnährung,Stillen,Hygiene,Körperpflege,Entwicklungsförderung,SchutzimpfungundKinderkrankheiten(z.B.Rachitis-undKariesprophylaxe)undBehinderungensowieBereitstellungvonInformationsmaterial(Müttersterblichkeit,Säuglingssterblichkeit).

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FerneristdieBeratungvonEinrichtungenundihrenTrägerninFragenmöglichstwirksamerge-sundheitsfördernderGestaltungderEinrichtungeneineAufgabe.DiesbetrifftinsbesondereKin-dergärten,Schulen,HeimesowieBehinderteneinrichtungen(z.B.KindergärtenfürBehinderte).

JugendgesundheitspflegeLebenslangwirksameVerhaltensweisenzurGesundheitsförderunglassensichamehestenimKin-des-undJugendlichenaltereinüben.DieVorsorgeuntersuchungenfürKinderundJugendlichewer-deninderRegelvondenniedergelassenen(Kinder-)Ärztendurchgeführt,könnenaberauchimRahmendesÖGDerfolgen.FernerfindenUntersuchungenderBerufsanfängernachdemJugend-arbeitsschutzgesetzstatt(15.bis18.Lebensjahr).ErgänztwerdendieseAngebotedurchdieschul-ärztlichenUntersuchungenundderJugendzahnpflegedesÖGD;siebindeneinengroßenTeilderArbeitskapazität(=Schulhygiene).ZurSchulgesundheitspflegegehörendieärztlicheUntersuchungvonKindernaufHinderungsgründefürdenSchulbesuch(bestimmteSchulstufeundSchulart,besondereFörderungsmaßnahmen),Be-ratungderKinderundSorgeberechtigteningesundheitlichenBelangensowieGesundheitserzie-hungund-aufklärungfürSchüler,ElternundLehrer.DieJugendzahnpflegehatdieErhaltungderZahngesundheitvonfrühesterKindheitanzumZiel,insbesonderedurchEinübenzahnpflegenderund-erhaltenderVerhaltensweisen.DieAufgabenderJugendzahnpflegeergänzendieLeistungenzurVerhütungvonZahnerkrankungenindergesetzli-chenKrankenversicherung(Krankheitsverhütung)undermöglichengleichzeitigeineSammlungvonDatenzumGesundheitszustandderZähnevonKindergarten-undSchulkindern.DieseDatenste-henfürepidemiologischeZweckezurVerfügung.

SozialmedizinischerDienstDersozialmedizinischeDienstsollsicherstellen,dassPersonen,diewegenKrankheitoderBehinde-rungderHilfebedürfen,durchdenÖGDberatenwerdenundevtl.inandereBeratungs-undHil-feeinrichtungenvermitteltwerden,HilfenfürdenBetroffenenkoordinierteingesetztwerdenundzumTeilHilfendirektgewährtwerden.SozialmedizinischeHilfeleistungenstellenaucheinenot-wendigeUnterstützungundAbsicherungderseuchenhygienischenMaßnahmenbeiübertragbarenKrankheitendar.BehindertensolleinmöglichsthohesMaßanselbständiger,qualitätsvollerLebensführungermög-lichtwerden.UmdiesemZielgerechtzuwerden,hatderÖGDdieärztlichenAufgabennachdemSGBXII(EingliederungshilfefürBehinderte)wahrzunehmen(ansonstensinddieübrigenRehabilita-tionsträgerzuständig)unddieindividuelleBeratungundBetreuungBehindertersicherzustellen(LandesärztefürBehinderte).DabeikommtderKoordinationderHilfeangeboteeinegroßeBedeu-tungzu,insbesonderebeiderFrühförderungimKleinkind-undSchulbereich(inErgänzungderMütterberatung).BeiderBeratungundBetreuungbeiAbhängigkeithatderÖGDeineergänzendeRolle.Sieistabernotwendig,daimmernochFällevonanderenBetreuungsangeboten(z.B.Drogenberatungsstellen,Selbsthilfegruppen)nichterreichtbzw.angenommenwerden.DerÖGDnimmtbeiderBetreuungvonpsychischKrankeninsbesonderefolgendeAufgabenwahr:primäreZuständigkeitinderKinder-,Jugend-undGerontopsychiatrie,Mitarbeitinsozialpsychiatri-schenArbeitskreisen,soweiterforderlichBetreuungundHilfevermittlungimBereichderErwach-senenpsychiatrie.FürPersonenmitchronischenKrankheitenundihrenAngehörigensindBeratungs-undBetreu-ungsangebotevorgesehen.HilfensozialerArtausgesundheitlichenGründensolltengemeinsamvonÄrztenundSozialarbeiterneingerichtetwerden.EinAngebotfürchronischKrankeistz.B.dieBeratungbeiKrebswennkeinandererBeratungsträgervorhandenist.ImZusammenhangmitderBekämpfungderGeschlechtskrankheitenrichtetsicheinbesonderesBeratungs-undBetreuungsangebotvorallenanProstituierte.HierzugehörenvornehmlichHil-fevermittlung,Schuldnerberatung,"Ausstiegs"-Hilfen,BerufseingliederungshilfenundUmschulun-gen.VorrangigesBeratungszielistdieInfektionsverhütungbeiProstituierten.BeidersozialmedizinischenBetreuungimZusammenhangmitHIVundAIDSstehtdieErhaltungei-nesniedrigenMorbiditätsniveausunddieHilfebeiderLebensbewältigungimVordergrund.Zuden

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AufgabengehörendieBeratungvorundnachHIV-Antikörpertests,dieaufsuchendeBeratung,dieBetreuungsowiedieVermittlungvonHilfen.HinsichtlichdesBeratungs-undHilfeangebotsandererStellenhatderÖGDeineKoordinations-undInitiativaufgabe.

AmtsärztlicherDienstundgutachterlicheAufgabenUntersuchungundBegutachtungdurchÄrzteohneBehandlungsauftragnachimwesentlichenglei-chenKriterienfürdenStaatalsDienstherrnoderandereEinrichtungenimöffentlichenInteresse.UntersuchungendurchdenAmtsarztkommenz.B.inBetrachtzumAusschlussgesundheitlicherungeeigneterBewerberfürbestimmteTätigkeitenundBerufe(Beamtenanwärterusw.),zurFest-stellungderBerechtigungvonLeistungsansprüchen(z.B.EingliederungshilfefürBehinderte)undalsBeitragzurAufrechterhaltungderöffentlichenSicherheitundOrdnung(Untersu-chung/GutachtenimZusammenhangmitderUnterbringungvonpsychischKranken).TätigkeitalsärztlicherSachverständigernachStrafprozessordnungundZivilprozessordnungsowiederfreiwilligenGerichtsbarkeit,soweitkeineigenständigergerichtsärztlicherDienstaußerhalbdesÖGDbesteht.ÜberwachungderGesundheitsberufe,soweitdieseTätigkeitnichtinandererZuständigkeitwahr-genommen(z.B.durchÄrztekammern,Zahnärztekammern)undApothekeneinschließlichdesVer-kehrsmitArzneimitteln,BetäubungsmittelnundGefahrstoffen.BeratungderzuständigenBehördeninAngelegenheitdesKatastrophenschutzesundZivilschutzes,vornehmlichausdemGesichtspunktderSeuchenhygieneundUmwelthygiene.ImZusammenhangmitderSicherstellungdesKrankentransportsunddesRettungsdienstesobliegtdemÖGDinsbesonderedieWahrnehmungvonhygienischenAufgaben.SoweiteineanderweitigeZuständigkeitnichtgegebenist,wirdderÖGDauchInitiativenzurschnellstmöglichenVersorgungvonKrankenundVerletztenergreifen.BeiderBestattunghatderÖGDdieAufgabederAbwehrvongesundheitlichenGefahren,insbe-sondereaushygienischerSicht(=Bestattungshygiene),unddieSicherungvonDatenfüreinequali-fizierteGesundheitsberichterstattung(Mortalitätsstatistik).VorDurchführungeinerFeuerbestat-tunghatderÖGDeineamtlicheLeichenschaudurchzuführen.

GesundheitsberichterstattungundEpidemiologieAufgabeistdasSammeln,VerknüpfenundAuswertenvonbereitsvorhandenenundneuzuerhe-bendengesundheitsbezogenenDaten.DamitsolleineVerbesserungdesKenntnisstandesüberdiegesundheitlicheLagederBevölkerungundderenEntwicklungstrendssowieüberLeistungen,Inan-spruchnahmeverhaltenundGesundheitsausgabenerreichtwerden.EineverbesserteGesundheitsberichterstattungkönntebereitsanandererStellevorliegendeDaten(z.B.Jahresgesundheitsbericht,Krankenhausstatistik)berücksichtigenundsinnvollmiteinanderverknüpfen.EineregionalisierteundbevölkerungsbezogeneStatistikderMorbiditätundMortalitätmitihrerVerknüpfungvonsoziodemographischensowieumweltrelevantenDatenundderenepi-demiologischeAnalysewäreeinevordringlicheAufgabe.

VieledergeschildertenAufgabendesÖGDwerdenheutevonanderenInstitutionenwahrgenommen.DerÖGDwirdnurdanntätig,wennAufgabennichtanderweitigerledigtwerden(PrinzipderNachrangigkeit).InsofernhatdieBedeutungdesÖGDerheblichabgenommenundisteherhistorischzusehen.EinedetaillierteInformationüberdenÖGDinBaden-Württemberggibthttps://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/DE/Seiten/default.aspx

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d. SozialeArbeitundöffentlichesGesundheitswesenWeiteBereichediesesTätigkeitsfeldesdeckensichmitdemobigenAbschnittüberSozialeArbeitundGesundheitsförderung.DieobendargestelltenAufgabendesöffentlichenGe-sundheitsdienstessindnurmitmultiprofessionellenTeamszuleisten.DazugehörenauchSozialarbeiterund-pädagogen,diesichdemgesetzlichenAuftragentsprechendumGe-sundheitsförderungkümmern.BeispielewärenBeratungbeiSchwangerschaftskonflikten,AIDSundDrogenproblemen,FörderungundPrävention,incl.interkulturellerGesundheitsförderung,SuchtpräventionundSexualpädagogik.DiepersonelleAusstattungdesöffentlichenGesundheitsdienstesmitSozialarbeiteristaller-dingsmangelhaft.ImEinzelnenwirdaufdieBüchervonErnstReinhardtundAnneE.Lützenkirchenverwiesen(s.Literaturliste),dieinderVorlesungpräsentiertwerden.

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LiteraturlisteEmpfohleneFachbücherGesundheitswissenschaft

VonHeikoWaller,267S,25€Kohlhammer;Auflage:4.,überarb.u.erw.A.(10.August2006)ISBN-13:978-3170190733

Gesundheitswissenschaften:EineEinführungvonPetraKolip,294Seiten,19,00€Verlag:Juventa(2002)ISBN-13:978-3779915638

ModellevonGesundheitundKrankheit

vonAlexaFranke,231Seiten,19,95€Verlag:Huber,Bern;Nachdruck1.Auflage,2008ISBN-13:978-3456843537

Leidersehrteuer:DieErhaltungvonLebenundGesundheit:Washältunsgesund?Waslässtunswiedergesundwerden?AufderSuchenacheinerGesundheitswissenschaft.

vonMonikaPirlet-Gottwald(Herausgeber),AlbrechtFalkenbach,296Seiten89,00€Verlag:Kovac,J;Auflage:1(August2003)ISBN-13:978-3830010340

LehrbuchPräventionundGesundheitsförderung

vonKlausHurrelmann,TheodorKlotzundJochenHaisch,422SeitenEUR29,95Verlag:Huber,Bern;Auflage:2.,überarb.Aufl.2007ISBN-13:978-3456844862

SozialeArbeitundGesundheit:EineEinführung

vonHansGüntherHomfeldtundStephanSting,244Seiten,24,90€Verlag:Reinhardt,München;Auflage:1(September2006)ISBN-13:978-3497018673

SozialeArbeitimÖffentlichenGesundheitsdienst

VonErnstReinhardt,159S,14,90€Verlag:UTB1.Auflage2005ISBN:978-3-8252-2654-1

SozialeArbeitimGesundheitswesen:Zielgruppen,Praxisfelder,InstitutionenvonAnneE.Lützenkirchen,199Seiten,28,00€Verlag:Kohlhammer;Auflage:1.,Aufl.(10.März2005)ISBN-13:978-3170184404

EinführungindieEpidemiologie

vonRuthBonita,RobertBeagleholeundTordKjellström,312Seiten29,95€Verlag:Huber,Bern;Auflage:2.,vollst.überarb.Aufl.2008ISBN-13:978-3456845357

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WeitereLiteratur:Salutogenese:ZurEntmystifizierungderGesundheitvonAaronAntonovskyundAlexaFrankevonDgvt-Verlag(Taschenbuch-1997)Preis:EUR19,80WieGesundheitentsteht:Salutogenese:SchatzsuchestattFehlerfahndungvonEckhardSchiffervonBeltz(Ta-schenbuch-1.April2001)Preis:EUR14,90Salutogenese:GrundwissenfürPsychologen,Mediziner,Gesundheits-undPflegewissenschaftlervonRüdigerLo-renzvonReinhardt,München(Broschiert-September2005)Preis:EUR24,90SalutogeneseundKohärenzgefühl:Grundlagen,EmpirieundPraxiseinesgesundheitswissenschaftlichenKonzeptsvonHansWydler,PetraKolip,undThomasAbelvonJuventa(Taschenbuch-Juli2006)Preis:EUR19,00StressabbaudurchLebensfreude-DasModellderSalutogenesevonAntonovskyvonDagmarSchnellvonGRINVerlag(Broschiert-August2007)Preis:EUR12,99SozialeArbeitimKrankenhaus:SozialeArbeitimGesundheitswesen5(Uni-TaschenbücherS):SozialeArbeitimGesundheitswesen5vonHaraldAnsen,NorbertGödecker-Geenen,undHansNauvonUtb(Broschiert-1.Sep-tember2004)Preis:EUR14,90KlinischeSozialarbeit(Uni-TaschenbücherS)vonBrigitteGeissler-Piltz,AlbertMühlum,undHelmutPaulsvonUtb(Broschiert-1.Oktober2005)Preis:EUR14,90SozialarbeitimGesundheitswesen:Geschichte,Dokumente,LebensbildervonPeterReinickevonLambertus-Verlag(Broschiert-16.Oktober2008)Preis:EUR19,80SozialarbeitimGesundheitswesen.Ausbildungskonzepte,Praxisberichte,ForschungsergebnissevonHeikoWallervonBeltz(Broschiert-Mai1995)AngeboteabEUR1.95SozialarbeitimSpannungsverhältnisvonMedizinundKultur:AmBeispieldersoziomedizinisch-orientiertenKultur-sozialarbeitimGesundheitswesenNepalsvonSatishShroffvonDiplomarbeitenAgenturdiplom.de(Taschenbuch-1.Januar1998)Preis:EUR38,00PerspektivendersozialenArbeitimGesundheitswesen:PersonenbezogeneDienstleistungenalsrehabilitativeRessourcenvonGeorgHeyvonLippeVerlag(Taschenbuch-Mai2001)AngeboteabEUR9,50

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Anhang I: Gesund oder krank? 2 Beispiele Für Thorsten Schneider, 32 Jahre alt, war es immer wichtig, sich im Be-ruf nicht zu verausgaben und viel Zeit für seine sportlichen Hobbys zu haben. Schon während der Schulzeit war ihm der Sport wichtiger als das Lernen. Nach der Mittleren Reife ging er zur Stadtverwaltung und absol-vierte eine Inspektorenlaufbahn; dies erlaubt ihm nun, einen sicheren Job mit geregelten Arbeitszeiten zu haben. Vor vier Monaten ist Herr Schneider beim Inline-Skaten so unglücklich gefallen, dass er sich ei-nen äußerst komplizierten Bruch im linken Schultergelenk zugezogen hat. Er wurde zweimal operiert und musste nach der zweiten Operation noch sechs Wochen lang einen Gips tragen. Nun ist der Arm wieder frei, Herr Schneider muss aber viermal wöchentlich zur Krankengymnastik, um die volle Bewegungsfreiheit wieder erreichen zu können. Vom Arzt ist Herr Schneider weiterhin krankgeschrieben, da er sich noch in ambulanter Re-habilitation befindet. Auf dem Weg zur „Reha“ ist Herr Schneider mehr-mals in seinem Büro vorbeigegangen, um die Kolleginnen und Kollegen zu begrüßen - das tut er seit drei Wochen aber nicht mehr, weil die Kolle-ginnen und Kollegen zunehmend sauer auf seine Besuche reagiert haben. Bedingt dadurch, dass die Stadtverwaltung ein neues EDV-System einge-führt hat, gibt es in Herrn Schneiders Behörde derzeit weitaus mehr Ar-beit als üblich, und ein Kollege hat ihm ziemlich unverblümt gesagt, dass er nicht sehe, warum Schneider, der ja topfit sei und äußerst aus-geruht, nicht seine sitzende Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Gerade bei der aktuellen Umstellung gebe es viele Arbeiten, bei denen er sei-nen linken Arm überhaupt nicht zu belasten brauche; er könne die Kolle-gen zum Beispiel enorm entlasten, wenn er Bürger-Sprechstunden und sonstige Arbeiten, bei denen es vor allem auf Sitzfleisch, Köpfchen und Redefähigkeit ankomme, übernehmen würde. Der 63jährige Konrad Köppen führt einen Kiosk in Bochum. Da dieser di-rekt neben einer Gesamtschule liegt, hat Köppen regelmäßige und gute Einkünfte. Vor langer Zeit konnte er das Grundstück einschließlich Kiosk erwerben. Beides ist inzwischen schuldenfrei, und der Grundstückswert ist enorm gestiegen. Früher hat Köppen den Kiosk mit seiner Frau betrieben, seit diese vor zwei Jahren verstorben ist, führt er den Kiosk allein weiter. Da schon immer er es war, der den Einkauf gemacht hat und auch derjenige, der den Kontakt zu den Kunden pflegte, hat er mit der Führung des Kiosks keine Probleme. Schwierigkeiten hatte er allerdings immer schon mit Be-hörden, Banken, Ämtern und so weiter. Diesen Bereich hat früher seine Frau erledigt, weil sie es besser konnte und auch, weil er sich immer so schrecklich über Banken, Ämter und Behörden ärgern musste. Seit die Frau nun tot ist, muss sich Köppen auch um diesen Bereich kümmern, und seitdem hat er ständig Ärger. Seiner Meinung nach haben es alle Ämter, Banken und Behörden auf den Meinen Mann abgesehen und bescheißen ihn, so gut es geht. Immer wieder fühlt er sich betrogen und macht entspre-chend Eingaben, vor allem beim Finanzamt. Zurzeit führt er sechs Pro-zesse. Außerdem muss sich Köppen in der letzten Zeit sehr über die Nachbarn ärgern. Sie verargen ihm, dass es ihm wirtschaftlich so gut geht und lassen ihren Ärger an ihm aus, indem sie ihn schikanieren und ihm vorwerfen, er halte sich nicht an die Hausordnung. Köppen gibt zu, dass er im letzten Jahr mehrfach vergessen hat, die Treppe zu wischen und die gelbe Tonne herauszustellen, wenn er an der Reihe war. Er fin-det aber, dass ihm das ja schließlich mal passieren könne, wo er jetzt so viel um die Ohren habe. Auch dass im letzten Jahr zweimal die Bade-wanne übergelaufen ist, findet er nicht so schlimm - den Schaden an der Decke des unter ihm wohnenden Mieters hat seine Versicherung beide Maie gezahlt, Warum die Nachbarn jetzt in der vorigen Woche eine Tussi vom Gesundheitsamt vorbei geschickt haben, ist ihm völlig unverständlich.

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AnhangII:AnwendungsbeispielzurICF–QuantifizierunggestörtermentalerFunktionenbeiALZHEIMER-Demenz

Globale mentale Funktionen b114 Funktionen der Orientierung Allgemeine mentale Funktionen, die Selbstwahrnehmung, Ich-Bewusstsein und realistische Wahrnehmung anderer Personen sowie der Zeit und der Umgebung betreffen Inkl.: Funktionen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person sowie der Orientierung zur eigenen Person und zu anderen Personen; Desorientierung zu Zeit, Ort und Person Exkl.: Funktionen des Bewusstseins (b110); Funktionen der Aufmerksamkeit (b140); Funktionen des Gedächtnisses (b144)

b1140 Orientierung zur Zeit Mentale Funktionen, die sich im bewussten Gewahrsein von Wochentag, Datum, Tag, Monat und Jahr äußern b1141 Orientierung zum Ort Mentale Funktionen, die sich im bewussten Gewahrsein der örtlichen Situation äußeren, z.B. in welcher unmittelbaren Umgebung, in welcher Stadt oder in welchem Land man sich befindet b1142 Orientierung zur Person Mentale Funktionen, die sich im bewussten Gewahrsein der eigenen Identität und von Personen in der unmittelbaren Umgebung äußern b11420 Orientierung zum eigenen Selbst Mentale Funktionen, die sich im bewussten Gewahrsein der eigenen Identität äußern b11421 Orientierung zu anderen Personen Mentale Funktionen, die sich im bewussten Gewahrsein von Personen in der unmittelbaren Umgebung äußern b11428 Orientierung zu Personen, anders bezeichnet b11429 Orientierung zu Personen, nicht näher bezeichnet

b117 Funktionen der Intelligenz Allgemeine mentale Funktionen, die erforderlich sind, die verschiedenen mentalen Funktionen einschließlich aller kognitiven Funktionen zu verstehen und konstruktiv zu integrieren sowie diese über die gesamte Lebensdauer hinweg fortzuent-wickeln. Inkl.: Die Intelligenzentwicklung betreffende Funktionen; intellektuelle und mentale Retardierung, Demenz Exkl.: Funktionen des Gedächtnisses (b144); Funktionen des Denkens (b160); Höhere kognitive Funktionen (b164) b122 Globale psychosoziale Funktionen Sich über das gesamte Leben entwickelnde allgemeine mentale Funktionen, die für das Verständnis und die konstruktive Integration jener mentalen Funktionen erforderlich sind, die zur Bildung interpersoneller Fähigkeiten führen, welche für den Aufbau reziproker sozialer Interaktionen, die sinnvoll und zweckmäßig sind, benötigt werden. Inkl.: Störungen wie bei Autismus b130 Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs Allgemeine mentale Funktionen, die physiologische und psychologische Vorgänge betreffen, welche bei einer Person ein nach-haltiges Streben nach Befriedigung bestimmter Bedürfnisse und die Verfolgung allgemeiner Ziele verursachen. Inkl.: Funktionen, die psychische Energie, Motivation, Appetit, Sucht (einschließlich Sucht nach Substanzen, die zu einer Abhängigkeit führen) und Impulskontrolle betreffen Exkl.: Funktionen des Bewusstseins (b110); Funktionen von Temperament und Persönlichkeit (b126); Funktionen des Schlafes (b134); Psychomotorische Funktionen (b147); Emotionale Funktionen (b152)

b1300 Ausmaß der psychischen Energie Mentale Funktionen, die sich in Durchsetzungskraft und Durchhaltevermögen äußern b1301 Motivation Mentale Funktionen, die sich in einem Anreiz zu handeln und in einer bewussten oder unbewussten Antriebskraft zu Handlungen äußern b1302 Appetit Mentale Funktionen, die sich in einem natürlichen Verlangen oder einem Wunsch äußern, insbesondere das natürliche und wiederkehrende Verlangen nach Essen und Trinken b1303 Drang nach Suchtmitteln Mentale Funktionen, die sich in einem Drang äußern, Substanzen zu konsumieren einschließlich solcher, die zu Miss-brauch führen können b1304 Impulskontrolle Mentale Funktionen, die plötzliche intensive Handlungsimpulse regulieren und unterdrücken

Spezifische mentale Funktionen

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b140 Funktionen der Aufmerksamkeit Spezifische mentale Funktionen, die die Fokussierung auf einen externen Reiz oder auf innere Vorgänge für eine geforderte Zeitspanne betreffen Inkl.: Funktionen, die Daueraufmerksamkeit, Wechsel der Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, mit anderen geteilte Aufmerksamkeit, Konzentration und Ablenkbarkeit betreffen Exkl.: Funktionen des Bewusstseins (b110); Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs (b130); Funktionen des Schlafes (b134); Funktionen des Gedächtnisses (b144); Psychomotorische Funktionen (b147); Funktionen der Wahrnehmung (b156)

b1400 Daueraufmerksamkeit Mentale Funktionen, die sich in der Konzentration über eine geforderte Zeitspanne äußern b1401 Wechsel oder Lenkung der Aufmerksamkeit Mentale Funktionen, die die Umlenkung der Konzentration von einem Reiz auf einen anderen zulassen b1402 Geteilte Aufmerksamkeit Mentale Funktionen, die die gleichzeitige Fokussierung auf zwei oder mehr Reize zulassen b1403 Mit anderen geteilte Aufmerksamkeit Mentale Funktionen, die die Fokussierung auf denselben Reiz durch zwei oder mehr Personen zulassen, wenn z.B. ein Kind und ein Betreuer sich gemeinsam auf ein Spielzeug konzentrieren b1408 Funktionen der Aufmerksamkeit, anders bezeichnet b1409 Funktionen der Aufmerksamkeit, nicht näher bezeichnet

b144 Funktionen des Gedächtnisses Spezifische mentale Funktionen, die die adäquate Registrierung, die Speicherung und den Abruf von Informationen betreffen Inkl.: Funktionen, die Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis, Sofort-, Frisch- und Altgedächtnis, Gedächtnisspanne und Abrufen betreffen; Funktionen, die beim Wiedererkennen und Lernen benutzt werden, wie bei nominaler, selektiver und dissoziativer Amnesie Exkl.: Funktionen des Bewusstseins (b110); Funktionen der Orientierung (b114); Funktionen der Intelligenz (b117); Funktionen der Aufmerksamkeit (b140); Funktionen der Wahrnehmung (b156); Funktionen des Denkens (b160); Höhere kognitive Funktionen (b164); Kognitivsprachliche Funktionen (b167); Das Rechnen betreffende Funktionen (b172)

b1440 Kurzzeitgedächtnis Mentale Funktionen, die sich in einer vorübergehenden, störbaren Gedächtnisspeicherung von etwa 30 Sekunden äu-ßern. Aus diesem Speicher gehen Informationen verloren, wenn sie nicht im Langzeitgedächtnis verankert werden b1441 Langzeitgedächtnis Mentale Funktionen, die sich in einem Gedächtnissystem zur langzeitigen Übernahme von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis und zum Abruf dieser Informationen äußern. Es gibt zwei unterschiedliche Formen des Langzeitgedächtnisses: ein autobiographisches (für Ereignisse der Vergangenheit) und semantisches (für Sprache und Sachverhalte) b1442 Abrufen von Gedächtnisinhalten Spezifische mentale Funktionen, die das Erinnern von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und zur Überleitung ins Bewusstsein betreffen

b152 Emotionale Funktionen Spezifische mentale Funktionen, die im Zusammenhang mit Gefühlen und den affektiven Komponenten von Bewusstseinsprozessen stehen Inkl.: Funktionen, die (Situations)Angemessenheit der Emotion, affektive Kontrolle und Schwingungsfähigkeit betreffen; Affekt; Trauer, Glück; Liebe, Furcht, Ärger, Hass, Anspannung, Angst, Freude, Sorgen; emotionale Labilität; Affektverflachung Exkl.: Funktionen von Temperament und Persönlichkeit (b126); Funktionen der psychischen Energie und des An-triebs (b130)

b1520 (Situations)Angemessenheit der Emotion Mentale Funktionen, die sich in der Übereinstimmung des Gefühls oder des Affektes mit der Situation äußern, wie Glücksgefühl, wenn man gute Nachrichten erhält b1521 Affektkontrolle Mentale Funktion, die Erleben und Ausdruck von Affekten kontrolliert b1522 Spannweite von Emotionen Mentale Funktionen, die sich im Spektrum von Gefühlsregungen oder Gefühlen äußern, wie Liebe, Hass, Angst, Sor-gen, Freude, Furcht und Ärger

b160 Funktionen des Denkens Spezifische mentale Funktionen, die im Zusammenhang mit dem formalen und inhaltlichen Ablauf des Denkens stehen Inkl.: Funktionen, die Tempo, Form, Kontrolle und Inhalt des Denkens betreffen; Funktionen, die zielgerichtetes und nicht zielgerichtetes Denken betreffen; Funktionen, die logisches Denken betreffen, wie bei Gedankendruck, Ideenflüchtigkeit, Denkhemmung, inkohärentes Denken, Vorbeidenken/Vorbeireden, umständliches Denken, Wahn, Zwangsgedanken, Zwangshandlungen Exkl.: Funktionen der Intelligenz (b117); Funktionen des Gedächtnisses (b144); Psychomotorische Funktionen (b147); Funktionen der Wahrnehmung (b156); Höhere kognitive Funktionen (b164); Kognitiv-sprachliche Funktionen (b167); Das Rechnen betreffende Funktionen (b172)

b1600 Denktempo

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Mentale Funktionen, die sich in der Geschwindigkeit des Denkprozesses äußern b1601 Form des Denkens Mentale Funktionen, die Kohärenz und Logik des Denkprozesses gewährleisten (formales Denken) Inkl.: Störungen wie Perseveration, Vorbeidenken/Vorbeireden und Umständlichkeit b1602 Inhalt des Denkens Mentale Funktionen, die Ideen und Inhalte im Denkprozess und das, was konzeptualisiert wird, betreffen (inhaltliches Denken) Inkl.: Störungen wie Wahn, überwertige Ideen und Somatisierung b1603 Kontrolle des Denkens Mentale Funktionen, die die willkürliche Kontrolle über das Denken beinhalten und die als solche von der Person selbst erkannt werden Inkl.: Störungen wie Deja-Vu-Erleben, Zwang, Gedankenbeeinflussung und Gedankeneingebung

b164 Höhere kognitive Funktionen Spezifische mentale Funktionen, die insbesondere von den Frontallappen des Gehirns abhängen, einschließlich komplexe zielgerichtete Verhaltensweisen wie Entscheidungen treffen, abstrakt denken sowie einen Plan aufstellen und durch-führen, mentale Flexibilität, sowie entscheiden, welche Verhaltensweisen unter welchen Umständen angemessen sind (häufig „exekutive Funktionen“ genannt) Inkl.: Funktionen, die Abstraktionsvermögen und Ordnen von Ideen betreffen; Zeitmanagement, Einsichts- und Urteilsvermögen; Konzeptbildung, Kategorisierung und kognitive Flexibilität Exkl.: Funktionen des Gedächtnisses (b144); Funktionen des Denkens (b160); Kognitiv-sprachliche Funktionen (b167); Das Rechnen betreffende Funktionen (b172)

b1640 Das Abstraktionsvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die die Entwicklung von allgemeinen Vorstellungen, Qualitäten oder Charakteristiken betreffen, hervorgegangen aus und losgelöst von den konkreten Realitäten, spezifischen Gegenständen oder aktuellen Gegeben-heiten b1641 Das Organisieren und Planen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die das Zusammenfügen von Teilen zu einem Ganzen und das Systematisieren betreffen; diese mentale Funktion trägt dazu bei, eine methodische Vorgehens- oder Handlungsweise zu entwickeln b1642 Das Zeitmanagement betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die das Ordnen von Ereignissen in eine chronologische Reihenfolge und das Zuweisen von Zeiten zu Ereignissen und Aktivitäten betreffen b1643 Kognitive Flexibilität Mentale Funktionen, die das Ändern von Strategien oder Denkansätzen betreffen, insbesondere beim Problemlösen 58 b1644 Das Einsichtsvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Bewusstsein und Verstehen der eigenen Person und des eigenen Verhaltens betreffen b1645 Das Urteilsvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die daran beteiligt sind, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu unterscheiden und diese zu bewerten, wie solche, die an der Meinungsbildung beteiligt sind b1646 Das Problemlösungsvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Identifizieren, Analysieren und Integrieren nicht übereinstimmender oder sich widersprechender Informationen in eine Lösung betreffen

b167 Kognitiv-sprachliche Funktionen Spezifische mentale Funktionen, die das Erkennen und Verwenden von Zeichen, Symbolen und anderen Teilbereichen einer Sprache betreffen Inkl.: Funktionen, die Verständnis und Entschlüsselung von gesprochener, geschriebener oder anderer Formen von Sprache wie Gebärdensprache betreffen; Funktionen, die das Ausdrucksvermögen in gesprochener, geschriebener oder anderer Form von Sprache betreffen; integratives Sprachvermögen in Sprache und Schrift, wie sie an der sensorischen (rezeptiven), motorischen (expressiven), Broca-, Wernicke- und Leitungsaphasie beteiligt sind Exkl.: Funktionen der Aufmerksamkeit (b140); Funktionen des Gedächtnisses (b144); Funktionen der Wahrnehmung (b156); Funktionen des Denkens (b160); Höhere kognitive Funktionen (b164); Das Rechnen betreffende Funktionen (b172); Mentale Funktionen, die die Durchführung komplexer Bewegungshandlungen betreffen (b176); Kapitel 2: Sinnesfunktionen und Schmerz; Kapitel 3: Stimm- und Sprechfunktionen

b1670 Das Sprachverständnis betreffende Funktionen Spezifische mentale Funktionen, die Verstehen und Erfassen der Bedeutung von Mitteilungen in gesprochener, ge-schriebener, symbolisierter oder anderer Form betreffen b16700 Das Verständnis gesprochener Sprache betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Verstehen und Erfassen der Bedeutung von gesprochenen Mitteilungen betreffen b16701 Das Verständnis geschriebener Sprache betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Verstehen und Erfassen der Bedeutung von schriftlichen Mitteilungen betreffen b16702 Das Verständnis der Gebärdensprache betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die das Verstehen und Erfassen der Bedeutung von Mitteilungen in Sprachen, die mittels Hand und anderen Bewegungen erzeugte Zeichen benutzen, betreffen b1671 Das sprachliche Ausdrucksvermögen betreffende Funktionen

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Spezifische mentale Funktionen, die notwendig sind, um sinnvolle Mitteilungen in gesprochener, geschriebener, sym-bolischer oder anderer Form zu produzieren b16710 Das lautsprachliche Ausdrucksvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die notwendig sind, in der gesprochenen Sprache sinnvolle Mitteilungen auszudrücken b16711 Das schriftsprachliche Ausdrucksvermögen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die notwendig sind, schriftsprachlich sinnvolle Mitteilungen zu verfassen b16712 Das Ausdrucksvermögen in Gebärdensprache betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die notwendig sind, sinnvolle Mitteilungen in Sprachen auszudrücken, die mittels Hand- und an-deren Bewegungen erzeugte Zeichen verwenden b1672 Integrative Sprachfunktionen Mentale Funktionen, die semantische und symbolische Bedeutung, grammatische Struktur und Inhalte ordnen, um Mit-teilungen in gesprochener, geschriebener oder anderer Form produzieren zu können

b172 Das Rechnen betreffende Funktionen Spezifische mentale Funktionen, die Bestimmung, Abschätzung von und Umgang mit mathematischen Symbolen und Verfahren betreffen Inkl.: Funktionen, die Addition, Subtraktion und andere einfache mathematische Rechenarten betreffen; Funktionen, die komplexe mathematische Operationen betreffen Exkl.: Funktionen der Aufmerksamkeit (b140); Funktionen des Gedächtnisses (b144); Funktionen des Denkens (b160); Höhere kognitive Funktionen (b164); Kognitiv-sprachliche Funktionen (b167)

b1720 Das einfache Rechnen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Rechnen mit Zahlen betreffen, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division b1721 Das komplexe Rechnen betreffende Funktionen Mentale Funktionen, die Umsetzen von Textaufgaben in arithmetische Verfahren, Umsetzen von mathematischer For-meln in arithmetische Verfahren sowie andere komplexe Operationen im Zusammenhang mit Zahlen betreffen

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AnhangIII:PflegeversicherungaktuellDefinitionderPflegegradeab2017:

(Quelle:AnalysenfürdieEntwicklungvonEmpfehlungenzurleistungsgerechtenAusgestaltungdesneuenPflegebedürftigkeitsbegriffs)LeistungenderPflegeversicherungab2017(inEuro):

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8.2 Der Fragebogen zur Lebensorientierung70

70 ANTONOVSKY, 192-198.

AnhangIVFragebogenzurLebensorientierungnachdemSalutogenese-ModellMitdemSOC-FragebogenlassensichdiedreiKomponentendesKohärenzsinnes(SOC)quantifizieren:V=VerstehbarkeitH=HandhabbarkeitB=Bedeutsamkeit(entnommenausdemBuchvonANTONOVSKY)

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Auswertung:PunktwertederItemsmitnegativerPolungmüssenumcodiertwerden:alsoz.B.statt7Punkte=1,statt6=2,usw.(sieheS.79)