Aihk Magazin Mai 2012

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MAGAZIN 1/2012 Peter Lüscher, Geschäftsleiter AIHK Kluge Köpfe, solides Handwerk Wer in der Schweiz eine Berufslehre macht, ist gut gerüstet für die Anforderungen der Arbeitswelt von heute und von morgen. Ergänzend zur Theorie lernen Jugendliche im Lehrbetrieb die Praxis ihres Berufes kennen. Ob sie sich nach der Lehre weiter- qualifizieren, den Weg an die Fachhochschule wählen oder eine Stelle annehmen: Ihre Kompetenz wird geschätzt. Dass die Berufsbildung in der Schweiz kluge Köpfe und solides Handwerk hervorbringt, liegt zu einem guten Teil am Engagement der Unter- nehmen, die Lehrstellen anbieten. Erfolgsmodell Berufsbildung in Schule und Lehrbetrieb Die Zeiten, als Patron Ulrich Ziegler dem frisch ausge- lernten Daniel Fierz den Auftrag «Lueg e chli was dr Stift macht!» mit in die Werkhalle von Rollstar gab, sind endgültig vorbei. Und dies nicht nur deshalb, weil der Stift auch in einem gewerblich-industriellen Beruf heute eine junge Frau oder ein junger Mann sein kann und «Lernender» oder «Lernende» heisst. Die Anforde- rungen an die Lernenden und ihre Ausbildenden in den Betrieben sind so massiv gestiegen, wie die Arbeitswelt insgesamt komplexer geworden ist. Die Verantwortlichen in den Betrieben sind nicht nur in ihrem Beruf hoch qualifiziert, sondern auch als Ausbildner. Ihre Aufgabe ist es, junge Menschen beim Einstieg in die Berufswelt zu begleiten. Sie in ihre beruf- lichen Aufgaben einzuführen und mit ihnen einen guten Rucksack mit Theorie und Praxis zu packen. Eigenen Nachwuchs pflegen «Der Arbeitsmarkt sagt, wo die Latte liegt und wir müssen die Leute dort hin bringen,» skizziert Martin Baltisberger, Berufsbildner bei Müller Martini in Zofingen das Ziel seiner Tätigkeit. Im «Lernpark» bei der Herstellerin von Druckverarbeitungssystemen sind zur- zeit rund 50 Lernende mit folgenden Berufsprofilen in Ausbildung: Automatiker, Elektroniker, Konstrukteure, Polymechaniker. Darüber hinaus bietet die Firma auch Ausbildungen für Logistiker und Informatiker sowie Kaufleute an. Und alle zwei Jahre beginnt eine «Fach- person Betreuung» ihre Ausbildung in der firmeneige- nen Kindertagesstätte. Damit sind rund 10 Prozent der Belegschaft von Müller Martini in Ausbildung. Dieses grosse Engagement in der Berufsbildung, trotz der Tätigkeit in einer äusserst kompetitiven Branche, erklärt Baltisberger so: «Wir machen, was andere nicht so gut können und das machen wir sehr gut.» Zum Beispiel ausgesuchte, aber «matchentscheidende» mechanische Das Schweizer Modell der Berufsbil- dung ist einzigartig, nirgends wird neben der schulischen Theorie soviel praktische Erfahrung beim Umsetzen des Gelernten an der Arbeit im Betrieb geboten. Die Schweizer «Berufslehre», so zeigen Studien der OECD und des zuständigen Bundesamtes, ist ein Erfolgsmodell. Nirgends in Europa starten junge Leute mit einem derart gut gefüllten Ausbildungs-Rucksack in die Berufswelt. Sie kennen die theo- retischen Grundlagen in ihren Berufen und sie können diese auch im Alltag der Arbeitswelt umsetzen. Solide Berufsgrundlage Gerade im Kanton Aargau, in dem die Maschinenindustrie einen bedeu- tenden Anteil hat, ist die sorgfältige Ausbildung von jungen Menschen in gewerblich-industriellen Berufen entscheidend. Nur mit qualifiziertem Personal, das die hochwertigen Maschinen, Systeme und Prozesse entwickeln, umsetzen und diese sorgfältig betreuen kann, bestehen die Aargauer Unternehmen auf dem (Welt-)markt. Die Berufsbildung, die Hand in Hand von Bund, Kanton und vor allem den ausbildenden Unternehmen getragen wird, ist ein Garant für Innovation und hohe Qualität «made im Aargau». Die solide Ausbildung in den Betrieben – sehr viele von ihnen Mitglieder der Aargauischen Industrie- und Handels- kammer – öffnet den jungen Erwach- senen Türen: Auf dem Arbeitsmarkt oder zu weiterführenden Ausbildungen an den Fachhochschulen. Mit einer abgeschlossenen Berufslehre sind die jungen Frauen und Männer auf jeden Fall gut gerüstet für eine erfolgreiche Zukunft im Berufsleben. Peter Lüscher Geschäftsleiter AIHK «Wir sehen, dass sie gut vorbereitet sind von der Schule.» «Wir sehen sie, wie sie hier als ‹Buebe› kommen und als junge Männer wieder gehen,» sagt Lukas Ziegler, der bei Rollstar Konstrukteure ausbildet. (Im Bild David Käppeli, 1. Lehrjahr als Polymechaniker bei Orgapack am Einrichten der Drehbank.) Bilder: Sebastian Utz, SU Productions

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MAGAZ IN1/2012

Peter Lüscher, Geschäftsleiter AIHK

Kluge Köpfe, solides HandwerkWer in der Schweiz eine Berufslehre macht, ist gut gerüstet für die Anforderungen der Arbeitswelt von heute und von morgen. Ergänzend zur Theorie lernen Jugendliche im Lehrbetrieb die Praxis ihres Berufes kennen. Ob sie sich nach der Lehre weiter -quali fizieren, den Weg an die Fachhochschule wählen oder eine Stelle annehmen: Ihre Kompetenz wird geschätzt. Dass die Berufsbildung in der Schweiz kluge Köpfe und solides Handwerk hervorbringt, liegt zu einem guten Teil am Engagement der Unter-nehmen, die Lehrstellen anbieten.

Erfolgsmodell Berufsbildung in Schule und Lehrbetrieb

Die Zeiten, als Patron Ulrich Ziegler dem frisch ausge-lernten Daniel Fierz den Auftrag «Lueg e chli was dr Stift macht!» mit in die Werkhalle von Rollstar gab, sind endgültig vorbei. Und dies nicht nur deshalb, weil der Stift auch in einem gewerblich-industriellen Beruf

heute eine junge Frau oder ein junger Mann sein kann und «Lernender» oder «Lernende» heisst. Die Anforde-rungen an die Lernenden und ihre Ausbildenden in den Betrieben sind so massiv gestiegen, wie die Arbeitswelt insgesamt komplexer geworden ist.

Die Verantwortlichen in den Betrieben sind nicht nur in ihrem Beruf hoch qualifiziert, sondern auch als Aus bildner. Ihre Aufgabe ist es, junge Menschen beim Einstieg in die Berufswelt zu begleiten. Sie in ihre beruf-lichen Aufgaben einzuführen und mit ihnen einen guten Rucksack mit Theorie und Praxis zu packen.

Eigenen Nachwuchs pflegen«Der Arbeitsmarkt sagt, wo die Latte liegt und wir müssen die Leute dort hin bringen,» skizziert Martin Baltisberger, Berufsbildner bei Müller Martini in Zofingen das Ziel seiner Tätigkeit. Im «Lernpark» bei der

Herstellerin von Druckverarbeitungssystemen sind zur-zeit rund 50 Lernende mit folgenden Berufsprofilen in Ausbildung: Automatiker, Elektroniker, Konstrukteure, Polymechaniker. Darüber hinaus bietet die Firma auch Ausbildungen für Logistiker und Informatiker sowie Kaufleute an. Und alle zwei Jahre beginnt eine «Fach-person Betreuung» ihre Ausbildung in der firmeneige-nen Kindertagesstätte. Damit sind rund 10 Prozent der Belegschaft von Müller Martini in Ausbildung.

Dieses grosse Engagement in der Berufsbildung, trotz der Tätigkeit in einer äusserst kompetitiven Branche, erklärt Baltisberger so: «Wir machen, was andere nicht so gut können und das machen wir sehr gut.» Zum Beispiel ausgesuchte, aber «matchentscheidende» mechanische

Das Schweizer Modell der Berufsbil-dung ist einzigartig, nirgends wird neben der schulischen Theorie soviel praktische Erfahrung beim Umsetzen des Gelernten an der Arbeit im Betrieb geboten. Die Schweizer «Berufslehre», so zeigen Studien der OECD und des zuständigen Bundesamtes, ist ein Erfolgsmodell. Nirgends in Europa starten junge Leute mit einem derart gut gefüllten Ausbildungs-Rucksack in die Berufswelt. Sie kennen die theo-retischen Grundlagen in ihren Berufen und sie können diese auch im Alltag der Arbeitswelt umsetzen.

Solide Berufsgrundlage

Gerade im Kanton Aargau, in dem die Maschinenindustrie einen bedeu-tenden Anteil hat, ist die sorgfältige Ausbildung von jungen Menschen in gewerblich-industriellen Berufen entscheidend. Nur mit qualifiziertem Personal, das die hochwertigen Maschinen, Systeme und Prozesse entwickeln, umsetzen und diese sorgfältig betreuen kann, bestehen die Aargauer Unternehmen auf dem (Welt-)markt.

Die Berufsbildung, die Hand in Hand von Bund, Kanton und vor allem den ausbildenden Unternehmen getragen wird, ist ein Garant für Innovation und hohe Qualität «made im Aargau». Die solide Ausbildung in den Betrieben – sehr viele von ihnen Mitglieder der Aargauischen Industrie- und Handels-kammer – öffnet den jungen Erwach-senen Türen: Auf dem Arbeitsmarkt oder zu weiterführenden Ausbildungen an den Fachhochschulen. Mit einer abgeschlossenen Berufslehre sind die jungen Frauen und Männer auf jeden Fall gut gerüstet für eine erfolgreiche Zukunft im Berufsleben.

Peter Lüscher Geschäftsleiter AIHK

«Wir sehen, dass sie gut vorbereitet sind von der Schule.»

«Wir sehen sie, wie sie hier als ‹Buebe› kommen und als junge Männer wieder gehen,» sagt Lukas Ziegler, der bei Rollstar Konstrukteure ausbildet. (Im Bild David Käppeli, 1. Lehrjahr als Polymechaniker bei Orgapack am Einrichten der Drehbank.)

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Teile. Das wissen Kunden weltweit – darunter die «New York Times» – zu schätzen. Die High-Tech-Spezialitäten in den Zofinger Druckverarbeitungssystemen optimal aufeinander abzustimmen und die komplexen Maschi-nen und Systeme zu warten, verlangt ein Höchstmass an Qualitätsarbeit. Und gerade weil sie im rauen Klima der Druckbranche auf dem Weltmarkt tätig ist, braucht die Firma in Produktion und Service hoch qualifizierte Fachleute. «Unsere Anlagen zu verstehen und optimal einzustellen, ist sehr komplex. Das stellt hohe intel-lektuelle und interdisziplinäre Anforderungen», weiss Martin Baltisberger, der für die Grundausbildung der Elektroniker zuständig ist. Die Lernenden sind gerade umgezogen, näher zur Produktion. Die Elektroniker sind bereits eingerichtet und in ihre Projekte vertieft. Noah

Hütter erzählt: «Mir gefällt es, am Computer Probleme zu lösen und selbständig Sachen entwickeln zu können. Es macht mich stolz, wenn ich dann etwas in die Hand neh-men kann, das ich selber entwickelt und gemacht habe.»

In enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bezirks-schule wird das Interesse für begabten Nachwuchs an den nicht nur intellektuell, sondern auch hand-werklich anspruchsvollen Tätigkeiten geweckt. «Wir pflegen hier unseren eigenen Nachwuchs.» Müller Martini will nicht nur innovative Druckver-arbeitungssysteme auf den Markt bringen, sondern auch genügend der hoch spezialisierten Serviceleute für deren Wartung zur Verfügung stellen können.

Die Pflege des eigenen Nach-wuchses und die Wertschätzung für die jungen Leute nehmen die Zofinger ernst: Am Eingang emp-fängt eine Pinwand mit den Fotos und Namen aller Lernenden die Besucher. Und zum Auftakt der Ausbildung bei Müller Martini gehört in der ersten Woche des 1. Lehrjahres ein Lehrlingslager. Das dient der Teambildung unter den Lernenden und dem Kennenlernen der Firma und

ihrer Betriebskultur. Bereits im Lehrlingslager werden berufsübergreifende Fertigkeiten vermittelt. Wer sich in der Berufslehre behaupten will, muss das Gelernte auch gut präsentieren können. Ausbilder Martin Baltis-berger ist als Prüfungsexperte eng in die Arbeit auch

der Berufsschule eingebunden. Kommunikation wird gross geschrieben: «Me mues mitenand rede chöne» bei der Zusammenarbeit. Das gilt nicht nur an der Schnittstelle von Betrieb und Berufsschule, sondern genauso bei der Zusammenarbeit der Lernenden in den verschiedenen Berufen. Was am Computer ent-wickelt wird, soll umsetzbar sein und sich in der Praxis bewähren.

Prototypen aus der LehrwerkstattAuch in Merenschwand, bei der Firma Orgapack, die Maschinen und Geräte für die Transportgutsicherung kleiner und grösserer Packgüter produziert, ist die Lehrwerkstatt nahe bei der Produktion. In den ersten beiden Lehrjahren der Grundausbildung arbeiten die Lernenden in ihrer «eigenen» Werkstatt. Betreut werden sie von Berufsbildner André Käppeli. Zuerst machen sich die jungen Leute mit dem Umgang mit den Maschinen und Werkzeugen vertraut: «Drehen, Fräsen, Schleifen». Im zweiten Schritt sollen die CNC-gesteuerten Maschinen mit den passenden Werkzeugen eingerichtet werden. «Sie sollen die Maschine sicher einfahren können.» Da

heisst es üben, um Sicherheit und Routine zu gewinnen. Im dritten und vierten Lehrjahr sind die Lernenden dann in die Pro duktion eingebunden. Begehrt sind ihre Fertigkeiten auch bei der Umsetzung von Prototypen.

Die Aargauische Industrie- und Handelskammer, AIHK dankt Ihren Mitglied firmen Rollstar AG, Egliswil; Orgapack GmbH, Merenschwand und Müller Martini Druckverarbeitungs- Systeme AG in Zofingen für ihr Engagement in der Berufsausbildung und für den Einblick, den sie dem AIHK-Magazin in ihre Arbeit mit den jungen Auszubildenden gewährt haben.

«Der Arbeitsmarkt sagt, wo die Latte liegt.»

Die CAD-Zeichnung auf dem Bildschirm des Konstrukteur-Lernenden Thomas Leutwiler (3. Lehrjahr bei Rollstar) ...

Für das exakte Verzahnungsfräsen dieser «Rollstar»-Spezialitäten an der «Richardon»-Maschine ist Cédéric Lüthy, im 3. Lehrjahr verantwortlich.

... muss für die Herstellung in der Werkstatt taugen. (Bild: Marco Braun, 1. Lehrjahr Polymechaniker bei Rollstar)

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Wie komplex die Ausbildung – und schliesslich auch der Beruf der Polymechaniker – ist, illustriert André Käppeli anhand einer «Individuellen Produktiv-Arbeit, IPA». Da geht es nicht allein darum ein fertiges Werk-stück zu produzieren. Bei der IPA wird jeder Schritt des Produktionsablaufes dokumentiert. «Da heisst es zuerst einmal planen: Wie gehe ich vor? Wie muss das Material beschaffen sein? Welche Werkzeuge muss

ich richten? Wie muss ich die Maschine einrichten? In welcher Reihenfolge müssen die Arbeitsgänge gemacht werden, damit das Werkstück schliesslich der Zeichnung entspricht.» Es verlangt einiges an Abstraktions- und Vorstellungsvermögen, um aus einer am Computer erstellten «Explosionszeichnung» ein Werkstück zum Anfassen und Gebrauchen herzustellen. Die Begeiste-rung von André Käppeli von der Viel seitigkeit seiner Aufgabe wirkt ansteckend. Die jungen Männer in der Lehrwerkstatt von Orgapack arbeiten konzentriert und lassen sich von den Besuchern nicht stören. Auch beim Freitagsputz sind die Lernenden motiviert dabei.

Von der ersten Zeichnung bis zur letzten SchraubeLukas Ziegler, der bei der Getriebeherstellerin Rollstar in Egliswil Konstrukteure ausbildet, schätzt die Zusam-menarbeit mit den Jugendlichen: «Es ärgert mich manch-mal, wenn man über ‹die heutige Jugend› schimpft. Sie sind doch tip-top dabei!» Das Interesse für eine Ausbil-dung bei Rollstar, die unter anderem Planetengetriebe für die Tunnelbohrmaschinen der NEAT hergestellt und geliefert hat, ist gross. Deshalb möchten die Verant-wortlichen auch, dass sich die Jugendlichen bereits für die Schnupperlehre bewerben und ihr Interesse zeigen. «Wir sehen, dass die Interessierten wirklich gut vorbe-reitet sind von der Schule: Die schicken dann richtige

Bewerbungen ! wie Erwachsene!» Mit den Erfahrungen aus der Schnupperlehre könnten sie dann gut abschät-zen, ob die Jugendlichen in den Beruf, das Umfeld und die Betriebskultur passen. Mit einer guten Auswahl könne man viel dazu beitragen, «dass es dann auch klappt mit der Ausbildung», ist Lukas Ziegler überzeugt.

Und Daniel Fierz, Berufsbildner der Polymechaniker schätzt die Motivation der Jugendlichen: «Die Lehre ist die erste eigene Entscheidung der jungen Leute. In die Schule musste man halt; aber den Lehrberuf und den Betrieb, das haben sie selber gewählt. Motivation und Interesse sind also gegeben.» Als frisch Ausgelernter hatte er den Auftrag bekommen, «dem Stift z’luege». Unterdessen hat er sich als Berufsbildner weiter qualifiziert, weil er diese Aufgabe «gezielter, besser und organi sierter» wahrnehmen wollte.

In der Werkstatt in der neu ange-bauten Shedhalle sind die Lehrlinge mit den Ausgelernten an der Arbeit. «Sie bekommen von Anfang an angemessene Aufgaben in der Produktion.» Aufgaben also, die sie bewältigen können, an denen sie üben und wachsen. Sie sollen nicht an Maschinen arbeiten, die «nur für den Stift einmal in Monat angeworfen werden». Cédéric Lüthy, im 4. Ausbildungsjahr, ist an die-sem Vormittag an einer teuren und hochkomplexen «Richardon»-Maschine beschäftigt. Er ist am Verzahnungsfräsen. Souverän hat er die Maschine eingerichtet und behält die Steuerungselemente und die gefrästen Zahnräder im Auge: «Das ist schon eine Ver-antwortung, so eine wertvolle Maschine zu bedienen.»

Was für die Fabrikation der Rollstar-Getriebe gilt, gilt auch für die Ausbildung: «Wir machen alles im Haus: vom ersten Strich der Zeichnung bis zur letzten Schraube des montierten Getriebes. Das ist alles real hier

im Haus, um es laufend anschau-en zu können.» Damit sie sich mit den handwerklichen Anforderungen ver traut machen können, die sie mit ihren Zeichnungen stellen, gehört das Praktikum in der Werkhalle zur Ausbildung der Konstrukteure. Was sie am PC berechnen und vir-tuell in 3D darstellen, muss für die Kollegen in der Realität umsetzbar sein. Fierz und Ziegler legen grossen Wert auf «würklich schaffe».

Handwerkliche SorgfaltDarin sind sich die Ausbildner in allen besuchten Unternehmen einig: Auch wenn heute immer mehr theo-retisches Wissen notwendig ist, das Können bleibt im Mittelpunkt. «Wir wollen sorgfältiges Handwerk ver-

mitteln». Je «kopflastiger» Ausbildungen und Arbeits-welt gestaltet würden, desto grösser die Gefahr, dass das handwerkliche Können auf der Strecke bleibe. Zur handwerklichen Sorgfalt gehört auch der pflegliche Umgang mit Maschinen, Werkzeugen, Ressourcen und den fertigen Produkten.

Sascha Kümmerli, im 3. Lehrjahr bei Müller Martini bereitet sich akribisch auf die Schweizer Meisterschaften der Automatiker-Lernenden vor.

«Die Lehre ist die erste eigene Entscheidung der jungen Leute.»

Selbständig planen, organisieren und umsetzen.

Flink und exakt die komplexe Theorie von der Zeichnung in der handfesten Realität aufbauen: Eine der Aufgaben für die Automatiker-Lernenden bei Müller Martini.

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«Da staunen die Eltern manchmal, wenn sie ihren Sohn bei uns am Putzen sehen», scherzt Daniel Fierz. Aber zum sorgfältigen Umgang gehört neben der Wartung der Maschinen auch das gründliche Reinigen am Freitag vor dem Feierabend. Und, so steht es auf dem Plakat bei der Werkbank: «Jedes Ding an seinem Ort / Erspart viel Ärger und böse Wort!»

WettbewerbsfähigMit ihrem Engagement in der Berufsbildung sorgen die Lehrbetriebe zum einen für ihren eigenen quali fizierten Nachwuchs. Auf den globalen Märkten ist das hand-werkliche Können bei der Produktion und im Service ein Gütesiegel. Wo «swiss made» draufsteht, steckt Können

und Sorgfalt drin. Zum anderen leisten die Lehrbetriebe einen wichtigen Beitrag für den beruflichen Erfolg ihrer Lernenden. Lukas Ziegler formuliert es so: «Die Leute sind gut vorbereitet, um sich auch in einem anderen Umfeld durchzusetzen». Bei Rollstar sind die Verantwort-lichen stolz darauf, dass sich ihre ehemaligen Lehrlinge auf dem Arbeitsmarkt bewähren. Ob intern (heute sind 100 Prozent des Rollstar-Kaders ehemalige Lehrlinge) oder in anderen Betrieben: «Die Jungen sollen nach der Ausbildung hinaus gehen und die Welt kennenlernen», skizziert CEO Ulrich Ziegler die Philosophie.

Dass diese Art der Ausbildung, eingebunden in die Arbeitswelt im Lehrbetrieb taugt, zeigen Studien der OECD regelmässig. In der Schweiz ausgebildete Berufs-leute schneiden im Welt- und Europavergleich ausser-ordentlich gut ab. Und auch die Spitzenresultate der Schweizer Teilnehmenden an internationalen Berufs-wettbewerben sprechen für die Qualität der Schweizer Berufsbildung. Regelmässig erreichen Schweizer Teams Spitzenplätze, wenn es darum geht, Könnerschaft im Beruf zu beweisen.

Sascha Kümmerli, im dritten Lehrjahr als Automatiker bei Müller Martini in Zofingen, bereitet sich mit seinem Kollegen Jannick Suter jetzt zuerst einmal auf die Schweizer Meisterschaft vor. Hochkonzentriert baut er seine Anlage auf. Schneller als sein Schatten zieht er sein Werkzeug aus dem Halfter an der Hüfte. Die Plastik-binder griffbereit unter ein Armband geschoben – bloss keine Zeit verlieren! Und dabei noch exakt arbeiten. Auch das will gelernt sein. (kk)

Engagierte LehrbetriebeIm Kanton Aargau haben 2011 nach Auskunft des Departements Bildung, Kultur und Sport 7020 Betriebe Jugendliche ausgebildet. Dies zeigt die hohe Bereitschaft – auch der KMU – sich für die fundierte Ausbildung des Nachwuchses einzusetzen. Im kantonalen Lehrstellennachweis (LENA) für das Jahr 2012 waren bis zum Redaktionsschluss Ende April rund 3450 Lehrstellen von Aargauer Lehr betrieben ausgeschrieben worden. Rund ein Drittel dieser Lehrstellen – auch solche in begehrten Berufsgruppen wie Informatik, Wirt-schaft und Verwaltung sowie Gesundheit – war zu diesem Zeitpunkt noch nicht besetzt.

Mehr als 1500 Unternehmen sind Mitglied der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK). Viele von ihnen engagieren sich in der Ausbildung und Förderung des Nach-wuchses. Sie bieten jungen Leuten Lehrstellen in verschie-denen Berufen an, in denen sie sich auf ihre berufliche Zukunft in einer viel fältigen Welt fundiert vorbereiten können. Die AIHK vernetzt KMU und Grossunternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung und vertritt deren

Anliegen gegenüber Politik und Gesellschaft. Die AIHK bietet ihren Mitgliedern eine umfangreiche Palette von Dienstleistungen: Die Expertinnen und Experten der AIHK-Geschäftsstelle beraten die Mitgliedfirmen konkret in Rechts-, Wirtschafts- und Exportfragen. Neben Beratung der Mitglieder gehören Information und Schulung zu allen Unternehmensfragen sowie die wirtschaftspolitische Arbeit und die AIHK-Ausgleichskasse zum Angebot.

Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK)Entfelderstrasse 11, 5001 AarauTelefon +41 (0)62 837 18 [email protected]

www.aihk.chwww.ahv-aihk.ch

Vom «Oberstift» zum qualifizierten Berufsausbildner: Daniel Fierz in der AVOR der Rollstar.

Lehre ist auch Schule fürs Leben.

«Die Jungen sind tip-top motiviert.» Gino Meier am Freitags-Putz bei Orgapack.

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