Aktuelle Entwicklungen in den Fachdidaktiken und ... · Prototypisches Beispiel: „Ach, die Atome...

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Aktuelle Entwicklungen in den Fachdidaktiken und Herausforderungen an fachdidaktische Forschung – Beispiele aus der Mathematik Prof. Dr. Regina Bruder Technische Universität Darmstadt Fachbereich Mathematik Salzburg 24.1.2018

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Aktuelle Entwicklungen in den Fachdidaktiken und Herausforderungen an fachdidaktische Forschung – Beispiele aus der Mathematik

Prof. Dr. Regina Bruder

Technische Universität DarmstadtFachbereich Mathematik

Salzburg 24.1.2018

Einstimmung

Was soll gelernt bzw. gelehrt werden –und warum gerade das?

Wie kann (Mathematik!) gelernt werden - und warum gerade so?

…in den Schulen, in den Universitäten ?

ein Fach, das Lehren eines Faches

…in den Schulen, in den Universitäten ?

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Überblick

Konsensuales Selbstverständnis der Fachdidaktiken (Bsp. Mathematik) Gegenstände fachdidaktischer Forschung Arten von fachdidaktischen Erkenntnissen Theorieverständnis

Zum Entwicklungsstand mathematikdidaktischer Forschung -Forschungsparadigma und Folgerungen

Exkurs: Das Pendel schlägt aus! Historische Entwicklungen

Aktuelle Herausforderungen für die Fachdidaktik(en): Gegenstandsorientierung oder Kompetenzforschung? Und andere…

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Gegenstände fachdidaktischer Forschung

Die Mathematikdidaktik beschäftigt sich auch international i.w. übereinstimmend theoretisch und empirisch mit: Zielen des Lehrens und Lernens von Mathematik und deren Begründung sowie der

Inhaltsauswahl insbesondere für den MU (z.B. Schulmathematik, Kompetenzmodellierung, Curriculumforschung, rechnerfreies Können), aber auch in der Lehrer_innenbildung

Drei WINTERsche Grunderfahrungen machen MU allgemeinbildend -Erkenntnisknoten

Leitideen der Curriculumspirale entsprechen den Fundamentalen Ideen der Mathematik

Auch denkbar: Inhaltsbezogene Handlungsdimensionen

Figuren

erkennen untersu-chen

erzeugen

variieren

Abstände

berechnen

Datensätze

beschrei

ben

darstellen

strukturie-ren

Geometrische Aspekte: RaumAlgebraische

Aspekte: Zahl24.1. 2018 | Fachbereich Mathematik | AG Didaktik | Regina Bruder | 3

Gegenstände fachdidaktischer Forschung

Die Mathematikdidaktik beschäftigt sich auch international i.w. übereinstimmend theoretisch und empirisch mit: Zielen des Lehrens und Lernens von Mathematik und deren Begründung sowie der

Inhaltsauswahl insbesondere für den MU (z.B. Kompetenzmodellierung, Curriculumforschung, rechnerfreies Können), aber auch in der Lehrer_innenausbildung

Invarianten und Bedingungen sowie Einflussfaktoren des Lehrens und Lernens von Mathematik allgemein. Dazu gehört z.B. eine Modellierung von Unterrichtssituationen (Strukturierung und Vernetzung von Methoden und Organisationsformen des Unterrichts in fachspezifischer Konkretisierung), Lerntheorien, Alltagsvorstellungen und Fehlermuster, Dimensionen von Heterogenität, Perspektiven auf die Abiturprüfung -

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Nachhaltiges Lernen erfordert ein Explizieren von Wissen über die relevanten Gegenstände – über das mathematische Modellieren, Argumentieren, Problemlösen… und über das Lehren im MU…

Gegenstände fachdidaktischer Forschung

Die Mathematikdidaktik beschäftigt sich auch international i.w. übereinstimmend theoretisch und empirisch mit: Zielen des Lehrens und Lernens von Mathematik und deren Begründung sowie der

Inhaltsauswahl insbesondere für den MU (z.B. Kompetenzmodellierung, Curriculumforschung, rechnerfreies Können), aber auch in der Lehrer_innenausbildung Invarianten und Bedingungen sowie Einflussfaktoren des Lehrens und Lernens von

Mathematik allgemein. Dazu gehört z.B. eine Modellierung von Unterrichtssituationen (Strukturierung und Vernetzung von Methoden und Organisationsformen des Unterrichts in fachspezifischer Konkretisierung), Lerntheorien, Alltagsvorstellungen und Fehlermuster, Dimensionen von Heterogenität, Perspektiven auf die Abiturprüfung

spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten zur Realisierung der jeweiligen Ziele und Inhalte des Mathematikunterrichts in den einzelnen Altersstufen und der Lehrkräfteausbildung. Medieneinsatz, Wege zum Problemlösenlernen, Modellieren, Argumentieren… mit fachspezifischen Mitteln und Konzepte zum langfristigen Kompetenzaufbau, Arbeiten mit Aufgaben, Reflexionswissen, Implementationsstrategien…

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Gegenstände fachdidaktischer Forschung

Die Mathematikdidaktik beschäftigt sich auch international i.w. übereinstimmend theoretisch und empirisch mit: Zielen des Lehrens und Lernens von Mathematik und deren Begründung sowie der

Inhaltsauswahl insbesondere für den MU (z.B. Kompetenzmodellierung, Curriculumforschung, rechnerfreies Können), aber auch in der Lehrer_innenausbildung Invarianten und Bedingungen sowie Einflussfaktoren des Lehrens und Lernens von

Mathematik allgemein. Dazu gehört z.B. eine Modellierung von Unterrichtssituationen (Strukturierung und Vernetzung von Methoden und Organisationsformen des Unterrichts in fachspezifischer Konkretisierung), Lerntheorien, Alltagsvorstellungen und Fehlermuster, Dimensionen von Heterogenität, Perspektiven auf die Abiturprüfung spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten zur Realisierung der jeweiligen Ziele und

Inhalte des Mathematikunterrichts in den einzelnen Altersstufen und der Lehrkräfteausbildung. Medieneinsatz, Wege zum Problemlösenlernen, Modellieren, Argumentieren… mit fachspezifischen Mitteln und Konzepte zum langfristigen Kompetenzaufbau, Arbeiten mit Aufgaben, Reflexionswissen, Implementationsstrategien… der Reflexion und Evaluation der Untersuchungsergebnisse und –methoden zu den

genannten Aspekten – und Auseinandersetzung mit Deutungen (vgl. Brandbrief Mathematik); Entwicklung von Diskursqualität.

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Arten fachdidaktischer Erkenntnisse:

gegenstandsspezifische Interpretation von theoretischem Wissen aus dem wissenschaftlichen Umfeld (Annahmen)

gesetzmäßige Zusammenhänge im Gegenstandsbereich Vermutungen für gesetzmäßige Zusammenhänge (Hypothesen)

Methodenwissen zum Vorgehen bei fachdidaktischen Untersuchungen

Erfahrungswissen (Annahmen)---------------------------------------------------------------------------------------------Defektwissen – Erkenntnisse über ungelöste Probleme in Theorie

und Praxis des Fachunterrichts bzw. in der Forschungsmethodologie

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Prototypisches Beispiel: „Ach, die Atome in Chemie sind die gleichen wie in der Physik?“ (15 Jahre)

Hypothese: Deutliche Leistungssteigerungen im MU sind möglich durch eine geeignete Verknüpfung von Problemlösen(Strategien lernen) mit Selbstregulation

Annahme: Lehrer_innenpräferenzen für bestimmte Lösungswege beeinflussen die Lernchancen der Schüler/innen(relevant für Begabtenerkennung in der Grundschule, Schulbuchgestaltung…)

Annahme: spezifischer Lernzuwachs in der Lehrer_innenbildung ist differenziert erfassbar - u.a. über die Repertory Grid-Technik(Aufgaben, Unterrichtsentwürfe… miteinander vergleichen unter verschiedenen Aspekten: Kenntnisse!)

Hypothese: Defizite im rechnerfreien mathematischen Basiskönnen sind nicht eine zwingende Folge eines Rechnereinsatzes im MU sondern auf fehlende Lerngelegenheiten zum Wachhalten zurückzuführen

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Wege zur Theoriebildung in der Fachdidaktik –Interdisziplinärer Zugang

Theoretischer Erkenntnisgewinn entsteht insbesondere

durch Erkenntnissynthese über die Disziplingrenzen hinweg (z.B. Evaluationsverfahren, Gestaltung von Lernmedien)

durch gegenstandsspezifische Interpretationen vorliegender Erkenntnisse der Bezugsdisziplinen (z.B. conceptual change; cognitive load theory; activity theory)

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Fachdidaktische Forschung kann sich nicht auf abstrakte Theoriebildung als höchstes wissenschaftliches Ziel beschränken sondern muss Konzepte zur Überleitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis mit entwickeln, z.B. zum Umgang mit Reflexionswissen bzw. Rahmenorientierungen (Implementationsstrategien).

Verantwortung:

… (anderer) Blickwinkel auf den Prozess:

Euler & Hahn (2004, S.42f.) verstehen wissenschaftliche „objektive“ Theorien als Konstruktionen eines Praxisausschnittes, welche in einer sprachlich artikulierten Form vorliegen. „Sobald das Geschehen (...) sprachlich zum Ausdruck kommt, gerinnt es zur Theorie.“

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Theorieverständnis

Anliegen jeglicher Theoriebildung ist es, zu einem bestimmten Bereich des Gegenstandes der Wissenschaftsdisziplin ein solches Abbild zu schaffen, mit dessen Hilfe es gelingt, die Vielfalt der Beziehungen im Gegenstandskonkreten geistig zu durchdringen und praktisch zu beherrschen.

Theorieverständnis

Unterscheidung zwischen „objektiven“ (wissenschaftlichen) und „subjektiven“ Theorien

Theorien umfassen nicht nur inhaltliche Aussagen sondern auch formal strukturelle Informationen

Theorien werden als relationale Netze aufgefasst, welche aus zahlreichen miteinander verbundenen Einzeltheorien (Theorieelementen) bestehen (Birkhan 1987 in Keller )

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in der geisteswiss. und empirischen Pädagogik

Geisteswiss. Pädagogik: Theorie als ein Wissen, eine Reflexion oder eine planende Vorstellung von der zu gestaltenden Realität

Empirische Pädagogik: Theorie als dokumentierbare Systeme von Aussagen über die Realität

nach Beck 1995

Theorietypen in der didaktischen Literaturu.a. nach Euler & Hahn 2004

Didaktische Modelle (z.B. Didaktisches Dreieck, Curriculumspirale)

Didaktische Partialtheorien

Prinzipiengeleitete didaktische Handlungskonzepte, z.B. schülerzentrierter MU

Ordnungsfunktion, Planungs- und Steuerungsfunktion, heuristische Funktion, Kritikfunktion

Modell einer lerntheoretischen Didaktik von Heimann, Otto & Schulz,Modell einer kritisch-konstruktiven Didaktik nach Klafki…

Beschreibungen

Erklärungen… als empirische Regelmäßigkeiten (deterministisch, statistisch)in wenn- dann –Form

Rezeptologien als Alltagstheorien

Ergebnisse aus Schülerprotokollen im Projekt CAliMERO, dass in ca. 60% des MU CAS-Rechner eingesetzt werden

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Elementares Ma-Verständnis wird gefördert mit Beispielen „dafür“ und „dagegen“

Überblick

Konsensuales Selbstverständnis der Fachdidaktiken (Bsp. Mathematik) Gegenstände fachdidaktischer Forschung Arten von fachdidaktischen Erkenntnissen Theorieverständnis

Zum Entwicklungsstand mathematikdidaktischer Forschung -Forschungsparadigma und Folgerungen

Exkurs: Das Pendel schlägt aus! Historische Entwicklungen

Aktuelle Herausforderungen für die Fachdidaktik(en): Gegenstandsorientierung oder Kompetenzforschung? Und andere…

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Entwicklungsstand der Fachdidaktik Mathematik– verschiedene Theorietypen und ErkenntnisformateFachdidaktische Modelle: Modell der typischen Unterrichtssituationen im MU

Konzept zum Problemlösenlernen im MUAufgabentheorieKompetenzstufenmodelle (z.B. O-M-A)

Fachdidaktische Partialtheorien: Unterscheidbare HandlungsdimensionenWirkprinzip heuristischer Bildung

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Die konstruktive Seite – Folgerungen aus theoretischen Konstrukten

Beispiel:Wirkprinzip heuristischer Bildung (fachdid. Partialtheorie)

Folgerung: Aufgrund zu erwartender individueller Unterschiede in der geistigen Beweglichkeit sind darauf abgestimmte (binnendifferenzierende) Lernangebote erforderlich zum Erreichen der „Zone der nächsten Entwicklung“.

Durch Bewusstmachen von Heurismen, die geistig bewegliche Personen in einem bestimmten Kontext unbewusst nutzen, können fehlende Beweglichkeitsqualitäten (teilweise) kompensiert werden.

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Entwicklungsstand der Fachdidaktik Mathematik– verschiedene Theorietypen und ErkenntnisformateFachdidaktische Modelle: Modell der typischen Unterrichtssituationen im MU

Konzept zum Problemlösenlernen im MUAufgabentheorieKompetenzstufenmodelle (z.B. O-M-A)

Fachdidaktische Partialtheorien: Unterscheidbare HandlungsdimensionenWirkprinzip heuristischer BildungFehlvorstellungen zu Bruchzahlen Zieltypen für Aufgaben

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-

- - - -- - - -(-) – (-)

Start - Weg - Ziel

Entwicklungsstand der Fachdidaktik Mathematik– verschiedene Theorietypen und ErkenntnisformateFachdidaktische Modelle: Modell der typischen Unterrichtssituationen im MU

Konzepte zum Problemlösenlernen im MUAufgabentheorie

Fachdidaktische Partialtheorien: KompetenzstufenmodelleWirkprinzip heuristischer BildungFehlvorstellungen zu Bruchzahlen

Erkenntnisse im Range von Erfahrungswissen und Defektwissen – z.B. in Form von Beobachtungsergebnissen mit geringem Geltungsbereich

Defizite in der Verfügbarkeit elementarer mathematischer Grundlagen an den Bildungsübergängen

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…und die Realität:

Aufgabe E1 Rechnen:

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Als einst der Herr Pfarrer an einem Schulexamen uns eine Addition aufgeben wollte, sagte der Schulmeister:

‘Verzeiht, wohlehrwürdiger Pfarrer, solches haben wir lange nicht mehr gerechnet, sie können es kaum mehr, wir sind jetzt beim Dividieren.‘

Bericht von BITZIUS aus Jeremias GOTTHELFs Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Bern 1838

Darüber wunderte sich kein Vorgesetzter, man fand es ganz natürlich, denn der Statthalter sagte:

‘Gerade so ging es auch mir, und wenn es mir lange nicht zuhanden kommt, vergesse ich es noch jetzt.‘“

Alte, noch immer ungelöste Probleme...?

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Wo stehen wir in der Fachdidaktik Mathematik?

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(Fach-)Didaktische Theorien produzieren noch zu selten handlungspraktische Regeln oder gar Partialtheorien –

sie vermitteln (derzeit) vorwiegend Reflexionswissen bzw. bieten Rahmenorientierungen (Prinzipien - Beispiele)

Zentrale fachdidaktische Untersuchungsobjekte sind Ziele, Prozesse und Ergebnisse der

a) Persönlichkeitsentwicklung beim Lernen (von Mathematik)

b) Professionalisierung des Lehrens (von Mathematik)

Bsp.: Kompetenzstrukturmodelle allein bieten keine Implikationen für den Lehr- und Lernprozess.

Wo stehen wir in der Fachdidaktik Mathematik?

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(Fach-)Didaktische Theorien produzieren noch zu selten handlungspraktische Regeln oder gar Partialtheorien –

sie vermitteln (derzeit) vorwiegend Reflexionswissen bzw. bieten Rahmenorientierungen (Prinzipien - Beispiele)

es fehlt ein konstruktiver Umgang mit „Risiken und Nebenwirkungen“.

Zentrale fachdidaktische Untersuchungsobjekte sind Ziele, Prozesse und Ergebnisse der

a) Persönlichkeitsentwicklung beim Lernen (von Mathematik)

b) Professionalisierung des Lehrens (von Mathematik)

Bsp.: Kompetenzstrukturmodelle allein bieten keine Implikationen für den Lehr- und Lernprozess.

Bsp.: Eine zentrale Matura führt verstärkt zu teaching to the test. (Einseitige Steuerung!)Technologieeinsatz ist nicht „an sich“ lernförderlich sondern erfordert elaborierte Begleitkonzepte.

Überblick

Konsensuales Selbstverständnis der Fachdidaktiken (Bsp. Mathematik) Gegenstände fachdidaktischer Forschung Arten von fachdidaktischen Erkenntnissen Theorieverständnis

Zum Entwicklungsstand mathematikdidaktischer Forschung -Forschungsparadigma und Folgerungen

Exkurs: Das Pendel schlägt aus! Historische Entwicklungen

Aktuelle Herausforderungen für die Fachdidaktik(en): Gegenstandsorientierung oder Kompetenzforschung? Und andere…

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Exkurs: Blick in die Geschichte der Mathematik und des Mathematikunterrichts

Markante Entwicklungen der Wissenschaftsdisziplin (Ma) mit ihren Auswirkungen auf bildungspolitische Fragestellungen führten zu fachdidaktischen Fragestellungen:

1. Was lehren – warum das?

Später auch in Abhängigkeit von den in der Lernpsychologie (Bezugsdisziplin)verfügbaren Konzepten, aber zunächst noch rein fachlogisch orientiert:

2. Wie lehren – warum so?

Spezialisierung im 19.Jhd. – Praxisferne der reinen Mathematik: Die Ehre der Wissenschaft besteht darin keinen Nutzen zu haben (JACOBI)

Gründung technischer Hochschulen (Mitte 19.Jhd.): „Ingenieursmathematik“

Krise der Idee der mathematischen Bildung –Entstehung einer „Schulmathematik“

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Wechsel der Schwerpunkte in der Geschichte des MU

Mitte siebziger Jahre –Stimmungsumschwung: „Why Jonny can’t add ?“Parole: „Mengenlehre macht krank“...

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Wechsel der Schwerpunkte in der Geschichte des MU

Empirische Wende mit TIMSS, PISA: Versuch der Lerneffektmessung – verstärkt den Druck in Richtung anwendungsorientierten MU

Effekte der Pendelbewegungen?

- Geringe Akzeptanz fachdidaktischer Theorien und Konzepte in der Lehrerschaft

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Problem: Das wissenschaftliche Gedächtnis der Fachdidaktik reicht weniger als 30 Jahre zurück... (Törner, 2012)

Arbeiten aus den siebziger Jahren geraten in Vergessenheit und relevante Forschungsergebnisse werden nicht rezipiert (z.B. anderes Vokabular als heute: Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten versus Kompetenzen).

Die Innensicht:

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Problem: Das wissenschaftliche Gedächtnis der Fachdidaktik reicht weniger als 30 Jahre zurück... (Törner, 2012)

Arbeiten aus den siebziger Jahren geraten in Vergessenheit und relevante Forschungsergebnisse werden nicht rezipiert (z.B. anderes Vokabular als heute: Fähigkeiten, Fertigkeiten versus Kompetenzen).

Neue Begriffe erobern die Literatur ohne substanzielle Weiterentwicklungen –Profilierungsbedarf??

Entdeckendes, problemorientiertes, genetisches Lernen (u.a. Klein, Wagenschein, Polya, Winter) – „neu“: inquiry based learning);

Fundamentale Ideen der Mathematik – „big ideas“

...

Die Innensicht:

Fachdidaktik zwischen den Stühlen: Aspekte

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Die Innensicht: Das Paradigmenpendel schlägt aus"...es wird von der Pendelbewegung gesagt, daß sie ohne Aufhören fortdauern würde, wenn die Reibung entfernt werden könnte." Anm. §266 (Hegel)

"So ist diese [Reibung] selbst ein notwendiges Moment in der Konstruktion eines Pendels; sie kann nicht weggebracht, noch weggedacht werden. Stellt man sich vor, wie es ohne sie wäre, so ist das eine leere Vorstellung." Zusatz §266 (Hegel)

Phänomen der leeren Vorstellung ? Fachdidaktische Hypothese – gut begründbar: Man lernt „mehr“, wenn man versucht ein (math.) Problem auf unterschiedliche Weise zu lösen.

Reibung: Viele Lernende sind aber nicht motiviert für verschiedene Lösungswege, weil sie froh sind, es bestenfalls auf einem Weg geschafft zu haben...

Auflösung: Die Hypothese kann (ggf.) nur unter der Voraussetzung einer intrinsischen Motivation gelten.

Historische Entwicklungen – und wie könnte es weiter gehen?

Früher: Entwickelt wurden Lehrpläne als Inhaltskataloge (wissensbasiert)

Jetzt: Erarbeitet werden Kerncurricula als Kompetenzkataloge (handlungsbasiert)

Zukunft: - notwendig wird eine (erneute) Zusammenführung von Wissen und Handeln (Können) z.B. mit Basiswissenskatalogen und prototypischen (mathematischen) Anwendungsfeldern

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Mögliche Fragestellung für gesellschaftlichen Diskurs: In welchen Anwendungssituationen/Kontexten sollen sich Schulabsolvent_innen (mathematisch) auskennen bzw. handlungsfähig sein? (Perspektive aller drei Grunderfahrungen einnehmen! Literacy-Konzept greift zu kurz…)

Aktuelle Entwicklungen

Untersucht wird der (individuelle) Lernprozess Untersucht werden (vermeintliche) Ergebnisse von Lernprozessen

Aktuell notwendig: - Zu untersuchen wären individuelle Lernprozesse in kollaborativen

Szenarien

- Zu untersuchen wären Lernergebnisse (individuell und auf Lerngruppenebene) in Abhängigkeit von den erfolgten Lehr- und Lernprozessen (einschließlich Instruktionsdesign in Relation auch zu

Wahrnehmungspräferenzen und Emotionen der Lernenden )

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Aktuelle Forschungsparadigmen

Unterscheidung zwischen Prozess und Produkt, z.B.:

Unterrichtssituationen des Lernens und Leistens: Kompetenzen fördern und messen

Prozesshaft-deskriptiver Verstehensbegriff versus Verstehen als Zielqualität (Maier/Steinbring,1998)

...

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Wie weit trägt das Prozess-Produkt-Paradigma?

Eine Differenzierung zwischen Prozessen und Produkten/Ergebnissen beim Lernen und Lehren war und ist notwendig für den fachdidaktischen und auch schulpolitischen Diskurs zu den Zielen und „Ergebnissen“ mathematischer Allgemeinbildung und zur Frage der (begrenzten) Messbarkeit von Lernergebnissen.

Es zeichnet sich seine konstruktive Auflösung in Richtung „Diagnose-Förder-Modellen“ ab, wenn über kompetenzorientierten Unterricht als Prozess des Zustandekommens von Kompetenz (wieder) genauer nachgedacht wird.

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Aktuelle Perversion: Das Potenzial einer Aufgabe für best. Kompetenzen wird „angekreuzt“, weil solche Kompetenzfacetten gezeigt werden sollen beim Bearbeiten - aber hängt das nicht von der Art der individuellen Bearbeitung ab und wie kommt diese gewünschte Kompetenz eigentlich zustande?

Überblick

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Zum Entwicklungsstand mathematikdidaktischer Forschung -Forschungsparadigma und Folgerungen

Exkurs: Das Pendel schlägt aus! Historische Entwicklungen

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Zusammenfassung - Kernbotschaften

- Weiterentwicklung der Ziel – Inhalt– Methoden-Diskussion durch Klärung der Perspektiven auf Ziele und Inhalte (Curriculumforschung) und der Rahmenbedingungen, unter denen bestimmte Zusammenhänge gelten können (inquiry based learning)

- Selbstbewusstes, kritisches Verfolgen von Erkenntnisentwicklungen in den Bezugsdisziplinen -Fachdidaktisch begründete Kompetenzstufenmodelle, Methodenadaption…

- Reflexion der „Wellenbewegungen“ in der Bildungspolitik und der Deutungen wiss. Erkenntnisse sowie begründete Antizipation von künftigen Entwicklungen

- Aktuell: Synthese von Aspekten zu einer neuen Qualität:Inhalte mit Handlungen verbinden in den normativen StufenmodellenVerstehenskonzepte für Kompetenzaufbau nutzen – Entwicklungsmodelle generierenDiagnose-Förderkonzepte integrativ gestalten undKompetenzorientierte Bewertungskonzepte entwickeln

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…bevor neue Begriffe in den Ring geworfen werden!

Fachdidaktiker_innen verstehen sich gerne als Gestalter_innen –benötigen aber Rahmenbedingungen wie jeder Designer…

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Kontakt:

[email protected]

www.math-learning.com • Fachdidaktischer theoretischerErkenntniszuwachs erfordert grundsätzlich interdisziplinäre Zugänge (Synthese bzw. Interpretation vorliegender Erkenntnisse/Konzepte)

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Literaturnachweis

Beck, K.(1995): Theorieansätze. In: R. Arnold & A. Lipsmeier (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Opladen: Leske + Budrich, S. 457-464

Bigalke, H.-G.(1971): Zur Situation der Mathematikdidaktik in der Bundesrepublik Deutschland. In: Mathematisch-physikalische Semesterberichte Bd. XVII, Hannover. S. 225-245

Bruder, R.(Hrsg.) (1989): Standpunkte und Probleme zur Entwicklung der Methodik des Mathematikunterrichts als pädagogischer Wissenschaftsdisziplin.- Diskussions-und Arbeitsmaterial zur Tagung am 3./4. Mai 1989 in Potsdam zu Grundfragen der Theorienbildung in der Methodik des Mathematikunterrichts.- Manuskriptdruck Potsdam 1989, 65 S.

Euler, D. & Hahn, A. (2004): Wirtschaftsdidaktik. Bern: Haupt Verlag

Gregory, Gayle H. (2005): Differentiating Instruction With Style. Aligning Teacher and Learner Intelligences for Maximum Achievement. Thousand Oaks

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Keller, M.(2008): Konfliktklärung als didaktische HerausforderungSubjektive Handlungskonzepte zur Bewältigung von Konfliktsituationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften

Lietzmann, W.(1919): Methodik des mathematischen Unterrichts. Bd. I-III. Quelle/Meier: Leipzig

Mayer, H. & Steinbring, H. (1998): Begriffsbildung im alltäglichen Mathematikunterricht – Darstellung und Vergleich zweier Theorieansätze zur Analyse von Verstehensprozessen. JMD 19(1998) Heft 4, S. 292-329

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