Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Aktuelle ...Festschrift für Hans Caspar von der...
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Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag
Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts
ISBN 978-3-7255-7474-2
Rolf H. Weber | Walter A. Stoffel | Jean-Luc Chenaux | Rolf Sethe (Hrsg.)
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Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag
Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts
Rolf H. Weber | Walter A. Stoffel | Jean-Luc Chenaux | Rolf Sethe (Hrsg.)
© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2017
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V
Vorwort
Professor HANS CASPAR VON DER CRONE, Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht
an der Universität Zürich, feiert am 18. Januar 2017 seinen 60. Geburtstag. Seine
Freunde, Fachkollegen und Weggefährten freuen sich, ihm zu diesem besonderen Tag
die vorliegende Festschrift überreichen zu können.
HANS CASPAR VON DER CRONE hat in Zürich die Volksschule und das Gymnasium
(mit Abschluss Matura Typus B im Jahre 1976) besucht. Sein Studium der Rechtswis-
senschaft an der Universität Zürich schloss er sechs Jahre später mit dem Lizentiat ab.
Während seiner Zeit als Assistent bei Professor MEIER-HAYOZ verfasste er seine Dis-
sertation sowie das – heute noch als Standardwerk geltende – Lehrbuch «Wertpapier-
recht» (in Co-Autorschaft mit ARTHUR MEIER-HAYOZ); im Jahre 1988 hat er dann den
Doktor der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich und ebenso das Zürcher An-
waltspatent erworben. Kurz nach Beginn der Anwaltstätigkeit in Zürich ist HANS
CASPAR VON DER CRONE indessen an die Yale Law School, New Haven CT, gegangen,
um erfolgreich einen Master of Laws (LL.M.) zu absolvieren. Nach der Rückkehr in
die Schweiz hat er seine Anwaltskarriere fortgesetzt und gleichzeitig eine Habilitati-
onsschrift zum Thema «Rahmenverträge» verfasst, aus welcher sein Interesse am Zu-
sammenspiel von Ökonomie und Recht deutlich hervorgeht. Auf deren Abnahme an
der Universität Zürich folgte die Ernennung zum Privatdozenten für Zivil-, Handels-
und Kapitalmarktrecht im Jahre 1992.
Im Jahre 1995 berief die Universität Zürich HANS CASPAR VON DER CRONE zum Extra-
ordinarius, hernach 1997 zum Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht. Seit gut 20
Jahren liegen seine hauptsächlichen Lehr- und Forschungsinteressen im Bereich des
Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, doch hat er auch das Vertragsrecht regelmässig
weiter betreut; didaktisch gute Lehre ist ihm immer ein grosses Anliegen gewesen.
Kennzeichnend für ihn ist weiter die grosse Affinität zu den neuen Medien: Seine In-
ternet-Kolloquien – jährlich angeboten sowohl im Obligationenrecht Allgemeiner Teil
wie im Handels- und Wirtschaftsrecht – gehören zu den beliebtesten Veranstaltungen
der Rechtswissenschaftlichen Fakultät; das von ihm ins Leben gerufene virtuelle Pro-
jekt «RechtEck» (www.rechteck.uzh.ch) ermöglicht sodann auch die von ihm stets ge-
pflegte Zusammenarbeit mit der Romandie.
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VORWORT
VI
HANS CASPAR VON DER CRONE hat ebenso aktiv an der universitären Selbstverwaltung
mitgewirkt: Als Mitglied der Universitätsleitung war er von 2002-2006 Prorektor Pla-
nung, von 2007-2008 Prorektor Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Sein Interesse
an der Mitwirkung in rechtsgestaltenden Gremien zeigt sich auch darin, dass HANS
CASPAR VON DER CRONE von 1999-2005 Präsident der Schweizerischen Übernahme-
kommission sowie 2009-2010 Mitglied der Expertenkommission des Schweizerischen
Bundesrates zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunterneh-
men (Expertenkommission «too big to fail» bzw. «Systemically Important Financial
Institutions») gewesen ist. Am erfolgreichen Aufbau des Universitären Forschungs-
schwerpunkts (UFSP) «Finanzmarktregulierung» (ab 2013) hat er massgeblich mitge-
wirkt; weiterhin ist er als Mitglied des Leitungsgremiums im UFSP engagiert.
Bereits seit 1993 trägt HANS CASPAR VON DER CRONE als Mitglied des Herausgeber-
kollegiums der Schweizerischen Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht
(SZW) eine Mitverantwortung für die hohe wissenschaftliche Qualität dieser Zeit-
schrift; seit 2015 ist er nun Vorsitzender dieses Kollegiums. Grosse Bedeutung haben
in diesem Kontext die seit 2002 sechsmal im Jahr erscheinenden Besprechungen wich-
tiger (Bundesgerichts-)Entscheide erlangt. Daneben ist HANS CASPAR VON DER CRONE
weiterhin forensisch in der von ihm vor 20 Jahren gegründeten Anwaltskanzlei von der
Crone Rechtsanwälte AG in Zürich aktiv und amtet darüber hinaus regelmässig als
Schiedsrichter in nationalen und internationalen Verfahren.
Das wissenschaftliche Oeuvre von HANS CASPAR VON DER CRONE ist beeindruckend:
Seine bevorzugten Tätigkeitsgebiete sind das Gesellschafts- und Firmenrecht, das Ban-
ken- und Kapitalmarktrecht, sowie das Vertragsrecht. Seine Schriften zeichnen sich
durch wissenschaftliche Strenge, Offenheit gegenüber Neuem, dem Suchen nach über-
zeugenden Lösungen sowie grosse Praxisrelevanz aus.
Die Festschrift widerspiegelt diese breite wissenschaftliche Arbeiten des Jubilars:
Schwerpunkte bilden das Gesellschaftsrecht und das Kapitalmarktrecht, doch fehlen
auch die weiteren Rechtsgebiete nicht. Innerhalb der beiden Hauptteile ist die Fest-
schrift nach Themen (z.B. Corporate Governance, Konzern, Verantwortlichkeit, Ge-
setzgebungsvorhaben) und von allgemeinen Überlegungen zu spezifischen Themen-
stellungen geordnet.
Über seine vielfältigen beruflichen Tätigkeiten hinaus zeigt sich der breite Horizont,
über den HANS CASPAR VON DER CRONE verfügt, auch in seinen weiteren Interessen,
neben der Freude am Reisen ins Ausland insbesondere in der Nähe zu kulturellen Er-
eignissen; die Stichworte Fotografie, Film und Theater sind ein Zeichen für seine dies-
bezüglichen Affinitäten.
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VORWORT
VII
Die Herausgeber hätten ohne mannigfaltige Unterstützung diese Festschrift nicht recht-
zeitig erstellen können. OLIVIER BAUM hat das Projekt von Beginn weg bis zur Druck-
legung umsichtig und mit grossem Einsatz betreut; bei der Organisation wurde er von
FELIX BUFF, beim Lektorieren der Texte von LUCA ANGSTMANN und LINUS CATHO-
MAS unterstützt. Weiter hat BRIGITTE VON DER CRONE im Hintergrund wesentlich zur
Realisierung des Projektes beigetragen. Zu Dank verpflichtet sind die Herausgeber
auch dem Schulthess Verlag für die zuvorkommende und effiziente Zusammenarbeit.
Die Herausgeber und alle Mitwirkenden an der Festschrift wünschen HANS CASPAR
VON DER CRONE von Herzen alles Gute für die kommenden Jahre. Die Freude an der
weiteren Zusammenarbeit verbindet sich mit dem Wunsch, dass auch inskünftig wei-
terhin die privaten Interessen im Leben einen ausreichenden Platz einnehmen können.
ROLF H. WEBER
WALTER STOFFEL
JEAN-LUC CHENAUX
ROLF SETHE
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IX
Inhaltsverzeichnis
Teil I: Gesellschaftsrecht
a) Corporate Governance
From Profit to People and Planet: Rethinking the Purpose of the
Corporation .................................................................................................................................................................................. 3
CHRISTINE KAUFMANN
Prof. Dr. iur., Ordinaria für Staats- und Verwaltungsrecht, Völker- und Europa-
recht an der Universität Zürich
Aktienrecht als «Lebenslüge» – Eine gesellschaftsrechtliche Medi-
tation ...................................................................................................................................................................................................... 21
JEAN NICOLAS DRUEY
Prof. Dr. iur., em. Professor der Universität St. Gallen
Le représentant de l’Etat au conseil d’administration ........................................................ 39
JEAN-LUC CHENAUX
Prof. Dr. iur., Avocat, Professeur ordinaire à l’Université de Lausanne, Keller-
hals Carrard, Lausanne
FRÉDÉRIC ROCHAT
Dr. iur., LL.M., Avocat, Kellerhals Carrard, Lausanne
Corporate Governance in Sanierungsfällen – Der Einfluss der
Gläubiger: Chancen und Risiken .................................................................................................................... 65
URS SCHENKER
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Handels- und Wirt-
schaftsrecht an der Universität St. Gallen, Walder Wyss, Zürich
Revisionsstelle und «Corporate Governance» ................................................................................ 91
URS BERTSCHINGER
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Ordinarius für Privat-, Handels- und Wirtschafts-
recht an der Universität St. Gallen, Prager Dreifuss, Zürich
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INHALTSVERZEICHNIS
X
Sonderuntersuchung statt Sonderprüfung – Hundertmetersprint
statt Hürdenlauf? ................................................................................................................................................................. 111
RETO HEIZMANN
PD Dr. iur., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privatrecht, Handels- und Wirt-
schaftsrecht sowie Europarecht an der Universität Zürich, Vizepräsident des
Kantonsgerichts Schwyz
Anfechtbarkeit und Nichtigkeit als Folgen mangelhafter General-
versammlungsbeschlüsse ............................................................................................................................................ 131
CLAIRE HUGUENIN
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria für Privat-, Wirtschafts- und
Europarecht an der Universität Zürich
BRUNO MAHLER
Stud. iur., Assistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich
b) Konzernrecht
Informationsversorgung im Konzern – Rechtliche Rahmenbe-
dingungen für den Austausch von Finanzinformationen zwischen
Mutter- und Tochtergesellschaft ...................................................................................................................... 153
CHRISTOPH B. BÜHLER
Prof. Dr. iur., LL.M., Advokat, Titularprofessor für schweizerisches und inter-
nationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich, böckli büh-
ler partner, Basel
«Anerkennung des Gruppeninteresses»: Initiativen der EU aus
Schweizer Sicht ....................................................................................................................................................................... 177
PETER BÖCKLI
Prof. Dr. iur., Advokat, em. Professor der Universität Basel, böckli bühler part-
ner, Basel
Unionskonzernrecht als lex parsimoniae ............................................................................................... 197
MARC AMSTUTZ
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Ordinarius für Handels und Wirtschafts-
recht an der Universität Freiburg i.Ue.
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INHALTSVERZEICHNIS
XI
c) Verantwortlichkeitsrecht
Rechtsfolgen einer mangelhaften Delegation von Geschäftsfüh-
rungsaufgaben in einer Verantwortlichkeitsklage .................................................................... 221
PETER R. ISLER
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter für Gesellschafts- und Handels-
recht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich
MIRJAM VÖGELI
Lic. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Niederer Kraft & Frey, Zürich
Wie weiter nach der Mündigkeit im Verantwortlichkeitsrecht? ........................... 239
WALTER A. STOFFEL
Prof. Dr. iur., LL.M., Ordinarius für Wirtschaftsrecht und internationales Privat-
recht an der Universität Freiburg i.Ue.
Ereignisse nach dem Bilanzstichtag ............................................................................................................. 257
LUKAS GLANZMANN
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Wirtschaftsrecht an der
Universität St. Gallen, Baker & McKenzie, Zürich
d) Laufende und abgeschlossene Gesetzgebungsprojekte
Die «Lex Minder» – ein Schuss in den Ofen? .................................................................................. 273
PETER FORSTMOSER
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, em. Professor für Privat-, Handels- und
Kapitalmarktrecht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich
Genehmigung und Offenlegung der Vergütung von gekündigten
Mitgliedern der Geschäftsleitung börsenkotierter Unternehmen ........................ 297
ROLF WATTER
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Handels- und Wirt-
schaftsrecht an der Universität Zürich, Bär & Karrer, Zürich
KATJA ROTH PELLANDA
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Head of Corporate Law bei Novartis Interna-
tional, Basel
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INHALTSVERZEICHNIS
XII
Regulierungsfolgenabschätzung am Beispiel der «grossen»
Aktienrechtsreform ........................................................................................................................................................... 313
DIETER GERICKE
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Homburger, Zürich
NATASSIA GILI
MLaw, Homburger, Zürich
Irrungen und Wirrungen der geplanten Revision des Handelsre-
gisterrechts .................................................................................................................................................................................... 337
PETER JUNG
Prof. Dr. iur., Maître en droit, Ordinarius für Privatrecht an der Universität Basel
Teil II: Finanzmarktrecht
a) Finanzmarktregulierung
Banking Regulation and Financial Stability ..................................................................................... 359
KERN ALEXANDER
Prof. Dr. iur., Professor of Law and Finance at the University of Zurich
Countercyclical Capital Buffers: A Regulatory Challenge ........................................... 379
JEAN-CHARLES ROCHET
Prof. Ph.D., Professor of Banking at the University of Zurich
Extraterritoriality in Financial Regulation ........................................................................................ 391
SUSAN EMMENEGGER
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria für Privat- und Bankrecht an
der Universität Bern
Systemstabilität: Neue Herausforderungen durch die Digitalisie-
rung der Geschäftsmodelle ...................................................................................................................................... 405
ROLF H. WEBER
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, em. Professor für Privat-, Wirtschafts- und Europa-
recht an der Universität Zürich, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich
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INHALTSVERZEICHNIS
XIII
Technologie und Finanzmarktregulierung: Narrative von Inter-
dependenz und Co-Evolution ................................................................................................................................ 421
FRANCA CONTRATTO
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Assistenzprofessorin für Finanzmarkt-
recht an der Universität Zürich
Die internationale Durchsetzung von Insolvenzmassnahmen bei
Banken – eine Bestandsaufnahme ................................................................................................................... 441
RETO SCHILTKNECHT
Dr. iur., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, Leiter
Internationales und Policy, Geschäftsbereich Recovery und Resolution, Eidge-
nössische Finanzmarktaufsicht FINMA
DAVID BILLETER
M.A. HSG, Rechtsanwalt, Specialist, Geschäftsbereich Recovery und Resoluti-
on, Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA
Servicegesellschaften – eine Antwort auf «Too-Big-To-Fail» bei
Finanz- und Versicherungsgruppen? ......................................................................................................... 471
PETER CH. HSU
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Bär & Karrer, Zürich
Neues Prospektrecht gemäss E-FIDLEG: Schnittstellen – Gereim-
tes und Ungereimtes – Verpasste Chancen ......................................................................................... 495
RENÉ BÖSCH
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Homburger, Zürich
Neupositionierung der Selbstregulierung der Börse im FinfraG .......................... 515
RODOLFO STRAUB
Lic. iur., Head SIX Exchange Regulation, SIX Swiss Exchange, Zürich
Versicherungsaufsicht im Fürstentum Liechtenstein ........................................................... 525
ANTON K. SCHNYDER
Prof. Dr. iur., LL.M., Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationa-
les Privat- und Zivilverfahrensrecht und Rechtsvergleichung an der Universität
Zürich, Ersatzrichter beim Obersten Gerichtshof des Fürstentums Liechtenstein
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INHALTSVERZEICHNIS
XIV
b) Zusammenspiel von Aufsichtsrecht & Privatrecht
Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Ein Balanceakt
zwischen Reputation und Recht ........................................................................................................................ 535
DANIEL DAENIKER
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter an der Universität Zürich,
Homburger, Zürich
Privatrechtliche Haftung für die Verletzung aufsichtsrechtlicher
Vorschriften ................................................................................................................................................................................. 555
BENEDIKT MAURENBRECHER
Dr. iur., MBA, Rechtsanwalt, Homburger, Zürich
Die Bestimmung der Angemessenheit und der Geeignetheit von
Finanzdienstleistungen und Finanzinstrumenten ..................................................................... 589
THORSTEN HENS
Prof. Dr. rer. oec., Ordinarius für Finanzmarktökonomie an der Universität Zü-
rich
ROLF SETHE
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Ordinarius für Privat-, Handels- und Wirt-
schaftsrecht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich
Haftung als Regulierungsinstrument im Finanzmarktrecht? – Am
Beispiel der Ad-hoc-Publizität ............................................................................................................................ 619
DANIEL DEDEYAN
PD Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht,
Rechtstheorie und Methodenlehre an der Universität Zürich, Walder Wyss, Zü-
rich
Der arme Bankaktionär ............................................................................................................................................... 637
PETER NOBEL
Prof. Dr. rer. publ., Rechtsanwalt, em. Professor ad personam für schweizeri-
sches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zü-
rich, em. Professor für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität
St. Gallen, Nobel & Hug Rechtsanwälte, Zürich
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INHALTSVERZEICHNIS
XV
c) Übernahmerecht
Put-up or Shut-up (PUSU) ........................................................................................................................................ 657
RUDOLF TSCHÄNI
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lenz & Staehelin, Zürich
Unwiderrufliche Andienungsverpflichtungen («Irrevocables») und
Vertragsfreiheit ....................................................................................................................................................................... 671
DANIEL M. HÄUSERMANN
PD Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht
an der Universität St. Gallen, Homburger, Zürich
De la compatibilité des OPA obligatoires avec des conditions rele-
vant du droit de la concurrence ......................................................................................................................... 687
HENRY PETER
Prof. Dr. iur., LL.M., Professeur ordinaire à l’Université de Genève
PASCAL BOVEY
Lic. iur., LL.M., Avocat, conseiller juridique de la Commission des OPA
Le squeeze-out d’actionnaires lors d’une fusion et d’une offre pu-
blique d’acquisition ............................................................................................................................................................ 707
OLIVIER HARI
Prof. Dr. iur., Avocat, Chaire de droit des sociétés et de l’entreprise, Université
de Neuchâtel, Of Counsel, Schellenberg Wittmer, Genève/Zurich
d) Steuerfragen
Transfer und Auszahlung von potentiell fiskaldeliktischen Kunden-
geldern – ein Update ......................................................................................................................................................... 729
CORINNE ZELLWEGER-GUTKNECHT
PD Dr. iur., Rechtsanwältin, Privatdozentin für Zivil- und Zivilverfahrensrecht,
Finanzmarktrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Zürich
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INHALTSVERZEICHNIS
XVI
Unversteuerte Bankkundengelder – was tun? ............................................................................... 743
URS ZULAUF
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Adjunct Professor Universität Genf und Cornell
Law School, Head Client Tax Policy Credit Suisse Group, Zürich
URS ROHNER
Lic. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Chairman of the Board Credit Suisse Group,
Zürich
ROMEO CERUTTI
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, General Counsel Credit Suisse Group, Zürich
Teil III: Weitere Rechtsgebiete
Zum Konsenserfordernis bei der societas – methodische Bemer-
kungen zu einem altbekannten Problem ............................................................................................... 767
ULRIKE BABUSIAUX
Prof. Dr. iur., Ordinaria für Römisches Recht, Privatrecht und Rechtsverglei-
chung an der Universität Zürich
Der Kooperationsvertrag (in a nutshell) ................................................................................................ 785
FLORENT THOUVENIN
Prof. Dr. iur., Extraordinarius für lnformations- und Kommunikationsrecht an
der Universität Zürich
Verabsolutierte Abstraktheit oder relativierte Kausalität? – Zur
Rechtsnatur der Forderungsabtretung ................................................................................................... 807
HARALD BÄRTSCHI
Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Privat- und Wirt-
schaftsrecht an der Universität Zürich, Leiter der Fachstelle für Unternehmens-
und Steuerrecht der ZHAW School of Management and Law, Winterthur, Bärt-
schi Rechtsanwälte, Wallisellen
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INHALTSVERZEICHNIS
XVII
Fragen rund um die Beendigung von Vertriebsverträgen ............................................. 827
PETER BRATSCHI
Dr. iur., Rechtsanwalt, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich
PASCAL RÜEDI
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich
Mala futura, securitas und «Spekulation»: Rechtskulturen des
Risikos im historischen Wandel ......................................................................................................................... 845
ANDREAS THIER
Prof. Dr. iur., M.A., Ordinarius für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtstheo-
rie und Privatrecht an der Universität Zürich
Der «Nemo-tenetur-Grundsatz» im Strafverfahren gegen Unter-
nehmen – insbesondere unter Berücksichtigung der Kombination
von Verwaltungs- und Strafverfahren ...................................................................................................... 863
ANDREAS DONATSCH
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht an
der Universität Zürich
JASMINA SMOKVINA
Lic. iur., Rechtsanwältin, Assistentin am Rechtswissenschaftlichen Institut der
Universität Zürich
Six megatrends that shape the legal services industry – or remem-
bering Andy Grove ............................................................................................................................................................. 879
PETER KURER
Dr. iur., LL.M., Partner bei der Private Equity Firma BLR und Verwaltungsrats-
präsident u.a. bei Sunrise
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535
Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt:
Ein Balanceakt zwischen Reputation und Recht
DANIEL DAENIKER*
I. Einleitung ................................................................................................................................. 536
II. Reputation und Rechtswirklichkeit ........................................................................................... 536
1. Reputation als Gütesiegel ................................................................................................ 536
2. Reputation als Steuerungsmechanismus .......................................................................... 538
3. Bad Reputation ................................................................................................................ 539
III. Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt ...................................................................... 540
1. Ausgangslage .................................................................................................................. 540
2. Publizitätspflichten kotierter Gesellschaften ................................................................... 541
3. Rechtliche Einordnung von Kategorien der Unternehmenskommunikation .................... 542 a) Bekanntgabe unternehmerischer Absichten ........................................................... 542
aa) Beispiele ....................................................................................................... 542 bb) Rechtliche Verbindlichkeit ........................................................................... 543
b) Bekanntgabe von Verträgen ................................................................................... 544 aa) Beispiele ....................................................................................................... 544 bb) Rechtliche Verbindlichkeit ........................................................................... 546
c) Prognosen am Kapitalmarkt ................................................................................... 547 aa) Ausgangspunkt ............................................................................................. 547 bb) Haftung für falsche Prognosen? .................................................................... 547
IV. Zugeben unternehmerischer Fehler ........................................................................................... 548
1. Zugeben von Fehlern als Kommunikationsstrategie ........................................................ 548
2. Zugeben von Fehlern als Rechtsproblem......................................................................... 549 a) Anwendungsfall Ad-hoc-Publizität ........................................................................ 549 b) Anwendungsfall Organverantwortlichkeit ............................................................. 551 c) Anwendungsfall Produktehaftpflicht und -sicherheit ............................................. 553
V. Fazit .......................................................................................................................................... 554
––––––––––––––––––––––––– * Mein Kollege Dr. STEFAN WALLER, der beim Jubilar dissertiert und diesen Aufsatz kritisch durch-
gelesen hat, und mein Korrektor lic. phil. MARTIN GANTENBEIN, der die Habilitationsschrift des
Jubilars lektoriert hat, nutzen diese Fussnote, um ihrerseits ebenfalls zu gratulieren.
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DANIEL DAENIKER
536
I. Einleitung
HANS CASPAR VON DER CRONE hat in seinem Schrifttum immer wieder auf die Bedeu-
tung der Reputation als Steuerungsmechanismus zum Schutz von Erwartungen und zur
Einschätzung des Verhaltens von Personen und Unternehmen hingewiesen1. Wie kein
Zweiter hat er für die schweizerische Rechtswissenschaft die Erkenntnis geschärft, dass
Verhalten nicht nur durch rechtlich durchsetzbare Normen beeinflusst wird, sondern
auch durch die Sorge um den guten Ruf, den ein Akteur im Wirtschaftsleben hat und
behalten will.
Aufbauend auf den Publikationen des Jubilars befasst sich dieser Aufsatz mit der
Kommunikation von Unternehmen am Kapitalmarkt und deren rechtlicher Einordnung.
Zunächst wird der Begriff der Reputation in der Rechtswirklichkeit analysiert (II.).
Sodann wird erörtert, welche rechtliche Relevanz der Unternehmenskommunikation
am Kapitalmarkt zukommt (III.). Ferner gehe ich auf die Frage ein, ob und inwieweit
das Zugeben unternehmerischer Fehler im Rahmen von Mitteilungen an den Markt
Haftungsfolgen nach sich ziehen kann (IV.). Die Erkenntnisse werden am Schluss einer
Gesamtwürdigung unterzogen (V.).
II. Reputation und Rechtswirklichkeit
1. Reputation als Gütesiegel
Die Bedeutung der Reputation ist bereits in der Heiligen Schrift erkannt worden:
«Ein guter Ruf ist wertvoller als grosser Reichtum, Ansehen ist besser als Silber und Gold.»2
Die zeitlose Aussage in den Sprüchen SALOMOS findet auch im heutigen Wirtschafts-
leben ihren Widerhall, so unter anderem bei WARREN BUFFETT:
«It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it. If you think about that, you'll do things differently.»3
––––––––––––––––––––––––– 1 So schon in seiner Habilitationsschrift (HANS CASPAR VON DER CRONE, Rahmenverträge: Ver-
tragsrecht – Systemtheorie – Ökonomie, Habil. Zürich 1993, 94 f. und 239). – Vgl. auch DERS.,
Verantwortlichkeit, Anreize und Reputation in der Corporate Governance einer Publikumsgesell-
schaft, ZSR NF 119 (2000) II, 239 ff.; DERS., Corporate Governance und Reputation, Neue Zür-
cher Zeitung vom 27. Januar 2001, 29; DERS., Regulierung: Reputation, Vertrauen und Verant-
wortung (mit TATJANA LINDER), in: FS von Büren, Basel 2009, 723 ff.; DERS., Reputation and
regulation (mit JOHANNES VETSCH), in: Klewes/Wreschniok (Hrsg.), Reputation Capital, Berlin
usw. 2009, 179 ff. 2 Sprüche 22,1.
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
537
Reputation spielt vor allem in denjenigen Bereichen des Wirtschaftslebens eine Rolle,
wo der Nachfrager keine Anschauung über die Qualität eines Produkts bzw. über die
Vertrauenswürdigkeit des Anbieters einer Dienstleistung hat4. Die Tragweite der Repu-
tation ist für Produktmärkte einerseits, Dienstleistungsmärkte andererseits unterschied-
lich:
In Produktmärkten zählt die Reputation des Herstellers, nicht die des Verkäufers.
Kaufe ich an einem Strassenstand eine Coca-Cola-Dose, ist mir die Identität des
Verkäufers egal; statt dessen baue ich auf die Reputation des Produkts in der An-
nahme, dass die Dose echt ist und damit den gewohnten Erwartungen an Qualität
und Hygiene entspricht. Aus diesem Grund werde ich auch eher Coca-Cola kaufen
als ein mir unbekanntes Produkt.
In Dienstleistungsmärkten zählt dagegen die Reputation des Anbieters. Hier be-
steht häufig keine Anschauung über die Qualität der Leistung, vor allem da, wo ei-
ne Informationsasymmetrie zwischen Dienstleister und Kunde besteht5. Eine kran-
ke Person sucht eine Ärztin auf, ohne zu wissen, was ihr fehlt; dafür baut sie auf
die Fähigkeiten der Medizinerin. Bei Anwalts- und anderen Beratungsdienstleis-
tungen sucht der Klient6 einen Ansprechpartner, dessen Reputation Rückschlüsse
auf die Qualität der Dienstleistung zulässt. Ob die Ärztin oder der Anwalt gute Ar-
beit leisten wird, weiss der Patient bzw. Klient nicht, aber der gute Ruf des Spezia-
listen fördert das Vertrauen in den Anbieter.
Reputationsmechanismen beruhen damit nicht selten auf Annahmen: Es wird aus Ver-
gangenem auf das wahrscheinlich künftige Verhalten geschlossen. Ein Anbieter, der
sich mit seinen Leistungen einen guten Ruf erarbeitet hat, wird dies mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft tun7. Damit wird auch klar, dass Reputationsmecha-
nismen da spielen, wo Akteure wiederholt am Markt auftreten (sog. repeat players)8.
3 WARREN BUFFETT (Quelle: <http://www.forbes.com/sites/agoodman/2013/09/25/the-top-40-
buffettisms-inspiration-to-become-a-better-investor/>). 4 HANS CASPAR VON DER CRONE, Aktienrecht, Bern 2014, § 4 N 322. 5 VON DER CRONE/LINDER, Regulierung (Fn. 1), 727 f.; ferner VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4),
§ 4 N 321 ff. 6 Der Begriff Klient stammt vom Lateinischen cliens, ursprünglich als «Höriger» oder «Schütz-
ling» übersetzt (Duden, Band 7, Etymologie der deutschen Sprache, 3. Aufl., Mannheim 2001,
Stichwort «Klient»). Im übertragenen Sinn handelt es sich beim Klienten um eine Person, die sich
der Hilfestellung einer anderen Person anvertraut. 7 VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4), § 4 N 321. 8 Wer nicht davon ausgehen muss, dass er mit der Person, die ihn heute beobachtet, in Zukunft
wieder in Kontakt treten wird, muss sich keine Sorge um seinen Ruf machen; VON DER CRONE,
Aktienrecht (Fn. 4), § 4 N 324.
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DANIEL DAENIKER
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Gerade dieser Umstand ist für Unternehmen und ihr Kommunikationsverhalten gegen-
über den Marktteilnehmern relevant9.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Reputation die Wirklichkeit abbildet.
«Character is like a tree and reputation like its shadow. The shadow is what we think of it; the tree is the real thing.»10
Gelegentlich kann die Reputation sogar von den Fähigkeiten einer Person abweichen.
In den Medien werden Figuren des öffentlichen Lebens regelmässig zunächst hochge-
lobt und später niedergeschrien11, was häufig wenig mit den Qualitäten oder Fehlern
solcher Personen zu tun hat. Reputation kann denn auch unverschuldet verloren gehen,
wie dies ausgerechnet Jago, der grosse Intrigant in Shakespeares Othello, auf den
Punkt bringt:
«Reputation is an idle and most false imposition, oft got without merit and lost without deserving.»12
2. Reputation als Steuerungsmechanismus
Reputationseffekte bewegen sich regelmässig ausserhalb dessen, was die Rechtsord-
nung als zulässig oder unzulässig betrachtet. Empfehlungen, soft law oder Regulie-
rungssysteme nach dem Ansatz comply or explain13 machen sich solche Effekte zunut-
ze und differenzieren häufig zwischen wünschbarem und nicht-wünschbarem Verhal-
ten, ohne beim verpönten Verhalten eine durchsetzbare Sanktion anzuknüpfen.
Das Bestreben von Personen und Unternehmen, best in class zu sein, kann dennoch
dazu führen, dass Verhalten im Wirtschaftsleben in die richtige Richtung gelenkt wird.
––––––––––––––––––––––––– 9 Dazu hinten III. 10 ABRAHAM LINCOLN, Lincoln's Own Stories. 11 Beispielhaft ist die Affäre um einen im Betrag eher geringfügigen Privatkredit an den ehemaligen
deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff. Wulff rückte nur scheibchenweise mit der Wahr-
heit über den Kredit heraus, stemmte sich lange gegen den wachsenden medialen Druck und
musste am Ende dennoch seinen Rücktritt erklären (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 19. Dezem-
ber 2011, Nr. 296, 5, sowie vom 18. Februar 2012, Nr. 41, 3). – Auch die Plagiatsvorwürfe gegen
den ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der ganze Passa-
gen seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, illustrieren das genannte Muster (vgl. etwa
Neue Zürcher Zeitung vom 17. Februar 2011, Nr. 40, 3 und 57, vom 18. Februar 2011, Nr. 41, 5,
sowie vom 19. Februar, Nr. 42, 7). 12 WILLIAM SHAKESPEARE, Othello (1604), Act 3 sc. 2, zitiert in: VON DER CRONE, Verantwortlich-
keit, Anreize und Reputation (Fn. 1), 263. 13 So seit Neustem der Vorschlag des Bundesrates zu Geschlechterquoten in Publikumsgesellschaf-
ten, vgl. die Medienmitteilung vom 4. Dezember 2015: «Erfüllt eine Gesellschaft diese Ge-
schlechter-Richtwerte nicht, so greift der Comply-or-Explain-Ansatz: Das Unternehmen muss die
Gründe sowie die bereits umgesetzten und die geplanten Massnahmen offenlegen».
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
539
Insoweit ergänzen Reputationseffekte die bestehenden rechtlichen Sanktionsmecha-
nismen14.
Ein anschauliches Beispiel für die Bedeutung der Reputation im Rahmen von soft law
ist der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, eine unter der Ägide
der Economiesuisse erlassene Reihe von Empfehlungen für die Führung von Publi-
kumsgesellschaften. Die erste Fassung erschien im Jahr 2002 und wurde weitherum als
zu zahm gerügt15. Aber gerade weil sich der Swiss Code eher am Machbaren als am
Wünschbaren orientierte16, hat er die Entwicklung der Corporate Governance in der
Schweiz massgeblich geprägt; auch kritische Stimmen attestierten dem neuen Regel-
werk bereits kurz nach Inkrafttreten eine erstaunliche Wirkung17. Inzwischen orientie-
ren sich hierzulande immer mehr Publikumsgesellschaften an einem Standard, der bei
Inkrafttreten der entsprechenden Regeln alles andere als schweizerische Usanz darstell-
te. Es ist unter anderem dem Swiss Code zu verdanken, dass sich hiesige Publikumsge-
sellschaften punkto Corporate Governance zwar mit der gewohnten helvetischen Ge-
mächlichkeit, aber dennoch stetig in die richtige Richtung bewegt haben. Ganz
nebenbei konnten damit auch regulatorische Übergriffe weitgehend vermieden werden.
3. Bad Reputation
In der Rechtsliteratur soweit ersichtlich noch wenig beschrieben ist das Spiel mit dem
schlechten Ruf, wie in einem Lied aus der Punk-Szene der 1980er-Jahre:
«You're living in the past, it's a new generation A girl can do what she wants to do and that's what I'm gonna do An' I don't give a damn 'bout my bad reputation.»18
Die Reputation als bad boy (oder bad girl) kann durchaus gewinnbringend eingesetzt
werden: Wer in einer Branche gerne wider den Stachel löckt, findet häufig Gleichge-
sinnte als Kunden. Legendär ist in diesem Zusammenhang die US-amerikanische In-
vestmentbank Drexel Burnham Lambert, die im Geschäft für Anleihen von Unterneh-
men mit zweifelhafter Kreditwürdigkeit gross wurde, im Rahmen der Finanzierung von
unfreundlichen Unternehmensübernahmen (hostile takeovers) während der 1980er-
––––––––––––––––––––––––– 14 Grundlegend RICHARD THALER/CASS SUNSTEIN, Nudge: Improving decisions about Health,
Wealth and Happiness, New Haven 2008, 5 und 182 f.; vgl. auch VALÉRIE JUNOD, «Comply or
explain»: la solution au dilemme des quotas?, SZW 87 (2015), 478 ff., 479. Kritisch dazu VON
DER CRONE/VETSCH (Fn. 1), 187. 15 PETER FORSTMOSER, Corporate Governance in der Schweiz – besser als ihr Ruf, in: Forstmoser et
al. (Hrsg.), Symposium zum 80. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Zürich 2002, 63 ff. 16 Davon zeugen auch die 2007 und 2014 erfolgten Revisionen des Swiss Code. 17 Vgl. etwa PETER FORSTMOSER, Corporate Governance in verbundenen Unternehmen, in: Amstutz
(Hrsg.), Die vernetzte Wirtschaft, Symposien zum Schweizer Recht, Zürich 2004, 155 ff. 18 JOAN JETT, Bad Reputation (1981).
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DANIEL DAENIKER
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Jahre eine tragende Rolle spielte und gegen Ende des Jahrzehnts spektakulär unter-
ging19. In der Schweiz einschlägig sind die Praktiken neu gegründeter Banken, die in
den 1990er-Jahren und nach der Jahrtausendwende den hiesigen Markt für Unterneh-
menskontrolle aufmischten. In all diesen Fällen rüttelte der Branchenneuling an etab-
lierten Verhaltensmustern – überspitzt ausgedrückt: an den Machtkartellen – der etab-
lierten Unternehmen der Branche, was zumindest kurzfristig den wirtschaftlichen Er-
folg dieser Institute als enfants terribles der Finanzwelt eher erhöhte als verminderte.
Langfristig hat sich indessen das Blatt häufig gewendet20.
Auch Anwälte, die bereit sind, für ihre Klienten bis an (oder über) die Grenze des Er-
laubten zu gehen, finden nicht trotz, sondern gerade wegen ihres schillernden Rufs
ihren Platz im Wettbewerb. Das gilt für Milieuanwälte mit hoher Präsenz in den elekt-
ronischen Medien ebenso wie für Wirtschaftsanwälte, die ohne Rücksicht auf die öf-
fentliche Meinung die Positionen ihrer Klienten verfechten. Weil dabei regelmässig die
Grenzen des Zulässigen ausgetestet werden, wird gelegentlich das Mass dessen über-
schritten, was gemeinhin als fair dealing betrachtet wird21. Das kann dem Geschäft
durchaus förderlich sein: Ein Ruf als bad boy zieht Klienten an, die ihrerseits gerne ans
Limit gehen.
III. Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt
1. Ausgangslage
Nachstehend soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit Aussagen eines
Unternehmens am Kapitalmarkt (zivil-)rechtlich relevant sind. Inwieweit können Zu-
sagen, die Bekanntgabe unternehmerischer Absichten oder Prognosen zur Schadener-
satzpflicht führen, wenn sich die Aussage als unzutreffend erweist? Die Fragestellung
ist alles andere als neu.
Bereits das römische Recht setzte sich mit der Frage auseinander, inwieweit einseitige
Erklärungen rechtlich verbindlich sind. Das römische Recht unterschied zwischen Ver-
trägen (pacta) und einseitigen Versprechen (pollicitationes)22. Die schweizerische
Rechtsordnung geht demgegenüber, ähnlich wie die deutsche, vom Prinzip aus, dass
––––––––––––––––––––––––– 19 DANIEL FISCHEL, Payback: The conspiracy to destroy Michael Milken and his financial revolu-
tion, New York 1995, 129 ff. 20 Für die USA a.v. FISCHEL (Fn. 19), 299; für die Schweiz Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. Juli 2012 i.S. Bank am Bellevue AG (BVGE 2012/33), E. 11. 21 Dazu etwa DANIEL DAENIKER, Wer zahlt befiehlt? Vielleicht auch nicht. Alibaba und Sika, GesKR
2015, 423 ff., 427. 22 ULPIAN, Dig. 50.12.3pr: «Pactum est duorum consensus atque conventio, pollicitatio vero offe-
rentis solius promissum» (Ein Vertrag beinhaltet die Einigung und Abmachung zweier Parteien,
die einseitig verpflichtende Erklärung ist aber ein Versprechen nur des Anbieters).
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
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rechtlich verbindliche Zusagen grundsätzlich nur in Vertragsform gültig sind; die polli-
citatio hat sich in den grossen europäischen Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhun-
derts nicht durchgesetzt. Isolierte Ausnahme ist das in Art. 8 OR geregelte Preisaus-
schreiben, das in der Praxis kaum eine Bedeutung hat23. Damit ist auch gesagt, dass die
rechtliche Relevanz von Aussagen, die ein Unternehmen am Kapitalmarkt macht, nicht
unter Aspekten der Vertragshaftung, sondern unter Aspekten der ausservertraglichen
Schädigung analysiert werden muss24.
2. Publizitätspflichten kotierter Gesellschaften
Artikel 53 des Kotierungsreglements der SIX Swiss Exchange (KR) hält Folgendes
fest:
Der Emittent informiert den Markt über kursrelevante Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Als kursrelevant gelten Tat-sachen, die geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung der Kurse zu führen.
Der Emittent informiert, sobald er von der Tatsache in ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat.
Die Bekanntmachung ist so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet ist.
Die Pflicht zur Bekanntgabe kursrelevanter Tatsachen, auch als Ad-hoc-Publizität oder
event disclosure bekannt, besteht für an der SIX kotierte Gesellschaften seit 1996. Die
entsprechenden Vorschriften sind seit dann kontinuierlich verschärft worden. Die vor-
stehend zitierte Fassung gilt seit dem 1. Juli 2009 (Art. 114 KR).
Der Begriff der kursrelevanten Tatsache gemäss KR entspricht heute weitgehend dem
Begriff der Insiderinformation nach der Marktmissbrauchsrichtlinie der EU25. Obwohl
der Wortlaut der Definition im Kotierungsreglement bzw. im EU-Recht nicht de-
ckungsgleich ist, lassen sich in der Praxis keine Unterschiede in der Handhabung der
Informationspflicht beobachten26.
Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität führt dazu, dass ein Unternehmen positive und nega-
tive Tatsachen unverzüglich den Marktteilnehmern mitteilen muss, soweit diese Infor-
––––––––––––––––––––––––– 23 BSK OR I-BUCHER, 4. Aufl., Basel 2007, N 3 zu Art. 8 OR. 24 S. hinten IV.2.a). 25 Vgl. dazu MARTIN WEBER, Informationsmissbrauch im Finanzmarkt, Diss. Luzern, Zürich 2013,
105. 26 Unterschiede bestehen mit Bezug auf die Art und Weise, wann ein Emittent Informationen zu-
rückhalten kann (sog. Bekanntgabeaufschub); dazu etwa LUCA DALLA TORRE/DANIEL HASLER,
Ad hoc-Publizität bei Wechseln in der Unternehmensführung, GesKR 2010, 186 ff., 194 f.; HANS-
JÜRG APPENZELLER, Ad hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, GesKR 2009, 463 ff., 474 ff.
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DANIEL DAENIKER
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mation potenziell kursrelevant ist. In diesem Fall kann nicht bis zur Bekanntgabe des
nächsten Jahres- oder Zwischenabschlusses zugewartet werden; was den Kurs potenzi-
ell bewegen kann, muss sofort kommuniziert werden. Interessanterweise ist dies einer
der wenigen Bereiche, bei denen die Regulierung in der Schweiz und im europäischen
Wirtschaftsraum über das in den USA geforderte Mass hinausgeht27.
Unabhängig von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität stellt sich in der Praxis die Frage,
wie Aussagen eines Unternehmens am Kapitalmarkt zivilrechtlich zu würdigen sind.
Dies sei nachfolgend in Abschnitt III.3. anhand dreier Beispiele erörtert.
3. Rechtliche Einordnung von Kategorien der Unternehmens-
kommunikation
a) Bekanntgabe unternehmerischer Absichten
aa) Beispiele
Am 8. Dezember 2014 gab die Familie Burkard, die über ein Beteiligungsvehikel mehr
als die Hälfte der Stimmrechte der börsenkotierten Sika AG kontrolliert, einen Verkauf
ihrer Beteiligung an einen ausländischen Konzern bekannt28. Die Verhandlungen, die
einige Monate gedauert hatten, waren auf Wunsch der kontrollierenden Aktionäre ge-
heim gehalten worden, selbst gegenüber dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung
der Firma.
Vor Bekanntgabe kursierten weder am Kapitalmarkt noch in der Finanzpresse Informa-
tionen über allfällige Verkaufsabsichten der kontrollierenden Aktionärsfamilie, im
Gegenteil: Einzelne Familienmitglieder erklärten in der Finanzpresse, dass ihre Beteili-
gung derzeit nicht zum Verkauf stehe29. Dies führte zu einer Erwartungshaltung im
Kapitalmarkt, die in der Folge enttäuscht wurde. Die Kursentwicklung nach Ankündi-
gung zeigte, dass niemand mit einem Verkauf gerechnet hatte, schon gar nicht mit
einem Verkauf ohne gleichzeitiges öffentliches Übernahmeangebot an die Minder-
heitsaktionäre der Gesellschaft; die Sika-Inhaberaktie verlor denn auch innert zwei
––––––––––––––––––––––––– 27 CHRISTOPH BRUNNER, Liability of Publicly Held Corporations for a Violation of a Duty to Dis-
close, in Particular the «Ad Hoc Publicity», Diss. Bern 1998, 13 ff.; PETER HSU, Ad-hoc-Publi-
zität, Diss. Zürich 2000, 81 ff.; HANNO MERKT, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl.,
Frankfurt a.M. 2013, N 793 ff.; PETER HAY, US-Amerikanisches Recht, 6. Aufl., München 2015,
N 612 ff. 28 Neue Zürcher Zeitung vom 9. Dezember 2014, Nr. 286, 21. 29 Tages-Anzeiger Online vom 8. Dezember 2014: «Die Familie hat noch im Oktober ein Bekennt-
nis abgegeben» (Sika-Präsident PAUL HÄLG); ferner dazu Neue Zürcher Zeitung vom 9. Dezem-
ber 2014, Nr. 286, 19 und 21.
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
543
Tagen fast 25% ihres Börsenwerts. Soweit vor Ankündigung im Kurs der Inhaberak-
tien eine implizite Kontrollprämie enthalten war, war diese danach auf null gesunken.
Über die rechtliche Zulässigkeit des Vorgehens der verkaufenden Familie ist vor den
Gerichten des Kantons Zug ein Prozess hängig, der zur Zeit der Abgabe dieses Manu-
skripts nach wie vor andauert. An dieser Stelle sei immerhin vermerkt,
dass die Sika wie viele andere Publikumsgesellschaften Stimmrechtsaktien ausge-
geben hatte, was nach Art. 693 OR ausdrücklich zulässig ist;
dass die Gesellschaft darüber hinaus seit Inkrafttreten der entsprechenden Bestim-
mungen des Börsengesetzes in ihren Statuten die Angebotspflicht rechtmässig
wegbedungen hatte30.
Beides war den Marktteilnehmern bekannt. Ebenfalls bekannt war, dass das Gesetz we-
der den grossen noch den kleinen Aktionär anhält, den Verwaltungsrat über seine Ver-
kaufsabsichten zu orientieren; den Aktionär trifft keine Treuepflicht (Art. 680 Abs. 1
OR)31. Allein, die Marktteilnehmer erwarteten das nicht. Bis zur Bekanntgabe des Ver-
kaufs des kontrollierenden Aktienpakets bestand ganz offensichtlich die Annahme, im
Falle eines allfälligen Verkaufs der Unternehmung würden die Inhaberaktionäre nicht
im Regen stehen gelassen. Die Erwartungen des Kapitalmarkts haben aber nichts zu
tun mit rechtlich durchsetzbaren Zusagen32.
bb) Rechtliche Verbindlichkeit
Verträge sind verbindlich, Absichtserklärungen i.d.R. nicht. Wer bekannt gibt, etwas
zu planen, ist damit nicht gehalten, dies auch durchzuführen.
Nur wer bei einem anderen objektiv gerechtfertigtes Vertrauen weckt, muss sich unter
Umständen bei seinem Wort behaften lassen. Angesprochen ist damit die Figur der
Vertrauenshaftung, die mit dem Swissair-Entscheid des Bundesgerichts33 in die
––––––––––––––––––––––––– 30 Verfügung der UEK 594/01 vom 5. März 2015. S. dazu auch Verfügung der FINMA vom 4. Mai
2015, sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-3119/2015 vom 27. August 2015. 31 PETER FORSTMOSER/ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern
1996, § 1 N 152; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., Zürich 2009, § 13 N 664;
HANS-UELI VOGT, Aktionärsdemokratie, Zürich/St.Gallen 2012, 27; DANIEL DAENIKER, Loyali-
tätsaktien – Postulat oder Rechtswirklichkeit?, in: Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XVII,
Zürich 2015, 139 ff., 143 (m.w.N). 32 DANIEL DAENIKER, Understanding SIKA: Who controls a Swiss public company?, in: Spencer
Stuart Switzerland Board Index 2015, 5 ff. und 8. 33 BGE 120 II 331, in der Folge mehrfach präzisiert und in der Tragweite eingeschränkt (vgl. etwa
BGE 121 III 350, E. 5c f.; BGE 124 III 297, E. 6; BGE 131 III 377, E. 3; BGE 133 III 449, E. 4).
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DANIEL DAENIKER
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schweizerische Rechtslandschaft Einzug gehalten hat34. Voraussetzung einer Schaden-
ersatzpflicht aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen35 ist das Bestehen einer recht-
lichen Sonderverbindung36, aus der sich nach Treu und Glauben Schutz- und Aufklä-
rungspflichten ergeben37.
Durch Kommunikation eines Unternehmens mit dem Markt wird indes kaum je eine
rechtliche Sonderverbindung geschaffen. Andernfalls würden Unternehmen mit jeder
Publikation eines Inserats oder einer Medienmitteilung der gesamten Anlegerschaft ge-
genüber in der Pflicht stehen. Die Konsequenzen eines derart breit verstandenen Ver-
trauensverhältnisses, die sich daraus ergebenden Schutz- und Aufklärungspflichten und
die damit verbundenen Haftungsfolgen wären für Unternehmen kaum überblickbar38.
Zudem verwischt diese Konstruktion den klaren dogmatischen Entscheid des schweize-
rischen Gesetzgebers, dass für reine Vermögensschäden grundsätzlich nicht gehaftet
wird – eine bewusst gewollte Haftungsbeschränkung39. Und betrachtet man die Ent-
wicklung der Rechtsprechung seit dem Swissair-Entscheid40, lässt sich unschwer er-
kennen, dass auch das Bundesgericht das Konstrukt der Vertrauenshaftung durch das
Aufstellen zahlreicher weiterer Voraussetzungen – m.E. zu Recht – erheblich relativiert
hat.
b) Bekanntgabe von Verträgen
aa) Beispiele
Am 30. April 2015 gab die an der SIX kotierte Kaba Holding AG den geplanten Zu-
sammenschluss mit der deutschen Dorma-Gruppe bekannt. Teil der dabei geschlosse-
nen Vereinbarungen war ein Aktionärbindungsvertrag, den die Ankeraktionäre der
Kaba mit den Eigentümern der Dorma abgeschlossen hatten. Durch diesen Vertrag
bildeten die Parteien einen neuen Aktionärspool und verpflichteten sich u.a., im Falle
eines Verkaufs aller Poolaktien dafür zu sorgen, dass ein Käufer dieser Poolaktien zum
selben Preis ein Angebot an alle Publikumsaktionäre machen würde: ––––––––––––––––––––––––– 34 Vgl. PETER GAUCH/WALTER R. SCHLUEP/JÖRG SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht All-
gemeiner Teil, Band I, 10. Aufl., Zürich 2014, N 982a; umfassend PETER LOSER, Die Vertrauens-
haftung im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Basel, Bern 2006. 35 BGE 128 III 324, E. 2.2. 36 BGE 120 II 331, E. 5a. 37 BGE 120 II 331, E. 5a; BGE 128 III 324, E. 2.2; BGE 130 III 345, E. 2. – Zur Kasuistik vgl.
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (Fn. 34), N 982 f. 38 Ein solch diffuses Vertrauensverhältnis als relevant zu betrachten, läuft darauf hinaus, den blos-
sen sozialen Kontakt zum Haftpflichttatbestand zu erheben. Wer solches plädiert, «[...] öffnet eine
Büchse der Pandora mit zahllosen Haftungsfällen» (HEINRICH HONSELL, Schweizerisches Obliga-
tionenrecht – Besonderer Teil, 8. Aufl., Bern 2006, 310). 39 HONSELL (Fn. 38), a.a.O. 40 Vgl. die in Fn. 33 zitierten Entscheide.
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«Die Familienaktionäre von Dorma und Kaba, die zusammen 27,3% an der Dorma + Kaba Holding halten werden, haben einen langfristigen Ak-tionärsvertrag unterzeichnet. Sie haben sich unter anderem gegenseitige Vorkaufsrechte eingeräumt und verpflichten sich, ein Aktienpaket von 27% oder grösser nur dann an einen Dritten zu verkaufen, wenn dieser allen Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zum selben Preis pro Aktie unterbreitet. Somit soll offenbar ein «Sika-Fall», bei dem die Käufer von den Anteilen der Eigentümerfamilie kein solches Angebot an alle Aktionäre gemacht haben, verhindert werden.»41
Die Poolaktionäre auferlegten sich diese freiwillige Selbstbeschränkung, obwohl die
damals in Art. 32 BEHG42 festgeschriebene Angebotspflicht erst ab 33⅓% der Stimm-
rechte einer Publikumsgesellschaft greift. Damit wurde den Publikumsaktionären sig-
nalisiert, dass sich bei der neuen dorma+kaba Holding AG ein Fall Sika nicht wieder-
holen würde. Die Regelung wurde nicht in die Statuten der Gesellschaft aufgenommen,
in den Medien aber trotzdem als verbindliche Zusage dargestellt43.
Die ebenfalls an der SIX kotierte Schindler Holding AG hat in ihren Statuten die An-
gebotspflicht wegbedungen44. Am 3. Juli 2015 gab auch diese Gesellschaft den Inhalt
einer Vereinbarung unter den kontrollierenden Poolaktionären bekannt: Die Mitglieder
des Aktionärspools verpflichteten sich, im Falle einer Veräusserung der Mehrheit der
Aktien an der Gesellschaft dafür zu sorgen, dass der Erwerber gleichzeitig den Publi-
kumsaktionären der Gesellschaft eine Übernahmeofferte unterbreitet. Immerhin wäre
es den Poolaktionären erlaubt gewesen, eine Kontrollprämie von bis zu 10% zu verlan-
gen. Die entsprechende Regelung sollte in den Statuten der Gesellschaft verankert
werden, was aber die Übernahmekommission mit Verfügung vom 21. Juli 2015 unter-
sagte45.
Die Schindler verzichtete auf Weiterzug an die FINMA bzw. ans Bundesverwaltungs-
gericht. Gleichzeitig gaben aber die beteiligten Poolaktionäre bekannt, die vertragliche
Vereinbarung habe für sie nach wie vor Bestand. Die Märkte reagierten kaum auf diese
Nachricht: In der Presse wurde der Fortbestand der Zusage der Aktionärsfamilien
durchweg positiv kommentiert – als ob der statutarischen Verankerung der Bestim-
mungen des Aktionärbindungsvertrags kein Wert zugemessen wurde.
––––––––––––––––––––––––– 41 Neue Zürcher Zeitung vom 2. Mai 2015, Nr. 100, 31. 42 Heute Art. 135 FinfraG. 43 Vgl. dazu OLIVIER BAUM/HANS CASPAR VON DER CRONE, Selektives Opting out und Transaktions-
vereinbarung, SZW 87 (2015), 417 ff., 428 ff. 44 Statuten der Schindler Holding AG (Stand am 22. März 2016), Art. 39. 45 Für eine kritische Würdigung dieses Entscheids vgl. BAUM/VON DER CRONE (Fn. 43), 427.
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546
bb) Rechtliche Verbindlichkeit
Kann man sich in Fällen wie dorma+kaba oder Schindler auf den Standpunkt stellen,
die Vereinbarung unter Aktionären einer Publikumsgesellschaft mit gleichzeitiger
Kundgabe an den Kapitalmarkt sei ein Vertrag zugunsten Dritter? Bejahendenfalls
kann der Minderheitsaktionär Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen verlangen –
gleich wie wenn die entsprechende Bestimmung in den Statuten der Gesellschaft ver-
ankert wäre.
Gemäss Art. 112 Abs. 2 OR kann der Dritte nur dann selbständig die Erfüllung fordern,
wenn es die Willensmeinung der anderen Vertragsparteien war oder wenn es der
Übung entspricht. Ein Publikumsaktionär kann somit nur dann auf Erfüllung des Akti-
onärbindungsvertrags klagen, wenn dies so vereinbart wurde; von einer Übung kann in
diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Haben die Parteien keine Aussenwirkung
des Aktionärbindungsvertrags vereinbart, lässt sich kein selbständiges Forderungsrecht
der übrigen Aktionäre konstruieren. Für eine echte Drittwirkung wäre eine statutarische
Verankerung notwendig, die allerdings wegen des Verbots von Nebenleistungen in
Art. 680 Abs. 1 OR nur indirekt festgeschrieben werden kann, etwa als Eintragungsvo-
raussetzung. Fehlt eine solche Statutenbestimmung, kann die entsprechende vertragli-
che Verpflichtung nur von den Parteien des Aktionärbindungsvertrags durchgesetzt
werden.
Falls sich alle Parteien eines Aktionärbindungsvertrags über die vorne beschriebenen
Zusagen hinwegsetzen und ein Aktienpaket an einen Dritten verkaufen, ohne diesen
zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots anzuhalten, besteht auf den
ersten Blick keine rechtliche Handhabe gegen dieses Verhalten. Der Verwaltungsrat,
der die Eintragung des Erwerbers ins Aktienbuch verweigert, kann sich nicht auf einen
statutarischen Ablehnungsgrund nach Art. 685d OR berufen. Und die Pflicht zur Un-
terbreitung eines Übernahmeangebots entfällt, weil (im Fall Kaba) die Schwelle für die
Angebotspflicht nicht erreicht ist bzw. (im Fall Schindler) von vornherein ein Opting-
Out besteht.
Dass die Marktteilnehmer bei Kaba und bei Schindler positiv auf die Ankündigung der
entsprechenden Massnahmen reagiert haben, legt den Schluss nahe, die fehlende recht-
liche Durchsetzbarkeit habe sie nicht gekümmert. Ob der Abmachung der Parteien
eines Aktionärbindungsvertrags Gewicht beigemessen wird, bestimmt sich demnach
(auch) nach deren Glaubwürdigkeit, einer Facette der Reputation. Sind die entspre-
chenden Akteure dafür bekannt, dass sie zu ihrem Wort stehen, so setzen die Marktteil-
nehmer anscheinend auf deren Vertragstreue. So gesehen, ersetzen Reputationseffekte
bis zu einem gewissen Grad die fehlende Verbindlichkeit der dem Markt gegenüber
gemachten Zusagen.
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c) Prognosen am Kapitalmarkt
aa) Ausgangspunkt
Nicht selten kommunizieren Unternehmen ihre Anschauung über den künftigen Ge-
schäftsverlauf in Form von sog. forward-looking statements. Dies ist etwa im Zuge von
Aktienplatzierungen der Fall, aber auch im Rahmen der Berichterstattung kotierter
Gesellschaften im Rahmen des seit 2015 obligatorischen Lageberichts46: Der Lagebe-
richt hat unter dem Stichwort «Zukunftsaussichten» (Art. 961c Abs. 2 Ziff. 6 OR) ge-
nerell eine Beurteilung der geschäftlichen Zukunft vorzunehmen47.
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen48. So erstaunt es
kaum, dass die Zukunftsberichterstattung in der parlamentarischen Beratung heftig um-
stritten war49. Die Befürchtung wurde geäussert, man verlange vom Verwaltungsrat
Hellseherei, und bei Fehlprognosen werde die Haftung der Gesellschaftsorgane ver-
schärft50. Die vorliegend interessierende Frage nach der Haftung für falsche Prognosen
wurde also bereits vom Parlament antizipiert.
bb) Haftung für falsche Prognosen?
Unternehmen wollen sich nicht dem Vorwurf falscher Prognosen ausgesetzt sehen, aus
Reputationsüberlegungen ebenso wie zur Vermeidung von Haftungsrisiken. Lehre und
Praxis zu (unrichtigen) Prognosen im Rahmen von Emissions- und Kotierungsprospek-
ten können hier zum Vergleich herangezogen werden. Unrichtig im Sinne von Art. 752
OR sind nicht nur falsche Tatsachenfeststellungen, sondern unter Umständen auch
falsche Prognosen51, wenn sie ohne Berücksichtigung konkreter Tatsachen und Wahr-
scheinlichkeiten erfolgen, insbesondere dann, wenn leichtfertig übertriebene Erwartun-
gen geweckt werden52. Kommuniziert ein Unternehmen hinsichtlich seiner Zukunfts-
aussichten, wird es sich deshalb vor allzu gewagten Vorhersagen in Acht nehmen53.
––––––––––––––––––––––––– 46 Dazu FRANK GERHARD, Der Lagebericht, ST 11/2012, 901 ff.; PETER BÖCKLI, Neue OR-Rech-
nungslegung, Zürich 2014, N 800 ff. 47 Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts, BBl
2008 1589, 1717. 48 Im Netz gehen die Meinungen auseinander, ob dieses Bonmot YOGI BERRA zugeschrieben wird
oder ein dänisches Sprichwort paraphrasiert. 49 BÖCKLI (Fn. 46), N 827. 50 Dazu BÖCKLI (Fn. 46), N 827. 51 DANIEL DAENIKER/STEFAN WALLER, Kapitalmarktbezogene Informationspflichten und Haftung,
in: Weber (Hrsg.), Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht, Zürich 2003, 55 ff., 74 (m.w.H). 52 So bereits BGE 47 II 272, E. 1. – Ebenso BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 32(ii); MARTIN FURRER, Wann
führt Kommunikation zur Haftung?, in: Baker & McKenzie (Hrsg.), Haftung und Verantwortung
im Kapitalmarkt- und Finanzbereich, Zürich 2003, 92. 53 Vgl. BÖCKLI (Fn. 46), N 828.
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Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Prognose ist auf die Verhältnisse im
Zeitpunkt ihrer Abgabe abzustellen. Allein der Umstand, dass sich eine Prognose im
Nachhinein als unrichtig erweist, ist dem Unternehmen nicht anzulasten. In der Praxis
machen Unternehmen deshalb regelmässig Angaben zu den Prämissen, auf denen ihre
konkreten zukunftsgerichteten Aussagen beruhen54. Auf Fakten basierte Kommunika-
tion von Prognosen dürfte damit kaum je zur Haftung führen. In der Lehre wird denn
auch zu Recht postuliert, dass nur absichtliche Falschaussagen haftpflichtrechtlich
relevant seien55.
IV. Zugeben unternehmerischer Fehler
1. Zugeben von Fehlern als Kommunikationsstrategie
Die in Teil II. gemachten Ausführungen zum Wert von Reputation zeigen, wie schnell
sich ein guter Ruf verlieren lässt56. Ganz besonders gilt das im Zeitalter der sozialen
Medien und der Boulevardisierung der Finanzpresse57.
Die Kommunikationswissenschaft kennt für den Fall einer Krisensituation, die durch
unternehmerisches Fehlverhalten verursacht ist, grundsätzlich zwei Strategien: full
apology, bei der die Verantwortung für ein Fehlverhalten übernommen wird, oder de-
nial, bei der Verfehlungen so lange wie möglich abgestritten werden58. Empirische
Studien scheinen aufzuzeigen, dass bei offensichtlichen Missständen full apology die
Kommunikationsstrategie darstellt, die am meisten die Reputation bewahrt; ist ein Feh-
ler passiert, soll ein Unternehmen dazu stehen59. Die Entwicklung zu dieser Erkenntnis
war indessen alles andere als geradlinig. Im 20. Jahrhundert verloren viele schweizeri-
sche Unternehmen die Kommunikationshoheit, weil sie im Rahmen von Unterneh-
menskrisen zu lange auf Tauchstation gingen60. Später wurde eher reaktives Verhalten
die Norm. Heute bemühen sich Unternehmen vermehrt, Gefahrenherde aufzuspüren,
bevor ein Problem entsteht, und nicht zu warten, bis die Polizei vor der Tür steht61.
––––––––––––––––––––––––– 54 GERHARD (Fn. 46), 975 (m.w.N.). 55 DAENIKER/WALLER (Fn. 51), 74; GERHARD (Fn. 46), 976. 56 S. vorne Fn. 11. 57 BRUNO FREY/CHRISTIAN ULBRICH, Shitstorms in sozialen und klassischen Medien, in: FS Nobel,
Bern 2015, 529 ff.; ANDRÉ CALLEGARI, Full Apology oder Denial? Ein Praxisvergleich zweier
Kommunikationsstrategien bei Personenkrisen, Masterarbeit ZHAW 2014, passim. 58 CALLEGARI (Fn. 57), 1. 59 In diesem Sinne CALLEGARI (Fn. 57), 43 ff. 60 Als Beispiel KASPAR SILBERSCHMIDT, Die Kommunikation der Schweizerischen Kreditanstalt
(SKA) vor und nach dem Chiasso-Skandal (1977), Zürich 2014, 8 ff. 61 Neue Zürcher Zeitung vom 19. Januar 2016, Nr. 14, 29: «Geschäftsgebaren unter öffentlicher Be-
obachtung – Der Umgang mit Reputationsrisiken erfordert proaktives Verhalten».
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
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Wie lässt sich full apology aber rechtlich einordnen? Anwälte sind darauf trainiert,
Verschwiegenheit als eine der obersten Prämissen zu sehen, Kommunikationsexperten
lernen dagegen, möglichst rasch und offen zu informieren – ein Interessengegensatz
erster Güte62. Offene Kommunikation ist gegebenenfalls auch ein Problem für den
Klienten. Führt das Zugeben von Fehlern zur zivil- oder gar zur strafrechtlichen Ver-
antwortlichkeit, wird der Klient eher geneigt sein, Fehler abzustreiten oder sich für ein
Fehlverhalten nicht zu entschuldigen63.
«Accepting responsibility results in organizations losing lawsuits related to the crisis. If an organization says it is responsible, it must pay in court.»64
Trotz dieser apodiktischen Aussage finden sich in der Literatur aber auch einige Hin-
weise darauf, dass das Zugeben von Fehlverhalten auch in rechtlicher Hinsicht das
richtige Vorgehen darstellen kann, vor allem in Kulturkreisen, wo die öffentliche Ent-
schuldigung zum Standardrepertoire gehört65.
2. Zugeben von Fehlern als Rechtsproblem
Nachfolgend seien drei privatrechtliche Probleme des Zugebens von Fehlern näher
erörtert. Nicht beleuchtet sei die Frage, inwieweit das öffentliche Zugeben strafrecht-
lich relevanten Verhaltens in einem Strafprozess zur Verurteilung führen kann66.
a) Anwendungsfall Ad-hoc-Publizität
Wie erwähnt67, verpflichtet Art. 53 KR den Emittenten börsenkotierter Effekten, den
Markt über kursrelevante Tatsachen, die in seinen Tätigkeitsbereichen eingetreten sind,
zu informieren. Dazu gehören auch negative Ereignisse wie angedrohte Prozesse, un-
erwartete Verluste im laufenden Geschäft, der Rückruf von Produkten oder fehlge-
schlagene Investitionen, die zu wesentlichen Wertberichtigungen führen68. Jedes dieser
––––––––––––––––––––––––– 62 Ausführlich CALLEGARI (Fn. 57), 23 ff. 63 CALLEGARI (Fn. 57), 36 f. 64 W.T. COOMBS, Ongoing Crisis Communication: Planning, Managing and Responding, 3. Aufl.,
London 2012, 156. 65 MAX BOLSTAD, Learning from Japan: The Case for Increased Use of Apology in Mediation,
Cleveland State Law Review 48 (2000), 544 ff., 558 f.; ROBIN CARROLL, Apologies as a Legal
Remedy, Sydney Law Review 35 (2013), 317 ff. 66 Weiterführend WOLFGANG WOHLERS, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Aufl., Zürich 2014, N 1 ff. zu Art. 139 StPO;
ferner GUNHILD GODENZI, a.a.O., N 1 ff. zu Art. 160 StPO. 67 S. vorne III.1. 68 Kommentar der SIX Swiss Exchange zur RLAhP, Rz. 50 ff.; ANNA PETER, Die kursrelevante Tat-
sache, Diss. Zürich 2015, N 215 ff., sowie LUKAS FAHRLÄNDER, Der revidierte Insiderstraftatbe-
stand, Diss. Zürich 2015, N 515 ff.
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DANIEL DAENIKER
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Ereignisse wird den Aktienkurs des kotierten Unternehmens voraussichtlich negativ
beeinflussen. Das KR lässt dem Emittenten aber keine Wahl: Auch bad news müssen
unverzüglich kommuniziert werden69.
Damit stellt sich die Frage, ob das Zugeben eines Fehlers für sich allein haftungsrele-
vant ist. Soweit ersichtlich, ist das nicht der Fall. Die rechtzeitige und korrekte Kom-
munikation unternehmerischer Fehlschläge führt nicht zur Haftung, gerade weil sie von
der Rechtsordnung geboten ist. Dies gilt in der Schweiz70 ebenso wie in den USA, wo
die Prozessfreudigkeit von Klägeranwälten legendär ist. In den USA behaupten Kläger
in den Prozessen um securities fraud denn auch regelmässig, der Emittent hätte falsch
oder verspätet den Markt orientiert71.
Der Zankapfel, der auch die schweizerische Rechtslehre seit einiger Zeit beschäftigt, ist
die Frage der Haftung für falsche, aber auch für die unterlassene oder verspätete Ad-
hoc-Publizität. In der Lehre wird zum Teil davon ausgegangen, es bestehe eine Haftung
für die absichtliche Falschinformation des Markts; teils wird auch eine Haftung für
fahrlässiges Fehlverhalten postuliert, gestützt auf die Theorie, dass Art. 53 KR eine
Schutznorm i.S.v. Art. 41 Abs. 1 OR darstellen soll72. Das Bundesgericht hat die Frage
offengelassen73. Aber selbst die Befürworter der Haftung für verspätete Information
gehen davon aus, dass eine Unternehmung vor allem denjenigen Anlegern den Schaden
zu ersetzen hat, die ihre Aktien zum falschen Zeitpunkt gekauft haben: zwischen dem
Augenblick, als das Unternehmen hätte informieren müssen, und dem Moment, wo
tatsächlich informiert wurde. Wer rasch, richtig und vollständig informiert, kann dies
ohne Haftungsfolgen tun.
––––––––––––––––––––––––– 69 FAHRLÄNDER (Fn. 68), N 518. 70 DAENIKER/WALLER (Fn. 51), 105 ff.; DANIEL DAENIKER, Fraud on the Market: ökonomische
Theorien vor Gericht, GesKR 2014, 396 ff., 401. 71 Ausführlich DAENIKER (Fn. 70), 399 ff. 72 Zum Meinungsstand vgl. BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 71; BGE 137 III 37, E. 2.2.1; DAENIKER
(Fn. 70), 401 Fn. 51; sowie ausführlich DANIEL DEDEYAN, Regulierung der Unternehmenskom-
munikation, Habil. Zürich 2015, 916 ff.; DERS., Haftung als Regulierungsinstrument im Finanz-
marktrecht? – Am Beispiel der Ad-hoc-Publizität, Beitrag in dieser Festschrift, 617 ff. 73 Vgl. BGE 137 III 37, E. 2.2.1, und die Entscheidbesprechung von MATTHIAS MAURER/HANS
CASPAR VON DER CRONE, Rechtsschutz bei Dekotierung von der Börse SIX Swiss Exchange,
SZW 83 (2011), 400 ff.
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
551
b) Anwendungsfall Organverantwortlichkeit
Gemäss Art. 754 Abs. 1 OR sind die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der
Geschäftsführung befassten Personen der Gesellschaft den einzelnen Aktionären, im
Konkurs auch den Gesellschaftsgläubigern74, für den Schaden verantwortlich, den sie
durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen75.
Wesentliche unternehmerische Fehlleistungen können zur aktienrechtlichen Verant-
wortlichkeit führen, allerdings nur dann, wenn Sorgfalts- oder Treuepflichten verletzt
worden sind. Das Eingehen unternehmerischer Risiken, die sich als Fehlschlag erwei-
sen, führt für sich allein nicht zur Haftung, im Gegenteil: Wesen der unternehmeri-
schen Tätigkeit ist es gerade, Geschäfte zu tätigen, die nicht immer zum Erfolg führen.
Risiken einzugehen, ist also nicht per se haftungsbegründend. Ein unternehmerischer
Entscheid, der sich im Nachhinein als falsch herausstellt, war nicht unbedingt von
vornherein fehlerhaft und führt damit auch nicht automatisch zur aktienrechtlichen
Verantwortlichkeit76. Misserfolg allein stellt keine Pflichtverletzung dar, denn die ak-
tienrechtliche Verantwortlichkeit garantiert nicht den Unternehmenserfolg77.
Gehaftet wird also nicht für fehlgeschlagene unternehmerische Entscheide, sondern nur
(aber immerhin) für Entscheide, die in Verletzung von Sorgfaltspflichten beschlossen
oder durchgeführt worden sind. Dies aus der Rückschau zu beurteilen, ist nicht immer
ganz einfach78. Zu Recht auferlegen sich die Gerichte in solchen Fällen eine gewisse
Zurückhaltung und sehen grundsätzlich davon ab, ihr eigenes Ermessen an die Stelle
des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung zu setzen79. Das Bundesgericht hat sich
––––––––––––––––––––––––– 74 Vgl. dazu Art. 757 OR. 75 Zur Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR generell VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4), § 2 N
45 ff. 76 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (Fn. 31), § 28 N 24; BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 400 ff.; PETER
R. ISLER, Sorgfalt und Haftung des Verwaltungsrates, in: Weber (Hrsg.), Verantwortlichkeit im
Unternehmensrecht, Zürich 2003, 1 ff., 18; DANIEL DAENIKER, Kann eine schweizerische Publi-
kumsgesellschaft ihre Organe von Verantwortlichkeitsansprüchen schadlos halten?, GesKR 2009,
378 ff., 378; DIETER GERICKE/STEFAN WALLER, Business Judgment oder Judge's Business? – Die
Überprüfung von Geschäftsentscheidungen im Lichte der Praxis des Bundesgerichts, in: Kunz/
Jörg/Arter (Hrsg.), Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, Bern 2014, 287 ff., 314; ROLF H.
WEBER, Auf dem Weg zu einem neuen Konzept der Unternehmensverantwortlichkeit?, SJZ 112
(2016), 25 ff., 28. 77 Vgl. dazu auch HANS CASPAR VON DER CRONE/ANTONIO CARBONARA/SILVIA HUNZIKER, Aktien-
rechtliche Verantwortlichkeit und Geschäftsführung, ZSR-Beiheft 43, Basel 2006, 21 ff., sowie
GERICKE/WALLER (Fn. 76), 315. 78 Dazu VITO ROBERTO/KRISTOFFEL GRECHENIG, Rückschaufehler («Hindsight Bias») bei Sorgfalts-
pflichtverletzungen, ZSR 130 (2011) I, 5 ff., 5 f. und 11 ff. 79 HANS CASPAR VON DER CRONE, Haftung und Haftungsbeschränkung in der aktienrechtlichen Ver-
antwortlichkeit, SZW 78 (2006), 2 ff., 6 f., insb. Fn. 29.
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DANIEL DAENIKER
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in jüngerer Vergangenheit mehrfach mit dieser Thematik konfrontiert gesehen und
dabei die von der h.L.80 geforderte Zurückhaltung bei der nachträglichen gerichtlichen
Beurteilung von Geschäftsentscheiden anerkannt81.
Dieser Umstand hat auch Konsequenzen hinsichtlich der Kommunikation. In der Praxis
ist die Grenze zwischen der Fehlbeurteilung, die nicht zur Verantwortlichkeit führt,
und dem rechtlich relevanten unternehmerischen Fehler i.S.v. Art. 754 Abs. 1 OR nicht
ganz so einfach zu ziehen. Eine Unternehmenskommunikation, die nicht selbstschädi-
gend sein soll, muss diese Balance stets beachten.
Am einfachsten wäre es auch hier, zu Fehlern grundsätzlich keine Stellung zu nehmen
bzw. diese abzustreiten. Häufig ist aber eine Erklärung erforderlich, um die kochende
Volksseele zu besänftigen. Anschauliches Beispiel sind die Transparenzberichte der
UBS AG, mit denen im Jahre 2010 die Ereignisse im Zusammenhang mit den Verlus-
ten im Rahmen der Finanzmarktkrise aufgearbeitet wurden. Vor Veröffentlichung die-
ser Berichte war vielfach die Forderung zu hören, die ehemaligen Organe der UBS AG
müssten für die Verluste zivil- oder gar strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wer-
den. Sogar parlamentarische Kommissionen und der Bundesrat befassten sich mit dem
Fall82. Die Transparenzberichte83 räumten im Ergebnis bei der UBS AG ebenso wie bei
vielen anderen Banken eine mangelhafte Beurteilung der Lage ein, ein unternehmeri-
sches Fehlverhalten wurde allerdings nicht zugegeben. Die Berichte wurden in der
Öffentlichkeit unterschiedlich aufgenommen84, führten aber im Ergebnis dazu, dass der
rechtliche Druck auf einen Schlag verschwand.
––––––––––––––––––––––––– 80 Vgl. BSK OR II-GERICKE/WALLER, 5. Aufl., Basel 2016, N 31a zu Art. 754 OR, mit einer aktuel-
len Übersicht zum Meinungsstand. 81 Vgl. etwa BGer 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012, E. 5.1, bestätigt in BGE 139 III 24, E. 3.2, sowie
in den Urteilen des Bundesgerichts 4A_603/2014 vom 11. November 2015, E. 7.1.1, 4A_97/2013
vom 28. August 2013, E. 5.2, und 4A_15/2013 vom 11. Juli 2013, E. 6.1; DANIEL BRUGGER/HANS
CASPAR VON DER CRONE, Gerichtliche Beurteilung von Geschäftsentscheiden, SZW 85 (2013),
178 ff. (m.w.H.). 82 <https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20105369>. 83 UBS AG, Transparenzbericht an die Aktionärinnen und Aktionäre der UBS AG, Oktober 2010;
TOBIAS STRAUMANN, Die UBS-Krise aus wirtschaftshistorischer Sicht, Expertenbericht erstellt
zu Handen der UBS AG, 28. September 2010; abrufbar unter: <http://static.nzz.ch/files/4/6/7/
Straumann_de_1.7997467.pdf>. 84 Neue Zürcher Zeitung vom 15. Oktober 2010, Nr. 240, 23 und 25; SonntagsZeitung vom 17. Ok-
tober 2010, 53.
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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht
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c) Anwendungsfall Produktehaftpflicht und -sicherheit
Wie die börsenrechtlichen Regeln zur Ad-hoc-Publizität85 machen auch die anwendba-
ren Vorschriften zur Produktehaftpflicht das Zugeben von Fehlern nicht zur Option,
sondern schlicht zur Rechtspflicht.
Das Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG) sieht vor, dass derjenige, der ein
Produkt in Verkehr bringt, grundsätzlich für dessen Sicherheit zu sorgen hat:
«Produkte dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn sie bei normaler oder bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender und Dritter nicht oder nur geringfügig gefährden.»86
Damit einher geht die Pflicht, Gefahren zu erkennen, die vom Produkt ausgehen kön-
nen, und Massnahmen zu treffen, um allfällige Gefahren abwenden zu können (Art. 8
Abs. 2 lit. a und g PrSG).
Wird festgestellt oder besteht Grund zur Annahme, dass von einem Produkt eine Ge-
fahr ausgeht, statuiert Art. 8 Abs. 3 PrSG eine Reihe von Pflichten, die unverzüglich
erfüllt werden müssen, unter anderem Warnungen, Verkaufsstopp, Rücknahme vom
Markt oder Rückruf des Produkts. Ein Marktteilnehmer wird also im Falle der Feststel-
lung einer Gefährdung durch ein Produkt nicht nur wegen seiner Reputation, sondern
schlicht aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen gehalten sein, öffentlich einen Fehler
einzugestehen. In der Praxis geschieht dies sehr häufig, wird aber in der Öffentlichkeit
wenig wahrgenommen – es sei denn, es handle sich um spektakuläre Fälle wie zum
Beispiel die Manipulation von Abgastests bei Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns87.
Führt ein Rückruf also automatisch zur Haftung? Art. 4 PrHG hält fest, dass ein Pro-
dukt fehlerhaft ist, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung
aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Gesteht der Hersteller einen Fehler ein, ist
eine Hürde für die Annahme der Haftpflicht, nämlich der Nachweis des Fehlers, bereits
genommen. Die übrigen Voraussetzungen der Haftung nach PrHG88 – Schaden und
Kausalzusammenhang (Art. 1 und 6 PrHG) – müssen dagegen erst noch bewiesen wer-
den.
––––––––––––––––––––––––– 85 S. vorne III.2. 86 Art. 3 Abs. 1 PrSG. 87 Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 21. September 2015, Nr. 218, 23, und vom 19. Januar 2016,
Nr. 14, 29. 88 Weiterführend PIERRE WIDMER, Produktehaftung – Konzept und Umsetzung, in: Fellmann/Furrer
(Hrsg.), Produktsicherheit und Produkthaftung – Neue Herausforderungen für schweizerische Un-
ternehmen, Bern 2011, 101 ff.; WALTER FELLMANN/ANDREA KOTTMANN, Schweizerisches Haft-
pflichtrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil sowie Haftung aus Verschulden und Persönlichkeitsverlet-
zungen, gewöhnliche Kausalhaftungen des OR, ZGB und PrHG, Bern 2012, N 1079 ff.
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V. Fazit
Die in diesem Aufsatz gemachten Bemerkungen lassen folgende Schlussbemerkungen
zu:
Unternehmen handeln nicht nur aufgrund rechtlicher Pflichten, sondern häufig
auch aus Sorge um ihren guten Ruf. Aus diesem Grund können Empfehlungen des
soft law, die auf die Reputation eines Unternehmens zielen, das Verhalten von Un-
ternehmen ähnlich wirkungsvoll steuern wie staatlicher Zwang.
Der bei Juristen verbreitete Reflex, Fehler zunächst zu bestreiten, muss v.a. bei
börsenkotierten Unternehmen unterdrückt werden. Zum Teil sind es die Börsenre-
gularien oder gar gesetzliche Vorschriften, die ein Unternehmen anhalten, unter-
nehmerische Fehler sofort und umfassend den Marktteilnehmern mitzuteilen89.
Zum Teil liegt es auch in den ureigenen Interessen eines Unternehmens, zu Fehlern
zu stehen, selbst wenn dadurch das Ansehen (und der Aktienkurs) der betroffenen
Gesellschaft kurzfristig Schaden erleiden. Auch aus rechtlicher Sicht kann daher
full apology90 eine sinnvolle und gebotene Strategie darstellen.
Längst nicht jeder Fehler führt zur Schadenersatzpflicht. Vielmehr lässt das Recht
immer wieder Spielraum für das Zugeben von Fehlverhalten ohne Haftungsfol-
gen91.
Zum Schluss verbleibt die Erkenntnis, die der Jubilar schon anfangs der 1990er-Jahre
vorweggenommen hat: Reputation steuert wünschbares Verhalten von Teilnehmern im
Wirtschaftsleben häufig wirkungsvoller als der Holzhammer der Regulierung.
––––––––––––––––––––––––– 89 S. vorne III.2. und IV.2.c). 90 S. vorne IV.1. 91 S. vorne IV.2.a). und IV.2.b).
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