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Feldherpetologisches Magazin Heft 1, März 2014 Die verlorene Sammlung des Naturhistorischen Museums Poppelsdorf und ein erwähnenswerter historischer Winterfund vom Kammmolch (Triturus cristatus) in Bonn Markus Lambertz Institut für Zoologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Poppelsdorfer Schloss, D-53115 Bonn, [email protected] Während die Sammlung des einstigen Naturhistorischen Museums Poppelsdorf schon durch frühzeitige Verwahrlosung um die vorletzte Jahrhundertwende (Reichensperger 1933) und spätestens durch die zerstörerischen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs mit Ausnahme von wenigen Einzelstücken verloren gegangen ist, konnte der alte Kata- log, der mehrere Jahrzehnte Sammlungstätigkeit des 19. Jh. dokumentiert, erhalten werden. Mit der Aufschrift „Eingangs-Verzeichnisse für die zoologische Abtheilung seit Ostern 1849“ wird er derzeit in der Hausbibliothek der Nachfolgeinstitution, dem heuti- gen Institut für Zoologie der Universität Bonn, verwahrt. Dieses historisch äußerst wert- volle Dokument liefert dank der Auflistung von Ankäufen, Schenkungen und Tausch- vorgängen die Möglichkeit, Hinweise auf die alten und verloren gegangenen Samm- lungsbestände einer der einstigen Schaltstellen der deutschen Zoologie zu bekommen. Der Initiator dieses Katalogs war Franz Hermann Troschel (1810–1882), der als Nachfolger von Georg August Goldfuss (1782–1848) der zweite Professor für Zoologie an der damals noch verhältnismäßig jungen Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn war. Mit seiner Berufung im Frühjahr 1849 wurde er gleichzeitig auch Mitdirek- tor des Museums, in dem er bis zu seinem Lebensende die Leitung der zoologischen Abteilung innehatte. Eine ausführlichere biographische Skizze von Troschel, besonders auch hinsichtlich einiger seiner Verknüpfungen zur Herpetologie, findet sich in Lam- bertz (im Druck). Bei einer kritischen Durchsicht des alten Katalogs stieß ich auf den Eintrag, der An- lass zur vorliegenden Mitteilung gegeben hat. Auf einer Seite des Katalogs (die Seiten sind nicht nummeriert) sind mehrere Schenkungen aus dem Jahre 1852 aufgelistet. Darunter findet sich auch ein Eintrag zu einer Schenkung Troschels selbst (Abb. 1). Abb. 1: Handschriftlicher Eintrag zu dem Kammmolchfund von 1852 aus dem alten Eingangsverzeich- nis des Naturhistorischen Museums Poppelsdorf.

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Feldherpetologisches Magazin Heft 1, März 2014

Die verlorene Sammlung des Naturhistorischen Museums Poppelsdorf und

ein erwähnenswerter historischer Winterfund vom Kammmolch (Triturus cristatus) in Bonn

Markus Lambertz

Institut für Zoologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Poppelsdorfer Schloss, D-53115 Bonn, [email protected]

Während die Sammlung des einstigen Naturhistorischen Museums Poppelsdorf schon durch frühzeitige Verwahrlosung um die vorletzte Jahrhundertwende (Reichensperger 1933) und spätestens durch die zerstörerischen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs mit Ausnahme von wenigen Einzelstücken verloren gegangen ist, konnte der alte Kata-log, der mehrere Jahrzehnte Sammlungstätigkeit des 19. Jh. dokumentiert, erhalten werden. Mit der Aufschrift „Eingangs-Verzeichnisse für die zoologische Abtheilung seit Ostern 1849“ wird er derzeit in der Hausbibliothek der Nachfolgeinstitution, dem heuti-gen Institut für Zoologie der Universität Bonn, verwahrt. Dieses historisch äußerst wert-volle Dokument liefert dank der Auflistung von Ankäufen, Schenkungen und Tausch-vorgängen die Möglichkeit, Hinweise auf die alten und verloren gegangenen Samm-lungsbestände einer der einstigen Schaltstellen der deutschen Zoologie zu bekommen.

Der Initiator dieses Katalogs war Franz Hermann Troschel (1810–1882), der als Nachfolger von Georg August Goldfuss (1782–1848) der zweite Professor für Zoologie an der damals noch verhältnismäßig jungen Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn war. Mit seiner Berufung im Frühjahr 1849 wurde er gleichzeitig auch Mitdirek-tor des Museums, in dem er bis zu seinem Lebensende die Leitung der zoologischen Abteilung innehatte. Eine ausführlichere biographische Skizze von Troschel, besonders auch hinsichtlich einiger seiner Verknüpfungen zur Herpetologie, findet sich in Lam-bertz (im Druck).

Bei einer kritischen Durchsicht des alten Katalogs stieß ich auf den Eintrag, der An-lass zur vorliegenden Mitteilung gegeben hat. Auf einer Seite des Katalogs (die Seiten sind nicht nummeriert) sind mehrere Schenkungen aus dem Jahre 1852 aufgelistet. Darunter findet sich auch ein Eintrag zu einer Schenkung Troschels selbst (Abb. 1).

Abb. 1: Handschriftlicher Eintrag zu dem Kammmolchfund von 1852 aus dem alten Eingangsverzeich-nis des Naturhistorischen Museums Poppelsdorf.

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Dieser belegt einen Kammmolch (Triton cristatus = Triturus cristatus) unbestimmten Alters und Geschlechts, der von Troschel im Januar des selben Jahres auf der Pop-pelsdorfer Allee in Bonn gefunden wurde.

Der von Troschel gefundene Kammmolch belegt interessanterweise einen bis heute unberücksichtigten Fundpunkt in Nordrhein-Westfalen. Laut der Verbreitungskarte die-ser Art in NRW (Kupfer & von Bülow 2011), gibt es bislang keine historischen oder ak-tuellen Nachweise für den MTB-Quadranten 5208/4, in dem sich die Poppelsdorfer Al-lee befindet. Für den Bereich des Botanischen Gartens und seiner Gewässer wurden an Schwanzlurchen bisher nur der Teichmolch, (Lissotriton vulgaris) und der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) nachgewiesen (Dalbeck et al. 1997, M. Hachtel pers. Mitt. 2013).

Da Kammmolche meist entweder direkt im Laichgewässer selbst oder innerhalb ei-nes umliegenden Gebietes von wenigen 100 m dazu aufzufinden sind (Kupfer & von Bülow 2011), stellt sich die Frage nach dem damaligen Laichgewässer. Die Poppels-dorfer Allee endet im Südwesten am Poppelsdorfer Schloss, in dem auch das Museum untergebracht war und das noch heute das Institut für Zoologie beherbergt. Um das Schloss und den anliegenden Botanischen Garten der Universität herum erstreckt sich der Poppelsdorfer-, Melb- oder auch schlicht Schlossweiher (Abb. 2). Dieser wird von dem am nahe gelegenen Venusberg entspringenden und ebenfalls mehrere Namen tragenden Engels-, Melb- oder Poppelsdorfer Bach gespeist, der über weite Teile des Ortsteils Poppelsdorf allerdings unterirdisch fließt (Uessem 2011).1

Eine weitere zumindest denkbare Alternative zum Poppelsdorfer Weiher und den anderen Kleinstgewässern im Botanischen Garten als Laichgewässer für den von Tro-schel dokumentierten Kammmolch wäre das sogenannte Quantiusloch und seine nähe-re Umgebung gewesen. Bis mindestens in die zweite Hälfte des 19. Jh. wurde über-schüssiges Wasser aus dem Schlossweiher unterirdisch dem Verlauf der Poppelsdor-fer Allee folgend abgeleitet, bis es auf Höhe der alten Sternwarte (jedoch auf der ande-ren Straßenseite, bei Hausnummer 66) im Quantiusloch zu Tage trat und daraufhin im umgebenden Morast versickerte (Uessem 2011).

Adulte Kammmolche überwintern in der Regel versteckt an Land, doch können ein-zelne Tiere bei milden Lufttemperaturen auch in den Wintermonaten aktiv sein (Kupfer & von Bülow 2011). Dies könnte erklären, warum das hier behandelte Exemplar des Kammmolchs mitten im Winter offen auf der Poppelsdorfer Allee gefunden wurde.

Für Troschel scheint der Fund nicht außergewöhnlich gewesen zu sein, da sich trotz intensiver Literaturrecherche keine weitere Notiz dazu finden ließ. Dass er sich an an-derer Stelle ausführlicher mit der Lokalfaunistik beschäftigt hat, ist unter anderem durch die Beschreibung des Funds eines Fadenmolchs (Lissotriton helveticus), durch seinen Schüler Philipp Bertkau (1849–1894) auf dem Bonner Venusberg belegt (Troschel 1872). Allerdings war der Fadenmolch zu dieser Zeit kaum bekannt und wurde lange nicht vom Teichmolch unterschieden, daher war dieser Fund für Troschel mit Sicherheit eine große Besonderheit, der Kammmolchfund in Poppelsdorf aber offenbar nicht.

__________ Abb. 2 (links): Oben: Zeitgenössische Darstellung des Poppelsdorfer Schlosses mitsamt Botanischem Garten und dem ihn ringsum, grabenartig umgebenden Weiher von Nordosten. Ausschnitt einer Litho-grafie von Otto von Kreyfelt, zwischen 1852 und 1856 (vgl. Weiling 1984: S. 161, sowie S. 314 im Ab-bildungsverzeichnis des Bandes). Vorlage in der Verwaltung der Botanischen Gärten Bonn. Unten: Das Poppelsdorfer Schloss und die Poppelsdorfer Allee als Luftbild im Dezember 2003. Gut zu erkennen ist der Wassergraben, der große Teile des Schlosses umgibt. Quelle: Google Earth.

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Wir können davon ausgehen, dass Troschel die in Deutschland heimischen Molch-arten sicher unterscheiden konnte (Lambertz im Druck). Ferner war er als begeisterter Wanderer sehr viel und häufig zu Fuß unterwegs (Dechen 1883), besonders auch im Bonner Raum, wo er als langjähriger Präsident des „Bonner Verschönerungsvereins“ unter anderem sogar aktiv an der Gestaltung von Wanderwegen beteiligt war (Wagner 1978). Es ist also auch von dieser Seite aus mehr als wahrscheinlich, dass er ausge-zeichnet mit seiner direkten Umwelt und der entsprechenden Fauna vertraut war.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass, obwohl die alte Sammlung des ehemaligen Naturhistorischen Museums Poppelsdorf seit nunmehr zahlreichen Jahrzehnten nicht mehr existiert, sie doch dank der Erhaltung ihres ordentlich geführten Eingangsver-zeichnisses selbst heute noch in der Lage ist, kleinere Beiträge zur historischen Natur-geschichte zu liefern. Ich danke Wolfram Lobin (Botanische Gärten der Universität Bonn) für die Bereitstellung eines Digitali-sats der hier wiedergegebenen Lithografie und Monika Hachtel (Biologische Station Bonn) für Hinweise zur Molchfauna der Botanischen Gärten.

Literatur

Dalbeck, L., M. Hachtel, A. Heyd, K. Schäfer, M. Schäfer & K. Weddeling (1997): Amphibien im Rhein-Sieg-Kreis und in der Stadt Bonn: Verbreitung, Gewässerpräferenzen, Vergesellschaftung und Ge-fährdung. – Decheniana 150: 235–292.

Dechen, H. v. (1883): Zur Erinnerung an Dr. Franz Hermann Troschel. – Correspondenzblatt des natur-historischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westfalens 1883/1: 35–54.

Kupfer, A. & B. von Bülow (2011): Kammmolch – Triturus cristatus. In: Hachtel, M., M. Schlüpmann, K. Weddeling, B. Thiesmeier, A. Geiger & C. Willigalla (Red.): Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens. Band 1: 375–406. – Bielefeld (Laurenti).

Lambertz, M. (im Druck): Franz Hermann Troschel als Herpetologe unter besonderer Berücksichtigung seiner Beiträge zur Kenntnis der neotropischen Fauna. – Mertensiella 21.

Reichensperger, A. (1933): Das Zoologische Institut und Museum. In: Bezold, F. v. (Hrsg.): Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn am Rhein. Band 2: Institute und Seminare: 402–412. – Bonn (Friedrich Cohen).

Troschel, [F. H.] (1872): „[Mitteilung], dass durch Herrn Candidaten Philipp Bertkau auf dem Venusber-ge nahe bei Bonn in den Wassertümpeln ein Wassersalamander aufgefunden sei, der bisher in Deutschland zu den Seltenheiten gehörte, und durch dessen Auffindung die Bonner Amphibienfauna eine Vermehrung erfährt” [Beitrag ohne diskreten Titel]. – Sitzungsberichte der Niederrheinischen Ge-sellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn 1872: 132.

Uessem, H. (2011): Woher kommt er und wohin geht er? (Erster Teil), Der Poppelsdorfer Bach ließ Fontänen springen (Zweiter Teil). In: Anonymus (Hrsg.): Zwischen Waldau und Weiher – Poppelsdorf und das Melbtal: 51–57. – Bonn (Förderverein Poppelsdorfer Geschichte).

Wagner, H. (1976): Der Bonner Verschönerungsverein, seine Gründung und Tätigkeit unter Franz Her-mann Troschel. Dargestellt an Hand von Presseberichten aus den Jahren 1859–1884. – Bonner Ge-schichtsblätter 28: 139–166.

Weiling, F. (1984): Julius Sachs (1832–1897), Begründer der modernen Pflanzenphysiologie. Sein Wir-ken in Bonn 1861–1867. – Bonner Geschichtsblätter 35: 137–177.