Aktuelles Schwerbehindertenrecht · 2012. 10. 26. · Professor Franz Josef Düwell Höhere Quote...

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Professor Franz Josef Düwell Aktuelles Schwerbehindertenrecht Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung

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Professor Franz Josef Düwell

Aktuelles

Schwerbehindertenrecht

Neues aus Rechtsprechung und

Gesetzgebung

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Dynamisierung führt zur

Erhöhung der

Ausgleichsabgabe

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Beschäftigungspflicht nach

71

Abs.1 SGB IX

• Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich

monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen

haben eine Beschäftigungspflicht zu

erfüllen.

• Sie haben auf wenigstens 5% der

Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen

zu beschäftigen.

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Entwicklung der SbM

schwerbehinderte Menschen im erwerbsfähigen

Alter 2011 = 3,23 Millionen.

Zunahme um 187.000 Menschen (+6%) im

Vergleich zu 2005.

Geschätzter Anstieg aufgrund demografischer

Entwicklung von 2005 bis 2021, +10% =

3,36 Millionen.

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Struktur der Erwerbstätigkeit sbM

• rund 876.000 schwerbehinderte Menschen arbeiten bei beschäftigungspflichtigen Unternehmen (Ausgleichsabgabenmeldung BA 2009),

• rund 142.700 schwerbehinderte Menschen arbeiten bei nichtbeschäftigungspflichtigen Unternehmen (Abfrage der BA für 2005),

• rund 280.000 Personen arbeiten in Werkstätten für behinderte Menschen (Meldungen der Länder zur Aufwendungserstattungsverordnung sowie Angaben der Rehabilitationsträger, Stand 2009),

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Statistisch erfasste Arbeitslosigkeit

• 180.394 sbM waren im Mai 2011 arbeitslos gemeldet.

• Von Juni bis August 2011 ist die Arbeitslosigkeit der sbM um 3,5 Prozentpunkte gestiegen, während die allgemeine Arbeitslosigkeit fiel.

• Im Januar 2012 waren ca. 6% aller Arbeitslosen SGB II und III schwerbehindert (ca. 170.000).

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Höhere Quote für öffentliche

Arbeitgeber

159 Abs.1 SGB IX

Die frühere höhere Pflichtquote von 6 % gilt weiterhin, soweit am 31.10.1999 mindestens 6% der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt war, für:

• Oberste Bundesbehörden mit den ihnen nachgeordneten Dienststellen,

• Oberste Gerichtshöfe des Bundes,

• Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts des Bundes.

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Ausgleichsabgabe

77 SGB IX

• Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber

müssen

• für jeden im Monat unbesetzten

Pflichtarbeitsplatz

• eine Ausgleichsabgabe zahlen.

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Staffelung der

Ausgleichsabgabe bis 2011

3 % bis < 5 % 105 €

(200 DM)

2 % bis < 3 % 180 €

(350 DM)

0 % bis < 2 % 260 €

(500 DM)

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:

Jahresdurchschnittliche

Arbeitsplatzzahl

Durchschnittlich

beschäftigte

schwerbehinderte

Menschen

Ausgleichs

abgabe

bis 2011

Bis 39 < 1 105 €

Bis 59 < 2 105 €

Bis 59 < 1 180 €

Erleichterungen für

Kleinunternehmer bis 2011

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Dynamisierung

• Der Ausgleichsabgabensatz ist in

77 Abs. 2 SGB IX zum 1.1.2001 festgesetzt worden.

• Dieser Satz ist in

77 Abs. 3 SGB IX dynamisiert.

• Die Ausgleichsabgabe erhöht sich danach entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach

18 Abs. 1 des

Vierten Buches SGB.

• Sie erhöht sich zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wenn sich die Bezugsgröße seit der letzten Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe um wenigstens 10 Prozent erhöht hat.

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Ab 2012

Erfüllungsquote Bisher Neu

3 bis unter 5

Prozent

105 € 115 €

2 bis unter 3

Prozent

180 € 200 €

0 bis unter 2

Prozent

260 € 290 €

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:

Jahresdurchschnittliche

Arbeitsplatzzahl

Durchschnittlich

beschäftigte

schwerbehinderte

Menschen

Ausgleichs

abgabe

ab 2012

Bis 39 weniger als < 1 Alt 105 €

Neu 115 €

Bis 59 weniger als < 2 Alt 105 €

Neu 115 €

Bis 59 weniger als < 1 Alt 180 €

Neu 200 €

Erleichterungen für

Kleinunternehmer ab 2012

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Selbstveranlagung des

Arbeitgebers

• Der Arbeitgeber hat die Ausgleichsabgabe

selbst zu berechnen, die maßgeblichen Daten der AA anzuzeigen und an die Abgabe zuständige Integrationsamt abzuführen (

77

Abs. 4 SGB IX).

• Spätester Zahlungstermin ist nach

80 Abs.2 Satz 1 der 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr.

• Ab 30. Juni erlässt die AA einen Feststellungsbescheid.

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Anrechnung von Behinderten-

Werkstattrechnungen

• Nach

140 SGB ist der Arbeitgeber berechtigt,

50 v.H. des auf die Arbeitsleistung entfallenden

Rechnungsbetrages von Aufträgen an

anerkannte Werkstätten für behinderte

Menschen auf die Ausgleichsabgabe

anzurechnen (

140).

• So kann der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht

mindern und dennoch zur Beschäftigung

schwerbehinderter Menschen beitragen.

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Vorrang der

Beschäftigungspflicht

• Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt nach

dem Pflicht zur Beschäftigung

schwerbehinderter Menschen nicht auf.

• Die klaren Wortlaut von

77 Abs. 1 Satz 2

SGB IX die Beschäftigungspflicht hat danach

Vorrang und erlischt nicht durch die

Entrichtung der Ausgleichsabgabe. Es besteht

entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben

keine Möglichkeit des »Freikaufs«.

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Antriebsfunktion

• Die Ausgleichsabgabe ist zusammen mit der zahlenmäßig auf 5 % quotierten Beschäftigungspflicht (

71 SGB IX) und

• der nicht zahlenmäßig quotierten Ausbildungspflicht (

72 Abs.2 SGB IX

„angemessener Anteil“)

• das Element des Systems, das antreiben soll, erwerbsfähige schwerbehinderte Menschen einzustellen und während der Beschäftigung schwerbehindert gewordene Menschen nicht auszugliedern.

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Einnahmen aus der

Ausgleichabgabe

• Im Jahr 2010 lagen die Einnahmen aus

der Ausgleichsabgabe bei 466,50 Mio. €.

• Im Vergleich zum Vorjahr war ein

gravierender Rückgang um etwa 51,6 Mio.

€ (rund 10 %) gegenüber dem Vorjahr.

BIH – Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und

Hauptfürsorgestellen, Jahresbericht 2010/2011, S. 16.

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Einnahmerückgang bei IA

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Ausgleichsfunktion

• Die Ausgleichabgabe hat auch eine Ausgleichsfunktion. Sie darf nur zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben verwandt werden,

77 Abs. 5 SGB IX. Dazu gehören auch Leistungen an Arbeitgeber, die durch die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen erhöhte Aufwendungen haben.

• Die Einnahmen fließen den Integrationsämtern (

77 Abs. 4 SGB IX als Einzugsstellen) zu. Nach

77 Abs. 6

SGB IX müssen die Integrationsämter einen Prozentsatz an den beim BMAS eingerichteten Ausgleichsfonds abführen. Der Bund hat 2009 damit die Unterstützte Beschäftigung für behinderte, aber nicht schwerbehinderte Jugendliche gefördert.

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Owi

• Es kommt als weiteres Druckmittel noch

die Ahndung der Nichterfüllung der

Beschäftigungspflicht durch Bußgeld (

156 SGB IX) hinzu.

• Das System hat jedoch auf private

Arbeitgeber nur eine begrenzte Wirkung.

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Ahndung als

Ordnungswidrigkeit • Die vorsätzliche oder fahrlässige

Nichterfüllung der Pflicht zur Besetzung von Pflichtarbeitsplätzen ist nach

156

Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Ordnungswidrigkeit.

• Bußgeldrahmen 5 bis 10 000 Euro,

156 Abs. 2 SGB IX.

• Zuständig ist B A,

156 Abs. 4 SGB IX.

• Das Bußgeld ist abzuführen an das Integrationsamt,

156 Abs. 5 SGB IX.

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Umfang der Organisationsschuld

• Vorstände und GF müssen nicht nur das Unternehmen so organisieren, dass Straftaten und Ordnungswidrigkeiten unterlassen werden.

• Sie haben nach

81 Abs. 3 SGB IX auch die Pflicht initiativ zu werden. Sie müssen alle zumutbaren und geeigneten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Quote erfüllt wird.

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Eine Ordnungswidrigkeit liegt vor,

wenn Handlung oder Unterlassung • Rechtswidrige Nichterfüllung

71 Abs.1 SGB IX,

• Vorsatz = Wissen und Wollen der Nichterfüllung

• oder wie in

156 Abs.1 Nr.1 SGB IX ausdrücklich genannt: Fahrlässigkeit = Außerachtlassen der in

81 Abs. 3 SGB IX

vorgeschriebenen Sorgfaltspflicht, obwohl Betroffener entsprechend den Umständen und Fähigkeiten hätte erfüllen können.

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Verantwortlichkeit für die Erfüllung

der Beschäftigungspflicht

• Der Arbeitgeber ist für die Erfüllung der

Beschäftigungspflicht verantwortlich.

• Bei Kapitalgesellschaften: AG = Vorstand

GmbH = Geschäftführer (GF).

• Vorstand und GF haben nach

130 OWiG

das Unternehmen so zu organisieren,

dass es nicht zu Straftaten oder

Ordnungswidrigkeiten kommt.

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Verantwortung des

Arbeitgeberbeauftragten

• Der Arbeitgeberbeauftragte

1. vertritt den Arbeitgeber verantwortlich

in den Angelegenheiten der

schwerbehinderten Menschen,

98 Satz

1 SGB IX,

2. achtet vor allem darauf, das dem AG

obliegende Verpflichtungen erfüllt

werden.

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SBV, BR und PR als Überwacher

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Überwachung der

Beschäftigungspflicht

• SBV hat Aufgabe, schwerbehinderte Menschen in den Betrieb einzugliedern,

95 Abs.1 Satz 1

SGB IX.

• Sie hat zur Erfüllung dieser Aufgabe nach

95 Abs. 1 Satz 2 SGB IX zu überwachen, dass die dem Arbeitgeber nach

71,72 SGB IX

obliegende Beschäftigungspflicht erfüllt wird.

• Der BR hat nach

93 Satz 2 SGB IX ebenso die Aufgabe, „darauf zu achten“, dass die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten aus

71,72

SGB IX erfüllt werden.

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Arbeitgeberbeauftragter

• Nach

98 Satz 3 SGB IX hat der

Arbeitgeberbeauftragte für die

Angelegenheiten schwerbehinderter

Menschen

• „vor allem darauf zu achten“,

• dass die Verpflichtungen aus

71,72

SGB IX erfüllt werden.

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Mittel zur Kontrolle

nach

80 Abs. 2 S. 3 SGB IX

• Von dem Verzeichnis und von den an die

an Arbeitsagentur und Integrationsamt

gerichteten Anzeigen mit den Daten für

die Ausgleichsabgabe ist je eine Kopie zu

übermitteln an:

• Schwerbehindertenvertretung und

• Betriebsrat/Personalrat

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Durchsetzung der Übermittlung

• Die betrieblichen Arbeitnehmervertretungen sollen in die Lage versetzt werden, jeweils für sich eigenständig die Richtigkeit der Angaben abklären zu können.

• Kommt der Arbeitgeber seiner Übermittlungspflicht nicht nach, so verletzt der Arbeitsgeber seine Bringschuld.

• BR, PR und SBV können Ihren Informationsanspruch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gemeinsam oder auch einzeln durchsetzen,

2a Abs. 1 Nr. 1, 3a

ArbGG.

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Gerichtliche Durchsetzung

• Erhalten BR und SBV bis zum 31.3.2012 für das abgelaufene Jahr 2011 keine Datenübermittlungen, so können sie beim Arbeitsgericht im Beschlussverfahren beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Daten ihnen zu übermitteln.

• BR

2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG,

80 Abs.2 Satz 3 SGB IX.

• SBV

2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG,

80 Abs.2 Satz 3 SGB IX.

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Erfolg des Systems von

Beschäftigungspflicht

Ausgleichsabgabe und Owi

Rechtstatsachen

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ÖD = Vorbild

Privatwirtschaft hängt hinterher

• Der öffentliche Dienst hat seine

Beschäftigungsquote mit 6,3 % im Jahr 2009

übererfüllt hat, während in der Privatwirtschaft –

über all die Jahre hinweg – die

Beschäftigungsquote nicht einmal 4 % erreicht.

• Die Annäherung der durchschnittlichen

Beschäftigungsquote an die 5 - Prozent -

Grenze, ist zum größten Teil auf die positive

Entwicklung im öffentlichen Dienst

zurückzuführen.

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Soll

Die Grundlage für die Berechnung der Pflichtarbeitsplätze sind über 20,3 Mio. Arbeitsplätze. Um eine durchschnittliche Beschäftigungsquote von 5 % zu erreichen, müssten 982.276 Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt sein:

– Sollarbeitsplätze in der Privatwirtschaft: 741.161.

– Sollarbeitsplätze im öffentlichen Dienst: 241.115.

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Defizit

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind Sollarbeitsplätze unbesetzt

– in der Privatwirtschaft: 236.457

– Im öffentlichen Dienst: 15.696.

Rechnerisch könnte die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen beseitigt werden. Stand Januar 2012: 182.390 Schwerbehinderte.

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Ver.di

• Daher fordert ver.di die Wiederanhebung der Beschäftigungsquote auf 6 % sowie die schrittweise Anhebung der Ausgleichsabgabe auf mindestens ein Viertel des monatlichen Durchschnittsentgelts für eine Vollzeitstelle (in 2011 rd. 2.522 €).

• Bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis weniger als 5 % (künftig 6 %) sollte dann die Ausgleichsabgabe pro fehlenden Arbeitsplatz/Monat von 105 € auf 250 €, bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis weniger als 3 % von 180 € auf 500 € und bei einer Beschäftigungsquote von weniger als 2 % von 260 € auf 750 € angehoben werden.

• Behindertenpolitischer Leitantrag „Soziale, berufliche und gesellschaftliche Inklusion behinderter Menschen verwirklichen“, 3. Ordentlicher ver.di‐Bundeskongress.

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Vollzugsdefizit

• Die zuständige Verwaltungsbehörde ist die Bundesagentur für Arbeit.

• Hier besteht ein gravierendes Vollzugsdefizit. 2008 wurden nur 14 Fälle aufgegriffen, davon wurde in einem Fall eine Verwarnung ausgesprochen und in keinem Fall ein Bußgeld verhängt.

• 2009 3 Fälle, davon 2 x Bußgeld in Gesamthöhe von 550 Euro.

• Quelle: Bundesagentur für Arbeit Abt. SP III Owi Stand 29.4.2010,

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Zusatzurlaub

125 SGB IX

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Übertragung des Zusatzurlaubs

• In

125 Abs. 3 SGB IX ist zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung für die Übertragung des Zusatzurlaubs geschaffen worden.

• Es wird für die Übertragung des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr auf die für den Grundurlaub geltenden urlaubsrechtlichen Bestimmungen verwiesen.

• Das heißt: Für sb AN gilt

7 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BUrlG und für Beamte die Bestimmungen der Urlaubsverordnungen.

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Problem: Rückwirkende

Feststellungen von GdB 50+ • Stellt das Versorgungsamt entgegen dem

Beschleunigungsgrundsatz des

69 Abs.1 Satz 2 SGB IX erst nach Ablauf des Urlaubsjahres rückwirkend auf den Tag des Antragseingangs im Vorjahr den GdB wenigstens 50 fest,

• so kann der Zusatzurlaub denklogisch nicht mehr als Arbeitspause im abgelaufenen Vorjahr gewährt werden.

• Im laufenden Urlaubsjahr kann der rückwirkend entstandene Anspruch nur gewährt werden, wenn er nach

7 Abs. 3 Satz 3 auf das laufende Urlaubsjahr am

31.12. des Vorjahres übertragen wurde.

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Verspätete Entscheidung kein

Übertragungsgrund

• Der zuständige Referent des BMAS: „Zusatzurlaub aus vergangenen Jahren kann nicht beansprucht werden“. Cramer, NZA 2004, 698, 711.

• Nach

7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG wird nur übertragen, wenn dies durch betriebliche oder in der Person liegende Gründe gerechtfertigt.

• Weder betriebliche noch in der Person liegende Gründe lagen im Vorjahr der Inanspruchnahme des Urlaubs entgegen.

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Ersatzurlaubsanspruch sichern

• Der Arbeitnehmer ist gut beraten, im laufenden Antragsverfahren seinen Anspruch auf Zusatzurlaub schon vor Ablauf des Urlaubsjahres gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.

• Denn hat der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch rechtzeitig erfolglos geltend gemacht, so muss der Arbeitgeber für die infolge des Erlöschens des Urlaubsanspruchs eingetretene Unmöglichkeit seiner Erfüllung einstehen. An die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs tritt dann ein Ersatzurlaubsanspruch.

• ständige Rechtsprechung seit BAG 22. 10. 1991 -9 AZR 373/90- BAGE 68, 362; BAG 21. 02. 1995 -9 AZR 166/94- BB 1995, 410.

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Staatshaftung

• Da nach

69 Abs.1 Satz 2 SGB IX das Feststellungsverfahren ohne Gutachteneinholung binnen 3 und mit Gutachteneinholung binnen 7 Wochen abgeschlossen sein muss,

• kann bei Verfall des Zusatzurlaubs wegen verspäteter GdB Feststellung vom Träger des Versorgungsamts Schadenersatz verlangt werden.

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Übertragung bei

Arbeitsunfähigkeit

• Der Zusatzurlaubsanspruch aus

125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden.

• Folglich ist die 2009 reformierte Rechtsprechung zu den Übertragungsregeln aus

7 Abs. 3 Satz 3 und 4 BUrlG nach dem

Grundsatz der Akzessorietät anzuwenden.

• BAG 23.03.2010 - 9 AZR 128/09- Behindertenrecht 2010, 88 = NZA 2010, 810-822

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Schuldrechtliche Dogmatik des

Urlaubsanspruchs

1. Urlaub ist nach

1 BUrlG bezahlte

Freistellung von der Arbeitspflicht.

2. Arbeitspflicht wird durch

Freistellungserklärung erlassen.

3.

611 BGB: Für die erlassene Arbeit ist

der Lohn zu zahlen.

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Voraussetzungen des Anspruchs

auf Erholungsurlaub

• Der Anspruch entsteht als Vollanspruch nach Ablauf der Wartezeit des

4 BUrlG zu Beginn

eines jeden Kalenderjahres, ohne dass zuvor Arbeitsleistungen erbracht wurden.

• Das bedeutet: Der Anspruch auf Urlaub setzt keine Arbeitsleistung voraus, sondern ist

• 1. auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses bezogen,

• 2. in dessen Verlauf noch Arbeitspflichten entstehen können.

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Verfall als Folge der Befristung

7 Abs. 3 BUrlG beinhaltet:

1. Satz 1: „Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist im Urlaubsjahr zu gewähren und zu nehmen“ bedeutet: Der Anspruch ist auf das Kalenderjahr bezogen = befristete Pause von der Arbeitpflicht.

2. Satz 2 und 3: Bei Vorliegen von Übertragungstatbeständen, tritt er kumulativ dem neuen Anspruch mit der Maßgabe zu, dass er bis zum 31. März des Folgejahres zu gewähren und zu nehmen ist = Verlängerung der Befristung.

3. Nach Ablauf der Befristung erlicht der übertragene Anspruchsteil:

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Übertragung und Verfall

• Übertragung > automatisch „Übertrag“ auf Folgejahr. Der im Vorjahr entstandene Anspruch tritt dem neu entstehenden Anspruch hinzu. > Kumulierung

• Voraussetzung „dringende betriebliche oder in der Person liegende Gründe“, Beispiel: Arbeitsunfähigkeit. Also ist vom BUrlG schon das Risiko des Störfalls, dass der AN aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, den Urlaub nicht nehmen kann, schon berücksichtigt.

• Wenn kein Übertrag oder Übertragungszeit abgelaufen, dann Verfall.

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Beispiel Übertragungsdauer

• Vollurlaub >

7 Abs.3 Satz 3 „in den ersten drei

Monaten“ = 31.3. Folgejahr.

• Beispiel Übertragung nach Wartezeit: AN tritt

1.5.2011 ein, wird am 10.10. ununterbrochen au.

Urlaub wird auf 1. Quartal 2012 übertragen.

Danach, wenn Urlaub nicht genommen wird, am

1.4.2012: ersatzloser Verfall!

• Teilurlaub >

7 Abs.3 Satz 4 „auf das nächste

Kalenderjahr“ = 31.12. Folgejahr.

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Inhalt der Arbeitszeitrichtlinie

• Art. 7 der 2003 neugefassten RL lautet: „Jahresurlaub

• (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

• (2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden

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EuGH C-350/06 Schultz-Hoff und

C-520/06 Stringer • Ersuchen der 12. Kammer LAG Düsseldorf vom

2. August 2006. Laut Glaser /Lüders, BB 2006, 2690 „letztes Aufbäumen der Kritik“ gegen Verfallrechtsprechung.

• Ersuchen des House auf Lords 13. Dezember 2006 wegen Urlaubsnahme bei krankheitsbedingter AU

• Die Große Kammer des EuGH hat am 20. Januar 2009 auf diese Vorlagen hin den Inhalt des Art. 7 der Arbeitszeit - Richtlinie im Rahmen einer verbundenen Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV verbindlich ausgelegt.

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Professor Franz Josef Düwell

EuGH sagt zum Verfallsgrundsatz:

„Ja“!

• Läuft das Urlaubsjahr (Bezugszeitraum)

und/oder ein im nationalen Recht

festgelegter Übertragungszeitraum ab, so

• kann der Anspruch nach dem nationalen

Recht, das die Gewährung des Urlaubs

regelt, erlöschen.

• Dem steht Art. 7 Abs.1 der RL nicht

entgegen.

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Professor Franz Josef Düwell

EuGH folgt nicht 12. K Düsseldorf

• Eine nationale Regelung kann festlegen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums erlischt.

• Damit ist entgegen der 12. K. LAG D‘dorf der Verfallsgrundsatz mit der Arbeitszeit-RL vereinbar!

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Professor Franz Josef Düwell

Welche Bedeutung hat die

Übertragungsdauer?

• Es wird immer wieder bestritten, dass mit dem

Ablauf der Fristen auch ein Verfall = Untergang

eintritt.

• Dieser Ansicht ist der EuGH entgegengetreten:

„Übertragungszeitraum“ ist der Zeitraum, „nach

dessen Ende der Anspruch auf bezahlten

Jahresurlaub erlöschen kann“. EuGH,

22.11.2011 - C-214/10 - NZA 2011, 1333

KHS/Schulte Rn. 35 und EuGH 03.05.2012 C-

337/10 Neidel Rn.39

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Professor Franz Josef Düwell

Aber in Schultz-Hoff Sache

Ausnahme bei „Krankschreibung“ • Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie steht Bestimmungen

entgegen,

• nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt,

• wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und

• seine Arbeitsunfähigkeit fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

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EuGH: Authentische Auslegung der

RL gebietet Ausnahme bei AU

• Der Grundsatz des ausnahmslosen

Verfalls des Urlaubsanspruchs ist mit der

RL unvereinbar!

• Für die Fälle, in denen der AN seinen

Anspruch nicht ausüben konnte, wie

insbesondere bei krankheitsbedingter

Nichtinanspruchnahme, muss eine

Ausnahme gelten!

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Noch mal so: EuGH 03.05.2012 C-

337/10 in Beamtensache Neidel

• Auch für Beamte gilt der Schutz des

unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaubs

bei Arbeitsunfähigkeit; einschließlich für

Abgeltung!

• Beamtentätigkeit fällt idR in den

Anwendungsbereich der Arbeitszeit-Richtlinie,

so schon EuGH 14. Juli 2005, im Fall

Personalrat der Feuerwehr Hamburg, C-52/04,

Slg. 2005, I-7111, Rn.57 bis 59.

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Professor Franz Josef Düwell

Übersehen von Art. 9 IAO

Übereinkommen Nr. 132

• Das IAO Übk. 132 enthält in Art. 8 und 9

einschlägige Bestimmungen,

• die weltweit einen zwingenden

Mindeststandard festlegen für

Bezugszeitraum des Anspruchs,

• dessen Übertragungsmöglichkeiten und

• die längste Dauer der Übertragung

(spätestens“).

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Professor Franz Josef Düwell

Art. 9 Abs.1,2 IAO Übereinkommen

legen die Höchstfrist fest! • Art.9 Abs.1 regelt den Spielraum „spätestens“ 12 (für

ersten 2 Wochen) bis 18 Monate (ab 3. Woche des Mindesturlaubs) für die Bemessung des Zeitraums, innerhalb dessen die Vertragsstaaten bestimmen müssen, bis wann der Urlaubsanspruch übertragen werden darf.

• Deutschland hat geregelt: 3 Monate für Vollurlaub und 12 Monate für Teilurlaub.

• Art. 9 Abs. 2 räumt die Möglichkeit ein, für die 4. Woche des Mindesturlaubs Übertragungsdauer zu verlängern. Deutschland hat nicht Gebrauch gemacht.

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Professor Franz Josef Düwell

Warum Verfall nach

Übertragungsdauer?

• Die Vertragsstaaten sollen Arbeitgeber und

Belegschaften anhalten, den Urlaub dem Zweck entsprechend die Jahresarbeit zu unterbrechen.

• Jedenfalls ist er aber so zeitnah zu gewähren und zu nehmen, das die Erholungswirkung der Unterbrechung der Jahresarbeitszeit noch eintreten kann.

• Deshalb auch die Abstufung der zusammenhängende Teil von 2 Wochen innerhalb 12 (Art 9 I 1.Alt) und der überschießende Teil nach 18 Monaten (Art 9 I 2. Alt) , wobei die vierte Woche optional (Art 9 II) auch später.

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Professor Franz Josef Düwell

Prüfstein für Verfall bei Krankheit

1. Bei arbeitsunfähigen AN macht es keinen Sinn, sie während der Arbeitsunfähigkeit zu etwas anzuhalten, was in dieser Zeit gar nicht realisierbar ist (So Kloppenburg jurisPR-ArbR 18/2012 Anm. 5). Richtig.

2. Aber: Verfall in Art. 9 Übk. Nr. 132 macht auch für Kranke Sinn!

A) Eine faire Risikoverteilung der Störungen:

– Der AG trägt das Risiko, dass der AN während des festgesetzten Urlaubszeitraums erkrankt, dann muss der Urlaub nachgewährt werden (Art 6 =

9,10 BUrlG).

– Der AN trägt das Risiko, das er bis zum Ende des bestimmten Übertragungszeitraums nicht wieder arbeitsfähig wird (Art 9 =

7

Abs.3 BUrlG).

B) Eine ausdifferenzierte Regelung: Je stärker der Erholungspausenzweck desto weniger lässt sich Pausenfunktion später nachholen. Deshalb die „längere“ Dauer der Übertragbarkeit in Art. 9 Abs.1 2. Alt ab 3. Woche Urlaub und in Art. 9 Abs. 2 beliebige Verlängerbarkeit der Übertragungsdauer für Vertragsstaaten ab 4. Woche.

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Professor Franz Josef Düwell

Lösung des Neunten BAG Senats:

Minimal invasiv eingreifen! • Bei nicht vom Willen des AN abhängigem

Hindernis wie der AU wird die Übertragungsdauer nicht auf das erste Quartal befristet.

• Da der übertragene Anspruch dem des Folgejahres hinzutritt > Fristende 31.12. mit weiterer Übertragungsmöglichkeit nach

7

Abs.3 Satz 2 und 3 BUrlG.

• Frage, ob dann unbegrenzt weiter übertragbar?

• BAG 24. März 2009 -9 AZR 983/07-NZA 2009, 538

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Professor Franz Josef Düwell

Übertragungskette • War der sb AN bis zum 31.12 infolge AU

gehindert, Urlaub zu nehmen, so wird der Anspruch auf das neue Urlaubsjahr übertragen. Bei Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit muss dann der übertragene Urlaub bis zum 31.3. genommen werden (

7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG).

• Ist der sb AN auch bis zum 31.3. au, so wird der Anspruch auf die Zeit bis zum 31.12. übertragen.

• Ist der sb AN bis zum 31.12. au, wird der Anspruch wieder mit der Maßgabe nach

7

Abs. 3 Satz 3 BUrlG übertragen.

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Professor Franz Josef Düwell

Kumulation ohne Grenzen? • Horrorfall: 12 Jahre arbeitsunfähig und bei

Ausscheiden Abgeltung für 12 Jahre?

• Oder bei Rückkehr aus Krankheit im 13.

Jahr, hätte dann der AN theoretisch mehr

Urlaubstage zu erhalten als das Jahr

Arbeitstage hat!

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Professor Franz Josef Düwell

IAO Übereinkommen Nr.132

Grenze für Kumulation?

• Bei der Rechtsfortbildung zur Ausnahme vom

Verfall bei Krankheit muss der Richter auch die

Begrenzung der Übertragbarkeit in Art 9 IAO

Übereinkommen Nr.132 beachten.

• Danach muss der zwingend zusammenhängend

zu gewährender zweiwöchige Urlaub

spätestens innerhalb von 12 Monaten und

der übrige Teil spätestens innerhalb von 18

Monate nach Ende des Urlaubsjahres gewährt

und genommen werden.

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Professor Franz Josef Düwell

Ersuchen um Erleuchtung

• Ist Art 7 Abs 1 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass ….die zeitliche Begrenzung der Übertragungsdauer entsprechend Art. 9 IAO Übereinkommen Nr. 132 18 Monate beträgt?

• Ersuchen des LAG Hamm auf Vorabentscheidung 15.04.2010 - 16 Sa 1176/09- KHS AG/Schulte

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Professor Franz Josef Düwell

Sachverhalt Schulte gegen KHS

• AN Schulte seit 1964 bei KHS AG beschäftigt.

• TV findet Anwendung, wonach der Anspruch auf bezahlten Urlaub 30 Tage im Jahr beträgt und der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der wegen Krankheit nicht genommen wurde, nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlischt.

• 2002 erlitt Herr Schulte einen Infarkt, seitdem schwerbehindert und arbeitsunfähig. August 2008 endete Arbeitsverhältnis. Im Streit: Abgeltung für Jahre 2006, 2007 und 2008?

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Professor Franz Josef Düwell

Was hat das LAG gefragt?

• Nach der deutschen Regelung in

7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ist der Urlaubsanspruch, der 2006 entstanden ist, bei Ende des Arbeitsverhältnisses August 2008 wegen des Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen.

• Ist eine derartige nationale Regelung, nach der die Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitsunfähigkeit zeitlich auf 3 Monate begrenzt ist, mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung vereinbar?

• Was gilt, wenn der maßgebliche TV 15 Monate vorsieht?

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Professor Franz Josef Düwell

Antwort des EuGH: Nuancierung!

• Aus dem Schultz-Hoff ergibt sich zwar, dass eine nationale Bestimmung, mit der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben;

• dies muss jedoch unter besonderen Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nuanciert werden.

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Professor Franz Josef Düwell

Keine unbegrenzte Ansammlung

• Der EuGH hat am 22.11.2011 auf Ersuchen des LAG Hamm zum ersten Mal eingestanden, seine in der Sache Schultz-Hoff noch ohne jede Einschränkung vertretene Meinung ändern zu müssen: „diese Schlussfolgerung muss nuanciert werden... Art 7 der Richtlinie steht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegen, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt.“

• EuGH 22.11.2011 - C-214/10 – KHS Rn.28, NZA 2011, 1333

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Professor Franz Josef Düwell

Was gilt für AN ohne tarifliche

Übertragungsfrist ?

• Der EuGH hat in KHS/Schulte zu den allgemeinen Übertragungsfristen in

7 Abs.3

Satz 3 BUrlG ( für Vollurlaub: 3 Monate) und

7 Abs.3 Satz 4 BUrlG (für Teilurlaub: 12 Monate) zwar nicht ausdrücklich Stellung bezogen.

• Aber er sagt allgemein: „Ein Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums (= 12 Monate!), für den er gewährt wird, deutlich überschreiten.“ Dies steht der 3- Monatsfrist des

7 Abs.3 Satz 3

BUrlG entgegen.

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Professor Franz Josef Düwell

Die Antwort des BAG

7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der

Übertragung der Urlaub in den ersten drei

Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt

und genommen werden muss,

• ist bei langjährig arbeitsunfähigen

Arbeitnehmern „unionsrechtskonform so

auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15

Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.“

• BAG 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 – PM Nr. 56/12

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Professor Franz Josef Düwell

Die Begründung

• „Der EuGH hat in der KHS-Entscheidung vom

22. November 2011 seine Rechtsprechung

bezüglich des zeitlich unbegrenzten

Ansammelns von Urlaubsansprüchen

arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und

• den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf

des Urlaubsjahres nicht beanstandet.“

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Professor Franz Josef Düwell

Der entschiedene Fall

• Für 2005 bis 2009 Abgeltung von 149 Urlaubstagen mit 18.841,05 Euro brutto verlangt. Vorinstanzen haben zur Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs und des Zusatzurlaubs mit 13.403,70 Euro brutto verurteilt und hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen.

• BAG hat erkannt: Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto.

• Für 2005 bis 2007 sind die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Ihrer Abgeltung steht jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach

7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG

mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind.

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BAG 7.8.2012

• Das BAG hat am 7. August 2012 die 15

Monate als kürzeste Übertragungsdauer

gewählt, die unionsrechtlich zulässig ist.

• Das ergibt sich aus dem vom BAG

beschrittenen Weg der

richtlinienkonformen Rechtsfortbildung

durch teleologische Reduktion.

Vgl. Düwell - NZA Beilage 3/2011, 133

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Professor Franz Josef Düwell

Was ist, wenn Beendigung, weil

keine Arbeit mehr möglich?

• Wenn das Arbeitsverhältnis beendet

wird,

• ist nach

7 Abs. 4 BUrlG der nicht

genommene und nicht verfallene

Urlaubsanspruch abzugelten.

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Surrogat

• Das BAG hat seit 1982 den Abgeltungsanspruch in

7 Abs.4 BUrlG

Abgeltung als Anspruch verstanden, der den ersatzlosen Untergang des Freistellungsanspruchs verhindert.

• Deshalb setzte er als “Surrogat“ ebenso wie Freistellungsanspruch fiktiv Erfüllbarkeit voraus und unterlag wie dieser der Befristung.

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Anders Abgeltung

im EuGH Urteil Schultz-Hoff

• Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie steht Bestimmungen

entgegen, nach denen für nicht genommenen

Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses

keine finanzielle Vergütung gezahlt wird,

• wenn der Arbeitnehmer während des gesamten

Bezugszeitraums und/oder

Übertragungszeitraums oder eines Teils davon

krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war

und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten

Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

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Abschied vom Surrogat

• Da der EuGH vorschreibt: Finanzielle Vergütung ist auch dem au kranken AN bei Ende des Arbeitsverhältnisses zu gewähren!

• Deshalb BAG im Urteil 24.3.2009 „carpe diem“:

1. Arbeitsfähigkeit ist nicht (mehr!) Erfüllbarkeitsvorsausetzung für Abgeltung.

2. Anspruch erlischt nicht, wenn AN bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen fortlaufend arbeitsunfähig ist .

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BAG: vollständige Aufgabe der

Surrogatstheorie • Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs ist

auch für den Fall der Arbeitsfähigkeit des aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmers ein reiner Geldanspruch.

• Er unterfällt deshalb nicht dem Fristenregime des BUrlG.

• Er muss nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb tariflicher Verfallsfristen geltend gemacht werden.

• BAG 19.06.2012 -9 AZR 652/10- DB 2012, 2288

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Ausweis

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Bestätigung der ändernden

Rechtsprechung

• Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als geldwerte finanzielle Vergütung (Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie) entsteht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch.

• Er bleibt in seinem Bestand davon unberührt, dass Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht.

• BAG 04.05.2010 -9 AZR 183/09- NZA 2010, 1011

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Ergebnis des NAP

• Als wesentliches Ergebnis des Nationalen

Aktionsplans (NAP) Umsetzung der

Behindertenrechtskonvention der VN wird zum

1. Januar 2013 ein neues Format für den

Schwerbehindertenausweis eingeführt.

• Im NAP heißt es dazu: „Der

Schwerbehindertenausweis soll ein

Bankkartenformat erhalten und damit

benutzerfreundlicher werden.“

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Ab 2013

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Alt und neu nebeneinander

• Die bisherigen

Schwerbehindertenausweise in

Papierform behalten bis zum zeitlichen

Ablauf ihre Gültigkeit.

• Sie müssen nicht zwingend vorher neu

ausgestellt werden.

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Merkzeichen

• Die Regeln für die Berechtigung gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach

69 Abs. 4,

126 SGB IX

sind ebenfalls in der Anlage VMG enthalten.

• Dort werden im Abschnitt D der VMG Maßstäbe für die Nachteilsausgleiche „G“ (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), „B“ (Berechtigung für eine ständige Begleitung), „aG“ (Außergewöhnliche Gehbehinderung), und „Gl“ (Gehörlosigkeit) festgelegt.

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Merkzeichen aG

• Das Merkzeichen „aG“ führt zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer und von allen Fahrverboten in Verkehrsverbotszonen. Es verschafft auch Parkerleichterungen, insbesondere durch Inanspruchnahme der Parkplatzreservierung für Behinderte.

• In die VMG sind auf Drängen des Bundesrats Verschärfungen der Anforderungen für die Zuerkennung dieser Merkzeichen eingefügt worden. Dafür fehlt jedoch jede Ermächtigungsnorm.

• Dau in jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4

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Verschärfung

• „Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden.

• Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist.“

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Professor Franz Josef Düwell

SG Stuttgart 17.06.2010 – S 6 SB

7503/09 • „Zumindest für das Merkzeichen „aG“ mangelt es seit

01.01.2009 einer Verordnungsermächtigung, deren Inhalt, Zweck und Ausmaß den Vorgaben von Artikel 80 Abs. 1 S. 2 GG entspricht.“

• Maßgeblich ist deshalb bis nur verfassungskonformen Neuregelung die Auslegung des

6 Abs. 1 Nr. 14 des

Straßenverkehrsgesetzes (StVG), nach dessen Bestimmung als außergewöhnlich gehbehindert gilt, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann.

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Professor Franz Josef Düwell

Befreiungsvoraussetzungen für

Rundfunkgebühren

6 Abs.1 RGebStV:

• 7.a. blinde oder nicht vorübergehend wesentlich

sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60% allein wegen der Sehbehinderung. Das RF-Merkzeichen ist zuerkannt. Vorzulegende Unterlagen: Schwerbehindertenausweis mit RF-Merkzeichen.

• 7. b. hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. Das RF-Merkzeichen ist zuerkannt. Vorzulegende Unterlagen: Schwerbehindertenausweis mit RF-Merkzeichen.

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Professor Franz Josef Düwell

Befreiungsvoraussetzungen für

Rundfunkgebühren

6 Abs.1 RGebStV:

• 8. behinderte Menschen, deren Grad der

Behinderung nicht nur vorübergehend

wenigstens 80% beträgt und die wegen

ihres Leidens an öffentlichen

Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen

können. Das RF-Merkzeichen ist

zuerkannt. Vorzulegende Unterlagen:

Schwerbehindertenausweis mit RF-

Merkzeichen.

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Änderungen ab 2013

• Ab 2013 wird eine Haushaltspauschale

eingeführt.

• Der Gebührenstaatsvertrag wurde

entsprechend geändert und ab 2013 wird

die GEZ in ARD ZDF Deutschlandradio

Beitragsservice umbenannt.

• Auch der Begriff Rundfunkgebühren wird

dann in Rundfunkbeiträge geändert.

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Beitragsbefreiung

• Künftig werden nur befreit:

• Taubblinde sowie

• Empfänger von Blindenhilfe nach

72

SGB XII.

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Ab 2013 Beitrag

• Der monatliche Beitrag pro Haushalt soll

zunächst 17,98 € betragen, wie bisher bei

Fernsehnutzern.

• Ab 2013 sollen auch behinderte Menschen

Beiträge zahlen. Demnach sollen

Schwerbehinderte mit Merkzeichen RF ein

Drittel der monatlichen Gebühr (also rund

6 € pro Monat) als Beitrag bezahlen.

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Ermäßigungsberechtigte

• Blinde oder wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 Prozent allein wegen der Sehbehinderung, die nicht vorübergehend ist,

• hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist,

• behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend mindestens 80 Prozent beträgt und die wegen ihres Leidens nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können.

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Wo gibt es Antragsformulare auf

Ermäßigung?

• Die Antragsformulare sind ab November

2012 bei Städten und Gemeinden, bei

zuständigen Behörden sowie

• im Internet unter www.rundfunkbeitrag.de

erhältlich.

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Kostenfreiheit des

Feststellungsverfahrens

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Rechtsgrundlage

• Das Verwaltungsverfahren zur Feststellung des GdB richtet sich nach bundesgesetzlichen Vorschriften, nämlich ausweislich

69 Abs. 1 S.

3 SGB IX nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), ergänzt durch das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung.

• Alle bundesgesetzlichen Vorgaben sind von den Ländern, deren Verwaltungen das SGB IX ausführen, als höherrangiges Recht zu beachten.

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Kostenfreiheit

64 Abs. 1 SGB X bestimmt, dass für das Verfahren bei den Behörden nach dem SGB X keine Gebühren und Auslagen erhoben werden.

• Die Kostenfreiheit erfasst hierbei das gesamte Verwaltungsverfahren, das bei einer Behörde i. S. v.

1 Abs. 2 SGB X

durchgeführt wird, einschließlich des Widerspruchsverfahrens.

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Reichweite

• Die Kostenfreiheit nach

64 Abs. 1 SGB X betrifft sowohl Gebühren als auch Auslagen. Gebühren sind Entgelte für die Vornahme von Amtshandlungen, worunter z. B. auch Auskünfte und Beratungen nach

15, 14 SGB I oder die Gewährung von Akteneinsicht gehören.

• Auslagen sind u. a. Porti, Telefon- und Fotokopierkosten. Soweit der Grundsatz der Kostenfreiheit zum Tragen kommt, können weder durch Landesgesetz noch durch die Satzung einer Gemeinde, der die Ausführung des Feststellungsverfahrens nach Landesrecht übertragen worden ist, Gebühren erhoben oder Auslagen erstattet verlangt werden.

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Akteneinsicht und Aufwendungen

• Gemäß

25 Abs. 5 S. 1 SGB X können

die Antragsteller im Rahmen der

Akteneinsicht Auszüge oder Abschriften

selbst fertigen oder sich Ablichtungen

durch die Behörde erteilen lassen.

• Gemäß

25 Abs. 5 S. 2 SGB X kann die

Behörde Ersatz ihrer Aufwendungen in

angemessenem Umfang verlangen.

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Begrenzung

• Nicht erfasst von

25 Abs. 5 S. 2 SGB X ist dagegen der bei jeder Akteneinsicht (auch in den Räumlichkeiten der Behörde) entstehende allgemeine Verwaltungsaufwand (z. B. durch Heraussuchen und Bereitstellen der Akten, Überwachung der Akteneinsichtnahme etc.). Sächsisches LSG 23.11.2011 – L 6 SB 34/11 – juris

• Denn der Anspruch nach

25 Abs. 5 SGB X ergänzt lediglich den (allgemeinen) Anspruch auf Akteneinsicht nach

25 Abs. 1 SGB X, indem er dem

Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnet, das Ergebnis der Akteneinsicht zur weiteren Verwendung zu fixieren. BSG 30.11.1994 – 11 RAr 89/94

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kein Ersatz von Portokosten

• Portokosten sind von

25 Abs. 5 S. 2

SGB X nicht erfasst, da diese Norm die

Akteneinsicht durch den

Verfahrensbeteiligten voraussetzt.

• Sächsisches LSG 23.11.2011 – L 6 SB

34/11 – juris

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Kosten von Ablichtungen

• „Aufwendungen“ i. S. v.

25 Abs. 5 S. 2 SGB X sind nur solche, die dadurch entstehen, dass – über die allgemeine Akteneinsicht hinaus – Ablichtungen zur weiteren Verwendung gefertigt werden.

• Diesen besonderen Aufwand kann die Behörde von dem Antragsteller geltend machen. Zu beachten ist, dass die Forderung der Höhe nach „angemessen“ im Sinne der gesetzlichen Regelung sein muss und die Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessen („kann… verlangen“) auszuüben hat.

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Rückwirkende Feststellung

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Rechtsgrundlage

• Die behördliche Erstfeststellung wird nach

6

Abs. 1 S. 1 SchwbAwV auf den Zeitpunkt der

Antragstellung zurückbezogen.

• Eine weitergehende Rückwirkung kommt nach

6 Abs. 1 S. 2 SchwbAwV in Betracht. Danach

kann auf dem Schwerbehindertenausweis ein

zusätzliches, weiter zurückliegendes Datum

eingetragen werden. Dazu bedarf es jedoch

eines besonderen Interesses.

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Feststellungsinteresse

• Die Rechtsprechung war in der Vergangenheit sehr restriktiv. So hat sie die Geltendmachung, mit der rückwirkenden Feststellung könnten steuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden, als unzureichend abgelehnt. SG Dortmund 29.03.2004 – S 43 SB 20/03 – juris a. A. LSG Rheinland-Pfalz 27.05.1992 – L 4 Vs 3/91- juris das eine rückwirkende Feststellung in Betracht zieht, wenn durch die Finanzverwaltung Vorbehalte in Steuerbescheide für vergangene Veranlagungszeiträume aufgenommen worden sind

• Das BSG hat die Anforderungen gesenkt. BSG 07.04.2011 – B 9 SB 3/10 R – Behindertenrecht 2011, 182 in Abgrenzung zu BSG 29.05.1991 – 9a/9 RVs 11/89 – BSGE 69, 14

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Professor Franz Josef Düwell

BSG Rechtsprechungsänderung

• Zunächst war die rückwirkende

Feststellung des GdB vom Erfordernis der

Offensichtlichkeit abhängig, so BSG

29.05.1991 – 9a/9 RVs 11/89 – BSGE 69,

14 = SozR 3-1300

44 Nr. 3.

• Die Offensichtlichkeit ist fallen gelassen

worden. BSG 07.04.2011 – B 9 SB 3/10

R – Behindertenrecht 2011, 182

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Professor Franz Josef Düwell

Ablehnung der Begrenzung

• Die Grundsätze über die Rücknahme von

Verwaltungsakten können nach Maßgabe

des

44 Abs. 2 S. 2 SGB X das für

Rückwirkung auszuübende

Verwaltungsermessen beschränken.

• Im Verfahren einer Erstfeststellung sind

diese jedoch nicht anwendbar.

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Professor Franz Josef Düwell

Rückwirkend

• Die Erstfeststellungsbehörde hat bei

Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses

durch den Antragsteller uneingeschränkt zu

prüfen und zu entscheiden,

• ob und seit wann die geltend gemachte

Eigenschaft schon vor der Antragstellung

bestanden hat und

• den entsprechenden Zeitpunkt festzustellen.

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Folge für Renten

37 SGB VI: für sbM Altersrente ab 65 und vorzeitige Altersrente nach 62 Lebensjahr Feststellung des GdB 50 bei Rentenbeginn erforderlich.

236a Abs.1 SGB VI Altersrente für vor dem 1. Januar 1964 geborene sbM, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich.

236 Abs. 4 SBVI Versicherte, die vor dem 17. November 1950 geboren sind und am 16. November 2000 schwerbehindert waren, haben Anspruch auf diese Altersrente, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben,

• mit der rückwirkenden Feststellung des GdB können vor 17.November 1950 geborene sbM von der Besitzstandsregelung für die abschlagsfreie Altersrente ab 60 auch dann Gebrauch machen, wenn sie zum Stichtag 16. November 2000 noch keinen Feststellungsantrag gestellt hatten.

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Unterrichtung SBV

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Beteiligung in allen

Angelegenheiten

• Nach

95 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 SGB IX hat der

Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in

allen Angelegenheiten,

• die einen einzelnen schwerbehinderten

Menschen oder

• die schwerbehinderten Menschen als Gruppe

berühren,

• unverzüglich und umfassend zu unterrichten und

• vor einer Entscheidung anzuhören.

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Professor Franz Josef Düwell

Alle Angelegeheiten

• Der weit gefasste Anspruch erstreckt sich

nicht nur auf einseitige Maßnahmen des

Arbeitgebers, sondern auf alle

Angelegenheiten, die sich spezifisch auf

schwerbehinderte Menschen auswirken.

• Dazu gehören auch Abmahnungen

• BAG 17. August 2010 - 9 ABR 83/09 -

Rn. 13, 18, BAGE 135, 207

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Professor Franz Josef Düwell

Ausnahme

• Die Unterrichtungspflicht besteht

allerdings dann nicht, wenn die

Angelegenheit die Belange

schwerbehinderter Menschen in keiner

anderen Weise berührt als nicht

schwerbehinderte Beschäftigte.

• BAG 17. August 2010 - 9 ABR 83/09 -

Rn. 13, 18, BAGE 135, 207

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Bewerbung um Führungsaufgabe

• Das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht aus

95 Abs. 2 S. 1 SGB IX besteht auch, wenn sich

ein schwerbehinderter oder gleichgestellter

behinderter Mensch um eine Stelle mit

Personalführungsfunktion bewirbt, so

81 Abs.1

Satz 4 SGB IX.

• Es handelt sich dann um eine Angelegenheit,

die den Bewerber als einzelnen

schwerbehinderten Menschen berührt.

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Führungsstelle und

Schwerbehindertenrecht

• Wenn sich um eine Stelle mit

Personalführungsfunktion kein

schwerbehinderter Mensch bewirbt, muss die

Schwerbehindertenvertretung nur dann nach

95 Abs. 2 S. 1 SGB IX am Besetzungsverfahren

beteiligt werden,

• wenn die Aufgabe besondere

schwerbehinderungsspezifische

Führungsanforderungen stellt. BAG 17.08.2010

– 9 ABR 83/09 – NJW 2010, 3531

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Aufhebungsvertrag nach BAG

14.03.2012 - 7 ABR 67/10

• Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem

schwerbehinderten Menschen ist eine "Angelegenheit" i.S.v.

95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX.

• Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen ist eine Angelegenheit, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder auch die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berührt. Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen betrifft unmittelbar dessen rechtliche Stellung und sein Verbleiben im Betrieb. Betroffen sind die schwerbehinderten Menschen aber auch als Gruppe. So wird durch das Ausscheiden eines schwerbehinderten Menschen unmittelbar die nach

71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vom Arbeitgeber zu erfüllende

Quote berührt.

• Der Arbeitgeber muss daher den „Schwerbehindertenvertreter“ (richtig: SBV!) unverzüglich unterrichten.

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Inhalt der Unterrichtungspflicht

• Inhalt der Verpflichtung ist die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung.

• Der Arbeitgeber muss dieser daher die zu der Angelegenheit gehörenden Informationen geben.

• Dabei muss die Unterrichtung, wie das Gesetz ausdrücklich betont, „umfassend“ sein.

• Die Unterrichtung hat „unverzüglich“ zu erfolgen. Der Arbeitgeber muss daher die Schwerbehindertenvertretung über eine die schwerbehinderten Menschen berührende Angelegenheit informieren, sobald er davon Kenntnis erlangt und ihm die Unterrichtung ohne schuldhaftes Zögern möglich ist.

• BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10

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BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10

• Der Unterrichtungszeitpunkt kann je nach

den Umständen vor oder nach dem

Abschluss der Angelegenheit liegen.

• Der Zeitpunkt der Unterrichtung liegt nicht

notwendig vor dem Abschluss eines

Aufhebungsvertrags.

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Professor Franz Josef Düwell

Spontan oder geplant?

• Wird ein Aufhebungsvertrag mit einem schwerbehinderten Menschen ohne eine entsprechende Vorbereitung spontan geschlossen, wird eine Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung regelmäßig erst nachträglich erfolgen können.

• Insbesondere ist der Arbeitgeber wegen seiner Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung nicht verpflichtet, mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags abzuwarten.

• So BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10

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BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10 • „Führt der Arbeitgeber mit dem sbM Menschen über

einen bestimmten Zeitraum Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags, kann darin möglicherweise bereits eine Angelegenheit iSv.

95

Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX liegen, hinsichtlich derer die SBV zu unterrichten ist.

• Ob und unter welchen Umständen dies der Fall sein kann, bedarf hier (bei dem gestellten Globalantrag, stets vor dem Abschluss zu unterrichten), keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Aufhebungsvertrag ohne zeitlich nennenswerte Vorverhandlungen geschlossen wird, genügt die Arbeitgeberin ihrer Unterrichtungspflicht, wenn sie SBV unverzüglich nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags informiert.“

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BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10

• Der Arbeitgeber ist nach

95 Abs. 2 Satz 1

Halbs. 1 SGB IX nicht verpflichtet, die

Schwerbehindertenvertretung vor dem

Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem

schwerbehinderten Menschen anzuhören.

• Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit

einem schwerbehinderten Menschen ist keine

"Entscheidung" i.S.v.

95 Abs. 2 Satz 1 Halbs.

1 SGB IX.

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Argumentation des 7 Senats

• Sinn und Zweck des Anhörungsrechts verlangen nicht die vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung.

• Der schwerbehinderte Mensch muss nicht vor den möglichen Folgen einer einseitigen Entscheidung des Arbeitgebers durch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung geschützt werden. Vielmehr kann er selbst privatautonom über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags entscheiden.

• Durch den besonderen Beendigungsschutz nach

85, 92 SGB IX befindet sich der schwerbehinderte Mensch bei der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag sogar in einer rechtlich stärkeren Position als andere Arbeitnehmer.

• Dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu hören, überschießend wäre, wird insbesondere deutlich in Fallgestaltungen, in denen die Initiative zum Abschluss eines solchen Vertrags von dem Arbeitnehmer ausgeht.

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Professor Franz Josef Düwell

Sprachkritik

• Abweichend von der gesetzlichen Bezeichnung bezeichnet der 7 Senat den Antragsteller als „Schwerbehindertenvertreter“.

• Das ist falsch!

• Die gewählte Person heißt Vertrauensperson, VP.

• Die Vertretung der sbM als Organ der Betriebsverfassung und Dienststellenverfassung heißt Schwerbehindertenvertretung (SBV) und bezieht die gewählten stellvertretenden Mitglieder mit ein. Die VP ist nicht antragsbefugt, sondern nur die SBV.

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Sachkritik

• Der Begriff der Entscheidung hat bisher als maßgebliches Kriterium für die Begrenzung des Anhörungsrechts vor allem im Verhältnis zu dienstlichen Beurteilungen eine Rolle gespielt.

• Die dienstliche Beurteilung von schwerbehinderten Beamten wird nicht als Regelung mit unmittelbaren Rechtswirkungen und damit keine Entscheidung im Sinne

95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX

angesehen, so BVerwG 23.04.1998 – 2 C 16/97 = ZBR 2000, 417. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hieran kann aber in Verwaltungsrichtlinien festgeschrieben sein (hierzu OVG NRW Beschluss vom 04.01.2010 – 6 B 1482/09,juris).

• Die insoweit durchaus kontrovers diskutierten Argumente greift das BAG nicht einmal ansatzweise auf.

• Juris PraxisReport Arbeitsrecht Anmerkung von Roetteken

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Aufheben ohne zu entscheiden?

• Schon auf den ersten Blick stellt sich die Frage, wie ein Aufhebungsvertrag unter Beteiligung des Arbeitgebers zustande kommen soll, wenn dieser keine dahingehende Entscheidung über ein Angebot auf Abschluss oder die Annahme eines entsprechenden Angebots trifft.

• sbM kann einen Aufhebungsvertrag jedenfalls trotz aller Betonung privatautonomen Spielraums nicht allein durch seine Entscheidung zustande bringen. Die vom Arbeitgeber insoweit abzugebende Willenserklärung setzt logischerweise voraus, dass er eine auf die Abgabe dieser Erklärung gerichtete Entscheidung trifft. Oder gibt der Arbeitgeber derartige Erklärungen ohne Erklärungsbewusstsein ab?

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Verkennen des Verhältnisses von

Kollektiv- und Individualrecht • Der Umfang kollektivrechtlich begründeter

Beteiligungsrechte richtet sich grundsätzlich nicht danach, ob die individuell Betroffenen eine solche Beteiligung wünschen oder nicht.

• Die insoweit den Gründen des 7. Senats mittelbar zu entnehmende gegenteilige Unterstellung kann daher die von ihm gewählte enge und zweckwidrige Auslegung des Begriffs der Entscheidung nicht tragen.

95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthält gerade keine

81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX oder

17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2

Satz 2 Frauenfördergesetz a.F. entsprechende Begrenzung des Anhörungs- und Unterrichtungsanspruchs

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Unterrichtungszweck

• Der 7. Senat geht vom Gebot einer unverzüglichen Unterrichtung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten aus:

• „Sinn und Zweck zielen darauf, der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit zu geben, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken. Die Schwerbehindertenvertretung soll Gelegenheit haben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, ggf. nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen (BAG 17. August 2010 - 9 ABR 83/09 - Rn. 17, BAGE 135, 207; Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl.

95

Rn. 350)“

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Verkennen des

Unterrichtungszwecks

• Es bleibt völlig unverständlich, wieso diese

Unverzüglichkeit selbst dann noch gewahrt sein

soll, wenn sie nach dem Abschluss des

Aufhebungsvertrages folgt;

• denn der eigentliche Zweck, die Entscheidung

des Arbeitgebers durch die Berücksichtigung

einer ggf. erfolgenden Stellungnahme der

Schwerbehindertenvertretung zu beeinflussen,

kann nicht mehr erreicht werden.

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Professor Franz Josef Düwell

Korrektur von Nöten

• Die Entscheidung des Siebten Senats des BAG

bedarf einer Korrektur, da sie in erheblichem

Umfang die Befugnisse der

Schwerbehindertenvertretung leerlaufen lässt.

• Der gesetzliche Schutzauftrag kann auf die vom

BAG vorgesehene Weise jedenfalls nicht

erreicht werden. Insoweit verstößt die

Entscheidung auch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2

GG, jede Benachteiligung von behinderten

Menschen zu vermeiden.

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Professor Franz Josef Düwell

Zustimmungsverweigerung

• Der Betriebsrat kann die Zustimmung mit

Bezug auf

99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG

verweigern,

• wenn die beabsichtigte Versetzung der

schwerbehinderten Arbeitnehmer gegen

95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstößt.

• LAG Rheinland-Pfalz 05.10.2011 - 8

TaBV 9/11- juris.

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Professor Franz Josef Düwell

Zustimmungsverweigerung bei

Leiharbeit

• Der Betriebsrat kann sich auf einen

Zustimmungsverweigerungsgrund nach

99

Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berufen,

• wenn der Entleiher nicht vor der Übernahme des

Leiharbeitnehmers nach

81 Abs. 1 S. 1 SGB

IX geprüft hat, ob der freie Arbeitsplatz mit

einem schwerbehinderten Kandidaten besetzt

werden kann.

• BAG 23.06.2010 – 7 ABR 3/09

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Fragerecht des Arbeitgebers

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Professor Franz Josef Düwell

Tätigkeitsneutrales Fragerecht?

• Nach Auffassung des Zweiten Senats des BAG soll ein uneingeschränktes Fragerecht des Arbeitgebers auch dann bestehen, wenn die Behinderung, auf der die Feststellung der Schwerbehinderung beruht, tätigkeitsneutral ist, d. h. sich nicht auf den vorgesehenen Arbeitsplatz nachteilig auswirkt. BAG 01.08.1985 und 05.10.1995 – 2 AZR 101/83 und 2 AZR 923/94 – AP Nrn. 30, 40 zu

123 BGB

• Diese Rechtsprechung muss inzwischen als europarechtlich überholt angesehen werden. Düwell, LPK SGB IX,

85 Rn. 15 ff.

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Professor Franz Josef Düwell

Tätigkeitsneutrale Frage

• Es liegt auf der Hand, dass der Arbeitgeber beispielsweise kein schützenswertes Interesse hat zu erfahren, ob und ggfs. woran sein Arbeitnehmer in den letzten 12 Monaten erkrankt war.

• vgl. BAG 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120

• Die einzige Frage, die in Richtung eines schützenswerten Arbeitgeberinteresses zielt, ist die, ob der Arbeitnehmer in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in irgendeiner Form behindert sei. Auch diese Frage ist jedoch zu weit gefasst, soweit sie auch vorübergehende und geringfügige Beeinträchtigungen erfasst. Auch die ganz pauschal und damit tätigkeitsneutral nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung gestellte Frage ist wegen Verstoßes gegen

81 Abs.2 SGB IX unzulässig.

ArbG Stuttgart 16.03.2011 - 30 Ca 1772/10 – juris;LAG Hessen, 24.03.2010 -6/7 Sa 1373/09- juris; Messingschlager, NZA 2003, 301; Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 4/2011, Anm. 5; Preis ErfK

611 Rn 274

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Professor Franz Josef Düwell

Nach der Einstellung

• Die Frage des Arbeitgebers nach der

Schwerbehinderung ist im bestehenden

Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs

Monaten, also nach dem Erwerb des

Sonderkündigungsschutzes für behinderte

Menschen, zulässig, wenn der AG die

Information für die Sozialauswahl bei der

Kündigung benötigt.

• BAG 16.02.2012 - 6 AZR 553/10 – PM 1272012

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Liste der sbM?

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Professor Franz Josef Düwell

PR ohne Kenntnis, wer

schwerbehindert?

• Die Mitteilung über Schwerbehinderungen

gehört zu den persönlichkeitsgeschützten

Daten, die dem Personalrat, wenn

überhaupt, nur mit Zustimmung des

Beschäftigten bekannt gegeben werden

dürfen.

• VG Düsseldorf, 16.12.2010, 34 K

2416/10.PVL

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Professor Franz Josef Düwell

Anspruch auf Liste

• In

80 Abs.1 SGB IX ist ausdrücklich geregelt: „Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden Betrieb und jede Dienststelle, ein Verzeichnis der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen …laufend zu führen“.

• Nach

80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist: „dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, der SBV und dem Beauftragten des Arbeitgebers ist je eine Kopie …des Verzeichnisses zu übermitteln.“

• Das hat die 34. Kammer des VG Düsseldorf nicht gesehen! Leseschwäche?!

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Datenschutz und BEM

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Professor Franz Josef Düwell

Pflicht zur Einleitung des BEM

• Dem Arbeitgeber obliegt die Pflicht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein BEM einzuleiten.

• Gesetzliche Voraussetzungen:

1. Ein Beschäftigter ist länger als 42 Kalendertag infolge Krankheit arbeitsunfähig.

2. Innerhalb von 12 Monaten.

BAG 24. März 2011 -2 AZR 170/10

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Professor Franz Josef Düwell

Durchführung des BEM mit

Zustimmung des Betroffenen

• Nach

84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der

Arbeitgeber mit den zuständigen

Interessenvertretungen und

• mit Zustimmung und Beteiligung der

betroffenen Person

• die Möglichkeiten zu klären, wie die

Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werde

und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter

Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.

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Professor Franz Josef Düwell

Verwaltungsgerichtliche

Glaubenssätze

• Kann ein an Recht und Gesetz gebundener Dienststellenleiter unrecht tun?

• Wenn er doch an Recht und Gesetz gebunden ist und der Dienstaufsicht unterliegt, bedarf es dann noch einer Überwachung durch Interessenvertretungen? An ist doch wohl diese Aufgabe überflüssig?!

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Professor Franz Josef Düwell

BEM: Angabe der Betroffenen

84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX i.V.m. Art. 69 Abs. 1 Buchst. b) PersVG BY verleiht dem Personalrat keine Befugnis, unabhängig von einer Zustimmung der betroffenen Beschäftigten, von dem Dienststellenleiter die Bekanntgabe der Namen derjenigen Beschäftigten zu verlangen, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren.

• Derartige Daten dürfen nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers an den Personalrat weiter gegeben werden.

• Bayerischer VGH 30.04.2009 - 17 P 08.3389, erneut so entschieden im Juli 2012 ohne die Revision zuzulassen!

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Professor Franz Josef Düwell

Begrenzung der Information auf

echte Überwachungsaufgabe

• Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat das Informationsinteresse begrenzt; denn es obliegt der Personalvertretung nicht, die Aufgabenerfüllung und den inneren Betrieb der Dienststelle allgemein und unabhängig von den ihr zugewiesenen Aufgaben zu überwachen.

• Voraussetzung ist eine die Beschäftigten begünstigende Norm, deren Einhaltung die Personalvertretung zu überwachen hat.

• BVerwG v. 27.11.1991 - 6 P 24.90 - Buchholz 251.7

75 NWPersVG Nr. 1

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Professor Franz Josef Düwell

Grundsatz: Überwachung hat

Vorrang vor Datenschutz

• Das Informationsrecht des Personalrates geht als bereichsspezifische Regelung des Dienstrechtes dem Datenschutz vor.

• Deshalb kann der Personalrat auch verlangen, dass die Dienststelle ihn über die Gewährung von Leistungszulagen unterrichtet und ihm dabei auch die Namen der Empfänger dieser Zulagen mitteilt.

• BVerwG 22.12.1993 - 6 P 15.92 - PersV 1994, 523

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Professor Franz Josef Düwell

BVerwG 23.06.2010 – 6 P 8/09 – NZA-RR

2010, 554

• Für den Öffentlichen Dienst hat das BVerwG

abweichend vom BY VGH einen Auskunftsanspruch der Beschäftigtenvertretung hinsichtlich des sensiblen personenbezogenen Datums „länger als sechs Wochen arbeitsunfähig“ im Rahmen des BEM - Überwachungsauftrags bejaht.

• In diesem Zusammenhang hat das BVerwG ausdrücklich ausgeführt, dass keine datenschutzrechtlichen Bedenken angebracht sind: „Verbietet sich (die Übermittlung) nicht stets wegen des Grundrechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG)“.

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Professor Franz Josef Düwell

BVerwG beschränkt Zugang zu

Daten auf PR Vorstand

• Das BVerwG hält den AG nur verpflichtet, die Daten an den PR Vorsitzenden und Stellvertreter oder einen besonderen Ausschuss des PR (ausgewählte Mitglieder des Personalrats) zu übermitteln.

• Das leitet es aus dem in

68 Abs. 2 BPersVG geregeltem beschränkten Zugang zu Personalakten her.

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Professor Franz Josef Düwell

Gegen BVerwG

• Eine Mitteilung nur an ausgewählte

Mitglieder des Personalrats lässt sich nicht

aus dem in

68 Abs. 2 BPersVG

geregeltem Personalaktenrecht herleiten.

• VG Oldenburg 03.05.2011 -8 A 2967/10 –

Rn.29f, PersR 2011, 486; Beschwerde

beim OVG Niedersachsen anhängig

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Professor Franz Josef Düwell

Hinweischreiben • Bei den Hinweisschreiben gem.

84 Abs. 2. Satz 3 SGB IX handelt es sich nicht um Personalakten oder um Bestandteile von Personalakten. Die Information über den Namen und den Umstand der Einleitung des Klärungsverfahrens kann kein vergleichbares Persönlichkeitsbild wie es die Personalakten vermitteln. Folglich scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage auch eine analoge Anwendung des

68 Abs. 2 S. 2

BPersVG aus.

• VG Oldenburg 03.05.2011 -8 A 2967/10 – Rn.29f, PersR 2011, 486; juris, openJur 2012, 51908; Zustimmend Beyer, jurisPR-ArbR 34/2011 Anm. 5, Ilbertz, ZBVR online 2011, Nr 12, 14-15.

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Professor Franz Josef Düwell

BEM in der Betriebsverfassung

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Professor Franz Josef Düwell

1.Nach

80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.

2.Nach

80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG hat AG auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Damit geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. So BAG 15. März 2011 -1 ABR 112/09 -Rn. 23.

Erforderliche Unterlagen für

Aufgabenerfüllung

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Professor Franz Josef Düwell

Zweistufige Prüfung

1. ob überhaupt eine Aufgabe des

Betriebsrats gegeben und

2. ob im Einzelfall die begehrte Information

zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist

BAG 30. September 2008 -1 ABR 54/07 -

Rn. 28, BAGE 128, 92.

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Professor Franz Josef Düwell

Liste für BEM?

1. Nach

84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX hat ua. der Betriebsrat darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber die ihm nach 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Die

Vorschrift wiederholt für den Bereich der Privatwirtschaft die sich bereits aus

80 Abs. 1Nr. 1

BetrVG ergebende Überwachungsaufgabe des Betriebsrats.

2. Die Übergabe des begehrten Verzeichnisses ist zur Durchführung der sich aus

80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG,

84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX ergebenden Überwachungsaufgabe erforderlich.

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Professor Franz Josef Düwell

BAG 07.02.2012 -1 ABR 46/10-

PM Nr. 10/12

• Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Namen

der vom betrieblichen

Eingliederungsmanagement Betroffenen zu

übermitteln.

• Diese Unterrichtungspflicht beruht auf der

Aufgabe des BR, die Einhaltung der

Arbeitgeberpflicht zur Einleitung von

Maßnahmen zur Durchführung des betrieblichen

Eingliederungsmanagements zu überwachen.

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Professor Franz Josef Düwell

BR ist Teil des Arbeitgebers, der

Daten verarbeitende Stelle ist.

• Hinsichtlich des Rechts zur Weitergabe von der Personalstelle an BR oder SBV entspricht es schon ständiger Rechtsprechung des BAG, dass die Arbeitnehmervertretung Teil der verarbeitenden Stelle und nicht Dritter i. S. v.

3

Abs. 4 Nr. 3 oder

3 Abs. 8 BDSG ist.

• Es bedarf deshalb keiner Einwilligung (

4a BDSG) des Betroffenen zur Weiterleitung

• Zur alten Fassung des BDSG vgl. BAG 11.11.1997 – 1 ABR 21/97 – AP Nr. 1 zu

36

BDSG.

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Professor Franz Josef Düwell

Deutliche Stellungnahme

• Das BAG darauf hin, das Datenschutzrecht könne nicht als Abwehrrecht gegen die gesetzlich geregelte Überwachungsaufgabe angeführt werden.

• Der Arbeitgeber sei nämlich nicht befugt, sich gegenüber dem Überwachungsrecht des Betriebsrats auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen.

• BAG 07.02.2012 -1 ABR 46/10- rn 50, PM Nr. 10/12, NZA 2012, 744 unter Bezug auf BAG 20.12.1995 - 7 ABR 8/95 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 82, 36

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Professor Franz Josef Düwell

Ergänzung

• Für den Bereich der zum Bundesrecht

gehörenden

80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und 95 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX ergibt sich

die Nachrangigkeit der Bestimmungen des

BDSG bereits aus

1 Abs. 3 Satz 1

BDSG.

• So zu Recht von Roetteken in jurisPR-

ArbR 17/2012 Anm. 1

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Professor Franz Josef Düwell

Rechte von PR und BR unberührt!

32 Abs. 3 BDSG sieht ausdrücklich ergänzend vor, dass die sich aus

32 Abs. 1, 2 BDSG

ergebenden Grenzen der Verarbeitung personenbezogener Daten die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen unberührt lassen. Zu diesen Rechten gehört auch die Wahrnehmung der dem Betriebsrat und der SBV durch Gesetz übertragenen Aufgaben.

• So zu Recht von Roetteken in jurisPR-ArbR 17/2012 Anm. 1

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Korrespondenzkontrolle?

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Professor Franz Josef Düwell

BY VGH 30.04.2009 - 17 P 08.3389:

NEIN!

84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX i.V.m. Art. 69 Abs. 1

Buchst. b) PersVG BY verleiht dem Personalrat

keine Befugnis, unabhängig von einer

Zustimmung der betroffenen Beschäftigten, das

Anschreiben der Dienststelle und das

Antwortschreiben der Betroffenen verlangen zu

können.

• Derartige Daten dürfen nur mit Zustimmung des

betroffenen Arbeitnehmers an den Personalrat

weiter gegeben werden.

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Professor Franz Josef Düwell

Sonderrechtszone BY?

• Auch für BY gilt, solange BY nicht seine staatsrechtliche Unabhängigkeit erlangt, der Satz des GG „Bundesrecht hat Vorrang!“

• Deshalb muss dem bundesrechtlichen Überwachungsrecht aus

84 Abs. 2 Satz7

SGB IX auch ein bundesrechtlicher Informationsanspruch zur Wirksamkeit verhelfen.

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Professor Franz Josef Düwell

Keine Einsicht in die

Aufklärungskorrespondenz?

• Nach

84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der

AG den Betroffenen über die Ziele des

BEM aufzuklären, bevor dieser die

Zustimmung zur Durchführung erklärt.

• Ob der AG das ordnungsgemäß macht, ist

nach

84 Abs.2 Satz7 SGB IX zu

überwachen.

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Professor Franz Josef Düwell

Teileinsicht in die Korrespondenz

• Der Personalrat benötigt zwar das Anschreiben des Dienststellenleiters, um überprüfen zu können, ob der Betroffene über das gesetzliche Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements ordnungsgemäß unterrichtet worden ist.

• Ein ins Gewicht fallender zusätzlicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist damit nicht verbunden, nachdem aufgrund der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig feststeht, dass der Personalrat über den betroffenen Personenkreis zu unterrichten ist.

• BVerwG 23.06.2010 – 6 P 8/09 – NZA-RR 2010, 554

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Professor Franz Josef Düwell

Keine Kontrolle der Antwort

• Dagegen hat nach BVerwG der Personalrat keinen Anspruch auf Mitteilung der Antwortschreiben der Beschäftigten, die der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht oder nur ohne Beteiligung des Personalrats zugestimmt haben.

• Das Recht dieser Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung verbiete es, deren Haltung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement und zur Beteiligung des Personalrats zu offenbaren.

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Kein Kontrollbedarf?

• Typischerweise könne angenommen werden, dass der Dienststellenleiter die eingehenden Antworten der betroffenen Beschäftigten korrekt zuordnet.

• Angesichts dessen benötige der Personalrat zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben nur die Antwortschreiben derjenigen Beschäftigten, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter seiner Beteiligung zugestimmt haben.

• BVerwG 23.06.2010 – 6 P 8/09 – NZA-RR 2010, 554