Akute Atemnot Bessere Diagnostik und Versorgungsstrukturen ... · helfen dem Kliniker, die Diagnose...

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10 Medizin | Akute Atemnot | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 44 • 08/2014 Abschätzung des Sterblichkeitsrisikos einen Algorithmus mit der zeitnahen Durchführung einer Echokardiografie oder der Bestimmung zirkulierender natriuretischer Peptide (z. B. NT-proBNP) (Abb. 1). Die Kosten für die Ver- sorgung von Dyspnoe-Patienten sind enorm, einen großen Anteil daran hat deren statio- näre Behandlung. Auch aus diesem Blickwin- kel ist die schnelle und zuverlässige Abklärung der Symptomatik bedeutsam. Mangelnde Kenntnisse Bei klinischen Symptomen und Zeichen eines akuten Koronarsyndroms oder Schlaganfalls sind die professionellen Hel- fer – oft auch die Patienten selbst – über die schlechte Prognose informiert und han- deln demzufolge rasch und zielorientiert. 1 Deutschland verfügt flächendeckend über strukturierte Behandlungskonzepte. „Chest Pain Units“ bzw. „Stroke Units“ leisten eine exzellente Versorgung betroffener Pati- enten und reduzieren deren Sterblichkeit. Regelmäßige Schulungen des Personals, im Team abgestimmtes Handeln zur Verbes- serung der Abläufe bzw. die Etablierung von wichtigen Qualitätsindikatoren (z. B. „Door-to-Balloon-Zeit“) tragen zur hohen Qualität der Versorgung und zur weiteren Optimierung der klinischen Patientenver- sorgung bei. Über die Bedeutung der akuten Atemnot bzw. der Prognose von Patienten mit Dys- pnoe ist weit weniger bekannt, obwohl es sich durchaus nicht um „exotische“ Fälle handelt: Beispielsweise hatten in der Berliner Charité 7,4 % der 34 333 Notfallpatienten das Leitsymptom „Akute Atemnot“. 2 Etwa 20 % davon werden intensivmedizinisch betreut, ca. 10 % der stationär aufgenommenen Pati- enten mit dieser Symptomatik versterben in der Klinik. Obwohl mehr im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, haben Patienten Patienten mit akuter Atemnot, die sich bei einem niedergelassenen Arzt oder in Notauf- nahmen von Kliniken vorstellen, tragen ein großes Risiko, innerhalb der nächsten Monate erneut in die Klinik eingewiesen zu werden bzw. zu versterben. Diese ungünstige Prognose ist – verglichen mit den Notfallsituationen Myokardinfarkt und Schlaganfall – weit weni- ger bekannt. Dadurch verzögern sich häufig die Diagnosestellung und der Therapiebeginn. Die korrekte Ursachenklärung der Dyspnoe ist von eminenter Bedeutung, jedoch selbst für erfahrene Ärzte schwierig. Grund der hohen Sterblichkeitsrate ist vor allem das klinische Syndrom der akuten Herzinsuffizienz. Aktu- elle Leitlinien der akuten Atemnot empfehlen zur Abklärung kardialer Ursachen und zur Akute Atemnot Bessere Diagnostik und Versorgungsstrukturen tun not! Prof. Dr. med. Michael Christ, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg fotolia/Photographee.eu Über die Ursachen der akuten Atemnot sowie die Prognose von Patien- ten mit Dyspnoe ist noch nicht genug bekannt.

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Medizin | Akute Atemnot | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 44 • 08/2014

Abschätzung des Sterblichkeitsrisikos einen Algorithmus mit der zeitnahen Durchführung einer Echokardiografie oder der Bestimmung zirkulierender natriuretischer Peptide (z. B. NT-proBNP) (Abb. 1). Die Kosten für die Ver-sorgung von Dyspnoe-Patienten sind enorm, einen großen Anteil daran hat deren statio-näre Behandlung. Auch aus diesem Blickwin-kel ist die schnelle und zuverlässige Abklärung der Symptomatik bedeutsam.

Mangelnde Kenntnisse Bei klinischen Symptomen und Zeichen eines akuten Koronarsyndroms oder Schlaganfalls sind die professionellen Hel-fer – oft auch die Patienten selbst – über die schlechte Prognose informiert und han-

deln demzufolge rasch und zielorientiert.1 Deutschland verfügt flächendeckend über strukturierte Behandlungskonzepte. „Chest Pain Units“ bzw. „Stroke Units“ leisten eine exzellente Versorgung betroffener Pati-enten und reduzieren deren Sterblichkeit. Regelmäßige Schulungen des Personals, im Team abgestimmtes Handeln zur Verbes-serung der Abläufe bzw. die Etablierung von wichtigen Qualitätsindikatoren (z.  B. „Door-to-Balloon-Zeit“) tragen zur hohen Qualität der Versorgung und zur weiteren Optimierung der klinischen Patientenver-sorgung bei.

Über die Bedeutung der akuten Atemnot bzw. der Prognose von Patienten mit Dys-pnoe ist weit weniger bekannt, obwohl es sich durchaus nicht um „exotische“ Fälle handelt: Beispielsweise hatten in der Berliner Charité 7,4 % der 34 333 Notfallpatienten das Leitsymptom „Akute Atemnot“.2 Etwa 20 % davon werden intensivmedizinisch betreut, ca. 10 % der stationär aufgenommenen Pati-enten mit dieser Symptomatik versterben in der Klinik. Obwohl mehr im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, haben Patienten

Patienten mit akuter Atemnot, die sich bei einem niedergelassenen Arzt oder in Notauf-nahmen von Kliniken vorstellen, tragen ein großes Risiko, innerhalb der nächsten Monate erneut in die Klinik eingewiesen zu werden bzw. zu versterben. Diese ungünstige Prognose ist – verglichen mit den Notfallsituationen Myokardinfarkt und Schlaganfall – weit weni-ger bekannt. Dadurch verzögern sich häufig die Diagnosestellung und der Therapiebeginn. Die korrekte Ursachenklärung der Dyspnoe ist von eminenter Bedeutung, jedoch selbst für erfahrene Ärzte schwierig. Grund der hohen Sterblichkeitsrate ist vor allem das klinische Syndrom der akuten Herzinsuffizienz. Aktu-elle Leitlinien der akuten Atemnot empfehlen zur Abklärung kardialer Ursachen und zur

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Über die Ursachen der akuten Atemnot sowie die Prognose von Patien-ten mit Dyspnoe ist noch nicht genug bekannt.

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Abklärung kardialer Ursachen bei akuter Atemnot

Diagnostik im Dialog • Ausgabe 44 • 08/2014 | Akute Atemnot | Medizin

mit akuten Thoraxschmerzen (11,5  % des Notfallkollektivs) eine deutlich niedrigere Sterblichkeitsrate (< 1 %).2

In einer Langzeituntersuchung zeigte unsere Arbeitsgruppe an 452 Patienten mit akuter Atemnot, dass nahezu 40  % der stationär aufgenommenen Fälle innerhalb von 2 Jah-ren versterben. Diese Patienten erscheinen davor immer wieder in Notaufnahmen und werden wiederholt stationär aufgenommen3 – der wichtigste Faktor für die hohen Ver-sorgungskosten von Patienten mit akuter Atemnot.

Die akute Atemnot ist definiert als subjek-tiv empfundene Störung der Atmung bzw. als Gefühl einer eingeschränkten Atmung verglichen mit dem Zustand des „norma-len Atmens“. Zahlreiche Faktoren bestim-men das Ausmaß der Symptomatik, z.  B. subjektive Empfindungen, der körperliche Trainingszustand oder auch die Außen-temperaturen. Eine Atemnot wird bei Kälte weniger wahrgenommen als bei sommerli-chen Temperaturen. Die Kenntnisse über die Folgen der akuten Atemnot sind mangelhaft, daher klagen Patienten oft tage- bis wochen-lang über eine zunehmende Symptomatik, ohne Kontakt mit einem Arzt aufzunehmen, kommen häufig erst spät in eine Notfall- ambulanz und erhalten die notwendige The-rapie deshalb verzögert. Dies dürfte zumin-dest teilweise die Ursache der hohen Sterb-lichkeit und Morbidität sein.

Unterschätzte HerausforderungDie Auslöser einer Atemnot können kar-dialer, pulmonaler oder gemischt kardial-pulmonaler Natur sein. Relativ selten lie-gen andere Gründe, wie z. B. eine schwere Anämie vor. Die korrekte Diagnosestellung ist bei unselektierten Notfallpatienten mit akuter Atemnot eine große, immer wie-der unterschätzte Herausforderung für die behandelnden Ärzte. In einer Studie gelang es Notfallmedizinern nur bei etwa 50 % der Patienten, eine kardiale oder pulmonale

Abb. 1: Vorschlag eines diagnostischen Algorithmus für die Herzinsuffizienz.6 Aus der Bewer-tung klinischer Zeichen und Symptome sowie der Untersuchungsergebnisse von 12-Kanal-EKG und Röntgen-Thorax ergibt sich eine Verdachtsdiagnose. In Abhängigkeit von der Verfügbarkeit wird die Bestimmung der NP bzw. alternativ eine Echokardiografie durchgeführt. Bei NT-proBNP < 300 pg/ml ist eine akute Herzinsuffizienz unwahrscheinlich. Stark erhöhte Spiegel (≥ 450 pg/ml bei Unter-50-Jährigen, ≥ 900 pg/ml im Alter 50-75 Jahre, ≥ 1800pg/ml bei Über-75-Jährigen) machen eine akute Herzinsuffizienz sehr wahrscheinlich. Alternative Ursachen (z. B. schwere Infektion, Gabe von Kate-cholaminen etc.) sind allerdings zu berücksichtigen. Die Plasmaspiegel von NT-proBNP sind als konti-nuierliche Messgröße zu interpretieren. Die Grenzwerte dienen dem mit der Interpretation wenig Ver-trauten als Hilfestellung.5 (MR-proANP: mid-regional pro-atrial natriuretic peptide).

Abb. 2: Patienten mit akuter Atemnot, die den Notarzt alarmierten und anschließend in der Notaufnahme vorgestellt wurden (n=91). A: Der überwiegende Anteil der akuten Atemnot ist durch kardiale und pulmonale Ursachen bedingt. Ein geringer Teil der Patienten weist sonstige Ursa-chen auf. B: Krankenhaussterblichkeit der Gesamtkohorte, unterteilt nach Ursache der Atemnot.

Anamnese, körperliche Untersuchung

12-Kanal-EKG + Röntgen-Thorax (in 2 Ebenen)

EchokardiografieNatriuretische Peptide (NP)

EKG normalund

NP normal*

EKG abnormal oder

NP abnormal**

EchokardiografieHerzinsuffizienz sehr

unwahrscheinlich

Sichere Diagnose Herzinsuffizienz: Evaluation der Ursache, Beginn der Behandlung

* NT-proBNP < 300 pg/ml, BNP < 100 pg/ml, MR-proANP < 120 pmol/l ** BNP ≥ 100 pg/ml, NT-proBNP ≥ 300 pg/ml, MR-proANP ≥ 120 pmol/l

AHF: Acute heart failure

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unter Berücksichtigung aller dafür not-wendigen Parameter ist eine abschließende Beurteilung im Einzelfall sehr schwierig. Der Nachweis einer normalen linksventrikulären Ejektionsfraktion schließt eine akute Herz-insuffizienz nicht aus. (Es gibt auch eine Herzinsuffizienz mit normaler Ejektions-fraktion.) Die Messung der natriuretischen Peptide im Plasma unterstützt die Diag-nosestellung der akuten Herzinsuffizienz erheblich und wird daher ebenfalls in den aktuellen Leitlinien empfohlen (Abb. 1).5,6

Natriuretische PeptideErhöhter intrakardialer Druck bzw. Volu-menüberlastung führen zur Dehnung des Ventrikels. Dies ist Stimulus für die Synthese der Prohormone von natriuretischen Pepti-den und deren Prozessierung in das biolo-gisch aktive Peptid „B-type natriuretic pep-tide“ (BNP) und das physiologisch inaktive, deutlich stabilere N-terminale Spaltprodukt NT-proBNP. Die Höhe der zirkulierenden natriuretischen Peptide reflektieren die „kardiale Funktion“ und sollten als konti-nuierliche Messgröße interpretiert werden.5 Für die Diagnosestellung wurden konkrete Grenzwerte vorgeschlagen (Abb. 1), die ins-besondere den weniger Erfahrenen in der Interpretation unterstützen.

Was ist zum diagnostischen Stellenwert von NT-proBNP als quantitativem Marker der kardialen Funktion bis heute bekannt?

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Ursache zuverlässig auszumachen. Bei der anderen Hälfte waren sich auch erfahrene Ärzte unsicher.4 Die Gründe: Klinische Zeichen und Symptome, aber auch klini-sche Untersuchungsergebnisse sind unspe-zifisch. Selbst ein 12-Kanal-EKG bzw. die Röntgenaufnahme der Thoraxorgane kön-nen die Abklärung nur unterstützen. Erst folgende weitere Untersuchungsmethoden helfen dem Kliniker, die Diagnose korrekt zu stellen und daraus die richtigen thera-peutischen Schritte abzuleiten:5

O Bildgebung (Echokardiografie, Computertomografie etc.)

O Bestimmung von Biomarkern wie den natriuretischen Peptiden.

Auslöser akute HerzinsuffizienzBei über 60  % der Atemnot-Patienten in unserer Notaufnahme war die Symptomatik kardial bedingt (Abb. 2A) – am häufigsten durch eine akute Herzinsuffizienz. Überra-schenderweise verstarben während des Kli-nikaufenthalts ausschließlich Patienten mit einer akuten Herzinsuffizienz (Abb.  2B). Deshalb ist für eine adäquate Therapie die korrekte Diagnosestellung der akuten Herz-insuffizienz unabdingbar.

Lehrbücher stützen sich bei der Defini-tion der Herzinsuffizienz überwiegend auf pathophysiologische Erklärungen, die sich aus invasiven Messungen und der gestör-ten Hämodynamik ableiten. Dies hilft aber

insbesondere in der Erstversorgung von Notfallpatienten nicht weiter. Aus diesem Grund sollten die Empfehlungen der aktu-ellen Leitlinien der Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) Anwendung finden. Danach ist die Herzinsuffizienz ein klini-sches Syndrom, bei dem die folgenden Kri-terien erfüllt sein müssen:6

O Typische Symptome der Herzinsuffizi-enz: Atemnot in Ruhe bzw. bei Belas-tung, Schwäche, Müdigkeit, Schwere der Beine, Leistungsknick etc.

O Typische Zeichen der Herzinsuffizienz: Tachykardie, Tachypnoe, basale feuchte Rasselgeräusche der Lunge, Pleura- erguss, erhöhter Jugularvenendruck, periphere Ödeme, positiver hepato- jugulärer Reflux, Hepatomegalie etc.

O Objektiver Nachweis einer strukturellen oder funktionellen kardialen Dysfunk-tion in Ruhe: Kardiomegalie, 3. Herzton, pathologische Herzgeräu-sche, nachgewiesene Dysfunktion in der kardialen Bildgebung bzw. erhöhte Spie-gel von natriuretischen Peptiden (z. B. des NT-proBNP).

Die Analyse der myokardialen Funktion mittels Echokardiografie ist eine in der klini-schen Routine häufig eingesetzte Methode. Sie erfordert jedoch die kombinierte Erfas-sung verschiedener Variablen sowie deren Interpretation im Kontext mit den klini-schen Untersuchungsergebnissen.7 Auch

Typische Symptome der Herzinsuffizienz: Atemnot, Schwäche,

Müdigkeit etc.

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Literatur 1 Christ M et al: Notfall Rettungsmed (2012); 15:383–391 2 Möckel M et al: Eur J Emerg Med (2013); 20:103–108 3 Christ M et al: Eur J Clin Invest (2007); 37:834–841 4 McCullough PA: Circulation (2002); 106:416–422 5 Christ M, Mueller C: Deutsch Aerztebl Intern (2008);

105:95–100 6 McMurray JJ: Eur Heart J (2012); 33:1787–1847 7 Schmidt J et al: Notfall Rettungsmed (2012); 15:571–583 8 Baggish AL et al: Am Heart J (2006); 151:48–54 9 Abraham WT et al: J Am Coll Cardiol (2008); 52:347–356 10 Salem R et al: Swiss Med Weekly (2010); 140: w13031

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Michael Christ Chefarzt der Klinik für Notfall- und Internistische Intensivmedizin Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg Prof. E. Nathan Str. 1 90419 Nürnberg [email protected]

O NT-proBNP hilft bei der Diagnose-stellung Herzinsuffizienz in der Not-fallambulanz bzw. Notaufnahme. Dieser Parameter ist hierfür kaum mehr aus der klinischen Routine wegzudenken.

O Die Höhe der NT-proBNP Spiegel ermöglicht dem Behandlungsteam eine Risikoabschätzung hinsichtlich Tod bzw. Rehospitalisation betroffener Patienten.

O Die Bestimmung von NT-proBNP ver-bessert das Management von Patienten mit akuter Atemnot und reduziert Dia-gnostik- und Behandlungskosten.

O Die Bestimmung von NT-proBNP unterstützt auch das medikamentöse und nicht-medikamentöse Manage-ment von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz.

Bei der Ergebnisinterpretation sind einige Aspekte zu berücksichtigenO Bei Adipositas sind NT-proBNP Spie-

gel reduziert. In der Praxis sollten die gemessenen Werte bei einem Body-Mass-Index > (30–)35 mit dem Faktor 2 multipliziert und die in der Legende der Abb. 1 aufgeführten Grenzwerte für die Bewertung verwendet werden.

O Bei chronischer Niereninsuffizienz sind NT-proBNP Spiegel erhöht. Deshalb kann die Interpretation nicht nach obi-gem Algorithmus erfolgen. Hilfreich sind evtl. vorliegende Werte früherer Bestimmungen, wobei die intraindivi-duelle Variabilität zu beachten ist: Ein Anstieg auf über das Doppelte kenn-zeichnet eine akute Verschlechterung der kardialen Funktion.

O Auch „nicht-kardiale“ Stimuli wie Infektionen erhöhen den NT-proBNP Spiegel. Gleichzeitig liegen bei gravie-renden Erkrankungen (z. B. bei einer schweren Sepsis) häufig auch kardiale Funktionsstörungen vor. Diese wurden früher aufgrund des Fehlens der kardi-alen Diagnostik übersehen.

Objektive Ursachenforschung Ist die kardiale Genese der Atemnot festge-stellt, gilt es im nächsten Schritt, die Ursa-che der Herzinsuffizienz zu identifizieren – als Voraussetzung, um die empfohlenen Therapieschritte korrekt einzuleiten. Die

unterschiedlichsten Faktoren können das klinische Syndrom der akuten Herzinsuffi- zienz induzieren (s. Kasten). Häufig sind es ein akuter Infarkt bzw. eine hypertensive Entglei-sung oder die akute Verschlechterung einer chronischen Herzinsuffizienz. Aber auch an seltenere Auslöser muss gedacht werden.

Zur maßgeschneiderten Therapie gehö-ren des Weiteren die Risikoabschätzung betroffener Patienten und die Zuweisung in die geeignete stationäre bzw. ambulante Versorgungsstruktur. Eigene, bisher noch nicht publizierte Untersuchungen zeigen, dass die subjektive Risikobeurteilung unzu-reichend ist: Notfallpflegende schätzen das Risiko betroffener Patienten, während des Krankenhausaufenthaltes zu versterben, nicht korrekt ein, daher sollten objektive, validierte Kriterien verwendet werden: Mit Hilfe des „PRIDE* acute heart failure scores“ lässt sich das Risiko von Patienten mit akuter Atemnot abschätzen,8 während der „OPTI-MIZE-HF“** das Risiko bei akuter Herzin-suffizienz beschreibt.9 Da die Risikoscores komplex sind, bieten sich Analysen mit Internet-basierten Berechungsprogrammen oder mit Applikationen im Smartphone an.

ChancenDie heutige Situation bei Patienten mit aku-ter Atemnot ist unbefriedigend – die Mor-talitätsrate und auch die Klinikkosten sind zu hoch. Die aktuellen Leitlinien der Euro-päischen Gesellschaft für Kardiologie emp-fehlen einen diagnostischen Algorithmus, der wertvolle Unterstützung für die oft noch unzulängliche und verzögerte Ursachenklä-rung leisten kann. Unter Berücksichtigung der Echokardiografie und/oder der natri-uretischen Peptide lässt sich eine kardiale Ursache der akuten Atemnot zuverlässig identifizieren und das Sterblichkeitsrisiko abschätzen. Der zeitnahe Therapiebeginn und die anschließende Einbindung betrof-fener Patienten in ein multidisziplinäres Behandlungsnetzwerk sind zielführend, um zukünftige Hospitalisierungen zu ver-meiden und die Sterblichkeit zu reduzieren. Den Notaufnahmen von Kliniken und den dort getroffenen Entscheidungen kommt hierbei eine besonders wichtige Rolle zu, denn sie sind die primäre Kontaktstelle für Patienten mit akuter Atemnot.

Häufige Ursachen einer akuten Herzinsuffizienz

O KHK (Ischämie, Komplikationen)O hypertensive EntgleisungO ArrhythmienO (Akute) KlappenvitienO MyokarditisO Perikarderguss, TamponadeO Post-partum KardiomyopathieO Dilatative idiopathische

KardiomyopathieO Volumen- / SalzretentionO Unzureichende Compliance

bei der medikamentösen TherapieO Medikamente (wie z. B. NSAR/

Coxibe, Glitazone etc.)O InfektionenO „High output“-Versagen

(z. B. bei Shunt)O NiereninsuffizienzO AlkoholO OperationenO LungenembolieO ThrombosenO Akute Porphyrie

Die Häufigkeit unterscheidet sich in Abhängig-keit der untersuchten Kollektive.

* PRIDE acute heart failure score: ProBNP Investigation of Dyspnea in the Emergency Department Acute Heart Failure Score.** OPTIMIZE-HF: Organized Program to Initiate Lifesaving Treatment in Hospitalized Patients with Heart Failure