Akzessorietät und Spezialität Zum Verhältnis zwischen...

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Wolfgang Wiegand Dr. iur., Professor an der Universität Bern Akzessorietät und Spezialität Zum Verhältnis zwischen Forderung und Sicherungsgegenstand Unverkäuflicher Sonderdruck aus «Probleme der Kreditsicherung» Berner Tage für die juristische Praxis 1981 veranstaltet von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern Verlag Stämpfli & Cie AG Bern 1982

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Wolfgang Wiegand Dr. iur., Professor an der Universität Bern

Akzessorietät und Spezialität Zum Verhältnis zwischen Forderung

und Sicherungsgegenstand

Unverkäuflicher Sonderdruck aus

«Probleme der Kreditsicherung»

Berner Tage für die juristische Praxis 1981

veranstaltet von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen

Fakultät der Universität Bern

Verlag Stämpfli & Cie AG Bern 1982

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Professor Dr. WOLFGANG WIEGAND

Akzessorietät und Spezialität Zum Verhältnis zwischen Forderung und Sicherungsgegenstand

Übersicht

/. Zur Bedeutung von Rechtsprinzipien

II. Die Prinzipien im einzelnen und in ihrem Zusammenhang 1. Akzessorietät 2. Spezialität 3. Zusammenhang beider Prinzipien und Würdigung

/ / / . Konkretisierung und An wendungsfälle 1. Bürgschaft 2. Pfandrecht

IV. Abtretung und Sicherungsrechte

V. Zusammenfassung und Ausblick

Nachdem ich heute morgen eine Tagung für die Praxis eröffnet habe, bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn ich jetzt selbst über ein Thema spreche, das nicht nur theoretisch klingt, sondern tatsächlich - wie Sie der Disposition entnehmen können - zu einem erheblichen Teil Fragen der Theo­rie betrifft. Indessen handelt es sich bei diesen theoretischen Überlegungen nur um den Versuch, einige Leitgedanken herauszuarbeiten, an denen die Entscheidung von Einzelproblemen der Kreditsicherung sich orientieren könnte und sollte. Als derartige Orientierungspunkte kommen neben den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den Interessen der Parteien vor allem diejenigen Prinzipien in Betracht, nach denen der Gesetzgeber die einzelnen Rechtsinstitute geordnet und ausgestaltet hat. Im Bereich der Kreditsiche­rung sind dies einmal der Gesichtspunkt der Publizität, auf den andere Refe­renten in verschiedenen Zusammenhängen eingehen werden1, zum anderen Akzessorietät und Spezialität als diejenigen Grundsätze, mit deren Hilfe der Gesetzgeber das Verhältnis von Sicherungsgegenstand und gesicherter Forde­rung zu regeln versucht. Ehe ich mich diesen Grundsätzen selbst zuwende,

1 Vgl. insbesondere die Referate von BCRGI. HANISCH und HAUSHEER in diesem Band.

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vorab einige Bemerkungen zur Bedeutung und Funktion derartiger Grund­sätze2 überhaupt.

I. Zur Bedeutung von Rechtsprinzipien

Wer über Prinzipien spricht, die dem Gesetz und seiner Anwendung zu­grunde liegen, wird feststellen, dass auch hier die allgemeine Lebenserfah­rung gilt, nach der «Prinzipien vor allem dazu aufgestellt werden, um sie zu durchbrechen». Denn kaum einer der leitenden Grundsätze, die unsere Pri­vatrechtsordnung prägen - wie etwa das Vertrauensprinzip, der Grundsatz der Vertragstreue oder die sachenrechtliche Publizität - findet uneinge­schränkt Anwendung. Daraus ergibt sich die Frage, was derartige Grundsätze nützen und ob es überhaupt noch lohnt, sich mit ihnen zu beschäftigen. Mei­nes Erachtens ist dies schon deshalb zu bejahen, weil erst eine Rückbesin­nung auf die Funktion derartiger Prinzipien die Möglichkeit eröffnet, sich über die Gründe und die Zulässigkeit ihrer Durchbrechung Klarheit zu ver­schaffen.

Ausgangspunkt aller Überlegungen bildet die Feststellung, dass der Ge­setzgeber bei der Regelung einzelner Materien jeweils von ganz bestimmten Grundvorstellungen ausging. So liegt, um nur ein Beispiel zu geben, unserem Sachenrechtssystem ein bestimmter Eigentumsbegriff zugrunde, aus dem sich dann sowohl die Konzeption der beschränkten dinglichen Rechte wie auch die Begrenzung ihrer Zahl, der sogenannte numerus clausus der Sachen­rechte, ergeben3. Mit dieser Entscheidung hängen weitere Grundsatzent­scheidungen des Gesetzgebers zusammen, etwa diejenige für die schon er­wähnte Publizität, die der Transparenz der sachenrechtlichen Verhältnisse und der Sichtbarmachung der Übertragungsvorgänge dienen soll. Die Liste derartiger, den Gesetzgeber bestimmenden Leitgedanken Hesse sich beliebig verlängern, ausschlaggebend ist jedoch die Frage, welche Bedeutung prinzi­piellen Vorstellungen dieser Art zukommt. Während einige in ihnen - um ein­mal einen in der Politik geläufigen Begriff zu gebrauchen - eher «Absichtser­klärung» sehen, betrachten andere diese Grundsätze als bindende Maximen. Die Wahrheit dürfte auch hier wie so oft in der Mitte liegen. Eine generelle Stellungnahme verbietet sich allerdings, es ist vielmehr in jedem konkreten Fall der heutige Stellenwert gesetzgeberischer Grundentscheidungen neu zu

! Die dem Folgenden zugrundeliegenden methodologischen Überlegungen können in diesem Rahmen nicht dargestellt werden; sie ergeben sich aber zum Teil aus den im Text vertretenen Auf­fassungen.

' Dazu WIEGAND, Zur theoretischen Begründung der Bodenmobilisierung in der Rechtswissen­schaft: Der abstrakte Eigentumsbegriff, in Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band 3 (1975) S. 118ff., und ergänzend: Bemerkungen zur Entwicklung des Treu­handrechts in der Schweiz und in Deutschland in Festschrift Coing (1982) II 565, 570ff.

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überdenken. Wichtig ist dabei allerdings folgender Gesichtspunkt: Ein Grossteil der vom Gesetzgeber fixierten Konzeptionen stand schon zu Beginn der Gesetzgebungsarbeiten fest und wurde deshalb oft unreflektiert übernom­men. Dies gilt vor allem für die dogmatischen Positionen, die im System des gemeinen Privatrechts des 19. Jahrhunderts entwickelt worden waren. Je stär­ker aber der wirtschaftliche Bezug sichtbar wurde, um so deutlicher wird auch der rechtspolitische Charakter der Entscheidung. Im Bereich der Kre­ditsicherung treten beide Aspekte in Erscheinung: Die Konsequenzen des Publizitätsprinzips werden in ihrer wirtschaftlichen Tragweite gesehen und erörtert''; dagegen finden sich über Akzessorietät und Spezialität der zu si­chernden Forderung keine weitschweifenden Diskussionen, diese werden als fest verankerte dogmatische Grundsätze einfach in das neue Recht übernom­men. Inzwischen sind wir uns allerdings im klaren darüber, dass hinter diesen scheinbar neutralen dogmatischen Konzeptionen ebenfalls, wenn auch manchmal unbewusste, rechtspolitische Grundvorstellungen stehen.

Bei Akzessorietät und Spezialität treten diese Zusammenhänge ziemlich klar hervor. Beide Prinzipien grenzen den Haftungsrahmen ein. Ohne hier schon näher auf die noch darzulegenden Einzelheiten einzugehen, kann man sagen: beide zusammen ermöglichen die Feststellung, welche Teile des durch Kreditsicherung gebundenen Vermögens zu welchem Zeitpunkt wofür haf­ten. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass Festlegungen dieser Art emi­nente rechtspolitische Bedeutung haben; denn sie entscheiden darüber, wem im Krisenfall welche Haftungsmasse zur Verfügung steht. Je strikter die Bin­dung an die zu sichernde Forderung und deren Höhe ist, um so grösser wird der Spielraum für den Schuldner und die nicht gesicherten Gläubiger. Je weitreichender diese Bindung ausgestaltet wird, um so weniger Spielraum verbleibt für andere. Im folgenden ist deshalb einerseits die vom Gesetzgeber verwendete dogmatische Konzeption näher zu erläutern und zum anderen die Frage zu beantworten, welche Vorstellungen ihn dabei geleitet haben.

4 Vgl. dazu meine (bei den Tagungsunterlagen befindlichen) Abhandlungen Kreditsicherung und Rechtsdogmatik in Berner Festgabe zum Schweiz. Juristentag 1979, S. 283 ff. und Fiduziarische Si­cherungsgeschäfte in ZBJV 116 (1980) S.5371T.

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II. Die Prinzipien im einzelnen und in ihrem Zusammenhang

1. Akzessorietät

Akzessorietät bedeutet zunächst einmal Abhängigkeit eines Rechtes von ei­nem anderen, wobei wir üblicherweise das abhängige Recht als Nebenrecht, das andere als Hauptrecht bezeichnen5.

Derartige Abhängigkeit gibt es in verschiedenen Formen, und entspre­chend vielfältig ist infolgedessen das Erscheinungsbild der Nebenrechte. Wenn wir in der Rechtsdogmatik von Akzessorietät sprechen, denken wir al­lerdings nicht an diese vielfältigen akzessorischen Rechte6, sondern vorwie­gend an eine bestimmte Art der Abhängigkeit wie sie nur bei den Sicherungs­geschäften auftritt. Hier wird ein Recht zu dem ausschliesslichen Zweck be­gründet, die Realisierung eines Leistungsanspruchs zu sichern. Aus diesem Zweck ergibt sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit die landläufige Definition der Akzessorietät. Danach ist das akzessorische Recht in seiner Entstehung, in seinem Bestand und in seinem Untergang abhängig von der Existenz des gesicherten Rechtes, es folgt ihm bei der Übertragung und es ist den gleichen Einreden ausgesetzt wie dieses7.

Historisch betrachtet stellt sich die Akzessorietät als eine Verfeinerung des rechtlichen Instrumentariums dar. Mit dieser dogmatischen Figur wird eine Verbindung zwischen Haftungsobjekt und zu sichernder Forderung herge­stellt, die dazu dient, Umfang und Dauer der Haftung zu begrenzen; sie wer­den mit Hilfe der Akzessorietät automatisch an den jeweiligen Bestand der zu sichernden Forderung angepasst. Beispielhaft für eine solche Entwicklung ist die Entstehung des römischen Pfandrechts aus der weitergehenden Siche­rungsübereignung8 oder die Ausbildung der heutigen Solidarbürgschaft aus dem ursprünglichen Schuldbeitritt9. Die zunehmende Bindung der Sicherung an die zu sichernde Forderung gehört deshalb lange Zeit zu den charakteristi­schen Merkmalen der kreditsichernden Rechte. Erst im 19. Jahrhundert zeichnet sich eine Umkehr der Entwicklung ab, die sich aus der veränderten wirtschaftlichen Gesamtsituation erklären lässt. Mit dem durch die Industria­lisierung auftretenden ungeheuren Kapitalbedarf entstehen zahlreiche neue Kreditsicherungsformen wie etwa die schon erwähnte Sicherungszession und

' Dazu allgemein VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Obligationenrechts, 3. A. (1979) § 2 X mit Nachweisen.

' Vgl. Zusammenstellung bei VON TUHR/PETER, a.a.O. ' Dazu OFTINGER/BAR, Zürcher Komm. ZGB 884 N. 149ff.; STAUDINGER-WIEGAND, Komm, zum

BGB, U.A. (1981) § 1204 Rz. 10 je mit Nachweisen. • Vgl. dazu und zum Folgenden: WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte (o. N.4) S.542ff. ' Vgl. etwa: BUCHER, Skriptum zum Obligationenrecht, Besonderer Teil, § 17 VI 2.

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Sicherungsübereignung. Daneben ist eine deutliche Tendenz zur Abstrakt­heit, d. h. zur Loslösung der Sicherungsrechte und zu ihrer Verselbständigung zu beobachten10. Der schweizerische Gesetzgeber hat beiden Grundströmun­gen Rechnung getragen, indem er einerseits an den traditionell akzessori­schen Sicherungsrechten festgehalten, andererseits aber im Bereich des Grundpfandrechts Konzessionen an die Verkehrsbedürfnisse gemacht hat, auf die ich später zurückkommen werde. Bei dieser Ausgangslage stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Akzessorietät bei den einzelnen Sicherungs­rechten zukommt. Das bedeutet konkret, wir müssen überlegen, ob Akzesso­rietät überhaupt und nur dort eine Rolle spielt, wo der Gesetzgeber sie aus­drücklich vorgesehen oder gar angeordnet hat oder ob das Akzessorietäts-prinzip auch darüberhinaus von Bedeutung sein kann.

Vergleicht man unter diesem Aspekt die verschiedenen gesetzlich geregel­ten Sicherungsrechte, so ergibt sich folgendes Bild:

Bei der Bürgschaft tritt die Abhängigkeit des Sicherungsrechts von der zu sichernden Forderung besonders deutlich in Erscheinung". Entstehung und Untergang der Bürgschaft werden in eindeutiger Weise mit Entstehen und Erlöschen der Forderung verknüpft, Einreden gegen die Forderung können auch vom Bürgen geltend gemacht werden12. Diese Bindung an eine be­stimmte und damit auch in ihrer Höhe bestimmbare Forderung ist durch die Reform des Bürgschaftsrechts13 im Jahre 1942 eher noch verstärkt worden.

Auch das Pfandrecht ist grundsätzlich als akzessorisches Recht konzi­piert14. Allerdings hat der Gesetzgeber im Interesse der Flexibilität des Rechtsinstitutes die Umschreibung der zu sichernden Forderung bewusst weit gefasst. Gemäss Art. 824 ZGB, der auch für das Faustpfandrecht ent­sprechend gilt, «kann eine beliebige, gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forderung pfandrechtlich sichergestellt werden»15. Indessen ändert dies nichts an dem grundsätzlichen Konzept, wonach das Sicherungsrecht der Forderung zu- und untergeordnet ist. Das gilt auch für die besondere Ausgestaltung des Pfandrechts, welches dieses in der Form des Schuldbriefs gefunden hat16- ".

,0 Dazu die oben N.3 genannte Abhandlung zum Eigentumsbegriff. " Die Literatur bezeichnet die Bürgschaft häufig als «streng akzessorisch», z. B. GIOVANOLI, Ber­

ner Komm. OR 492 N.2. 12 Vgl. OR 492, 502, 509. ,J Vgl. dazu GIOVANOLI, Einleitung zu OR 492 mit Nachweisen. 14 Vgl. dazu allgemein STAUDINGER-WIEGAND (oben Fn.7) Vorbemerkung 19 vor §1204 mit

Nachweisen zur historischen Tradition. 15 Vgl. hierzu OFTINGER/BÄR, ZGB 884 N. 153 ff. "• Zum Schuldbrief unten S.49f. " Überhaupt nicht in das Konzept der Akzessorietät passt der Eigentumsvorbehalt, der ein Si­

cherungsrecht eigener Art darstellt, das nur strukturell einem Pfandrecht bzw. einer Sicherungs­abereignung gleicht, dazu WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte (oben Fn.4) S.557f.; siehe auch unten S. 52.

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Die fiduziarischen Sicherungsgeschäfte18, Sicherungsübereignung und -Zession, gelten dagegen nach ganz allgemeiner Meinung als nicht akzesso­risch. Zwar werden auch die treuhänderischen Rechtsübertragungen zur Si­cherung einer Forderung vorgenommen, deren Existenz wird aber nicht als Gültigkeitsvoraussetzung für die fiduziarische Verfügung betrachtet. Die Ver­bindung zwischen Forderung und dem zu ihrer Sicherung treuhänderisch übertragenen Recht wird durch die sogenannte Sicherungsabrede hergestellt, die zugleich den Rechtsgrund für den Erwerb dieses Rechtes bildet". Eine automatische Verknüpfung zwischen gesicherter Forderung und Sicherungs­recht wie sie die Akzessorietät bewirkt, tritt auf diese Weise nicht ein; sie ist auch gar nicht gewollt. Die Parteien bevorzugen etwa die Sicherungszession gegenüber der beinahe in Vergessenheit geratenen Verpfändung von Forde­rungen gerade deshalb, weil sie der Akzessorietät des Pfandrechts auswei­chen wollen. Dessen ungeachtet wird die Sicherungszession ganz allgemein nicht nur für zulässig gehalten, sondern auch als nicht akzessorisches Recht anerkannt20.

Der kurze Überblick zeigt, dass die traditionellen Sicherungsrechte vom Gesetzgeber prinzipiell akzessorisch konzipiert wurden, dass daneben aber teils im Gesetz geregelte, teils durch Rechtsfortbildung akzeptierte Siche­rungsrechte bestehen, bei denen die Bindung zwischen gesicherter Forderung und Sicherungsrecht auf andere Weise (Eigentumsvorbehalt) verwirklicht oder aber gar nicht berücksichtigt wird. Ehe daraus Folgerungen zu ziehen sind, bedarf der mit dem Akzessorietätsprinzip eng verbundene Begriff der Spezialität nähere Erläuterung.

2. Spezialität

Das Wort Spezialität oder Spezialitätsprinzip21 wird in verschiedenen Zu­sammenhängen gebraucht, so dass zunächst eine terminologische Klarstel­lung notwendig ist: Einmal sprechen wir von der Spezialität des Sicherungs­gegenstandes, zum anderen von der Spezialität der gesicherten oder zu si­chernden Forderung.

Die Spezialität oder Bestimmtheit des Sicherungsgegenstandes, von der bei der Vorauszession bereits die Rede war22, beruht einerseits auf rechtsdogma-

" Zum Folgenden meine gleichnamige Abhandlung (oben Fn.4). " Zur Problematik der Treuhandabreden vgl. meine oben Fn. 3 zitierte Abhandlung. 10 Zusammenfassend WIEGAND, Fiduziarische Rechtsgeschäfte (oben Fn.4) S.560ff. und für die

Sicherungszession OFTINGER/BÄR, Systematischer Teil, N.302; für die Sicherungsübereignung. Sy­stematischer Teil, N. 259 ff., wo zwar an sich die Akzessorietät bejaht, deren eigentliche Folgen aber ausgeschlossen werden.

!l Vgl. etwa OFTINGER/BAR, ZGB 884 N. 16 und mit Nachweisen WIEGAND, Kreditsicherung (oben Fn.4) S.290f. und 300IT.

" Vgl. dazu die Ausführungen von BUCHER in diesem Bande S. 22/23.

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tischen und andererseits auf rechtspolitischen, historisch erklärbaren Vor­stellungen. Dogmatisch lässt sich das Spezialitätsprinzip daraus ableiten, dass die Begründung der Sicherheit durch ein Verfügungsgeschäft erfolgt. Wer aber über Rechte und Sachen verfügt, muss notwendigerweise wissen, worauf sich seine Verfügung bezieht. Deshalb ergibt sich das Spezialitäts­prinzip, wenn man so will, schon aus dem Wesen der Verfügung selbst23. Zu einem - vor allem das Pfandrecht beherrschenden - rechtspolitisch begründe­ten Prinzip ist der Spezialitätsgedanke geworden, als die gemeinrechtliche Generalhypothek überwunden wurde. Es setzte sich die Überzeugung durch, dass eine generelle Sicherungsbestellung an allen Rechtsgütern des Schuld­ners im Hinblick auf die Publizität dieser Sicherung einerseits und eine ver­nünftige Ordnung der Sicherungsrechte andererseits nicht tragbar24 sei. Wäh­rend Spezialitätsprinzip in diesem Sinne also Bestimmtheit des Sicherungsob­jektes bedeutet, verwenden wir den gleichen Begriff auch im Zusammenhang mit der Forderung.

In bezug auf die Forderung soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass grundsätzlich nicht beliebige, unspezifizierte Schulden, sondern nur eine bestimmte genau umschriebene Schuld gesichert werden soll. Dieser Ge­danke ergibt sich mit einer gewissen Notwendigkeit aus dem Grundgedanken der Akzessorietät, d.h. der Anlehnung der Sicherheit an eine zu sichernde Forderung. Eine derartige Bestimmtheit der zu sichernden Forderung ist im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet. Immerhin kann man doch davon aus­gehen, dass es den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprach, dass Sicherhei­ten nur für eine bestimmte Schuld errichtet werden sollten. Am deutlichsten kommt dies im Bürgschaftsrecht, insbesondere nach seiner Reform, zum Aus­druck. Aber auch die an sich sehr weit gefasste Akzessorietätsregel des Art.824 ZGB steht einer derartigen Interpretation nicht entgegen; denn sie besagt nur, dass Pfandrechte für jede Art von künftigen und möglichen For­derungen bestellt werden können, d. h. aber nicht, dass es sich bei dieser For­derung nicht um eine individualisierte oder bestimmbare Forderung handeln muss " .

Schliesslich wird das Wort Spezialität oder Spezialitätsprinzip in einem dritten Sinn verwendet, und zwar in bezug auf die im Gesetz vorgesehenen Höchstgrenzen der Sicherungsrechte. Solche summenmässigen Begrenzungen finden sich im Bürgschaftsrecht und im Grundpfandrecht. Vor allem bei Art. 794 ZGB spricht man vom Grundsatz der Spezialität der Forderung. Of-tinger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Nennung eines Höchstbetra-

" Vgl. WIEGAND, Kreditsicherung (oben Fn.4) S. 288 ff. mit Nachweisen. " Grundlegend HROMADKA, Die Entwicklung des Faustpfandprinzips im 18. und 19. Jahrhundert

(1971) sowie rechtshistorisch und rechtsvergleichend ALTORFER, Die Mobiliarhypothek (1981). " Vgl. hierzu WIEGAND, Kreditsicherung (oben Fn.4) S.300 mit Nachweisen.

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ges an sich nichts mit der Spezialität der Forderung zu tun habe26, vielmehr handelt es sich hier um die Festlegung der Belastungsgrenzen, die bei der Bürgschaft den Schutz des Bürgen bezweckt und beim Grundpfandrecht im Interesse weiterer Gläubiger die schon bestehende Belastung des Grund­stücks sichtbar machen soll.

Für die Fragen der Kreditsicherung ist die Spezialität in allen drei verwen­deten Beziehungen von Bedeutung. In unserem Zusammenhang spielt jedoch in erster Linie der zweite Gesichtspunkt eine Rolle: Der aus dem Akzessorie-tätsprinzip abzuleitende Gedanke, dass die zu sichernde Forderung bei Be­stellung der Sicherheit bis zu einem gewissen Grade individualisiert und be­stimmt sein muss. Es handelt sich genau genommen um nichts anderes als um eine Konkretisierung des Akzessorietätsgedankens, der im Gesetz nur mittel­bar und unvollkommen zum Ausdruck kommt.

3. Zusammenhang beider Prinzipien und Würdigung

Betrachtet man diesen Abriss zusammenfassend, so ergibt sich die ernüch­ternde Feststellung, dass die überwiegende Zahl der heute verbreiteten Siche­rungen nicht akzessorisch ausgestaltet ist. Nimmt man den Umstand hinzu, dass die Akzessorietätsvorschriften des schweizerischen Rechts eher weither­zig gefasst sind und dass der Spezialitätsgedanke im dargelegten Sinne nur unvollkommen zum Ausdruck kommt, so stellt sich die Frage, ob diesen als Prinzipien bezeichneten Grundgedanken des Sicherungsrechts überhaupt noch eine Bedeutung zukommt.

Bei der Würdigung ist allerdings folgendes in Betracht zu ziehen: Akzesso­rietät und Spezialität im dargelegten Sinne bilden eine Einheit, die sich zu­nächst als ein dogmatisches Gebilde darstellt. Dahinter steht allerdings ein rechtspolitisches Konzept, das das Ergebnis einer langen geschichtlichen Entwicklung bildet, die sich bis in die neueste Zeit - vgl. etwa die Revision des Bürgschaftsrechts - fortsetzt. Den Kern dieses Konzepts kann man da­hingehend umschreiben, dass eine immer spezifischere Bindung des Siche­rungsgebers angestrebt wurde. Das gilt für alle dargelegten Spezialitätskrite­rien nämlich für die Spezialität des Sicherungsgegenstands, für die Summen­begrenzung, insbesondere aber für die mit der Akzessorietät verbundene Vor­stellung, dass die Sicherungsrechte ausschliesslich zum Zweck der Sicherung und nur im Umfang der zu sichernden, bestimmbaren Forderung entstehen. Grundgedanke der dahinterstehenden Konzeption ist die sachliche und zeit­liche Begrenzung der Sicherungsrechte, die dazu führt, dass nach jeder er­folgten Tilgung eine Neubegründung der Sicherheiten vorgenommen werden

» OFTINGER/BAR, ZGB 884 N. 138 ff.

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muss. Um es einmal plastischer zu sagen: es soll der Kuchen jeweils neu ver­teilt werden. Demgegenüber besteht in der Praxis eine genau gegenläufige Tendenz, die ebenso verständlich wie beunruhigend ist. Sie zielt darauf ab, möglichst unabhängige und dauernde Sicherungen zu erreichen. Exempla­risch in dieser Hinsicht ist die eher abschreckende Situation in Deutschland. Durch eine hier nicht näher darzulegende Verknüpfung von Eigentumsvorbe­halt und Sicherungsübereignung, die beide formlos und uneingeschränkt zu­lässig sind, mit einer Vorauszession der Forderungen aus Veräusserung ist ein beinahe lückenloses Kreditsicherungssystem geschaffen worden, das zu einer vollständigen Bindung des gesamten schuldnerischen Vermögens führt27. Als Konsequenz daraus ergibt sich einerseits ein permanenter Konflikt zwischen Waren- und Geldkreditgebern um die Priorität, den die Rechtsprechung und Doktrin bis heute nicht befriedigend zu lösen vermochten. Zum andern ha­ben diese umfassenden und komplizierten Sicherungsmechanismen des deut­schen Rechts zu einem «Konkurs des Konkurses» geführt. Mit diesem Schlagwort28 bezeichnet man treffend den Umstand, dass alle wesentlichen Vermögensbestandteile künftiger Betreibungs- und Gemeinschuldner durch derartige Sicherungsvereinbarungen der Haftungsmasse entzogen werden, weshalb in der Regel der Konkurs mangels Masse nicht eröffnet werden kann oder aber nur eine minimale Konkursquote verbleibt.

Verglichen mit dieser eher abschreckenden Situation in Deutschland herr­schen in der Schweiz noch paradiesische Zustände. Indessen lässt sich auch hier vielfach dieselbe Tendenz29 beobachten. Einmal durch Ausweichen in die nicht akzessorischen Sicherheiten, wie vor allem die Sicherungszession, zum andern durch Versuche, die Konsequenzen der Akzessorietät und Spe­zialität zu minimieren oder gar auszuschalten. Im folgenden soll diese Ten­denz mit Beispielen belegt und die Tragweite des Akzessorietätsdogmas an Hand von Einzelproblemen diskutiert werden.

III. Konkretisierung und Anwendungsfälle

Gemeinsam ist den ersten Beispielen das Bestreben der Kreditgeber, die Si­cherheit vom jeweiligen Forderungsstand, ja schon von der Entstehung der Forderung unabhängig zu machen. Während das Gesetz letzterem Wunsch insoweit als es die Sicherung künftiger Forderungen ausdrücklich zulässt (492 II OR, 824 I ZGB)30, entspricht, wirft die Realisierung des zweiten Bedürfnis­ses grundsätzliche Probleme auf.

• Vgl. dazu die Nachweise in meinen oben Fn. 4 genannten Abhandlungen. " Vgl. dazu und zum Hintergrund dieser Problematik HANISCH, Krise des Insolvenzrechts?, in

BJM 1977, S. l61fT. • Vgl. hierzu die Feststellungen im Referat von BÜRGI, insbesondere S. 121. "Zur Problematik der Sicherung künftiger Forderungen vgl. oben N.25.

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1. Bürgschaft

Exemplarisch hierfür sind die Bürgschaftsformulare, wie sie die Banken - im wesentlichen gleichlautend - verwenden.

«Der Bürge verzichtet auf die im Gesetz vorgesehene Verringerung des Haftbetrages infolge Zeitablaufes. Die Verpflichtung des Bürgen dauert in vollem Umfang so lange, als die Bank mit dem/den Hauptschuldner/n in Geschäftsbeziehung steht, mag auch ein erteilter Kredit vorübergehend abbe­zahlt sein oder sonst zeitweilig nicht beansprucht werden31.»

Hier werden nicht nur die gesetzlich vorgesehenen Haftungsreduktionen ausgeschlossen, sondern auch die Konsequenzen der Akzessorietät. Während das erste nach Art.500 OR grundsätzlich zulässig ist32, kann man die Frage, ob die Akzessorietät überhaupt abbedungen werden kann, nicht ohne weite­res beantworten. Zweifel ergeben sich schon aus dem Wortlaut des Art. 492 OR, der ganz kategorisch formuliert: «Jede Bürgschaft setzt eine zu Recht be­stehende Hauptschuld voraus33». Auch der Umstand, dass Art.492 Abs.2 in Satz 2 ausdrücklich die Sicherung einer künftigen oder bedingten Schuld zu-lässt, vermag die Bedenken nicht zu beseitigen; es handelt sich dabei nur um die schon erwähnte Konzession an die Bedürfnisse der Praxis, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es sich auch bei der Bürgschaft für künftige Forderungen um die Sicherstellung einer schon jetzt in ihrem Um­fang und Inhalt bestimmbaren Forderung handelt34. Die Überschaubarkeit des übernommenen Risikos und seine Begrenzung stellen wesentliche Merk­male des Bürgschaftsrechts dar, die durch die Revision von 1942 noch ver­stärkt wurden. Infolgedessen gehört die Akzessorietät, die diese Begrenzung sicherstellt, zu den unverzichtbaren Elementen eines Bürgschaftsvertrages. Sehr deutlich kommt dies in Art. 509 Abs. 1 OR zum Ausdruck, wonach der Bürge «durch jedes Erlöschen der Hauptschuld» befreit wird". Auch aus Art. 117 OR, der in diesem Zusammenhang gelegentlich erwähnt wird36, lässt sich kein Gegenargument ableiten. Vielmehr gibt sich aus Art. 117 Abs. 3 OR ganz eindeutig, dass die bestehenden Sicherheiten für eine ins Kontokorrent aufgenommene Forderung an sich erlöschen würden. Warum sonst bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, dass diese Rechtsfolge bei der Saldoziehung im Kontokorrentverhältnis nicht eintreten soll.

" Die mir bekannten Formulare stimmen in den wesentlichen Punkten weitgehend überein. " Vgl. hierzu Wortlaut von OR 500 und die Erläuterungen von GIOVANOLI ZU diesem Artikel. u Aus dem Sonderfall des Abs.3 des Art.492 lassen sich keine Folgerungen ziehen; denn hierbei

handelt es sich um das bewusste Einstehen für eine mit einem Mangel behaftete Forderung, deren Mangelhaftigkeit dem «Bürgen» bekannt war.

"Vgl. oben Fn. 15. " Vgl. den Wortlaut von OR 509 und OR 114. " Wie hier SCYBOZ, Schweizerisches Privatrecht VII/2 S.371 f.

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Infolgedessen kann m. E. die oben zitierte Vereinbarung nicht als wirksam angesehen werden oder umgekehrt: Die getroffene Vereinbarung stellt keine Bürgschaft mehr dar. Allenfalls Hesse sie sich als Garantievertrag interpretie­ren. Aber dies ist mit nicht zumutbaren Nachteilen für den «Bürgen» verbun­den. Einer solchen Interpretation steht zudem der Umstand entgegen, dass es sich um einen vorformulierten Vertrag handelt, der nach den für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen zu beurteilen ist37. Da einer­seits nicht klar ist, ob die Akzessorietät der Bürgschaft in unzulässiger Weise ausgeschlossen werden soll oder ob ein Garantievertrag beabsichtigt ist, kommt auf diese Klausel die vom Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannte Unklarheiten-Regel zur Anwendung38.

Die Anwendung dieser Regel auf den vorliegenden Fall führt dazu, dass die Klausel zu Lasten der sie aufstellenden Banken als ungültig zu betrachten ist und an ihrer Stelle die gesetzliche Regelung als vereinbart gilt39.

2. Pfandrecht

Auch bei den Pfandrechten tritt die Tendenz, die durch die Akzessorietät be­wirkte und bezweckte Verknüpfung des Sicherungsgegenstandes mit einer in­dividuellen Forderung zu lockern, deutlich in Erscheinung. Hinzu kommt hier das Bestreben, auch auf Seiten des Sicherungsgegenstandes eine gewisse Flexibilität zu erreichen. Aus dem Zusammenwirken dieser beiden Elemente ergeben sich jedoch Konsequenzen, die an die Grundlagen der gesetzlichen Pfandrechtskonzeption rühren. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn man die in der Praxis verbreiteten Formulare, die häufig auch noch Abtretungser­klärungen enthalten, einer näheren Analyse unterzieht40. Die Umschreibun­gen der zu sichernden Forderungen werden möglichst allgemein und umfas­send gehalten. Sie lauten etwa:

" Dazu zusammenfassend KRAMER, Berner Komm., OR 1 N. 173, und FORSTMOSER, Die rechtli­che Behandlung von allgemeinen Geschäftsbedingungen im schweizerischen und im deutschen Recht, Festgabe Kummer (1980) S.99f.

" Dazu vor allem KRAMER, a.a.O. N. 109, FORSTMOSER, a.a.O. S. 133f. " Bei der Interpretation sind zwei Schritte zu vollziehen: Mit Hilfe der Unklarheitenregel wird

festgestellt, dass die Annahme eines Garantievertrages nicht in Betracht kommt, sondern eine Bürg­schaft vorliegt. Da der Ausschluss der Akzessorietät bei der Bürgschaft jedoch nicht möglich ist, tritt an dessen Stelle die im Gesetz vorgesehene Regelung.

" Die Auswahl der im folgenden zitierten Textpassagen aus den zahlreichen mir vorliegenden Bankformularen erfolgt ausschliesslich danach, welche der Wendungen die hier zu beschreibenden Phänomene am besten verdeutlicht. Es soll damit weder eine Kritik noch eine Bewertung verbun­den sein.

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«Der Unterzeichnete verpfändet hiermit der Bank als Deckung für alle der Bank gegen ... (den Verpfänder selbst oder einen Dritten) ... jetzt oder in Zu­kunft zustehende Ansprüche, aus welchem Rechtsgrunde immer diese her­rühren (derzeitige oder künftige Kredite, Wechselverkehr, Börsengeschäfte usw.), mit Einschluss von sämtlichen verfallenen und laufenden Zinsen, Kommissionen und Kosten» oder etwa «das Pfandrecht dient zur Sicherstel­lung aller Ansprüche, die die Bank aus irgend einem Rechtsgrunde gegen ... jetzt oder in Zukunft erlangen wird». Allerdings finden sich auch präziser ge-fasste Formulierungen, wie die folgende: «Die Pfänder sowie die abgetrete­nen Forderungen und andere Rechte haften der Bank für sämtliche Forde­rungen gegen ... aus bereits abgeschlossenen oder im Rahmen der bestehen­den Geschäftsbeziehungen mit der Bank künftig abzuschliessenden Verträ­gen mit Einschluss von sämtlichen verfallenen und laufenden Zinsen und Kommissionen sowie der übrigen im Zusammenhang damit oder mit der Ver­wertung der Pfänder oder abgetretenen Forderungen oder anderen Rechten entstandenen gerichtlichen oder aussergerichtlichen Spesen und Kosten.» Gerade die sehr speziellen Bezeichnungen am Ende dieser Formel zeigen, dass man sich hier bewusst um eine einigermassen präzise Beschreibung der zu sichernden Forderung bemüht hat. Gleichwohl bleibt insgesamt festzuhal­ten, dass in den zitierten Bankformularen der Kreis der durch die Sicherheit gedeckten Forderungen möglichst umfassend und weitgehend unspezifiziert beschrieben wird, um so eine sich stets von selbst vollziehende Auswechslung der Forderung zu ermöglichen.

Eine gewisse Grosszügigkeit lässt sich - wie schon bemerkt - auch bei der Umschreibung des Sicherungsgegenstandes feststellen. Als Beispiele nenne ich folgende Klauseln: «Der Pfandgeber räumt hiermit ein Pfandrecht an al­len Wertpapieren, Forderungen und Sachen, die die Bank jetzt oder inskünf­tig für seine Rechnung entweder selber aufbewahrt oder unter ihrem Namen für seine Rechnung anderswo aufbewahren lässt oder die für seine Rechnung von dritter Seite hinterlegt worden sind oder hinterlegt werden» oder «Der unterzeichnete Pfandgeber bestellt... ein Pfandrecht an allen dem Pfandgeber gehörenden Waren, die sich in mittelbarem oder unmittelbarem Besitz der Bank, auch solche die sich auf dem Transport, in Lagerhäusern oder sonstwo zur Verwahrung oder zur Verarbeitung befinden oder in Zukunft befinden werden». Auch hier finden sich freilich Formulare, in denen ein Bemühen um Präzisierung sichtbar wird, z.B. die Klausel: «Der Unterzeichnete ver­pfändet hiermit ... alle Waren, die durch besondere Korrespondenz jeweils genauer bezeichnet werden.» Insgesamt muss man jedoch festhalten, dass die sehr allgemein gehaltene Umschreibung, die Wertpapiere, Guthaben und be­wegliche Sachen umfasst, deutlich von dem Bestreben geprägt ist, den Kreis der Sicherungsgegenstände möglichst gross und variabel zu gestalten. Das wird vor allem deshalb ermöglicht, weil die für die Pfandrechtsbegründung

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität 47

wichtigen Besitzfragen bei den beweglichen Sachen nur sehr global und m. E. nicht mit der für eine wirksame Pfandrechtsbestellung erforderlichen Klar­heit geregelt werden41. Die Tendenz verstärkt sich in einigen Formularen noch dadurch, dass sie den Austausch der Pfandobjekte vorsehen: «Bei Um­tausch von Pfandobjekten haften ohne weiteres die neuen Stücke als Pfand» oder «findet ein Austausch von Waren statt, so werden die eingetauschten Posten sofort ohne weiteres vom Pfandrecht erfasst». Als besonders sympto­matisch erscheint die in beiden Formeln verwendete Floskel «ohne weiteres». Hiedurch wird deutlich gemacht, dass auf die bewusste Begründung eines neuen Pfandrechts verzichtet und dieses ohne die erforderlichen Willensmo­mente quasi automatisch, eben «ohne weiteres» entstehen soll. Auf die gegen eine derartige Begründung des Pfandrechts aus rechtsdogmatischen Gründen bestehenden Bedenken will ich in diesem Zusammenhang nicht noch einmal eingehen, sie sind in meiner Abhandlung42 über «Kreditsicherung und Rechtsdogmatik» im Zusammenhang mit dem in den allgemeinen Geschäfts­bedingungen der Banken ausbedungenen Pfandrecht dargestellt. Aber auch wenn man diese Vorbehalte einmal ausser Betracht lässt, so ergeben sich wei­tere Bedenken aus den Konsequenzen. Betrachtet man nämlich derartige Klauseln im vollen Umfang als gültig, so haben sie einen für den Kreditgeber höchst erwünschten Effekt: Es entsteht ein Dauerpfandrecht, das auf ideale Weise ergänzt wird, wenn in den Formularen noch eine Verkaufsklausel hin­zutritt, wie etwa die folgende: «Der Unterzeichnete tritt der ... Bank insbe­sondere auch sämtliche Forderungen ab, die aus einem Verkauf dieser Waren entstehen. Ein Austausch der verpfändeten Waren darf nur im Einverständ­nis mit der Bank vorgenommen werden, wobei die neuen Warenposten ohne weiteres als Pfand haften». Hier zeichnet sich eine ähnlich lückenlose Siche­rung ab, wie wir sie in der oben dargestellten Perfektion43 aus Deutschland kennen und fürchten.

Die Beurteilung dieser Praxis fällt nicht leicht; niemand verkennt ihre Vor­züge und die Tatsache, dass sie den wirtschaftlichen Interessen der Bank, aber auch in der Regel denjenigen des Kreditnehmers entsprechen. Aber auch die Bedenken liegen auf der Hand, insbesondere dann, wenn man an die bei der Kreditsicherung stets zu berücksichtigenden Interessen nicht be­teiligter Dritter denkt. Sie verstärken sich, sofern man in Betracht zieht, dass es sich um vorformulierte Vertragsbestimmungen handelt, die nach den für die Kontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelten Massstä­ben beurteilt werden müssen. Der eigentliche Sinn einer richterlichen Kon­trolle derartiger vorformulierter Verträge besteht darin, ihren Inhalt an der

" Dass dies häufig bewusst im Hinblick auf die Praktikabilität geschieht, ist zwar verständlich, vermag aber die Zweifel an der Zulässigkeit nicht zu beseitigen.

« S. oben N.4, insbesondere S. 302 ff. , ! S. oben S.43 und den Vortrag von BÜRGE.

48 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität

gesetzlichen Ordnung zu messen; der Grundgedanke lässt sich schlagwortar­tig dahin formulieren, dass nicht alles, was dispositiv ist, wirklich zur Dispo­sition steht. Auch wenn die schweizerische Rechtsprechung sich bisher auf eine Art «Rahmenkontrolle» beschränkt, geht die Tendenz44 doch deutlich auf eine Inhaltskontrolle hin. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die von den Banken verwendeten Formulare einer derartigen Kontrolle standhalten wür­den. Schon heute lassen sich gewisse Ansätze in dieser Richtung erkennen, so die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Sicherungsrechten gele­gentlich vorgenommenen Überprüfungen im Hinblick auf Art. 27 ZGB, die an die deutsche Rechtsprechung vor Erlass eines Gesetzes über die allgemei­nen Geschäftsbedingungen erinnern45. Wesentlich flexibler und sachgerech­ter als der nur schwer zu konkretisierende und im Hinblick auf die Interes­senlage bei der Kreditsicherung wenig geeignete Massstab der Sittenwidrig­keit erscheint mir auch heute noch mein früher gemachter Vorschlag, die Frage der Zulässigkeit einzelner Sicherungsformen an Hand der in Art. 717 ZGB zum Ausdruck gekommenen Wertungen des Gesetzgebers zu messen und den Entscheid im konkreten Einzelfall in die Hand des Richters zu le­gen46.

Während also beim Fahrnispfand einer unerwünschten Entwicklung entge­gengetreten werden muss, stellt sich die Situation im Bereich der Grundpfandrechte gänzlich anders dar. Der entscheidende Unterschied er­gibt sich daraus, dass der Gesetzgeber durch das System der festen Pfand­stelle47 von vornherein die Schaffung von Wertparzellen48 ermöglicht hat. Aufgrund der liegenschaftsrechtlichen Publizitätsvorschriften sind Auftei­lung und Bindung des Grundeigentums nach aussen hin sichtbar und der Schutz dritter Interessenten und Gläubiger ist gewährleistet. Dies alles er­fordert und rechtfertigt eine andere Beurteilung als beim Fahrnispfand. In­folgedessen ist die in der Praxis geübte und von der Rechtsprechung teilweise geschützte Tendenz zur Flexibilität zu billigen. Ich beschränke mich auf zwei Beispiele:

" So die generelle Meinung in der neueren Spezialliteratur und zusammenfassend besonders eindrucksvoll KRAMER (oben Fn.37) N.208.

" Vgl. BGE 69 II 290 (für Verpfandung von künftigen Forderungen); BGE 84 II 366 und BGE 85 I 30; die deutschen Gerichte haben vor Erlass des AGB Gesetzes zahlreiche Klauseln von allge­meinen Geschäftsbedingungen als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB für nichtig erklärt.

"Vgl. WIEGAND, Kreditsicherung (oben N.4) S.306f. " Vgl. TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische ZGB (9.A. 1975/79) § 102 IV. " TUOR/SCHNYDER, a.a.O.; insgesamt und historisch die in dem oben N.3 genannten Sammel­

werk, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert. Band 3 zusammengefass-ten Abhandlungen.

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität 49

Forderungsauswechslung bei der Hypothek

Das Bundesgericht hat zu der Frage, ob bei der Grundpfandverschreibung eine Auswechslung der Forderung möglich sei, mehrmals Stellung genom­men, sich jedoch im Ergebnis bisher nicht entscheiden müssen. Auch im letz­ten diese Frage betreffenden Urteil konnte das Bundesgericht die Frage of­fenlassen49, denn es «müsste ein neuer öffentlich beurkundeter Vertrag abge­schlossen werden, wenn die Übertragung einer Grundpfandverschreibung von einer Forderung auf eine andere zulässig wäre»50. Die Neuvornahme und Beurkundung des Pfanderrichtungsvertrages fordern nämlich auch die kantonale Praxis und die herrschende Lehre, welche grundsätzlich die Forde­rungsauswechslung bei der Grundpfandverschreibung für zulässig halten51. Bei Beachtung dieses Erfordernisses werden jene oben geschilderten Gefah­ren eines sich stillschweigend erneuernden Pfandrechts durch fortlaufende Forderungsauswechslung vermieden. Zu beachten ist jedoch, dass der Bun­desgerichtsentscheid sich nicht auf eine in der Praxis weitverbreitete Übung bezieht, welche schon im Pfanderrichtungsvertrag selbst die Erneuerung ei­ner teilweise oder ganz getilgten Schuld vorsieht. Da hier die Auswechslung der Forderung durch Aufnahme in den Pfanderrichtungsvertrag praktisch vorangekündigt wird, ist immerhin ein Minimum an Publizität gewahrt, so dass man (mit LIVER) 52 an der Zulässigkeit dieser Praxis wird festhalten kön­nen. Damit gleicht die Rechtslage in bezug auf die Auswechselbarkeit der Forderung weitgehend derjenigen beim Schuldbrief, welchen mein zweites Beispiel betrifft.

Weiterverwendung des Schuldbriefs

Das Bundesgericht hat in einer bemerkenswerten neueren Entscheidung53 zur Frage der Weiterverwendung des Schuldbriefes Stellung genommen. Das Ur­teil, das im wesentlichen auf Gedankengängen beruht, die GUHL in seiner be­rühmten Abhandlung «Vom Schuldbrief»54 entwickelt hat, bedarf zu seinem Verständnis einiger erläuternden Vorbemerkungen.

« BGE 105 II 183IT. - Pra 69 (1980) Nr.30. 50 Zitat aus Praxis 69 (1980) Nr.30 S.74. " Nachweise in BGE 105 II 183 ff. " Beispiel und Nachweise bei LIVER, ZBJV 1981, S. 113f.; vgl. auch die im Anschluss abgedruck­

ten Diskussionsbeiträge FISCHER und RUF. " BGE 105 III 122ff.; ähnlich schon in der vorausgehenden Entscheidung vom 1.9.1978, ZBGR

60 (1979) S. 106 ff. >• GUHL, ZBJV 92 (1956) S. 55 ff.

50 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität

Der Schuldbrief wird nach landläufiger Meinung als nicht akzessorisch, dafür aber als abstrakt bezeichnet55. Beide Bezeichnungen sind nicht ganz unproblematisch. So könnte man vielleicht etwas überspitzt den Schuldbrief auch das akzessorischste aller Sicherungsrechte nennen, da in ihm Pfand­recht und Forderung praktisch zu einer Einheit verschmolzen werden. Der Grund dieser kraft gesetzlicher Anordnung zwingenden Verknüpfung von Forderung und Pfandrecht (vgl. Art. 842 und 855 ZGB) liegt darin, dass mit dem Schuldbrief der oben erwähnte Gesichtspunkt der Aufteilung des Grundstücks in einzelne Wertparzellen vervollkommnet werden sollte, indem man diese durch Verkörperung in einem Wertpapier umlauffähig machte. Um das zu ermöglichen, musste eine weitgehende Identität von Pfandrecht und Forderung gewährleistet werden. Dies geschieht durch die in der Litera­tur vielfach als Abstraktheit bezeichnete Verselbständigung der Forderung, welche durch die in Art. 855 ZGB vorgesehene Novation erfolgt. Bei der Ver­wendung des Begriffes abstrakt ist freilich zu beachten, dass nach herrschen­der Auffassung die Novation den Rückgriff auf das zugrundeliegende Schuldverhältnis nicht absolut ausschliesst56. Sieht man einmal von dieser eher terminologischen Korrektur ab, so sind die Folgerungen, die das Bun­desgericht aus dem Begriff ableitet, durchaus zu billigen.

In dem jüngst entschiedenen Fall, der eine ganze Reihe von verschiedenen Sicherungsformen miteinander verknüpft und insofern für die an unserer Ta­gung behandelte Problematik symptomatisch ist, geht es unter anderem darum, ob bei zwei Namensschuldbriefen die durch Darlehenstilgung freige­wordenen Teile zur Sicherung einer Kontokorrentforderung benutzt werden konnten. Das Bundesgericht weist den Einwand der beklagten Konkursmasse zurück, die sich auf den Standpunkt stellte, für ein derartiges Nachschieben einer neuen Forderung sei öffentliche Beurkundung erforderlich gewesen, da es sich um eine Änderung des Grundpfandvertrages handle. Das Bundesge­richt57 führt dazu aus:

«Diese Argumentation trägt der abstrakten Natur der Schuldbriefforde­rung zu wenig Rechnung. Gemäss Art. 855 Abs. 1 ZGB wird mit der Errich­tung eines Schuldbriefes das Schuldverhältnis, das diesem Rechtsakt zu­grunde liegt, durch Neuerung getilgt (eine andere Abrede, die nach Abs. 2 dieser Bestimmung mit blosser Wirkung unter den Vertragsschliessenden möglich ist, wurde hier nicht getroffen). Die neue Forderung, die mit der Schuldbrieferrichtung entsteht und die durch das Grundpfandrecht gesichert ist, muss daher von der ursprünglichen Forderung aus dem Grundverhältnis zwischen den Parteien unterschieden werden; es handelt sich dabei also nicht mehr um die Darlehens- oder Kaufpreisforderung, die Anlass zur Errichtung

" Z.B. LEEMANN, Berner Komm. ZGB 793 N. 13ff. '• BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Zürich 1979, S.367. " BGE 105 III 128.

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität 51

des Schuldbriefes gegeben hat (vgl. dazu THEO GUHL, Vom Schuldbrief, ZBJV 92/1956, S. 5 ff.).

Leistet der Schuldner Abzahlungen an die Schuldbriefforderung, ohne dass die im Grundbuch eingetragene Pfandsumme und der auf dem Titel ver-urkundete Forderungsbetrag in entsprechendem Umfang gelöscht oder die Abzahlungen dort wenigstens im Sinne von Art. 874 Abs. 1 und 2 ZGB ange­merkt werden, so kann der Gläubiger die Forderung und das Pfandrecht grundsätzlich in ihrer ursprünglichen Höhe geltend machen. Dem Schuldner bleibt in diesem Falle nichts anderes übrig, als unter Hinweis auf die von ihm geleisteten Abzahlungen eine Einrede zu erheben, wie sie Art. 872 ZGB für ei­nen solchen Fall ausdrücklich vorbehält (vgl. dazu GUHL, a.a.O., S. 14ff.). Der Gläubiger kann dem Schuldner im Umfang der von diesem geleisteten Abzahlungen aber auch einen neuen Kredit gewähren. Dies läuft nicht auf eine Wiedererhöhung der Schuldbriefsumme hinaus, da diese durch die ge­leisteten Abzahlungen gar nicht vermindert worden ist. Mit GUHL ist vielmehr anzunehmen, dass eine neue Kreditgewährung nur das persönliche Verhält­nis zwischen Gläubiger und Schuldner beeinflusst und bloss zur Folge hat, dass der Schuldner einem Anspruch des Gläubigers aus dem Schuldbrief im Umfang der neuen Darlehensgewährung keine Einrede aus den früher vorge­nommenen Abzahlungen mehr entgegenhalten kann; die Schuldbriefforde­rung als solche und das Pfandrecht bleiben von den nur das persönliche Ver­hältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner betreffenden Rechtsge­schäften völlig unberührt (GUHL, a.a.O., S. 15/16).»

Mit dieser von GUHL entwickelten dogmatischen Begründung ist der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Hinblick auf die im Gegensatz zum Fahrnispfandrecht völlig anders geartete Struktur des Grundpfandrechts und auf die vom Gesetzgeber mit dem Schuldbrief verfolgten rechtspolitischen Zwecke zuzustimmen. Der Akzessorietätsgedanke in dem oben dargestellten Sinne und die damit verbundenen Wertungen werden dadurch nicht tangiert. Die Begründung der Entscheidung und die Beschränkung der Einreden auf das persönliche Rechtsverhältnis führen zu einem letzten Komplex, der zum Erscheinungsbild der Akzessorietät gehört.

IV. Abtretung und Sicherungsrechte

Grundsätzlich ergibt sich aus dem Prinzip der Akzessorietät, dass alle Neben­rechte mit der Abtretung des Hauptrechtes übergehen. Inwieweit dieser in OR 170 festgelegte Grundsatz auch für Sicherungsrechte gilt, hängt davon ab, welche dieser Sicherungsrechte man als «Nebenrechte» betrachtet. Unzwei­felhaft fallen unter diese Regelung alle Pfandrechte als typisch akzessorische

52 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität

Rechte58. Zweifelhafter ist die Lage bei der Sicherungszession. Geht man von ihrer Struktur und ihrem Erscheinungsbild aus, so handelt es sich zweifellos -wie oben dargelegt - um ein pfandrechtsähnliches Institut, so dass vieles für eine analoge Anwendung des OR 170 sprechen würde. Materiell hiesse dies aber nichts anderes, als die Sicherungszession als ein akzessorisches Recht zu behandeln. Gerade diese Konsequenz wird im Hinblick auf den Parteiwillen und den mit diesem fiduziarischen Geschäft befolgten Zweck abgelehnt59. Dieses Ergebnis wird man, auch wenn man die Konsequenzen nicht für un­bedenklich hält, bei der derzeitigen Gesetzeslage akzeptieren müssen.

Weitaus komplexer gestaltet sich die Rechtslage bei der Abtretung einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Forderung. Zwar ist der Eigentums­vorbehalt nicht ein akzessorisches Recht im traditionellen Sinne, andererseits stellt er seiner Struktur nach ein Sicherungsrecht dar, das im Ergebnis einem Pfandrecht oder dem Sicherungseigentum nahe steht, dieses aber an Wirk­samkeit eher noch übertrifft60. Obwohl dieser Befund an sich eindeutig ist, ergeben sich bei der Abtretung der eigentumsvorbehaltsgesicherten Kauf­preisforderung erhebliche theoretische und praktische Schwierigkeiten, die nicht zuletzt auf der umstrittenen rechtlichen Konstruktion des Eigentums­vorbehalts beruhen61. Überwiegend wird angenommen, dass der Eigentums­vorbehalt als Nebenrecht im Sinne des Art. 170 OR mit der abgetretenen For­derung übergehe62.

Die Abtretung kann im Eigentumsvorbehaltsregister vermerkt werden63. Aufgrund dieser Rechtslage hat sich in der Praxis ein Verfahren herausgebil­det, das im Hinblick auf das Fehlen einer Sicherungsübereignung durch Be­sitzkonstitut oder ein Registerpfandrecht verständlich, aber doch nicht un­problematisch ist64. In einem umfangreichen Vertragswerk kaufen Banken eigentumsvorbehaltgesicherte Forderungen, wobei sie sich trotz Art. 170 OR den Eigentumsvorbehalt in der Regel noch zusätzlich übertragen lassen. An­schliessend werden gekaufte Forderung gegenüber dem Käufer und nunmeh­rigen Bankschuldner verzinslich gestellt und allfällige Einreden aus dem Kaufvertrag ausgeschlossen. Betrachtet man diese Operation vom Ergebnis her, so handelt es sich eindeutig um eine Sicherungsübereignung zugunsten der Bank, wobei die Kaufpreisforderung in Wahrheit zu einer Darlehensfor­derung geworden ist. Geht man von der dogmatischen Konstruktion des Ei-

5* OFTINGER/BAR, ZGB 884 N 162; STAUDINGER-WIEGAND, § 1250 Rz. 1.

" OFTINGER/BAR, Systematischer Teil, N. 302. 60 Dazu WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte (oben N.4); OFTINGER/BAR, Systemati­

scher Teil, N. 180. " LIVER, SPR V/1 § 52 IV mit Nachweisen. " Nachweise bei UVER, a. a. O. " EWO 4"". "Dazu WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte (oben N.4); zum Folgenden OFTINGER/

BAR, Systematischer Teil N. 180, die von einer «zulässigen» Umgehung sprechen.

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität 53

gentumsvorbehalts und der legislatorischen Konzeption aus, so müsste man dieses Verfahren für unzulässig halten, zumal der hinzutretende Einredeaus-schluss die Situation des Käufers und Schuldners nachhaltig verschlechtert. Zieht man allerdings in Betracht, dass es sich - wie erwähnt - bei diesem Ge­schäft nur um einen Versuch handelt, die sich aus der Unzulässigkeit der Si­cherungsübereignung durch Besitzkonstitut ergebenden, vielfach misslichen Konsequenzen abzumildern, so wird man dieses Vorgehen insgesamt zwar nicht als unbedenklich, doch im Ergebnis noch für zulässig halten müssen.

V. Zusammenfassung und Ausblick

Der Sinn meiner Ausführungen lag darin, zwei Dinge aufzuzeigen: Einmal geht es mir darum begreiflich zu machen, dass Akzessorietät nicht als ein selbstverständlicher Grundsatz betrachtet werden darf, aus dem man belie­bige Folgerungen ziehen kann. Vielmehr beschreibt Akzessorietät nur einen funktionalen Zusammenhang von Sicherheit und Forderung. Hinter dieser funktionalen Verknüpfung stehen nicht nur systematisch-dogmatische Über­legungen und Konsequenzen, sondern damit verbunden ist auch eine rechts­politische Komponente, die sich aus dem Zusammenhang zwischen Forde­rung und Sicherheit ergibt. Infolgedessen ist von Fall zu Fall zu differenzie­ren und zu entscheiden, welche Bedeutung und Tragweite der Akzessorietät zukommt und was sie zu leisten vermag. Dass man gerade im Hinblick auf die aufgezeigte Flexibilität den Bogen nicht überspannen sollte, möchte ich mit einem historischen Beispiel belegen. In der älteren sachenrechtlichen Li­teratur wird unter dem geläufigen Schlagwort der «Judenkühe»65 von der Praxis gewisser Viehhändler berichtet, die vor der Jahrhundertwende von dem damals noch formlos zulässigen Eigentumsvorbehalt folgenden Ge­brauch machten: Sie verkauften Jungvieh an notleidende Bauern in der In­nerschweiz in der sicheren Erwartung, dass diese nicht in der Lage sein wür­den, die fälligen Kaufpreisraten zu zahlen. Nachdem die Tiere grossgezogen waren, traten sie wegen Zahlungsverzugs vom Kaufgeschäft zurück und ver­langten aufgrund des vorbehaltenen Eigentums die inzwischen grossgezoge­nen Tiere heraus. Die teilweise verheerenden Auswirkungen dieser Ge­schäftspraxis haben - wie man aus den Beratungen zum ZGB entnehmen kann - entscheidend dazu beigetragen, dass der Gesetzgeber in Art. 715 Abs. 2 den Eigentumsvorbehalt beim Viehhandel verboten und statt dessen ein Registerpfandrecht eingeführt hat. Wenn man aus diesem Vorgang eine Lehre ziehen kann, dann ist es diese: Die am seriösen Kreditwesen Beteilig­ten sollten dafür Sorge tragen, die Interessen des Kreditgebers und des Kre-

" OSER, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft in ZSR 24 (1905) S.452.

54 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion / Pierre Widmer

ditnehmers aber auch diejenigen betroffener Dritter angemessen zu berück­sichtigen. Wenn derartige Einsicht sich nicht verbreitet, könnte sie alsbald verordnet werden.

Diskussionsleiter Dr. Pierre Widmer

Herr WIEGAND hat mit seinen anregenden Ausführungen deutlich gemacht, dass zwischen den Anforderungen, die eine kohärente Rechtsdogmatik an sich selber stellen muss, und dem, was man gemeinhin als «Bedürfnisse der Praxis» bezeichnet, ein gewisses Spannungsfeld besteht, dessen Knistern die Diskussion zweifellos beleben wird. Gewiss ist es ein Hauptziel dieser Ta­gung und des Gesprächs zwischen Theorie und Praxis, auch gegensätzliche Standpunkte hervortreten zu lassen; das ist ein erster Zweck unserer Diskus­sion. Dabei sollte es freilich nicht bleiben, wenn sich einerseits der Spruch bewahrheiten soll, wonach eine gute Theorie noch immer die beste Praxis ist, und anderseits die Theorie ihre Verbindung mit der Rechtswirklichkeit nicht verlieren soll. Es ist somit zu hoffen, dass die Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen einen gewissen rechtspolitischen Ertrag abwirft, der uns alle irgendwie weiterbringt.

Es scheint mir daher wertvoll, wenn sich der Gedankenaustausch an eini­gen wesentlichen Prinzipien orientieren kann, die nicht als unumstösslich be­trachtet werden dürfen, hinter deren primär dogmatisch-klassifikatorischer Bedeutung aber doch auch rechtspolitische Wertungen sichtbar werden. Die zentrale Frage dürfte daher sein, wie diese Wertungen - welche in den von Herrn WIEGAND geannten Grundsätzen der Akzessorietät, der Spezialität und auch der Publizität zum Ausdruck kommen - aus heutiger Sicht zu beurteilen sind. Wie weit entsprechen sie noch unserem Rechtsempfinden (das wohl nicht unbesehen mit den Wünschen der Handelspraxis gleichgesetzt werden kann)? Sind sie allenfalls durch neue Vorstellungen abgelöst worden, die auch entsprechende dogmatische Veränderungen nach sich ziehen müssten?

Ich darf mir vielleicht gestatten, den Gegenstand unserer Diskussion mit einigen bewusst pointierten Fragen wie folgt zu umreissen: - Sind wir im Begriffe, «okkulte Rechtsverhältnisse» zu schaffen oder an­

zuerkennen? - Kommt es zu einer Dissoziation von Rechtsschein und Rechtswirklichkeit? - Hat die normative Kraft des Faktischen die gesetzgeberischen Intentionen

bereits unsichtbar unterlaufen? - Haben wir im Bereich der Kreditsicherung unbemerkt Abschied genom­

men von einem allgemein verstandenen Vertrauensprinzip und es etwa schon durch ein unausgesprochenes Misstrauensprinzip ersetzt, weil immer undurchsichtiger zu werden droht, ob ein potentieller Schuldner - wirt-

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion / Hans Peter Dietzi 55

schaftlich gesehen - noch wirklich aus Fleisch und Blut oder bloss noch aus Haut und Knochen besteht?

- Ist der Begriff «Gläubiger» nicht in Gefahr, nur noch als Komparativ von «gläubig» im Sinne von «leichtgläubig» verstanden zu werden, weil immer mehr damit gerechnet werden muss, dass ein paar gewiegte «Ungläubiger» den Rahm vorweg abgeschöpft und zuweilen nicht einmal mehr die Mager­milch übriggelassen haben?

- Wieweit ist das oft fast extreme Sicherheitsbedürfnis der Praxis die Folge einer durch dieselbe Praxis hervorgerufenen Unsicherheit über die Kredit­würdigkeit und die «dingliche Bonität» des Partners?

- Könnte freiwillige Selbstbeschränkung ein Mittel sein, um gesetzgeberi­schen Überreaktionen zuvorzukommen?

Diskussionsredner Dr. Hans Peter Dietzi

Es fällt einem Praktiker nicht leicht, zum von Herrn WIEGAND gewählten, sehr theoretischen Thema «Akzessorietät und Spezialität» Stellung zu neh­men.

1. Allgemeines

Die Grundsätze «Akzessorietät» und «Spezialität» - in diesem Zusammen­hang muss wohl auch als drittes Prinzip die sogenannte «Publizität» erwähnt werden - dürfen nicht isoliert angewendet werden, sondern bedürfen der Auslegung bezogen auf konkrete Fragestellungen; insbesondere dürfen diese Prinzipien nicht zum Selbstzweck werden. Es ist ein grosser Vorzug von ZGB und OR, dass sie sich in hohem Masse eignen, auch auf neue, vom Gesetzge­ber nicht vorgesehene Sachverhalte angewendet zu werden und sich durch geltungszeitliche Auslegung neuen Bedürfnissen anzupassen. Auch Prinzi­pien wie Akzessorietät und Spezialität müssen zeitgemäss angewendet wer­den und dürfen nicht als starre Dogmen gelten; ihre Funktion muss diejenige für Doktrin und Praxis sein.

Die durch das Spezialitäts- und Publizitätsprinzip angestrebte Transparenz der Rechtsverhältnisse ist heute viel mehr in Frage gestellt als zur Zeit, als das ZGB erlassen wurde. Oft trügt der äussere Anschein; der Besitzer ist oft nicht Eigentümer, das ihm zugerechnete Vermögen gehört oft zu wesentlichen Tei­len Dritten (man denke an Abzahlungsgeschäfte unter Eigentumsvorbehalt, Leasing usw.). Dies ist ein Grund mehr, in der Anwendung der genannten Grundsätze Zurückhaltung zu üben.

56 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion / Hans Peter Dietzi

Die Befürchtung von Herrn WIEGAND, die Zustände in der Bundesrepublik Deutschland, wo offenbar in der Mehrzahl der Konkurse die Fünftklassgläu-biger leer ausgehen, würden auch bald in der Schweiz zur Regel werden, scheinen mir übertrieben. Die Idee eines allgemeinen Schutzes von Fünft-klassgläubigern ist äusserst problematisch, wissen doch diese Gläubiger ge­nau, dass sie keine gesicherten Forderungen besitzen. Eine Beschränkung der Belastbarkeit des Vermögens eines Schuldners durch Prinzipien wie Akzesso­rietät und Spezialität würde bedeuten, dass der betreffende Schuldner sein Kreditpotential im Interesse seiner Fünftklassgläubiger gekürzt sähe.

Es gilt zu beachten, dass Real- und Personalsicherheiten in den meisten Fällen dazu dienen, ein langdauerndes, sich im Laufe der Zeit veränderndes Kreditverhältnis zwischen Kunde und Bank sicherzustellen. Es liegt auf der Hand, dass die Bank auf eine andauernde und beständige Deckung als Kor­relat zum Dauerschuldverhältnis angewiesen ist, ansonsten sie erhebliche Ri­siken in Kauf nehmen müsste.

2. Forderungsauswechslung

Betrachtet man die Formulierung in gewissen Bankbürgschaftsformularen, welche die Auswechselbarkeit der sichergestellten Forderungsverhältnisse vorsehen, als rechtlich fragwürdig, so müssten die Banken wohl oder übel dazu übergehen, vermehrt Garantien in Form von selbständigen unabhängi­gen Zahlungsversprechen zu verlangen, was eine ganz wesentliche Verschär­fung der Haftung des Garantieverpflichteten bedeuten würde. Folgende, im Gesetz ausdrücklich verankerte Fälle von Forderungsauswechslungen im Bürgschaftsrecht belegen, dass hierfür legitime Bedürfnisse gegeben sind: Zollbürgschaften und Bürgschaften im gemeinschaftlichen Versandverfahren. Über Jahre hinweg bestehen hier dieselben Bürgschaften, unter denen zahl­reiche Transporte bzw. Speditionen durchgeführt werden. Es entstehen stän­dig neue Forderungen und werden solche getilgt; die Bürgschaft gilt für alle diese Verpflichtungen, solange sie nicht gekündigt wurde.

Dasselbe gilt analog für das Faust- und das Grundpfand. Insbesondere beim Grundpfand besteht ein echtes Bedürfnis, die sichergestellte Forderung auswechseln zu können, indem der Kreditnehmer sogenannte freie Teile be­nutzen bzw. wiederbenutzen kann. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, unverhofft entstehende Kreditbedürfnisse sofort zu befriedigen. Umtriebe, Kosten sowie lange Wartezeiten beim Grundbuchamt und damit verbundene Rechtsunsicherheiten lassen sich vermeiden. Das Bundesgericht hat in meh­reren neueren Entscheiden festgestellt, frei gewordene Teile von Schuldbrie­fen könnten durch formlose Abrede zwischen den Parteien zur Deckung

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion / Hans Peter Dietzi 57

neuer Verpflichtungen herangezogen werden, soweit ein konkretes Kreditver-hältnis sichergestellt werde.

3. Pfandgegenstand

Zur Frage der Auswechslung von Pfandgegenständen sei darauf hingewiesen, dass es meist nicht die Bank, sondern der Pfandgeber ist, der auf die Mög­lichkeit, Pfandgegenstände auszuwechseln, angewiesen ist, so etwa bei Wa­renkrediten (z. B. bei Verpfändung von Rohstoffen, wie Metall, Gummi, Holz usw., Brennstoffen, Lebens- und Genussmitteln, wie Getreide, Reis, Zucker, Kaffee usw., Futtermitteln) oder bei Wertschriftenkrediten. Aus der Beschaf­fenheit der verpfändeten Sachen findet hier eine ständige Umwälzung des Warenlagers bzw. Portefeuille statt, während das Kreditverhältnis gleich bleibt. Das wohl prägnanteste Beispiel stellt in diesem Zusammenhang die sogenannte Pflichtlagerfinanzierung dar. Dort haften dem Bund kraft Gesetz sogar Waren, die sich auf dem Transport befinden; dem Spezialitätsprinzip wird nur ganz beschränkt Rechnung getragen, indem die dem Bund verhafte­ten Waren lediglich nach Art und Umfang, allenfalls noch nach Lageort, um­schrieben sind.

4. Eigentumsvorbehaltsdarlehen

Lässt sich eine Bank die Restschuld aus einem Abzahlungsgeschäft zusam­men mit dem Eigentumsvorbehalt abtreten, und sind in dieser Restschuld Teilzahlungszuschläge enthalten, so dass sich eine zusätzliche Verzinsung er­übrigt, so ist dieses Vorgehen rechtlich bestimmt nicht zu beanstanden. Ge­währleistet indessen eine von der Bank erworbene Restkaufpreisforderung keine genügende Verzinsung, so muss die Bank mit dem Schuldner nachträg­lich eine entsprechende Vereinbarung treffen. Dadurch wird indessen ledig­lich der ursprüngliche Abzahlungsvertrag durch Vereinbarung unter den Par­teien nachträglich abgeändert. Dies muss nach dem Prinzip der Vertragsauto­nomie zulässig sein; darin ein Umgehungsgeschäft zu sehen, überzeugt nicht.

5. Schlussbemerkungen

Dem Referenten stimme ich darin bei, dass alle im eigenen Interesse darauf achten sollten, Exzesse, die einen restriktiv legiferierenden Gesetzgeber auf den Plan rufen könnten, zu vermeiden. Ob aber eine solche Selbstbeschrän­kung mit Hilfe einer strengen Auslegung der Prinzipien «Akzessorietät» und

58 WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion

«Spezialität» erreicht werden kann, erscheint fraglich; immerhin mögen diese Grundsätze als Richtschnur für die Festlegung der Grenze des Vertret­baren hilfreich sein.

Diskussion zum Referat von Herrn Professor Dr. VV. Wiegand und zum Votum von Herrn Dr. Hans Peter Dietzi

Prof. WIEGAND: Mit Herrn DIETZI bin ich der Meinung, dass es nicht darum geht, eine vorübergehende Belastung des gesamten Vermögens auszuschlies-sen. Es soll aber vermieden werden, dass durch dauernde Bindung des Ver­mögens neue Gläubiger keinerlei Aussicht haben, mit einem Sicherungsrecht am Schuldnervermögen zu partizipieren. Zur Bürgschaft möchte ich anmer­ken, dass, wenn man die Auffassung vertritt, solche Formulare seien am Ge­setz zu messen, die Folge nicht Nichtigkeit ist, sondern die gesetzliche Rege­lung anstelle der Klausel tritt. Letzten Endes ist dann eine akzessorische Bürgschaft vereinbart. Ich bestreite das enorme wirtschaftliche Interesse für den Forderungsaustausch durchaus nicht; ob dies jedoch mit dem derzeitigen Recht vereinbar ist, bleibt fraglich. Es ist beinahe eine Selbstverständlichkeit, dass unter heutigen Verhältnissen die Publizität bei Mobilien kaum mehr funktioniert. Dennoch ist - solange nicht neue Publizitätsformen gefunden werden - an den alten festzuhalten, um nicht unsichtbare Sicherungsverhält­nisse zu schaffen.

Dr. SCHAAD, Zürich: Bei richtiger Lesart bedeutet die in Frage stehende Bürgschaftsklausel, dass man die Bürgschaft auf das bestehende Vertragsver­hältnis beschränkt sehen will. Man will namentlich deshalb keine neuen Bürgschaften, weil dadurch hohe Kosten verursacht werden.

Beim Erwerb einer vorbehaltsgesicherten Forderung vergütet die Bank nicht die volle Forderung, sondern zieht einen Teilzahlungszuschlag ab. Kann die Bank sich mit diesem nicht zufriedengeben, so verrechnet sie wirt­schaftlich gesehen einen Zins. Rechtlich ist das nichts anderes als eine Auf­tragskommission, die der Vorbehaltskäufer der Bank deshalb schuldet, weil die Bank die Forderung des Verkäufers erworben hat. Dies ist durchaus zu­lässig, allerdings ist dann die Auftragskommission nicht durch den Eigen­tumsvorbehalt gesichert.

Prof. WIEGAND: ES ist selbstverständlich, dass die Bürgschaft nur eine be­stimmte Geschäftsverbindung sichern kann. Hier geht es nur um die Frage, ob die gesetzlich vorgesehene Befreiung des Bürgen, für den Fall, dass die verbürgte Forderung erlischt, wegbedungen werden kann. Gerade dies ist je-

WOLFGANG WIEGAND: Akzessorietät und Spezialität. Diskussion 59

doch nicht möglich. Die Revision des Bürgschaftsrechtes zeigt recht deutlich, dass hier keine Dispositionsmöglichkeit besteht.

Die Abtretung der Eigentumsvorbehaltsforderung ist nicht prinzipiell ab­zulehnen. Was einen bedenklich stimmen muss, ist aber der regelmässig ver­einbarte Einredenausschluss. Dieser kann sehr leicht zu einer Schlechterstel­lung des Schuldners führen.

Meine Damen und Herren, bei dem Ganzen geht es darum, zu zeigen, dass man gesetzlich die richtigen Sicherungsformen einführen muss, damit die Praxis nicht zu unzulänglichen Hilfskonstruktionen Zuflucht nimmt. Neh­men Sie als Beispiel die Schwierigkeiten, die die Praxis mit der Abtretung von Vorbehaltsforderungen hat. Hier bemüht man sich ängstlich, bei nachträgli­chen Zinsvereinbarungen jeglichen Anschein einer Novation zu vermeiden, weil doch diese zum Erlöschen des Eigentumsvorbehaltes führen müsste.

FISCHER, Zürich: Herr Professor WIEGAND, was halten Sie unter diesen Ge­sichtspunkten von den Wiederauszahlungsklauseln, wie sie bei Kapitalgrund-pfandverschreibungen im Kanton Graubünden üblich sind?

Prof. WIEGAND: Bei Grundpfandverschreibungen macht die Begründung einer neuen Forderung auch eine öffentliche Beurkundung notwendig. Dies ist deshalb unbedenklich, weil es den Parteien freisteht, sich statt dessen der Form eines Schuldbriefes zu bedienen; denn wer Flexibilität wünscht, muss sich der entsprechenden Form bedienen und sich nicht nachträglich darüber beschweren, dass die andere Form zu Schwierigkeiten geführt hat.

RUF, Langenthai: Prof. LIVER vertritt in einem Gutachten, das dem Schwei­zerischen Regionalbankenverband erstattet worden ist, die Meinung, das Er­löschen der Grundpfandverschreibung könne dadurch verhindert werden, dass in den öffentlich beurkundeten Pfandbestellungsvertrag eine Klausel eingeführt werde, in der sich die Bank das Recht vorbehält, ohne Rücksicht auf nachgehende Pfandrechte und eventuelle Nachrückungsrechte die zu­rückbezahlten Beträge bis zur Höhe des ursprünglichen Darlehens wieder auszuzahlen. Was halten Sie davon?

Prof. WIEGAND: An und für sich bestehen hier keine Bedenken, sofern der Pfanderrichtungsvertrag dies vorsieht. Dabei kann man sich grundsätzlich auf die Lehre vom formellen Pfandrecht stützen. Dennoch sollte man aber schon im Interesse der Publizitätsfunktion des Grundbuches in diesem Punkt nicht zu leichtfertig sein; grundsätzlich gilt es, am Erfordernis der öffentli­chen Beurkundung beim Forderungsaustausch festzuhalten.