„Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude...

78
„Leben will ich, leben, leben“ Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Autor: Hermann Vinke Regie: Daniela Herzberg Redaktion: Dr. Monika Künzel Musik: Helge Burggrabe SprecherInnen Julia Jentsch Stephan Schad Angelika Thomas Lorenz Meyboden Julian Greis Oliver Mallison Sendetermine: 14. November 2020 Deutschlandfunk Kultur 14./15. November 2020 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

Transcript of „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude...

Page 1: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

„Leben will ich, leben, leben“

Die Lange Nacht über dieWiderstandskämpferin Cato Bontjes van Beek

Autor: Hermann Vinke

Regie: Daniela Herzberg

Redaktion: Dr. Monika Künzel

Musik: Helge Burggrabe

SprecherInnen Julia Jentsch Stephan SchadAngelika ThomasLorenz MeybodenJulian GreisOliver Mallison

Sendetermine: 14. November 2020 Deutschlandfunk Kultur14./15. November 2020 Deutschlandfunk

__________________________________________________________________________Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

Page 2: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

© Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 2

Page 3: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

1. Stunde

(Hinweis: der Name Cato wird auf der letzten Silbe betont, also niederländisch ausgesprochen: Cató!)

Musik: Goldberg-Variation Joh. S. Bach (Igor Levit)

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe, gute Mama,immer sehe ich Euch noch vor mir und ich bin so sehr froh, dass ich Dich, Meme und nun endlich, nach so langer Zeit, auch Tim gesehen habe. Ich machte mir bittere Vorwürfe, dass ich es Dir und Tim so schwer gemacht habe durch mein Weinen. Es war vielleicht ein etwas unglücklicher Tag in der Beziehung, denn schon beim Rundgang am Vormittag kamen mir die Tränen, als ich den blauen Himmel und die weißen Wolken sah. Du musst nicht mehr daran denken, dass ich so geweint habe, meine liebe Mama, denn die Freude siegt doch stets wieder, dass Ihr alle immer so nahe bei mir seid und mich nicht verlasst.

Erzähler:Am 20. Juni 1943 schreibt Cato Bontjes van Beek aus dem Frauengefängnis an der Barnimstraße in Berlin ihrer Mutter Olga diesen Brief. Die Haftanstalt ist Catos letzte Station vor Plötzensee, wo die Widerstandskämpferin am 5. August 1943 hingerichtet wird. In den Zeilen klingt die Erschütterung über die Begegnung zwei Tage zuvor noch nach.

Sprecherin 1 (Cato):Momentan ist natürlich mein ganzes Denken darauf gerichtet, dass Tim da ist und Ihr Drei bald gemeinsam in Fischerhude seid, und glaube mir, ich bin bei Euch als wäre es Wirklichkeit, so wie früher, als ich noch so war, wie ich nun wieder bin. Ich brauche nur die Augen zu schließen und dann sehe ich alles ganz lebendig vor mir und höre Eure Stimmen. Es entwickeln sich sicherlich besondere Eigenschaften bei einem Menschen, der durch so dicke Mauern und Gitter von seinen Lieben getrennt ist. Heute sind es neun Monate her, dass ich in Haft bin und damals war es auch ein Sonntag.Eben habe ich das Buch von W. Waetzold über Albrecht Dürer und seine Zeit fertig gelesen. Ich mag mich von den Bildern noch gar nicht trennen und sehe sie mir immer wieder an. Wenn Du in Fischerhude bist, dann sieh‘ Dir das Bildnis einer Unbekannten an. Es ist das Bild Nr. 34, die Frau sieht nach unten und mich packt jedes Mal beim Betrachten dieselbe Liebe, die ich zu den Bildnissen der italienischen Frührenaissance habe. Über meinem Bett hängt solch‘ ein schöner Frauenkopf, und

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 3

Page 4: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

es war beim Aufwachen des Morgens so schön, ihn immer gleich zu sehen. Es ist wirklich fast dasselbe, ob man dieses Bild betrachtet, eine Fuge von Bach hört oder imJohannes-Evangelium liest. Das höhere Wesen offenbart sich in allen drei Dingen.

Musik: Goldberg-Variation (Igor Levit)

Erzähler:Cato Bontjes van Beek gehörte der Roten Kapelle an, einer der größten Widerstandsgruppen gegen das Nazi-Regime. Rote Kapelle – die Bezeichnung stammte aus dem Fahndungsbuch von Gestapo und militärischer Abwehr. Catos Sehnsucht richtet sich auf Fischerhude. Das Dorf an der Wümme liegt unweit von Bremen. Dort wurde sie am 14. November 1920 geboren.

Musik: (Helge Burggrabe)

Erzähler:Cato hängt mit jeder Faser am Leben. Dass ihr Schicksal und das der anderen Anhänger der Roten Kapelle weitgehend in Vergessenheit geraten ist, liegt an der Nachkriegsgeschichte im geteilten Deutschland. Für die DDR waren sie Kundschafter an der unsichtbaren Front, also Aktivisten im Dienste der vom Faschismus bedrohten Sowjetunion. In Westdeutschland verbreiteten Magazine und Zeitungen das Bild einer weltumspannenden Spionage-Organisation im Dienste des Kreml. Zwischen den Fronten des Kalten Krieges war kein Platz für die Erinnerung an den mutigen Widerstand der Roten Kapelle.

O-Ton Johannes Tuchel (A1) 2.00 Diese Widerstandsgruppe ist nach 1945 lange Jahre überhaupt nicht als Teil des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wahrgenommen worden, sondern wurde immer wieder in einen ganz anderen Kontext gestellt, in den Kontext von Spionage, Agenten und verruchten Dingen. Dieser Begriff „Rote Kapelle“ – damit fängt es schon an – ist eine Bezeichnung, die Abwehr und Geheime Staatspolizei prägten für diese Gruppe. Rot, ganz klar, ganz eindeutig, kommunistisch. Kapelle – was ist eine Kapelle? Nicht das Gebäude, sondern im Jargon der Spionageabwehr ist ein Funker, der in einer bestimmten Gruppe tätig ist, ein Pianist. Und mehrere Pianisten, also mehrere Funker, ergeben eine Kapelle. Und eine kommunistische Spionagegruppe bekam daher diesen Oberbegriff der „Roten Kapelle“. Tatsächlich aber war es so, dass das, was die Gestapo unter dem Oberbegriff, alles versammelt hat, gar nichts miteinander zu tun hatte. Es gab Gruppen des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes GRU in Brüssel und in Paris, richtige militärische nachrichtendienstliche Einheit. Und es gab tatsächlich hier in Berlin eine

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 4

Page 5: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Widerstandsgruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, mehr als hundert Männer und Frauen, übrigens die Widerstandsgruppe mit dem größten Frauenanteil überhaupt, die hier in Berlin aktiv waren. Ein einziger Offizier des sowjetischen Nachrichtendienstes besuchte im Oktober 1941 hier in Berlin Harro Schulze- Boysen, führte mit ihm ein Gespräch. Und dies ist die ganze Zusammenarbeit zwischen der sogenannten Berliner Roten Kapelle und den Gruppen des militärischen Nachrichtendienstes der Sowjetunion.

Erzähler:Professor Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, kommt das Verdienst zu, zusammen mit anderen Historikern die Widerstandsgruppe Rote Kapelle aus der ideologischen Konfrontation des Ost-West-Konfliktes befreit zu haben. In Vorträgen und Büchern legt Tuchel dar, wie vielfältig die Gruppe zusammengesetzt war. Menschen ganz unterschiedlicher politischer Couleur gehören dazu. Was sie verbindet, ist die Gegnerschaft zum NS-Regime.

O-Ton Johannes Tuchel: (Tuchel A 2) 1.16 Tatsächlich war die Berliner Widerstandsgruppe etwas, das wir heute als ein Netz bezeichnen würden, also keine Gruppe, wo es Mitgliedsausweise gab oder feste hierarchische Strukturen, sondern eher informelle Gruppen, eher Kreise, Schriftsteller, religiöse Sozialisten, Kommunisten und Sozialdemokraten. Alles finden wir hier. Und diese Gruppe wandte sich vor allen Dingen während des Krieges 1941/42 in Flugschriften hier an die Berliner Bevölkerung. Im Jahr davor 1940/41auch hatte es, solange es hier in Berlin eine sowjetische Botschaft gab, Kontakte gegeben zwischen Berliner Widerstandskämpfern und dieser sowjetischen Botschaft. Und die sowjetische Botschaft hatte auch Funkgeräte zur Verfügung gestellt. Tatsächlich funktionierte von diesen Geräten kein einziges. Und von den angeblich 500 Funksprüchen der Roten Kapelle, die etwa in den Legenden der Gestapo sogar von Ruderbooten vom Wannsee aus gesendet wurden und Ähnliches, tatsächlich gab es einen einzige Probefunkspruch, der den wirklich konspirativen Texthatte: „Tausend Grüße allen Freunden“. Das ist alles, was von der großen Sendetätigkeit der Roten Kapelle übrig geblieben ist.

Erzähler:Cato Bontjes van Beek schließt sich seit Sommer 1941 der Widerstandsgruppe Rote Kapelle an. Sie beteiligt sich an der Herstellung und Verteilung von Flugblättern. Ihre Prägung erhält Cato durch ihr Elternhaus in Fischerhude, ein Haus der Maler, Musiker,Philosophen und Lebenskünstler. Auch liebt sie die Landschaft, die das Dorf an der Wümme umgibt, das angrenzende Teufelsmoor, das Hochwasser, das die Wiesen im Herbst und Frühjahr überschwemmt.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 5

Page 6: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

O-Ton Tim Bontjes van Beek (Tim A 3) 1.08Dieses Fischerhude wird ja von mehreren Flüssen durchzogen. Die Wümme ist der Hauptfluss. Dann gibt es noch einen Nordarm, einen Südarm und verschiedene andereFlüsse. In der Wümme haben wir natürlich immer gebadet und geschwommen. Unseresportlichen Aktivitäten sind wir da losgeworden. Dieses Grundstück hinter unserem Haus das war der sogenannte Berg. Das war unser Sportplatz. Da haben wir Speer geworfen, Diskus, Kugelstoßen, weit gesprungen, hoch gesprungen. Und da haben wirauch gebuddelt, Höhlen gebaut. Wir haben dann Flugzeuge kopiert und haben so getan, Steuerknüppel und solche Sachen. Cato war sowieso immer, wenn sie ein Flugzeug hörte, rastete sie aus, lief einfach diesem Flugzeug nach, da musste sie so hochgucken. Das war so schön für sie.

Erzähler:Tim Bontjes van Beek, Catos Bruder, schildert eine weitgehend unbeschwerte Kindheit in dem Bauerndorf Fischerhude, wo die Landwirte hauptsächlich von der Viehwirtschaft leben und Maler und andere Künstler eine kleine exotische Minderheit bilden. Wenn es für Tim auf dem Schulweg im Streit mit anderen Jungs mal brenzlig wird, geht Cato dazwischen und verteidigt ihn. Sie ist stark genug, es mit Gleichaltrigen aufzunehmen.

O-Ton Tim (Tim A 4) 0.40Mit Holzschuhen sind wir von hieraus gegangen. Das war natürlich überhaupt nicht gepflastert hier, sondern das war ein reiner Mahlsandweg, wo im Sommer die großen Heuwagen an unserem Haus vorbeifuhren. Und den Geruch des Heues spüre ich heute noch. Wenn wir vorne im Garten saßen, dann fuhren ein paar Meter weiter hinter dem Busch die Heuwagen entlang, hinter sich eine große Staubwolke herziehend und die Pferde, die schnauften; das war ein unvergesslicher Eindruck.

Erzähler:Im Gespräch erinnert sich Tim daran, dass es im Winter im Haus oft bitterkalt war. Die Wärme, die von einem Kanonenofen ausging, reichte nicht bis ins Obergeschoss des Fachwerkhauses, wo die Kinder schliefen. Kurz vor dem Schlafengehen wärmte Olga Bontjes van Beek ihre Betten am Ofen. Die Kinder standen dann oben am Treppengeländer und riefen „Mama, jetzt!“. Die Mutter brachte dann die Betten und vorgewärmte Feldsteine zum Anwärmen der Füße. Mietje, Tims und Catos Schwester, beschreibt den Wohnraum des Hauses, in dem der Großvater Heinrich Breling mit seiner Frau Amalie aus Bayern und ihren insgesamt sechs Töchtern gelebt hat.

O-Ton Mietje Bontjes van Beek (Mietje A 5) 0.41

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 6

Page 7: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Das Wohnzimmer ist ein Raum, wo mein Großvater sein Selbstporträt gemalt hat, gewohnt. Für die ganze Familie war es das Zentrum. Alles Leben hat sich hier abgespielt. Es sind alte Möbel, ein Barockspiegel, eine Renaissance-Kommode, zwei Musikinstrumente, Bilder von meinem Großvater – das von Mietje auch und das von Olga ist ein Selbstporträt und die von Tim. Also, Bilder sind genug hier.

Erzähler:Heinrich Breling, der Großvater, war Maler am Hofe des bayerischen Königs Ludwig II, bevor er als königlicher Professor nach Hannover wechselte. Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus, das heute noch einen Teil seiner Bilder beherbergt. Olga Bontjes von Beek, geborene Breling, war seine jüngste Tochter, ein Nachkömmling. Zwischen ihr und der ältesten Tochter Amelie Breling lagen zwanzig Jahre. Olga war in den 1920er-Jahren eine vielbeachtete Ausdruckstänzerin mit Auftritten im In- und Ausland. Sie gab ihre Karriere auf, als die drei Kinder Cato, Mietje und Tim zur Welt kamen, und wandte sich der Malerei zu. Olga spielte Klavier und Orgel. Ihre Liebe zu Johann Sebastian Bach, dem großen Kirchenmusiker des 18. Jahrhunderts, übertrug sie auf ihre Tochter Cato.Annita Otterstedt, Catos engste Freundin in Fischerhude, beschreibt das Verhältnis vonCato zu ihrer Mutter Olga Bontjes van Beek.

O-Ton Annita Otterstedt (Otterstedt A 6) 1.15Die Mutter hier war eigentlich immer .. ja so ein bisschen Besonderes. Ich fand das soschön, dass eine Mutter zum Beispiel ihr eigenes Zimmer hatte. Und das war Mutters Zimmer, und da stürmte man nicht immer einfach hinein. Man wartete darauf, dass siekam. Und trotzdem habe ich das so besonders schön gefunden. Irgendwie war sie ja dann auch immer mit uns zusammen. Cato hat kein Instrument gespielt. Aber Cato hatte einen klaren hohen Sopran. Und sie hat dann viel gesungen und die Mutter sie begleitet. Und jedes Mal – da war so ein kleines Wiegelied „Dormi Jesu“, und jedes Mal, bevor Cato, wenn wir hier alle zusammen waren und sie stellte sich hin und sang, und dann sagte sie jedes Mal, ich weiß nicht, ob ich das richtig ausspreche, Aber das müsst ihr mal so hinnehmen. Und ich glaube, Cato hat sich unheimlich viel Mühe gegeben, eben weil sie so, weil sie Cato war, sich für diese Mutter zu begeistern.Diese schönen Bilder von dieser sehr schönen Frau als Tänzerin - ich glaube, darauf war sie sehr stolz.

Musik: Helge Burggrabe

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 7

Page 8: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Jan Bontjes van Beek, Catos Vater mit niederländischen Wurzeln, gehörte als Matrose am Ende des Ersten Weltkrieges den Arbeiter- und Soldatenräten an, die nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. die Revolution durchsetzen wollten. Über die von Heinrich Vogeler gegründete sozialistische Kommune Barkenhoff in Worpswede gelangte Jan schließlich nach Fischerhude. Er hatte sich in Olga Breling verliebt. Mietje, Jans und Olgas jüngere Tochter, spricht über Cato.

Erzähler:Mietje Bontjes van Beek hat Schwierigkeiten beim Sprechen. Eine schwere Erkrankung in den Jahren 1942/43 fesselte sie monatelang ans Krankenbett. Sie bescheinigt ihrer Schwester Cato Humor und die Gabe Menschen mitzureißen.

O-Ton Mietje BvB (Mietje A 7) 0.39Cato ist in der Mitte. Sie war nicht die Hauptperson. Aber doch hat sie was ausgestrahlt. Sie war auch älter. Aber sie war immer da. Und wenn ich erinnere, dass immer mit Cato Erlebnis. Sommer, Cato, Cato. Wir haben ein großes Band gehabe, eine große Familie. Da kommt die Cousine von Berlin, Marianne. Und wir haben sehrviel für uns gespielt Es war eine schöne Einheit, Ja.

Sprecherin 2 (Mietje BvB):Cato besaß eine großartige Phantasie. Ich glaube, das war das Holländische, das sie von unserem Vater geerbt hatte: Humor und Phantasie. Jan machte auch immer so Wortspiele und hatte so eine Leichtigkeit. Und Cato auch. Sie beobachtete die Menschen. Und machte sie manchmal nach.

Erzähler:Die zentrale Person im Künstlerhaus in der Bredenau in Fischerhude war Amelie Breling, Catos Tante und älteste der sechs Töchter von Heinrich Breling. Aber diese Rolle hätte Amelie niemals für sich beansprucht. Sie war Malerin, Bildhauerin, Keramikerin.

O-Ton Tim BvB (Tim A 8) 1.00Amelie war der absolute eigentliche Mittelpunkt und Anreger auf allen Gebieten, für Malerei, Bildhauerei, Keramik und Philosophie und Psychologie. Und weil sie für alleDinge offen und interessiert war, konnte man sich auch mit ihr über alle Dinge unterhalten. Und es war für mich so interessant auch, weil sie ja ab Bücher in die Hände bekam, über die sie sich so gern mal mit jemandem unterhalten hätte. Und dann kamen solche Briefe zustande, wo man sich dann schon mal über bestimmte Fragen unterhielt, die etwas jenseits von dem Alltäglichen lagen. Auf der anderen Seite war sie so phantasievoll, dass sie sich auch zum Beispiel in die Rolle eines

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 8

Page 9: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Hundes oder einer Katze versetzen konnte, und hat richtige Briefe zwischen Hund und Katze mit Illustrationen …. Die waren so bezaubernd. Die könnte man so veröffentlichen.

Erzähler:Amelie Breling bleibt für Cato - neben ihrer Mutter Olga und ihrer Tante Louise Modersohn, geborene Breling - die wichtigste Bezugsperson, mit der sie sich in vielen Briefen über Kunst, Literatur und Philosophie austauscht. Amelie ist es auch, die ihrenSchwager, Catos Vater Jan Bontjes van Beek, dafür gewinnt, im Haus in der Bredenaueine eigene Töpferei aufzubauen, die Fischerhuder Kunstkeramik / FKK. Jan wusste nach Ende des Ersten Weltkriegs zunächst nicht, was er beruflich machen sollte. Schauspieler, Tänzer, Musiker – alles Mögliche schwirrte ihm durch den Kopf. Eine Zeitlang begleitet er seine Frau Olga auf Tourneen und tritt mit ihr als Tänzer auf – zurMusik von Claude Debussy.

Musik: „Galliwog’s Cake Walk”von Claude Debussy, Walter Gieseking

Erzähler:Die Keramik wird schließlich seine eigentliche Berufung. Nach anfänglichen Rückschlägen in der Fischerhuder Kunstkeramik versucht Jan Bontjes van Beek sich an neuen Formen und Glasuren, die er später als Keramiker zu großer Meisterschaft entwickelte. Jan liebt seine Kunst – und seine Kinder. Er pflegt zu sagen: Die schönsten Vasen sind meine Kinder! Ihm zur Seite steht Amelie Breling, die mit dafür sorgt, dass im Brennofen nicht nur schöne Teller, Schalen, Vasen und andere Gefäße entstehen, sondern dass auch Geld in die stets knappe Haushaltskasse fließt. Schließlich gilt es, die Familie zu versorgen und daneben die Gäste und Besucher, die häufig mit am Tisch sitzen, um über Gott und die Welt zu reden.

Sprecherin 2 ( Mietje BvB):Viele Menschen kamen in unser Haus, unter ihnen Freunde, die der Familie geistig nahestanden. Wenn sich die Großen lebhaft unterhielten, wurde unsere kleine Küche zu einem politischen Universum. Wir drei Kinder saßen brav und still am Tisch, versuchten zu verstehen, aber begriffen doch noch wenig. Als wir größer wurden, erkannten wir deutlich die Atmosphäre, die das Denken unserer Eltern und ihre politische Haltung bestimmten.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 9

Page 10: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Zu den Freunden, die häufig kommen, gehören der Maler und Grafiker Heinrich Vogeler, die Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff, der Maler Franz Radziwill sowie der Philosoph und Schriftsteller Theodor Lessing. Mietje Bontjes van Beek berichtet, ihre Tante Amelie habe Lessing ins Haus geholt. Bei den Kindern ist er beliebt, weil er sichdie Zeit nimmt, ihnen Märchen und Geschichten zu erzählen oder mit ihnen durch die Heidelandschaft zu wandern. Als die Nazis an der Macht sind, setzten sie ein Kopfgeldauf Lessing aus, der als Jude immer wieder vor den Braunhemden warnte. Im tschechischen Marienbad streckt ein gedungener Mörder Theodor Lessing mit mehreren Schüssen nieder.

Erzähler:Ein junger Mann, der in Bremen-Vegesack als Soldat stationiert ist, findet ebenfalls den Weg in das Künstlerhaus Breling – Bontjes van Beek. Dem Soldaten Helmut Schmidt fehlt manchmal das nötige Kleingeld, um an den Wochenenden zu seinen Eltern nach Hamburg zu fahren. Also quartiert er sich in Fischerhude bei Freunden seines Onkels ein. Im Künstlerhaus freundet er sich mit der zwei Jahre jüngeren Cato, mit Mietje und Tim an. Mit Olga verbindet ihn die Malerei und die Musik

O-Ton Helmut Schmidt (Schmidt A 9) 0.36Amelie Breling war eine beherrschende Figur in dem Haus damals. Dagegen trat ihre Schwester Olga in den Gesprächen eher in den Hintergrund. Aber sie war eine sehr attraktive Frau. Sehr anziehend, feminin. Und als Malerin … sie hat in den Jahren angefangen zu malen, wenn ich das richtig erinnere. Als Malerin außerordentlich, sie brauchte sehr, sehr viel Zeit für ihre Bilder. Ich glaube, sie hat monatelang an einer Landschaft gemalt.

Erzähler:Schmidt, der Jahrzehnte später Bundeskanzler werden sollte, lässt erkennen, wie sehr er Olga verehrt hat. Manchmal korrigiert er sich, wenn er darauf angesprochen wird und sagt: Sehr verehrt, Ja, und fügt hinzu…, geliebt ist der richtige Ausdruck. Zwischen Olga und ihm entsteht eine Freundschaft, die ein Leben lang hält und die Schmidt auch auf Cato überträgt; Cato trifft er in Fischerhude und später in Berlin, als er bereits zum Offizier der Wehrmacht aufgerückt ist.

O-Ton H. Schmidt (Schmidt A 10) 0.40Es war eine geistige Heimat für den jungen Mann, der ich damals war. Man traf dort Leute, die Kommunisten waren, man traf Leute, die Nazis waren. Man traf vor allem Leute – Künstler, auch aus dem Ausland – aber kennzeichnend war die Liberalität derAtmosphäre. Wenn mal jemand zu Besuch war, der nicht hineinpasste in diese Liberalität, dann kriegte man Bescheid, bei dem muss man sich vorsehen.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 10

Page 11: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Bereits mit zehn Jahren willigt Cato wie selbstverständlich ein, zu Verwandten nach Amsterdam zu gehen. Sie besucht dort eine deutsche Schule und lernt Niederländisch. Das Verhältnis zu ihrer kinderlosen Tante, die ein braves Mädchen erwartet hat und keinen Wildfang aus der norddeutschen Tiefebene, macht Cato zu schaffen. Aber sie hält durch.

Erzähler:Als Cato im Sommer 1933 nach Fischerhude zurückkehrt – sie ist noch keine 13 Jahre alt -, sind einschneidende Veränderungen passiert. Seit Januar üben in Berlin die Nationalsozialisten die Macht aus. Bald darauf trennen sich die Eltern. Jan ist viel unterwegs, hat andere Frauen kennen gelernt. Ihn zieht es nach Berlin, wo er eine neueWerkstatt aufbaut und eine neue Beziehung eingeht. Olga wollte die Trennung. Ihre Schwester Amelie muss die Töpferei allein weiterführen.

Erzähler:Cato wäre ihrem Vater Jan gern in die Reichshauptstadt gefolgt – einerseits. Andererseits hängt sie an Fischerhude, an ihrer Mutter Olga, an Amelie und ihrer übrigen Verwandtschaft. Dazu gehört ihr Onkel, der bekannte Landschaftsmaler Otto Modersohn, der in dritter Ehe mit Louise Modersohn, geborene Breling, also Catos Tante, verheiratet ist. Beider Söhne Ulrich und Christian Modersohn sind Spielkameraden der Bontjes-Kinder. Zu Catos 15. Geburtstag am 14. November 1935 schickt Vater Jan ihr einen Brief und macht ein Angebot:

Sprecher 2 (Jan BvB):In dieser Zeit vor Weihnachten habe ich viel zu tun, damit ich etwas verkaufe. Wenn Du dazu Lust hast, kannst Du mir später dabei helfen. Ich habe jetzt vier Schülerinnen, die furchtbar eifrig sind.

Erzähler:Kaum hat Cato den Brief in der Hand, bringt sie acht Seiten zu Papier, um Jan zu antworten. Sie freue sich schon jetzt, ihm bald helfen zu können, schreibt sie. Cato berichtet aus der Werkstatt in Fischerhude, von Verwandten und Bekannten sowie vonihren Erlebnissen in der freien Natur:

Sprecherin 1 (Cato)

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 11

Page 12: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

So gegen Abend mache ich dann immer wieder große Spaziergänge in die Wiesen. Da finde ich es augenblicklich schöner als in der Heide. Einmal kam ich erst wieder, als es schon dunkel war. Ich sang aus vollstem Halse. Meinen Gesang trug der Wind ganzweit. Und damit lockte ich Ludwig Rosbrocks den Jüngeren heran, ohne dass ich es wollte. Als ich schon längst verstummt war, begegnete ich ihm und er sagte: „Junge, wat kannst du fein singen, ick dacht, dat weur een Nachtigall“.

Erzähler:Der Vater erfährt noch, in welche Himmelsrichtungen die Zukunftsträume seiner Tochter gehen. Sie nennt in ihrem Brief gleich mehrere ganz unterschiedliche Länder und Weltregionen, die sie unbedingt bereisen will. Tahiti und Mexiko sind darunter, auch Griechenland und Tibet. Doch als sie 16 Jahre alt ist, begnügt Cato sich zunächst mit England. Nach den Niederlanden ist dies ihr zweiter Auslandsaufenthalt. Ihre Tante Amelie hat ihn vermittelt und Verbindung zu einer englischen Gastfamilie aufgenommen. Ihr Kontakt stammt noch aus der Zeit, als die Bildhauerin in der internationalen Friedensbewegung aktiv war. Die Vorbereitungen für die Englandreise dauern einige Wochen. Am 15. Januar 1937 ist es soweit. Cato fährt mit dem Zug von Bremen nach Bremerhaven, von dort mit der MS Europa nach Southampton. Bevor sieihre Reise mit dem Zug fortsetzt, erhalten die Daheimgebliebenen in Fischerhude einen ersten Reisebericht:

Sprecherin 1 (Cato): Ihr lieben Alle! Nun bin ich glücklich in Southampton angekommen. Glatt gelandet!!! Es war wirklich eine herrliche Seefahrt. Die Verpflegung an Bord 1 a. Schade, dass nun der Seespaß zu Ende ist. In meine Kabine ist sonst niemand mehr hereingekommen, ganz allein. Gestern habe ich mir noch den Kopf waschen lassen und dabei mich mit dem Friseur in die Haare bekommen. Er sagte, ich hätte meine Haare mit 3 Strängen geflochten, und ich sagte, nein, mit 2. Da sagte er, er wüsste doch, was er aufgemacht habe, und da sagte ich, ich wüsste, was ich immer flechte.Na ja, Quatsch. Ich sitze hier gerade am Fenster im Old Gate`s Hotel und vor mir kann ich die „Europa“ sehen und die komischen englischen Züge.Soeben höre ich das erste englische Flugzeug brummen. Vielleicht war es auch ein deutsches. Hier im Hotel ist viel Kitsch. Wisst Ihr, Girlanden, rote, grüne, blaue und geflochtene und durch die Zimmer gespannt. Eben komme ich dahinter, dass es alles falsche Blumen sind, die hier stehen. Neben mir prasselt das Feuer im Kamin. Die Wirtin ist anscheinend eine ganz nette liebenswürdige alte Dame. Die ersten Eindrücke von der englischen Bevölkerung waren sehr gut. Es fing schon mit dem Passkontrolleur an, der auf Deck war. Keiner mit Schnauzer und Humpelbein, ein richtiger Gentleman. …

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 12

Page 13: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Grüße und Küsse an Alle, Eure Dodo

Erzähler:„Dodo“ ist gewissermaßen Catos zweiter Vorname. Fast alle Mitglieder im Kreis der drei verwandtschaftlich eng verbundenen Familien Breling, Bontjes van Beek und Modersohn besitzen solche besonderen Kosenamen, was die Orientierung in diesem Künstler-Clan manchmal etwas erschwert. – Am nächsten Morgen reist Cato mit dem Zug weiter nach Cheltenham, einem Kur- und Badezentrum im Südwesten Englands, wo ihre Gasteltern, Mrs. und Mr. Beesley, sie abholen und mit dem Wagen nach Winchcombe bringen. Der Ort Winchcombe und seine Umgebung gefallen ihr auf Anhieb, wie sie im Februar 1937 Annita Otterstedt, ihrer engsten Freundin in Fischerhude, berichtet:

Sprecherin 1 (Cato):Die Landschaft hier ist wunderbar, in allen vier Himmelsrichtungen sind Berge. Im Garten blühen Veilchen, Primeln, und die Rosen sind dabei aufzublühen.

Erzähler:Aus England setzt ein breiter Strom von Briefen ein. Es sind viele Eindrücke, die auf Cato hereinstürzen. Sie ist Au-par im Haus der Familie Beesley mit ihren zwei Töchtern. Und es gehört zu ihren Aufgaben, Staub zu wischen, Wäsche zu waschen und die Wohnräume der Beesleys in Ordnung zu halten. Doch die Gasteltern finden schnell heraus, dass die junge Deutsche ein ungewöhnlicher Mensch ist – kulturell undkünstlerisch interessiert, aufgeschlossen für typisch englische Freizeitaktivitäten wie Badminton oder Kricket und in fast jeder Hinsicht umgänglich, offen und kontaktfreudig. Auch ihre beiden Cousins Ulrich und Christian Modersohn, Söhne ihrer Tante Louise und ihres Onkels Otto Modersohn, werden mit Post aus England bedacht.

Sprecherin 1 (Cato):Lieber Ulrich, lieber Christian,… von Kunst habe ich bis jetzt noch nichts gesehen. Man hat scheinbar gar kein Verständnis dafür. Die Bilder, die hier im Hause hängen, sind alle zum Weglaufen, auch in den anderen Häusern, in denen ich bis jetzt war. Viele Bilder habe ich in meinem Zimmer schon abgehängt. Ich möchte ja noch viel mehr abhängen, aber das geht nicht.Habt Ihr wieder stramm gemalt? Ich bin gespannt, wie sich eure Bildwerke verändert haben, wenn ich zurück komme… Wie sieht es nun in Fischerhude aus? Immer noch so starkes Hochwasser? Gestern hat es auch ein wenig gefroren, aber nur sehr karge. Heute Abend werde ich Badminton spielen. Es ist so ähnlich wie Tennis. Es macht mir

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 13

Page 14: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

riesige Freude. Ein so ganz dicker Herr, Sydny sein Name, spielt auch mit. Über den kann ich mich totlachen. Er erwischt nur die Bälle, die in Racketnähe sind. Laufen kann er vor Dickheit fast nicht. Wenn er die Bälle nicht erwischt, was er fast immer tut, stößt er ein ganz komisches Gelächter aus, sodass man selbst auch mitlachen muss. Wenn er mich dann lachen sieht, kommt er selber nicht mehr aus dem Lachen heraus und schon lässt er wieder einen Ball fallen.

Erzähler:Der Bekanntenkreis von Cato wächst ständig.

Sprecherin 1 (Cato):Ich habe mir in den zwei Monaten viele Freunde unter den englischen Landsleuten erworben. Ich weiß nicht, was das ist, aber wo ich hingehe, muss ich die Leute zum Lachen zwingen. Sogar hier in England ist es so.

Erzähler:Zum Lachen zwingen – Cato versteht es, andere mitzureißen, sie für etwas zu begeistern, wie im Brief an ihre Mutter Olga in Fischerhude:

Sprecherin 1 (Cato):Liebe Mama, schön wäre es, wenn du hier wärest. Ich glaube, Du könntest hier sehr gut malen. Neulich sah ich eine Stimmung wie das Bild von Manet „Novemberabend“.Ganz herrlich war es. Du musst unbedingt kommen.

Erzähler:Und ihrer Schwester Mietje empfiehlt sie einen Film, der sie gerade tief beeindruckt hat. Es handelt sich um die Schwarz-Weiß-Verfilmung eines Klassikers der Weltliteratur: Der letzte Mohikaner von James F. Cooper. Das Buch, das den Mythos des edlen Indianers unterstreicht, kennt Cato schon.

Sprecherin 1 (Cato)Liebe Meme, gerade komme ich aus Cheltenham zurück. Ich sah einen Film. Was meinst Du? „Uncas, der letzte Häuptling der Mohikaner“. Meme, ich wollte, Du und Tim, Ihr hättet ihn gesehen. Du weißt, wie sehr ich das Buch liebte, nun ja, dieser Uncas im Film war gerade so schön. Ich muss immer noch daran denken. Nur Cora gefiel mir nicht sehr gut. Falkenauge und der andere große Indianer waren sehr schön. Die Indianer sind doch noch die Besten. … Mein Junge soll ganz bestimmt Uncas heißen!Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 14

Page 15: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Es gibt wenig, was Cato an England und den Engländern nicht gefällt. Dazu gehört, wie sie an einer Stelle bemerkt, die grelle Schminke der Ladies und das Kunstverständnis der Inselbewohner. Ihr eigener Umgang mit Kunst ist durch ihr Heimatdorf Fischerhude geprägt. Malerinnen wie ihre Mutter Olga Bontjes van Beek, die Bildhauerin Amelie Breling, ihr Onkel Otto Modersohn und andere Kunstschaffende in Fischerhude und Worpswede sind anerkannte Künstler, auch wenneinige sich von der Blut- und Boden-Ideologie der Nazis vereinnahmen lassen. Was Cato in England an Zeichnungen, Gemälden, Plastiken und Keramik sieht, kann vor ihrem kritischen Auge kaum bestehen. Sie selber wäre gern Malerin geworden – das war nur einer ihrer vielen Berufswünsche – aber sie spürte in sich nicht das Talent dazu. Ein Stümper in der Kunst zu sein, das empfand sie als etwas Schreckliches. In England holt Cato sich geistige Anregungen in der Literatur, im Theater und im Kino, wo sie sich die neuesten Filme ansieht. Sie schwärmt für den amerikanischen Schauspieler und Sänger Paul Robeson, vergleicht ihn mit dem Rekordläufer Jesse Owens, der bei den Olympischen Sommerspielen in Berlin ein Jahr zuvor im 100-Meter-Lauf die Goldmedaille geholt hat. Catos Fazit:

Sprecherin 1 (Cato):… da kommt Jesse Owens trotz seiner 10,2 Sekunden nicht mit. Robeson ist ganz famos und hat eine herrliche Stimme. Ich habe noch nie jemanden so schön singen gehört. Hier schwärmt jeder für Richard Tauber, während ich mir ja nun gar nichts aus dem mache.

Musik: Song von Paul Robeson

Erzähler:Cato ist ständig auf Achse. Sie erlebt zum Beispiel eine typisch englische Fuchsjagd. Zusammen mit ihrer Freundin Pat, einer Lehrerin, besucht sie in Cheltenham eine Schule und nimmt am Unterricht teil. Auch reist Cato nach London, um die Feierlichkeiten anlässlich der Krönung von König George VI. zu sehen. Mit ihren Gasteltern macht sie viele Ausflüge in die nähere Umgebung. Und alle Aktivitäten finden ihren Niederschlag in Briefen, wie am 24. März 1937 an ihre Schwester Mietje Bontjes van Beek, die „Meme“ genannt wird.

Sprecherin 1 (Cato):Meine liebe Meme!Mister Beesley sagt mir gerade, ich soll Euch allen seine besten Grüße geben. GesternAbend war ich mit einer Bekannten in einer Methodisten-Kirche. Die gefällt mir ganz gut. Wir sangen u. a. „O Haupt voll Blut und Wunden“. Ich sang es auf Deutsch. Nachher sprach ich mit dem Pastor noch. Er war ganz nett, aber doch etwas

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 15

Page 16: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

überkandidelt, wie ja fast jeder Pastor ist. Sonntagmorgen war ich auch dort. Es war ein anderer Pastor. Mit ihm sprach ich auch und er gefiel mir besser.Gerade sehe ich zwei Flugzeuge, wie zwei silberne Vögel, von der Sonne beschienen, am Himmel.

Erzähler:In England geht für Cato Ende Mai 1937 ein Kindheitstraum in Erfüllung, womit sie überhaupt nicht gerechnet hat. Ihr Gastvater Beesley, der mit ihr auch das Autofahren übt und mit dem sie sich bestens versteht, hat versprochen, dass sie in einem Segelflugzeug in den Lüften schweben darf. Und er hält Wort. Ihren Vater Jan, der inzwischen in zweiter Ehe mit der Innenarchitektin Rahel Weisbach verheiratet ist – sie wird „Rali“ genannt -, Jan und Rali lässt Cato per Brief an ihrem Flugerlebnis teilhaben.

Sprecherin 1 (Cato):Lieber alter Jan und liebe Rali! Am letzten Sonntag vor acht Tagen war ich zum ersten Mal im Leben in der Luft. Junge, Junge, das war schön! Mister Beesley fuhr Pat und mich zum nächsten Flugplatz. Dort rin in eine Kiste. Zum Glück waren nur Sportflugzeuge da. Ich sagte dem Piloten, er solle mit mir ein Looping schießen. Erst sagte er nichts, wie ich dann in der Kiste saß und er mich anschnallte, frug ich noch mal und da sagte er ja. Er tat es auch. Das war das Schönste am ganzen Flug. Ich saß vorne im Flugzeug und der Pilot hinten. Es kam ein großer Windstoß: ein Druck, mein Kopf beugte sich und wie ich ihn aufzog, sah ich die Erde über mir.

Musik

Erzähler:Dodo bzw. Cato verehrt die amerikanische Flugpionierin Amelia Earhart, die als erste Frau den Atlantik überquerte und bei dem Versuch, die Erde zu umrunden, 1937 im Pazifik verschollen ist. Für eine Frau, erst recht für ein junges Mädchen, ist es in den 1930er-Jahren ein absolut verwegener Gedanke, Pilotin werden zu wollen. Denn Fliegen ist Männersache. Aber Cato hat es sich in den Kopf gesetzt, im Cockpit am Steuerknüppel zu sitzen und eigenständig ein Flugzeug zu lenken. Erst als sie nach Berlin zu ihrem Vater gewechselt ist, absolviert sie den Flugschein als Segelfliegerin. Davon später mehr in der zweiten Stunde der Langen Nacht.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 16

Page 17: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Der Aufenthalt auf der britischen Insel verschafft Cato immer neue Anregungen und Impulse, sodass sie am liebsten noch länger geblieben wäre als die von der englischen Behörde erlaubten sieben Monate, die für die 16jährige Ende August 1937 zu Ende gehen. In den verbleibenden Wochen nimmt Cato sich neben ihren vielen Aktivitäten Zeit für neue Kontakte und Besuche und auch – was ihr besonders wichtig ist – Zeit zum Lesen.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe Meme! Gestern war ich von Vormittags bis abends bei einer Deutschen, die einen Engländer geheiratet hat. Es gefiel mir bei ihr sehr gut, wenn sie manchmal auch ein paar sentimentale Schauer hatte. Sie hat einen sehr guten literarischen Geschmack. Viele Inselbücher, mit Werken von Rilke. Die Werke von Lao-Tse sah ich dort auch. Wir führten sehr interessante Gespräche. Ich habe sehr interessante Bücher gelesen bei Ethel, sie hatte so verschiedene Zeitschriften über Länder von der ganzen Welt. Ich las verschiedene Artikel über meininteressantestes Gebiet, die Mongolei und besonders Tibet… Nun habe ich auch eine ziemlich große Landkarte von der Antarktis, mit allen Entdeckungsfahrten drauf angezeichnet.

Erzähler:In einem weiteren Brief an ihre Schwester Mietje, genannt „Meme“, erwähnt Cato ein Buch, das sie über das traditionelle Frauenbild nachdenken lässt.

Sprecherin 1 (Cato):Ein Buch las ich, was ich nachher nicht mehr weiter lesen konnte, ich starb vor Langeweile. Aber es ist ein Buch, das zum guten Ton gehört, jedes gebildete Mädel in England muss es gelesen haben. Es ist 100 Jahre zurück, wie es geschrieben wurde und handelt an sich nur vom Heiraten. Wie bekomme ich einen Mann? Die Mütter zerbrechen sich die Köpfe, wie ihre 17- oder 16-jährigen Töchter so schnell wie möglich verheiratet werden können. Du kannst Dir vorstellen, wenn ich das lese, wie es mir dann zu Mute wird, aber es war die damalige Zeit. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Stellung der heutigen Mädchen, verglichen mit der damaligen Zeit, zum Guten verändert hat.Ich freue mich schon auf den 27 Juni, wo ich ja wieder losfliege in Gloucester. Pat geht mit. Sie sagt, dass sie nicht nochmal aufsteigt, wenn der Pilot wieder dieselbe Route fährt und dasselbe Looping schlägt, sondern nur, wenn er etwas anderes macht,wie Sturzflug, Korkenzieher oder so etwas. Gar nicht so dumm, wenn der das machen würde, wenn nicht, trotzdem steige ich auf.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 17

Page 18: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Die politische Situation in Deutschland, wo seit 1933 die Nationalsozialisten an der Macht sind und Adolf Hitler die von ihm errichtete Diktatur immer weiter festigt, kommt in Catos Briefen aus England nicht vor. Ob darüber in der Familie Beesley überhaupt gesprochen wird, ist im Nachhinein nicht feststellbar. Wahrscheinlich wird das Thema gemieden, es wäre zu heikel gewesen. Und die eigentlichen Feindseligkeiten des NS-Regimes gegenüber Großbritannien entwickeln sich erst während des Zweiten Weltkrieges. In den Briefen fehlt auch ein Name, obwohl er während ihres England-Aufenthaltes eine große Rolle spielt. Dass Cato sich verliebt hat, mag sie offenkundig ihrer Fischerhuder Gesellschaft zunächst nicht anvertrauen. Vor allem das Urteil ihrer Mutter bedeutet der Tochter viel. Erst nach ihrer Rückkehr nach Fischerhude will sie Olga ins Vertrauen ziehen.

Erzähler:John Hall, Student der Agrarwissenschaften, ist Catos erste große Liebe. Sie trifft ihn vermutlich in Gesellschaft von jungen Leuten aus Winchcombe. Die genauen Umstände ihres Kennenlernens sind nicht bekannt. Catos offene Art, auf Menschen zuzugehen und ein Gespräch zu beginnen, dürfte eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls entdecken beide auf Anhieb eine geistige Verwandtschaft: John, ein gut aussehender junger Mann, interessiert sich ebenso brennend wie Cato für die fernöstliche Philosophie. Darüber tauschen sie sich aus, lesen sich gegenseitig Zitate vor und begeben sich gemeinsam auf eine geistige Entdeckungsreise. In ihrem winzigen Kalender-Tagebuch taucht der Name John mehrfach auf.Im Sommer 1938 besucht John die Familie Bontjes van Beek in Fischerhude. Er wird Olga und den anderen Angehörigen vorgestellt. Der junge Engländer hinterlässt den allerbesten Eindruck. Wie gut er und Cato sich verstehen, kann jeder sehen. Beide erklären, sie seien verlobt: We are engaged. Es sind glückliche und unbeschwerte Tage, die sie im Haus in der Bredenau verleben.Anhängern Hitlers, über den englische Zeitungen damals so viel zu schreiben wussten,begegnet John Hall in Fischerhude zunächst nicht, wohl aber Menschen, die an Kunst, Musik und überhaupt an Kultur interessiert sind. Natürlich gibt es im Ort Nazis, viele sogar. Aber diese machen eher einen Bogen um die Familie Breling und Bontjes van Beek, lassen sie gewähren, obwohl die Dorfbewohner wissen, dass niemand aus dem Künstler-Clan etwas mit dem NS-Regime zu tun haben will.

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 18

Page 19: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Die wenigen Tage, die Cato Bontjes van Beek nach ihrer Rückkehr aus England Anfang Oktober 1937 in Fischerhude verbringt, bevor sie nach Berlin geht, enden mit einem bösen Omen. Es ist ein – im Nachhinein – geradezu unfassbarer Albtraum, der sie heimsucht. Sie selbst hat ihn gewiss nicht als Omen empfunden, aber er schein ihr doch bedeutsam genug, um ihn niederzuschreiben. Denn in diesem Traum sieht Cato ihren eigenen Tod voraus: Die Hinrichtung auf dem Schafott mit erschütternden Details:

Sprecherin 1 (Cato):Ich hatte einen seltsamen Traum. Mir träumte, ich sei zum Tode verurteilt worden, zusammen mit noch anderen. Warum, und was ich verbrochen hatte, weiß ich nicht. Ich war aber das einzige weibliche Wesen. Nach dem Urteil wurden wir gleich zum Hinrichtungsplatz geführt. Der Weg dorthin ging durch eine große Halle, die mit rotgemusterten imitierten persischen Teppichen behangen war. Zuerst ging der Scharfrichter, dann der Richter, dann wir Verurteilten und hinter uns ein Haufen Volke. Alles strömte durch die riesige Halle einer mit dicken roten Teppichen belegten Treppe zu. Ich wusste genau, dies ist mein letzter Gang. Ich spürte aber in mir nicht die geringste Trauer um mein Leben, nein, ich habe vielmehr schon mit dem Leben vollkommen abgeschlossen und warte nur noch auf die Hand des Henkers…Mir wurde ein Stuhl angewiesen, der sehr viel Ähnlichkeit mit dem eines Zahnarztes hatte, auch die bewusste Stütze für den Kopf fehlte nicht. Ich wusste sofort, das ist derHenker-Stuhl. Aber vollkommen ruhig und gefasst setze ich mich. Plötzlich ertönen dieKlänge eines Marschliedes aus irgendeinem Koffergrammophon. Der Henker steht vor mir …Ganz tief hole ich dann Atem und lege dann den Kopf zurück, warf ihn in den Nacken. Ich spürte das Messer an meinem Hals, ein Ruck und hörte den Kopf nach hinten rollen, irgendwo hin, vielleicht in ein tiefes Loch, wo schon viele Köpfe lagen. …

Erzähler:Die Berliner Dramaturgin und Publizistin Regina Griebel hat Anfang der 1990er-Jahreeinen Dokumentarfilm über Cato Bontjes van Beek gedreht unter dem Titel Ihr redet alle, aber keiner tut etwas! Das Zitat stammt aus der Zeit, als Cato sich bereits in Berlin aufhält und Verwandte und Freunde drängt, endlich etwas gegen die NS-Diktatur zu unternehmen. In einem Vortrag, den Griebel am 22. Oktober 1992 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin hält, bevor sie ihren Film zeigt, sucht sienach einer Antwort auf die Frage, wie dieser Traum zu deuten sei:

Sprecherin D. Herzberg (Griebel):

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 19

Page 20: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Aber zweifellos spiegelt der Traum die dramatische Wahrnehmung einer Realität, deren Zeichen selbst im ruhigen Fischerhude auf eine Katastrophe deuten. Eine Katastrophe, die sich eine Mehrheit in Deutschland niemals träumen ließ. Zu fragen ist also nach den Wurzeln eines frühen zeitkritischen Empfindens, mit dem dieses irdische und fröhliche Mädchen eine Gefahr zu erfassen vermag, die andere nicht gesehen haben. Der Philosoph und Sozialökologe Rudolf Bahro spricht in solchem Zusammenhang von einem „herzgeleiteten Verstand“, der allein zu solcher Wahrnehmung befähigt. Er meint, dass jedes Kind mit dieser Fähigkeit geboren wird und dass es darauf ankommt, diese Fähigkeit zu erhalten, zu ermutigen, bewusst zu machen.

Erzähler:Im Herbst 1937 geht Catos weitgehend unbekümmerte Kindheit und Jugend zu Ende. In Berlin, wo sie bald darauf ihre Ausbildung als Keramikerin beginnt, stürzt die Wirklichkeit so vehement auf sie ein, dass ihr gar keine andere Wahl bleibt, als schnellerwachsen zu werden. Dabei stellt sie ihre besondere Wahrnehmungsfähigkeit mehrfach unter Beweis, vor allem dann, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. Was das bedeutet, sieht sie deutlicher als Millionen von Deutschen voraus. In der zweiten Stunde der Langen Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek geht es um ihre Ausbildung zur Segelfliegerin, den Reichsarbeitsdienst, den sie in Ostpreußen ableistet, und um ihren Weg in den Widerstand gegen das Nazi-Regime, also ihren Einsatz in der Roten Kapelle in Berlin. Dabei kommen die letzten Zeitzeugen zu Wort, die mit Cato in einem engen Kontakt standen, sie aus unmittelbarer Nähe kennen und schätzen lernten.

Musik: Goldberg-Variation Joh. S. Bach (Igor Levit)

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 20

Page 21: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

2. Stunde

Musik: Goldberg-Variation

Sprecherin 1 (Cato):Meine liebe Meme. Ich habe mir die ganzen Sachen überlegt, es geht eben nicht anders. Ich will also dochdie Fächer in der Lette-Schule belegen. Schaden kann es mir nun ja nichts, wenn ich Schreibmaschine und diese ganzen Sachen kann. In etwas muss ich ja Rali auch Rechtgeben. Sie sagt, wenn ich Gegenvorschläge bringe, so würden sie auch erfüllt. Ich kann aber keine Gegenvorschläge bringen. Meme, im Grunde genommen, ich werde doch immer meine eigenen Wege gehen. Da kann mir doch keiner etwas wollen. Wenn ich nun Fliegerin werden will, so werde ich es auch. Wenn ich es nicht werden will und Schiethustapeziererin dafür bevorzuge, so werde ich es auch. Ich will mich erst einmal in Berlin umsehen und alles Weitere wird sich dann schon finden.

Erzähler:Am 7. Oktober 1937 schreibt Cato Bontjes van Beek ihrer Schwester Mietje nach Fischerhude, dass sie sich entschieden hat: In Berlin will sie in der Werkstatt ihres Vaters Jan eine Lehre als Keramikerin und zugleich eine kaufmännische Ausbildung an der Lette-Schule beginnen. Die Schule, die vom Lette-Verein getragen wird, richtet ihr Lehrangebot vor allem an junge Frauen, die eine berufliche Tätigkeit anstreben: Buchführung, Schriftverkehr, Stenografie, Schreibmaschine und Englisch. Vor allem die Buchführung macht Cato zu schaffen. In einem Brief schreibt sie, der liebe Gott müsse die verdammte Buchführung im Zorn erschaffen haben.

Musik: Goldberg-Variation

Sprecherin 1 (Cato)Von John bekam ich einen ganz famosen Brief. Etwas schrieb er mir: Er hatte es auch einmal vor, Flieger zu werden. Aber wie er soweit war und sich über alles erkundigte, fand er, dass es nicht mehr so ganz romantisch war, wie er es sich zuerst dachte. Er sagt, er denkt auch, dass Fliegen als Zeitvertreib wunderbar sein muss, aber als Berufes mit der Zeit sehr eintönig werden würde. Eintönig ist nicht das richtige Wort, das er gebrauchte. Dann sagte er auch noch, dass man nur sehr wenig Geld mit der Fliegerei verdienen kann. Ein mittelmäßiger Flieger will ich auch gar nicht werden. Ich steck es dann gleich ganz auf. Aber trotzdem habe ich Mut bekommen, als der Doktor sagte, wenn ich nicht

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 21

Page 22: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

tauglich für das Fliegen sei, dann sei es keiner. Ob er damit auch das Motorfliegen meint? Er hat mich ja auf alles geprüft. Allerdings nicht auf Nerven. Ob man die weniger gebraucht zum Segelfliegen als zum Motorfliegen??Meme, mir träumte heute Nacht, ich sei in einer Kiste gesessen, sei drauflos geflogen und hätte mit meinem allerersten Flug gleich die A-Prüfung gemacht. Alles war sehr halsbrecherisch und ein paar Mal machte ich ganz dolle S-Kurven…Was machen Deine Bremer Stunden? Meme, ich gebe Dir den einen schwesterlichen Rat: Lerne, lerne so viel Du kannst. –Heute Nachmittag wollen Rali und ich Einkäufe machen für mich. Papa sagt immer, es ginge nicht mehr so weiter, wie ich angezogen sei, ich müsse unbedingt neue Kleider haben. Sogar will er, dass meine Haare abgeschnitten werden.

Erzähler:Leben will ich, leben, leben - Die Lange Nacht stellt die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek vor, die am 14. November 1920 in Bremen geboren wurde und im nahe gelegenen Dorf Fischerhude in einem Künstlerhaus aufgewachsen ist. Als Kind verbringt Cato über zwei Jahre bei einer Tante in Amsterdam. Sie besucht dort eine deutsche Schule und lernt Niederländisch, die Sprache ihrer Vorfahren. Mit Sechzehn geht sie für sieben Monate als Au-pair nach England und eignet sich mit Englisch eine zweite Fremdsprache an. Unter dem Druck der NS-Diktatur schließt Cato sich in Berlin der Widerstandsgruppe Rote Kapelle an.

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:Cato entscheidet sich für die Ausbildung zur Keramikerin und hält sich gleichzeitig andere Möglichkeiten offen. In Berlin hat ihr Vater Jan Bontjes van Beek in der Jungfernheide eine gutgehende Keramik-Werkstatt aufgebaut. Zunächst wohnt Cato inder Charlottenburger Wohnung ihres Onkels Hans Schultze-Ritter und ihrer Tante Josephine, genannt Jossie, geborene Breling. Ihre Schwester Mietje, mit der sie weiter in einem engen Kontakt steht, bleibt vorerst in Fischerhude. Ihre Verwandten in Berlinhaben beide mit Musik zu tun: Jossie Schultze-Ritter komponiert, schreibt Kammermusik und Orchesterwerke. Ihr Mann hat als Musik-Pädagoge in Bremen gearbeitet und lehrt inzwischen an der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg.

Sprecherin 1 (Cato)Liebe Mama,jetzt kommt ein ganz großes Problem, ich glaube, es wird Dich nicht so sehr erfreuen, Du wirst traurig sein und vielleicht auch einen schlechten Eindruck von Berlin bekommen. Papa will also nicht mehr haben, dass ich so aussehe, wie ich aussehe.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 22

Page 23: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Unter anderem soll meine Haarfrisur verändert werden. Er wollte schon gleich mit mir zum Friseur. Ich wollte es aber nicht ohne Deine Zustimmung.Du weißt, dass ich nicht dagegen bin, dass meine Haare abgeschnitten werden, wenn es eine Haarfrisur ist, die meinem Typ entspricht. Nun sende ich Dir ein Bild von einer Frisur, die ich gerne leiden mag und von der ich annehme, dass sie mir stehen wird. Du musst nicht denken, sobald sie in Berlin ist, werden ihr die Haare abgeschnitten und Du nimmst das als Symbol…An sich kommt mir alles so sehr komisch vor und ich habe Angst, dass Du von mir denkst, ich hätte mich jetzt schon ganz und gar verändert. Denke alles andere, nur nicht, ich hätte mich verändert und wäre meinen Grundsätzen untreu geworden…Schicke mir recht, recht bald Nachricht, dass ich – wenn Du es erlaubst – Montagfrühdie Haare abschneiden lassen kann. Schicke mir auch gleichzeitig Deine Erlaubnis mit Beglaubigung des Bürgermeisters fürs Fliegen.

Erzähler:Die sonst so auf ihre Selbständigkeit bedachte Cato scheint das Einverständnis der Mutter zur neuen Frisur bekommen zu haben. Denn auf einigen Fotos, die in dieser Zeit entstehen, ist sie mit kurz geschnittenen Haaren zu sehen. Hinter der Bitte um Zustimmung steckt wohl ein tieferer Grund: Unter den Einflüssen der Großstadt will Cato ihren inneren Kompass nicht verlieren. Statt irgendwelchen Moden nachzulaufen,ist sie entschlossen, offen und empfänglich zu bleiben für wesentliche Strömungen, dieihr helfen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Musik: Helge Burggrabe

Erzähler:Das Fliegen bleibt ihre große Leidenschaft. Cato sammelt alle erdenklichen Informationen, vor allem Zeitungsausschnitte über Segelflug-Wettbewerbe in der Rhön, Neukonstruktionen für Olympia-Segelflugzeuge, Berichte über einen Flugbetrieb in der Wüste der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, über Luftpioniere und Kunstfliegerinnen wie Hanna Reitsch und manches mehr. Ihrer Freundin Annita Otterstedt in Fischerhude schreibt Cato am 29. November 1939 aus Berlin:

Sprecherin 1 (Cato)Ich bin gerade von der Schule zurück. Montags ist es immer sehr anstrengend. Zumal ich immer noch todmüde bin vom Sonntag, wo ich in Trebbin bin und fliege. Dann haben wir sechs Stunden hintereinander Unterricht… Hat es schon gefroren? Geschneit? Wenn ich vielleicht Weihnachten komme, muss es aber ganz gehörig frieren, wenn das nicht, soll aber Schnee liegen. Für’s Fliegen ist es ja nicht so sehr

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 23

Page 24: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

schön, aber wir wollen doch den ganzen Winter hindurch fliegen oder es wenigstens versuchen.

Erzähler:Unweit der Kleinstadt Trebbin südlich von Berlin hat Cato Ende Oktober 1937 eine halbjährige Segelflug-Ausbildung begonnen, die sie erfolgreich abschließt. Voraussetzung ist die Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Fliegerkorps. Dieses Zugeständnis an das Regime nimmt sie in Kauf. In Trebbin trifft Cato Ruth Wolff, eine junge Frau, die noch nicht lange in Berlin lebt:

O-Ton Ruth Wolff: (Wolff B 1) 0.38Ich bin in einem na ja äußerst preußischen Haus groß geworden. Wir waren gestandene Preußen. Ostdeutsche! Mich interessierte dieser ganze Klimbim nicht. Diese Uniformen. Diese Visage von dem Hitler war mir ein Gräuel, weil ich schon als Kind auf Gesichter geachtet habe. Und eigentlich der erste Anblick, den ich von einemMenschen hatte, der war für mich gültig. Und meistens bewahrheitete es sich auch. Ich bin nicht reingefallen auf Menschen! Gott sei Dank!

Erzähler:Die Begeisterung für das Segelfliegen hat Ruth Wolff nie verlassen. Selbst im hohen Alter schwärmt sie vom Schweben in den Lüften. Und wie ist Ruth Wolff überhaupt zum Segelfliegen gekommen?

O-Ton Ruth Wolff: (Wolff B 2) 1.07 Durch meinen Mann. Er war alter Rhön-Flieger. Hell begeistert, und hat mich natürlich sofort angesteckt mit seiner Begeisterung und hat gesagt: du musst fliegen lernen. Da bin ich mal rausgefahren nach Werder, wo die geflogen sind, und habe durch den Maschendraht geguckt und fand das gut. Dann hat er gesagt: Es gibt eine Frauensegelfluggruppe. Melde dich da an. Das habe ich gemacht, wurde aufgenommen. Und von dem Tag an war ich dann der Fliegerei verfallen. Und am schlimmsten wurde es dann eigentlich nach dem ersten Hochstart. Das ist etwas, das ist ein Erlebnis, das hat man nur einmal im Leben. Das war, ja … Man wird hochgeschleppt. Man klinkt aus in ungefähr 300 Meter Höhe. Und dann schwebt man, schwebt man überall. Unten sieht man dann einen kleinen See und Wald und Feld und … und man schwebt drüber. Das ist ein göttliches Gefühl.

Erzähler:Zwischen Cato Bontjes van Beek und Ruth Wolff entsteht eine Freundschaft, ein festes Band, das nicht nur mit dem Fliegen zu tun hat, sondern auch mit beider Gegnerschaft zum Nationalsozialismus.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 24

Page 25: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

O-Ton Ruth Wolff: (Wolff B 3) 0.52Wir sind uns begegnet. Und es ist ja so. Entweder mag man sich auf Anhieb und hat sofort einen Draht oder aber unter ferner liefen. Das war ganz eigentümlich. Wir hatten sofort ein unwahrscheinlich offenes Verhältnis zueinander. Ich weiß gar nicht, wie unsere ersten Gespräche gelaufen sind. Da kann ich mich gar nicht erinnern. Aber ich weiß nur, dass Cato sofort zu denen gehörte – es bilden sich ja immer in so einer großen Gruppe kleine Grüppchen. Sie gehörte vom ersten Tag an zu einem dieser Grüppchen um mich herum. Es waren ja nur wenige Jahre, die wir zusammen waren.

O-Ton Ruth Wolff: (Wolff B 4) 1.20Cato war eher zurückhaltend. Sie war distanziert. Die nahm sich immer zurück. Sie war nie so etwas wie der Blickpunkt in der ersten Reihe, sondern sie war immer etwas im Hintergrund. Sie war etwas Besonderes. Ich kann das nicht beschreiben. Aber sie war auch bei unseren Festivitäten, die wir dann später, als wir nicht mehr bauen durften, als wir doch unseren Zusammenhalt bewahren wollten, haben wir dann schließlich Feste veranstaltet. Nach größeren Zeiträumen fand irgendwo bei jemandem, der eine Wohnung hat, ein Fest statt. Es wurde dann ausgiebig gefeiert. Dann war sie – bei einem Fest, da erinnere ich mich genau, da war sie sehr gelockert.Da hat sie uns was vorgesteppt. Das war toll! Also Clownerien lagen ihr besonders. Das war ein Spezialgebiet. Das war umwerfend. Aber das fand eben nur ganz, ganz selten statt. Meist war sie ernst. Und wir haben viele wirklich gute Gespräche miteinander gehabt.

Erzähler:Einige der Luftgleiter entstehen in Eigenarbeit. Und nach einer Bruchlandung heißt es,den Rumpf oder die Tragfläche auszubessern.

O-Ton Ruth Wolff: (Wolff B 5) 0.33Wir haben sogar öfters abends gebaut. Na ja, das war nicht immer so ganz leicht. Denn die Hände waren meistens kaputt, weil wir ja doch nicht so sehr geschickt waren. Wir waren ja keine Profis. Diese Feinarbeiten, das war manchmal doch etwas schwierig, bis wir uns eine gewisse Könnerschaft angeeignet haben. Aber bis dahin verging ziemlich viel Zeit. Und es hat auch manchmal Blut und Tränen gekostet…

Erzähler:Nach der Schilderung von Ruth Wolff wird das Segelfliegen der Frauen bestenfalls geduldet und nach Beginn des Krieges im September 1939 zum Teil abgeblockt. In diesem Zusammenhang erwähnt Wolff den Freitod von Generaloberst Ernst Udet, der

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 25

Page 26: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

als Kunstflieger, Testpilot und durch seine Mitwirkung an Filmen große Popularität genoss. Udet wird von Hitler und Göring für das Scheitern der Luftschlacht gegen England verantwortlich gemacht. Daraufhin nimmt er sich am 19. Juli 1940 das Leben.

O-Ton Wolff (Wolff B 6) 0.45Wir durften zum Beispiel, als Udet gestorben war, hatten wir uns selbstverständlich indie Begräbnisfeierlichkeit eingliedern wollen als Gruppe. Das war uns natürlich nicht erlaubt. Wir hatten schon einen Kranz gekauft. Es war nicht erwünscht. Wir gehörten einfach nicht dazu. Wir waren abgelehnt. Wir haben zwar … Reitsch und Schiller, das waren ihre großen Leute. Die haben sie gebraucht. Die haben sie benutzt. Aber ansonsten die Frauenfliegerei fiel bei ihnen unter den Tisch. War nicht erwünscht!

Erzähler:Wenn Cato Bontjes van Beek etwas sehr bedrückt, wendet sie sich zumeist an Louise Modersohn, ihre Tante, die Ehefrau des Malers Otto Modersohn, die auch „Lolo“ genannt wird. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 weckt bei Cato düstere Vorahnungen.

Sprecherin 1 CatoLiebe Lolo, Seit Wochen wütet jetzt schon der Krieg. Nie wollten die Menschen sich wieder bekämpfen, so schwor man 1918. Alle Feinde lagen sich in den Armen, und unter Tränen gelobten sie es sich. 1933 wusste man, dass ein neuer Krieg kommen würde. Er ist nun da. Wie lange er dauern wird, weiß niemand. Alle guten Kräfte und Instinkte werden wieder verloren gehen, alle bösen Kräfte und Instinkte werden wieder aufkommen.Da redet man noch viel von der großen Zivilisation und der hochstehenden Kultur der weißen Rasse. Worauf hatte man es wieder abgesehen? Eine Handvoll erbärmlicher Menschen jagte Völker in den Krieg. Wir aber selbst müssen immer und immer an unserem Ideal festhalten. Wir dürfen nicht wankend werden. Was ich noch für eine heilige Pflicht halte, ist, dass wir unsere Kräfte nicht vergeuden mit Jammern und Sichaufregen. Wenn wir dann gebraucht werden, sind wir nicht mehr fähig, unser Werk zu vollbringen.Ich glaube, Du kennst meine Weltanschauung. Ich werde auch nicht vom Wege abgehen, denn ich habe mein Ziel fest vor Augen, und nichts wird mich wankend machen.In der Kirche kann man keinen Trost mehr suchen; ich habe ihn auch noch nie dort gesucht, denn die Kirche muss man von der Bibel unterscheiden. „Liebet eure Feinde wie euch selbst.“

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 26

Page 27: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Ich kaufte mir mal die Reden von Gotamo Buddha, übersetzt von K. E. Neumann. Kennst Du diese? Sie sind wirklich sehr gut, zum Teil allerdings sehr schwer zu verstehen. Überhaupt hat man an den Weisheiten der alten Inder und Chinesen immer einen Halt (Buddha, Lao-Tse, Dschuang-Dse und Liä-Dse). Kennst Du „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ von Dschuang-Dse? „Wer es aber versteht, das innerste Wesen der Natur sich zu eigen zu machen und sich treiben zu lassen von dem Wandel der Urkräfte, um dort zu wandern, wo es keine Grenzen gibt, der ist von keinem Außending mehr abhängig.“ So heißt es (weiter): „Der höchste Mensch ist freivom Ich; der geistige Mensch ist frei von Werken; der berufene Heilige ist frei vom Namen.“ Hier in Fischerhude ist es jetzt aber auch wunderbar. Besonders gern bin ich immer bei der Quelkorner Mühle. Schade, dass ich nicht malen kann. Ich wünschte oft, ich könnte es! – Aber ich will es lieber gar nicht probieren, denn Stümper in der Kunst zu sein ist etwas Grauenhaftes.Erst richtig schön wird es, wenn die Wiesen alle überschwemmt sind und die Krähen in Massen unser Haus umschwärmen. In ca. 14 Tagen fahre ich nach Berlin …. Dann kann man da auch fliegen. Trotzdem, es ist ja an sich jetzt aus mit der Privatfliegerei, ich möchte nämlich so gern weiterkommen damit.

Erzähler:Cato verbringt Ende Oktober 1939 einige Tage in Fischerhude. Während deutsche Sturzkampfflieger polnische Städte in Schutt und Asche legen, sucht die 18jährige Cato Halt bei chinesischen Weisen und Philosophen. Deren Bücher und Schriften stehen noch heute im Regal ihres Elternhauses in Fischerhude bei Bremen. Mit einem Bleistift kreuzte sie Zeilen an, die ihr wichtig erschienen.

Sprecherin 2 (Zitat)Wenn ein Blatt sich bewegt, kann auch der Ast erzittern.

Erzähler:Von Lao-Tse notiert sie folgende Zeilen:

Sprecherin 2 (Zitat)Ich habe drei Schätze,die ich hüte und hege.Der eine ist die Liebe,der zweite ist die Genügsamkeit,der dritte ist die Demut.Nur der Liebende ist mutig,nur der Genügsame ist großzügig,

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 27

Page 28: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

nur der Demütige ist fähig zu herrschen.

Erzähler:Catos nächster Brief an ihre Tante Louise Modersohn – er trägt das Datum 4. März 1940 – klingt fast wie ein Hilferuf:

Sprecherin 1 (Cato):weißt Du, liebe Lolo, seit ein paar Tagen bin ich wahnsinnig unruhig. Ich spüre es ganz genau, irgendetwas ganz Furchtbares wird in nächster Zeit geschehen. Etwas, das uns alle betreffen wird. Es muss allerdings etwas ganz Furchtbares sein, das spüre ich genau. Wir leben alle viel zu gleichgültig dem Leben gegenüber, diesem traurigen Leben. Es ist alles so wahnsinnig trostlos. Ich stelle mir immer wieder die Frage: „Warum ist es so?“ Ich weiß aber keine Antwort.An manchen Tagen spüre ich es besonders stark, dass alles seinem Ende entgegen geht. Alles wird sich verändern und nichts wird so bleiben und werden, wie wir es uns denken. Die Welt ist so schrecklich. Ich habe nie die Menschen geliebt; ich besaß den großen Fehler, an ihnen immer gleich die komische Seite zu entdecken. Jetzt weiß ich aber, dass alle ein Schicksal haben, und ich liebe sie alle immer mehr und mehr und bekomme mit allen ein unendliches Mitleid. Wenn man jetzt an einem sonnigen Morgen durch die Straßen geht und sich die Menschen ansieht, ihr großes Leid in ihren Augen erblickt, ihre Unwissenheit und ihr Suchen nach dem Höchsten in ihren Gebärden und ihren Gesichtern entdeckt, so kann man nichts anderes tun als sie zu lieben und man vergisst – muss sogar vergessen – dass sie so oft nicht richtig handeln.Man ist selbst ja ein ach so armseliger Knochen und man hat gar kein Recht, über andere zu urteilen.Ich hörte zum zweiten Mal die Matthäus-Passion in einer sehr guten Aufführung. Baldwerde ich die Johannes-Passion hören, die kenne ich noch nicht. Ich möchte Dir so gerne noch mehr schreiben, ich bin aber so wahnsinnig müde und muss ins Bett. Papaund Rali sind auf der Leipziger Messe. Ich schickte Dir zu Weihnachten ein Buch ins Allgäu. Du hast es sicher nicht mehr angetroffen, hast Du es jetzt bekommen? Bitte, verzeih die Schrift, ich bin müde.

Musik: Ausschnitt Matthäus-Passion

Erzähler:Was genau die düstere Stimmung, die am Anfang des Briefes zum Ausdruck kommt, auslöst, ist nicht mehr festzustellen. Cato wird Zeuge, wie die Gestapo eine jüdische Familie abführt, die im selben Haus wie ihr Vater wohnt. Mit den Möbeln des Ehepaares verschwindet auch die Bibliothek – 6000 Bände. Ständig werden Juden schikaniert, drangsaliert, abgeführt.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 28

Page 29: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Aus Polen dringen ebenfalls Nachrichten nach Deutschland über die dort verübten Mordaktionen an Juden und Angehörigen der gesellschaftlichen Oberschicht. Die in Gettos zusammengepferchten Menschen sind in dem besetzten Land totaler Willkür der deutschen Besatzer ausgesetzt. Vermutlich kann Cato es kaum ertragen, dass sie dem himmelschreienden Unrecht hilflos und tatenlos zusehen muss.

Erzähler:Im Frühjahr 1940 wartet Cato Bontjes van Beek auf ihre Einberufung zum Reichsarbeitsdienst. Ursprünglich sollte sie am 9. April ausrücken. Der Sammeltransport mit den jungen Frauen macht sich jedoch erst zwei Wochen später auf den Weg nach Ostpreußen. Ziel ist das RAD-Lager Blaustein im Kreis Rastenburg.Louise Modersohn, Catos Tante, bekommt von dort den ersten Lagebericht:

Sprecherin 1 (Cato)Ich sitze augenblicklich draußen im Freien mit drei anderen Kameradinnen am Tisch. Wenn Du ihr Geschnatter hören würdest! Mein Gott, mein Gott. Und welch dämlichesZeug sie reden. Es fällt mir schwer, einen richtigen Brief zu schreiben.Es war hier in den letzten Tagen sehr heiß. Wir hatten 33 Grad Hitze im Schatten. Der Sommer fängtgut an, nicht wahr? Dabei tragen wir Wollsocken und schwere schwarze Stiefel zum Schnüren. Oh, wie ich diese „Komorken“, so nennen wir sie, hasse! Gottlob sandte Amelie mir heute ein paar Klappsandalen, man hat sie mir schon einmal entwendet und auf einen Baum gehängt, dort hingen sie wie Pflaumen. Ich war noch nicht bei den Siedlern. Ich bedauere es auch nicht. Jetzt bin ich schon 14Tage in der Küche. Denke Dir, ich, die noch nie an einem Herd gestanden hat, ich habe schon am zweiten Tag für 48 Personen gekocht und alle riefen im Chor: „Ein Lob der Küche!“ Ich musste aber selber darüber lachen, es kam mir zu komisch vor. Hoffentlich bleibe ich nicht noch 14 Tage als Küchenchef da.Das Leben des Lagers ist ganz komisch. Ich kann mich an Verschiedenes gar nicht gewöhnen. Besonders vermisse ich das Alleinsein sehr. Immer ist man mit so vielen Menschen zusammen. Die Mädels selbst gefallen mir eigentlich nicht, bis auf zwei. Die eine davon ist besonders famos. Mit ihr bin ich immer viel zusammen. Gott sei Dank haben wir eine gute Lagerführerin. Ich verstehe mich mit ihr sehr gut. Mit den Mädels kann ich auch gut umgehen. Sie interessieren mich eigentlich alle psychologisch sehr.Ich habe hier eine Vase aus Ton geformt. Es hat mir riesigen Spaß gemacht. Sie kann sogar in der hiesigen Ziegelei gebrannt werden. An manchen Tagen habe ich grausiges Heimweh. Ich muss immer an Fischerhude denken und besonders an die Wiesen. Wenn ich nur manchmal allein sein könnte und mehr Zeit zum Lesen hätte, wäre alles erträglicher. Meine Kameradin Helga leidet an

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 29

Page 30: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

sich noch mehr. Ich habe einen ziemlichen Einfluss auf die Mädchen und kann oft mal etwas sagen, auch dagegen sagen. Die Lagerführerin tut auch vieles, was ich ihr sage.Wenn ich mal wieder Zeit habe zum Lesen, so stürze ich mich entweder auf Novalis oder auf ein sehr gutes Buch von Lie. Ludwig Bock, „Urchristentum, Caesaren und Apostel. Beiträge zur Geistesgeschichte der Menschheit“. Dann habe ich noch „Krieg und Frieden“ zum Lesen mitgebracht. Darauf freue ich mich auch.Die „Sonnets“ von Shakespeare auf Altenglisch habe ich auch hier. Es ist jedes Mal eine Wohltat, darin zu lesen….Es ist mittlerweile ganz dunkel geworden. Ich muss ins Bett.

Erzähler:Zu den wenigen Frauen, mit denen Cato im RAD-Lager engen Kontakt pflegt, gehört die aus Berlin stammende Siegrid Arnold, die nach dem Krieg Pädagogin wird und den Namen ihres Mannes – Wachsmuth – annimmt. Siegrid Wachsmuth, Jahrgang 1921, ist 91 Jahre alt, als sie in ihrer Berliner Wohnung das Leben im Lager Blaustein und ihre Nähe zu Cato schildert:

O-Ton Siegrid Wachsmuth (Wachsmuth B 7) 1.16Cato hatte – na, ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll – eine freundliche und liebevolle Ironie. Aber genau das hatte sie. Sie hat auch eine große Gabe zum Menschen-Nachmachen. Und ich weiß, wenn man da im Fahnenkreis stand, nachdem man da seine Arme gereckt hatte und Lieder der Bewegung in den eiskalten Wind gesungen hat, musste man ja noch mal stille rumstehen. Und da wurde man aufgerufen, um das Arbeitsbuch, das jeden Tag neu ausgeteilt wurde, abzuholen. Da latschten nun diese armen kleinen Mädchen von der Nehrung, schlecht ernährt und kümmerlich, oder so eine Rundliche irgendwo aus der Kleinstadt, war das sehr komisch zu sehen. Und hin und wieder machte sie sich den Spaß, blinkte mich von weither – wir haben nicht immer nebeneinander gestanden – an und machte den, der da zuletzt sein Arbeitsbuch abgeholt hat, nach und marschierte in genau der gleichen Weise hin. Das konnte sie überwältigend gut und auch so, dass es im Grunde keiner merkte. (lacht) Das war einmalig!

Erzähler:Mehrere Monate verbringen die beiden im Arbeitsdienstlager Blaustein in Ostpreußen.Im Gespräch sieht Siegrid Wachsmuth Cato noch genau vor sich –in ihrer Arbeitskleidung.

O-Ton S. Wachsmuth (Wachsmuth B 8) 0.43

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 30

Page 31: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Sie hatte sehr hübsches Haar, naturwellig. Große und dem Sprecher gegenüber immersehr zugewandte Augen, blau, hellblau. Sonst, ein großflächiges Gesicht, würde ich sagen. Aber in dem Alter guckt man sich an: Ist man schick oder nicht. Sieht die Uniform ordentlich aus? In der sehr hübschen Arbeitskleidung, die wir hatten. Aber das stand Cato gut. Das war ein kornblumenblaues Leinenkleid, Hemdblusenkragen und ein Bindeband mit einem angereihten Rock, sodass es in allen Größen gleichmäßig passte. Ein feuerrotes Kopftuch und eine weiße Schürze. Das stand Cato gut.

Musik

O-Ton Wachsmuth (Wachsmuth B 9) 1.34Eine Arbeit, die war eigentlich unangenehm, und die bevorzugte Cato. Und mir ist, glaube ich, rückwirkend erst klar geworden – sie hatte schon Schwierigkeiten mit ihren Beinen. Und dieses Rumgestrampele, dieses Geputze und Gekrache, das war nicht unbedingt ihr Ding: Sie schwärzte mit Andacht den Ofen. Da saß sie dann – so ein richtiger anständiger Kanonenofen, und der wurde auch im Sommer bei 30 Grad im Schatten… am Freitag wurde der Ofen geschwärzt. Musste ja sein! Leuchtet jedemMenschen, der keinen Verstand hat, unbedingt ein. Aber das Drollige bei Cato war, - sie stellte sich auf den Ofen ein recht großes Bild auf von Gauguin und guckte sich dasan und schwärzte den Ofen, und es dauerte, bis die Hauswirtschaftsführerin kam: Watham wer denn da?! Auf dem Ofen! Dat jeht doch wohl nicht! Da war Cato großartig in diesen Sachen. Da sagte sie mit strahlendem Lächeln: Das ist ein Bild, das hat auchunser Führer schon gesehen! Dass es um entartete Kunst ging, das hat sie verschwiegen. Na ja, wenn Se meinen! Wenn de Arbeit anständig wird. So putzte also Cato jeden Freitag, den Gott werden ließ, den Ofen, und hatte darauf – ich weiß gar nicht, wo sie die vielen Bilder alle mitgebracht hat. …Dieses machte Cato mit Andachtund Hingabe.

Erzähler:Die Freizeit im Lager ist knapp bemessen. Viele Stunden sind ausgefüllt mit Feldarbeit, Fahnenhissen, Aufräumen und Putzen. Ganz selten dürfen die jungen Frauen die Umgebung erkunden.

O-Ton S. Wachsmuth (Wachsmuth B 10) 0.39Wir haben einmal vom Lager aus einen Ausflug gemacht über die Masurischen Seen. Die kann man nicht beschreiben. Die muss man einfach sehen. Und ich weiß, dass Cato – da sehe ich sie noch – so über die Reeling vom Schiff hängend und dann träumend gucken. Und dann fuhren wir an der Insel Upalken vorbei. Das fanden wir, das wäre eigentlich eine Zauberinsel. Das war eine Idee von Cato. Diese ganzen

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 31

Page 32: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Masurischen Seen, da abzuschippern, das war hinreißend schön, hinreißend schön. Verlorene Heimat!

O-Ton Wachsmuth (Wachsmuth B 11) 0.40?Bauernmädchen und Kleinstadtmädchen und die sangen, wenn wir dann mal Zeit hatten und fertig waren – bis zum Abendbrot hatte man manchmal Zeit, dann sangen die miteinander. „Das Lämpchen brennt so trübe. Es fehlt das anders Fett, der Jüngling, wo ich liebe, der liegt schon längst im Bett…“ dann sang Cato mit. Sie hatteeine wunderschöne Altstimme, hat auch andere Lieder gesungen. Sie kannte meine Sentimentalität für Seemann-Shantys. Gelegentlich sang sie mir eins, auch mit diesem Schmunzeln. …

Erzähler:Cato tut ihrer Kameradin Siegrid den Gefallen und singt populäre Seemannslieder, darunter Jonny hat Sehnsucht nach Hawaii.

O-Ton S. Wachsmuth (Wachsmuth B 12) 0.56 Wenn man abends noch einmal rüber ging in den Waschraum, in das sogenannte Schlösschen, dann sah man Cato da an der Ecke stehen und sie guckte – ja, erst dachte ich, sie guckt in den Himmel, bis mir klar wurde -, drei, vier Mal getroffen -, dass sie einen bestimmten Stern schaute. Und das fand ich auch wieder großartig. Man merkte, das war ihr also ein Herzensanliegen. Wie ich dann später mal von ihr hörte, guckte von England aus auch jemand zu dem Stern. Wie sie das – na hast du es gemerkt -, wie sie das runter spielte, das hat mir sehr gefallen, sowohl die Verbindungzu suchen wie das Andere, mit dieser ganz leichten, wie ich sagte, gütigen Ironie runter zu spielen. Das fand ich sehr beeindruckend.

Erzähler:Der Krieg hat die Verbindung zu John Hall, ihrem Verlobten in England unterbrochen.Denn nach dem Überfall auf Polen erklärten Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. – Am 5. Juni 1940 berichtet Cato ihrem Cousin Ulrich Modersohn über ihr Lagerleben in Ostpreußen.

Sprecherin 1 (Cato) heute ist Sonnabend, wir hatten gerade Appell, und jetzt können wir schreiben. Draußen stürmt es mächtig. Wir hatten die ganze Zeit bis zu 30 Grad Hitze, heute ist es aber sehr kalt.Seit vorigen Montag bin ich bei einem Siedler. Es gefällt mir dort auch gut, ich habe es verhältnismäßig gut getroffen, weil es dort nicht so dreckig ist wie bei den anderen

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 32

Page 33: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Siedlern. Ich arbeite mit dem Siedler selbst, einem 15jährigen Knecht und einem Polen, Wladek, auf dem Feld. Wir hacken Disteln, Unkraut zwischen den Rüben usw.Helmut Schmidt schrieb mir gestern. Er ist als Leutnant bei der Flak in Hamburg. Er hat alles Mögliche versucht, um an die Front oder zu einer anderen Waffengattung zu kommen. Vergeblich! Jetzt trägt er sich mit dem Gedanken, zur Fallschirmjägertruppezu kommen. Er hält es nicht mehr in Hamburg aus. Seine Familie ist zwar glücklich, ihn so verhältnismäßig sicher zu wissen.Kurt Hinterlach schickte mir heute durch die Buchhandlung Buchholz drei Inselbücher von Rilke: „Das Marienleben“, „Ausgewählte Gedichte“ und Portugiesische Briefe“.Jetzt liege ich im Bett. Es ist urgemütlich. Ab und zu nippe ich an einer Tasse echtem Bohnenkaffee. Der Vater einer Kameradin schickte ihn aus Belgien…Mama schrieb mir, dass Gretlein Blankens Mann gefallen sei. Sie erwartet ein Baby.

Erzähler:Helmut Schmidt, mit der Familie Bontjes van Beek befreundet, steht im Briefkontakt zu Cato. Kurt Hinterlach gehört zum Berliner Freundeskreis: Hinterlach kümmert sich um Verfolgte und verhilft ihnen, soweit möglich, zur Flucht ins Ausland. Ulrich Modersohn, Catos Cousin, ist an der Westfront eingesetzt, wo Hitler seine Blitzkriege mit Angriffen auf die Niederlande, Belgien und Frankreich fortsetzt. Ulrich ist ein Anhänger des Nationalsozialismus. Mit vorsichtigen Worten versucht Cato, ihm ihre eigene Ablehnung des Krieges zu verdeutlichen. Was sie wirklich denkt und angesichts des Kriegsgeheuls der Nazis im Tiefsten ihrer Seele empfindet, kann sie nicht zu Papier bringen, denn sie weiß, dass ihre Post kontrolliert wird.

Sprecherin 1 (Cato)Lieber Ulrich, Seit einer Woche sind die Polen hier fort, und wir haben hier Franzosen. Mein Französisch, das ich bei Amelie gelernt habe, reicht noch dazu, dass ich mich verständigen kann. Der Siedler ist selig, denn so diene ich als Dolmetscher.Wir haben eine neue Lagerführerin – die alte ist in Urlaub – und die kommt aus Bremen und kennt auch Fischerhude.Manchmal könnte ich an allem verzweifeln und wünsche, ich hätte vor vielen Jahrtausenden gelebt. Ich weiß, dass Du diesen Standpunkt von mir verachtest und mich gleich auf die Größe dieser Zeit hinweisen würdest. Du kannst mich aber doch sicher verstehen, wenn ich manchmal verzweifeln möchte. Vieles in mir stürzt zusammen und verursacht Schmerzen. Zehn Monate habe ich keine Nachricht mehr von John. Ich glaube, ich darf Dir das wohl sagen und Du nimmst es mir nicht übel.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 33

Page 34: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Gegen eine Bemerkung ihres Cousins Ulrich Modersohn über John Hall, ihren Verlobten in England, setzt Cato sich im nächsten Brief an Ulrich Modersohn zur Wehr:

Sprecherin 1 (Cato)Lieber Ulrich, Dein letzter Brief war so schön, habe vielen Dank. Über eine Stelle habe ich mich allerdings mächtig geärgert: „Suche mehr Trost bei anderen Menschen, von denen Duweißt, dass sie Dich nicht liegen lassen.“ Mich hat John nicht liegen gelassen. Wie kannst Du nur so von ihm denken? – Wenn wir auch zehn Monate nichts voneinander wissen, so ist das nicht seine und nicht meine Schuld. Es ändert aber nichts an dem, was früher zwischen uns war. Ich kann warten. – Ich glaube, ich darf Dir das ruhig alles schreiben – Du kennst mich ja, und ich Dich.Weißt Du, lieber Ulrich, Ich suche und suche immer noch nach der Wahrheit. Es gibt doch nur eine, kann es ja nur geben! Wo ist sie? Ich meine sie schon oft gefunden zu haben, aber immer wieder muss ich mich abwenden und wieder vor dem Nichts stehen.Ich sitze im Graben und schreibe. Mittlerweile ist es ganz dunkel geworden.

Erzähler:Cato muss den Reichsarbeitsdienst vorzeitig beenden. Die Schmerzen an den Beinen werden immer schlimmer, sodass sie die schwere Feldarbeit nicht mehr verrichten kann. Außerdem macht ihr die anhaltend sengende Hitze zu schaffen. Eine Woche verbringt sie in der sogenannten Heilstube – und zwar mit ihrer damaligen Freundin und Kameradin Siegrid, die aus großer zeitlicher Distanz diese letzten gemeinsamen Tage mit Cato im Lager Blaustein schildert:

O-Ton Siegrid Wachsmuth (Arnold) (Wachsmuth B 13 a) ?Ich lag in der sogenannten Heilstube. Ja, wahrscheinlich eine völlig harmlose Gastritis. Dann kam Cato. Da hatte sie schon mit den Beinen zu tun. Unser Arzt für das Lager war auch der Arzt für das Dorf, der war in Personalunion Tierarzt und Humanmediziner. Tierarzt soll er ein guter gewesen sein. Da hatten wir ausgiebig Zeit, uns zu unterhalten. Und da war mir zum ersten Mal klar, dass sie ein unerhört nachdenklicher Mensch war, nicht bloß im Politischen. Da haben wir wenig drüber gesprochen. Das hat sich auch empfohlen, es nicht zu tun, da die dünnen Wände nach rechts und links da bestimmt nichts Gutes gebracht hätten. Aber sie kam – und das habe ich nicht mehr in Erinnerung, sie brachte einen Philosophen mit. Ich meine, es wäre „Nietzsche, die Geburt der Tragödie aus der Musik“ gewesen, die wir also emsig mit einander gelesen haben und emsig diskutiert

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 34

Page 35: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

haben. Mein Gedächtnis jetzt im hohen Alter lässt mich im Stich, was wir denn da miteinander drüber gesprochen haben. Aber ich weiß noch, dass das für uns beide glückliche Stunden waren.

Musik

O-Ton S. Wachsmuth (Arnold) (Wachsmuth B 13 b) 0.57Man war dieser Nazi-Wüstenei von Ertüchtigen und Ähnlichem entzogen, konnte lesen, was man wollte, wann man wollte und auch noch bis ziemlich spät. Wenn die Nachtrunde gegangen war, konnte man das Licht leise wieder anknipsen. Also für mich ist das eine ausgesprochen glückliche Erinnerung. Ich denke auch, Cato wurde dann entlassen, wegen dieser Beinschwierigkeiten wegen und ließ mir das Buch da mitdieser hübschen Widmung: „Zur Erinnerung an Nächte mit grünen Gurken und Gedanken über den Sinn des Lebens“. Denn meine Mutter hatte mir ja grüne Gurken im Päckchen geschickt, die wir dann miteinander vertilgten. Für mich war es eine ausgesprochen glückliche Erinnerung, und ich hatte das Gefühl: Cato hat es genau so genossen wie ich.

O-Ton S. Wachsmuth (Wachsmuth 13 c) 0.35Und dann habe ich sie noch ein einziges Mal gesehen in Berlin. Da erinnere ich mich nur, dass wir in irgendeiner Gemälde-Ausstellung zusammen waren. Da hat sie also so ein kluges Urteil – es war eine mittelprächtige Ausstellung, wie sie in der Nazi-Zeit war, was eben erlaubte Kunst war. Und sie hat auch manches recht ironisch kommentiert. Da dachte ich: Mein Gott, das sollten wir öfter machen! Und das ist das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Und ich habe erst spät gehört, warum ich nichtsmehr von ihr gehört habe.

Erzähler:Ende September 1940 kehrt Cato Bontjes van Beek nach Berlin zurück. Gleich in der ersten Nacht erlebt Cato einen schweren Luftangriff, sodass sie wie auch die anderen Hausbewohner die Schutzräume im Keller aufsuchen muss. Es gibt kaum noch eine Nacht ohne Luftangriffe. Die Stadt, von der Cato sich einst magisch angezogen fühlte, wird zum Albtraum. Ein Ausschnitt aus einem Brief an ihre Mutter Olga Bontjes van Beek:

Sprecherin 1 (Cato)Augenblicklich sitze ich in der Werkstatt. Es ist gleich 1 Uhr nachts. Ich brenne den Doppelofen. Eben war ich beim Portier und habe mir etwas Wasser geholt, da hier dieLeitung abgestellt ist, und da hörte ich, dass es Voralarm ist. Ich habe gleich in der Bismarckstraße angerufen. Papa schläft hinten in seinem Zimmer. Warum, weiß ich

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 35

Page 36: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

auch nicht. Die Sirene heult schon!! Ich erschrecke mich immer so. Hier ist es aber auch ganz besonders gemein…Jetzt ist es 4 Uhr. Der Alarm vorbei. Meme rief gerade an. Eine Bombe fiel 30 Meter von unserem Hause. Sie leben alle – Meme und Emma. Rali ist noch im Gebirge und kommt morgen. Eine Fensterscheibe ist in der Küche kaputt. Näheres weiß ich nicht.Hattet Ihr immer ruhige Nächte? Wenn doch bloß erst alles vorüber wäre. Bald kann man es nicht mehr aushalten.Grüße alle. Es ist so spät, ich kann nicht mehr denken.

Erzähler:Catos wohnt bei ihrem Vater am Kaiserdamm 22 zusammen mit ihrer Schwester Mietje, mit der sie sich ein Zimmer teilt. Mietje setzt ihre Ausbildung zur Grafikerin fort. Mit seiner zweiten Frau Rahel hat Jan Bontjes van Beek inzwischen drei Kinder, um die auch Cato sich zeitweise kümmert. Der Radius ihrer Aktivitäten nimmt schnell wieder zu. Gesellige Treffen und auch ausgelassene Feste gehören dazu. Mietje Bontjes van Beek:

Sprecherin 2 (Mietje BvB)Cato war immer überall. Sie konnte nachmittags dies machen und abends etwas völliganderes. Wir haben auch gemeinsame Partys veranstaltet. Das Leben in Berlin war eine Art Höllentanz. Vielleicht hat Cato unbewusst gespürt: Ich werde nicht alt. Sie hat das Leben angenommen und gelebt. Nicht erotisch. Aber es war dieser Lebenshunger. Ein Zeitraffer von Leben.

Erzähler:Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 tritt der Zweite Weltkrieg in eine neue Phase. Viele Deutsche stehen noch unter dem Eindruck der Siegesserie an der Westfront und trauen mittlerweile der Wehrmacht alles zu, sogar einen Sieg über das sowjetische Riesenreich. Einen Tag nach dem Angriff schreibt Cato ihrer Tante Louise Modersohn, die „Lolo“ genannt wird:

Sprecherin 1 (Cato):Meine liebe Lolo,ich habe in der letzten Zeit sehr wenig oder gar nicht geschrieben. Es war wie eine innere Lähmung, aber ich spüre, dass ich sie jetzt allmählich überwinden werde.Ich sitze augenblicklich in der Werkstatt und brenne zwei Öfen. Es ist gleich 1 Uhr nachts und eigentlich warte ich auf die Luftschutzsirene. Sicher werden die Russen bald kommen. Heute Vormittag war Voralarm. Jetzt zieht sich der Krieg immer weiter in die Länge. Man kann alles kaum fassen, trotzdem es vorauszusehen war. …

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 36

Page 37: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Sicher werden die Russen bald kommen. – Im Gegensatz zu Millionen von Deutschen rechnet Cato nicht mit einem Sieg der deutschen Wehrmacht bei dem neuerlichen Kriegsabenteuer. Im Sommer 1941 beginnen sie und ihre Schwester Mietje, französischen Kriegsgefangenen, die mit der Berliner S-Bahn zur Arbeit im Grunewald gebracht werden, beim Zugwechsel am Bahnhof Westkreuz etwas zuzustecken. Das ist selbstverständlich streng verboten. Die riskante Aktion zieht sich über Wochen hin. Dabei wandern alle möglichen Dinge in die Taschen der Gefangenen: Zigaretten, Feuerzeuge, Medikamente, Nähgarn, wofür die Häftlinge sichmit hastig beschriebenen Zetteln bedanken.

Erzähler:Im September 1941 kommt es zu einer Begegnung, die das Leben von Cato radikal verändert.

Sprecherin 2 (Mietje BvB)Es war an einem Sonntagvormittag. Cato und ich hielten uns in der Wohnung unseres Vaters auf. Da kam eine junge, sehr gut aussende blonde Dame in unser Zimmer. Und Vater sagte: „Ich möchte Ihnen meine zwei Töchter vorstellen.“ Das war Libertas Schulze-Boysen. Sie war damals noch bei der Filiale der amerikanischen Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer beschäftigt. Später wechselte sie dann zur Bildstelle der NS-Kulturfilmzentrale.

Erzähler:Im Gespräch erinnert sich Mietje Bontjes van Beek noch genau an diese ungewöhnliche Begegnung. Libertas und Cato hätten sehr schnell gemeinsame Interessen entdeckt, sagt Mietje: Literatur, Schauspiel und besonders den Film, dieses wunderbare neue Medium.

Sprecherin 2 (Mietje BvB)Noch am selben Tag haben sie sich getroffen, um 18 Uhr. Und Libertas hat ihr alles gezeigt. Cato konnte sich mit den Mitarbeitern der Filmgesellschaft auf Englisch unterhalten. Sie schwärmte danach. Vielleicht könne sie sogar dort mitarbeiten, sagte sie. Was für eine Perspektive! Danach haben sie sich immer wieder getroffen. Und bald hat Cato auch Harro Schulze-Boysen kennengelernt. Libertas und Harro erkannten, wie begeisterungsfähig Cato war.

Erzähler:Harro Schulze-Boysen, Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium, ist neben Arvid Harnack, Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium, der Kopf einer

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 37

Page 38: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Widerstandsgruppe, die zunächst als loser Verbund gegen das NS-Regime agiert. Schulze-Boysen entspricht äußerlich dem Idealbild eines Nazi-Offiziers: Schlank, hochgewachsen, gut aussehend: die beinahe ideale Tarnung für einen Widerstandskämpfer. Im Herbst 1941 verspürt die Gruppe Auftrieb. Seit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 befindet sich Hitler-Deutschland im Zwei-Fronten-Krieg, der nichts Gutes verheißt. Als die deutschen Truppen gegen Jahresende vor Moskau zum Stehen kommen, wendet sich das Blatt: Erstmals ist eine militärische Niederlage Hitler-Deutschlands nicht mehr ausgeschlossen.Aus der Sicht von Libertas und Harro Schulze-Boysen bringt Cato wichtige Voraussetzungen für eine Untergrundtätigkeit mit: Sie lehnt die NS-Diktatur rundum ab, ist gegen den Krieg und zudem entschlossen, nicht länger nur zu reden, sondern endlich selber etwas zu tun. Ihrer Schwester Mietje erklärt sie, es sei eine tolle Sache, bei der sie mitmachen dürfe; nur reden dürfe sie darüber nicht. Und ihrem Bruder Tim teilt sie per Brief mit, sie wolle sich eine Wohnung mieten, englische Bücher übersetzen und sich etwas Geld dazu verdienen. Mehr erfahren ihre beiden Geschwister nicht. Einer Kameradin aus der Segelfluggruppe, die politisch mit ihr auf einer Linie liegt, vertraut sie sich jedoch an – vielleicht in der Hoffnung, sie ebenfalls für den Widerstand zu gewinnen. Ruth Wolff ist jedoch entsetzt über das, was Cato ihr während einer Busfahrt offenbart.

O-Ton Ruth Wolff (Wolff B 14 ) 1.47Da hatte mein Mann mich angerufen. Er hatte zufällig mal einen Tag frei und war in Güterfelde zum Fliegen, von den dortigen Leuten eingeladen. Und er rief mich an und sagte: Hast du Lust? Komm raus! Vielleicht kriegst du einen Start. Da habe ich an Cato gedacht, die auch immer so wild drauf ist, und habe sie angerufen und gesagt: Cato, hast du Zeit? Komm raus! Wir kriegen möglicherweise einen Start. Dann haben wir uns getroffen, sind in den Omnibus gestiegen und sind dann rausgefahren nach Güterfelde. Das weiß ich nicht mehr genau. Im Omnibus, wir waren oben allein. Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Plötzlich kam Cato darauf zu sprechen, was sie tat. Zunächst einmal erwähnte sie nur, dass sie in der Bahn bei ihren S-Bahn-Fahrten den französischen Gefangenen gelegentlich etwas zusteckten usw. Das habe ich mir noch angehört. Da habe ich noch gedacht: Na ja, keine so große Angelegenheit. Aber dann erwähnte sie auch, dass sie in einem gewissen Kreis tätig ist und was sie dort macht. Und da bin ich dann explodiert. Da habe ich sofort gesehen, auf welchem Weg sie sich befindet. Da habe ich wirklich mit allen Mitteln versucht, ihr verständlich zu machen, in welcher Gefahr sie sich befindet und dass sie um Gottes Willen … Und wirhaben uns dann nachher so in die Wolle gekriegt, dass wir nicht bemerkt haben, dass hinten Leute eingestiegen waren in den Bus.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 38

Page 39: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Ruth Wolff kann sich auch nach so langer Zeit nicht verzeihen, dass es ihr damals nicht gelungen ist, Cato aus dieser Widerstandsgruppe zu lösen. Sie spricht von persönlichem Versagen. Andererseits seien jedem Menschen Grenzen gesetzt, sagt sie,auch in seiner Überzeugungsfähigkeit. Cato sei eben etwas ganz Besonderes gewesen. Gerade so ein Mensch – das sei schicksalshaft und eigentlich unbegreiflich!

Erzähler:Cato wirkt an der Herstellung und Verteilung von Flugblättern mit, auch beim Abfassen und Übersetzen von Texten hilft sie. Die Berliner Gruppe, die zusammen mitanderen Widerstandsorganisationen in Brüssel und Paris von der Gestapo und der militärischen Abwehr unter dem Begriff Rote Kapelle geführt wird, bringt mindestens fünf Flugblätter in Umlauf. Das wichtigste Flugblatt mit der Überschrift Die Sorge umDeutschlands Zukunft geht durch das Volk entsteht im Frühjahr 1942 und richtet sich an politische Entscheidungsträger, Militärs, kirchliche Würdenträger, an die wissenschaftliche und technische Intelligenz:

Sprecher 4 (Flugblatt Agis)Vergeblich müht sich Minister Goebbels, uns immer neuen Sand in die Augen zu streuen. Die Tatsachen sprechen eine harte, warnende Sprache. Niemand kann mehr leugnen, dass sich unsere Lage von Monat zu Monat verschlechtert. Niemand kann noch länger die Augen verschließen vor der Ungeheuerlichkeit des Geschehens, vor der uns alle bedrohenden Katastrophe der nationalsozialistischen Politik. …Im Namen des Reiches werden die scheußlichsten Quälereien und Grausamkeiten an Zivilpersonen und Gefangenen begangen. Noch nie in der Geschichte ist ein Mann so gehasst worden wie Adolf Hitler. …

Erzähler:Das Flugblatt ist eine schonungslose Abrechnung mit dem NS-Regime. Cato, die daran aktiv beteiligt ist, gehört erstmals zu einem Kreis von Menschen, die nicht nur diskutieren, was sie innerlich bewegt, sondern zugleich etwas unternehmen: gegen denKrieg, gegen die Vernichtung der Juden, gegen den drohenden Untergang Deutschlands. In der NS-Kulturfilmzentrale sammelt Libertas Schulze-Boysen Bild- und Filmmaterial von der Front, darunter Fotos von Gräueltaten, die deutsche Einsatzgruppen und Wehrmachtseinheiten an Sowjetbürgern, vor allem an Juden verübten. Libertas legt ein Privatarchiv an. Erstmals sieht Cato solche Fotos. Und zum

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 39

Page 40: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

ersten Mal ahnt sie das letztlich unfassbare Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen. Am 27. November 1941 schreibt sie ihrer Mutter Olga:

Sprecherin 1 (Cato)Ich höre jetzt so furchtbare Dinge über das, was draußen in der Welt geschieht – nichtnur draußen weit fort, dass die Lust am Weiterleben mir manchmal vergeht. Ich bin dann immer so entsetzt, man kann es kaum glauben, dass solche Sachen einmal als Gedanken in menschlichen Gehirnen entstanden und dann sogar in die Tat umgesetzt wurden. Und trotzdem soll man den Glauben – auch an die Menschen – nicht verlieren. Es gibt Gott sei Dank noch viele, viele Menschen, die gut sind und das Gleichgewicht hundertfach halten.

Erzähler:Anfang Januar 1942 richtet Cato erstmals einen mit Schreibmaschine verfassten vierseitigen Brief an ihre Mutter Olga in Fischerhude. Die meisten Briefe schreibt sie mit der Hand, wovon viele erhalten geblieben sind. Olga erfährt einige Neuigkeiten. Der häusliche Konflikt zwischen Rahel und Jan Bontjes van Beek, bei dem offenbar eine weitere Frau eine Rolle spielt, ist eskaliert. Rahel hat einen Zusammenbruch erlitten und liegt zeitweise im Krankenhaus. Als Cato den Brief schreibt, sind Jan und seine Frau gerade verreist. Die Kinder wurden wegen der ständigen Luftangriffe auf Berlin nach Schreiberhau im Riesengebirge ausquartiert. Cato übernimmt die Leitung der Keramik-Werkstatt.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe Mama,ich weiß nicht, der wievielte Brief dies nun ist, den ich anfange, Dir zu schreiben. Vorgestern kam ich wieder sehr weit damit, aber dann wurde ich ganz unerwartet wieder ins Krankenhaus gerufen. Nun sind alle fort. Das ist ein merkwürdiges Gefühl. Die Wohnung ist ruhig und wir können aufräumen, wenn es uns Spaß macht. Essenkochen ist gar kein Problem mehr und alles wird ganz einfach gehen. …Du kannst Dir denken, wie glücklich ich bin, nun ein Zimmer zu haben, das mir ganz allein gehört. Ich glaube, ich werde ein ganz anderer Mensch werden, denn dieser Hast-Zustand der letzten Monate und besonders Wochen ging nicht mehr weiter. …Ich war in der letzten Zeit so nervös, dass mein Bein plötzlich ausschlug, wenn ich irgendwo eingeduselt war, auf einem Stuhl oder irgendwo sonst, und meine Hände zitterten, sobald sie nichts taten.Jetzt bin ich für eine Weile Chef der Werkstatt. Rali hat mir gestern im Taxi – ich holtesie vom Krankenhaus zum Bahnhof ab – noch Vollmachten erteilt. Ich werde sie auch ausnützen und mir das Leben nicht zu hastig einrichten, das tue ich nicht wieder. …

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 40

Page 41: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Mit Hilfe von Harro Schulze-Boysen hat Cato eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Charlottenburg an der Waitzstraße gefunden. Wegen der hohen Miete will sie ein Zimmer dem Ehepaar Strelow überlassen, wie sie der Mutter im Brief mitteilt. Dazu kommt es jedoch nicht, denn Heinz Strelow und Cato Bontjes van Beek verlieben sich.Durch gemeinsame Aktionen in der Widerstandsgruppe Rote Kapelle sind sie sich näher gekommen.

Erzähler:Heinz Strelow, 1915 in Hamburg geboren, ist Lyriker, allerdings ohne jede Aussicht, auch nur eines seiner Gedichte in Deutschland veröffentlichen zu können. Als Mitglieddes Kommunistischen Jugendverbandes hat er bereits in den 1930er-Jahren Erfahrungen im Untergrundkampf gesammelt und war mehrere Monate inhaftiert. Olga Bontjes van Beek kennt den neuen Freund ihrer Tochter. Heinz Strelow hat in den 1920er-Jahren zusammen mit seiner Mutter – sein Vater war im Ersten Weltkrieg gefallen – das Haus in der Bredenau in Fischerhude besucht. Als Olga von der neuen Beziehung ihrer Tochter erfährt, äußert sie vehement ihre Ablehnung. Es kommt zu einem Konflikt, der das Verhältnis der beiden schwer belastet. Ihrem Sohn Tim schreibt Olga, es dürfe nicht zu einer Verbindung kommen. Wie konnte sie nur so schnell John vergessen, heißt es weiter. Die Mutter treibt die Sorge, dass Cato in ihr Unglück rennt und sich ihre Zukunft verbaut.Olga reist nach Berlin und stellt Cato zur Rede. Die Auseinandersetzung endet damit, dass Mutter und Tochter Anfang März 1942 Hals über Kopf spätabends mit dem Zug von Berlin nach Fischerhude fahren, obwohl Cato in Berlin stark eingespannt ist – in der Werkstatt und im Widerstand. Sie lässt alles stehen und liegen und folgt der Mutter. Olga verlangt von ihr, sich zu besinnen und die Beziehung zu Strelow abzubrechen. Aus den Briefen, die Cato an den folgenden Tagen aus Fischerhude an ihre Geschwister richtet, geht nicht eindeutig hervor, wie sie sich entscheidet. An Mietje, die in Berlin geblieben ist, schreibt sie:

Sprecherin 1 (Cato)Ich wusste einmal sehr viel, aber nun ist alles schon wieder wie weggerutscht. Ich sitze fast den ganzen Tag oben in unserem Zimmer und lese und schreibe und stiere nach draußen in die Birken und auf die Schneefelder, und mein Herz ist voller Trauer.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 41

Page 42: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Im Brief an ihren Bruder Tim, der noch die Internatsschule in Salem am Bodensee besucht und auf seine Laufbahn als Pianist hinarbeitet, beschreibt Cato ihren Zustand noch genauer:

Sprecherin 1 (Cato)Ich habe in der letzten Zeit sicher sehr vielen Menschen Kummer bereitet, vielleicht werde ich es auch in Zukunft tun, ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt gar nichts mehr, nur dass ich sehr traurig bin. Ich bin sicher sehr selbständig geworden und handele auch danach. Nicht einmal Fischerhude macht mich richtig glücklich. Ich hoffte, hier Ruhe zu finden, aber ich komme mir wie ein gehetztes Wild vor.Wenn ich Dir so lange nicht schrieb, so lag das nur an meinem verworrenen Zustand. Verworren bin ich immer noch, und so schnell werden all‘ die Wunden nicht heilen. Ich soll mich hier „besinnen“, und wenn ich es tue, so kreisen meine Gedanken eigentlich doch nur um einen Punkt, und da ist eine „Besinnung“ nicht möglich, nur eine innere Prüfung, und darin sehe ich sogar einen Unterschied.

Erzähler:Cato trifft in Fischerhude auch ihre enge Freundin Annita Otterstedt, und zwar ganz zufällig. Annita rechnet eigentlich damit, im Haus in der Bredenau die Schwester Mietje zu sehen, und ist überrascht.

O-Ton Annita Otterstedt (Otterstedt B 15) 1.11Und ich kam ins Wohnzimmer und wartete auf sie, und auf einmal tat sich die Tür auf und Cato kam herein. „Du bist hier? Das wusste ich ja gar nicht.“ „Nein,“ sagte sie, „keiner wusste es. Ich bin einfach ganz unverhofft gekommen. Und ich fahr aber … ich fahre aber heute Nachmittag wieder weg.“ Und da musste sie da zu Fuß zum Bahnhof. Und da habe ich gesagt: „Weißt du, da bringe ich dich hin.“ Da haben wir noch ein bisschen Zeit, miteinander zu sprechen und zu unterhalten, was so war.Und da war sie … so furchtbar verändert. So still. So, wie ich sie eigentlich überhauptnicht erlebt hatte. Und da hat sie zu mir gesagt: „Ich habe Mama versprochen, dass ich ihn nicht mehr sehen will. Ich habe es ihr versprochen. Das muss ich auch halten.“ Und deswegen war sie gekommen, weil es diese Spannungen gab zwischen der Mutter und ihr. Oder weil die Mutter so sehr besorgt war, dass sie da vielleicht unter einen Einfluss kam, der ihr – der Mutter – Angst machte. Cato aber nicht.

Erzähler:Im Frühjahr 1942 lernt Cato die Kunststudentin Katja Casella kennen. Katja studiert an der Berliner Hochschule für Künste und will Malerin werden. Ihre Eltern fliehen vor der Gestapo nach Polen und leben dort in einem Versteck. Die Mutter ist Jüdin, der Vater Kommunist. Der Verlobte von Katja, Karl Meirowsky, ebenfalls Jude, wird

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 42

Page 43: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

von einem Onkel aus dem KZ Sachsenhausen freigekauft und kann nach England entkommen. Katja, Jahrgang 1920, also im selben Alter wie Cato, heiratet Karl nach dem Krieg. Die Malerin ist 91 Jahre alt, als sie über Cato spricht. Sie ist die letzte Zeitzeugin aus dem Umfeld der Roten Kapelle.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky B 16) 0.58Sie hat mich richtig beschützt, weil sie wusste: ich war in der Bredouille. Ich wusste nicht: Sehe ich meinen Freund noch einmal wieder. Der saß ja nun in England. Die Mutter abgeholt und seine Schwester, 14 Jahre alt, die sind auch vergast worden in Treblinka, kamen erst mal nach Warschau ins Getto. Also, die müssen Fürchterliches durchgemacht haben. Ich war vollkommen allein in der Zeit. Ich hatte zwar meine Freundin Lisa. Aber es war auch eine Künstlerin, eine Bildhauerin. Und wir unterhielten uns dann meistens über unsere Arbeit. Aber es ging nicht so tief. Aber Cato war wirklich der erste Mensch, der dich auch wirklich in die Arme nahm. Ja! Wunderbar! Die kam mit jedem Menschen … alle liebten sie. Das war ihre Ausstrahlung. Diese Wärme, die sie geben konnte. Sie war meine beste Freundin. Sie war ein Punkt, an dem ich mich auch halten konnte. Sie war viel stabiler als ich.

Erzähler:Die von Katja erwähnte Freundin Lisa ist eine Kommilitonin an der Hochschule für Künste; sie studiert Bildhauerei und Keramik. Lisa Egler, auch sie hat einen jüdischen Elternteil, arbeitet zeitweise in der Keramik-Werkstatt von Jan Bontjes van Beek. – Wie hat die Malerin Katja Meirowsky ihre beste Freundin in Erinnerung? Und wie sah Cato damals aus?

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky B 17 a) 0.27Durchschnittlich. Die wurde schöner und schöner, wenn man mit ihr sprach. Es war ganz eigenartig. Manche sagten ja auch: Das ist eine Frau wie eine Glocke. Die hatte etwas, das sofort überging. Sie hatte ein wunderbares Organ, wenn sie sprach, warm. Das kam alles aus dem Bauch! Warm! Wunderschöne französische Lieder. Wie sie diesang, das war schon unwahrscheinlich.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky B 18 b) 0.25(Kurze Pause. O-Ton 18 b direkt an O-Ton 17 a anhängen)Sie schmiss den ganzen Laden. Also, eine wahnsinnig tüchtige Frau, wahnsinnig romantisch einerseits, naturliebhabend und sehr tierliebhabend war sie auch. Und aufder anderen Seite stand sie aber auch mit beiden Beinen ganz fest auf der Erde. Diese Werkstatt war nicht einfach zu führen.

Erzähler:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 43

Page 44: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Cato nimmt Katja mit in die Keramik-Werkstatt und zeigt ihr abends auf dem angrenzenden Gelände der Firma Schering die Baracken der Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine, mit denen Cato schon seit längerem in Kontakt steht.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky B 19) 1.10Jedenfalls hat sie gesagt, ich muss dir heute mal was zeigen. Und da sind wir darüber gegangen. Die kam auch gleich rein, hat ihr Klopfzeichen gemacht. Dann wurde sie gleich hereingelassen. Da waren lauter Ukrainerinnen. Die waren zwangsverpflichtet.Die mussten in dieser schwierigen Geschichte da mitarbeiten. Und die lagen alle schon in den Betten, mit Klamotten und allem Möglichen zugedeckt. Mich führte in dieWerkstatt ein kleines ukrainisches Mädchen. Sie hatte so ein ganz buntes Kopftuch um. Und die stand da in der Nähe und sagte dann noch: „Irene?!“ Und ich hatte sie nicht gleich verstanden. Aber dann doch. Und dann sagte sie so, sie kommt mit und würde mir zeigen. Also mehr Pantomime. Und da sagte ich später zu Cato – das war schon nachdem ich die anderen Ukrainerinnen da gesehen hatte, da höre ich nämlich auch eine Stimme, die ähnlich klang aus einem der Betten. Dann sage ich: „Nennen die dich Irene? Oder was? Irene?“ „Irene, das ist hier mein Name. Die kennen meinen (richtigen) Namen natürlich nicht.“

Erzähler:Die Ukrainerinnen sind Cato ans Herz gewachsen. Deren Schicksal fern ihrer Heimat in einer fremden, feindlichen Umgebung – das bewegt sie, wie aus ihrem Brief vom 16. Juli 1942 an ihre Schwester Mietje hervorgeht:

Sprecherin 1 (Cato)Eine ältere Frau mit einem großen Tuch um Kopf und Schulter geht oft alleine herum, während die anderen arbeiten. Sie hat Augen wie ein krankes Tier. Vor ein paar Tagen wünschte ich ihr „Dobre jen“ (Guten Tag). Sie kam auf mich zu, umarmte und küsste mich auf Stirn, Wange und Hals und zog weinend ein Couvert aus ihrer Bluse und zeigte mir die Fotografie ihres kleinen Sohnes. Sie sprach etwas Deutsch. Und da war ein klagendes „nach Haus, nach Haus“. Es war alles so erschütternd, dass ich auch weinen musste mit ihr um sie, ihren Jungen und um alle bedrängten Menschen.

Erzähler:Die Kunststudentin Katja Casella lernt auch Jan Bontjes van Beek, Catos Vater, kennen, allerdings weniger über seine künstlerische Arbeit in der Keramik-Werkstatt:

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowksky B 20) 1.01Der gab ja immer seine Partys. Dann hieß es eben: Ja, bring deine Mitarbeiter mit, die in der Werkstatt arbeiteten. Das wurde dann auch sehr eng. Aber auch da wusste

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 44

Page 45: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

ich nicht, wie viel weiß der überhaupt von der Gruppe. Da waren sehr viele Leute. Da waren sicherlich auch Leute aus der Gruppe. Aber auch mit anderen, sehr viele Künstler. Nicht auf Gespräche einlassen. Ihr wisst nie, mit wem ihr sprecht. Auch keene politischen Witze, oder so etwas. Haltet euch von den meisten fern. Mir wurde der Bruder vorgestellt, die Schwester vorgestellt. Ihr habt genug Leute, die ihr kennt. Wir haben ihn eigentlich nur durch Partys kennen gelernt. Der schmiss dauernd. Er hatte ja auch das Geld! Die kauften ja wie verrückt, die Weiber von ihm. Ich habe immer gesagt zu Cato: Der gehört eigentlich auf die Brecht-Bühne, weißt du. Er war … hatte eine wahnsinnige Ausstrahlung. Ein großer kräftiger Kerl. Ein markantes Gesicht. So etwas gibt es nicht zum zweiten Mal.

Erzähler:Cato Bontjes van Beek kann die damalige Kunststudentin Katja Casella dafür gewinnen, einen von der Gestapo verfolgten Mann in ihrem Atelier zu verstecken und Flugblätter zu verteilen. Auf Vermittlung von Cato lernt Katja unter konspirativen Umständen auch Harro Schulze-Boysen kennen – eine Begegnung, die ihr noch mit vielen Einzelheiten im Gedächtnis haftet. Davon mehr in der dritten und letzten Stunde über die Cato Bontjes van Beek, die der Widerstandsgruppe Rote Kapelle angehörte.

Musik: Goldberg-Variation

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 45

Page 46: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

3. Stunde

Musik: Goldberg-Variation

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebste Mama, ich weiß nicht, wo Du bist. Deshalb schicke ich diesen Brief an Rali. Liebste Mama, mein Gott, tagelang habe ich vorher diesen Brief in Gedanken aufgesetzt und nun habe ich Angst vor dem Belanglosen. Wie geht es Dir? Die Hauptsache, machst Du Dir nicht allzu viele Sorgen um mich? Du weißt sicher gar nicht, weshalb ich hier bin.Tausend Fragen brennen mir auf den Lippen: Ob Tim noch in Frankreich ist, ob Meme wieder gesund ist und Adada auch. Ob Sibylle ihr Baby bekommen hat und wie es ihr geht…

Erzähler:Am 20. September 1942 klingeln Beamte der Gestapo morgens um acht Uhr an der Wohnungstür von Jan Bontjes van Beek am Kaiserdamm in Berlin. Sie durchsuchen die Räume, nehmen ihn und seine Tochter Cato mit und bringen Cato zum Polizeigefängnis am Alexanderplatz und Jan zur Gestapo-Zentrale, Prinz-Albrecht-Straße 8. Beide werden wie Verbrecher erkennungsdienstlich behandelt. Am 3. November 1942, also sieben Wochen später, darf Cato erstmals einen Brief schreiben; er ist an ihre Mutter Olga Bontjes van Beek gerichtet.

Sprecherin 1 (Cato)Wie schön muss es jetzt in Fischerhude sein und im Moor, denn den Herbst habe ich dort so gern. Ich habe meine Gedanken ganz umgestellt, sodass ich nicht die Zelle als zu drückend empfinde. Morgens scheint die Sonne auf mein Bett und jetzt des Nachts auch der Mond. Ich gehe meistens auf und ab und bin froh, dass ich 16 lange Gedichteauswendig weiß, die ich jeden Tag einmal spreche.Dass ich nichts zu lesen habe, ist bitter. Einmal habe ich um Leseerlaubnis gebeten, aber nichts ist darauf gefolgt. Vielleicht versucht Ihr von Euch aus, diese Erlaubnis zubekommen. Schickt mir dann Bücher über Philosophie, auch Goethe. (Goethe habe ichmir ja immer aufgespart für eine Zeit, wo ich Zeit und Muße habe – die Zeit ist jetzt da!)Wie es mir geht? Ich denke eigentlich nie an das, weshalb ich hier bin, sondern nur anEuch. Über den Sinn der Familie viel; was das bedeutet, das wird mir hier ganz besonders klar. Wie arm ist ein Mensch, der ganz allein in der Welt steht. Ich bin so dankbar, dass ich die Gewissheit habe, Euch alle, alle zu haben. Ich will nicht sentimental werden, aber aus einer Zelle kann ich das doch schreiben.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 46

Page 47: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Mir fallen tausend kleine Einzelheiten ein von draußen und neulich träumte mir von einer Gerichtsverhandlung, wo auch das ganze Dorf Fischerhude anwesend war, sogar Jan Butmann im Sonntagsstaat. In meinen Träumen bin ich immer auf ein paar Stunden bei Euch und sage dann immer: „Gleich muss ich wieder zum Alex!“Wann sehe ich Dich wieder, liebste Mama? Du musst das sicher beantragen. Für alle Lieben allen, allen vielen Dank. Wie geht es Eva? Grüße Tim und Meme und alle anderen, auch die Werkstatt.Ich umarme Dich und küsse DichDeine Dodo

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:Cato wird „Dodo“ genannt und nennt sich oft auch selber so. - In der dritten und letzten Stunde der Langen Nacht geht es um die Zerschlagung der Widerstandsgruppe Rote Kapelle in Berlin, der Cato Bontjes van Beek angehörte. Cato wurde am 14. November 1920 in Bremen geboren und wuchs im nahe gelegenen Dorf Fischerhude in einem Haus von Malern, Musikern und Lebenskünstlern auf. Schon früh eignet sie sich ein umfangreiches Wissen über Kunst, Philosophie und Literatur an. Sie ist universell gebildet, spricht Niederländisch, die Sprache ihrer Vorfahren, und Englisch fließend und hängt mit jeder Faser am Leben. Ihr Weg in den Widerstand erscheint konsequent und folgerichtig. Sie will handeln, nicht nur reden. Deswegen sind alle gut gemeinten Versuche, sie aus dem Kreis um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack zu lösen und vor dem Schlimmsten zu bewahren, letztlich ergebnislos geblieben.

Erzähler:Die Verhaftung von Cato und Jan Bontjes van Beek erlebt die Kunststudentin Katja Casella aus nächster Nähe. Um Haaresbreite wäre sie selber von der Zerschlagung der Widerstandsgruppe mit in den Abgrund gerissen worden. Ihre Eltern sind nach Polen geflohen und dort untergetaucht. Die Mutter ist Jüdin, der Vater Kommunist. Katja Casella, die nach dem Krieg ihren nach England geflohenen Verlobten Karl Meirowsky heiratet und eine viel beachtete Malerin wird, lernt Cato im Frühjahr 1942 in der Hochschule für Künste in Berlin kennen. Die Keramikerin hat sich über Katja vorher erkundigt und spricht sie im Vestibül der Hochschule an. Die Kunststudentin trägt ein knallrotes Kleid, das sie sich aus einer Nazi-Fahne geschneidert hat. An Hitlers Geburtstag hat sie im Zentrum von Potsdam zusammen mit einem Kommilitonen die riesige Fahne von einem Balkon heruntergerissen, in einer Aktentasche versteckt und zuhause mit einer Rasierklinge das Nazi-Emblem entfernt.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 47

Page 48: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

O-Ton Katja Meirowsky (Casella) (Meirowsky C 1) 2.13Und da habe ich mir ein Kleid selbst genäht. Ganz einfach. So einen Hänger. Ich hattevorher schon bemerkt. Irgendeine junge Frau hatte mich beobachtet im Vestibül in derKunsthochschule, kannte sie aber nicht. Da dachte ich – mich haben viele da angesprochen. Vielleicht studiert sie ja hier. Und eines Tages kam dann diese Frau auf mich zu und sagte: Sind Sie Fräulein Casella? Da sage ich ja, worum geht es? Dann sagte sie: Ja, ich habe eine Keramik-Werkstatt. Die haben ja unsere Männer alle eingezogen. Aber wie das gesagt wurde, merkte ich schon: Die ist auf meiner Linie! Wie man so etwas sagte, spielte bereits eine Rolle. Ja, und jetzt suche ich neue Leute. Da wollte ich Sie fragen – Sie sind mir sehr sympathisch: ob Sie vielleicht bei uns arbeiten wollen, denn ich weiß, viele Studenten müssen sich Geld dazu verdienen. Da habe ich gesagt: Das tut mir furchtbar leid, grade habe ich eine Arbeit gekriegt, inKeramik zu arbeiten bei der Katja Bennefeld. Die machte aber mehr Kitsch, so Teller. Das tut mir ja furchtbar leid. Und da hat sie einen Moment gezögert und dann sagte sie: Wissen Sie, dieses rote Kleid, als Sie also die Halle betraten, da dachte ich: Jetzt kommt die Revolution persönlich! Sodass wir beide lachten. Und dann sind wir noch irgendwo hingegangen und haben uns hingesetzt. Und haben bisschen mit einander gesprochen. Und sie sagte: Na ja, da gehört ja was zu. Haben Sie keine Angst, mit so einem Fahnenklein hier aufzutauchen. Woher sollte ich Angst haben?! Die Chuzpe traut keiner dem anderen zu, zu sagen: Was ist denn das! Das war ja die gleiche Farbe wie die kommunistische Fahne, ja. Und darauf wird keiner kommen!

Erzähler:Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb. Cato lädt Katja in die Werkstatt ein, erwähnt das nächtliche Brennen der Tongefäße, das immer sehr zeitraubend sei. Dabei könnten sie eine Flasche Rotwein trinken. Und außerdem möchte sie Katja mit ihrem Freund Heinz Strelow bekannt machen.

O-Ton Katja Meirowsky (Casella) (Meirowsky C 2) 0.57Sie hat mich über meine Eltern befragt. Das habe ich ihr alles erzählt: Meine Mutter ist russische Jüdin. Mein Vater war von Anfang an als junger Mensch in der Kommunistischen Partei. Ach so. Ja, und - sie wusste über alles Bescheid. Auch über die Eltern meiner Freundin, der Lisa. Da war auch die Mutter Jüdin, ungarische Jüdin. Da habe ich gesagt: Wir sind immer ein bisschen in Angst. So wie das vor sich geht mit Hitler usw. Ich glaube, jetzt werden erst mal die Juden geschnappt, dann kommen die Halbjuden ran und dann vielleicht die Vierteljuden. Der wird ja nicht locker lassen. Da war sofort eine Gemeinschaft da. Das war ganz klar. Wo lebst du? Dann habe ich ihr das beschrieben. In einem Atelier. Meine Eltern, die sind abgehauen nach Polen. Die leben dort illegal. Und ich habe ein Atelier.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 48

Page 49: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Beim Stichwort „Atelier“ hakt Cato sofort nach: Ob man dort vielleicht jemanden für kurze Zeit unterbringen könne, möchte sie wissen. Katja Casella zögert. Die beiden erörtern das Für und Wider, die räumlichen Verhältnisse in dem Atelier. Auf fast jede Frage ihrer neuen Freundin weiß Cato Rat und Antwort. Offenbar ist es nicht das erste Mal, dass sie einen vom NS-Regime Verfolgten unterzubringen versucht. Außerdem verspricht sie, zusammen mit ihrem Freund Heinz Strelow sich das Versteck im Atelier vorher genau anzusehen.

O-Ton Katja Meirowski (Meirowsky C 3) 0.29(zweiter Teil)Also, es war alles sehr riskant. Ich sagte mir ja: der kann auch mal krank werden. Sie sagt: Überleg es dir gut. Und dann sagte ich zu ihr: Sag mal, was passiert eigentlich, wenn diese irre Sache schief gehen sollte. Und da sagte sie: Das darf eben nicht sein! Denn wenn es schief geht – und da machte sie nur diese Handbewegung unter dem Hals. Das hieß dann also Kopf ab.

Musik

O-Ton K. Meirowsky (Meirowsky C 4) 0.42Na ja, da kam sie mit Heinz Strelow und dann haben sie herumgeklopft an den Wänden usw. Und dann haben sie gesagt: du musst es ihm tausend Mal sagen. Ich sag: Was ist, wenn die Sirenen losgehen? Und was mache ich mit dem da oben? Sowiedie Sirenen losgehen, dann soll er einen Moment warten und dann sofort deine Wohnung verlassen und heruntergehen auf die Straße. Da noch ein bissel warten, dann wieder ins Haus. Du zeigst ihm, wo der Luftschutzkeller ist. Auf den Luftschutzkeller zugehen und soll die Leute, die schon unten sitzen: fragen: Darf ich vielleicht hier …? Ich wurde unterwegs überrascht. Und sie sagt: Das funktioniert. Das funktioniert bestimmt.

Erzähler:Die Person, die versteckt werden soll, kommt ins Atelier. Allerdings handelt es sich nicht um einen jungen Mann, wie zunächst angekündigt, sondern um einen Älteren, dessen Hände zittern und der auf die Kunststudentin einen gebrochenen Eindruck macht. Er bleibt auch länger als geplant – zwei Wochen sogar. Und auf Katja wartet inzwischen ein neuer Auftrag.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 49

Page 50: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky C 5) 1.02Ja, da ist noch was anderes, Katja. Also, wir haben jetzt beschlossen, du und Lisa, ihr könntet Briefe einstecken. Ich sagte: Was für Briefe? Da ist alles drauf, die Marken und so was. Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Aber auch da die Briefkästen wechseln. Du hast ja dein Fahrrad. Für dich ist es ja sehr einfach. Das konntest du feststellen: Das waren Bonzen alles. Die kannten jede Adresse. Die wussten auch, wer verheiratet ist und wer nicht verheiratet war, noch Junggeselle war. Ich sagte: Wieso sind hier plötzlich drei Frauen dabei? Sind das hohe Tiere? Nee, das sind die Frauen hoher Tiere. In dem Fall ist es sogar gut, denn der Brief wird geöffnet von der Frau, wenn es an sie adressiert ist: Dann wissen es gleich zwei, denn geheim halten wird sie es nicht. Sie wird ihrem Mann natürlich den Brief zeigen. (Feinschnitt bis hier)

Erzähler:Die Begegnung der Kunststudentin Katja Casella mit Harro Schulze-Boysen, dem Kopf der Widerstandsgruppe Rote Kapelle, hat Cato sorgfältig vorbereitet. Das Treffenkommt zustande, nachdem Katja wenige Stunde zuvor feststellen musste, dass das Haus ihres nach England geflohenen Freundes versiegelt ist, dass, wie sie sagt, die Geranien auf dem Balkon verwelkt sind. Da wird ihr klar: die Mutter und Schwester ihres Freundes sind abgeholt worden und wahrscheinlich nicht mehr am Leben.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky C 6 ) 3.48Ich hatte dann sofort meine Freundin angerufen, die Lisa. Und die hat sofort Cato angerufen. Und Cato wusste Bescheid, hat zu Lisa gesagt: die darf heute nicht allein bleiben. Und dann kam Cato und hat gesagt: Ich lass dich heute nicht allein. Aber – ich hatte ja nun ausgemacht, dass du heute den Harro Schulze-Boysen kennen lernst. Und dann fuhr sie mit mir ab. Über einen Innenhof hinweg und dann ins Hinterhaus. Und das war sehr seltsam, weil der ganze Korridor … das sah so unbewohnt aus. Rechts waren lauter Türen, und die eine stand offen. Da hörte ich Gespräche. Da sind wir reingegangen. Da saßen fünf, sechs Frauen, die Grammophon spielten. Die hattensofort das ausgemacht, als sie mich kommen sahen mit der Cato. Da war eben Schweigen. Wir setzten uns beide auf die Couch. … Dann dauerte es eine Weile. Die Cato stand dann auf, ging raus und dann kam sie wieder mit Harro Schulze-Boysen. Da weiß ich nur noch – dieser große schlanke Mensch, als der da den Raum betrat – ich hatte den nicht in Uniform erwartet. Erst mal hatte ich einen Schock gekriegt. Ich konnte es gar nicht begreifen. Das war nun der Boss der Gruppe – in Uniform! Mir wurde ja auch nie etwas gesagt über ihn – weder dass er im Luftfahrtministerium arbeitete und all die Sachen. Es hieß immer, je weniger wir voneinander wissen, umsobesser, falls die Gestapo kommt. Das war ja immer der Hintergrund. Der hat mich sofort hochgezogen von dieser Couch und hat mich gleich in die Arme genommen.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 50

Page 51: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Und da kam so eine Wärme von diesem Menschen mir entgegen. Und dann sagte er zumir – wörtlich, weiß ich nicht, aber ungefähr dem Sinne nach sagte er: Und eben weil es so ist und weil so viel Unheil passiert, dafür sind wir da. Wir können das bremsen. Wir können das irgendwo lenken. Wir wollen hoffen, dass uns etwas gegen dieses Barbarentum irgendetwas gelingt. (Stimme unten) dass er irgendetwas dagegen tun kann. Naja, und dann ging er auch schon wieder. Wir saßen dann noch stumm, und dann sagte die Cato: Macht doch wieder die Musik an. Ich nehme an, das waren alles Frauen, deren Männer, die sich an diesem Tag dort trafen. Denn immer wieder ging die Klingel, die Tür war so halb offen gelassen, Cato sprang auf und öffnete die Tür. Da sah ich immer Männer mit Aktentaschen usw., die schnell durchgingen nach hinten, also scheinbar in den Raum, in dem sich auch der Harro befand.

Erzähler:Die Gefahr, in der sich die Widerstandsgruppe Rote Kapelle von Anfang an befindet, ist allen Beteiligten bewusst. Im Gegensatz zu Cato Bontjes van Beek, die am Anfang erst einmal lernen muss, was Untergrundtätigkeit bedeutet, kennt ihr Freund sich damitaus. Heinz Strelow hält manche Aktionen von Schulze-Boysen für unüberlegt und draufgängerisch. Zwischen beiden kommt es zum Konflikt. Später erklärt Cato bei der Vernehmung durch die Gestapo und auch in einzelnen Briefen, die sie aus dem Gefängnis schmuggeln kann, sie hätten nur kurze Zeit mit der Gruppe zusammengearbeitet. Die Schilderungen von Katja Meirowsky, der ehemaligen Kunststudentin, belegen jedoch, dass Cato und Heinz ihre Widerstandstätigkeit bis zur Verhaftung im September 1942 fortgesetzt haben, dass ferner die persönliche Beziehung zwischen beiden weiter bestanden hat, obwohl Olga Bontjes van Beek vehement dagegen war.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky C 7) 0.42Da war eben der Heinz Strelow sehr wichtig, der immer wieder uns impfte, der immer wieder sagte: „Das nicht! Das nicht! Das nicht!“ Er hatte auch ein paar Mal Auseinandersetzungen mit Cato darüber gehabt, weil sie zu … Er meinte, sie sei zu leichtfertig, sie sei zu … aber Cato ging vom Bauch aus. So, wie sie mich erkannt hat, wette ich, auch alle anderen. Na ja, da hatten sie manchmal so ein bisschen Streit, nicht wirklich Streit, aber er machte ihr Vorhaltungen. Er sagte: Cato, die Gruppe ist schon eigentlich zu groß. Wenn du immer mehr Leute anheuerst, dann wird die Gruppe zu groß. Und dann wird es auch richtig gefährlich.

O-Ton Katja Meirowsky (Meirowsky C 8) 1.18Na ja, der Heinz, erstmal sah er nicht gut aus. Er hatte ja die vorstehenden Zähne. Aber das war eben die ganz große Liebe der Cato. Ein sehr kluger Mann. Von dem hatte ich die ganzen Bücher. Der hat mir alle empfohlen, was ich noch lesen kann.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 51

Page 52: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Cato kannte einen Buchhändler; und der machte dasselbe: bring alte her und such dir was aus. Der hatte so unterm Ladentisch. Der hatte Kafka. Dann haben wir abends zusammen … also immer wir drei, ja, haben dann immer gelesen. Dann Dostojewski, den „Idioten“. Das hat mich umgehauen, dieses Buch. Sie hat mich mit den ganzen Russen bekannt gemacht. Den Gorki hatte ich schon von meinem Vater. Das war aber auch der einzige Russe, den ich kannte. Aber „Krieg und Frieden“ - das hat er mir mal vorgelesen, mein Vater. Aber ich war einfach zu jung, auch zu abgelenkt, höchstwahrscheinlich. Ich habe gar nicht diese wunderbare Sprache verstanden. Und das wollte ich noch sagen: Wenn Cato sprach, das klang gut. Sie betonte jedes Wort. Ein Wort war für sie ein Wort. Und wenn Lisa und ich manchmal so nuschelten und etwas schnell erzählen wollten, dann hat sie immer gesagt: Wiederholt das noch mal! Wie sprichst du das aus? Das ist ein wichtiges Wort!

Erzähler:Der Widerstandskreis Rote Kapelle leistet Hilfe für Verfolgte, vor allem für verfolgte Juden; er dokumentiert anhand von Fotos und Informationen von der Ostfront die deutschen Kriegsverbrechen und versucht, die Bevölkerung durch Flugblätter und Zettel-Klebeaktionen aufzurütteln. Daran sind Cato und ihr Freund Strelow seit Herbst1941 unmittelbar beteiligt. Die Gruppe fliegt nicht durch Leichtsinn oder gar durch Opfermut auf. Vielmehr kann die deutsche Abwehr im Juni 1942 einen Funkspruch des sowjetischen Geheimdienstes an die Rote Kapelle in Brüssel entschlüsseln, der mehrere Klarnamen der Berliner Gruppe enthält. Unter Folter gibt ein von der Abwehrgefangener Funkspezialist der Brüsseler Gruppe den Funkschlüssel preis. Mit den Klarnamen hat die Gestapo ein leichtes Spiel. Im Herbst 1942 setzt in Berlin eine Verhaftungswelle ein und bald darauf beginnt eine Serie von Schauprozessen vor dem Reichskriegsgericht.

O-Ton Rahel Bontjes van Beek (Rahel BvB C 9) ?Wir hatten fabelhafte Leute in der Werkstatt. Und einer unserer Gesellen, der beim Militär eingezogen war, war in der Wohnung, als Cato und mein Mann abgeholt wurden. Er durfte natürlich über nichts sprechen. Aber, was tat er, er rief mich an undsagte: „Frau Bontjes, Ihr Mann und Cato sind verreist.“ Und ich wusste sofort, dass sie abgeholt worden waren. Da sagte ich: Ich bin morgen in Berlin, und fuhr den nächsten Tag nach Berlin. Ich wurde von meinen Leuten in der Werkstatt, die alle sehrin Ordnung waren, abgeholt. Und wir gingen alle in ein Restaurant um die Ecke. Ich konnte nicht in meine Wohnung, weil die Wohnung plombiert war. Ich überlegte, was ich tun könnte, und kam auf die Idee, Verwandte anzurufen. Ich rief sie an und sagte: Hör mal, ich kann nicht in meine Wohnung. Könnt ihr mich nicht aufnehmen. Und sie haben mich sofort aufgenommen.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 52

Page 53: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Rahel Bontjes van Beek ist bei ihren Kindern in Schreiberhau im Riesengebirge, als sie den Anruf bekommt. In Berlin stellt sie sich der Gestapo.

O-Ton Rahel Bontjes van Beek (Rahel BvB C 10) ?Ich wurde drei Stunden verhört, von 6 bis 9. Und wahrscheinlich, weil ich genau dasselbe wie mein Mann ausgesagt habe, alles andere muss auch geklappt haben - jedenfalls abends um 9 Uhr ging der Gestapo-Beamte mit mir zu unserer Wohnung, machte die Kuckucks ab und ließ mich hinein. Die Wohnung sah aus – vollkommen verwüstet. Alles lag auf der Erde. Alle Schränke waren aufgerissen. Ich ging ganz leise hinein, guckte überall rum, ob Abhörapparate da waren. Und dann ging ich an das Bücherregal, weil ich wusste – ich war immer sehr vorsichtig – ich hatte in einen Kunstband das Kommunistische Manifest hinein getan. Ich zog den Kunstband heraus.Das Kommunistische Manifest war noch drin. Ich ging in die Küche und brannte es über den Ausguss ab. Denn ich wusste, dass man aus Asche noch lesen kann… Als ich öfter in der Prinz-Albrecht-Straße wartete, wurde einmal Cato auf den Korridor gelassen. Wir haben uns nur umarmt und kein Wort gesprochen, weil wir genau wussten, dass wir abgehört wurden, und haben nur geheult.

Erzähler:Heinz Strelow wird als einer der Letzten aus der Widerstandsgruppe verhaftet. Vorher versucht er in hektischen Telefonaten, Freunde und Mitstreiter zu warnen, erreicht aber nur noch Katja Casella. Der Kunststudentin gelingt es, in letzter Minute der Verhaftung zu entgehen. Sie flieht zusammen mit ihrer Freundin Lisa Egler zu ihren Eltern nach Polen, wo die beiden sich bis Kriegsende versteckt halten. Am 14. November 1942 wird Cato 22 Jahre alt. Dass sie ihren Geburtstag – es wird ihr letzter sein – in der Zelle verbringen muss, ist bitter. Dennoch lässt sie ihre Mutter davon wenig spüren, als sie am 1. Dezember 1942 ihren nächsten Brief schreiben darf. Nur alle vier Wochen ist der Briefkontakt erlaubt.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe Mama,endlich kann ich Dir wieder einmal schreiben. Wie geht es Dir? Hast Du gemalt im Bayerischen Wald? Ich denke doch, dass Du nun in Berlin bist, und täglich warte ich darauf, dass ich Dich sehen kann. Mir geht es verhältnismäßig gut. Ich laufe immer noch die Zelle auf und ab und freue mich, wenn die Sonne oder der Mond herein scheinen. Wie groß war meine Freude, als zu meinem Geburtstag Euer Paket ankam. Da habe ich sehr weinen müssen. Ich erkannte Euch alle an jedem Stück und wusste: das hat der hineingelegt und das jener. Die Torte war so wunderbar, ich spürte und

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 53

Page 54: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

schmeckte die ganze Liebe der Werkstatt. Liebste Mama, ich beauftrage Dich, alle, alle von mir zu grüßen und zu danken.In meinen Träumen bin ich immer in Fischerhude mit Euch allen zusammen. Wann wird das wieder sein? Aber Mama, alles ist leicht für mich, wenn ich weiß, dass du Dir nicht zu viele Sorgen um mich machst.

Erzähler:Am 22. Dezember, also noch vor Weihnachten 1942, kommt Jan Bontjes van Beek auffreien Fuß. Die Ermittler können ihm nichts nachweisen. Cato ist erleichtert. Mit Ungeduld erwarte ich nun den Prozess, schreibt sie in ihrem nächsten Brief an ihre Mutter. Sie hat endlich die Leseerlaubnis bekommen.

Sprecherin 1 (Cato)Gleich habe ich mich auf den Novalis gestürzt und „Heinrich von Ofterdingen“ und „Die Lehrlinge von Sais“ gelesen. Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen den „Fragmenten“ von Novalis und den „Pensées“ von Pascal. Ich habe jetzt aber doch mehr Beziehung zu Letzteren bekommen. Es fällt mir momentan doch etwas schwer, mich ganz in die Zeit der Romantiker zu versetzen. Besonders empfinde ich es bei Novalis‘ Gedichten. Ich weiß, dass er Dir nicht sehr liegt und Du sagtest mir einmal, dass Hölderlin dasselbe sagt, nur viel einfacher und klarer. In vielem muss ich Dir nun beistimmen, aber trotzdem halte ich sie für sehr verschieden. Aber Lust bekam ich, auf den „Heinrich von Ofterdingen“ Goethes „Wilhelm Meister“ zu lesen.

Erzähler:Am 15. Januar 1943 tritt das Reichskriegsgericht an der Witzlebenstraße in Berlin zusammen, um über weitere Anhänger der Roten Kapelle zu urteilen, darunter Cato Bontjes van Beek und ihr Freund Heinz Strelow. Bereits im Dezember hatte das Gericht die beiden Anführer der Gruppe, Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack, sowie weitere NS-Gegner zum Tode verurteilt. Sie wurden am 22. Dezember 1942 in Plötzensee durch den Strang hingerichtet. Wie zuvor, übernimmt OberkriegsgerichtsratManfred Roeder wieder die Rolle des Chefanklägers. Roeder ist entschlossen, den Rachefeldzug des Regimes gegen die Widerstandsgruppe fortzusetzen. Während der Verhandlung Mitte Januar 1943 sehen Cato und Heinz sich erstmals wieder. Strelow rechnet für sich fest mit der Todesstrafe und hofft inständig, dass Cato mit einer Zuchthausstrafe davon kommt. Noch vor der Urteilsverkündung richtet er einen Brief an sie.

Sprecher 4 (Heinz Strelow)Wenn Du einmal frei bist, dann gib Dich dem schönen Leben doppelt hin und grüße alles von mir, das ich so geliebt habe. – Und sei nicht traurig um mich – vergiss mich

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 54

Page 55: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

nicht und behalte mich lieb. So wie ich Dich lieben werde und an Dich denken, bevor ich sterbe. Mein Leben war bunt und voll Freude und auch voll Leid, ich bin nicht undankbar! Ich will Dir noch sagen, dass Du das reinste und beste und unschuldigste Herz hast von allen Menschen. Es ist so schön, dass ich Dich noch sehen konnte und Dich umarmen und jetzt wissen kann bis zuletzt, dass Du mich lieb hast!Lebe wohl – meine liebe Dodo – und Gott schütze Dich. Heinz

Musik: (Kurzer Aufsetzer)

Erzähler:Am 18. Januar 1943 verkündet das Reichskriegsgericht die Urteile: Heinz Strelow wird wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt. Cato Bontjes van Beek erhält wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats und zur Feindbegünstigung ebenfalls die Todesstrafe. Gleich nach der Urteilsverkündung nimmt Cato von ihrer Zelle aus Verbindung zu Rainer Küchenmeister auf, dem 16jährigen Sohn von Walter Küchenmeister, der wie sein Vater ebenfalls in Haft sitzt und in der Zelle in der Etage direkt unter Cato eingesperrt ist. Über einen Bindfaden, den sie von Zellenfenster zu Zellenfenster ziehen und ihre Seilbahn nennen, tauschen die beiden Briefe und Botschaften aus:

Sprecherin 1 (Cato) Mein lieber Rainer,ja, das war ein Schlag ins Gesicht, dieser Antrag vom Oberst! Aber Rainer, ich bin so sehr vom Leben überzeugt und liebe die Menschen so unendlich, dass ich gar nicht daran glaube, dass es wahr wird. Von dieser Liebe zu den Menschen habe ich in meinem Schlussort gesprochen. Es war mir ja auch nie zuvor so klar, wie sehr ich Deutschland liebe. Ich bin ja gar keine Kommunistin. Rainer, als ich wusste, jetzt kannst du noch etwas sagen, um dein Leben zu retten, da gab es gar keine Politik mehr für mich, sondern einzig und allein stand vor mir das Bild, dass es nur eines gibt, und das ist die Liebe der Menschen untereinander. Ich bin kein politischer Mensch, ich will nur eins sein, und das ist: ein Mensch.Nennt man dies nun: dem Tod ins Auge sehen? Es verpflichtet zu so vielem. Ich habe nicht um mein Leben gebettelt. Rainer, da hat der Mensch gezeigt, was er ist – nicht bei der Beweisaufnahme, sondern bei seinem Schlusswort. Ich werde das nie vergessen - - sollte ich leben bleiben, jedes andere Urteil ist mir egal. Nur leben will ich, leben, leben! Das ist mein Wunsch. Um meinen Freund Strelow habe ich große Angst. Ich habe ihm gesagt, dass er Deinem Vater bestellt, was für einen prächtigen Sohn er in Dir hat. Ich habe in der Nacht vom 13. – 14. von Dir geträumt und Strelow so viel erzählt von Dir und wie gern ich Dich habe.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 55

Page 56: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Sprecher: 3 (Rainer Küchenmeister)Meine liebe Cato,Ich kann das alles, was ich für Dich empfinde, unmöglich aufs Papier bannen, und ichweiß nicht, ob das Wort ‚Kamerad‘ dafür genügt. Cato, ich habe den Glauben an Dichnoch nicht verloren, ich kann es einfach nicht. Ich will keine Worte weiter über das Geschehen machen. Dafür ist es viel zu groß und zu ernst. Ich danke Dir, Cato, was Du von mir an Strelow bestellt hast. Der gestrige Tag war furchtbar für mich, ich war dicht daran zu toben; aber als ich Deine Stimme hörte, Cato, da wurde ich wieder ruhig, ruhig, wie ein kleiner Junge, der die Stimme seiner Mutter vernimmt. Überhaupt hat es mir Deine Stimme angetan, und ich glaube, allen anderen geht es ähnlich. Nicht etwa, dass das ein Kompliment sein soll, bestimmt nicht, Cato. Nun, liebe Cato, hab ich eine Bitte an Dich, deren Erfüllung mir mehr bedeuten würde, als Du es wohl ermessen kannst, gib mir einen Talisman, ein Andenken von Dir, Cato, ichwill daran glauben, immer und so fest, wie ich auch noch jetzt an Dich glaube. KannstDu das verstehen? Aber Cato, sage das, was Du mir darüber zu sagen hast, bitte schriftlich, denn ich weiß es nicht mehr, aber ich glaube, ich könnte schlecht mit Dir darüber sprechen. Ich glaube, ich sagte es Dir schon mal, dass ich heulende Männer nicht leiden mag. Du doch sicher auch nicht. Nun Schluss, Cato, sonst werde ich noch sentimental. Schreib mir, bitte, ja?

Musik

Sprecherin 1 (Cato)Mein lieber Rainer,was bist Du doch für ein famoser lieber Junge. Dein Brief hat mich so glücklich gemacht, ich möchte ihn immer bei mir tragen, und den Abschiedsbrief von Heinz auch. Sollte ich wirklich sterben, Rainer, sei nicht allzu traurig, vergiss mich nicht. Eine Bitte habe ich an Dich, sei vernünftig und beginne nichts Falsches. Ich meine damit, Du sollst kein Märtyrer sein. Es hat keinen Sinn. Du wirst so nötig gebraucht. Du hast so viele gute Eigenschaften, und es ist auch ein solcher Reichtum an Liebe in Dir, das ist das Höchste und Schönste, das der Mensch besitzt.Ich liebe Dich so, als seiest Du mein Bruder. Vielleicht wirst Du meinen Bruder Tim auch mal sehen. Geh zu meiner Mutter, das musst Du mir versprechen, mein lieber Rainer.Denke an Deinen Vater, lieber Rainer, und begebe Dich nicht unnütz in Gefahr. Ich weiß nicht, warum ich sterben muss, aber sicher hat alles einen Sinn. Du glaubst, ich mag weinende Männer nicht? Ach Rainer, das macht gar nichts, auch Heinz hat geweint, nur zuletzt haben wir uns immer angelacht, weil wir zusammen so glücklich waren. Lebe Du weiter, lieber Rainer, suche das Schöne in der Kunst und in jedem Menschen, und lerne mit dem Herzen zu denken. Der alte Gott schütze Dich!

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 56

Page 57: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Erzähler:Cato versucht, Rainer Küchenmeister davon abzuhalten, sich aus Verzweiflung über die tödliche Gefahr, die seinem Vater und jetzt auch Cato droht, etwas anzutun. Tatsächlich überlebt Rainer Küchenmeister die anschließende Haft im KZ-JugendlagerMoringen im Solling und auch den Kriegseinsatz in einem Strafbataillon. Nach dem Krieg wird er Maler. Seine Figuren sind ohne Gesichter. Trotz intensiver Bemühungenhat er Cato nie zu Gesicht bekommen. Er kennt sie nur über die Kassiber, die sie über den Bindfaden austauschen, und das Sprechen, das über die Heizungsrohre zwischen den Zellen möglich ist.Wie von Cato aufgetragen, stattet Rainer Küchenmeister den Besuch bei Olga Bontjes van Beek in Fischerhude gleich nach Kriegsende ab. Zu Mietje und Tim Bontjes van Beek sowie zu dessen Frau Roseli hält er bis zu seinem Tod 2010 Kontakt. In einem Telefongespräch, das Küchenmeister am 8. Juli 2008 mit Roseli Bontjes van Beek führt, sagt er über Cato:

Sprecher 3 (R. Küchenmeister)Ihre Größe liegt in ihrem Verhalten im Gefängnis. Wenn man andere trösten und ihnen helfen kann, erträgt man die Dinge leichter. Sie hat mir geholfen und ich ihr. Ich wollte Cato schützen, mit ihr sterben, für immer mit ihr zusammen sein.

Erzähler:Ein Telefongespräch, das Roseli und Rainer zuvor am 11. März 1999 führten und über das ebenfalls ein Gedächtnisprotokoll existiert, beendet der in Frankreich lebende Maler mit den Worten:

Sprecher 3 (R. Küchenmeister)So, hier in Paris scheint die Sonne. Ich werde jetzt durch die Straßen gehen, an Cato denken und ein bisschen weinen. Ich bin ja allein, da darf ich ruhig weinen.

Erzähler:Nach der Verhängung des Todesurteils rechnet Cato damit, dass der schändliche und grausame Richterspruch unverzüglich vollstreckt wird – wie im Dezember 1942, als die in einem Schauprozess verurteilten Anhänger der Roten Kapelle gleich danach hingerichtet wurden. Deshalb entschließt Cato sich, ihrer Mutter am 21. Januar 1943 einen Abschiedsbrief zu schreiben. In Wirklichkeit vergehen noch quälend lange Monate, in denen sie wieder Hoffnung schöpft, doch noch mit einer Zuchthausstrafe davon zu kommen.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 57

Page 58: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe, allerliebste Mama, Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass dies ein Abschiedsbrief sein soll – Abschied von Dir, von Euch Lieben, vom Leben.Meine liebe, liebe Mama, wie kann ich Dir nur sagen, dass ich so ruhig bin wie selten zuvor? In mir ist nur Liebe zu Euch und zu allen übrigen Menschen. Ich bin völlig frei von Groll oder gar Hass – es ist so, als hätte alles ein mildes Gesicht. Ich weiß auch, dass Heinz mich lieb hat und ich ihn auch. Er sagte mir und schrieb mir, falls ich dochdem Leben wiedergegeben würde, sollte ich ihn mit Dir aussöhnen, das sei eine große Bitte von ihm…Grüße alles von mir, das ich so liebte. Alle Lieben, meine liebe Meme und meinen lieben Tim und die Kleinen und Papa und Rali. Habe ich einmal jemandem weh getan,so möge er mir vergeben. Ich bin mir heute keiner großen Schuld bewusst und es ist inmir eine große Frage: warum dies alles sein muss. Auch hier im Gefängnis waren alleMenschen voller Liebe zu mir.Auf Wiedersehen, meine liebe, liebe Mama, und grüße alle und alles von mir.Immer Deine DodoGrüße auch John, er soll mir vergeben.

Erzähler:Wenige Tage später, am 15. Februar 1943, richtet Cato Bontjes van Beek ein Gnadengesuch an den Präsidenten des Reichskriegsgerichts für ihren Freund Heinz Strelow:

Sprecherin 1 (Cato)Sehr verehrter Herr Präsident!…Wir sind beide entschlossen, unser Leben und Schicksal gemeinsam zu teilen; diese letzte Zeit hat es bewiesen, dass es nur dies eine für uns geben kann. Sollte Heinz Strelow sterben müssen, so verliert das Leben auch für mich seinen Wert.Gnade, die mir allein, ihm aber nicht zuteilwird, erscheint mir auch nun in den schweren Stunden der Todeserwartung als eine neue Strafe. Ich bitte daher, die Aussetzung der über mich verhängten Strafe nicht zu erwägen, wenn die für meine Entlastung sprechenden Gründe nicht ausreichen, um das Leben von Heinz Strelow zuschonen.Ergebenst Cato Bontjes van Beek

ErzählerIm Februar 1943 kommt es noch einmal zu einer Nachverhandlung, bei der sich Cato und Heinz Strelow zum letzten Mal sehen.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 58

Page 59: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebste Mama,ich stehe jetzt zwischen Leben und Tod. Die Vorstellung des Todes hat für mich absolut nichts Grausiges, denn ich bin so überzeugt davon, dass es einen Tod im üblichen Sinne gar nicht gibt. Das, was in mir ist, kann und wird nicht sterben. …Wenn ich im Bett liege, dann stelle ich mir vor, wir seien alle zusammen in dem lieben Fischerhude, und in Gedanken gehe ich durch alle Zimmer und ich seh‘ jede Kleinigkeit vor mir. Ich musste so lachen, als plötzlich das Lebkuchenherz vor meinen Augen stand, das ich Dir als Kind einmal vom Jahrmarkt aus Bremen mitbrachte und in der Küche sicher immer noch hängt.Wenn wir zum Kriegsgericht fahren, dann kommen wir immer an unserem Haus vorbei, und an Papas Geburtstag fuhr das Auto da gerade ein wenig langsamer, und da habe ich die Vasen von uns im Laden nebenan sehen können. Ich war froh darüber wie ein kleines Kind.Seid nicht zu traurig um mich – das macht es mir viel schwerer. Ich habe Hoffnung biszum letzten Atemzug. Wenn es doch sein muss, dann sterbe ich ganz ruhig… Ich fürchte mich gar nicht davor – aber meine Sehnsucht ist doch das Leben. … Ob es gut ist, dass ich keine Kinder habe? Ich wünschte aber, ich hätte eins.

Erzähler:Cato erkundigt sich nach ihren Geschwistern und sorgt sich um den Fortbestand der Werkstatt. Ihr Bruder Tim Bontjes van Beek nimmt seit Januar 1943 am Ostfeldzug der Wehrmacht teil und befindet sich seitdem im Donez-Gebiet, in der heutigen Ost-Ukraine. Mietje Bontjes van Beek kuriert im Allgäu ihre schwere Rippenfellentzündung aus. Cato befürchtet, ihr Vater, Jan Bontjes van Beek, könnte zur Wehrmacht eingezogen werden. Ende Januar 1943 ist die Schlacht um Stalingrad endgültig verloren gegangen. Seitdem rekrutiert das Oberkommando der deutschen Wehrmacht alle erdenklichen Kräfte, um weiteren Niederlagen entgegenzuwirken.

Sprecherin 1 (Cato) Lieber Heinz,jetzt ist es schon bald wieder eine Woche her, als wir uns gesehen haben, und dabei scheint es mir eben erst gewesen zu sein. Denkst Du manchmal, dass Du viel im Leben versäumt hast? Ich eigentlich gar nicht. Entweder es geht weiter für mich, ganz folgerichtig, oder es wird plötzlich gewaltsam abgerissen, dann war das Vorhergegangene auch gut und die Erinnerung ist sehr schön, sie macht mich aber nicht traurig. Und ich bin so voller Lebendigkeit nun, dassich mich wundere, trotzdem allem so getrost entgegenzusehen.Mama schickte mir ein Bändchen Rilke-Gedichte. Sie gefallen mir doch gut – ich versuche immer wieder, sie ganz unvoreingenommen zu lesen, und dann auch kritisch.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 59

Page 60: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Es sind wirklich einige sehr prächtige darunter. Ich las soeben einen Aufsatz von Schopenhauer: „Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich“. Es war Zufall, dass ich diesen Aufsatz bekam. Aber ich brauche nicht Kraft zu schöpfen aus einer Definierung des Todes, und so schön gesagt das alles klingt, was über den Tod da geschrieben steht – ich habe meine eigenen Ansichten, die mir viel mehr geben und sagen, es grenzt schon an eine Selbstverständlichkeit. Ich sitze in meinem Bett mit einem dicken Buddha-Bauch voll Suppe. Wie ich mich nunan das Nichtstun gewöhnt habe – ich kann nun stundenlang liegen und nur die vorüberziehenden Wolken ansehen, ich denke dann „Ob Heinz sie auch sieht?“, und auch des Abends, wenn der ganze Himmel voller Sterne ist. Für Dich habe ich den Orion ausgesucht. .. kannst Du Dich an das Gedicht in Prosa von Baudelaire entsinnen von dem Mann, den einer fragt, was ihm am teuersten ist, und wie er dann schließlich sagt: “Die Wolken, die Wolken, die vorüberziehenden!“? Das fällt mir immer wieder ein, wenn ich Wolken betrachte.Verlier auch Du, mein lieber, lieber Heinz, nicht die Hoffnung, trotz aller Todesbereitschaft.Ich grüße und umarme Dich. Immer Deine Dodo

Musik:

Sprecherin 1 (Cato) Meine liebste Mama,jetzt sind es schon sechs Wochen her seit dem Urteil und ich lebe immer noch. Hätte man mich in den ersten Tagen geholt, wäre ich willig gegangen, aber nun ist doch der große Lebenswille mit Macht wieder in mir ausgebrochen und fast kann ich es mir nicht mehr vorstellen, dass es morgen, übermorgen oder in ein paar Wochen vielleichtdoch aus sein soll. Jetzt sind meine Gedanken so viel hier auf dem Boden, und mit Spannung verfolgen wir das Geschehen in der Welt, und alles ist von einer großen Hoffnung beseelt. Vielleicht haben wir alle Glück! Sei es durch Gnadengesuche oder sonstige Anlässe. …Traurig ist nur, dass ich gar nicht weiß, wofür ich sterben soll. Zehn, ja selbst fünf Jahre Zuchthaus wären sinnlos gewesen im Vergleich zur Tat. Aber durch diese hohe Strafe bekommt es irgendwie eine Verklärung, und damit tröste ich mich. Schade, dassman die Öffentlichkeit ausschloss – aber trotzdem, Mama, es ist kein besonders großerRuhm, mit dieser ganzen Sache etwas zu tun zu haben. Liebste Mama, ich schreibe den Brief weiter und hoffe sehr, dass er eines Tages bei Dir ankommen wird. Ihr sollt wissen, wie all dies war, für den Fall, dass ich es Euch nicht mehr sagen kann. Ich weiß nicht, ob man dem Gerücht glauben kann, dass Libertas Schulze-Boysen noch lebt und nicht mit den anderen am 23. Dezember in

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 60

Page 61: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Plötzensee hingerichtet wurde. Jedenfalls sind jetzt noch neue Verhaftungen, die aufgrund der Angaben Libertas‘ gemacht wurden. … Die Behandlung von Seiten der Gestapo und auch hier am Alex war immer gut. In der Weise ging es mir nie schlecht. Herrlich ist die Kameradschaft. Wir haben uns alle gegenseitig geholfen und oft habe ich die Menschen nie gesehen und kenne nur ihre Stimmen. Es gäbe so viel zu erzählen, hätte ich die Gelegenheit einmal dazu.

Erzähler:Dieser Brief wird von zwei Däninnen aus dem Gefängnis geschmuggelt, die mit Cato eine Nacht lang die Zelle im Polizeigefängnis geteilt haben. Sie befanden sich auf Jobsuche in Berlin, aber mit ihren Papieren stimmte etwas nicht. Also sperrte man sie kurzerhand ein. Das Gerücht, wonach Libertas Schulze-Boysen möglicherweise noch am Leben sei, ist falsch. Die Frau von Harro Schulze-Boysen hat zwar Mithäftlinge belastet – jedoch keineswegs mit Absicht. Gleich nach ihrer Verhaftung tappt sie in eine Falle. Die Gestapo hat eine Sekretärin der Spionageabwehr, als Mithäftling getarnt, in ihre Zelle gesperrt. Ihr vertraut Libertas Schulze-Boysen sich an – in der Hoffnung, Freunde noch rechtzeitig warnen zu können. - Seit März 1943 teilt Cato Bontjes van Beek ihre Zelle mit einer Polin:

Sprecherin 1 (Cato) (die drei nachfolgenden Zitate von Sprecherin 1)… Ich bin nicht mehr allein in meiner Zelle, sondern habe eine 39jährige Warschauerin bei mir, mit dem schönen Namen Janina. Sie lernt bei mir Deutsch und ich erweitere meine polnischen Sprachkenntnisse. Die Zeit vergeht so sehr rasch, im Nu ist es Abend und kaum habe ich mich umgedreht, auch schon eine Woche herum. Ich bin aber doch viel lieber allein, der Raum ist zu knapp für zwei Personen.

Musik:

Sprecherin 1 (Cato) Liebe Meme,Mama schrieb mir aus Fischerhude einen sehr schönen Brief, der mich glücklich und traurig zugleich machte. Die Wiesen sind längst nicht mehr überschwemmt, und die Stare haben sich in der Dachrinne breitgemacht. Sie buddeln mit Emmchen im Garten, und es war mir so, als stiege der Duft der Erde aus dem Brief in meine Zelle. Du kannst Dir denken, wie weh es Mama tut, uns Drei nicht bei sich zu haben, und dass ich ihr diesen Schmerz gemacht habe, plagt mich Tag und Nacht. Tim in Russland, Du in Schönberg und ich – im Knast.Ich glaube, dass sich auch bei Dir die Sehnsucht nach unserem Fischerhude ins Herz geschlichen hat, denn auch Du warst ja lange fort von dort. Es ist doch toll, wenn mantrotz der schönsten Gegenden und der lieben Menschen nicht das Heimweh nach

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 61

Page 62: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Fischerhude los wird. Und wären wir im Himmel und ritten auf Wolken – den Duft derüberschwemmten Wiesen und der Erde würden wir sehr vermissen.

Musik: (kurz)

Erzähler:Am 29. März 1943 gelingt es Cato erneut, einen Kassiber aus der Haftanstalt zu schmuggeln. Es handelte sich um zwei einzelne kleine Zettel, die beidseitig eng beschrieben sind und sich an Olga Bontjes van Beek und deren Schwester Jossie Schultze-Ritter richten. Es ist der letzte Tag ihres Aufenthaltes im Polizeigefängnis amAlexanderplatz. Am 30. März 1943 wird Cato in das Gerichtsgefängnis an der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg verlegt.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebste Mama, liebste Jossie,ich danke Euch tausend Mal für alles. Liebste Jossie – es ist alles prächtig gegangen und Du brauchst Dich nicht zu ängstigen. Entsinnt Ihr Euch an die allererste Übermittlerin? Die liebt mich sehr und würde alles für mich tun, was sie nur kann…. Die Gräfin von Brockdorff hat dasselbe Urteil wie ich. Wir lagen erst ein paar Wochen nebeneinander, jetzt liegt sie auf der Nordseite und wir pfeifen uns jeden Morgen „Guten Morgen“ zu. Man hat sie bisher noch nicht zur Nachvernehmung geholt. Ich bin heute sehr müde, denn gestern hatte ich noch ein sehr langes Gespräch über den Katholizismus mit Maria Terwiel, die nebenan liegt, und dann wurde die Uhr ja auch um eine Stunde vorgerückt in der Nacht. Es ist gut, dass man sich unterhalten kann. Alles natürlich verboten, man darf sich nur nicht erwischen lassen.Ist nicht alles ein Wahnsinn, ich hier und Tim in Russland. – Ein tolles Gefühl ist es, wenn Fliegeralarm ist und wir eingesperrt sind in der Zelle, und dann noch unser Urteil. Wenn hier eine Bombe fällt, was dann? Aber Angst habe ich nicht – ich werde bestimmt leben. Ihr müsst immer gut alle Wäsche durchsehen, damit nicht die Kassiber mit gewaschen werden. Ich nähe sie fest, diesmal ist nichts. Ich werde immereinen Gruß dazu legen.Ich hätte so gern ein Stück Keramik hier von Papa. Vielleicht schickt Ihr mir mit der Wäsche mal ein kleines Schälchen oder kleines Väschen. Ihr könnt montags auch immer eine Blume dazu legen, danach habe ich große Sehnsucht. Wenn es Salat gibt, esse ich die Blätter so, nur Grünes, denn seit einem halben Jahr esse ich nur Kartoffelsuppe. Meine Haut ist nun sehr rau, der Frühling macht das wohl. Es ist so schade, dass wir niemals nach draußen kommen, und mit Grauen denke ich an den Sommer, denn sicher sitzen wir auch dann noch hier.…

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 62

Page 63: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Ach, meine Mama, wenn doch erst alles vorbei ist. Ich werde aber gut aushalten und sehr tapfer sein. Leb wohl, liebste Mama, ich umarme Dich und binDeine Dodo.

Erzähler:Unter dem Gefängnispersonal ist eine Aufseherin – Cato nennt sie Übermittlerin -, die Kassiber nach draußen schleust und auch sonst manches ermöglicht, was strikt verboten ist. Mit dem Wechsel ins Gerichtsgefängnis an der Kantstraße Ende März 1943 geht dieser wertvolle Kontakt verloren. Aber auch von dort schafft Cato es, Botschaften unkontrolliert nach draußen zu lotsen. Die von Cato erwähnte Erika von Brockdorff wurde zunächst zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Hitler veranlasst, dass von Brockdorff durch eine zweite Hauptverhandlung die Todesstrafe erhält und durch das Fallbeil hingerichtet wird. - Einen Tag nach ihrer Verlegung ins Gerichtsgefängnis, am 31. März 1943 schreibt Cato ihrer Mutter:

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebste Mama,seit gestern Abend bin ich noch mehr in Deiner Nähe. Es ist ein gutes Gefängnis, das Schönste ist, dass wir täglich eine halbe Stunde spazieren gehen. Jetzt bin ich sehr müde, denn das Gehen an der frischen Luft war ich ja gänzlich entwöhnt. … Weißt Du, liebste Mama, ich muss mich erst einmal an die neue Umgebung und an alles Neue gewöhnen. Es ist mir so, als wäre ich in eine neue Stadt gezogen, da bin ich erst auch immer etwas melancholisch. Eigentlich dürfte ich Dir in dieser Stimmung keinen Brief schreiben. Aber Du sollst wissen, dass ich nicht mehr am Alex bin, damit Du mirdorthin keine frische Wäsche mehr bringst. Hier darf ich jede 14 Tage frische Wäsche empfangen, aber sonst nichts . Mama, ich habe einen Wunsch: Wenn die Matthäus-Passion gespielt wird, gehe hin und denke dabei an Tim, Meme und mich, und bitte, dass wir uns alle wiederfinden, und schließe auch Heinz ein. Vor ein paar Nächten habe ich geträumt, ich hätte sie gehört, und es war wunderbar. Es ist doch herrlich, dass diese göttlichen Dinge uns allen gehören und dass ein sterblicher Mensch sie zu schaffen vermochte.

Erzähler:Am 11. April 1943 berichtet Cato ihrer Mutter, dass sie in ihrer Zelle zusammen mit einer Gefangenen Gasanzünder herstellt. Das Gefängnis verfüge über eine Bibliothek,in der alle Klassiker vertreten seien. - Am 26. April 1943- es ist Ostermontag - richtet Cato weitere Briefe an ihre nächsten Verwandten. Daraus jeweils Ausschnitte:

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 63

Page 64: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Sprecherin 1 (Cato)Meine innigst geliebte Mama,Neben mir auf dem Tisch stehen Eure Bilder und unser Haus und im Salzfässchen das kleine Blümchen, Dein lieber Ostergruß. Der Salbtopf steht auch neben mir und ich freue mich immer wieder über die prächtige Glasur. Abends stelle ich das Salzfässchen vor das Gitterfenster, damit das Blümchen nur ja recht lange blüht. …Ich legte mich gestern Abend sehr früh ins Bett und las im Johannes Evangelium und las es meiner Kameradin vor, und wir beide waren ganz erschüttert von der ungeheuren Kraft, die von diesen Worten ausgeht. Meine Kameradin ist so famos, dass ich es gar nicht empfinde, dass wir zu zweit in diesem kleinen Raum sind. Manchmal reden wir stundenlang kein Wort und jeder beschäftigt sich mit seinen eigenen Gedanken, und so stört keiner den anderen. … Musik: (kurz)Mein liebster, guter Tim. Heute ist der zweite Ostertag und wie Meme und Du denke ich jetzt besonders stark anFischerhude, wie schön wir dort mit Mama und allen, die zur Bredenau und zur Familie gehören, gelebt haben. Aber glaube mir, mein Lieber, ich denke jetzt nicht mitWehmut an die vergangen Tage, so wie man an etwas Verlorenes denkt – ich bin glücklich, die Kraft dieser Gedanken bei mir zu spüren, und mein Glaube sagt mir, dass wir wieder einmal genauso glücklich dort sein werden. Wir sind dann nur keine Kinder mehr und haben in der Zwischenzeit viel durchmachen müssen, aber unsere Freude am Leben und unsere Liebe zueinander kann nur noch gefestigter sein. Ich bat Mama, die Matthäus-Passion zu hören. Da sie keine Karten dafür bekam, hörte sie am Karfreitag „Die Kunst der Fuge“ von Bach. Oft singe und pfeife ich verschiedene Themen der Stücke, die Du gespielt hast, und es ist doch seltsam, wie sehr uns diese überirdische Musik verbindet. Mein liebstes Lied ist und bleibt „Kein Hälmlein …“ von Friedemann. Weißt Du noch, wie ich das immer gesungen habe? Fast jeden Morgen singe ich noch im Bett „Der Morgenstern ist aufgegangen“… Hoffentlich hast Du bald Urlaub, und mein sehnlichster Wunsch wäre dann, Dich zu sehen. Ich habe Mama auch vier Monate nicht gesehen, und wie viel Wasser ist in der Zwischenzeit die Wümme hinuntergeflossen….Musik:Meine liebe, gute Meme.Jetzt habe ich also Weihnachten und Ostern in Gefangenschaft erlebt, und ob ich Pfingsten auch noch erlebe? Ich glaube sehr daran.Mir fehlt aber sehr die Sonne, die am Alex den ganzen Vormittag in meine Zelle schien. Aber ich kann einen Zipfel Sonne und Himmel durch mein Fenster sehen. Wenn wir vormittags auf dem Hof im Kreis herumgehen, scheint an einer Stelle auch die Sonne, und dann drehe ich meinen Kopf beim Passieren so, dass ich möglichst jeden Strahl ausnutzen kann.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 64

Page 65: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Musik:

Erzähler:Die Bemühungen, das Leben von Cato Bontjes van Beek zu retten, erreichen im Frühjahr 1943 ihren Höhepunkt. Von verschiedenen Seiten gehen Gnadengesuche ein: beim Reichskriegsgericht, bei der NSDAP und auch in der Reichskanzlei. Die BerlinerFrauensegelfluggruppe hat sich schon am 26. November 1942, also noch vor dem Todesurteil, für Cato eingesetzt, ihre Kameradschaft und ihren Einsatz für den Segelflug betont. – Am 29. April 1943 schickt Jan Bontjes van Beek seiner Tochter einen Brief ins Gefängnis:

Sprecher: 2 (Jan Bontjes van Beek)Du weißt, dass meine Gedanken immer bei Dir sind. In der Werkstatt haben wir jetzt anstatt der Fayencen eine Produktion von gesinterten, also dichten Scherben bei 1100°C mit schönen Glasuren, die aus lauter Abfällen und Glasmehl bestehen, aufgenommen und nächste Woche soll die erste große Muffel gebrannt werden. Wir sind sehr gespannt. Bei Steinzeugen in höherer Temperatur bis 1280°C sind mir besonders schöne Scherben und Glasuren gelungen. Die besten Stücke hebe ich Dir auf – d. h. ich verkaufe nichts davon, bevor Du sie nicht gesehen hast. …

Erzähler:Anfang Mai 1943 steht Cato ein neuer Wechsel bevor: Sie wird in das Frauengefängnis an der Barnimstraße verlegt. Es ist die letzte Station vor Plötzensee. Dort ist Anfang des Jahrhunderts bereits die Sozialistin Rosa Luxemburg inhaftiert gewesen. Dort sind jetzt außer Cato noch mehrere Frauen aus der Widerstandsgruppe Rote Kapelle inhaftiert, darunter Hilde Coppi, die am 27. November 1942 im Frauengefängnis einen Sohn zur Welt gebracht hat: Hans Coppi. Seine Mutter wird am5. August 1943 in Plötzensee hingerichtet. Sein Vater starb bereits am 22. Dezember 1942 unter dem Fallbeil in Plötzensee.Unterdessen geht der Strom der Briefe aus Catos Zelle merklich zurück. Möglicherweise verstummt sie, als sie erfährt, dass Heinz Strelow am 13. Mai 1943 hingerichtet wurde. Erst am 20. Juni richtet sie wieder einen Brief an ihre Mutter Olga.Zwei Tage zuvor hat sie Olga, ihre Schwester Mietje und ihren Bruder Tim wiedergesehen.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe, gute Mama,immer sehe ich Euch noch vor mir und ich bin so sehr froh, dass ich Dich, Meme und nun endlich, nach so langer Zeit, auch Tim gesehen habe. Ich mache mir bittere

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 65

Page 66: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Vorwürfe, dass ich es Dir und Tim so schwer gemacht habe durch mein Weinen. Es war vielleicht ein etwas unglücklicher Tag in der Beziehung, denn schon beim Rundgang am Vormittag kamen mir die Tränen, als ich den blauen Himmel und die Wolken sah. Du musst nicht mehr daran denken, dass ich so geweint habe, meine liebeMama, denn die Freude siegt doch stets wieder, dass Ihr alle immer so nahe bei mir seid und mich nicht verlasst.

Erzähler:Nicht nur für Cato bedeutet die Begegnung mit ihren nächsten Verwandten eine tiefe seelische Erschütterung. Ähnlich ergeht es auch ihrer Mutter und den beiden Geschwistern. Der Gefreite Tim, der für einige Tage Heimaturlaub von der Ostfront bekommt, vertraut seinem Kriegstagebuch an:

Sprecher H. V. (Tim BvB)Das Erschütterndste meines Urlaubs war mein Besuch bei Dodo, die ich im Gefängnisaufsuchen durfte. Ich hätte sie fast nicht wiedererkannt, als sie – von einer Wärterin begleitet – in das Besuchszimmer geführt wurde, in dem wir auf sie warteten. Sie hatteeine völlig durchsichtige graue Haut und war furchtbar aufgeschwemmt im Gesicht und am Körper (durch die Kartoffelsuppen). Sie weinte bitterlich, als sie mich sah. Auch ich kämpfte mit den Tränen, sodass ich nicht fähig war, etwas zu sprechen.

Erzähler:Am Sonntag, dem 24. Juli 1943, dürfen Olga und ihre Tochter Mietje Cato noch einmal besuchen. Tim ist inzwischen zur kämpfenden Truppe in der Donez-Region in der Ost-Ukraine zurückgekehrt. Seine Schwester Mietje schildert später im Gespräch, wie sie diese letzte Begegnung mit Cato erlebte:

Sprecherin 2 (Mietje BvB)Ich bin mit Mama zum Gefängnis in der Barnimstraße gegangen. Da war ein großer schrecklicher Raum, kalt und dunkel. Und wir warteten. Und dann wurde Cato hereingeführt, in Pantinen, Socken und einem grauen Kittel. … Zwischen uns war eineArt Tresen. Cato stand da, und wir standen ihr gegenüber, und die Wärter waren dabei. Und sie hat gefragt: „Wie geht es dir?“ Und ob meine Krankheit schon vorbei sei. Sie interessierte sich vor allem für meine Krankheit. Ich konnte noch immer nicht richtig Luft bekommen wegen dieser furchtbaren Rippenfellentzündung. …Und Mama hat auch irgendetwas gesagt. Und dann war die Viertelstunde mit einem Mal vorbei. Die Wärterin hat sie weggeführt. Sie war verschwunden. Und plötzlich kam Cato zurück und winkte uns noch einmal zu mit einem Blick, den ich nicht vergessen werde. Ich hatte sie vorher noch gefragt: „Wie lange wirst du das hier noch

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 66

Page 67: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

schaffen?“ Und da sagte sie: „Bis dahin …!“ Und zeigte auf die braune Binde an ihrem Arm, auf der die Buchstaben „TK“ standen – „Todeskandidat“.

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:Der 5. August 1943 ist ein Tag, wie Cato ihn liebt. Die Sonne scheint. Der tiefblaue Himmel ist leicht bewölkt. Am Vormittag wird sie vom Berliner Frauengefängnis an der Barnimstraße nach Plötzensee gebracht, zusammen mit anderen Frauen und Männern. Sie alle sind Gefangene, die wissen, dass der Tod ihnen unmittelbar bevorsteht. Insofern ist Cato nicht überrascht, als ihr in Plötzensee kurz nach 13 Uhr mitgeteilt wird, die zahlreichen für sie eingereichten Gnadengesuche seien abgelehnt worden, die Hinrichtung werde noch am selben Tag stattfinden.Hitler persönlich hat die Liste mit den 17 Namen am 21. Juli 1943 abgezeichnet und vermerkt: Ich lehne einen Gnadenerweis ab. In den letzten Stunden bis zur Hinrichtung am Abend um 19.42 Uhr ist Pfarrer August Ohm die meiste Zeit an Catos Seite. Den Gefängnisgeistlichen kennt sie aus vorausgegangenen Gesprächen. Ohm lässt Cato allein, als sie sich daran macht, Abschiedsbriefe zu schreiben.

Sprecherin 1 (Cato)Meine liebe, liebe Mama,ich habe geglaubt, ich könnte Dir diesen Brief als Geburtstagsbrief schreiben und nunwird es der allerletzte an Dich sein. Mama, es ist nun soweit und ich werde nur noch ein paar Stunden unter den Lebenden sein. Mama, dass ich es Dir nicht selbst sagen kann und Du nicht bei mir bist, das ist hart. Aber ich bin sehr gefasst und habe mich völlig mit dem Schicksal ausgesöhnt. Die Ruhe, die ich mir immer für diese letzten Stunden gewünscht habe, ist nun auch wirklich bei mir und sie gibt mir viel Kraft, mit meinen Gedanken bei Dir zu weilen, bei Tim in Russland und Meme und allen anderen Lieben.Ich sagte Dir schon bei der letzten Sprechstunde, dass ich es als eine Gnade empfinde,jede Nacht, in meinen Träumen, bei Euch in Fischerhude zu sein. Könnte ich doch meine Ruhe auch auf Dich übertragen. Mein Herz ist so übervoll, um Dir zu danken und die Liebe zu Euch allen werde ich dalassen. Meine geliebte Mama, ich hoffe so sehr, dass Du diesen Schmerz, den ich Dir durch meinen Tod bereite, überwinden wirst und dadurch in Deiner Kunst noch größer wirst. Ich hätte Dir noch so viel zu sagen und nun geht es mir wie schon so oft, dass ich alles bereits gesagt weiß. Wir sind uns ja so nahe, und was ich denke, weißt und spürst Du.Schade, dass ich nichts auf der Welt lasse als nur die Erinnerung an mich. Es ist alles viel einfacher als man denkt, und ich weiß, dass ich dir diese Kraft zu verdanken habe und ich bin Dir ja so dankbar und ich möchte Dir alles tausendfach zurückgeben.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 67

Page 68: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Behalte meine Liebe, meine liebe, gute Mama. Male schöne Bilder und habe noch viele, viel Freude an Meme und Tim. Neulich habe ich in der Kirche ein kleines Bachstück auf der Orgel gehört und Du weißt, was das für mich bedeutete. …Grüße alle lieben Menschen. Papa und Rali. Und ich glaube, dass Papa auch noch viele schöne Keramiken den Menschen schenken wird und sie sich daran erfreuen werden.Lebe wohl, male wieder viel und ich umarme Dich ganz fest in Gedanken.Immer bin ich bei Dir, meine liebste Mama. Dodo

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:Zwei weitere Abschiedsbriefe richtet Cato an ihre beiden Geschwister. Tim berichtet sie, sie habe kurz zuvor noch das Thema des 5. Brandenburgischen Konzerts vor sich her gesungen und auch alle Bach-Stücke, die er gespielt habe, noch im Kopf. Tim solleweiter in der Musik leben. Ihre Schwester Mietje lässt Cato wissen, es sei ihr großer Wunsch, dass sie bei ihrer Mutter bleibe, in die Fußstapfen von Großvater Heinrich Breling und Olga trete und ebenfalls Malerin werde.Eine Wärterin aus dem Frauengefängnis klingelt am späteren Abend des 5. August 1943 bei Jossie und Hans Schulze-Ritter in der Bismarckstraße 114 und teilt den Verwandten unter Schluchzen mit, Cato sei am Morgen abgeholt worden und nicht mehr am Leben. Mietje Bontjes van Beek war am 5. August 1943 bei ihrer Mutter in Fischerhude.

Sprecherin 2 (Mietje BvB)Anfang August war ein heißer Sommertag und abends so ein besonderes Licht. Da sind wir mit unseren Malsachen in die Surheide gelaufen. Es wurde schon etwas dunstig. Ich habe eine Federzeichnung gemacht. Mama ging weiter und malte ein Aquarell. Eine Wiesenlandschaft mit einem Fluss: Sehr viel Wasser und Büsche und Bäume. Ein bisschen Grün und Ocker und viel zartes Blau. Dann sind wir nach Hausegegangen, wortlos. Das war genau die Zeit, in der Cato hingerichtet wurde, am 5. August, nach sieben.

Erzähler:Catos Leichnam wird nicht, wie von ihren Angehörigen beantragt, zur Bestattung freigegeben, sondern dem Anatomisch-Biologischen Institut der Friedrich-Wilhelm-Universität zu medizinischen Forschungszwecken übergeben. Prof. Dr. Hermann Stieve ist es, der die Tote zu Gewebeschnitten verarbeitete. Stieve betrachtet die aus Plötzensee angelieferten Leichname als Werkstoff. In seinem Nachlass werden im Jahre 2016 insgesamt 300 Gewebeproben von ermordeten Frauen entdeckt. Im

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 68

Page 69: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Rahmen eines wissenschaftlichen Forums werden diese sterblichen Überreste am 13. Mai 2019 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt. Eine Grabplatteerinnert an die 2800 in Plötzensee durch das Fallbeil oder den Strang ermordeten Menschen.

Musik: Goldberg-Variation

Erzähler:Drei Monate nach Catos Hinrichtung schreibt Jan Bontjes van Beek nach Fischerhude einen Brief an Olga Bontjes van Beek – und zwar unter dem Datum 14. November 1943: Cato wäre an diesem Tag 23 Jahre alt geworden.

Sprecher: 2 (Jan BvB)Geliebte Olga,heute zum Geburtstag unserer Tochter möchte ich Dir einen lieben Gruß übersenden. Es ist mir so, als ob Dodo um mich wäre mit allem, was sie tut und denkt und sie so unvergesslich macht. Dieses wunderbare Kind hat nach allen Richtungen sein Leben so stark ausgestrahlt, und dies wird mir täglich von vielen Menschen bestätigt, dass esmir unmöglich ist, an das Furchtbare zu glauben und es in meinen Lebenskreis einzubeziehen. Wir haben wenig darüber gesprochen und die Andeutungen haben genügt, unser in jeder Beziehung schönes Kind aufs Neue in unser Herz zu schließen. Wir taten das zum ersten Mal vor 23 Jahren an einem Sonntag. Olga, ich wünsche Dirso, dass Du über diesen schweren Berg hinübergelangst, diesen Berg, dessen Aufstieg für mich das Schwerste ist, was ich in meinem Leben bis heute zu leisten hatte. …Sei in getreuer Liebe umarmt von Deinem alten Jan.

Musik: Goldberg Variation

Erzähler:(Die folgenden Absätze sollen mit Musik unterlegt bzw. durch kurze Musik-Elemente verbunden werden.)Jan Bontjes van Beek wird nach dem Krieg Hochschullehrer in Berlin und in Hamburg. Er ist ein international anerkannter Keramiker.Olga Bontjes van Beek, Ausdruckstänzerin und Malerin, kämpft in der Bundesrepublikein Jahrzehnt lang um die Anerkennung ihrer Tochter Cato als Opfer des NS-Regimes und die nachträgliche Aufhebung des Todesurteils. Die Autorinnen Sara Fruchtmann und Konstanze Radziwill setzen Olga mit der Dokumentation Beinahe hundert Jahre –Olga Bontjes van Beek ein filmisches Denkmal. Noch im Rollstuhl formt Olga mit ihren Armen Tanzfiguren.

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 69

Page 70: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Mietje Bontjes van Beek bleibt an der Seite ihrer Mutter im Haus in der Bredenau und tritt als Malerin in die Fußstapfen Olgas und ihres Großvaters Heinrich Breling.Tim Bontjes van Beek wird im Krieg verwundet; er erleidet einen Durchschuss an der rechten Hand. Zwar kann er nach seiner Genesung noch Klavier spielen, aber eine Karriere als Pianist ist ihm verbaut. Tim wird Musikredakteur beim NDR in Hamburg und widmet sich der Erinnerung an seine von den Nazis ermordete Schwester Cato. ImHaus in der Bredenau entsteht ein umfangreiches Archiv über die Rote Kapelle, die Angehörigen der Widerstandsgruppe und die NS-Zeit.Und Cato Bontjes van Beek? Es gibt den Film Cato – ein kurzes Leben im Widerstand der Dokumentaristin Dagmar Brendecke, der die besondere Landschaft in und um Fischerhude mit einbezieht, die Cato so wichtig war, ein Film, der auch in Schulen gezeigt wird. Und es gibt Biografien über sie, Rundfunksendungen und eine Schule, die nach ihr benannt wird: Das Cato Bontjes van Beek Gymnasium in Achim unweit von Fischerhude.Was wäre aus Cato geworden, hätte sie überlebt? Ruth Wolff, ihre Kameradin aus der Segelfluggruppe, wagt zum Schluss unserer Sendung eine Mutmaßung:

O-Ton Ruth Wolff (Wolff C 11 ) 0.17Also, wahrscheinlich wäre sie im Künstlerischen irgendwo gelandet. Wo, weiß ich nicht. Aber sie hatte alle Voraussetzungen dafür. Sie war ein, wie man heute sagt, ein Multi-Talent. Sie hatte ungeheure Begabungen.Was heute fehlt, das ist ein angemessener Platz für Cato in unserer Erinnerung; also die breite Anerkennung Cato Bontjes van Beeks und der anderen Anhänger der Roten Kapelle als legitime Widerstandskämpfer gegen der Nazi-Diktatur. Cato gehört in die Reihe von Sophie und Hans Scholl. Ihr aktiver Widerstand in der Roten Kapelle und ihr geistiger Widerstand im Gefängnis – beides macht sie zu einem zeitlosen Vorbild für Mut und Entschlossenheit im Kampf gegen Unterdrückung und Unfreiheit.

Musik: Goldberg-Variation

Absage: „Leben will ich, leben, leben!“ Eine Lange Nacht über die Widerstandskämpferin CatoBontjes van Beekvon Hermann VinkeEs sprachen:Julia JentschStephan SchadAngelika ThomasOliver MallisonLorenz Meyboden

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 70

Page 71: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

und Julian GreisMusik: Helge Burggrabe mit dem Vokalensemble SjaellaTechnische Realisation: Christian Mayntz und Karola ParryRegie: Daniela HerzbergRedaktion: Monika Künzel

Musik

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 71

Page 72: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Quellen:

Archiv Saskia Bontjes van Beek, FischerhudeBontjes van Beek, Cato, Hermann Vinke (Hg.): “Leben will ich, leben, leben“ – Die junge Frau, die gegen die Nazis kämpfte und ihr Leben ließ, München 2020Bontjes van Beek, Mietje: Verbrennt diese Briefe! Kindheit und Jugend im Hitlerreich,Fischerhude 1998Bontjes van Beek, Mietje: Interviews 13. und 19. 1. 2000, FischerhudeBontjes van Beek, Roseli und Tim: Interview 4. 3. 1999, FischerhudeBrendecke, Dagmar: Cato – ein kurzes Leben im Widerstand, Dokumentarfilm, Berlin 2009. O-Töne Ruth Wolff: Dagmar BrendeckeBrendecke, Dagmar, Brun, Walter: Fliegen will ich. Das kurze Leben der Cato Bontjesvan Beek, Theaterstück 2009Coppi, Hans, Andresen, Geertje (Hg.): Dieser Tod passt zu mir. Harro Schulze-Boysen– Grenzgänger im Widerstand. Briefe 1915 bis 1942, Berlin 1999Flügge, Manfred: Meine Sehnsucht ist das Leben. Eine Geschichte aus dem deutschen Widerstand. Dokumentar-Roman, Berlin 1996Geyken, Frauke: Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand gegen Hitler, München 2014Griebel, Regina, Coburger, Marlies, Scheel, Heinrich: Erfasst? Das Gestapo-Album der Roten Kapelle. Eine Fotodokumentation , Halle/ Saale 1992Griebel, Regina, Grimm, Thomas: Cato Bontjes van Beek – Ihr redet alle, aber keiner tut etwas!, Dokumentarfilm 1991Heer, Hannes: Fischerhude – Ein deutsches Dorf in der Nazizeit, NDR Dokumentarfilm 1980Ders.: Fischerhuder Totenbuch, Radio Bremen 10. 4. 1979Kluge, Heidelore: Cato Bontjes van Beek. “Ich will nur eins sein, und das ist ein Mensch“. Das kurze Leben der Widerstandskämpferin. 1920-1943, Stuttgart 1994Küchenmeister, Rainer: Interview 18. 2. 2002, FischerhudeLao-Tse: Das Buch des Alten vom Sinn und Leben, Erkenntnis des Leidens, Jena 1919Marquardt, Wilhelm: Gegen das Vergessen – Heinz Strelow, Norderstedt 2020Meirowsky, Katja: Interviews 7. und 16. Februar 2002, PotsdamNelson, Anne: Die Rote Kapelle, München 2009Ohler, Norman: Harro & Libertas – Eine Geschichte von Liebe und Widerstand, Köln 2019Radziwill, Konstanze, Fruchtmann, Sara: Beinahe hundert Jahre – Olga Bontjes van Beek, Feature Radio Bremen 1997. O-Töne Helmut Schmidt und Annita Otterstedt: Konstanze Radziwill, Sara Fruchtmann

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 72

Page 73: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Roloff, Stefan, Vigl, Mario: Die Rote Kapelle. Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs, München 2002SFB 3 Feature: Nur leben will ich, leben, Berlin, 4. 3. 1993. O-Töne Rahel Bontjes van Beek: SFBSteinbach, Peter, Tuchel, Johannes (Hg.): Widerstand in Deutschland 1933-1944. Ein historisches Lesebuch, München 1994. O-Ton Johannes Tuchel: Buchvorstellung 9. Mai 2003, Literaturhaus BerlinVinke, Hermann: Cato Bontjes van Beek – Ich habe nicht um mein Leben gebettelt, Zürich-Hamburg 2003Ders.: Cato Bontjes van Beek – Ein Porträt, Zürich-Hamburg 2013Ders.: Das kurze Leben der Sophie Scholl, Ravensburg 1980Ders.: Das Dritte Reich – eine Dokumentation mit zahlreichen Biografien und Abbildungen, Ravensburg 2005Ders.: Wunden, die nie ganz verheilten – Das Dritte Reich in der Erinnerung von Zeitzeugen, Ravensburg 2010Wachsmuth, Siegrid: Interview 5. 7. 2012, BerlinWoock, Joachim: Hitlers willige Helfer. Nationalsozialisten im Landkreis Verden, Folge 2: Stellvertretender Gauleiter Heinrich Peper. In: Heimatkalender für den Landkreis Verden 51, 2008

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 73

Page 74: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Musikliste

1.Stunde

Titel: Variation 15 a 1 Clav. Canone alla Quinta in modo contrario Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg-Variation)Länge: 02:03Solist: Igor Levit (Klavier)Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony Classical Best.-Nr: 3CD88875060962

Titel: Leben will ich, leben, lebenLänge: 00:36Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Bruremarsj fra SorfoldLänge: 01:22Interpret: SjaellaKomponist: TraditionalLabel: RAUMKLANG Best.-Nr: RK3802

Titel: Dormi JesuLänge: 02:06Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Nr. 6: Golliwog's Cake walk. Allegro giusto aus: Children's Corner. Für Klavier, L 113,Nr. 6: Golliwog's Cake walk. Allegro giustoLänge: 00:57Solist: Walter Gieseking (1895-1956)(Klavier)Komponist: Claude DebussyLabel: WARNER CLASSICS Best.-Nr: 0190295869199

Titel: Pinda, Pinda, lekka, lekkaLänge: 01:24Ensemble: SjaellaKomponist: Willy DerbyMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: I am the daughterLänge: 02:36Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 74

Page 75: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Titel: Mighty lak' a rose (Mighty like a rose)Länge: 00:54Interpret: Paul RobesonKomponist: Ethelbert NevinLabel: Nimbus Best.-Nr: RTS4116Plattentitel: Ol' man river - His 56 finest 1925-1945

Titel: Huldra. Norwegisches VolksliedLänge: 01:41Ensemble: SjaellaKomponist: UnbekanntLabel: RAUMKLANG Best.-Nr: RK3802

Titel: Fliegen will ich, fliegen, fliegenLänge: 00:36Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Variation 4 a 1 Clav. Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg Variation)Länge: 00:34Solist: Igor Levit (Klavier)Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony ClassicalBest.-Nr: 3CD88875060962

Titel: aus: Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-Dur, BWV 1050, 1. Satz: AllegroLänge: 09:33Orchester: Berliner Barock SolistenDirigent: Reinhard GoebelKomponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony Classical Best.-Nr: 88985361112

2.Stunde

Titel: Variation 3 a 1 Clav. Canone all' Unisono Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg Variation)Länge: 01:45Solist: Igor Levit (Klavier)Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony Classical Best.-Nr: 3CD88875060962

Titel: Leben will ich, leben, lebenLänge: 00:34Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 75

Page 76: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Titel: Kuulin äänen. Finnisches VolksliedLänge: 00:45Ensemble: SjaellaKomponist: Maari KallbergLabel: RAUMKLANG Best.-Nr: RK3802

Titel: Monochord-ImprovisationLänge: 00:45Interpret und Komponist: Helge BurggrabeLabel: Edition Musica innovaPlattentitel: CD: Chartres

Titel: ZachäusLänge: 02:24Interpret: Olivia Jeremias und Johannes PeitzKomponist: Helge BurggrabeLabel: OEHMSCLASSICSPlattentitel: CD: Jehoschua

Titel: Labyrinth (Interludium)Länge: 02:02Interpret: Markus EichenlaubKomponist: Helge BurggrabeLabel: hännsler classic Best.-Nr: HC19021Plattentitel: CD: Stella Maris

Titel: The trees they grow so high. Britisches VolksliedLänge: 01:31Ensemble: SjaellaKomponist: UnbekanntLabel: RAUMKLANG Best.-Nr: RK3802

Titel: Rhapsodie für Klavier h-Moll, op 79,1. AgitatoLänge: 01:51Solist: Ivo Pogorelich (Klavier)Komponist: Johannes BrahmsLabel: Deutsche Grammophon Best.-Nr: 437460-2

Titel: Bei mir bist du schönLänge: 03:21Interpret: SjaellaKomponist: Sholom SecundaMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Allegro barbaro für Klavier, Sz 49Länge: 01:55Solist: Andor Foldes (Klavier)Komponist: Béla BartókLabel: Deutsche Grammophon Best.-Nr: 4776511

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 76

Page 77: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Titel: Music for a whileLänge: 01:30Ensemble: SjaellaKomponist: Henry PurcellMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: L'accordéonisteLänge: 01:12Interpret: Edith PiafKomponist: Michel EmerLabel: MUSICTALES Best.-Nr: 2087768Plattentitel: Les chansons de l'année 1955

Titel: aus: Konzert für Piccolo, Streicher und Basso continuo C-Dur, RV 443, 2. Satz: LargoLänge: 03:52Ensemble: ElbcantoKomponist: Antonio VivaldiLabel: Decca Best.-Nr: 460950-2

3.Stunde

Titel: Variation 21 a 1 Clav. Canone alla Settima Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg Variation)Länge: 02:43Solist: Igor Levit (Klavier)Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony Classical Best.-Nr: 3CD88875060962

Titel: Doch keiner tut etwasLänge: 00:52Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Stabat Mater (Interludium)Länge: 00:22Interpret: Olivia JeremiasKomponist: Helge BurggrabeLabel: hännsler classic Best.-Nr: HC19021Plattentitel: CD: Stella Maris

Titel: Heilung des BlindenLänge: 01:13Interpret: Olivia Jeremias und Johannes PeitzKomponist: Helge BurggrabeLabel: OEHMSCLASSICSPlattentitel: CD: Jehoschua

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 77

Page 78: „Leben will ich, leben, leben“ - Deutschlandfunk Kultur...Weil er in der Nähe von Fischerhude aufgewachsen war, kehrte er an die Wümme zurück und errichtete 1908 das Fachwerkhaus,

Titel: Bist du bei mir, geh ich mit Freuden. Aria für Bariton und Klavier, BWV 508Länge: 01:25Ensemble: SjaellaKomponist: Johann Sebastian BachMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Wir setzen uns in Tränen niederLänge: 03:04Ensemble: SjaellaKomponist: Johann Sebastian BachMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: LichtLänge: 01:10Interpret: Markus EichenlaubKomponist: Helge BurggrabeLabel: hännsler classicBest.-Nr: HC19021 Plattentitel: CD: Stella Maris

Titel: Furcht ist nicht in der LiebeLänge: 02:34Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

Titel: Variation 25 a 2 Clav. Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg Variation)Länge: 01:03Solist: Igor Levit (Klavier)Ensemble: Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony ClassicalBest.-Nr: 3CD88875060962

Titel: Aria da capo Aria mit 30 Veränderungen für Klavier, BWV 988 (Goldberg Variation)Länge: 02:41Solist: Igor Levit (Klavier)Komponist: Johann Sebastian BachLabel: Sony ClassicalBest.-Nr: 3CD88875060962

Titel: I am the daughterLänge: 03:18Ensemble: SjaellaKomponist: Helge BurggrabeMusikaufnahme eigens für die Lange Nacht

„Leben will ich, leben, leben“Die Lange Nacht über die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek Seite 78