Alfred Burchartz Jesus von Nazareth, (k)ein Messias...

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Alfred Burchartz Jesus von Nazareth, (k)ein Messias für Juden? Ein Beitrag zur gegenwärtig auch unter Christen umstrittenen Frage nach der messianischen Wirklichkeit Jesu für sein jüdisches Volk

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Alfred Burchartz

Jesus von Nazareth,(k)ein Messias

für Juden?Ein Beitrag zur gegenwärtig auch unterChristen umstrittenen Frage nach der

messianischen Wirklichkeit Jesu für seinjüdisches Volk

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Alfred Burchartz

Jesus von Nazareth, (k)einMessias für Juden?

Ein Beitrag zur gegenwärtig auch unterChristen umstrittenen Frage nach der mes-sianischen Wirklichkeit Jesu für sein jüdi-

sches Volk

„Jesus, der König der Juden", das war das Bekennt-nis der ersten Christen. Es waren jüdische Anhän-ger Jesu und ihr Bekennen galt dem jüdischen Volk.Für sie war es eine Notwendigkeit, öffentlich zu ma-chen, wer der gekreuzigte Jesus von Nazareth wirk-lich war und auch nach seinem Tod noch immer ist:der Heilskönig für Juden. So auch die Apostel vordem Hohen Rat: „In keinem andern ¡st das Heil"(Apg4,12).

Der von Juden ErwarteteDas hebräische Wort Maschiach (Messias) heißt insDeutsche übersetzt: „Gesalbter" und bezeichnetIsraels König. Die Könige Israels wurden nicht ge-krönt, sondern ihre Häupter wurden mit kostbarenÖlen „gesalbt". Damit geschah ihre Inthronisationund „Maschiach" wurde der Titel ihrer Königswür-de. Auch nach dem Erlöschen des Königtums inIsrael gilt dieser Titel einem König, der kommen,der erwartet und dem jüdischen Volk Erlösung undFrieden bringen wird.Viele Juden in der Zeit des Römischen Reichessprachen damals die Welt- und HandelsspracheGriechisch, besonders wenn sie im Ausland lebten;ins Griechische übertragen heißt nun Maschiach„Christos", woraus dann „Christus" wurde.Wenn Menschen sich auch heute noch als Christenbekennen und sich auch so nennen, dann beken-nen sie sich als Anhänger des Christus, des Messi-as der Juden. Schon allein dadurch sind sie mit demjüdischen Volk verbunden.

Israels GlaubensbekenntnisIm Judentum gilt das Glaubensbekenntnis dem GottIsraels. Das vollzieht sich weniger als Lippenbe-

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kenntnis, sondern vielmehr im gehorsamen Tunseines Willens, der durch Mose am Sinai als„TORA", als „Weisung" Gottes offenbart wurde. Vomlebendigen Vollzug des Willens Gottes hängt Le-ben und Schicksal Israels ab: „Wer die Worte derTora tut, wird durch sie leben" (3 Mose 18,5).Wo immer ein Mensch den Namen Gottes heilighält, kein Götterbild anbetet, den Schabbat als Ru-hetag beachtet und lebt, die Eltern ehrt und sichum sie sorgt usw., der gilt als Angehöriger des vonGott erwählten Volkes. Dazu gehört aber auch, dasser als männliches Glied das Zeichen für den BundGottes, die Beschneidung, an seinem Leibe trägt.Das gilt auch für die jüdische Mutter, wenn sie anihrem neugeborenen Sohn die Beschneidung imGehorsam unter Gottes Willen am 8. Tag nach derGeburt vollziehen lässt.Sie ist ein blutig ernstes Geschehen, als Zeichenunwiderrufbar, unaufhebbar, ein Bekenntnis zumEigentumsrecht Gottes. Sie ist ein Erkennungs-zeichen auch für die Feinde Israels. Damit habenviele Juden in den Zeiten der Pogrome ihr Lebenhergeben müssen, am schrecklichsten wohl in derZeit der Schoa.Toragehorsam und Beschneidung sind somit Be-kenntnisse jüdischer Menschen zum Eigentums-recht Gottes an Israel und zum Leben unter Gott.„Sch'ma Israel... Höre Israel, der HERR, dein Gott,ist einzig. Und du sollst den HERRN, deinen Gott,lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele undmit aller deiner Kraft" (5 Mose 6,4).Das sind etwa die wesentlichsten Aussagen überden bekennenden Glauben Israels. Glauben undBekennen gründen sich auf die Erfahrung der Ge-schichte Gottes mit Israel, sowohl im Guten als auchim Bösen, im Angenommensein durch Gottes Er-barmen, aber auch im Gericht Gottes über allen Un-gehorsam. Wer mit dem Alten Testament vertrautist, der weiß um diese Spannung, die sich oft biszur Unerträglichkeit steigern konnte.

Verheißenes Ziel und jüdische HoffnungDie Führung durch und mit Gott hatte mit der Er-wählung Abrahams begonnen und reicht über dieKnechtschaft in Ägypten, die Befreiung durch Mosebis zur Hinführung ins Land Kanaan. Sie zieht sich

durch Nöte und Kriege unter und mit den KönigenIsraels, durch die Gerichtsworte der Propheten undderen Schicksal in Annahme und Ablehnung, durchdie Erniedrigung Israels in der Zeit der syrischenund römischen Besetzung, durch das Ende Jeru-salems und die Zerstreuung unter die Völker, durchden Holocaust und die Wiederentstehung des Staa-tes Israel.Das alles barg auch die Ausrichtung auf ein Ziel,das zur Hoffnung Israels wurde. Gemeint ist dieHoffnung, dass dies alles einmal einmünden wirdin eine Zeit der Erlösung und des Friedens. Das istder Ausblick auf die Befreiung von aller Unzuläng-lichkeit und aller Vorläufigkeit durch einen endgül-tigen Zustand des Heils, nicht nur für Israel, son-dern auch für die Völker. Für Juden steht hier dasWort Schalom. Gemeint ¡st ein weltumspannenderFriede, in dem nicht nur alle Not in dieser Welt aus-geräumt ist, sondern auch die Sünde, d.h. die Tren-nung von Gott, und es den „bösen Trieb", der zurSünde verführt, nicht mehr geben wird.Das sind Verheißungen, die im Alten Testament,dem Tenach für Juden, direkt oder „zwischen denZeilen" ausgesagt sind.„Da werden Schwerter zu Pflugscharen und Spie-ße zu Sicheln" (Jes 2,4ff; Mi 4,3).„Da werden Wölfe und Lämmer, Löwen und Kälberzusammenleben können" (Jes 11).In diesem Reich des Friedens gibt es keine Feind-schaft mehr, keine Gewalt und Ohnmacht, keinenHass, Streit und gegenseitigen Vernichtungswillen.Das bezeugt eine von Grund auf erneuerte Schöp-fung. Sie wird zur Realität für Israel, für die Völkerund für jeden einzelnen Menschen. Da wird dieWüste blühen, die Steppe fruchtbar sein. Blindewerden sehen, Taube hören, Lahme springen undStumme reden.In dieser erneuerten Welt wird Gott den Menschennahe sein, sodass sie mit ihm und unter ihm im Heil,im Schalom leben können. Der Tempel wird wiederin Jerusalem stehen und das Ziel aller Wallfahrtensein, sowohl für Juden als auch für die Völker. Die-ser Schalom wird eingeleitet werden mit dem Kom-men des Messias, der von Gott aus Israel berufenwird. Er wird in der Kraft Gottes alle Feinde Israelsbesiegen und den „bösen Trieb" aus der Welt schaf-

fen. Er wird ein Mensch aus Fleisch und Blut sein,der nach Vollendung seines Auftrags wieder in dieReihen seines Volkes zurücktritt. Mose hat diesenMessias als Wegbereiter vorhergesagt: „Einen Pro-pheten - einen Weg-Führer - wie mich, wird dir derHerr, dein Gott, aus dir und deinen Brüdern erste-hen lassen, auf den sollt ihr hören" (5 Mose 18,15).Zum Bekenntnis des jüdischen Glaubens gehören,wie es bezeugt wird, zwei wichtige Aussagen:- die Erfahrung des Handelns Gottes in der Ge-schichte Gottes mit Israel und- die darin eingebettete Hoffnung Israels auf Got-tes Führung zum verheißenen Ziel dieser Geschich-te, dem Schalom mit seiner Welt.

Jesus von Nazareth: Ziel und Erfüllung des jü-dischen Glaubens?In der Geschichte Israels gab es immer wieder Auf-brüche messianischer Hoffnung, die zu Volksbewe-gungen wurden. Sie konzentrierten sich auf Per-sönlichkeiten, die sich als Retter und Befreier vonfeindlicher Unterdrückung anboten und dabei einegewisse Faszination ausstrahlten. Messias-weissagungen der Propheten wurden angewandtund entsprechend gedeutet. Solche Männer fandeneine Gefolgschaft, die mit Leib und Leben bereitwar, die kommende Erlösung für ihre Gegenwartzu erzwingen. Bar Kochba und Schabbatai Zwi sindhierfür bekannte Beispiele.Im dritten Jahrzehnt nach der Zeitenwende entstandim jüdischen Land eine messianische Bewegung,die sich um Jesus von Nazareth bildete. Mit dem,was er zu sagen hatte, machte er die Menschenhellhörig. Menschen verließen ihre alltäglichenPflichten und wanderten dorthin, wo man sich umdiesen Jeschua versammelte, um ihm zuzuhören.Er redete anders über Gott und Welt, anders alsman es in den Synagogen von Schriftgelehrten oderden frommen Pharisäern gewohnt war. Wenn er vonGott redete, war das nicht das von der rabbinischenTradition bestimmte Verständnis vom Gott Israelsund seiner unnahbaren Heiligkeit, die Anbetung undGehorsam im Tempeldienst und in den Gottesdien-sten in den Synagogen forderte. Jesus verkündig-te den Gott Israels anders, nämlich als den, der denMenschen in seiner Liebe nahe kommen will, der

im Unheil des Lebens Heil wirken will. Dafür setzteJesus Heilszeichen.Auf die Frage des Täufers Johannes: „Bist du, derda kommen soll, oder sollen wir auf einen anderenwarten?", antwortet Jesus mit Bezug auf dasProphetenwort mit einer endzeitlichen Verheißung:„Sagt Johannes, was ihr hört und seht:Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige wer-den rein und Taube hören, Tote stehen auf, undArmen wird das Evangelium verkündet, und seligist, wer sich nicht an mir ärgert" (Mt 11,3-6).Mit diesen Heilszeichen wird bei und durch Jesuszukünftig erwartetes Heil zum gegenwärtigen Ge-schehen und drängt zur Frage, ob dieser Jeschuader erwartete Messias ist. Denn er wirkt anders, alsman es im jüdischen Volk von der Sendung desMessias erwartet hatte.

Das Reich Gottes - nicht von dieser WeltJesus stellt sich nicht an die Seite der Zeloten, derFreiheitskämpfer, die im Hass auf die Feinde dasGottesreich mit Gewalt, mit Terror erkämpfen wol-len, weil sie meinten, dass Selbsthilfe die HilfeGottes herbeizwingen kann. Jesus zeigt einen völ-lig anderen Weg zur Gottesherrschaft, zum „ReichGottes" auf: den Weg der Gewaltlosigkeit, wo einerlieber leidet, als anderen Leid zuzufügen, den Wegder Sanftmut, des Erbarmens, der Friedensliebe,der Absage an Hass und Vergeltung. Daraus resul-tiert auch sein Gebot der Feindesliebe.Das aber widerspricht aller Erfahrung menschlichenHandelns, die Existenzkampf und Selbstbehaup-tung notwendig erscheinen lässt. Verhaltensweisenfür menschliche Beziehungen, wie Jesus sie meint,kennt die Welt nicht und wird sie auch nicht akzep-tieren wollen. Und doch sind das Werte des mes-sianischen Heils und Gottesreiches.Damit kann man sicherlich keinen Staat machen,auch keine Politik. Damit kann man in dieser gott-losen Welt nicht regieren. Aber es können Zeichengesetzt werden durch solche Menschen, die Leh-re, Wesen und Sendung Jesu erkannt und verstan-den haben: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!"Mit diesem Verständnis sind Anhänger von Jesus„Herausgerufene", die in anderen Verhaltens-normen leben. Sie bilden Inseln der Gottes-

herrschaft in dieser Welt und bezeugen das kom-mende Heil durch Vorwegnahme seines Wesens indie Gegenwart: Sie lieben, wo man sich hasst; sieheilen, wo Wunden geschlagen werden; sie helfen,wo andere vorübergehen und sich versagen. Dazuwurden sie aufgefordert: „Ein jeglicher sei gesinnt,wie Jesus Christus auch war..." (Phil 2,5).Wer diesen Weg in der Nachfolge Jesu geht, dergeht nicht nach oben. Er geht nach unten, in dieHingabe: lieber Demut als Herrschaft, lieber ver-zichten, als sich im Unrecht behaupten. Es ist derWeg, den Jesus vorausgegangen ist, bis in denKreuzestod hinein: „Obwohl mit Gott gleich, entäu-ßerte er sich seines Einsseins mit Gott und lebte inder Hingabe eines Knechtes, der gehorsam seinkonnte selbst noch im Tod, in Schande und unterdem Fluch am Kreuz" (Phil 2,6-8; Gal 3,13). Dar-über aber steht das Schild mit den BuchstabenI.N.R.I, die zum Bekenntnis seiner Anhänger wur-den: Jesus Nazarenus Rex Judaeorum = Jesus vonNazareth, der König der Juden!Der Weg nach unten, der Weg der Hingabe, ist dereinzige Weg, der in den Schalom Gottes führt, auchdurch das dunkle Tor des Todes. „Ich bin der Weg,die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zumVater denn durch mich" (Joh 14,6).Den Weg in die Tiefe menschlichen Leidens ist Je-sus beispielhaft für uns vorausgegangen und willuns nachziehen, auch wenn wir ihm oft nur zögerndmit Stolpern und Stöhnen folgen können.Noch bevor das irdische Leben Jesu endete, er-kannten seine Jünger die messianische Wirklich-keit ihres Herrn: „Herr, wohin sollen wir gehen? Duhast Worte des ewigen Lebens, und wir haben ge-glaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Hei-lige Gottes" (Joh 6,68f).

Sündenvergebung ist Frieden mit GottVon zentraler Bedeutung wurde für die Anhängervon Jesus dessen Demonstration der Sündenver-gebung. Im jüdischen Glauben steht Sündenverge-bung allein Gott zu. Durch Gottes Barmherzigkeitkann sie nach der Auferstehung der Toten imEndgericht geschehen, je nach dem, wie sich einMensch verhalten hat.Doch Jesus nimmt den für die Endzeit erbetenen

Heilszuspruch vorweg in seine Gegenwart hinein,z.B. bei der Heilung eines Gelähmten: „Damit ihrsehet, dass der Menschensohn Vollmacht hat, aufErden Sünden zu vergeben ..." (Mt 9,6).Deshalb war Jesus für seine Anhänger der „Hei-land", weil er mit der Sündenvergebung Heil schuf,weil er Menschen von der Last der Schuld befreite,sie zum Frieden mit Gott führte und das mit seinemOpfertod besiegelte. Im Tempeldienst mussten Läm-mer an Stelle der Menschen sterben als Zeichender Sühne für begangenes Unrecht vor Gott undan Menschen. Doch was dort Zeichen war, ¡st nunin Jesus erfüllt. Deshalb bekennen Nachfolger vonJesus wie Johannes der Täufer: „Er ist das LammGottes, das der Welt Sünde trägt" (Joh 1,29). Dasist die andere Dimension der messianischen Wirk-lichkeit Jesu.Jesus als der Messias, der den Weg zum Friedenmit Gott bereitet - das ist ein völlig anderes Messias-verständnis und nur denen zugänglich oder erkenn-bar, die bereit sind, ihm zu folgen. „So ihr tun wer-det das, was ich euch lehre und zeige, werdet ihrerkennen, dass dies von Gott ist" (Joh 16,17).Mit der von Jesus gebotenen Tischgemeinschaft imAbendmahl bekennt sich seine Gemeinde mit denZeichen von Brot und Wein zum Opfertod ihresHerrn als Heilsgeschehen für sie. Durch die zu-gesprochene Sündenvergebung wurde es möglich,im Namen Jesu auch anderen Sündenvergebungzuzusprechen, die das möchten.

Tora und Toraerfüllung durch den MessiasJeschuaFür Juden, die sich für Jesus entschieden haben,wurde seine Sendung als dienender Gottesknecht,wie in Jesaja 53 beschrieben, zur Erfüllung ihresjüdischen Glaubens. Das betrifft ihr Verhältnis zurTora und dem für Juden gebotenen Toragehorsam.Denn Israel ist eingebunden und zum Toragehorsamverpflichtet: „Alle Worte, die der Herr geredet hat,wollen wir tun" (2 Mose 24,3).Die Tora zu halten, zu leben und den Völkern vor-zuleben, ist der von Gott gegebene ZeugnisauftragIsraels und wurde zum Schicksal des jüdischenVolkes. Toraerfüllung garantiert die Annahme durchGott im Endgericht. „Wer sie tut, wird durch sie le-

ben" (3 Mose 18,5). Sie ist für Juden, wie es dieÜberlieferung sagt, der Weg, die Wahrheit und führtzum Leben. Es war die Aufgabe der Lehrer Israels,der Rabbiner, dem Volk die Bedeutung der Tora fürden jüdischen Glauben aufzuzeigen und es zumToragehorsam in allen Lebensäußerungen aufzu-fordern: „Gott gab uns die Tora, damit wir sie hal-ten, und ein jeder kann sie halten, wenn er nur will."Daraus wurde für manchen Frommen ein Zustandverdienter Selbstsicherheit, mit der er sich über die„Sünder", über die an der Tora Gescheiterten, er-hob: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin, wie dieanderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oderwie dieser Zöllner" (Lk 18,11).Diesen Selbstbetrug hat Jesus angegriffen, indemer die Sündhaftigkeit aller Menschen und damit ihrVerlorensein im Gericht Gottes verdeutlichte. In derBergpredigt radikalisierte er Gebote der Tora, umdadurch deutlich zu machen, dass keiner sich vorGott auf sein gehorsames Leben mit der Tora beru-fen kann.„Du sollst nicht töten!" Jesus sagt dazu, dass Mordbereits im Herzen beginnt. Wo ein Mensch mit sei-nem Nächsten im Streit verharrt, ihn ablehnt, wo erfür ihn nichts mehr gilt und im Hass für ihn erledigtist, da schlägt sein Herz nicht mehr für ihn, da ister, als wäre er tot.Oder das Verbot des Ehebruchs: Jesus zeigt auchhier die Verfallenheit des Menschen an die Sündeauf. „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer"(Ps 14,3; Rom 3,12). Wo aber die Tora nicht gelebtwird, da kann sie nicht zum Leben führen. An derTora erkennt der Mensch seine Verlorenheit vor Gott(Rom 7,10).In dieser Not seines Volkes stellt sich Jesus an dieSeite der Sünder, um sie zum Heil zu führen: „Ichbin gekommen, Tora und Propheten zu erfüllen!"(Mt 5,17). Das geschah, indem Jesus dem Volk Is-rael die Ursprünglichkeit der Tora lehrte, und dieTora in der Kraft Gottes lebte und vorlebte. Dazuwurde er in seiner Taufe am Jordan mit dem GeistGottes „gesalbt". So bezeugt es Petrus (Apg 10,36).Gottes Willen zu leben und zu tun, das wurde fürJesus ein Weg der Selbstaufgabe und der totalenHingabe in den Willen Gottes bis zur letzten Kon-sequenz, in den Tod. „Er ward gehorsam bis zum

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Tode, ja zum Tode am Kreuz" (Phil 2,8). Hier in derTiefe menschlicher Verachtung und Ablehnung wirder mit Dornen gekrönt.Damit wurde eine weitere Dimension seiner mes-sianischen Wirklichkeit deutlich, die seine Jüngerspäter erkannten. Denn mit seiner Erfüllung der Torastellt sich Jesus an die Seite jedes Juden, der ander Tora scheitert: Toraerfüllung stellvertretend fürihn. Die in und mit Jesus erfüllte Tora ist deshalbfür Juden, die diese Stellvertretung erbitten und an-nehmen wollen, der Weg, die Wahrheit und dasLeben. Israel braucht diesen Messias, diesen Kö-nig der Dornen. Er ist der Weg, der zum Vater insLeben führt.Diesen Messias ihrem Volk zu bezeugen und zubekennen, war selbstverständlich für die juden-christliche Gemeinde, die Kirche, die in Israel ent-stand und heute wieder entsteht. Sie halten an demBekenntnis des Apostels Paulus fest: „Ich schämemich des Evangeliums von Jesus Messias nicht,denn es ist eine Kraft Gottes, die zum Leben führt,die Juden zuerst, aber auch die Heiden" (Rom 1,16).Und noch eine weitere Dimension der messiani-schen Wirklichkeit wurde durch seine Auferstehungerkennbar. Dafür steht wieder das Wort aus 3 Mose18,5: „Wer die Worte der Tora tut, wird durch sieleben." Es hat nur einen gegeben - so bekennen esseine Anhänger - der die Tora im totalen Gehorsamunter Gott getan hat. Die Antwort Gottes darauf warLeben, war die Auferstehung von den Toten! In die-ses Leben will der Auferstandene all diejenigen mithineinziehen, die sich an ihm festhalten und seinestellvertretende Toraerfüllung für sich in Anspruchnehmen wollen.Mit den Worten: „ICH BIN bei euch alle Tage bis ander Welt Ende", bleibt er der HERR, der Kyrios sei-ner Gemeinde, die nun Herrschaftsbereich Gottesist - bis er kommt! (Mt 28,18-20). Die von der Ge-meinde erwartete Wiederkunft des Messias Jesuswird dann auch die Hoffnung des jüdischen Glau-bens vollenden und den weltweiten Schalom, denFrieden Gottes mit seiner Schöpfung verwirklichen.Mit der Neuschöpfung der Welt („Siehe, ich machealles neu!") wird es keine Trennung mehr geben,„Gott selbst wird bei seinen Menschen wohnen, undsie werden sein Volk sein. Er wird abwischen alle

Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nichtmehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerzwird mehr sein, denn das ist vergangen".(Offb 21,3-6).Deshalb das Bekenntnis: „Der Messias, der Königder Juden, ist das A und O, der Erste und der Letz-te, der Anfang und das Ende." Er wird wiederkom-men und jedem geben, wie er geglaubt, bekanntund getan hat (Offb 22,12.13). Im Vertrauen daraufantwortet die Gemeinde des Messias: „Amen, ja,komm, Herr Jesus!" (Offb 22,20).

Widerspruch und AblehnungDas Bekenntnis der Anhänger Jesu: Jeschua haMaschiach (Jesus ist der Messias) forderte denWiderspruch der Lehrer Israels heraus. Das Evan-gelium von der Messianitat Jesu als Heil für dasjüdische Volk wurde von ihnen als gefährliche Irr-lehre deklariert und mit aller Härte abgelehnt.Stephanus und später viele andere bezahlten ihrBekenntnis mit dem Leben. Die freimachende Bot-schaft wurde für Juden ein Ärgernis, besonders fürdie, die in der rabbinischen Lehrtradition verhaftetsind.„Ein Messias, der das Gottesreich, den Schalom,nicht gebracht hat, der im Fluch den Kreuzestodstarb, ist und war ein Pseudo-Messias, von denenes etliche in der Geschichte des jüdischen Volkesgab."„Ein Messias, der als Gottessohn ausgegeben wird,erfüllt in der Verkündigung den Tatbestand der Got-teslästerung, die den Tod verdient."Schon Johannes musste berichten: „Die Juden hat-ten sich geeinigt: Wenn jemand Jesus als den Mes-sias bekennt, der soll aus der Synagoge ausgesto-ßen werden" (Joh 9,22). Das ist so geblieben bisheute: „Ein Jude, der an Jesus glaubt, ist kein Judemehr, er hat seinen jüdischen Glauben und seinVolk verraten!" So der Landesrabbiner Joel Berger.Es ist das erklärte Ziel der jüdischen Orthodoxie,die Israel gerne als Theokratie sehen möchte, denjüdischen Christen die Staatsbürgerschaft zu neh-men. Dagegen aber steht das Wort Jesu für seineAnhänger: „Wer mich bekennt vor den Menschen,den will ich auch bekennen vor meinem himmli-schen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den

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Menschen, den will ich auch verleugnen vor mei-nem himmlischen Vater" (Mt 10,32f).Jesus hat gewusst, was auf ihn, auf seine Jüngerund auf seine Gemeinde zukommt, auch und zu-erst in seinem Volk: „Wir wollen nicht, dass dieserüber uns herrsche!" (Lk 19,14). Das bedeutet: „Manwird euch verfolgen in den Synagogen und im Volk.Ihr werdet gehasst werden um meines Namens wil-len. Man wird euch verleumden und allerlei Übleswider euch reden." Das ist der Preis des Beken-nens. „Wer mich bekennt vor den Menschen ..."Dennoch wissen jüdische Nachfolger Jesu, dass siemit ihrem Bekenntnis unaufgebbar zu ihrem Volkgehören. „Wir können es ja nicht lassen, davon zureden, was wir gesehen und gehört haben" (Apg4,20). „Wir glauben und bekennen, dass es für Is-rael und für die Welt in keinem anderen Heil gibt,als allein in Jeschua ha Maschiach" (Apg 4,12).Bei aller Ablehnung: Jüdische Nachfolger Jesu kön-nen ihr jüdisches Volk nicht aufgeben. Sie lebenmit ihrem Volk in der Hoffnung auf das Kommendes Messias. Für sie ist dies die Wiederkunft ihresHerrn, der dann endlich erkannt und angenommenwird: „Gelobt sei, der da kommt im Namen desHerrn" - der König Israels! Dann erfüllt sich das Wortdes Jesaja: „Für Zion wird kommen der Erlöser undfür die in Jakob, die sich von der Sünde abwenden,spricht der Herr" (Jes 59,20). Das gilt für heute undauch für morgen.

ZusammenfassungDie jüdischen Schreiber des Neuen Testaments undmit ihnen die urchristliche Gemeinde bekennen sichzu ihrem Messias, dem König der Juden, der in fünf-facher Weise den Menschen, und das war zunächstihr jüdisches Volk, Heil bringt:1. Jesus ist für sie der Messias, der sich an dieSeite der Leidtragenden, der Armen, der Unter-drückten, der Kranken und Sterbenden stellt undihre Schmerzen lindern und heilen will: der Heilandin der Not dieser Welt.2. Jesus ¡st der Messias, der den „bösen Trieb"besiegen hilft und Schluss macht mit dem Gesetzvon Hass und Vergeltung. Das bedeutet Schalom,Frieden unter Menschen.3. Jesus ist der Messias, der die Last der Sünde

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wegräumt und Sündenvergebung an Stelle Gotteszuspricht. Das bedeutet den Schalom, den Friedenmit Gott.4. Jesus ist der Messias, der die Tora für sein jüdi-sches Volk erfüllte und damit den Weg zum Vaterfreimachte. Deshalb gilt für ihn der Königstitel Isra-els: Jeschua ha Maschiach.5. Jesus ist der Messias der Endzeit, der wieder-kommen wird, um die Hoffnung Israels zu erfüllen.Er wird das weltweite Reich des Schaloms herbei-führen: Jesus Kyrios, der Herr der Welt.

Dieser Artikel erschien auch im Magazin SCHRITTE,Juni 1999.

Alfred Burchartz, Jahrgang 1923, lebt in Nürtingen.Er arbeitete als Religionspädagoge in der Württem-bergischen Landeskirche. Seit 1964 steht er imDienst unter Juden, messianischen Juden und Chri-sten, von 1971 bis 1988 als Geschäftsführer undLeiter des Evangeliumsdienstes für Israel. Heutetritt er im aktiven Ruhestand in zahlreichen Vorträ-gen und Publikationen für das Zeugnis des Evan-geliums unter Juden ein.

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DerEvangeliumsdienstfür Israel (edi)

ist in der Evangelischen Landeskirche in Württem-berg beheimatet. Er möchte Kirchen und Gemeindendabei helfen, ihre Verantwortung gegenüber dem jü-dischen Volk wahrzunehmen.Er bekennt sich zu dem Evangelium von Jesus Chri-stus, als der „Kraft Gottes, die alle rettet, die daranglauben, die Juden zuerst und ebenso die NichtJuden"(Römer 1,16).

Ziele und Aufgaben des edi1. Der edi informiert in Vorträgen, Gottesdiensten

und Gemeindebesuchen über Israel, das Juden-tum und messianische Juden. Er will Gemein-den und Kirchen daran erinnern, dass ihre Wur-zeln im jüdischen Glauben liegen und das Heilaus den Juden kommt.

2. Der edi unterstützt messianische Gemeinden inIsrael und setzt sich für verschiedene sozialeund theologische Projekte in Israel ein.

3. Der edi fördert die Verkündigung des Evangeli-ums unter Juden in Deutschland. Jüdische Mit-bürger sollen erfahren, dass Jesus zuerst für siegekommen ist.

Evangeliumsdienst für Israel e.V.Vorsitzender: Dekan Dr. Rainer UhlmannGeschäftsführer: Hartmut RenzGeschäftsstelle: 70751 Leinfelden-Echterdingen,

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