Alpentransversale: Wettbewerbe Kann Uri … Bauingenieurwesen, Benjamin Schmid, HSR ANERKENNUNGEN...

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Schweizerische Bauzeitung 9. September 2016 | Nr. 37 Wettbewerbe FEB-Preis 2016 Panorama Interaktives Labor für Materialrecherchen Qualitätsbewertung versus Preisargumente Alpentransversale: Kann Uri Anschluss halten? Uri will nicht abgehängt werden Ein Schub, auch für mehr Baukultur Vieles liegt in den eigenen Händen Hohe Investitionen in die Nordzufahrt

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Schweizerische Bauzeitung9. September 2016 | Nr. 37

Wettbewerbe FEB-Preis 2016Panorama

Interaktives Labor für Materialrecherchen

Qualitätsbewertung versus Preisargumente

Alpentransversale: Kann Uri Anschluss halten?Uri will nicht abgehängt werdenEin Schub, auch für mehr Baukultur Vieles liegt in den eigenen Händen Hohe Investitionen in die Nordzufahrt

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3EditorialTEC21 37/2016

er Gotthard-Basistunnel lotet die Tiefe unter der Bergwelt neu aus und beeindruckt auch in zeitlicher Di-mension: Das Jahrhundertbauwerk beschleunigt die Fahrt quer durch

die Schweiz erstmals auf unter vier Stunden. Für Bahnreisende bringt dies bessere Erreichbar-keiten, mehr Komfort und einen erweiterten Mo-bilitätsradius, sobald der Fahrplanbetrieb in drei Monaten aufgenommen wird. Aber jetzt schon weckt die neue Verkehrsanlage grosse Hoffnungen, sie könne den Standortregio-nen zu mehr Wachstum verhelfen. Vor einem Jahr präsentierte TEC21 die raumplanerische Aus lege ordnung für den Kanton Tessin (Heft 33/2015). Nun richtet sich der Fokus auf die Nord-zufahrt und die Frage, wie die beschleunigte Gott har dbahn das Urnerland räumlich verändern wird. Anders als der südliche Nachbar sieht sich der Bergkanton Uri als stagnierende Randregion ohne eine überbordende Siedlungsdynamik. «Anschluss halten» lautet daher eine zentrale Forderung, wie die neue Gotthard-Transversale nun verkehrstechnisch, raumplanerisch und auch regionalökonomisch genutzt werden soll. Die stete Abwanderung soll einer Aufbruch-stimmung weichen. Der Basistunnel wird so zum Stier, dessen Hörner die Urner mit eigenen Händen packen wollen. Dazu muss weiter in die Infrastruktur investiert werden. Und um die erwünschte, vergleichweise moderate Ent wicklung in nachhaltige Bahnen zu lenken, sind planerische Weitsicht und politisches Engagement gefragt.

DBlick auf das untere Urner Reusstal, auf das sich die räumliche und ökonomische Entwicklung des Berg- kantons hauptsächlich konzentriert. Mit der Eröffnung des Gotthard- Basistunnels, dessen Nordeinfahrt in die Bergflanke der graue Bereich in der Bildmitte markiert, wird Uri fast komplett vom inter nationalen Fern-verkehr abgehängt. Mittelfristig soll aber in Altdorf ein Anschlussbahnhof entstehen, um geben von grösseren Entwicklungs arealen. Coverfoto von Keystone / Robert Bösch.

Paul Knüsel, Redaktor Energie/Umwelt

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5InhaltTEC21 37/2016

AKTUELL

7 WettbewerbeErhalten, ergänzen, erneuern …

11 PanoramaInteraktives Labor für Materialrecherchen | Das Opern-Provisorium in Genf – ein Instrument aus Holz

15 VitrineNeues aus der Baubranche | Design muss sein

18 Qualitätsbewertung versus Preisargumente | GPS ist kein Ersatz für traditionelles Vermessungshandwerk | Betonexperten gefragt

23 Veranstaltungen

AUSKLANG

35 Stelleninserate37 Impressum

38 Unvorhergesehenes

THEMA

24 Alpentransversale: Kann Uri Anschluss halten?

24 Uri will nicht abgehängt werden

Paul Knüsel Uri ist Bergkanton und Randregion. Was setzt man der Stagnation entgegen?

26 Ein Schub, auch für mehr Baukultur

Paul Knüsel Architektin Margrit Baumann baut gegen die Abwanderung und hofft auf qua li tative Impulse. Ein Gespräch.

29 Vieles liegt in den eigenen Händen

Aurelio Vigani Bund und Kanton wollen wissen, was der Gotthard-Basistunnel alles an Gutem bringt.

32 Hohe Investitionen in die Nordzufahrt

Lukas Denzler Die NEAT-Streckenabschnitte durch Uri und Schwyz benötigennoch mehr Schutz.

Das Eisenbahnerdorf Erstfeld wird von der Gotthard-Alpentransversale umfahren. Wenn der Lärm abnimmt, kann davon der Wohnstandort profi tieren?

Jetzt online: Das Urner Isental ist Landschaft des Jahres 2016Mit Sense, Burdenentuch, Seilwinde und gutem Stand wird das Wildheu aus den Steilhängen in den Stall gebracht. www.espazium.ch/tec21

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TRACÉS 17/20162.9.2016

Retour à la terreRedécouvrir la terre au 21e siècle | Des blocs en terre crue romande | Sols bio-renforcéswww.espazium.ch/traces

archi 4/20161.8.2016

Concorsi Ticino Cinque anni di pratica dei concorsia Ginevra | Quando un privato organizza un concorso di architettura www.espazium.ch/archi

TEC21 38–39/201616.9.2016

IBA Basel 2020 –Der Stand der DingeZusammen wachsen | «Man muss ganz konkret hinschauen» www.espazium.ch/tec21

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7WettbewerbeTEC21 37/2016

Ausschreibungen

OBJEKT/PROGRAMM AUFTRAGGEBER VERFAHREN FACHPREISGERICHT TERMINE

Erweiterung der Hochschule für bildende Künste, Hamburg www.sprinkenhof.de

Sprinkenhof 20095 Hamburg

Begleitung: claussen-seggelke stadtplaner 20099 Hamburg

Projektwettbewerb, selektiv, anonym, für Architekten

Christine Binswanger, Wolfgang Lorch, Friedrich von Borries, Gesine Weinmiller

Bewerbung 19. 9. 2016

Sanierung und Erweiterung Schulhaus Einschlag, Bettlach www.simap.ch (ID 144199)

Einwohnergemeinde Bettlach vertr. durch Spezialbaukommission Schulhaus Einschlag 2544 Bettlach

Begleitung: Planteam S 4500 Solothurn

Projektwettbewerb, selektiv, anonym, für Architekten

Martin Eggenberger, Evelyn Enzmann, Francesco Marchini, Bernhard Straub

Bewerbung 23. 9. 2016

Neubau Zentrums- überbauung, Sarnen www.simap.ch (ID 143810)

Kanton Obwalden, Bau- und Raum- entwicklungs- departement 6060 Sarnen

Projektwettbewerb, selektiv, anonym, für Teams aus Architekten und Landschafts- architekten

Franz Bucher, Philipp Kunz, Daniel Lengacher, Ulrike Sturm, Martina Voser

Bewerbung 29. 9. 2016

Abgabe Pläne 21. 4. 2017 Modell 5. 5. 2017

Concours Bastion de St-Antoine, Genf www.simap.ch (ID 143537)

Ville de Genève 1211 Genève

Projektwettbewerb, offen, anonym, für Teams aus Architekten, Land-schaftsarchitekten und Bauingenieuren

– konform

Isabelle Charollais, Francesco Della Casa, Julien Descombes, Philipp Esch, Bernard Fisch, Marie-Hélène Giraud, Marco Graber, Sabine Nemec Piguet, Luca Selva, Astrid Staufer, Benjamin Vial

Anmeldung 18. 10. 2016

Abgabe Pläne 16. 12. 2016 Modell 9. 1. 2017

Liberty Museum, New York www.archasm.in

archasm Ideenwettbewerb, offen, anonym, für Architekten, Bauingenieure, Designer und Kunstschaffende (auch Studierende)

Keine Angaben Abgabe 30. 11. 2016

Weitere laufende Wettbewerbe finden Sie unter: www.konkurado.ch Wegleitung zu Wettbewerbsverfahren: www.sia.ch/142i

Preise

The 11th International Ceramics Competition Mino, Japan www.icfmino.com

International Ceramics Festival Mino Japan, Executive Committee

Internationaler Wettbewerb zur Förderung der Ent-wicklung keramischer Industrie und Kultur. Ausgezeichnet werden herausragende, innovative Werke der Keramik.

Teilnahmeberechtigt sind einzelne Personen, Gruppen und Firmen.

Eingabe 10. 1. 2017

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8 Wettbewerbe TEC21 37/2016

FEB-PREIS 2016

Erhalten, ergänzen, erneuern …

Bauwerke und Strukturen zu erhalten bedeutet nicht zwangsläufig, sie zu bewahren.

Dies zeigte die diesjährige Würdigung von neun Studienarbeiten durch die Fachgruppe

für die Erhaltung von Bauwerken.Text: Peter Seitz

ass die Fachgruppe für die Erhaltung von Bauwerken (FEB) des SIA einen weit

grös seren Fokus als den reinen Schutz des Bestands und dessen Nutzung hat, belegt die diesjährige Preis verleihung FEB. Von 34 einge-reichten Studienarbeiten zum The-ma Architektur respektive Bauinge-nieurwesen erhielten drei eine Aus-zeichnung, sechs dürfen sich mit einer Anerkennung schmücken.

Auf Erhalt setzt Stefan No-ser (Zürcher Hochschule für Ange-wandte Wissenschaften ZHAW) in seiner Masterthesis über die histo-risch wertvollen Hängetürme im Glarnerland. Die von der Zeit über-holten Industriedenkmäler, die der Textilindustrie als Trockentürme für ihre Stoffbahnen dienten, wer-den von ihm anhand einer exem-plarischen Planung am Hängeturm in Mitlödi behutsam in eine Wohn- und Ateliernutzung überführt. Die Eingriffe berücksichtigen hierbei nicht nur das äussere, stattliche Erscheinungsbild des Turms, son-dern ebenso den Raster der vorhan-denen Innenräume und das auf-wendige Zimmermannswerk des Gebäudes. Als schöne Reminiszenz an die ursprüngliche Nutzung be-schatten lange Sonnenstorenbänder die neu angebrachten, abgehängten Stahlbalkone.

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Auszeichnung: Ein Glarner Industriedenkmal erhält eine neue Nutzung unter besonderer Berücksichtigung der Substanz; Schnitt des Hängeturms in Mitlödi (ohne Mst.).

Der Glarner Hängeturm in Mitlödi soll neu als Wohn- und Atelierraum für Kreativschaffende dienen.

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9WettbewerbeTEC21 37/2016

Kein Schütteln im Labor

Ergänzend greift die Planung von Benjamin Schmid (Hochschule für Technik Rapperswil HSR) innerhalb seiner Bachelorarbeit bei einem Zürcher Laborgebäude aus dem Jahr 1970 ein, um die Erdbebensicherheit in Längsrichtung – in Querrichtung wäre der Aufwand unverhältnis-mässig – normgerecht herzustellen. Dies gelingt ihm mit zwei Stahlbe-tonwänden, die über die gesamten sechs Geschosse geführt werden

Auszeichnung: Die Anordnung von Kernen anstatt durchgehender Wände und eine auf das Gewerbegebiet des Basler Dreispitzareal abgestimmte Materialisierung erlauben eine zukünftig flexible Nutzung der neuen Gebäude am Leimgrubenweg.

Auszeichnung: Kraft- und verformungsbasierte Erdbebenberechnungen als Grundlage für die Bemessung zweier Stahlbetonwände führen zum Erhalt eines Zürcher Laborgebäudes.

müssen. Der Konstruktion ging eine umfangreiche Analyse der Erdbe-bensicherheit des Gebäudes sowohl mittels kräftebasierten als auch ver-formungsbasierten Rechenverfah-ren voraus. Ein Vergleich seiner Bemessungsresultate mit solchen aus nichtlinearen, dynamischen Zeitverlaufsberechnungen führt zu interessanten Folgerungen: Für sinnvolle Ergebnisse müssen die in Berechnungen angesetzten Verhal-tensbeiwerte auf die seismischen Zonen abgestimmt sein.

AUSZEICHNUNGEN

«Städtebaulicher und architekto-nischer Entwicklungsvorschlag für das Logistik- und Gewerbegebiet Dreispitz»: Masterthesis Architek-tur, Adrian von Kaenel, FHNW

«Hängetürme im Kanton Glarus»: Masterthesis Architektur, Stefan Noser, ZHAW

«Überprüfung der Erdbebensicher-heit und Verstärkungskonzept für ein Laborgebäude in Zürich»: Bachelorarbeit Bauingenieurwesen, Benjamin Schmid, HSR

ANERKENNUNGEN

«Etude des salles de gymnastique de la rue du Stand de Paul Walten-spühl à Genève»: Semesterarbeit im Masterstudium Architektur, Marie-Laure Allemann, Virginie Bally, Odile Keller, EPFL

«Strengthening of reinforced concrete beams with iron-based shape memory alloy (Fe-SMA) ribbed bars embedded in a shot-crete layer»: Bachelorarbeit Bau- inge nieurwesen, Philipp Annen, ETHZ

«Zustandsanalyse und Instand-setzungskonzept der Hebeltobel-brücke»: Semesterarbeit im Bachelorstudium Bauingenieur-wesen, Martin Schindler, HSR

«Kontinuum Zug»: Semesterarbeit im Bachelorstudium Architektur, Caroline Schmid, Nadia Muff, HSLU

«Learning from Ladakh»: Master- thesis Architektur, Samuel Wüst, Universität Liechtenstein

«WEITSICHT – Eine Zukunft für die Wohnhochhäuser der 60er -/ 70er- Jahre»: Masterthesis Architektur, Severin Zellweger, ZHAW

JURY

Randi Sigg-Gilstand, Architektin, Bern Urs Rinklef, Architekt, Zürich Norbert Föhn, Architekt, Zürich Peter Baumberger, Architekt, Zürich Rolf Mielebacher, Maschineningenieur, Zürich Urs Marti, Bauingenieur, Schwanden

Weitere Infos: http://feb.sia.ch

Fortsetzung S. 10

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10 Wettbewerbe TEC21 37/2016

Neubauten und Umnutzungen führen zu einer Aufwertung des Leimgrubenwegs im Basler Dreispitzareal.

Neues im Dreispitz

Eine Erneuerung ganzer Häuser-zeilen steht in Adrian von Kaenels (Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW) Masterthesis an, um die Struktur des Gewerbegebiets Drei-spitz in Basel zu erhalten respek-tive  durch neue Nutzungen zu erweitern. Entlang des Leimgruben-wegs, einer öffentlichen Strasse, die das ursprünglich gebliebene, vom Gewerbe geprägte Dreispitzare-al durchschneidet, entstehen vier neue Gebäude, die zu einer archi-tektonischen und städtebaulichen Aufwertung des Gebiets führen. Die Planung der Bauten und deren Positionierung erlauben eine weit-reichende Vernetzung des Areal-innern mit der Durchgangsstrasse. Dabei sind nicht nur die Gebäude-formen, sondern auch die ausge-wählten Materialien auf die beste-henden Bauten abgestimmt. Die geplante Ausführung lässt unter anderem durch fehlende Wände und Entflechtung von Gebäudetechnik-strukturen zukünftig eine flexible Nutzung der Räumlichkeiten zu.

Auch die sechs Arbeiten, die eine Anerkennung erfahren haben, gehen sehr differenziert an das Thema Bauwerkserhalt heran.

Eine energetische Ertüch-tigung der bisher vernachlässig- ten Turnhallen in der Genfer Rue du Stand entwerfen die Masterstu-dentinnen Marie-Laure Allemann, Virginie Bally und Odile Keller (EPF Lausanne).

Die Erforschung von Ma te-rialien zum zukünftigen Bau werks-erhalt ist Thema der Bachelorarbeit von Philipp Annen (ETH Zürich). Er untersucht die Möglichkeit einer Verstärkung von Stahl betonbalken mittels einer unter bauten Spritzbe-tonschicht, in die Bewehrungsstäbe mit Formgedächtnislegierung ein-gelegt sind.

Wie die denkmalgeschütz- te Hebeltobelbrücke im Kanton St. Gallen zu ertüchtigen wäre, un-tersucht Bachelorstudent Martin Schindler (Hochschule für Technik Rapperswil HSR). Die vollständige Wahrung des Erscheinungsbilds der  Brücke macht die Aufgabe dabei nicht leichter.

Dem Ersatz einer abgebrannten Häuserzeile am Rand der Zuger Alt-stadt widmen sich Caroline Schmid und Nadia Muff (Hochschule Luzern HSLU). Die Planung nimmt dabei die Massstäblichkeit des Orts auf und beachtet auch den Anschluss an die bestehenden Gebäude.

Durch die Erstellung einer neuen Fabrik in Ladakh versucht Samuel Wüst (Universität Liechten-stein), einen Beitrag zur ökonomi-schen Unabhängigkeit der Bevölke-rung vom Tourismus zu leisten.

Mit der Erweiterung dreier Zürcher Wohnhochhäuser aus den 1960er-Jahren gelingt es Severin Zellweger (Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW), die knappen Flächenverhältnisse der Grundrisse zu verbessern und dabei eine zeitgemässe Wohnsitua-tion entstehen zu lassen.

So führen die neun gewür-digten Arbeiten die Vielfalt des The-mas Bauwerkserhalt vor Augen, und die zahlreichen Wettbewerbseinga-ben bestätigen wohl, dass nicht nur Bauten erhaltenswert sind, sondern auch der Preis. •

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11PanoramaTEC21 37/2016

egründet 1874, ist das Ge-werbemuseum mitten in der Altstadt von Winterthur das

einzige noch in dieser Art bestehen-de Museum der Schweiz, das sich an den Schnittstellen zwischen All-tagskultur und Kunst, Handwerk, Design und industrieller Produk-tion bewegt. Seit 1999 präsentiert es sich neu und mit zeitgemässem Konzept. Nun wird die nächste Etappe eingeläutet. Das permanent eingerichtete Labor für Material-recherchen wurde erheblich erwei-

GEWERBEMUSEUM WINTERTHUR

Interaktives Labor für Materialrecherchen

Das Material-Archiv geht in eine neue Runde: Das permanent eingerichtete Labor für Materialrecherchen wurde erheblich erweitert.

Redaktion: Nina Egger

G tert. Neu werden die umfangreichen Materialinformationen in einer Art dreidimensionalem Lehrbuch prä-sentiert.

Anfassen erlaubt

Ob Glas, Metall, Holz, Papier, Kunst-stoff, Stein, Keramik, Farbpigmente, Textilien oder auch Leder – das per-manent eingerichtete Material- Archiv ist ein innovatives Labor für Materialrecherchen. Im Herbst 2016 erfolgt ein entscheidender Etappen-

schritt in diesem Langzeitprojekt. Mit einer ganz neuen Präsentations-form sind umfangreiche Informati-onen vielfältig aufbereitet: Dichtes Hintergrundwissen zu den unter-schiedlichsten Materialien ist ziel-gruppengerecht beschrieben und mit zahlreichen exemplarischen Anschauungsobjekten sowie erklä-renden Visualisierungen illustriert.

Eine Online-Datenbank, die im Verbund mit renommierten Schweizer Bildungsinstitutionen aus den Bereichen Gestaltung und

Materialmuster aus Kunststoff. Jedes einzelne Muster ist dank Scanner mit den Informationen in der Datenbank verbunden.

Blick ins Material-Archiv: interaktives Labor für Materialrecherchen.

Jugendliche beim Recherchieren in der Datenbank und der Materialmustersammlung.

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12 Panorama TEC21 37/2016

GEWERBEMUSEUM

Öffnungszeiten Di bis So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr, Mo geschlossen Besondere Öffnungszeiten an Feier-tagen: www.gewerbemuseum.ch

Eintritt: 8.–/5.– Fr.

Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre und Schulklassen gratis.

TERMINE

Vernissage Samstag, 1. Oktober 2016, 16 Uhr

Permanent Material-Archiv ab 2. Oktober 2016

Sonderpräsentation «Bio oder Kunststoff – oder beides?» 2. Oktober 2016 – 19. Februar 2017

Kunst bewirtschaftet wird, weit über 1000 Materialmuster, Experi-mentiertische, Film- und Hörstati-onen sowie eine Bibliothek ergänzen das Angebot. Dank all dem erhält ein interessiertes Publikum – Fachleute, Berufs- und Hochschulen techni-scher und gestalterischer Ausrich-tung sowie Schulklassen aller Stufen – einen fundierten und interaktiven Einblick in die unend liche Vielfalt der Materialwelten.

Bio oder Kunststoff

Zur Neueröffnung des Material-Ar-chivs findet die Sonderpräsentation «Bio oder Kunststoff – oder beides?» statt. Biokunststoffe haben derzeit Konjunktur – zahlreiche Produkte schmücken sich mit Nachhaltig-keits- und Ökoaura. Doch wie steht es tatsächlich um angeblich kom-postierbares Take- away- Geschirr und Partybesteck aus Naturmateria-lien? Die Schau widmet sich der Zu-sammensetzung der neuen Kunst-stoffe. Anhand von Biokunststoffen und Naturfaserkompositen zeigt sie deren Komplexität auf und the ma-tisiert Fragen zu Rohstoffen, Ener-giebedarf und Recycling. Vertiefen-de Po dien, Schwerpunktführungen und Vorträge rund um das Thema «Bio oder Kunststoff – oder beides?» ergänzen die Ausstellung. •

wei Jahre wird die Bau-erneuerung des Stammhau-ses Grand Théâtre im Stadt-

zentrum von Genf dauern. Für zwei volle Spielsaisons also muss auf ein Provisorium ausgewichen werden.

Die Option, ein eigenes Pro-visorium neu zu erstellen, wurde verworfen – denn die Wiederver -wendung eines Holzbaus aus Paris erwies sich als kostengünstiger. Dort hatte seit Anfang 2012 im Hof der Gärten des Palais Royal das «Théâtre éphé mère» gestanden. Bis März 2013 diente es als Spielstätte für 420 Aufführungen der Comédie- Française, deren Salle Richelieu

TEMPORÄRE KULTURSTÄTTE

Das Opern-Provisorium in Genf – ein Instrument aus Holz

Das Grand Théâtre in Genf wird derzeit einer Bauerneuerung unterzogen. Man suchte eine Ausweichstätte – und fand sie in Paris

in Form eines Theaterprovisoriums aus Holz. Es wurde zerlegt, transportiert und vergrössert in Genf wieder aufgebaut.

Text: Charles von Büren

Z derweil renoviert wurde. Das Be-helfstheater in Paris bot 750 Plätze, für Genf wurde eine Vergrös serung um 360 Sitze gebaut; auch ein neuer Orchestergraben und Künstlergar-deroben waren notwendig. Dafür ist das Volumen nun um 8 m verbreitert und um 12 m verlängert.

Aus dem Palais Royal

Mit 70 Tiefladerfahrten wurden die rund 1000 m3 Holz von Paris in die Calvinstadt transportiert. In Paris ruhte das Provisorium auf massiven Fundamenten. Aus zeitlichen Grün-den und weil dies günstiger zu ste-

hen kam, wurde in Genf darauf verzichtet. Um das Fundament zu bilden, wurden 300 Tannenstämme ins Erdreich gerammt. Kauf, Abbau, Transport und Aufbau des Holz-theaters inklusive die Erweiterung um 360 Plätze und den Bau des Or-chestergrabens verursachten Kos-ten von 11.5 Mio. Franken. Etwa zwei Drittel der Kosten wurden von pri-vaten Sponsoren abgedeckt. So wur-den etwa Patenschaften von 2000 bis 5000 Franken für die einzelnen Sitze ausgeschrieben. Ein öffentli-cher Fonds des Genfer kantonalen Gemeindeverbands garantiert für das letzte Drittel.

Materialmuster aus der Sonderausstellung «Bio oder Kunststoff – oder beides?»

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13PanoramaTEC21 37/2016

Von aussen zeigt sich das provisorische Opernhaus Genf karg und erinnert eher an eine Sporthalle denn an einen Musentempel.

Die Holzstruktur des Opernhauses vor dem Innenausbau: Die Fachwerkträger bleiben sichtbar, Boden und Wände aus Schichtplatten erhalten Verkleidungen und Schallsegel.

Alles in diesem Provisorium für die Genfer Oper ist wie bei einem Industriebau auf Nützlichkeit hin angelegt.

Architektur Entwurf für Paris: Alain-Charles Perrot & Florent Richard Architectes, Paris

Architektur Erweiterung für Genf: Daniela Liengme Architectes, Carouge

Bühnentechnik Michel Fayet, Changement à Vue, Genf

Holzkonstruktion Jacques Anglade, Holzbauingenieur und Unternehmer, Port-Vendres (F)

Ingenieur François Kocher, Le Collectif sàrl, ingénieurs civils, Carouge

Akustik Christian Zufferey, Décibel Acoustique, Genf

www.geneveopera.ch

Modulbauweise auf Zeit

Mit seinen nunmehr 1110 Plätzen verfügt das wegen der Nähe zum UNO-Sitz «Opéra des Nations» ge-nannte Provisorium über eine be-achtliche Kapazität. Im Orchester-graben finden bis zu 70 Musiker und Musikerinnen Platz. Das Bühnen-portal ist 7.5 m hoch und 14.7 m breit. Der Bau selber misst im Grundriss 35 × 75 m und ist 16.5 m hoch.

Bedingung für die Errich-tung der Opéra des Nations im Parc Rigot war, dass sie nach zweieinhalb Jahren komplett, ohne Spuren zu hinterlassen, wieder abzubauen ist. Dies ist dank der Modulbauweise und der ausschliesslichen Verwen-dung von Holz inklusive der Funda-mente gegeben.

Am 15. Februar 2016 wurde mit der Premiere von Georg Fried-rich Händels «Alcina» das Provi-sorium Opéra des Nations in Genf eröffnet – eine Zauberoper und ein Barockspektakel, das bestens zur intimen Atmo sphäre dieses Thea-ters auf Zeit passt, das den Spiel-stätten aus Holz des 16. und 17. Jahr-hunderts nachempfunden ist. •

Charles von Büren, Fachjournalist und Korrespondent TEC21

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14 Panorama TEC21 37/2016

otelpaläste, die Rhätische Bahn und die Bergbahnen auf die umliegenden Gipfel,

das sind die Bauwerke, mit denen das Oberengadin in Verbindung gebracht wird – Grandezza und Ingenieurbaukunst, aber eher keine moderne Architektur. Dass das nur teilweise richtig ist, zeigt aktuell eine vom Kunsthistoriker Christof Kübler kuratierte Ausstellung in der Fundaziun La Tuor in Samedan. Es ist die zweite Auflage, zum ersten Mal war die Schau im Winter zu se-hen – im Oberengadin nimmt auch die Kultur Rücksicht auf die jewei-lige touristische Hochsaison.

Schon der Ausstellungsort ist ein Bijou: Der mittelalterliche Wohnturm aus Bruchsteinen wurde 2010 von Mierta & Kurt Lazzarini Architekten aus Samedan zum Kul-turzentrum umgebaut. Einbauten aus Stahl erlauben ein vertikales Raumerlebnis, die Scharten in den oberen Stockwerken bieten eine atemberaubende Sicht bis zum Ber-ninapass. Die Ausstellung macht sich diese Ebenen zunutze. In meh-rern Etappen erzählt sie ihre Ge-schichte, beginnend im zweiten Stock mit einer Kontextualisierung des Begriffs «Moderne» in der Archi-tektur. Auf den nächsten Etagen wird es dann konkret: Innerhalb von Themenbereichen wie «Wohnen und Beherbergen», «Infrastruktur-bauten» und «Corporate Identity» zeigen exemplarische Fotografien und Pläne aus der Zeit um 1930 die baukünstlerische Avantgarde der Region. Eine künstlerische Ausein-andersetzung mit der Zuozer Inn-brücke (Robert Maillart, 1901) von FP Boué ergänzt die Schau.

Deutlich wird: Das Ober-engadin ist kein Hotspot der moder-nen Architektur wie etwa Arosa. Oft

AUSSTELLUNG ZUR OBERENGADINER BAUGESCHICHTE

Engadiner Trouvaillen

Unbekanntes sichtbar machen – das schafft die Ausstellung «Die vergessene Moderne im Oberengadin». Sie ist noch bis zum

16. Oktober in der Fundaziun La Tuor in Samedan zu sehen. Text: Tina Cieslik

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sind nur noch Fotografien Zeugen der hiesigen Moderne – leider, muss man sagen. Die kubischen Volumen wären eine Bereicherung der heuti-gen Bebauung gewesen, auch wenn die von Le Corbusier formulierten fünf Merkmale der neuen Architek-tur im oft rauen Engadiner Klima zu hinterfragen wären. Dafür zeigt die Ausstellung ver gessene Trouvaillen, darunter die Villa Böhler in St. Mo-ritz von Heinrich Tessenow (1916–1918). Der Bau wurde 1989 wider-rechtlich abgerissen.

Blick nach vorn

In der Tiefe der Darstellung richtet sich die Ausstellung eher an ein Laienpublikum. Der wunderbare Ausstellungsort und die Entdeckun-gen unter den gezeigten Objekten rechtfertigten den Besuch aber durchaus auch für Fachleute. Denn vor allem bietet sie Denkanstösse:

Indem sie sie zurück ins Bewusst-sein bringt, kann die Schau für den respekt vollen Umgang mit den – we-nigen – Zeugen der Oberengadiner Moderne sensibilisieren. Wie nötig das ist, zeigt das Schicksal einer der kleinen Skisprungschanzen in St. Moritz: Die Holzkonstruktion wurde 2014 im Zug der Arbeiten für eine neue olympische Schanze irr-tümlich teilweise abgebrochen. •

AUSSTELLUNG

«Die vergessene Moderne im Oberengadin» ist noch bis zum 16. Oktober in der Fundaziun La Tuor in Samedan zu sehen.

Öffnungszeiten: Mi–So, 15–18 Uhr

Zur Ausstellung ist die gleich-namige Publikation erschienen. Sie kann vor Ort bezogen werden.

Wohn- und Geschäftshaus mit Restaurant in Samedan, erbaut 1930, ab den 1970er-Jahren Hotel Donatz. Architektur: Enrico Bisaz und Jachen Ulrich Könz.

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15VitrineTEC21 37/2016

Uretek Schweiz AG

Die Haupttätigkeit der Uretek Schweiz AG besteht darin, abge-senkte oder sich absenkende Ge-bäude zu stabilisieren, Häuser mit Fundamentplatte zu heben und In-dustriehallenböden, Strassen und Flugpisten zu heben bzw. zu stabi-lisieren. 1996 entstand das «Uretek Deep Injections»-Verfahren, eine Methode, um die Tragfähigkeit des Baugrunds zu erhöhen. Dabei setzt man expandierende Kunstharze ein, die in Abhängigkeit der jeweiligen Last- und Untergrundverhältnisse injiziert werden. Durch Injektionen

Mapei

Mapei ist der weltweit grösste Hersteller von Klebstoffen, Abdichtungen und chemischen Produkten für das Bauge-werbe. Anfang Juni veranstaltete Mapei Suisse die ersten «Betontage» am Hauptsitz in Sorens FR. Verschiedene Fachvorträge, gespickt mit Praxisbeispielen wie dem Al-bulatunnel II oder der Taminabrücke, fanden beim Pub-likum grossen Anklang. Mittels Liveübertragung konnten die Besucher direkt ins Betonlabor blicken, wo spannen-de Demonstrationen stattfanden. Eine zweite Ausgabe der Betontage findet voraussichtlich nächstes Jahr statt. •www.mapei.ch

Neues aus der BaubrancheRedaktion: Nathalie Cajacob

mittels Uretek-Geoplus-Kunstharz werden die geotechnischen Eigen-schaften des Untergrunds massgeb-lich verbessert. Die Vorteile dieser Methode sind unter anderem, dass keine Belästigung durch Staub oder Lärm entsteht und der Zeitaufwand gering ist. •

www.uretek.ch

Lorem

Einfaches und intuitives Drucken mit nur einem Klick: So einfach konnten Anwender noch nie eine PDF-, JPEG-, TIFF- oder HP-GL/2-

Datei auf ihrem HP DesignJet der Z-Serie drucken. Mit der Vorschau des tatsächlichen Druckbilds in der Software sowie der direkten Positi-onierung von Bildern auf der Seite wird der Druckmedieneinsatz opti-miert. Mit HP Design Jet Click stei-gern Sie Ihre Produktivität. Weitere Infos und Downloadmöglichkeiten gibt es auf http://hp.com/go/design- jetclick, ein Demo-Video findet sich auf https://youtu.be/g-lQhQJfURw. Als offizieller Partner von HP ver-fügt die Lorem GmbH über eine brei-te Gerätepalette und eine hohe Fach-kompetenz. •www.lorem.ch

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16 Vitrine TEC21 37/2016

Design muss seinRedaktion: Nathalie Cajacob

Mobimex

Die umlaufende Gestellstruktur von «Weda» in Massivholz kommt mit filigranen Querschnitten aus und bildet damit die Basis der linearen Gesamterscheinung. Die in ihrer Grundform klar gezeichneten, straff bezogenen Polsterelemente in Sitz und Rücken steifen die Konstruktion aus, unterstreichen das grafische Erscheinungsbild der Sitzbank und bieten dabei einen hohen Komfort. •www.mobimex.ch

Dietiker

Bei Le Corbusiers Gebäuden war die Farbgebung ebenso wichtig wie die Form. Neun der 63 Farbtöne aus der «Polychromie Architecturale» von «Les Couleurs® Le Corbusier» ver-edeln neu ausgewählte Objekte der Dietiker-Familie, darunter den «Stuhl C14» aus der Felber Collection. Die neun Farben werden ausschliess-lich auf Holzmöbeln angewendet, dazu zählen auch kombinierte Möbel aus Holz/Stoff oder Holz/Metall. Der Kunde kann auf eine Vielzahl an Va-rianten zugreifen und die Farben auf Wunsch zusammenstellen. •www.dietiker.com

Seleform

«Rex 120» ist der Bruder des legen-dären «Rex» Chair, 1953 entworfen vom slowenischen Architekten Niko Kralj (1920–2013). Kralj gilt als eine der zentralen Figuren des sloweni-schen Designs. Der minimalistische Loungesessel aus Holz besticht durch seine moderne Eleganz und passt sich mit seinem ergonomi-schen Design perfekt dem Körper an. Der perforierte Rücken sorgt für eine gute Belüftung. «Rex 120» ist Teil der Rex-Kralj-Kollektion, hergestellt aus edlen, natürlichen Materialien und in fünf Farben erhältlich. •www.seleform.ch

Röthlisberger

Die Leuchte «Block 2 – Rio Edition» von Röthlisberger kombiniert bestes Schweizer Handwerk mit brasilia-nischer Fröhlichkeit. Das Meer an der Copacabana, die üppige Vege- tation Brasiliens und olympisches Gold – all diese Farben spiegeln sich in der Oberfläche der Leuchte. Zwan-zig verschiedene Stellpositionen ermöglicht die filigrane Massiv- holzkonstruktion aus gedämpfter Akazie. Das Design der Lampe ba-siert auf den alten Leuchten der «Midland Railway Workshops» in Westaustralien. •www.roethlisberger.ch

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17VitrineTEC21 37/2016

Vitra

Das «Soft Modular Sofa» ist Jasper Morrisons aktuelle Interpretation eines inzwischen zum modernen Klassiker avancierten Typus: des bo-dennahen, horizontal ausgeprägten, modularen Sofas. Der schwarze Fussrahmen macht als Möbelsockel mit abgerundeten Ecken eine An-spielung auf die sinnliche Eleganz des Art déco. Dank seinem modularen Aufbau mit den Seiten-, Eck-und Mittelelementen sowie der Chaiselongue lassen sich Grösse und Form wählen. Mit der grossen Auswahl an Le-der-und Stoffbezügen in verschiedenen Farben kann jede Konfiguration individualisiert werden. •www.vitra.com

Wogg

Puristisch, leicht und elegant – so präsentiert sich das Regal «Hori- zontal» aus der Caro-Kollektion von Wogg. Das von Christophe Mar-chand entworfene Möbel überzeugt durch seine radikale Einfachheit und bietet viel Stauraum. Das Prin-zip der nutzbaren Volumenkörper besticht: Die Regalböden werden zu Volumen. Die Distanzhalter zwi-schen den Regalböden sind auf ein Minimum reduziert und nach innen versetzt, was die Horizontale betont. Das Regal ist in drei verschiedenen Höhen erhältlich. •www.wogg.ch

IN DER VITRINE PRÄSENTIERT

Die Angaben zu Firmen, Produkten und Dienstleistungen basieren auf Firmeninformationen. Auf den Abdruck solcher Hinweise besteht kein Anspruch. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

Bitte senden Sie Ihre Informationen an TEC21, Postfach, 8021 Zürich, oder an [email protected]

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18 TEC21 37/2016

Herr Steiner, der SIA fordert den Qualitätswettbewerb im Sinn der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltig­keit. Was will das Beschaffungs­gesetz?

Marc Steiner: Das Vergabe-recht will seit je den wirtschaftli-chen Mitteleinsatz; das ist für den Bund (BöB) wie auch auf kantona-ler Ebene (IVöB) ein Gesetzesziel. Die Vorgabe der Wirtschaftlichkeit bleibt aber insofern unbestimmt, als sie als offenes Prinzip nicht abschlies send klärt, ob das Verga-berecht dem Preis- oder dem Qualitätswettbewerb verpflichtet sein soll.

Interessant ist, dass im Vorentwurf zu den neuen Beschaf-fungsgesetzen für die Revision für Bund (Art. 1 lit. a VE BöB) und Kantone (Art. 1 lit. a E-IVöB) übereinstimmend gesagt wird, dass der wirtschaftliche Einsatz der öffentlichen Mittel unter Berücksichtigung der Nachhaltig-keit bezweckt wird. Und das ändert das Spiel. Die Nachhaltig-keitsaspekte entsprechen jeden-falls einer – wie auch immer bestimmten – Qualität des Pro-dukts; damit wird ein Signal im Sinn der Berücksichtigung länger-fristig relevanter Aspekte gesetzt, was der Logik des Qualitäts- und nicht derjenigen des Preiswettbe-werbs entspricht.

Was muss passieren, damit im Zug der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts der Qualitäts­wettbewerb um intellektuelle Dienstleistung endlich Realität wird?

Bauenschweiz, usic, SIA usw. haben immer versucht, eine

IM GESPRÄCH: DISKREPANZ ZWISCHEN VERGABERECHT UND VERGABEPRAXIS

Qualitätsbewertung versus Preisargumente

Gutes Vergaberecht hilft wenig, wenn die öffentlichen Hand ihre Spielräume für den Einbezug von Qualitätskriterien nicht ausschöpft.

Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner über juristische Möglichkeiten, die Vergabekultur zu gestalten.

Interview: Denis Raschpichler

gesetzliche Formulierung zu fin- den, die die Bedeutung des Quali-tätswettbewerbs betont – was auch bedeutet, im Zug der Beschaf-fung die gesamtwirtschaftlichen Kosten stärker zu berücksichtigen und das Beschaffungsrecht nicht einseitig dafür zu nutzen, die Ausgaben der öffentlichen Hand nach Möglichkeit zu senken. Zweiter Schauplatz dieser Debatte ist die Bestimmung zu den Zu-schlagskriterien, aus der klar werden soll, dass nicht das billigs-te, sondern das Angebot mit dem besten Preis- Leistungs-Verhältnis gewünscht wird. Da geht es bei-spielsweise um die Zuschlags-kriterien Innova tions gehalt und Nachhaltigkeit.

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die Berücksich-tigung der sogenannten Mehreig-nung eines Anbieters im Rahmen des Zuschlags, die das Bundes-gericht ausdrücklich als zulässig anerkannt hat. (In der EU wurden die Richtlinien so geändert, dass die Mehreignung neu ausdrücklich berücksichtigt werden kann. Diese rechtfertigt dann einen höheren Preis.)

Ist die Regelung der Zuschlags­kriterien gemäss geltendem Recht aus der Sicht des Qualitätswett­bewerbs ein Problem?

Nein. Nach meiner Beurtei-lung ist Art. 21 BöB eine gediegene Formulierungsleistung. Und aus der Gesetzgebungsgeschichte wird völlig klar, dass das geltende Vergaberecht als Bekenntnis zum Qualitätswettbewerb zu verstehen ist. Aus Art. 21 Abs. 3 ergibt sich – aufbauend auf dem von einem

Parlamentarier in diesem Zusam-menhang zitierten Satz, dass Qualität langfristig stets das Billigste ist – in unzweideutiger Weise, dass (nur) für weitgehend standardisierte Güter der Zuschlag auch ausschliesslich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises erfolgen kann.

Warum sehen wir, dass der Auf­trag oft dem billigsten Anbieter überantwortet wird?

Die Frage, ob sich die Verantwortlichen auf Beschaffer-seite für Preis oder Qualität entscheiden, liegt innerhalb des rechtlichen Rahmens im Ermessen derselben. (Und die Frage, wie dieses Ermessen gehandhabt wird, wird insbesondere aus der publi-zierten Gewichtung der Zuschlags-kriterien deutlich.) Die Verwaltung versteckt sich gern hinter dem

Rechtsanwalt Marc Steiner ist seit 2007 Richter am Bundesverwaltungs-gericht. Er war ab 2003 im Nebenamt Mitarbeiter des Sekretariats der Beschaffungskommission des Bundes und ab 2004 Gerichtspräsident II am Bezirksgericht Aarau. Er veröffentlicht Publikationen insbesondere zum Vergaberecht und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsverbands swisscleantech.

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19TEC21 37/2016

Die Ordnung SIA 144Der SIA stellt für die Beschaffung intellektueller Dienstleistungen durch Leistungsofferten im Be-reich des Ingenieurwesens, der Architektur und der Umwelt die SIA 144 Ordnung für Ingenieur­ und Architekturleistungsofferten zur Verfügung. Damit hat der SIA ein Instrument zur Vergabe der besten Leistung zur Lösung einer klar umrissenen Aufgabe entwi-ckelt. In einem Verfahren nach dieser Ordnung werden neben dem Preisangebot explizit auch die qualitativen Kriterien ho-noriert. Die Dokumentation un-terstützt die Vergabestellen und hilft, den Qualitätswettbewerb in der Praxis sicherzustellen (vgl. Interview auf dieser Seite). •

Weitere Info: www.sia.ch/wegleitung144

Bestellungen: www.shop.sia.ch oder [email protected]

Gesetz, aber dort, wo sie richtiger-weise Spielräume hat, hat sie auch Verantwortung und macht das, was man in neudeutscher Sprache «policy choices» nennt. Die Frage, ob Qualitätswettbewerb gelebt wird, ist also keine primär recht-liche Frage, sondern eine der Vergabekultur. Auch die Frage, ob für die Vorbereitung eines komple-xen Projekts genügend Zeit von genügend qualifiziertem Personal zur Verfügung steht, ist nicht juristisch, sondern ebenfalls durch vergabekulturelle Steue-rungseffekte vorbestimmt.

Warum hapert es mit der Vergabekultur?

Nicht nur unter Milizpo-litikerinnen und Milizpolitikern und Führungskräften, die als Nichtspezialisten nebenbei für grosse Vergabeprojekte Verant-wortung tragen, hält sich hartnä-ckig das Vorurteil bzw. Ammen-märchen, wonach ein Zuschlag am einfachsten politisch zu verkaufen und begründbar ist, wenn man den preisgünstigsten Anbieter berücksichtigt. Und noch schlim-mer ist, dass einige Akteure glauben, dass es auch für den Fall einer Beschwerde am einfachsten ist, wenn das billigste Angebot zum Zug kommt. Aber die Justiz hat nach meiner Beobachtung längst erkannt, dass Qualitätsbe-wertungen ebenso in rechtskonfor-mer Weise den Ausschlag geben können wie das Preisargument. Fazit: Man muss nicht an das günstigste Angebot vergeben, um die rechtlichen Risiken zu mini-mieren. Aber diese Debatte muss breit geführt werden, die Luftho-heit über dem vergaberechtspoliti-schen Stammtisch will erkämpft sein. Die Schweiz hat immer den Qualitätswettbewerb betont. Dazu stünde ein reiner Preiswettbewerb im öffentlichen Beschaffungs-wesen in einem Wertungswider-spruch.

Kann das Gesetz etwas gegen die Tiefpreisspirale für Ingenieur­leistungen ausrichten?

Wo es Tiefpreisspiralen gibt, gibt es mit einer gewissen

Wahrscheinlichkeit auch nicht kostendeckende Angebote. Rechts-politisch relevant sein kann also die Frage, wie man mit Unterange-boten umgeht. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist man – der in der Mitte der 90er-Jahre geltenden Prämisse folgend – über-zeugt, dass garantierter Markt-zugang und Intensivierung des Wettbewerbs alle Probleme lösen. Dann ist die Tiefpreisspirale wenn nicht das Ziel, so jedenfalls der billigend in Kauf genommene Effekt der Regulierung des öffent-lichen Beschaffungswesens. Oder man sagt sich, dass die Tiefpreis-spirale einen Grenznutzen hat, was dazu führt, dass man die Vergabestelle verpflichtet, genauer hinzuschauen, wie denn solche Unterangebote zustande kommen, und die Anbieter mit Rückfragen zu konfrontieren. Das scheint tendenziell der europäische Ansatz zu sein. Die Schweizer Regulierung (Art. 25 Abs. 4 VöB) scheint dage-gen eher vom Geist der 90er-Jahre geprägt zu sein und auch so umgesetzt zu werden.

Welches sind die wichtigsten Gedanken im Zusammenhang mit der Vergaberechtsreform?

Ganz entscheidend und im Interesse namentlich auch der Anbieter ist sicher die Harmonisie-rung. Dadurch, dass die IVöB zu einer wesentlich dichteren Regu-lierung wird, die möglichst weitge-hend mit dem BöB übereinstimmt, sind die Anbieter in der Schweiz grundsätzlich überall mit dem möglichst weitgehend gleichen Regelwerk konfrontiert, was sicher ein Vorteil ist.

Dann sind die Verhandlun-gen ein Thema. Bisher kann auf Bundesebene mit den Anbietern verhandelt werden und auf kanto-naler Ebene nicht. Da gilt es nun, eine konsensfähige Lösung zu finden. Im kommunalen Kontext sind Verhandlungen wohl miss-brauchsanfälliger als im Rahmen von zentraler Beschaffung auf Bundesebene. Ein weiteres Thema ist die Möglichkeit, die Rechtskon-formität eines Zuschlags gericht-lich überprüfen zu lassen.

Wären Sie ein Planerverband, was würden Sie im Thema Beschaf­fung unternehmen?

Was nach meiner Wahr-nehmung schon passiert ist: Dass man sich offensiver Verbündete sucht als bisher und nicht einfach mehr nur im herkömmlichen Stil vor sich hin jammert. Das ist gut, um vergaberechtspolitische Themen an die Parlamentarierin-nen und Parlamentarier zu brin-gen. Was noch zu wenig passiert, ist der Austausch mit europäi-schen Planer- und Baumeister-verbänden, indem man die ganz einfach fragt, wie sie denn mit den gleichen Problemen umgehen. Was auch hilft, ist der Vergleich mit anderen Branchen. Am erstaun-lichsten ist für mich persönlich der vergaberechtspolitische Weg, den der Branchenverband der

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20 TEC21 37/2016

Textilindustrie (und mit ihr die armasuisse als Vergabestelle) hinter sich hat. (Das zeigt übrigens auch, was im Dialog zwischen Vergabestelle und Branchenver-band möglich ist.) Diese neue Linie beruht auf der Erkenntnis, dass der reine Preiswettbewerb zum Verschwinden schweizerischer Anbieter führt und dass öffent-licher Einkauf auch Reputations-risikomanagement ist – für die Vergabestelle, aber auch für die Anbieter. In vergleichbarer Weise hat der Bundesverband der Deut-

schen Industrie erkannt, dass die Belohnung von Ökoinnovation im Rahmen der öffentlichen Beschaf-fung den deutschen Ingenieuren in völlig europa- und welthandels-rechtskonformer Weise dient, und propagiert neuerdings Green Public Procurement, wogegen die economiesuisse die Nachhaltig-keitszielsetzung des Vergaberechts bekämpft. Hat der von mir fiktiv beratene Planerverband dieses strategische Radar einmal instal-liert, stellt sich die Frage nach dem politischen Mut, der die lo-

gische Konsequenz des festgestell-ten Leidensdrucks sein müsste. Die Maxime «Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass» hilft in diesem Kontext sicher nicht weiter.

Jede Form der Berücksich-tigung von Qualität erhöht die Chancen hiesiger Anbieter – und das in den meisten Fällen in absolut rechtskonformer Weise. •

Das Gespräch führte Dennis Raschpich­ler, Dipl. Arch. ETH, Verantwortlicher Vergabewesen, [email protected]

iele Vermessungsingenieu- re und Geometer haben nach dem Beitrag in TEC21

24/2016 zur Eröffnung des Gotthard-tunnels trocken geschluckt: Sie sind es ja leider gewohnt, dass ihre Arbeit nicht zur Kenntnis genommen und noch weniger gewürdigt wird. Aber wie wäre es ohne ihre Präzisions-messungen möglich, dass sich zwei über weite Strecken unabhängig voneinander gebohrte, nicht ge-radlinig verlaufende 57 km lange Tunnelröhren über vier Tunnel-abschnitte zwischen Erstfeld, Am-steg, Sedrun, Faido und Bodio je-weils tief im Berg hätten treffen können – mit unheimlich anmuten-der Genauigkeit, zwischen Sedrun und Faido zum Beispiel in der Lage auf 8 cm und in der Höhe gar auf 1 cm genau?

Schon 1992, also zwei Jahre vor der Ausschreibung des Bau pro-jekts für den Tunnel, bildete sich das Vermessungskonsortium VI-GBT, bestehend aus drei spezialisierten Büros. Unter 126 Bewerbern erhielt

AUS DEN BERUFSGRUPPEN: VERMESSUNG DES GOTTHARD-BASISTUNNELS

GPS ist kein Ersatz für traditionelles Vermessungshandwerk

Wesentlich war der Anteil der Vermessungsingenieure am Bau des Gotthardtunnels. Die perfekte Vorarbeit dieser Disziplin

wird auch bei anderen Grossprojekten gern übersehen.Text: Fritz Zollinger

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man den Zuschlag, u. a. wegen ein-schlägiger Projekterfahrung und langjährig bewährter Zusammen-arbeit mit Hochschulen und Instru-mentenherstellern. Das Konsortium garantierte die notwendige 20-jäh-rige Kontinuität und eine fundierte Risikoabschätzung.

Die eigentlichen Vermessungsarbei-ten wurden durch Spezialisten der Konsortiumspartner mit mehr als 120 Fachleuten sozusagen «rund um die Uhr über 365 Tage im Jahr» während fast 20 Jahren (oft an vertraglich ausbedungenen Feier-tagen) ausgeführt. Die Kosten für die

Ohne Vermessungsingenieure würde kein Bauwerk am vorgesehenen Ort stehen.

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21TEC21 37/2016

Die Arbeitsgruppe Beton (AG Beton)sucht Vertreter von Bauherren und Planungsbüros. Die AG Beton – ist für den SIA und insbeson-

dere für die SIA 262 der An-sprechpartner für das Thema Beton;

– ist das führende schweizeri-sche Normengremium für technische und ökologische Fragen zum Beton, zu dessen Ausgangsstoffen, Recycling und Schutz;

– stellt den Informationsfluss zwischen den schweizerischen und europäischen Normen-schaffenden sicher;

– ist Anlaufstelle für Dritte bei Fragen zu ihrem Fachgebiet.

Bei Interesse an der Mitarbeit in der AG Beton sollten Sie folgende Voraussetzungen erfüllen: – Ausbildung als Ingenieur/-in

ETH/HTL/FH oder Geologe/-in; – aktuelles fachtechnisches

Wissen in den beschriebenen Themenfeldern;

– Sprachkenntnisse in Deutsch, Französisch und Englisch;

– SIA-Mitgliedschaft ist er-wünscht.

Durch die Mitarbeit in den SIA- Kommissionen und Arbeitsgrup-pen haben Sie die Möglichkeit, bei der Gestaltung der Arbeitsgrund-lagen der Baubranche mitzuwirken. Gleichzeitig profitieren Sie vom Fachwissen der Kolleginnen und Kollegen, erweitern Ihr berufliches Netzwerk und bauen sich über die Jahre einen Wissensvorsprung auf.

Das Mitwirken in SIA-Kommis sionen und Arbeitsgrup-pen geschieht ehrenamtlich. Die Spesenentschä digung erfolgt ge-mäss SIA-Reglement. •

Bei Fragen wenden Sie sich an Dr. Fritz Hunkeler, Präsident der AG Beton: [email protected], Tel. 062 887 72 25, oder an Heike Mini, SIA Geschäftsstelle, Tel. 044 283 1542.

Interessentinnen und Interessenten sind eingeladen, ihren Lebenslauf mit Begleitschreiben bis 31.10.2016 zu senden an: SIA Geschäftsstelle, Heike Mini, Selnaustrasse 16, 8027 Zürich oder per E-Mail an: [email protected]

Betonexperten gefragt

Die Arbeitsgruppe Beton der SIA-Normkommission 262 sucht Ingenieure

und Geologen als neue Mitglieder. Text: SIA

Vermessung des Tunnels beliefen sich auf ca. 10 Mio. Franken, d. h. auf weniger als 1 % der gesamten Bau-kosten von 12 Milliarden.

Die Vermessung erfolgte ei-nerseits nach bewährten Grund-sätzen, wie sie schon beim ersten Tunnel 1880 angewendet worden sind, wurde andererseits jedoch durch modernste Technologien er-gänzt oder ersetzt. Dazu wenige Ausführungen:

Vor dem Bau benötigte man früher zur Bestimmung der rela-tiven Lage der beiden bzw. aller Tunnel-Haupt- und -Zwischenan-griffsportale eine Triangulation über das ganze Gebiet des Tunnels. Damals wurden mittels Theodoliten (Winkelmessgeräte) in Dreiecken zwischen Fixpunkten (Gipfel, mar-kante Kreten u. a.) die Winkel gemes-sen, worauf mit einer Basisdistanz alle Distanzen zwischen den Fix-punkten und damit auch zwischen den Portalen errechnet wurden. Diese klassische Triangulation über den Berg wurde 1995 vollständig durch spezielle GPS-Methoden er-setzt. Was früher in monatelanger mühsamer Feldarbeit erarbeitet wurde, konnte mit 15 gleichzeitig eingesetzten GPS-Geräten auf gut 30 Messpfeilern in Portalnähe und Fixpunkten über das Projektgebiet von 60 km Ausdehnung in nur zwei Einsatztagen erledigt werden, und dies dank präzisen Satelliten-daten mit Genauigkeiten von weni-gen Millimetern.

Im Innern des Bergs ist der GPS-Einsatz nicht möglich: Wo man sich früher ab jedem Portal mit je einem Polygonzug (Einmessen von Punkten in der Achse durch Winkel- und Distanzbestimmungen) vor-wärts orientierte, kam neu eine ausgeklügelte «Tunnel-Triangulate-ration» zum Einsatz; man legte ein sehr dichtes, extrem überbestimm-tes Netz von mehrfach vermessenen Punkten an. Das tönt einfach, ist es aber im Tunnel gar nicht: Dort füh-ren nebst dem sich aufsummieren-den Winkelfehler auch verschieden warme Luftschichten zu unter-schiedlichen Brechungen des Lichts bzw. Messstrahls. Nicht unerhebli-che Fehler und Abweichungen kön-nen daraus resultieren. Mit einem

sogenannten Vermessungskreisel (ein rotierender Kreisel richtet sich nach der Erdachse aus) waren dar-um immer wieder (in diesem Projekt ca. alle zwei Kilometer) Kontroll- bzw. Stützmessungen notwendig. Nur dank dieser Technik waren die Zwischenangriffe mitten im Tunnel in grosser Tiefe (Amsteg, Sedrun und Faido) möglich, die die Tunnel-bauzeit gewaltig verkürzten.

Wir Architekten, Ingenieure und Planer sollten es uns immer wieder bewusst machen: Ohne Vermessung würde kein Bauwerke am vorgese-henen Ort stehen und rechtzeitig fertiggestellt! •

Fritz Zollinger, Präsident Berufsgruppe Umwelt, Mitglied im Fachverein geosuisse, [email protected]

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23VeranstaltungenTEC21 37/2016

Weitere laufende Veranstaltungen finden Sie unter: www.espazium.ch

AUSSTELLUNG 30.9.–29.10.2016

Zai Xing Tu-Mu

Die Ausstellung behandelt die Rolle, die Museen als Motoren des Fort-schritts innerhalb der sozio-politi-schen und kulturellen Landschaft Chinas heute spielen. Sie untersucht die damit verbundenen Aufgaben und Ziele von Museen vor dem Hin-tergrund der globalen digitalen, ur-banen und demografischen Heraus-forderungen des 21. Jahrhunderts und geht zudem ortsspezifischeren Fragen nach kulturellem Erbe und Identität nach. Ort: Aedes Architekturforum, Berlin Infos: www.aedes-arc.de

MESSE 20.–23.9.2016

glasstecDie Messe präsentiert Neuheiten, Trends und Lösungen und verschie-dene Rahmenveranstaltungen rund ums Thema Glas. Ort: Messe Düsseldorf Infos: www.glasstec.de

AUSSTELLUNG 23.9.–11.12.2016

Architektur im BildDas Kunsthaus Zürich zeigt eine Ausstellung über die Architektur in der Kunst. Die Präsentation umfasst über 20 Werke – kleine Veduten, prächtige Gemälde, Fotografien und Skulpturen von Max Ernst, Bernar-do Bellotto, Francesco Guardi, Vin-cent van Gogh, Thomas Struth u. v. a.Ort: Kunsthaus Zürich Infos: www.kunsthaus.ch

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MESSE 17.9.–20.11.2016

IBA Basel ExpoDie Expo lädt Besuchende ein, die Vergangenheit, Gegenwart und Zu-kunft der Metropolitanregion Basel zu entdecken. Internationale Bau-ausstellungen zählen seit mehr als 100 Jahren zu den erfolgreichsten Instrumenten der Raum- und Stadt-entwicklung in Deutschland. Die IBA Basel 2020 ist die erste IBA, die die-ses Format über die Grenze trägt. Die sechs multimedialen Stationen in der IBA Basel Expo ermöglichen es, die Vision und Ziele der IBA Basel interaktiv zu erleben.Ort: Voltahalle Basel Infos: www.iba-basel.net

FACHTAGUNG 29.9.2016

3DGIUnter dem Motto «3-D-Geoinforma-tion in Aktion» finden Vorträge z. B. zu 3-D-Kartografie im neuen Atlas der Schweiz oder zum Mehrnutzen durch Visualisierung von 3-D-Geoinforma-tionen in der Städteplanung statt.Ort: Campus FHNW, Olten Infos: www.3dgi.ch/3dgi2016/

TAGUNG 28.10.2016 | 8–17 UHR

BIM KongressDie Digitalisierung hat die Schwei-zer Bauwirtschaft erreicht und führt in der ganzen Wertschöp-fungskette zu Veränderungen. Der Schweizer BIM Kongress 2016 bietet einen Überblick zu den aktuellen Fragestellungen. Ort: Maag Halle, Zürich Infos: www.bauen-digital.ch

AUSSTELLUNG BIS 7.10.2016

Olympic Realities

Weltrekorde, Heldengeschichten, Tränen der Verlierer: Olympische Spiele sind das grösste und wichtigste internationale Sportereignis. Für zwei Wochen blickt die Welt auf eine Stadt, doch nach Tagen des kollektiven Freudenrauschs kehrt die Normalität zurück. Aus den gi-gantischen Sportstätten werden oft verlassene Denkmäler, einsame «weisse Elefanten». Die Ausstellung «Olympic Realities» nimmt den Betrachter mit auf eine Reise durch sechs Städte, aus denen der olym-pische Sportzirkus ausgezogen ist. Fotograf Bruno Helbling führt die Besucher zu Hüllen, denen der olympische Geist entwichen ist. Ort: Architekturforum Zürich Infos: www.af-z.ch

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24 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

ALPTRANSIT GOTTHARD

Uri will nicht abgehängt werden

Der Kanton Uri leidet unter Abwanderung und trägt nationale Transitlasten. Für die Alpentransversale will man aber

nicht nur Landverluste oder Lärm in Kauf nehmen, sondern die neue Infrastruktur für ein überschaubares Wachstum nutzen.

Text: Paul Knüsel

Sinnbild für die ungewisse Entwicklung des Urner Reusstals: Das Eisenbahnerdorf Erstfeld liegt an der Nord-Süd-Transitverkehrs-achse, die nächsten Jahre aber ohne direkten Anschluss an den Gotthard-Basistunnel (im Bild: Seilbahn Erstfeld–Schwandiberg).

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25Kann Uri Anschluss halten?TEC21 37/2016

rstfeld im Kanton Uri erstreckt sich über 59.75 km2; die Gemeindefläche ist grös ser als die Stadt Bern. Das Meiste davon nehmen «wunderschöne Alp-gebiete und stolz in den Himmel ragen-de Berge» ein, lockt die Tourismus-

werbung. Dagegen sind nicht einmal 10 % des Grund und Bodens dort, wo sich das flache untere zum schrof-fen oberen Reusstal verengt, als Wirtschaftsraum nutz-bar. Die aktuelle Einwohnerzahl beträgt 3836. Zuletzt wurde ein Rettungs- und Unterhaltszentrum für den neuen Gotthard-Basistunnel gebaut, was neue Arbeits-plätze im Dorf schafft. Die SBB sind zwar grösste Ar-beitgeberin, doch die Bedeutung der Gotthardbahn für das Eisenbahnerdorf schwindet stark: Die Bevölke-rungszahl ist seit den 1970er-Jahren fast ununterbro-chen gesunken. Die viertgrösste Urner Gemeinde darf somit als Spiegelbild für die schwer einschätzbaren Verän derungen gelten, die die Eröffnung der Gotthard-Trans ver sale (vgl. TEC21 18–19/2016) dem Berg kanton bringen wird. Das Nordportal zwar im Blick, wird die Bahnfahrt von Uri ins Tessin um keine einzige Minute verkürzt. Zudem werden Erstfeld und der südliche Kan-tonsteil vom Schnellzugverkehr ganz abgehängt (vgl. Kasten «Zusatzmittel für Bergstrecke», S. 32). Allerdings gibt es auch Stimmen, die den Rückzug der Bahn posi-tiv kommentieren. Weil es ruhiger werde, könne Neues entstehen. Tatsäch lich wird in und um Erstfeld derzeit auffallend viel Wohnungsbau realisiert.

Abwanderung aus den Seitentälern

Ansonsten konzentriert sich das Wachstum im Kanton Uri auf Lagen mit Seeblick und in der Reussebene. Drei Viertel der Wohnbevölkerung leben im Talboden. Aus den Berggemeinden wandern die Menschen dagegen ab; die Einwohnerzahl im oberen Reusstal hat sich seit 1970 beinahe halbiert. Als besonders dramatisch werden die Perspektiven für die jüngeren Generationen beurteilt. Die Schülerzahlen auf Primarstufe und in den Gymnasien brechen regelrecht ein: Die Abnahme zwischen 2006 und 2013 liegt bei 15 % respektive über 20 %. Zusätzlich kehrt jeder zweite Universitäts- oder Fachhochschulabsolvent nicht mehr zurück. Der Kanton hat daher ein Pilotprojekt lanciert, um dem Manko an Ausbildungsplätzen für Jugendliche entgegenzuwirken. Beispielhaft zeigt auch die Gemeinde Unterschächen in ihrem Siedlungsleitbild 2015 auf, wie die «Abwanderung gestoppt werden soll». Bemerkenswerterweise sind die Wünsche der ortsansässigen Jugendlichen in dieses Raumplanungsdokument eingeflossen.

Erreichbarkeiten mit öV verbessern

Die grössten Hoffnungen, von der ausgebauten Nord-Süd-Bahnachse zu profitieren, werden an den «Kan-tonalbahnhof» Altdorf gerichtet. Dieser geplante öV- Knoten soll den Urner Anschluss an den internationalen Bahnverkehr sichern und eine Verbindung zum über-regionalen, regionalen und lokalen Transportnetz her-

stellen. Die Kantonsbehörde muss mit den SBB und dem Bund eine Vereinbarung finden, damit der auf-gewertete Bahnhof Altdorf ab 2021 die letzte Sta tion  vor dem Eintauchen in den Basistunnel wird. Zum einen sind bis dann die Bahninfrastruktur und der Standort als Drehscheibe für den überregionalen und kantons-internen Busverkehr auszubauen. Zum anderen ist das angrenzende Areal neuerdings ein Entwicklungs-schwerpunkt, das zum gemischten Dienstleistungs- und Wohnquartier umgenutzt und verdichtet werden soll (vgl. Kasten «Entwicklungsareale», S. 27). Die SBB haben bereits mitgeteilt, die Bauherrschaft über den Umbau des Bahnhofareals übernehmen zu wollen; die übrigen, definitiven Verkehrs- und Investitions-beschlüsse sind nicht vor Mitte 2017 zu erwarten. Es gibt hier einiges zu tun: Aktuell ist das Bahnhofareal von Altdorf eine städtebauliche Wüste, mit dispersem, disparatem und unausgegorenem Charakter.

Arealumnutzung im Talboden

Eine weiter gehende Perspektive bietet die Umnutzung des bahnhofsnahen Gebiets «Eyschachen», das an der Gemeindegrenze Altdorf-Schattdorf liegt. Das ehema-lige Getreidemagazin des Bundes besteht aus teilweise geschützter Bausubstanz und steht auf einem 12 ha grossen Areal im Besitz des Kantons und des Militärs. Die Lagerhäuser des Ingenieurs Robert Maillart sollen erhalten bleiben, so das Resultat einer Testplanung. Das Hauptinteresse an dieser Arealentwicklung ist jedoch wirtschaftlicher Natur: Aus dem «Eyschachen» soll ei-nes der grössten Gewerbe- und Industriequartiere in Uri entstehen. Das Architekturforum Uri setzt sich bis-her dafür ein, dass der gesamte Gebäudebestand er-halten bleibt und dessen vollumfängliche Umnutzung Teil des Entwicklungsprojekts werden kann.

Agglomerationsprogramm für das Reusstal

Die angestrebte räumliche und wirtschaftliche Ent-wicklung im unmittelbaren Einflussbereich des Bahn-hofs Altdorf soll mit dem «Agglomera tionsprogramm Unteres Reusstal» untermauert werden. Damit will die Kantonsbehörde das funktionale Profil des Talbodens als eigenständiger, qualitativ wertvoller Siedlungs-, Verkehrs- und Landschaftsraum schärfen. Beabsichtigt sind eine gemeindeübergreifende Zusammenarbeit, das Verdichten der Ortszentren sowie die Koordination zwischen Siedlung und Verkehr. Herausforderungen sind dabei das Beleben selbst grosser Dorfzentren und das Korrigieren der üblichen Raumplanungsfehler: Die Talgemeinden Flüelen, Altdorf, Bürglen und Schatt-dorf wachsen vor allem an den peripheren Lagen; der Siedlungsbrei ist auch im Urnerland angekommen. Die Pläne zum Agglomerationsprogramm sollen Gegen-steuer geben; sie sind vor wenigen Monaten in die öf-fentliche Vernehmlassung gegeben worden. •

Paul Knüsel, Redaktor Energie/Umwelt

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26 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN

Ein Schub, auch für mehr Baukultur

Ein Gespräch mit der Urner Architektin Margrit Baumann über die räumlichen Perspektiven im Kanton,

die Zentrumsentwicklung in den Gemeinden, den Umbau von alten Bauernhäusern und die Förderung der Baukultur.

Text: Paul Knüsel

TEC21: Frau Baumann, der Bahnhof im Urner Kan­tonshauptort Altdorf soll zum Anschlussknoten an die Alpentransversale werden. Das Areal liegt aber abseits des Siedlungskerns. Was gibt es da zu leisten?

Margrit Baumann: Der Bahnhof ist über die knapp 1.5 km lange Bahnhofstrasse mit dem histori-schen Kern verbunden. Diese Achse ist teilweise zwar eine schöne Allee, aber nur wenige Häuser grenzen direkt daran. Sie ist seit ihrem Bau vor über 130 Jahren nie richtig aktiviert worden. Ursprünglich ist der Bahnhof nur entstanden, weil Altdorf einen Bahn-hof wollte, die Gotthardbahn brauchte dort bahn-technisch keinen. Über den genauen Standort wurde daher gerungen. Am Schluss setzte sich die Bahn mit der peripheren Lage durch und realisierte im Gegenzug die Bahnhofstrasse. Der Bahnhof ist seither für die Siedlungsentwicklung von Altdorf ein un-wichtiges Gebiet geblieben; dort ist nichts passiert. Bisher war die Anbindung eher auf die Achse Flüelen–Altdorf–Erstfeld bezogen. Die Ost-West-Verbindung über die Bahnhofstrasse ist derzeit gar nicht wichtig. Basierend darauf hat sich daraus kein städtebau-liches Zentrum ergeben.

Worauf muss bei der räumlichen Entwicklung rund um den Verkehrsknoten geachtet werden?

Begleitend zur Aussicht, den Kantonsbahnhof an den internationalen Bahnverkehr anbinden zu können, muss die Ostseite des Bahnhofs gestärkt werden. Der Platz wird zum Knoten für den öffent-lichen Busverkehr und ist zudem Entwicklungsgebiet

mit Dienstleistungscharakter, das als direktes Gegen-über zum Siedlungskern zu verstehen ist. Daraus kann eine Wechselwirkung zwischen Alt und Neu entstehen, die den Raum dazwischen prägen soll.

Warum steckt der ganze Kanton derart grosse Hoffnungen in den Ausbau des Bahnhofs Altdorf?

Uri hat 35 000 Einwohner. Wirtschaftlich ist ein NEAT-Halt im Kanton für die SBB als Bahnbetrei-ber nicht zwingend. Allerdings glauben wir an die überregionale Bedeutung dieses Bahnknotenpunkts. Daher soll auf der Westseite Platz für die Anbindung an den Bus-Fernverkehr innerhalb des Kantons-gebiets und zwischen Uri, Nid-, Obwalden und Luzern zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist ein Parking für den Individualverkehr geplant. Diese Nachbarn würden mit dem Kantonsbahnhof Altdorf jedenfalls eine nähere Zustiegsvariante zur NEAT erhalten als mit dem Sackbahnhof in Luzern oder in Arth-Goldau. Das Gebiet um den Bahnhof würde durch die kan-tons interne und überregionale Verkehrsanbindung gestärkt. Es zeigt sich ja wiederholt, wie wichtig solche Schnittstellen sind, um das Potenzial für eine Siedlungsentwicklung auszuschöpfen.

Sie haben an der Testplanung für das Bahnhofsareal mitgewirkt. Welche Inputs sind für die Nutzungs­planung zu berücksichtigen?

Wir haben in einem Team aus Verkehrs-planern, Landschaftsarchitekten und Architekten mitgearbeitet, wobei Erstere federführend waren. Wir haben drei Szenarien, das heisst unterschiedliche Entwicklungsstrategien aufgezeigt: eine Neustadt auf der Westseite des Bahnhofs, eine geteilte Stadt dies- und jenseits der Bahnlinie sowie eine Misch-form, die den jetzigen Bahnhofplatz auf der Ostseite der Gleise aktivieren soll. Letztere kann den beste-henden Kern, wie bereits betont, stärken und lässt gleichzeitig die Entwicklungsoption für eine Neustadt rund um den Kantonsbahnhof offen. Die Gedanken

Margrit Baumann ist seit 1996 Inhaberin eines eigenen Büros für Architektur in Altdorf. Sie war langjähriges Mitglied der Natur- und Heimatschutz-kommission des Kantons Uri und ist aktuell für die Gestaltungs-kommission Glarus Süd tätig.

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27Kann Uri Anschluss halten?TEC21 37/2016

EntwicklungsarealeDas Bahnhofsgebiet Altdorf und das Gewerbeareal «Ey-schachen» südlich davon sind die zentralen Elemente des Entwicklungsschwerpunkts Urner Talboden (ESP UT). Für beide Areale sind städtebauliche Test- und Masterplanun-gen durchgeführt worden, deren Inhalte und Grundsätze bereits in eine formale Planungsgrundlage (Quartierge-staltungspläne) überführt werden konnten. «Eyschachen» ist rund 12 ha gross; darauf soll, ergänzend zum geschütz-ten Getreidemagazin (Abb. ganz unten), eine dichte Be-bauung mit Industrie- und Dienstleistungsgebäuden und bis zu 2500 Arbeitsplätzen entstehen (Abb. darüber). • (pk)

dahinter sind: Die Neustadt soll nicht etwas Eigenes, Isoliertes werden und allenfalls sogar zur Entleerung des Dorfkerns beitragen. So würde die Siedlungs-entwicklung von Altdorf nur verlieren.

Werden auch Bedenken über die anstehende Ent­wicklung rund um den Bahnhof Altdorf geäussert?

Nein, im Gegenteil. Das ist die grosse Hoffnung in den NEAT-Anschluss: Eine bessere Erschliessung schafft die Möglichkeit, dass Leute von aussen nach Uri ziehen. Denn die Leute wandern nicht nur aus dem Oberland und den Seitentälern ab. Junge Leute kommen nach dem Studium gar nicht mehr zurück. Und unabhängig vom NEAT-Halt darf der Basistunnel nicht dazu führen, dass das Oberland zwischen Erstfeld und Göschenen, etwa mit der Stilllegung der Bergstrecke, abgehängt wird. Es bringt aber tatsächlich nichts, wenn nun einfach mehr gebaut würde. Wir denken an eine qualitativ hochstehende Entwicklung. Es muss eine Identität geschaffen werden, und dafür braucht es eine gute Baukultur. Dazu beitragen kann die öffentliche Hand direkt, wenn die Entwicklung über Wettbewerbsver-fahren geschieht, etwa im Altdorfer Bahnhofsgebiet.

Was hat die Testplanung, die vor drei Jahren durch­geführt wurde, inzwischen konkret ausgelöst?

Die Gemeinde Altdorf hat einen Gestaltungs-plan festgesetzt, der für das Bahnhofsquartier eine Zone vorsieht, in der bis zu 24 m hohe Gebäude mög - lich sind. Der Entwicklungsraum soll massiv dichter überbaut werden als bisher. Nun sind private Inves-toren gesucht. Wichtige Fäden aber haben der Kanton selbst und die SBB in der Hand. Letztere haben gewisse Investitionszusagen gemacht. Zum einen soll damit die Bahninfrastruktur ausgebaut werden. Zum anderen geht es um das Bahnhofsgebäude. Offen ist jedoch, ob ein Ersatzneubau oder eine einfa-chere bauliche Erweiterung realisiert werden soll.

Und wie wird der städtebaulich hochwertige Ent­wicklungsprozess in Gang gesetzt?

Für das Bahnhofsgebiet ist ein Wettbewerb geplant. Dass wichtige Bauten in einem solchen Verfahren ausgewählt werden, hat in Altdorf eine gewisse Tradition. Bei dieser Aufgabe ist das be-sonders wichtig, weil es hier um Identitäten und um ein Zusammenspiel zwischen Alt und Neu geht. Ein modernes Outfit genügt nicht; auch die Rückkop-pelung muss eine gewisse Kraft ausstrahlen können. Denn beim Anknüpfen an bestehende Strukturen ist das kollektive Gedächtnis zu bewahren, wie von Aldo Rossi formuliert. Auf dieser Basis soll die Entwick-lung stattfinden. Das Bestehende ist ein Mehrwert, den Uri an vielen Orten noch immer zu bieten hat.

Welchen Mehrwert meinen Sie?Von den 20 Urner Gemeinden sind drei Viertel

im ISOS verzeichnet und verwalten daher Siedlungs-kerne von nationaler Bedeutung. Diese intakten

Dorfkerne blieben erhalten, weil die 1980er-Jahre bei uns nicht derart massive Veränderungen gebracht haben wie beispielsweise im Mittelland. Noch vor zehn Jahren ist fast nichts mehr gelaufen. Bauen und Wohnen war und ist an vielen Orten immer noch uninteressant. Deshalb sind so viele gute Dorfkerne erhalten geblieben, die eine Identität darstellen. Damit müssen wir arbeiten und uns damit ausein-ander setzen, wie die Kerne zu stärken sind. Fakt ist, dass viele Dorfzentren in Uri immer leerer werden.

Sie haben sich mit dem «Bauen gegen die Abwan­derung» mehrfach exponiert. Wie wird die negative Entwicklung gestoppt, wenn die Investoren kaum Schlange stehen?

Im Vordergrund stehen sowieso Qualitäten und nicht die Rendite. Das Prinzip ist, tote Gebäude im Kern eines Dorfs zu aktivieren. Jeweils mit ande-ren Mitstreitern zusammen konnte ich derartige Liegenschaften erneuern und die vorhandenen

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28 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

Alterswohnungen Rothus, Wassen

Umbau einer Zentrums-liegenschaft zu einem Wohnhaus mit Alters-wohnungen in Wassen; Architektur: Margrit Baumann; Reali-sierung: 2005/2008.

Qualitäten erhalten. Grundvoraussetzung ist eine Architektur mit schonenden Eingriffen, die sich in den Bestand integrieren will. In Bürglen, oberhalb von Altdorf, war es eine alte Hofstatt mit Haus und Stall, die selbst Schutzobjekt ist und im geschützten ISOS-Kern steht. Der Umbau und die Umnutzung haben Zeichen gesetzt, dass man alte Bauernhäuser zu etwas Zeitgemässem weiterführen kann. Solche Bauaufgaben werden im Kanton nicht länger ge-scheut. Dank der Umnutzung des Stalls zum Wohn-haus ist die Verdichtung im Dorfkern gelungen.

Wie setzt man dies architektonisch um, zumal Bauernhäuser oft klar gegliedert sind und im Aus­gangszustand ein karges Bild abgeben können?

Traditionelle Themen wie das Steildach sind faktisch gegeben; aber die Denkmalpflege muss Veränderungen gestatten, damit beispielsweise eine Lukarne eingebaut werden kann. Aber es geht auch darum, eine moderne Interpretation der Holzfassade zu wagen. Im Innern lassen sich zudem moderne, grosszügige Räume entwickeln. Im Vergleich zu Neubauten besitzen Bauernhäuser zwar niedrigere Raumhöhen, doch im Gegenzug sind die Flächen gross zügiger. Zudem bietet die Befensterung über Eck eine grosszügige natürliche Belichtung. Und weil die meisten Bauernhäuser bereits zwei Eingänge besitzen, lassen sich diese in zwei Wohnungen mit separater Erschliessung aufteilen. Das Weiterführen

der traditionellen Bauweise und der äusseren Er-scheinung ist aber essenziell: So besteht die Hofstatt in Bürglen zwar nun aus zwei Wohnliegenschaften, doch das alte Haus und der umgenutzte Stall sind als Einheit von zwei Architekturbüros erneuert worden.

Wie war die Konstellation in Wassen, damit da die Zentrumsentwicklung möglich wurde?

Es braucht Leute mit Engagement. Am Anfang der Entstehungsgeschichte beim Rothus von Wassen stand eine private Initiative, um den tristen Kern von Wassen wiederzubeleben. Es handelte sich um eine leer stehende Liegenschaft. Und in den Häusern rechts und links davon wohnte auch niemand mehr. Der konkrete Anstoss kam von der ehemaligen Gemeindepräsidentin, die selbst ein Geschäft im Zentrum betreibt. Dies löste eine gemeinsame Dis-kussion über die Handlungsoptionen aus: Was kann man machen, damit der Kern nicht ganz kippt?

Und wie lautet die Antwort?Wir haben nach einer Nutzung gesucht, die

zu einer Synergie mit dem Bestand führt. Die Idee war, Alterswohnungen zu realisieren, um damit Wohnraum für junge Familien frei werden zu lassen. Wir mussten aber eine eigene Stiftung gründen, weil anfänglich kaum jemand an ein Gelingen dieses Projekts geglaubt hat. Wesentlich war die Hartnäckig-keit der ehemaligen Gemeindepräsidentin. Die Strategie ist aufgegangen. Die Schulden konnten inzwischen abbezahlt werden. Wesentlich aber war: Wir konnten den preisgünstigen Budgetrahmen einhalten, sodass die Miete jeder Alterswohnung nur 1200 Franken beträgt.

Welchen Nutzen bietet das Projekt dem Dorfzentrum?Nicht weit davon entfernt steht das Alters-

heim von Wassen, für das eine ehemalige Hotel-liegenschaft umgenutzt worden ist. Die Bewohner aus dem Rothus können nun beispielsweise im Altersheim essen und den Wäsche- und Notfallservice nutzen. Die erneuerte Liegenschaft bietet zudem ein Sitzungs-zimmer, ein Gästezimmer und ein Bad, das der Gemeindebevölkerung vermietet wird. Wir hätten gern einen Dorfladen oder einen Kiosk beherbergt; aber dafür gab es keine Nachfrage. Hingegen wird unsere Parkieranlage von Anwohnern gern mit-benutzt. So können wir etwas zur Attraktivität des Dorfzentrums beitragen.

Macht dieses Beispiel Schule?Ja, ja, ich denke schon. In Seedorf wurden

im ehemaligen Kloster Alterswohnungen eingebaut. Im Dorfkern von Flüelen soll ein vergleichbares Projekt, kombiniert mit der Umnutzung einer Hotel-liegenschaft, realisiert werden. Und in Bauen am Urnersee läuft aktuell ein Studienauftrag, an dem unser Büro teilnimmt: Dort soll ein ehemaliges Bürgerbauernhaus im Dorfkern erneuert und mit preisgünstigen Gemeindewohnungen für Familien

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29Kann Uri Anschluss halten?TEC21 37/2016

Hofstatt zur Stiege, Bürglen

Gestaltungsplan für das Hofstatt-Ensemble; Erneuerung Haus zur Stiege, Umbau Stall und Parkierung mit Gartenanlage; Architektur: Margrit Baumann, Altdorf / loeligerstrub, Zürich; Realisierung 2000/2003

ausgestattet werden. Trotzdem bleibt die Grundfrage für viele der kleinen Gemeinden, wie attraktiv sie als Wohnorte für junge Leute sind. Wir sind mit der Abwanderung beschäftigt. Das ändert die NEAT- Eröffnung kaum.

Wie beurteilen Sie die gegenläufige Entwicklung im Tourismusresort Andermatt? Droht dort das Wachs­tum auszuufern?

Andermatt soll sich sicher nicht so entwickeln wie Davos oder Flims. Das Konzept des Tourismus-resorts baut darauf, die Landschaft und den beste-henden Dorfkern zu erhalten. Klar ist auch, dass dabei Bedürfnisse aufeinanderstossen zwischen der Forderung nach maximalem Luxus und dem Wunsch nach intakter Idylle. Diese Wahrnehmungskonflikte gibt es: Städter betrachten eine Brache wie Uri bevor-zugt als Erholungsraum. Doch die Leute vor Ort wollen nicht nur den Verkehr und die Infrastruktur ertragen, sondern in ihrer Entwicklung auch davon profitieren.

Von den Kantonen Tessin oder Graubünden können wir zum Teil lernen, wie sich die Verbindung des kollektiven Gedächtnisses mit der modernen Welt zur Stärkung der Baukultur nutzen lässt. •

Mit Margrit Baumann sprach Paul Knüsel, Redaktor Energie/Umwelt

MONITORING ZU VERKEHR UND RAUM

Vieles liegt in den eigenen Händen

Der Bund untersucht gemeinsam mit den betroffenen Kantonen, wie sich die neue Gotthard-Bahnachse auf Verkehr und Raumentwicklung auswirken wird. Die Hypothesen lassen positive Impulse für Uri erwarten.

Text: Aurelio Vigani

nfang der 2000er-Jahre lancierte das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) eine Studienreihe zu den «Räum-lichen Auswirkungen der Verkehrs-infrastrukturen» (EIT). Die Absicht war, aus der Vergangenheit zu lernen

und ein Modell zu erhalten, das die räumlichen Effekte von Infrastrukturprojekten in verschiedenen Phasen bewerten kann (vgl. Kasten «… und zweitens als man denkt», S. 31). In diese Reihe gehört auch das «Monitoring

AGotthard- Achse» (MGA), ein Gemeinschaftsprojekt der Bundes ämter für Raumentwicklung, für Verkehr (BAV), für Strassen (Astra) und für Umwelt (Bafu) sowie der Kantone Tessin und Uri. Damit wird verfolgt, wie sich der Personen- und Güterverkehr entlang der neu-en Achsen entwickelt und wie sich dies auf die Umwelt und den Raum auswirkt. Das Gotthard-Monitoring zieht dreimal Bilanz: 2016 mit der Eröffnung des Basistunnels, 2020 mit der Eröffnung des Monte-Ceneri-Zubringers und 2025 für den Abschlussbefund.

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30 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

Frühzeitiges Potenzial erkannt

Mit der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) will der Bund den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene verlagern. Die vom Bauwerk unmittelbar be-troffenen Kantone Uri und Tessin erkannten frühzeitig das zusätzliche Potenzial für die eigene räumliche, re-gionalwirtschaftliche Entwicklung. So hat Uri im Richt-plan vorausgedacht: Hinsichtlich des Verkehrsangebots, der Durchquerung des Kantons und der Raumentwick-lung in der Reussebene werden behördenverbindliche Ziele formuliert, die direkt und indirekt mit der NEAT zusammenhängen.

Anschluss an neues Leistungsangebot

Verkehrsplanerisch verfolgt Uri mehrfache Absichten. Zentral sind die Ausbauvorhaben für den Kantonal-bahnhof Altdorf zum wichtigsten Hauptknoten im un-teren Reusstal und für die nördlichen Bahnangebote nach Luzern, Zug und Zürich, etwa mit halbstündlichen, möglichst direkten Verbindungen. Nach Süden soll da-gegen das Leistungsangebot aufrechterhalten bleiben, wobei ein Anschluss an das neue Leistungsangebot mit dem Gotthard-Basistunnel verlangt wird. Die Gott-hard-Bergstrecke soll weiterhin durch interregionale Zugverbindungen bedient werden.

Der Bahnhof Flüelen soll seine Bedeutung als Um-steigemöglichkeit zwischen Bahn und Schiff behalten. Erstfeld und Göschenen erhalten weitergehende Kno-tenfunktionen: Der Bahnhof Erstfeld wird Start- und Endpunkt im S-Bahnverkehr, Verlängerungen nicht ausgeschlossen. Zusätzlich wird hier der Busverkehr zwischen unterem und oberem Reusstal angebunden. Göschenen bildet seinerseits den Übergang zwischen dem Streckennetz von SBB, Matterhorn-Gotthard- Bahn und Postauto: Einerseits wird die Transportkette kundenorientiert mit Blick auf die Entwicklung in Andermatt ausgebaut; andererseits wird die Umsteige-beziehung qualitativ verbessert.

Konzentration der eigenen Entwicklung

Basierend auf diesen verkehrsplanerischen Annahmen strebt der Kanton Uri weitergehende Ziele für die Raum-entwicklung an. Flüelen soll als Wohnstandort gestärkt werden. Zusätzliche Voraussetzung dafür ist, die aktu-elle Nordzufahrt bis zum Basistunnel in den Berg zu verlagern. Das untere Reusstal wird so zum Kernraum für die räumliche und wirtschaftliche Entwicklung mit Ausstrahlungskraft für den ganzen Kanton. Die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Mobilität, Versorgung und Erholung sollen nachhaltig entwickelt werden, wobei ein koordi-nierendes Agglomerationsprogramm für den Talboden

2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2024

Evaluation ATrendszenario

MonitoringGotthardachse

MeilensteineOktober 2013Kick-off

Dezember 2016Inbetriebnahme Gotthard-Basistunnel

Dezember 2020Inbetriebnahme Ceneri-Tunnel, 4-m-Korridor

Evaluation B Evaluation C

Verkehrsinfrastruk-tur und Siedlungs-entwicklung stehen in enger räumlicher und funktionaler Wechselwirkung zueinander (im Bild rechts: Neubau des AlpTransit-Erhal-tungs- und Inter-ventionszentrums Erstfeld).

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31Kann Uri Anschluss halten?TEC21 37/2016

erarbeitet worden ist. Die Siedlungsentwicklung hat sich deshalb prioritär an der vorhandenen und geplan-ten Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs und für den Langsamverkehr zu orientieren. Die Förderung des Tourismus konzentriert sich demgegenüber auf das Urserental, den Gotthardraum sowie die Lagen am Vierwaldstättersee.

Den planerischen Absichten, die neue Transit-achse wie oben formuliert räumlich nutzen zu können, stehen weitere zu erwartende Auswirkungen gegenüber. Das Trendszenario aus dem Monitoring der Gotthard-achse lässt insbesondere Folgendes für Umwelt und Wirtschaft erwarten: Entlang der Bergstrecke zwischen Erstfeld und Biasca werden die Lärmemissionen durch die Eisenbahn reduziert, auf der Nordzufahrt bis Erst-feld dagegen erhöht. Letzteres kann durchaus zu einem Konflikt mit der erhofften Siedlungsentwicklung im Talboden führen. Die grössten Entwicklungserwartun-gen hängen indes von der voraussichtlichen Inbetrieb-nahme des Kantonalbahnhofs ab: Dadurch würde das untere Reusstal sowohl aus dem Norden als auch aus dem Süden besser erreichbar. Angebot und Nachfrage im Eisenbahnverkehr könnten zudem zunehmen, weil die Reisezeit in den Süden verkürzt wird. Die Prognosen für Uri rechnen in diesem Fall mit einem moderaten Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum in der Region selbst, unter anderem in den Sektoren Tourismus und Detailhandel. Das Gebiet Altdorf und die nähere Umgebung würden ausserdem direkt, auch als Folge des Kantonalbahnhofs, von den qualitativ besseren öV-Anschlüssen profitieren.

Flankierende Massnahmen entscheiden

Wie aus bisherigen Infrastrukturanalysen erkennbar ist, entscheiden flankierende Massnahmen und die Koordinationsstrategien der betroffenen Akteure über die weitere wirtschaftliche und räumliche Entwicklung mit. Konkrete Hinweise sind bereits in der Evaluation zum Lötschberg-Basistunnel formuliert, die fünf Jahre nach Eröffnung präsentiert worden ist1: Die Wachstums-prognosen sind hier grösstenteils eingetreten; aller-dings wurden die Effekte eher überschätzt. Da der Kan-

ton Uri, mit Ausnahme von Andermatt, touristisch weniger attraktiv ist, seien geringere Entwicklungs-effekte aus dem Gotthard-Basistunnel absehbar.

Von regionalspezifischer Relevanz dürfte die asymmetrische Entwicklung entlang neuer Verkehrs-verbindungen sein: Der Lötschbergtunnel hat dem Siedlungs- und Tourismusbereich im Oberwallis mehr Wachstum gebracht als im Berner Oberland. Die Befürchtungen, am Nordportal vom Bahnfernverkehr abgehängt zu werden, sind trotzdem nicht eingetreten. Die lokalen (Tourismus-)Akteure selbst haben Ge gen-steuer gegeben und innovative Gästeangebote or-ganisiert. Daher ist eine wichtige Erkenntnis aus systematischen Raumwirkungsanalysen: Regionale Entwicklungsprozesse werden in erster Linie durch die betroffenen Kantone, Regionen, Städte und Gemein-den selbst beeinflusst. Insofern warnen die ARE- Studien jeweils vor übertriebenen Hoffnungen: Keine der untersuchten Verkehrsinfrastrukturen habe tief-greifende räumliche Prozesse ausgelöst, sondern vor-handene Trends verstärkt oder abgeschwächt.

Der Kanton Uri hat die raumplanerischen Hausaufgaben breit und angemessen angepackt. Rele-vant ist nun vor allem, wie die lokalen Akteure mit den Potenzialen in den Bereichen Wohnen, Tourismus und Gewerbe umgehen und allenfalls aufwerten kön-nen. In den kommenden zehn Jahren werden die unter-schiedlichen Aktivitäten von Bund und Kantonen durch  das Monitoring Gotthard-Achse erfasst und evaluiert. Bis dahin wird das Bild laufend schärfer werden, wie sich die neue Gotthard-Alpentransversale auf Raum und Verkehr in Uri und den anderen betrof-fenen Regionen auswirken wird. • Aurelio Vigani, wissenschaftlicher Projektleiter, Sektion Verkehr, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)

Anmerkungen

1 Verkehrliche und räumliche Auswirkungen des Lötschberg-Basistunnels; Bundesamt für Raumentwick-lung (ARE) 2012.

2 Räumliche Auswirkungen der Verkehrsinfrastrukturen: Lernen aus der Vergangenheit … … für die Zukunft; Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) 2007.

… und zweitens als man denktNeue Bahntunnels und Autobahnen ver-kürzen jeweils Distanzen und Erreich-barkeiten im überregionalen Massstab. Aber profitieren davon auch die Stand-ortregionen? Was kommt dem lokalen Fremdenverkehr zugute? Und wie wird das räumliche und ökonomische Wachs-tum vor Ort generell angeschoben? Der Bau von übergeordneter Verkehrsinfra-struktur ist jeweils mit grossen Hoff-nungen für die Regionalentwicklung verbunden; der Beweis, das ein effekti-ves Wachstum angestossen wird, bleibt

meistens jedoch aus. Die Anfangshypo-thesen durch aussagekräftige Folge-abschätzungen abzulösen ist eine kom-plexe, umfassende Evaluationsaufgabe. Seit rund zehn Jahren forciert das Bun-desamt für Raumentwicklung (ARE) deshalb eine Analysemethode, die die Wechselwirkungen zwischen Verkehr und Raum anhand von drei variablen Faktoren untersucht: Verkehrswirkung, lokale und regionale Potenziale sowie die Strategien der beteiligten Akteure. Diese «Tripod»-Wirkungsanalyse2 wird in aktualisierter Version für das Moni-toring Gotthard-Achse angewandt. Un-ter anderem werden Reisedistanzen, Bodenpreise und viele andere räumlich- ökonomische Grundlagedaten quanti-

tativ erhoben; ebenso werden wichtige Akteure befragt.

Zwei Rahmenbedingungen sind für die Wirkungsanalyse besonders zu berücksichtigen: Erstens sind po-tenzielle Auswirkungen vom effektiven Nutzen für die Regionen und Orte zu unterscheiden. Daher müssen die Ziele, die von den institutionellen Akteuren bei Bund, Kanton und Gemeinden anvi-siert werden, in das Evaluationsmodell aufgenommen werden. Zweitens sind externe Einflüsse zu berücksichtigen: Der globale Handel und die wirtschaft-liche Konjunkturlage beeinflussen die regionale Verkehrs- und Raumentwick-lung ebenso, unabhängig von der unter-suchten Infrastruktur. • (pk)

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32 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

NEUE BAHNINFRASTRUKTUR

Hohe Investitionen in die Nordzufahrt

Auf den nördlichen Zufahrtsstrecken zum Gotthard-Basistunnel wird viel Geld in die Abwehr von Naturgefahren investiert.

Während an der Rigi der Schutzwald gepflegt werden muss, erstellen SBB und der Kanton Schwyz an der Axenstrecke neue Schutzbauten.

Text: Lukas Denzler

n knapp drei Monaten ist es so weit: Die ers-ten Züge werden fahrplanmässig durch den neuen Gotthard-Basistunnel rollen. Das Bau-werk hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezo-gen (vgl. TEC21 18–19/2016) und wird das auch in Zukunft tun. Dabei geht etwas vergessen,

dass SBB, Bund und Kantone auch auf den Zufahrtstre-cken viel Geld für die Sicherheit der Bahninfrastruktur und in den Schutz vor Naturgefahren investieren. Ein

erster Brennpunkt auf der Alpennordseite ist der Ab-schnitt an der Rigi-Nordflanke zwischen Immensee und Arth-Goldau, wo täglich 180 Züge vorbeifahren. Wenn voraussichtlich ab 2018 die Bahnstrecke zwischen Zug und Arth-Goldau auf der anderen Seite des Zugersees ausgebaut wird, werden vorübergehend auch die Züge von und nach Zürich über diesen Ast der Gotthardstre-cke umgeleitet. Oberhalb des Bahntrassees befindet sich mit fast 500 Hektaren der mit Abstand grösste

IAbschnitt der Gotthardstrecke am Fuss der Rigi bei Arth SZ: Die Naturgefahrenalarmanlage registriert Erschütterungen im Netz und übermittelt die Informationen über die gelben Kästchen an die Naturgefahrenfachleute der SBB.

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Schutzwald, den die SBB selber besitzen. Er schützt die Bahnlinie – aber auch die Autobahn, die Kantonsstrasse, Starkstromleitungen und diverse Streusiedlungen – vor Stein- und Blockschlag, Rutschungen und Murgängen.

Das Konzept des integralen Risikomanagements zum Schutz der Bahnlinien vor Naturgefahren besteht aus drei Elementen. «Der flächig wirkende Schutzwald ist die Basis», sagt Albert Müller, Leiter Natur und Na-turrisiken bei den SBB. Wo dieser die Sicherheit nicht gewährleistet, würden Schutzbauten erstellt. Das drit-te Element ist die Überwachung – einerseits durch re-gelmässige Inspektionen vor Ort, andererseits mit dem laufend ausgebauten elektronischen Alarmsystem. Dank dem kann beispielsweise sofort reagiert werden, wenn ein Stein in ein Schutznetz fällt. Registriert eine am Netz montierte Naturgefahrenalarmanlage eine schwe-re Erschütterung, werden die Züge im entsprechenden Abschnitt gestoppt. Bei geringeren Einwirkungen er-halten die Lokführer die Anweisung, das Tempo zu reduzieren, um den Zug notfalls stoppen zu können.

Grosse Investitionen in die Waldpflege

Seit 1980 sind am Nordhang der Rigi laut Müller insge-samt knapp 35 Mio. Fr. investiert worden. In diesem Betrag sind die Kosten für die Erschliessung, die Pflege des Schutzwalds, die Behebung von Sturmschäden und die Erstellung von Schutzbauten enthalten. Da der Schutz vor Naturgefahren eine Verbundaufgabe ist, teilen sich Bund, Kanton und SBB sowie weitere Waldeigentümer die Kosten. In die Schutzwaldpflege und den Erhalt der forstlichen Infrastrukturanlagen werden jährlich etwa 300 000 Franken investiert. Die Bemühungen zahlen sich aus. «Der Schutzwald befindet sich in einem guten Zu-stand und erfüllt seine Funktion», sagt Josef Gabriel vom Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Schwyz. Im unteren Teil wächst ein gut strukturierter Mischwald mit einem hohen Anteil an Laubhölzern. Dieser wird ab etwa 1000 m ü. M. durch einen Tannen-

Buchen-Wald abgelöst. Einige Sorgen bereitet allerdings die künftige Entwicklung des Walds. Derzeit ist unklar, wie gut er sich an den Klimawandel anpassen kann. Ein eingeschleppter Pilz bringt die meisten Eschen zum Absterben. Und in höheren Lagen haben junge Weisstan-nen, Bergahorne und Eschen kaum eine Chance aufzu-wachsen: Rehe, Gämsen und Rothirsche beissen die Knospen ab, was zu Lücken bei der natürlichen Baumar-tenverjüngung führt. Da sich das Problem verschärft, erarbeiten die Kantone Schwyz und Luzern ein umfas-sendes Wald-Wild-Konzept für die gesamte Rigi.

Weil der Schutzwald oberhalb der Bahnstrecke höchste Priorität geniesst, stehen für die Pflege weiter-hin finanzielle Mittel zur Verfügung. Laut Gabriel ist das Ziel, den guten Zustand zu erhalten und den Schutz-wald standortgerecht zu verjüngen. Parallel dazu ar-beitet man mit den SBB an einem umfassenden Natur-gefahrenprojekt. Dieses ist bei den Bundesbehörden eingereicht, beläuft sich auf 2.8 Mio. Franken und umfasst sämtliche Steinschlagquellen sowie 29 Bäche und temporär wasserführende Gräben (Runsen) an der Nordlehne der Rigi.

Geschiebesammler am Dornibach

Sicherheitsdefizite weist die Gotthard-Nordzufahrt auch im Abschnitt Axen zwischen Brunnen und Sisikon auf. Oberhalb des Urnersees ist der Dornibach ein Brenn-punkt, der nun aber entschärft worden ist. Bei den schweren Unwettern im August 2005 verschüttete ein Murgang die Axenstrasse und die Gotthardlinie und lagerte etwa 5000 m3 Material ab. Nach vier Tagen war ein Gleis wieder befahrbar. Der Durchlass unter den beiden Brücken konnte bisher lediglich kleinere Murgänge schadlos in den See durchleiten. Nach dem Ereignis bauten die SBB ein Überwachungs- und Warn-system auf, das auch Messeinrichtungen zu Niederschlag und Abfluss sowie eine Videokamera umfasste. In kri-tischen Situationen konnten SBB-Mitarbeitende «Fahrt auf Sicht» anordnen oder den Zugverkehr stoppen.

Zusatzmittel für BergstreckeDie gesamten Investitionen in den Schutz der Zufahrts-strecken vor Naturgefahren zum Gotthard-Basistunnel beeindrucken. Offen ist derzeit hingegen der langfris-tige Betrieb und Unterhalt der alten Gotthard-Berg-strecke. Diese wird mit der Eröffnung des Basistunnels von einer internationalen Topstrecke zu einer Regio-nalstrecke deklassiert, die täglich maximal noch 1200 Personen benutzen werden. Diese geringen Passagier-zahlen reduzieren das Risiko von Personenschäden erheblich. Dennoch stellt sich die Frage, wie sich die umfangreichen Aufwendungen für den Schutz vor Na-turgefahren finanzieren lassen. Angesichts der neuen Ausgangslage ist die Politik gefordert, Wege zu finden, wie die für die Schweiz einst zentrale Bergstrecke er-halten werden kann. Die SBB sind nach eigenen An-gaben bereit, sich langfristig für den Betrieb und Un-terhalt der Bergstrecke zu engagieren. Gemeinsam mit dem Kanton Uri werden für die Strecke zwischen Gurt-nellen und Göschenen bis 2018 zusätzliche 2.38 Mio. Franken in Steinschlagschutznetze und Alarmanlagen investiert. • Lukas Denzler

Murgangbremse und Geschiebesammler am Dornbach bei Sisikon UR.

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34 Kann Uri Anschluss halten? TEC21 37/2016

Diese Massnahmen taugten lediglich als Übergangs-lösung. Im Einzugsgebiet des Dornibachs hat das Ge-fahrenpotenzial für Murgänge aufgrund natürlicher Erosion in den letzten Jahren zudem zugenommen und wird sich weiter erhöhen. Ein Ereignis wie jenes 2005 kann sich jederzeit wiederholen. Die SBB arbeiteten deshalb ein Projekt aus, um die Sicherheit an dieser exponierten Stelle unmittelbar bei einem Tunnelportal zu verbessern. Seit diesem Jahr reduziert nun oberhalb der beiden Brücken ein Geschiebesammler mit einem Fassungsvermögen von 10 000 m3 das Risiko deutlich. «Speziell ist, dass der Geschiebesammler aus topogra-fischen Gründen asymmetrisch angeordnet ist», sagt Albert Müller. Normalerweise würden Geschiebesamm-ler zentral zum Gerinne angelegt. Eine mächtige Mur-gangbremse sorgt dafür, dass grosse Blöcke abgebremst und das Geschiebe in den Sammler umgelenkt wird. Um eine optimale Wirkung zu ermitteln, erstellte das Institut für Bau und Umwelt an der Hochschule für Technik in Rapperswil ein Modell im Massstab 1 : 50.

Der Bau des Geschiebesammlers kostete rund 3.4 Mio. Franken. Mehr als zwei Drittel bezahlte die öffentliche Hand (Bund, Kanton und Bezirk Schwyz); den Rest, etwas weniger als eine Million Franken, über-nahmen die SBB. Das Bundesamt für Strassen (Astra) beteiligte sich an diesem Projekt ebenfalls, aber nur geringfügig. Denn bald beginnt der Bau des neuen Tun-nels, der Sisikon vom Nationalstrassenverkehr entlasten wird. Doch just an dieser Stelle wird dafür ein Instal-lationsplatz inklusive Stollenzufahrt benötigt.

Heimtückische Dornirunse

Nur wenig südlich des Dornibachs befindet sich die Dornirunse. Ihr Einzugsgebiet bilden verzweigte Run-sen in der steilen, felsigen Flanke des Fronalpstocks. Anders als der Dornibach führt die Dornirunse nur sporadisch Wasser, etwa bei starken Gewittern. Nach-dem durch einen Felssturz im November 2008 rund 5000 m3 Gestein ins Runsensystem gelangten, wurde dieses im August des darauffolgenden Jahres durch ein heftiges Gewitter mobilisiert. Der Murgang zerstörte einen im mittleren Teil der Runse gelegenen Geschiebe-sammler und verschüttete die Strasse nach Riemen-stalden meterhoch. Im unteren Teil drang das Geröll ins Siedlungsgebiet vor und erreichte die Axenstrasse.

Wie die SBB zum Schutzwald kamenBereits die Gotthardbahn erwarb nach dem Bau der Bahnlinie erste Waldpar-zellen am Nordhang der Rigi. Ende des 19. Jahrhunderts wollte die Bahngesell-schaft weitere Flächen übernehmen, scheiterte vorerst aber am Widerstand der Unterallmeind-Korporation Arth, die sich erfolgreich gegen eine Enteignung

wehrte. Die neu entstandenen SBB, die 1909 die Gotthardbahn übernommen hatten, liessen nicht locker. Das Bundes-gericht entschied 1920 schliesslich zu-gunsten der SBB; die Korporation muss-te 190 Hektaren Wald an die nationale Bahngesellschaft abtreten. Die Wälder an der Rigi wurden früher stark ge-nutzt.  Waldarbeiter reisteten das Holz mit hilfe der Schwerkraft in den Talbo-den bei Arth oder zum Zugersee hinab. Mit der Übernahme der Waldungen durch die SBB ergaben sich manche

Verein fachungen. Die Bewirtschaftung des Schutzwalds erfolgte fortan pri-mär  im Hinblick auf einen optimalen Schutz der Bahnlinie vor Naturgefahren. Holz wurde ab 1930 über fest installier-te Seilbahnen, sogenannte Seilriesen, transportiert. Überreste der bis 1980 betriebenen Anlagen zeugen noch davon. Heute erfolgen die Pflege des Walds und der Abtransport der Stämme vorwie-gend über mobile Seilkrananlagen. Seit 1980 wurden dafür 9  km zusätzliche Forststrassen gebaut. • Lukas Denzler

Der Kanton Schwyz, auf dessen Gebiet die Dornirunse liegt, erarbeitete daraufhin ein Projekt zum Schutz der Liegenschaften, der Strasse von Sisikon nach Riemen-stalden sowie der Nationalstrasse und SBB-Gotthard-linie. «Den bisherigen Geschiebesammler mit einem Fassungsvermögen von wenigen hundert Kubikmetern ersetzen wir durch einen solchen mit 4000 m3», erklärt Daniel Bollinger, Leiter des Fachbereichs Naturgefahren beim Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Schwyz. Das Fassungsvermögen des bis zu 11 m hohen Bauwerks mit einer Mauerkronenlänge von rund 70 m könne mindestens das Material für Ereignisse, die sta-tistisch alle 30 Jahre auftreten würden, auffangen. Bei selteneren Ereignissen wird der Geschiebesammler überströmt. Damit das Bauwerk diesen Belastungen standhält, werden dessen Mauern mit 10 bis 15 m lan-gen Ortsbetonbohrpfählen mit einem Durchmesser von 110 cm im Fels fundiert und mit bis zu 25 m langen vorgespannten Ankern zusätzlich gesichert.

Wenn das Fassungsvermögen des neuen Ge-schiebesammlers bei 100-jährlichen oder noch sel-teneren Ereignissen nicht ausreicht, leiten künftig Ablenkdämme das überschüssige Material in den Ge-schiebesammler des benachbarten Dornibachs. Bisher beobachtete man noch nie gleichzeitig ein Ereignis in der Dornirunse und im Dornibach, und ein Zusammen-fallen ist, obwohl die beiden Einzugsgebiete praktisch am gleichen Ort liegen, laut Fachleuten unwahrschein-lich. «Während in der Dornirunse sich das Material allmählich ansammelt und durch intensive Gewitter mobilisiert wird, lösen beim Dornibach eher lang an-haltende Niederschläge und Rutschungen ins Bachbett Murgänge aus», erläutert Bollinger.

Die Gesamtkosten betragen gut 7 Mio. Franken. Laut Bollinger hat die gewählte Lösung bezüglich des Nutzen-Kosten-Verhältnisses am besten abgeschnitten. Dieses betrage rund 1.7, wobei der Nutzen der gestei-gerten Verfügbarkeit der Verkehrsinfrastrukturen nicht eingerechnet sei. Bisher sind die Riemenstalderstrasse als Baustellenzufahrt verstärkt sowie der untere Teil des Ablenkdamms gebaut worden. Nun beginnen die Arbeiten für den neuen Geschiebesammler. Der Aushub wird für den oberen Teil des Ablenkdamms verwendet. •

Lukas Denzler, dipl. Forst-Ing. ETH / Journalist, Korrespondent TEC21; [email protected]

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38 Unvorhergesehenes TEC21 37/2016

Sicher ist sicherText: Danielle Fischer

ährend meiner Reise durch den Norden Tansanias be-gegneten mir auf der Strasse

von Arusha nach Mto wa Mbu wie-derholt dieselben zwei Schilder: Das eine warnt vor einem Mann mit Blindenstock, das andere verweist auf einen Behindertenparkplatz. Doch weshalb sollte ein Gehbehin-derter gerade hier, entlang der schnur geraden Strasse über Land und unterwegs zum Dorf Mto wa Mbu, sein Auto parkieren? Falls er das aus irgendeinem Grund tun müsste, so gäbe es ebenso ge-eigneten Platz bis zum Savannen-horizont. Auch wird hier wohl kaum ein Blinder allein die Überland-strasse über queren. Im Dorf, wo

alle ein ander kennen, wird er mühe-los jemanden finden, der ihm hilft. Die Sache liess mich nicht los. Im «Highway Code» des Ministeriums für Infrastruktur und Entwicklung der Vereinigten Republik Tansania fand ich tatsächlich das Parkplatz-schild für Gehbehinderte aufgeführt. Gesehen habe ich es aber nirgendwo sonst im Land. Dass es ausgerech- net in dieser ent legenen Gegend zum Einsatz kommt, kann ich mir nur mit einer gut gemeinten Auflage internationaler Geldgeber zur Finan-zierung des Strassenbaus in der Savanne erklären. Und einmal mehr ahne ich: Nicht nur die Liebe im Allgemeinen, sondern auch die Menschenliebe macht blind! •

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