AlpTransit Gotthard-Basistunnel: Aktueller Projektstand...

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1 von 12 AlpTransit Gotthard-Basistunnel: Aktueller Projektstand, ingenieurgeodätische Aspekte Adrian Ryf, ETH Zürich Rene Haag, Ivo Schätti, Konsortium VI-GBT Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag entstand in Zusammenarbeit des Konsortiums Vermessung Gotthard-Basistunnel (VI-GBT, Beauftragte der AlpTransit Gotthard AG) mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Das Kapitel 1 informiert über den Stand des Bauprojektes und den Auftrag an die Vermessung. Die Kapitel 2 bis 5 gehen auf einige ingenieurgeodätische Aspekte der Tätigkeit des VI-GBT ein. In Kapitel 2 wird in zusammenfassender Form die geodätische Grundlagenvermessung für Lage und Höhe vorge- stellt. Spezielle Aspekte der Höhenvermessung, insbesondere der Einfluss der Schwere auf die Höhenübertragung, werden in Kapitel 3 dokumentiert. 1999 konnten erstmals Messungen im Vertikalschacht Sedrun durchgeführt werden. Die daraus resultierenden Erfahrungen wer- den im Kapitel 4, Deformationsmessungen im Schacht Sedrun, und im Kapitel 5, Ablotung im Schacht Sedrun, vorgestellt. Im Rahmen des Diplomkurses der ETH Zürich im Sommer 1999 erhielt eine Gruppe von Studenten die Gelegenheit mit dem Gyromat 2000 im Zugangsstollen Sedrun Testmessungen durchzuführen. Die Ergebnisse werden im Kapitel 6 dieses Berichtes diskutiert. 1 Gotthard Basistunnel: Projekt, Auftrag an die Vermessung 1.1 Das Projekt Gotthard-Basistunnel Immer mehr Personen und Güter durchqueren in Europa die Alpen. Zur Bewäl- tigung dieser Verkehrsströme mit der Eisenbahn wird in der Schweiz das Projekt AlpTransit realisiert. Kernstück ist der Gotthard-Basistunnel mit einer Länge von 57 km und damit der längste Eisenbahntunnel der Welt. Ein Tunnelsystem mit zwei einspurigen Röhren (Durchmesser je 9.4 m) im Abstand von 40 bis 60 m soll als Flachbahn durch die Alpen führen. Die beiden Röhren sind aus Si- cherheitsgründen alle 325 m mit Querschlägen verbunden. In zwei grossen, un- terirdischen Multifunktionsstellen, eine am Fuss des 800 m tiefen Schachtes bei Sedrun, die andere beim Zwischenangriff Faido, sind Spurwechsel für die Züge, Sicherheitsräume, Lüftungsanlagen und Einrichtungen für Unterhaltsarbeiten geplant. Um das Projekt in einem Zeitraum von 10 bis 12 Jahren zu realisieren, erfolgen die Vortriebsarbeiten an sieben Angriffsstellen über fünf Portale: von den beiden

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    AlpTransit Gotthard-Basistunnel: Aktueller Projektstand,ingenieurgeodätische Aspekte

    Adrian Ryf, ETH ZürichRene Haag, Ivo Schätti, Konsortium VI-GBT

    Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag entstand in Zusammenarbeit des KonsortiumsVermessung Gotthard-Basistunnel (VI-GBT, Beauftragte der AlpTransit Gotthard AG) mitder Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Das Kapitel 1 informiert überden Stand des Bauprojektes und den Auftrag an die Vermessung. Die Kapitel 2 bis 5 gehenauf einige ingenieurgeodätische Aspekte der Tätigkeit des VI-GBT ein. In Kapitel 2 wird inzusammenfassender Form die geodätische Grundlagenvermessung für Lage und Höhe vorge-stellt. Spezielle Aspekte der Höhenvermessung, insbesondere der Einfluss der Schwere aufdie Höhenübertragung, werden in Kapitel 3 dokumentiert. 1999 konnten erstmals Messungenim Vertikalschacht Sedrun durchgeführt werden. Die daraus resultierenden Erfahrungen wer-den im Kapitel 4, Deformationsmessungen im Schacht Sedrun, und im Kapitel 5, Ablotung imSchacht Sedrun, vorgestellt. Im Rahmen des Diplomkurses der ETH Zürich im Sommer 1999erhielt eine Gruppe von Studenten die Gelegenheit mit dem Gyromat 2000 im ZugangsstollenSedrun Testmessungen durchzuführen. Die Ergebnisse werden im Kapitel 6 dieses Berichtesdiskutiert.

    1 Gotthard Basistunnel: Projekt, Auftrag an die Vermessung

    1.1 Das Projekt Gotthard-BasistunnelImmer mehr Personen und Güter durchqueren in Europa die Alpen. Zur Bewäl-tigung dieser Verkehrsströme mit der Eisenbahn wird in der Schweiz das ProjektAlpTransit realisiert. Kernstück ist der Gotthard-Basistunnel mit einer Längevon 57 km und damit der längste Eisenbahntunnel der Welt. Ein Tunnelsystemmit zwei einspurigen Röhren (Durchmesser je 9.4 m) im Abstand von 40 bis 60m soll als Flachbahn durch die Alpen führen. Die beiden Röhren sind aus Si-cherheitsgründen alle 325 m mit Querschlägen verbunden. In zwei grossen, un-terirdischen Multifunktionsstellen, eine am Fuss des 800 m tiefen Schachtes beiSedrun, die andere beim Zwischenangriff Faido, sind Spurwechsel für die Züge,Sicherheitsräume, Lüftungsanlagen und Einrichtungen für Unterhaltsarbeitengeplant.Um das Projekt in einem Zeitraum von 10 bis 12 Jahren zu realisieren, erfolgendie Vortriebsarbeiten an sieben Angriffsstellen über fünf Portale: von den beiden

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    Hauptportalen im Norden bei Erstfeld und im Süden bei Bodio sowie von dreiZwischenangriffen in Amsteg, Sedrun und Faido. Bei Sedrun wird der Tunnelnach Norden und Süden vom Fuss eines 800 m tiefen Schachtes aus vorange-trieben. Ein Zugangsstollen führt 1 km weit ins Bergesinnere, wo von einer rie-sigen Kaverne aus der Schacht abgeteuft wird.

    1.2 Stand der Bauarbeiten im Dezember 1999Der für das Projekt zeitkritische Zwischenangriff Sedrun ist seit Sommer 1996im Bau. Die Abteufung des 800 m tiefen Schachtes dürfte zu Ende des Jahres1999 erfolgt sein (Stand Ende November 1999: 680 m). Der Ausbruch von Ka-vernen und die Vorbereitung der Installationen am Schachtfuss wird etwa 2 Jah-re in Anspruch nehmen, bevor dann mit dem Vortrieb des Tunnels nach Nordenund Süden begonnen wird.Bei allen anderen Angriffsstellen, wie Amsteg, Faido und demnächst auch Bo-dio sind die Arbeiten für die Installation der Baustellen in vollem Gange. DieZufahrten werden gebaut, existierende Strassen, bzw. Gleise müssen temporärumgelegt werden, Anlagen für die Verarbeitung und den Abtransport des Aus-bruchsmateriales entstehen und die Voreinschnitte werden ausgehoben. BeimZwischenangiff Amsteg erfolgte im November 1999 die erste Sprengung, inFaido im Dezember 1999.

    1.3 RandbedingungenDie geologischen Verhältnisse entlang des ganzen Tunnels sind sehr vielseitig.Zwar verläuft ein grosser Teil im guten, stabilen Fels; an mehreren Stellen sindjedoch unstabile Zwischenschichten zu durchfahren. Die noch aktive Alpenhe-bung erreicht mit jährlichen Hebungsgeschwindigkeiten von etwa 1 mm Werte,die bezogen auf die lange Lebensdauer dieses Bauwerkes nicht vernachlässigtwerden dürfen. Die Gebirgsüberdeckung beträgt bis zu 2'300 m und es werdenTemperaturen bis 45°C erwartet. Örtlich zu erwartende hohe Temperaturgra-dienten können sich systematisch auf die eingesetzten Sensoren und Messme-thoden auswirken und rufen deshalb nach erhöhter Aufmerksamkeit der Ver-

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    messung. Die Schwereverhältnisse im Zusammenhang mit der enormen Ge-birgsüberdeckung erfordern eine sorgfältige Abklärung der geodätischen Mass-nahmen für eine fachmännische Höhenübertragung im Tunnel.

    1.4 Auftrag an die VermessungDer Bauherr hat das Vermessungskonsortium VI-GBT zu folgenden Durch-schlagstoleranzen verpflichtet, die nicht überschritten werden dürfen: Lage 25cm, Höhe 12.5 cm. Das Konsortium betrachtet diese Toleranzen als Zuverläs-sigkeiten im geodätischen Sinne und hat für sich die folgenden, zu erreichendenGenauigkeiten (1 σ) abgeleitet: Lage 10 cm, Höhe 5 cm.

    1.5 Beauftragter für die VermessungMit der Gesamtverantwortung für die Planung und Durchführung der vermes-sungstechnischen Arbeiten für den Gotthard-Basistunnel wurde das KonsortiumVI-GBT (Vermessungsingenieure Gotthard-Basistunnel) beauftragt. Die dreischweizerischen Vermessungsfirmen Swissphoto Vermessung AG, Meier/Gisiund Grünenfelder und Partner AG (Federführung) mit über 100 Angestellten,geographisch verteilt über das durch drei Sprachregionen verlaufende Projektgarantieren die zeit- und fachgerechte Ausführung aller Vermessungsarbeiten.Die nicht alltäglichen Vermessungsaufgaben, die sich beim Gotthard-Basistunnel stellen, sind Gegenstand einer intensiven Zusammenarbeit zwischendem Vermessungskonsortium VI-GBT, den Vermessungsingenieuren von Alp-Transit und der ETH Zürich.

    1.6 ETH-Diplomkurse in SedrunDank dieser bewährten Zusammenarbeit ergab sich für die ETH im Sommer1999 bereits zum zweiten Mal die Möglichkeit, mit Studierenden des Diplom-semesters die praktischen Arbeiten auf der Grossbaustelle Sedrun kennenzuler-nen und die Installationen des Vermessungskonsortiums zu benützen. EinigeErgebnisse der Testmessungen der ETH haben Eingang gefunden in den vorlie-genden Bericht.

    2 Geodätische Grundlagenvermessung

    Die Grundlagenvermessung des Gotthard-Basistunnels für die Lage, damalsnoch ohne die Höhe, wurde bereits an der vorhergehenden Tagung 1996 in Grazvorgestellt. Die folgende Zusammenfassung gibt einen Gesamtüberblick, jetztfür die Lage und die Höhe.

    2.1 LagevermessungDas Lagenetz mit total 31 Hauptpunkten, verteilt auf 5 Portalbereiche, hat eineAusdehnung von ca. 80 mal 15 km mit Höhendifferenzen bis zu 1500 m. DieMessung erfolgte in zwei Tagen mit 14 GPS-Empfängern Leica 200/300 im No-vember 1995. Die relative Koordinatengenauigkeit zwischen zwei beliebigen

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    Punkten ist kleiner als 1 cm. Es handelt sich um ein Werknetz, das sich die hoheGenauigkeit des neuen Landesvermessungssystems LV95 (5 gemeinsamePunkte) zu Nutzen macht, sich aber dank entsprechender Lagerung an das alteSystem LV03 anpasst, um die Koordinatenklaffungen möglichst klein zu halten.

    2.2 HöhenvermessungDer Höhenbezugsrahmen wurde ausgehend vom schweizerischen Landes-nivellementnetz mit Ergänzungsmessungen in den Portalbereichen realisiert.Diese Ergänzungen wurden 1996 in Zusammenarbeit des Konsortiums VI-GBTmit dem schweizerischen Bundesamt für Landestopographie gemessen und aus-gewertet und stellen in Form einer Netzverdichtung den Bezug zwischen Lan-desnetz und Werknetz dar. Das zur Zeit in der Schweiz gültige HöhensystemLN02 ist ein Gebrauchshöhensystem ohne Einbezug der Schwereeinflüsse imalpinen Projektgebiet und ohne Berücksichtigung der tektonischen Bewegungen(Alpenhebung bis 1 mm/ Jahr). Das neue, widerspruchsfreie und orthometrischeHöhensystem LHN95 mit Einbezug von zahlreichen Schweremessungen stehtkurz vor der Fertigstellung durch die Landestopographie. Die Differenzen zwi-schen LN02 und LHN95 betragen bis zu maximal 15 cm. Da sämtliche Projek-tierungsarbeiten sowie die bereits begonnenen Bauarbeiten in Sedrun und Am-steg auf LN02 basieren, kommt für den Bauherrn ein Wechsel zum SystemLHN95 nicht in Frage. VI-GBT übernimmt mit diesem Entscheid die Aufgabe,die ‚Unzulänglichkeiten‘ des Systems LN02 unter Tag vortriebsbegleitend zukorrigieren.

    3 Spezielle Aspekte der Höhenvermessung

    3.1 Orthometrisches Höhensystem, SchwereEin orthometrisches Höhensystem berücksichtigt den Umstand, dass die Äqui-potentialflächen des Geoides nicht parallel verlaufen und dass das Resultat einesNivellements im Gebirge stark vom Nivellementweg abhängt. Mit der orthome-trischen Korrektur werden diese ‚Fehler‘ korrigiert. Für das Projektgebiet Gott-hard-Basistunnel werden Korrekturwerte von 10 cm und mehr erwartet. Bei Ge-nauigkeitsanforderungen von 5 cm führt nur ein streng orthometrisches Höhen-system zum gewünschten Erfolg. Der definitive Entscheid des Auftraggebersüber das definitive Höhensystem liegt allerdings zur Zeit noch nicht vor.Die Bestimmung der orthometrischen Korrekturwerte setzt die Kenntnis derSchwereverteilung an der Erdoberfläche und entlang der Lotlinie voraus. DieSchwere an der Erdoberfläche wird entweder direkt gemessen, zwischen zweiMesswerten interpoliert oder aus Schwerekarten entnommen. Für die Bestim-mung der Schwere entlang der Lotlinie sind Modelle über die Dichteverteilungim Erdinnern notwendig.

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    Der zu erwartende Betrag der orthometrischen Korrektur von mehreren cmzeigt, dass die Genauigkeit dieser Korrektur die Gesamtgenauigkeit der Höhen-bestimmung massiv beeinflusst. Eine a priori-Betrachtung des Vermessungskon-sortiums, welche die verschiedenen Fehleranteile analysiert, zeigt dies deutlich.Der Fehleranteil des Präzisionsnivellements ist im Gegensatz dazu relativ klein.Das Konsortium VI-GBT erarbeitete aus diesem Grund eine Studie zum Thema‚Einfluss der Schwere auf die Höhenbestimmung‘. Die Studie untersucht in Zu-sammenarbeit mit Spezialisten der ETH die notwendige räumliche und zeitlicheVerteilung der Schweremessungen, welche zur Erreichung der geforderten Ge-nauigkeit erforderlich sind. Erste Resultate der Studie liegen vor.Die Studie gibt einerseits minimale Abstände zwischen zwei Schweremess-standorten an, z.B. 500 – 600 m in den Zugangsstollen und Portalbereichen,zeigt jedoch andererseits die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und organi-satorischen Optimierung. Aus wirtschaftlichen Gründen besteht ein Interesse,möglichst viele Schweremessungen mit wenigen Einsätzen zu erledigen. Esstellt sich daher die Frage, inwiefern die orthometrischen Korrekturen ohneSchweremessungen mittels Modellen a priori bestimmt werden können und wieweit diese modellierten Werte von den exakten, gemessenen Werten abweichen.

    3.2 GeschwindigkeitskorrekturDie Ergebnisse des LHN95 bestätigen, dass die Alpenhebung nach wir vor imGang ist. Die Hebungsgeschwindigkeit ist ortsabhängig und beträgt beim Portalin Erstfeld 0.7 mm/Jahr und beim Portal in Bodio 1.3 mm/Jahr. Bei einer Bau-zeit von 10 Jahren ergeben sich infolge der unterschiedliche Hebungsraten zwi-schen Nord- und Südportal Differenzen von bis zu 6 mm. Diesem Umstand wirdmit einer zeit- und ortsabhängigen Korrektur an den nivellierten Höhen unterTag entsprechend Rechnung getragen.

    3.3 LagerungskorrekturAuf Wunsch des Bauherrn wird LN02 als Höhenbezugssystem beibehalten. Dieprovisorischen Resultate des neuen orthometrischen Höhensystems LHN95 wei-sen auf verschiedene Zwänge im LN02 hin. Diese Zwänge sind unter anderemauf die fehlende orthometrische und kinematische Korrektur im System LN02zurückzuführen und erreichen zwischen Erstfeld und Sedrun Maximalwerte vonbis zu 12 cm. Mit der sogenannten Lagerungskorrektur werden diese Beträge beider Absteckung unter Tage proportional zur Vortriebslänge verteilt.

    4 Deformationsmessungen im Schacht Sedrun

    Im August 1998 wurde mit dem Bau des 800 m tiefen Vertikalschachtes in Se-drun begonnen. Der Schacht wird mit einem Durchmesser von 8 m im Spreng-vortrieb abgeteuft. Ein Abschlag beträgt je nach geologischen Verhältnissenzwischen 2.5 m und 4.5 m. Das Bauprogramm sieht pro 24 h einen Abschlag

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    vor. Nach der Sprengung und der Ausräumung des Schuttmaterials wird eineSofortsicherung angebracht. Die definitive Verkleidung erfolgt nach der Abteu-fung von weiteren 20 m.Im Mai 1999 wurde das Konsortium VI-GBT mit Konvergenzmessungen imSchacht beauftragt. In einem Messzyklus, welcher über zwei bis drei Abschlägedauert, sollen Deformationen im Fels an mindestens vier bestimmten Punktenmit der Genauigkeit von 1 mm erfasst werden.

    4.1 KonzeptDas Konzept sieht eine optisch-elektronische 3D-Präzisionsmessung mittelsTachymeter vor. Pro Messquerschnitt werden zwei Messringe mit je 4 Punkteninstalliert. Die Punkte werden mit einem M8-Innengewindebolzen im Fels ver-ankert und mit Prismen für die Messung signalisiert. Von einem beliebigenStandort aus, welcher je nachPlatzverhältnissen im Schacht freigewählt werden kann, werden diePunkte mehrfach bestimmt. Nacherfolgter Auswertung direkt auf derBaustelle oder im Büro resultierenlokale 3-D-Koordinatensätze. DerVergleich zur Vormessung wirdmittels einer Helmerttransformati-on ausgeführt.

    4.2 ResultateBis November 1999 wurden insgesamt drei Querschnitte zu je zwei Messringenà vier Messpunkte gemessen; bei Schachttiefe 224 m , 366 m und 550 m. DieDeformationen bewegen sich im Bereich von einigen mm bis maximal 1 cm.Die Deformationen korrelieren mit den geologischen Verhältnissen. Ein Zu-sammenhang zwischen zunehmender Schachttiefe und Ausmass der Verschie-bungen konnte nicht erkannt werden.

    4.3 Spezielle AspekteIm 24-h Betrieb des Schachtbaus ist ein Unterbruch der Arbeiten wegen derVermessung beinahe unmöglich. Entsprechend musste die Koordination zwi-schen Vermessung und Baubetrieb optimiert werden. Es galt, die Vermessungs-arbeiten so in den Baubetrieb zu integrieren, dass der Ablauf möglichst nichtunterbrochen werden musste und dabei aber dennoch präzise und zuverlässigeMessungen möglich waren.

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    Ein spezielles Augenmerk musste dem Schutzder Punkte geschenkt werden. Die Punkte wur-den vor Aufbringen der Sofortsicherung in denFels gesetzt. Nach der Nullmessung mussten sieeinerseits vor der Überdeckung durch Spritzbe-ton und anderseits vor den Auswirkungen dernächsten Sprengung geschützt werden. Trotzerhöhter Sorgfalt konnten einzelne Punktverlustenicht vermieden werden. Dank der überbe-stimmten Messanordnung mit zwei Messringenpro Messquerschnitt konnten trotzdem zuverläs-sige Resultate ausgewiesen werden.

    5 Ablotung im Schacht Sedrun

    Das Konzept des VI-GBT sieht für die Punktübertragung im Schacht Sedruneine mechanische und eine optische Lotung vor. Die mechanische Lotung er-folgt mit bis zu sechs Lotdrähten. Die Visur für die optische Lotung soll nachMöglichkeit nahe der Schachtachse geführt werden.

    5.1 Testlotung während der AbteufunsphaseIm Sommer 1999 ruhten die Abteufungsarbeiten im Schacht Sedrun währendzwei Wochen. Das Vermessungskonsortium nutzte diese Pause für zwei opti-sche Testlotungen. Die gleichzeitig in Sedrun im Diplomvermessungskurs an-wesenden Mitarbeiter der ETH halfen bei den Versuchen mit. Der Schacht wardamals 366 m tief.

    5.2 Infrastruktur vor OrtEine Lotung in Schachtmitte war in diesem Falle aus betrieblichen Gründennicht möglich. Als möglicher vertikaler Korridor bot sich einzig die Achse desNotliftes an. Im Normalzustand hängt die Kabine des Notliftes über demSchacht in der Kaverne, eine Klappe verschliesst den Schacht. Die Ablotungerfolgte durch eine eigens dafür erstellte Öffnung von 30 cm Durchmesser indieser Klappe. Im Schacht unten mussten in der hängenden, fünfstöckigen Ar-beitsbühne alle Notlift-Klappen geöffnet werden. Aus Sicherheitsgründen – be-reits ein kleiner in den Schacht fallender Gegenstand kann gravierende Folgenhaben – wurde die Öffnung in der Notlift-Klappe am Schachtkopf mit einemMaschengitter abgedeckt und das Vermessungszubehör angebunden.

    5.3 Optische TestlotungDie optische Lotung von oben nach unten erfolgte mit einem Leica-Nadirlot.Bereits die Grobeinweisung über Funk bedeutete im schlecht beleuchtetenSchacht bei starkem Tropfwasser einigen Aufwand. Ein rotes Kunststoffkreuz,

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    mit einer Grubenlampe beleuchtet, diente als Hilfsmittel. Über dem so be-stimmten Punkt wurde ein mit einem Kreuzschlitten ausgerüstetes Stativ zen-triert, auf dem ein Reflektor mit Beleuchtung nach oben gerichtet aufgesetztwurde. Die Feineinweisung erfolgte wiederum über Funk. Der rote Punkt derBeleuchtung des Reflektors konnte dabei je nach klimatischen Verhältnissendurch das Nadirlot gut erkannt werden.

    Aufstellung für Lotung von unten nach oben, Stativ mit Spezial-adapter für Prismenhalterung

    Von unten nach oben sollte die Lotung mit dem Tachymeter TCA 2003 erfol-gen. Geplant war eine Messung auf einen Reflektor, der mittels einer Spezial-konstruktion unter dem Stativ mit dem Nadirlot befestigt wurde. Die Sicht imSchacht nach oben war wegen des Tropfwassers allerdings so stark beeinträ-chigt, dass lediglich die Messung der Distanz möglich war. Die automatischeZielerkennung ATR des Tachymeters versagte für diesen Fall ihren Dienst.

    5.4 SchachtklimaDas Klima im Schacht stellt den limitierenden Faktor für die optische Lotungdar. Feuchtigkeit, Trübung und Luftturbulenz beeinflussen in hohem Mass derenQualität. Bei einem zweiten, späteren Lotungsversuch herrschten zu Beginn derMessung bei minimaler Leistung der Lüftung ausgezeichnete Sichtverhältnisse.Bei verstärkter Lüftung – die Frischluft wird über das Lüftungsfenster aus demVal Nalps angesogen – füllte sich der Schacht innert kürzester Zeit mit Nebel,der sich zwar wieder auflöste, ohne dass sich aber die Verhältnisse von vorherwieder einstellten.

    5.5 Künftige optische LotungenDie Testlotungen haben gezeigt, dass der kritische Weg für zukünftige, optischeLotungen über die Klimaverhältnisse und deren Beeinflussung führt. Nebst dem

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    darauf optimierten Messkonzept wird vor allem der optimalen Wahl eines gün-stigen Zeitfensters innerhalb der verschiedensten Installations- und Bauphasengrösste Bedeutung zukommen, um möglichst ideale Klimaverhältnisse imSchacht für die Lotung zu nutzen. Sollte dies über 800 m direkt trotz allem nichtmöglich sein, bleibt die aufwendigere Option einer Unterteilung in mehrereTeilabschnitte für die optische Lotung.Bei der definitiven Lotung müssen natürlich systematische Einflüsse, wie zumBeispiel die in der folgenden Grafik dargestellten Lotabweichungen berücksich-tigt werden:

    400

    600

    800

    1000

    1200

    1400

    0 5 10 15 20 25 30Lotabweichungen in cc

    Höh

    e üb

    er M

    eer

    eta (West-Ost)

    xi (Nord-Süd)

    6 Kreiselmessungen

    Die Angabe der Vortriebsrichtung am Fuss des 800 m tiefen Schachtes in Se-drun wird mittels Kreiselazimuten (Gyromat 2000) erfolgen. Die Genauigkeits-anforderung liegt im Bereich von 1.5 mgon. Zur Steigerung der Zuverlässigkeitwerden die Messungen mehrmals und mit verschiedenen Instrumenten des glei-chen Typs wiederholt werden. Systematische Abweichungen, die nicht vom In-strument abhängen, können allerdings durch diese Wiederholungsmessungennicht eliminiert werden. So ist insbesondere ein gutes Massenmodell notwendig,um die Schätzung möglichst realitätsnaher Werte für die Lotabweichungen aufallen Messstationen zu ermöglichen.

    6.1 Testmessungen der ETH ZürichIm Sommer 1999 bot sich einer Gruppe von Diplomanden der ETH Zürich dieMöglichkeit, mit dem Gyromat 2000 der ETH Messungen im Portal- und Vor-triebsnetz des Zwischenangriffes Sedrun auf den Punkten des VI-GBT durchzu-führen. Nach einer Phase des Kennenlernens des Instrumentes und nach einigenVersuchsmessungen führte das Team an zwei Tagen je eine Kreiselkampagnemit dem folgenden Ablauf durch:1 Azimutbestimmung auf dem Portalpfeiler nach zwei Fernzielen in einer Di-

    stanz von 1.8, bzw. 6 km (drei Messungen)2 Gegenseitige Azimutbestimmung zwischen zwei Polygonpunkten im Stollen

    im Abstand von 400 m (je drei Messungen)3 Wiederholung von 1 auf dem Portalpfeiler

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    Kreiselmessung Sedrun (im Hintergrund das Stollenportal)

    Alle gemessenen Azimute wurden in drei Schritten wie folgt reduziert:1 Reduktion des Lotabweichungseinflusses: bei einer Breite von 46° (Sedrun)

    entspricht die Reduktion ziemlich genau der Ost-West-Komponente der Lot-abweichung. Der Unterschied dieser Komponente beträgt zwischen derMessstrecke im Tunnel und dem Portalpfeiler zwar nur 0.1 mgon, für denSchachtfuss werden es jedoch bereits 0.5 mgon sein.

    2 Berücksichtigung der Meridiankonvergenz3 Richtungsreduktion beim Übergang zum ebenen AzimutVernachlässigbar klein ist die Reduktion aufgrund der Höhe des Zielpunktes.Die Reduktion infolge Polhöhenschwankung kann wegen der kurzen zeitlichenDauer der Messkampagne vernachlässigt werden.

    6.2 Resultate der TestmessungenDie folgende Grafik zeigt die Differenzen der gemessenen Kreiselazimute zuden Azimuten aus Koordinaten. Letztere entstammen der ersten Durchschlags-messung des Projektes AlpTransit, die das Vermessungskonsortium VI-GBT imSommer 1999 vom Portalpfeiler über den Zugangsstollen, die Schachtkaverneund das Lüftungsfenster ins Val Nalps durchführte. Die Punkte im Val Nalpssind mit dem Portalnetz durch GPS-Messungen verbunden. Die Durchschlags-messung ergab Koordinatengenauigkeiten von < 1 cm, die denjenigen desGrundlagennetzes des Basistunnels entsprechen.

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    Differenzen Kreiselazimute zu Azimuten aus Koordinaten

    10.012.0

    14.016.018.0

    20.022.0

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    30.7

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    Zeit

    Dif

    fere

    nz in

    mgo

    n

    Die Grafik zeigt, dass die Differenzen zwischen den Kreiselazimuten und denAzimuten aus Koordinaten mit Ausnahme von zwei Ausreissern in einem Be-reich von etwa 3.5 mgon variieren. Diese Schwankungen scheinen auf den er-sten Blick gross. Eine konsequente Mittelung führt allerdings zu einem erstaun-lich guten Resultat: Werden die Kreiselazimute im Tunnel um einen mittlerenTageseichwert auf dem Referenzpunkt (Portalpfeiler) korrigiert und die Hin-und Rückmessung gemittelt, beträgt die Differenz zum Azimut aus Koordinatenam ersten Tag lediglich 0.4 mgon, am zweiten Tag 0.2 mgon.Aus diesen erstaunlich kleinen Werten dürfen allerdings keine voreiligenSchlüsse über die bei anderen Messungen zu erwartende Kreiselmessgenauigkeitgezogen werden. Es handelt sich um eine kleine Stichprobe von nur gerade zweiMesskampagnen, die zudem bei nahezu idealen Bedingungen durchgeführt wer-den konnten. Grosse Temperaturunterschiede, die bei anderen Objekten dieMessungen erschwert und deren Genauigkeit vermindert haben, traten in Sedrunnicht auf. Alle Messungen erfolgten in einem Temperaturbereich von 12 bis20 °C.

    7 Ausblick

    Nach Erstellung des Werknetzes für Lage und Höhe konzentrierten sich dieVermessungsarbeiten in den letzten Jahren nebst dem Zwischenangriff Sedrunauf verschiedenste, übergeordnete Deformations- und Überwachungsmessun-gen, sowie auf die Bereitstellung wichtiger Grundlagen. Inzwischen haben dieArbeiten der Zwischenangriffe Amsteg und Faido Ende 1999 begonnen. Bodiowird im Frühjahr 2000 folgen, Erstfeld kommt deutlich später. Stollenkontrollenund Konvergenzmessungen stellen dann den wichtigsten Teil der Arbeiten beiallen Angriffsstellen dar.

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    Die Abteufung des Vertikalschachtes in Sedrun wird voraussichtlich im Februar2000 abgeschlossen. Für den Ausbruch der Kaverne auf Niveau des Basistun-nels sind somit im Frühjahr 2000 erste Punkt-, Richtungs- und Höhenübertra-gungen notwendig. Der Ausbau der Kaverne wird gemäss Terminprogramm ca.drei Jahre in Anspruch nehmen, so dass die Aufnahme der Tunnelvortriebe vonSedrun in Richtung Nord und Süd für Ende 2002 vorgesehen ist. Bis spätestenszu diesem Zeitpunkt muss eine exakte und definitive Richtungsübertragung er-folgt sein. Die Platzverhältnisse und die abgeklungenen Deformationen werdendann die Anforderungen an eine entsprechende Punktversicherung erfüllen.

    Informationen auf dem Internet zum Projekt AlpTransit:http://www.alptransit.ch/

    Literatur:HAAG, R.; STENGELE, R. ; SCHÄTTI I. [1999]: AlpTransit Gotthard AG, Grundlagenver-

    messung, Definitiver Höhen-Bezugsrahmen NetzGBT Höhen. Interner technischerSchlussbericht, Ausführungsprojekt, 14.7.1999,Domat/ Ems.

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    INGENSAND, H.; CAROSIO, A.; EBNETER, F. [1998]: Geodetic Methods, MathematicalModels and Quality Management for Underground Surveying in the Swiss Project Alp-Transit. XXI. FIG-Kongress, 19.-25. Juli, 1998, Brighton (GB).

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    HAAG, R.; STENGELE, R. [1997]: The Gotthard-Base-Tunnel, surveying of a 57 km longunderground project in the Swiss Alps. FIG-Symposium, 2.-6.6.1997, Kopenhagen, Den-mark.

    BRÄKER, F.; EBNETER, F. [1997]: The AlpTransit Project and the organisation of the sur-vey. FIG-Symposium, 2.-6.6.1997, Kopenhagen, Denmark.

    HAAG, R.; RYF, A.; STENGELE, R. [1996]: Grundlagennetze für extrem lange Tunnel amBeispiel des Gotthard-Basistunnels (Länge: 57km). XII. Internationaler Kurs für Inge-nieurvermessung, Herausgeber: Brandstätter, Brunner, Schelling, Dümmler Verlag, Bonn.

    Anschriften:ETH Zürich: Konsortium Vermessung Gotthard-Basistunnel:Dipl. Ing. Adrian Ryf Dipl. Ing. Rene Haag / Dipl. Ing. Ivo SchättiInstitut für Geodäsie und Photogrammetrie c/o Grünenfelder und Partner AGETH Hönggerberg Denter Tumas 68093 Zürich 7013 Domat / [email protected] [email protected]

    [email protected]