AM ANFANG WAR DAS WORT (BIBEL) AM ANFANG WAR DIE TAT … · 2015. 11. 25. · Atom Heart Mother –...

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Nr. 74 · Februar 07 · e 2,91 DIE BRUCKE E k ärnten k unst k ultur P. b. b. GZ 02Z032603M · Verlagspostamt 9020 Klagenfurt ·Erscheinungsort Klagenfurt alle kulturtermine im februar 2007 www.bruecke.ktn.gv.at COVER DER NAKED LUNCH SINGLE „MILITARY OF THE HEART“ VON HANS SCHABUS AM ANFANG WAR DAS WORT (BIBEL) AM ANFANG WAR DIE TAT (GOETHE) DIE BRUECKE ZUM THEMA NEUERUNG, BEGINN, DEBÜT

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  • Nr. 74 · Februar 07 · e 2,91

    D I E B R U C K E

    Ek ä r n t e n • k u n s t • k u l t u r

    P.b.b. GZ

    02Z032603M· Verlagspostamt 9020 Klagenfurt ·Erscheinungsort Klagenfurt

    alle kulturtermine im februar 2007www.bruecke.ktn.gv.at

    COVER DER NAKED LUNCH SINGLE „MILITARY OF THE HEART“ VON HANS SCHABUS

    AM ANFANG WAR DAS WORT (BIBEL)AM ANFANG WAR DIE TAT (GOETHE)DIE BRUECKE ZUM THEMANEUERUNG, BEGINN, DEBÜT

  • Wir kennen alle die verschiedensten Sinnsprüche,die einem zum Anfang einfallen – das beginnt beimZauber der ihm laut Hermann Hesse innewohnt undreicht bis zu Goethes Abwandlung der Bibel: ImAnfang war die Tat!

    Für DIE BRUECKE ist diese Nummer tatsächlichwieder ein Beginn, ist es doch die erste Ausgabe imJahr. Was liegt also näher, als das Heft mit seinenBeiträgen darauf abzustimmen – einerseits. Andererseits ergibt sich dialektisch so viel Neues inverschiedenster Form, so viele anlaufende Projekte,die es vorzustellen gilt: Was der neue Kulturrefe-rent, der wieder seine frühere Aufgabe über-nommen hat, dabei so vorhat, verrät er ebenso imBrücke-Interview wie Grete Stolz-Hoke, die zugleichmit ihrer ersten größeren Publikation auch ihremLeben eine neue Aufgabe geben will. Sehr bekanntund bewährt in allen Rollen war bisher HeidelindeWeis und doch noch nie auf der Stadttheater-Bühne. Apropos: Die erstmalige Dramatisierungeines Weltautors durch Coop05 ist auch ein Wagnis.Zwar keine Anfänger mehr, aber doch noch amAnfang ihrer Karriere – das bezieht sich sowohl aufden Artikel über die Erfolg versprechenden New-comerinnen als auch auf die zwei Autoren, die imFebruar vorgestellt werden. Nicht zuletzt ist es einNovum, dass der renommierte Kärntner KünstlerHans Schabus, Österreichs internationaler Beitragzur Venedig-Biennale, für eine Band ein Cover ge-staltet: Naked Lunch aus Klagenfurt dominiert der-zeit alle Kulturseiten – so haben wir zum ersten Maleinen (heimischen) Tonträger auf der Titelseite…

    Um dies alles ein wenig zu konterkarieren hat Ihrgeneigter Brückenbauer diesmal auf ein uraltesEditorial-Foto zurückgegriffen. Und schließlich:Auch für die Brücke stehen 2007 Neuerungen insHaus. Lassen Sie sich überraschen, ob Ihnen in dernächsten Ausgabe bereits etwas auffällt. Dannwird jedenfalls das Geheimnis gelüftet. Eine langeReise beginnt mit dem ersten Schritt (aus China).

    Viel Vergnügen mit dem Kommendenwünscht wieder Ihr bruecken-bauer

    Günther M. Trauhsnig

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    Liebe Leserin, lieber Leser

    Alles Alte, soweit es den Anspruch darauf verdient hat, sollen wir lieben; aber für das Neue sollen wir eigentlich leben.(Theodor Fontane, deutscher Schriftsteller,1819–1898)

    Nun, Weisheiten anderer sollten wir der liebenKollegin Maria Pink eigentlich nicht vor-setzen,wo sie doch selber jede Menge Erfahrung und Gedankenarbeit zu Aphorismen versammelt hat –doch ausnahmsweise sei es hier gestatte, woFontane doch so Treffendes zu unserem Schwer-punktthema des Monats auf den Punkt bringt. DieBrücken-Autorin der ersten Stunde und frühereKulturjournalistin hat der Pensionierung getrotztund wieder einmal selbst zur Feder, oder besser –denn auch sie hat das in all den Jahren neu lernenmüssen – in die Computertastatur gegriffen undkurze sowie treffende Anmerkungen über Begeg-nungen und Begebenheiten, die ihr so (täglich)untergekommen sind, zu Papier gebracht. Rund 600„Aphorismen über Sinn und Unsinn unseres Lebens“,so der Untertitel von „Herz.Hirn.Humor.“ (Context-Verlag) sind es geworden. Sie will mit dem, wie esim Vorwort heißt, was für Robert Musil das kleinstemögliche Ganze und für Marie von Ebner-Eschen-bach das letzte Glied einer langen Gedankenkette ist,uns zum Schmunzeln und Grübeln anregen.

    Es ist nicht der Weinstock allein, der sich um seineFrüchte verdient macht.Bei vielen Menschen hapert es mit der Orthographie.Andere wiederum können nicht rechtschreiben.Ich gehe gern ins Theater, obwohl es heißt, die ganzeWelt ist Bühne. Schon, aber eher Dilettantenschmiere.

    Pink in Pink – würde es in Slowenisch heißen: Dievielfach bekannte Autorin Maria Pink (rechts) mit ihrerSt. Veiter Verlegerin Isolde Pink bei der Vorstellungdes neuen Werkes.

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    4 h o r i z o n t e

    5 t i p pClub der Hoffnungslosen

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    7 d a . s c h a u . h e rJohann Julian Taupe O.T.

    9 d e n k . m a l !Haus Lauterborn, Waaggasse, Klagenfurt

    1 0 b l i c k . p u n k tKärntens Kultur ist wieder ChefsacheInterview mit Landeshauptmann Jörg Haider

    1 2 Gold und ElfenbeinEin (Staats)Künstler in den Mühlen der Macht

    1 3 b a u . k ö r p e rKärntner Landesbaupreis 2006Sozialer Holz-Wohn-Bau wird zum Seriensieger

    1 4 b ü h n e n . b r e t t e rDie Frau in WeißHeidelinde Weis in Kärnten auf der Bühne

    1 6 b ü h n e n . b r e t t e rChronologie einer EntfremdungCoop05 bringen einen Autor von Weltruhm auf die Bühne

    1 7 s p r u n g . b r e t tVom Stadttheater an die StaatsoperDaniella Fally in Wien, Dresden, Klagenfurt

    1 8 v o r l e s e . p r v o b r a n j eMorbus homoStefan David Zefferer

    2 0 Gedichtzyklen von Esther Hebein2 2 b l i c k . p u n k t

    An.fänge – vielversprechende Newcomerinnen

    2 4 k ä r n t e n . a r t Die im Schatten sieht man nichtAus dem Lebensbuch der Grete Stolz-Hoke

    2 6 Linear.Pünktlich.SpäterZwei Positionen zur Zeit von Barbara Höller und Gerlinde Thuma

    2 7 s t o r i e s f o r t h e e x h a u s t e dAtom Heart Mother – Von Pink Floyd zu Naked Lunch

    2 8 k l a n g . f i g u r e nGroße Stars im WohnzimmerKIB – Neues von der Kulturinitiative Bleiburg

    3 0 b u c h . m u s i k . t i p p s

    3 1 w e l t . k i n o . w e l t e nBilder der Erde von oben

    l u s t . a u f . k u l t u r

    3 2 Kärntner Kulturkalender3 5 Galerien/Ausstellungen3 8 Kino/Filmtipps

    I m p r e s s u mHerausgeber, Medieninhaber und Copyrightsowie Verantwortlicher Redakteur Landeskulturabteilung – Öffentlichkeits-arbeit und Kulturmarketing9020 Klagenfurt, Burggasse 8Mag. Günther M. TrauhsnigTel. 050-536-30 5 38Fax: 050-536-30 5 39e-mail: [email protected] Mitarbeiter dieser Ausgabe:Silvie Aigner, Ingrid Freytag, MichaelHerzog, Tina Hofstätter, Geraldine Klever,Helmut Christian Mayer, Sandra Selisnik,Mario Rausch, Arnulf Rohsmann, MarionSchaschl, Horst Dieter Sihler, Uschi Sorz,Margarethe Tauschitz, Günther M.Trauhsnig, Slobodan Zakula

    Namentlich gekennzeichnete Beiträge gebendie Meinung der Autoren wieder. Die Redak-tion behält sich vor, Beiträge bei Bedarf zukürzen oder zu ändern. Zur Verfügunggestelltes Text- oder Bildmaterial wird (wennnicht anders vermerkt) nicht retourniert.AboannahmeKulturabteilung des Landes Kärnten,Elisabeth Pratneker, Telefon 05-0536-30 5 82, Fax 05-0536-30 5 00, e-mail:[email protected]: [email protected]: 050-536-30 5 39 Grafik Harald PliessnigSatz und Lithos TextDesign GesmbH, Tel. (0463) 26 13 72-10Druck Kärntner Druckerei Tel. (0463) 58 66Verlagspostamt 9020 KlagenfurtEinzelpreis d 2,91Abonnement 10 Ausgaben d 25,44inkl. KulturCard Kärnten, Porto und Versand.www.bruecke.ktn.gv.at

    InhaltD i e B r ü c k e – k ä r n t e n . k u n s t . k u l t u r · N r . 7 4 , F e b r u a r 0 7

    K U L T UR

    Debüt.AutorenEsther Hebein undStefan Zefferer gebenin der Brücke ihrDebüt als Autoren.Sie machen gerade miterfolgreichen Textenauf sich aufmerksam.

    Seite 18

    Heim.KehrDie VillacherinHeidelinde Weis istzwar zu einem großeninternationalen Stargeworden – am Stadt-theater Klagenfurtwar sie aber noch niezu sehen.

    Seite 14

    Opern.WeltEs immer wiedererstaunlich, welche(kommenden) „Welt-stars“ in Kärnten zuGast sind, waren undauch wieder zurück-kommen – hier Daniella Fally.

    Seite 17

    Titelseite: o.t. von Hans Schabus; Cover der Naked Lunch Single„Military of the Heart“.

    Foto: Fanclub

    Foto: Wiener Staatsoper/Axel Zeininger

    Foto: K.K.

    Bis zur Ende der Ausstellung NADAvon Giselbert Hoke im MMKK (bis 25. Februar) verlost DIE BRUECKEnoch mal je 3 Kataloge an Abonnentenund je 3x2 Eintrittskarten für Leser. e-mail an: [email protected]

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    d j . a n . g e s a g tIm Februar darf im ((stereo)) abge-tanzt werden. Nachdem der deutscheDancehall Ragga Reggae Star Benjiebereits am 3. Februar für eine heißeSommerzeit im Winter sorgen wird,kommt am Monatsende mit DJ GayleSan aus Singapur die momentanangesagteste weibliche DJane in denStereo-Club. Ihre Sounds gehörenneben jenen eines Sven Väth, Jeff Millsoder Carl Cox zu den gefragtesten derSzene. Am 24. Februar darf man sichauf atemberaubenden basslastigenTechno gemixt mit ein wenig Tribalvon Gayle San freuen. MV

    S u c h t . G e f a h rSpätestens seit dem großen Hit „Iwant you so hard“ und ihrem zwei-ten Album „Death by sexy…“ aus demVorjahr sind Eagles of Death Metalauch außerhalb des engen Fankreisesein Begriff. Das Sex, Drugs & Rockand Roll Side-Projekt des Queens ofthe Stone Age Frontmans JoshuaHomme, gemeinsam mit Jesse „BootsElectric“ Hughes und vielen Gästen –von Liam Lynch bis Mark Lanegan, istein wahres Feuerwerk an wildem,völlig durchgedrehtem und krachen-dem Retro-Hardrock, Blues, 80erStadionrock, rauen Gitarrenriffs undfast dämonischem Gesang.Achtung: Suchtgefahr! Live zu prüfen im Laibacher Mediapark am20. Februar (21 h). SZ

    B e r g . Q . B a rFür alle Freunde der Lemonheads undguter Indiemusik ist der 9. Februar (22 h) in der q:bar in Berg im Drautalein Pflichttermin. Dort gastiert mitBen Deiley ein langjähriger Wegge-fährte Evan Dandos bei den Zitronen-köpfen. Mittlerweile gründete Deileymit Varsity Drag in San Franciscoseine eigene Band, die wie auch diefrühen Lemonheads in keine Schubla-de passen will. Während die Band aufleichtgängigen Musikgenuss zwi-schen Replacements und Beach Boyssetzt, gibt es in der q:bar am 24. Febru-ar mit Pater Gelion und Apriaca beider Doomnacht schwere metallischeKlänge zu hören. MH

    Massenha l te r. abserv ie r tEine makaber zeitkritische Zukunfts-satire von Stefan Zefferer (s. a. Seite18). Nina Blum, Franz Robert Ceeh,Klaus Fischer und Arturas Valudskisspielen in der neuebuehnevillach(Regie Michael Weger) bis 17. Februar.In einer Klinik für sonderbare Fällevollendet ein Schriftsteller sein fikti-ves Werk, in dem Menschen zu Mas-senfutter für Drittländer verarbeitetwerden. Doch die Fiktion wird von derRealität eingeholt. Die Massenhalterbeginnen die Hetzjagd auf ihn. GM

  • B a u c h . Ta n z . K l ä n g eMit Lulu Sabongi tritt am 6. Februareine der bekanntesten TänzerinnenSüdamerikas auf der Freien BühneKärnten im Artecielo in Klagenfurtauf. Sabongi gilt vor allem als eineInterpretin des orientalischen Tanzes.Nach der Gründung einer Tanzschulein Sao Paolo will Sabongi auch inKärnten die Besonderheit des Bauch-tanzes vermitteln. Begleitet wird siedabei von der Bauchtänzerin AdrianaMelo und musikalisch sorgen KarenAsatrian, Marcus Matthews undIsmael Barrios für die passendeAtmosphäre. MM

    B a l k a n - W e l t m u s i k i n Tr i e s tBegleitet von seinem elfköpfigen The Wedding and Funeral Orchestra machtGoran Bregovič im Rahmen seiner aktuellen Welttournee am 8. Februar (20.30 h)einen Zwischenstopp im Triestiner Teatro Rossetti. Sein umfangreiches Songbookund besonders seine legendären Konzerte vereinen melodisch die einzigartigeMelancholie der Gypsy-Seele mit den, dem Bandnamen entsprechend, glühen-den und pulsierenden Brass-Rhythmen südosteuropäischen Ursprungs samtRockgitarren in einer außergewöhnlichen und eklektischen Mischung. Der großeStar der World Music Szene, der mit seiner Filmmusik (u. a. Arizona Dream, Un-derground, Zug des Lebens) den Balkan-Sound weltweit bekannt machte, bringtzwei Stunden pure Magie! Infos und Tickets: www.azalea.it. SZ

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    H i n . F a h r e nMit virtuoser Präzision zupfte VernonReid einst die Saiten der amerikani-schen Crossover-Pioniere Living Colour.Solo geht Reid aber schon länger eineneigenen neuen Weg, der Jazz mit Rock,TripHop, Ethno und Funk-Elementenverbindet. Dieser Weg führt ihn am 6. Februar (20.30 h) auch nach Kärnten,ins Bluesiana nach Velden. Mit imGepäck hat Reid auch neue Songs ausseinem aktuellen Album „Other trueSelf“, die alle zusammen in keineSchublade passen und mit seiner BandMasque ein Feuerwerk musikalischerEnergie zünden. GM

    W i l l k o m m e n i m C l u bEin Mensch auf der Bühne. Er behandeltdie anderen wie den letzten Dreck. Sindsie her gekommen, um sich so behandelnzu lassen? Ein Lebenshilfe-Seminar, indem das negative thinking praktiziertwird. Willkommen im Club derHoffnungslosen! (Text und Regie vonBernd Liepold-Mosser), zu dessen Urauf-führung bzw. Premiere das KlagenfurterEnsemble (ke) am 28. Februar in die FreieBühne Kärnten im Artecielo lädt. DerClub ist Antwort auf die kapitalistischeDepression und zeigt anhand sowohl vonZynismus als auch sentimentalen Emo-tionen den Zustand unserer Identitätenim 21. Jahrhundert. Hier gibt es keinenAusweg, denn er ist voll von Desillusio-nen. Hinter der Teflon-Fassade von Kar-riere und Genusskompetenz lauert derräudige Überlebenskampf. Die Sache mitdem Glück: ein groß angelegtes Täuschungsmanöver. Das Leben einBoxring. Die Kommunikation eine Funk-tion des Weiterkommens. Das Dasein einKarrieremuster. Und dann, am Schluss,doch immer nur ein Mensch: ausgesetzt,allein und auf andere angewiesen. Es istein (Männer)Monolog, der mit drei Frau-en umgesetzt wird. Das wird spannend!Zur Musik von Richie Klammer und Primus Sitter spielen: Magda Kropiunig,Sissi Noe, Luise Ogrisek. GG

    „Club der Hoffnungslosen“Schauplatz: Ein Boxring. Ein Seminarraum.Ein Versammlungslokal. Ein Arbeitsamt oderein Nachtclub.Text u. Regie: Bernd Liepold-MosserKostüme: Petra PflegerDrei Frauen: Luise Ogrisek, Sissi Noe,Magdalena KropiunigMusik: Richard Klammer; Primus SitterLicht: Manfred Kratochwill

    Uraufführung, Premiere 28. Februar„Freie Bühne Kärnten im Haus Artecielo“,Kurandtplatz, KlagenfurtTermine: 2./3./ 7./8./9./10./ und14./15./16./17. März 2007Beginn: jeweils 20 Uhr; Tel: 0463/310 300 Info: www.klagenfurterensemble.at

    tipp

    © G. Kulterer & R. Klammer

  • 1 0 0 J a h r e K u n s t v e r e i n– e i n A u f r u fDas Künstlerhaus erfährt heuer eineGeneralsanierung (Architekt KarlVouk) zum 100-Jahr-Jubiläum. Undder Kunstverein Kärnten (seit 1907)plant eine umfangreiche Ausstellungzum Jubiläum. Es werden all jeneersucht, die über privates Material(Fotografien, Filme, Dokumentatio-nen, Biografien etc.) und Informatio-nen über ehemalige Mitglieder desKunstvereines verfügen, sich mitdem Künstlerhaus in Verbindung zusetzen: unter 0463/55383 oder [email protected]

    P r i x A r s E l e c t r o n i c a 0 7In seiner 21. Auflage wartet der welt-weit größte Wettbewerb für Medien-kunst mit einigen Neuerungen auf.Mit Hybrid Art und Medien.Kunst.Forschung gibt es zwei weitere Kategorien, die prämiert werden.Das Preisgeld für die insgesamtacht Sparten beträgt heuer 122.500Euro. Sechs Goldene Nicas, ein Stipendium in der Kategorie „thenext idea“ und erstmals der LudwigBoltzman Award sowie zwölf weitereAuszeichnungen und Anerkennun-gen werden 2007 vergeben. NähereInfos und Details: AEC Ars ElectronicaCenter, Hauptstraße 2, 4040 Linz,Tel. 0732/7272-74, www.prixars.aec.at

    A r t A w a r d 2 0 0 7Das Strabag Kunstforum vergibtheuer zum 12. Mal den Kunstförde-rungspreis mit der Zielsetzung her-ausragende Positionen österreichi-scher Malerei und Grafik aufzuzei-gen. Der Art Award 2007 ist mit10.000 Euro dotiert. Zusätzlich wer-den vier Anerkennungspreise inHöhe von je 3.000 Euro vergeben. Diedie feierliche Preisvergabe erfolgt am24. Mai. Alle fünf prämierten Künstler(unter 40) werden zudem in der ArtLounge präsentiert. Ende der Bewer-bungsfrist ist der 8. Februar. Infosunter: [email protected] www.strabag-kunstforum/arta-ward

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    G a s t e i g e r. B i s c h o f f s -h a u s e n . G i r o n c o l iNeue monochrome Arbeiten vonJakob Gasteiger (Bild), frühe redu-zierte Werke von Hans Bischoffshau-sen, futuristisch anmutende Kleinob-jekte von Bruno Gironcoli und farbin-tensive Bilder sowie Glasobjekte vonKiki Kogelnik erwarten den Besucherin der Galerie Walker im SchlossEbenau jederzeit nach telefonischerVereinbarung. Offiziell beginnt dieAusstellungssaison Mitte April. Bisdahin finden kleinere Veranstaltun-gen und Messeteilnahmen an ver-schiedenen Orten statt. CW

    N e u i g k e i t e n a m B e g i n nZu Jahresbeginn präsentieren Peter undMargarethe Resch in ihrer Galerie Unartam Kaiser-Josef-Platz im Zentrum vonVillach Künstler der Galerie unter demeindeutigen Ausstellungstitel „Neuig-keiten”.Wobei sich dies nicht auf dieKünstler bezieht. Diese sind allesamtkeine „Newcomers“ mehr und man hatsie bereits öfters in der Galerie Unartbewundern können. Gezeigt werdenjedoch bis 28. Februar – titelgemäß –neue Arbeiten von Nina Maron (Bild,Nurse), Rosemarie Benedikt, UlrichBosch, Gernot Fischer-Kondratovitch,Valentin Oman u. a. SP

    V o r. S p a n nUnter dem Titel Anatomie der Auslöschung präsentieren in der GalerieVorspann/ Galerija Vprega am Hauptplatz in Bad Eisenkappel zwei einheimi-sche Künstler ihre Werke. Zdravko Haderlap zeigt anhand seiner digitalen Foto-grafien und Installation das Unvermögen der Menschen, mit ihrer Umweltumzugehen. Norbert Klavora hingegen hat dieses Thema in Form von über-arbeiteten Waschungen in Mischtechnik aufgegriffen. Im Bild Haderlap:mACHT sIE mIR…2007, Digitalfoto und Klavora O. T. – Vernissage: 16. Februar, 19 h.Betreiber der Galerie ist der Verein Kino Kreativ Kulturaktiv:www.galerievorspann.com AT

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    E c k . D a t e n Sonja Franz, die in Wien lebt und aufder Universität für AngewandteKunst studierte, hat seit kurzem einAtelier wieder in Klagenfurt aufge-schlagen. Sie stellt bis 25. Februar beiFrau Salcher gegenüber dem Stadt-theater aus: Sie geht unmittelbar vonder Ausstellungs-Situation aus undzeigt im Theatercafé in der inzwi-schen schon legendär gewordenenReihe „Eckdaten“ eine Serie vonZeichnungen, die sich genau mitdem „lokalen“ Phänomen Kaffeehausbeschäftigen. GG

    S h i r t . S h o r t . S t o r i e sMidlife crisis nennt sich die neueWerkserie von Jochen Traar, der alsSchüler von Bruno Gironcoli alsObjekt- und Konzeptkünstler in Wienund Kärnten arbeitet. Traar (ARTPROTECTS YOU) zeigt in der Rittergal-lery bis 3. März eine 28-teilige Serievon Tafelbildern, die als künstle-risches Produkt einer gelebten per-sönlichen Geschichte fungieren.Getragene, gewaschene, geliebte mitdiversen Aufdrucken und Abbildun-gen versehene T-Shirts, die bearbeitetund auf Rahmen gespannt Leinwän-de simulieren. Wie eine zweite abge-legte Haut, rufen sie mit Slogans undDarstellungen Erinnerungen an 25Jahre erlebte vergangene Kultur-ereignisse, private Reisen und Lebens-stationen hervor. Ein künstlerischesKonzept, das den Begriff des Bildes ineinen neuen Kontext stellt. MM

    j o h a n n j u l i a n t a u p eo . t . ( 1 9 9 8 )öl auf leinwand60 cm mal 45 cmsign., dat.: taupe 88

    was kann das neue sein am alten, wenndas alte der raum ist? sind die räumeselbst das neue und der malerischeumgang mit ihnen?vor allem, wenn der raum nichts zeigt,ausser sich selbst.johann julian taupe setzt formen ein, dienichts bedeuten wollen und die positio-nen in einem raum-zeit-gefüge markie-ren. kurz darauf kann das schon einanderes sein und die formen müssensich neu formiert haben. johann juliantaupe setzt formen in permanenterselbstauflösung ein; indem sie ihre ver-änderung anzeigen, halten sie nicht-euklidische räume offen.was mit den menschlichen wahrneh-mungsmöglichkeiten nicht mehr erfasstwerden kann, entwickelt malerisch jo-hann julian taupe. er malt, was vorherkeiner gesehen hat – keine raumkörper,sondern überschneidungen von räumenin bewegung. das schliesst die dimensi-on der zeit ein. seit einstein ist das nichtrückgängig zu denken.keine stabilität des raums gibt es beijohann julian taupe, keine der form. dasgarantiert das neue des alten.

    a.r.

    „Taupes Bilderwelten“Im Ritter Verlag ist Endedes abgelaufenen Jahresein neues Buch von JohannJulian Taupe erschienen. „Weltenbilder“: 96 Seiten;reich mit Farbfotos vonMark Duran illustriert;mit Beiträgen von ElmarZorn (Taupes Ei des Kolum-bus), Gerhard Bott (Globu-

    läre Malerei) Josep M. Cadena (Ästhetik undEthik im Werk) sowie der englischen Literatinund Herausgeberin der angesehenen britischenZeitschrift „Poetry Review“ Fiona Sampson.

    da.schau.her

    R u i n e n . S t ä d t eNiclas Anatol (35) zeigt in der gale-rie.kärnten am Arnulfplatz in Kla-genfurt bis 23. Februar Städte vonheute – Ruinen von morgen. Der BA-CA-Preisträger aus dem Jahr 2003gehört zu den jungen Malern, die alsAusgangspunkt ihrer Arbeiten die

    Fotografie wählen, die er transfor-miert. Man sieht sich verflüssigendeStädte oder von Strukturen durch-wachsene Tiere (hier: giraffe, 2006).Im erweiterten malerischen Raumbezieht Niclas Anatol verwandteProduktionsweisen mit ein, denn esist die Grenzüberschreitung, die dieaktuelle Bedeutung der Malerei mitabsichert, meint der Philosoph LeoHemetsberger, der den in Kärntenaufgewachsenen und in Wien stu-dierten Künstler vorstellte.www.kultur.ktn.gv.at. CK

  • h o r i z o n t eED o m . z u . G u r kÜber das Interreg Projekt „FreskoHeute“ wurden zwei Räume desProbsthofes im Stift Gurk umgestal-tet und neu interpretiert. Die Kombi-nation der antiken Freskomalereiund der modernen Formensprachedurch den Entwurf von BurgiMichenthaler ist noch bis zum 10. Februar zu sehen. Die alten Wand-bilder wurden durch neueste Techni-ken und Mittel nochmals bearbeitet.Bei der Gestaltung der modernenFresken von Burgi Michenthalerhalfen Elisabeth Juan, Bruno dePellegrin und Dietrich Wiedergut imGurker Probsthof. MH

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    P r e i s g e k r ö n t e .J u n g v ä t e rKaum ist das Publikum dem blankenWahnsinn von Winkler und Feistrit-zer bei den erfolgreichen Kabarett-veranstaltungen ARTur und Herkulesentkommen, geben die beiden nunin der Spittaler Garage am 22. Februarwieder „Jungväteralarm“. Diesmalerhält das Duo aus der GemeindeSchlatzing im Maltatal von den Jung-vätern Martin Kosch und O. Lendlkräftige Unterstützung in Sachen

    schwarzer Humor. Das Beste ausallen humorvoll-schrägen Program-men ist ihnen nach den Preisen beiden verschiedensten Kleinkunstwett-bewerben gerade gut genug, um mitihrem dialektgewaltigen Können dieLachmuskeln der Anwesenden zustrapazieren. MH

    K r i s t a l l . S c h a t zDie Suche nach Kristallschätzen übtschon seit den Neandertalern einenReiz auf die Menschen aus, der durchNaturverbundenheit, künstlerischeÄsthetik und Leidenschaft entstan-den ist. Nachdem Kärnten die größteMineralienvielfalt Österreichs besitzt,bietet das Landesmuseum (LMK) biszum 29. April allen Interessierten dieChance, die schönsten Kristallstufenund seltensten Minerale und jeneGeschichten, die mit dem „versteiner-ten Eis der Alpen“ verknüpft sind,kennen zu lernen: Sucher, Sammlerund Abenteurer im Wandel der Zeiten.In der von Cornelia Bockrath kuratier-ten Schau, einer noch junge (im dop-pelten Wortsinn) Geologin am LMK,werden die verschiedensten Entwick-lungsstufen der Kristalle gezeigt, diemeist nur unter äußerster Anstren-gung und Lebensgefahr geborgenwerden konnten. MH

    K l a s s i s c h e . H ö h e p u n k t eFür Spannung ist am 27. Februar imKonzerthaus in Klagenfurt gesorgt.Nicht nur musikalisch wird das Publikum mit Werken von Bruch,Rossini, Tschajkowskij und Katchatur-jan einiges geboten, junge Solisten(Nina Popotnig, Daria Fussl, Judithund Jakob Fliedl) des Konse werdensich einem Auswahlspiel stellen, umauf der Bühne unterstützt durch dasKärntner Sinfonieorchester unter derLeitung von Wolfgang Czeipek einenersten Schritt in Richtung einer inter-nationalen Karriere zu machen. Einweiterer klassischer Höhepunkt desKSO sind am 8. Februar Interpretationenvon verschiedenen Brahms-Stückenmit Volker Schmidt-Gertenbach alsDirigent und Lilian Akopova amKlavier (Fotos). Beide Konzerte wurdenin Zusammenarbeit von Jeunesse undMusikverein organisiert. CH

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    F a s t e n . Tu c hEine Verbindung der Tradition von alpenländischen Fastentüchern und modernerDarstellungsmöglichkeiten versucht Lisa Huber (hier ihre Wasser.Kraft im Stadt-turm Gmünd) mit der Präsentation eines zeitgenössischen Fastentuchs ab 21. Februar in der Stadtpfarrkirche in Gmünd. Durch eine mittelalterliche Formen-sprache werden behutsam Szenen aus dem alten und neuen Testament angedeu-tet und laden den Betrachter ein, durch klare Formen und prägnante Farbigkeitbiblische Abbildungen persönlich nachzuempfinden. Verstärkt werden dieseEmpfindungen durch eine Vesper und einen Vortrag von Axel Huber. GT

    N e u e r. K l a n g . K ö r p e rAls zusätzliche Bereicherung deskulturellen Lebens in Villach soll einneu geschaffener Klangkörper fürmusikalische Höhepunkte sorgen.Zum ersten Mal wird sich die NeueSinfonie Villach mit einem Rosen-montagskonzert unter der Leitungvon Stephan Kühne am 19. Februar imCongressCenter einem größerenPublikum präsentieren. Auf die Dau-er soll durch den bereits seit 40Jahren bestehenden Villacher Musik-verein musikalische Qualität hörbargemacht werden. So gibt es bereitsbeim ersten Konzert ein vielfältigesProgramm mit Werken von Weill,Kühne, Sarasate, Chopin und JohannStrauß zu hören. MH

    H a u s L a u t e r b o r n , W a a g g a s s e , K l a g e n f u r t( A r c h i t e k t S c h i f f l e r )

    In Zusammenarbeit mit dem Landeskon-servatorat für Kärnten sollen heuer zweiBauten in Klagenfurt saniert und restau-riert werden, die zu den wichtigstenBaudenkmalen der bedeutendsten„Kärntner“ Architekten in der 1. Hälftedes 20. Jahrhunderts zählen: Das nachPlänen des Architekten Franz Baumgart-ner 1914 fertig gestellte, noch von derFormensprache des Spätsezessionismusbeeinflusste Künstlerhaus ist durch dieAusstellungen des „Kunstvereines fürKärnten“ im öffentlichen Bewusstseinverankert. Weniger bekannt ist das vonArchitekt Sigmund Schiffler für die da-malige Eigentümerfamilie „Lauterborn“1933 fertig gestellte Wohnhaus im Be-reich der renaissancezeitlichen „Schütt“,die heute von der Massigkeit des neuenEinkaufszentrums dominiert wird.Die architektonischen Qualitäten desstilistisch von der „Neuen Sachlichkeit“geprägten Gebäudes hat FriedrichAchleitner in seinem Architekturführerausführlich vorgestellt: mehrgeschossigkonzipiert, beeindruckt das Haus durchdie spannungsreiche Verschränkungkubischer, zylindrischer und prisma-tischer Baukörper. Wie viele andere dervon den Architekten Baumgartner undSchiffler errichteten Bauten stehen das„Künstlerhaus“ und das „Haus Lauter-born“ (heute „Herbst“) unter Denkmal-schutz. Dem zu Lebzeiten stark unter-schätzten Architekten Sigmund Schifflerwurde 1996 posthum der Würdigungs-preis des Landes für Architektur zuer-kannt, das zweckgebundene Preisgeldsoll für die Sanierung des „Hauses Lauterborn“ verwendet werden.

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    denk.mal

    (Foto: Harb, 1993)

    Z e i t . f ü r. N e u i g k e i t e n Der Kulturpreisträger und Berkeley-Absolvent Felician Honsig-Erlenburg(s.a. Brücke 73 bzw. Seite 11) greiftgemeinsam mit dem Italiener CarloCosta (Schlagzeug) und dem Norwe-ger Håvard Volden (Gitarre) alsSpaennkraft Trio am liebsten zunaturbelassenen, sehr ehrlichen Jazz-Tönen. Hören kann man diese am 7. Februar im Künstlerhauscafé (CiK)in Klagenfurt. Dabei steht der Spaßam gemeinsamen Spiel im Vorder-grund. So rückt bei den einzelnenLiedern immer ein Musiker des Triosins Zentrum der Performance. Durchdas Wechseln der Rollen sollen dieunterschiedlichen Ausdrucksmög-lichkeiten erforscht werden, um einhöchstes Maß an Kreativität zu er-reichen und das Publikum in denBann zu ziehen. GT

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    Warum LH Haider wieder das Kultur-referat übernommen hat. Was er überdie Vergangenheit denkt. Warum erStadttheaterintendant Pflegerl denLandeskulturpreis geben würde. Waser in Zukunft Neues plant und wasihm besonders am Herzen liegt. Wo erein Zentrum für junge Avantgarde inKärnten schaffen und wie er das Pro-jekt Kunsthaus Villach fördern will.

    Warum haben Sie das Kulturreferat,das doch eher ein Minderheitenpro-gramm ist, wieder übernommen?

    Weil ich vom Minderheits- zumMehrheitsprogramm kommen will.Kultur ist nicht eingeschränkt aufjene, die es sich leisten können. Kul-tur muss eine breite Begegnung er-möglichen, insbesondere dann, wennsie so wie in Kärnten sehr stark auföffentlicher Förderung aufgebaut ist.Es darf nicht nur eine Frage des Gel-des sein. Ich bin überzeugt, dass esauch einkommensschwache Familiengibt, die viel mit Kultur anfangenkönnen und die sich sehnsüchtigwünschen, einmal bei einem schönenKonzert dabei zu sein, oder eine Gale-rie zu besuchen. Aus dem Grund habeich auch vor, für diese Bevölkerungs-gruppe eine neue KulturCard zuschaffen. Denn ohne die Teilnahmeder breiten Bevölkerung am kulturel-len Angebot gibt es keine wirklich de-mokratische Kultur.

    Ihr Vorgänger hat eine Reihe von(finanziellen) Versprechen an denverschiedensten Adressen abgegeben– inwieweit fühlen Sie sich demverpflichtet?

    Ich habe einen relativ umfang-reichen Rucksack übernommen. Dasist mein Schicksal, dass ich immerVorgänger hatte, die es mit der Kultursehr gut meinen – auch finanziell. Sohatte ich seinerzeit von Ausserwink-ler viele Hypotheken übernommenund habe jetzt einiges von meinemVorgänger Strutz zu übernehmen.Aber ich werde mit besten Kräftenversuchen, die Dinge vernünftig zulösen. Das heißt, was machbar ist,wird gemacht, ohne dabei aber alljene gänzlich im Stich zu lassen, dieberechtigte Erwartungshaltungenhaben. Sie brauchen für ihre Arbeitauch Zusicherungen. Diese musstenaber gekürzt werden, weil irgendwelche anderen Projekte erfundenwurden …

    Ist das Verhältnis „Hochkultur“ zu„Volkskultur“ nicht einseitig zugunstender so genannten „Trachtenträger“?

    Das ist ein gängiges Argument, umdie eigenen Pfründe zu sichern. Es istimmer ein Wettstreit, wer kriegt wasaus dem Kulturbudget. Aber es istunbestritten, dass die Hochkulturden größten Anteil erhält, schon allei-ne durch die Tatsache, dass das Stadt-theater einen Großteil der gesamten

    Mittel verschlingt. Da könnte auchviel diskutiert werden, insbesonderewas Einsparungspotenziale betrifft.Trotzdem macht man es nicht, weiljeder weiß, dass damit auch rechtrasch Beschränkungen im Angebotverbunden sind, was wir eigentlichnicht haben wollen. Überall werdenTheater zugesperrt und Programmereduziert. Wir in Kärnten zeigen, dassman bei einer soliden Finanz- undBudgetpolitik auch der Kultur ihrenAnteil sichern kann, auch wenn es inanderen Bereichen oder in anderenLändern eher Kürzungen gibt.

    In einem Kommentar zur Kultur-preisverleihung 2006 schrieb der Chef-redakteur einer Kärntner Zeitung„Eine Willensbekundung Jörg Haidersgilt es besonders festzuhalten: Er wer-de, auch wenn er persönlich einzelnekünstlerische Ausdrucksformen nichtgoutiere, als Kulturreferent alles tun,dass diese verwirklicht werden könn-ten. Wir hören die Botschaft. Der Glau-be daran möge sich mit der gelebtenPraxis festigen.“ – was also haben dieKünstler zu erwarten?

    Ich würde mir nur wünschen, dassdie Offenheit, auf die ich in der Kultur-politik achte, von den Medien auchdementsprechend wahrgenommenwird. Man braucht ja nur ins Archiv ge-hen und wird feststellen: Seit es denKulturreferenten Jörg Haider im Jahr1999 zum ersten Mal gab, war eine

    K ä r n t e n s K u l t u r i s t w i e d e r C h e f s a c h eInterview mit Landeshauptmann Jörg Haider

    Mit einer „Verleihungsmaschine“ nahm Cornelius Kolig humorvoll den Landeskulturpreis 2006 vom Kulturreferenten entgegen.

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    offene, freie kulturelle Diskussionmöglich. Kultur soll letztlich in derRegel Eisbrecher für neue Entwick-lungen sein und nicht Instrument par-teipolitischer Auseinandersetzungen.Das habe ich schon in meiner erstenAmtszeit klargemacht, z. B. mit der Ein-führung der Ankaufsjury.Wobei Kunst-werke nicht nach Parteifarbe ange-kauft werden, sondern auf einer objek-tivierten und für alle nachvollzieh-baren Basis. Es hat keine wie immer ge-ortete Begrenzung, Behinderung oderAusgrenzung gegeben, sondern wirhaben vieles möglich gemacht, was inder Vergangenheit nicht denkbar ge-wesen wäre und dies auch institutio-nell abgesichert. Die Ausstellungen,die wir in Kärnten veranstalten – woselbstverständlich ein Cornelius Koligausgestellt wird –, zeigen eine sehr be-wusste Offenheit und dass Begegnun-gen mit allen Formen des künstleri-schen Schaffens möglich sind, aber im-mer unter der Prämisse: In einer demo-kratischen Gesellschaft muss sich auchder Kulturschaffende der Kritik stellen.Das beste Korrektiv einer kulturellanspruchsvollen Gesellschaft ist derDiskurs über die Art der Kunst, die prä-sentiert wird. Das betrifft etwa dasjüngste Ereignis mit der Kulturpreis-verleihung. Meine Einstellung zu Koligund seinem Werk hat sich nicht geän-dert. Wobei ich die Arbeiten seinesGroßvaters Anton Kolig sehr schätze.

    Trotzdem haben Sie Cornelius Koligden Kulturpreis zuerkannt?

    Selbstverständlich! Weil ich ein de-mokratisch fairer Politiker bin, der re-spektiert, dass im Kulturgremiumeine Wahl und eine Entscheidung ge-troffen wurde. Das ist auch Ausdruckeiner gesetzlichen Regelung mit not-wendiger Transparenz. Auf diese Wei-se hat jeder Künstler die Gewissheit,dass nicht ein Kulturreferent ihnnach persönlicher Neigung beurteilt.Und wenn im nächsten Jahr geplantist, dem Herrn Pflegerl den Landes-kulturpreis zu geben, dann wird dassozusagen „Kolig II“ werden. MeineMeinung zu und über Pflegerl stehtfest. Doch ich würde es trotzdem re-spektieren, wenn er zum Kulturpreis-träger gemacht wird, insbesonderebei seinem Abgang. Da sollte man je-manden eher Blumen überreichenund nicht Steine nachwerfen.

    Was sind ihre nächsten Pläne undZiele im kulturellen Bereich?

    Nach den erfolgreichen „Eremitenund Kosmopoliten“ möchte ich denzweiten Teil der Ausstellung für dieklassische Moderne der Nachkriegs-zeit vorbereiten, weil das ein beson-deres Anliegen von mir ist. Bei derMusikakademie in Ossiach, die wirmit Mitteln des Zukunftsfonds bauen,will ich dafür sorgen, dass wir einenKonzertsaal bekommen, der abernicht im Hof versteckt ist, sondern

    dem See zugewandt sein soll. Dennich sehe dort die Begegnung mit Mu-sik auch als eine architektonische In-szenierung. Das Steinhaus von Dome-nig wird so fertig gestellt, wie mitdem Bund vereinbart. Das Musikzent-rum Knappenberg wollen wir umset-zen, weiters natürlich den weiterenAusbau des Musikschulwesens. Es sollbis Ende 2009 mehr als 90 Standortegeben. 1999, als ich angetreten bin,haben wir 6.000 Musikschüler ge-habt, jetzt sind es über 14.000.

    Eine schöne Vorstellung wäre esauch, wenn im derzeit ungenutzten„Blauen Würfel“ in Klagenfurt eineArt Experimentierzentrum entsteht.Künstlertalente hätten dann dieMöglichkeit, dort zu arbeiten undihre Werke zu präsentieren. So könn-te ein Zentrum für die junge Avant-garde in Kärnten geschaffen werden,sowohl was die Musik betrifft, alsauch die bildnerische Kunst. Interes-sant wäre es auch, das Projekt Kunst-haus Villach zu verfolgen. Das istnatürlich von der Finanzierung hersehr aufwändig. Wir müssten mit derStadt reden, welche Mittel sie bereitwäre einzusetzen bzw. inwieweit sichder Bund beteiligt und ob noch zu-sätzliche Sponsoren gefunden wer-den können. Ich würde das schon gutfinden, wenn wir in Kärnten noch einKunsthaus hätten.

    Günther M. Trauhsnig

    Die Förderungspreisträger (Ferdinand Kopeinig, Thomas Zeloth, Dietmar Jannach, Johanna Wiedenig, Jürgen Lagger, Egon Straszer – von links) mitFelician Honsig-Erlenburg am Sax. Für den im Ausland weilenden Hubert Sauper verlas Angelika Hödl (Radio Agora) eine prägnante Grußbotschaft.

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    1 2 D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7

    Dass unter ihren Händen Kunstwerkeund Bauten von außergewöhnlicherSchönheit entstanden, war allen ander Neugestaltung der Athener Akro-polis Beteiligten klar, dass aber ihrWerk noch nach Jahrtausenden Besu-cher aus aller Welt anlocken würde,ahnten vor 2500 Jahren wohl nichteinmal die beiden Protagonisten desambitionierten Projekts. Dabei warendiese zwei Männer es ja durchaus ge-wohnt, in großen Dimensionen zudenken, der eine in der Politik, der an-dere in der Kunst. Die Rede ist vomFeldherren und Staatsmann Perikles,der damals, um die Mitte des 5. Jh. v.Chr., gerade zum mächtigsten MannAthens aufgestiegen war und vonseinem Lieblingskünstler Phidias,einem genialen Bildhauer und Archi-tekten. Während aber Perikles seineMitbürger mit charismatischen Re-den in seinen Bann zog, begeistertePhidias die Öffentlichkeit mit monu-mentalen Skulpturen. Die Athener er-kannten nämlich rasch, dass dieserMann Götterbilder von unnachahm-licher Ausdruckskraft schaffen konn-te, die durch die Verarbeitung edels-ter Materialen zudem bestens dazugeeignet waren, öffentliche Räume

    zu schmücken. Kein Wunder, dassniemand Einspruch erhob, als Peri-kles ausgerechnet diesen Mann mitder Leitung des größten Bauprojektsjener Zeit beauftragte, dem komplet-ten Umbau des großen Stadtheilig-tums auf der Akropolis.

    Geld dafür gab es genug, war dochAthen damals dank seiner militäri-schen Stärke und der damit verbun-denen skrupellosen Ausbeutung sei-ner Verbündeten reich und mächtiggeworden – und genau dies solltendie neuen Prachtbauten unmissver-ständlich zum Ausdruck bringen. EinAuftrag wie gemacht für einenKünstler, der seine Ideen mit Vorliebein überlebensgroßem Format undteuersten Materialien realisierte. DasKultbild, das Phidias für den neu er-richteten Tempel auf der Akropolisschuf, war denn auch nicht irgendei-ne Statue der Stadtgöttin, sonderneine 12,7 m hohe Plastik der Athenaaus Gold und Elfenbein.

    Da allerdings Neid und Missgunstauch den alten Athenern nicht fremdwaren, machten schon bald böse Ge-rüchte die Runde: angeblich habePhidias mit Billigung des Perikleseinen Teil des gelieferten Edelmetalls

    unterschlagen. Alles Lüge, beteuerteder Künstler, und der Staatschef ver-bürgte sich persönlich für seinenSchützling – vergebens. Zu vielepolitische Gegner und persönlicheFeinde lauerten nur auf die Chance,den beiden durch ein öffentlichesVerfahren nachhaltig zu schaden,und so kam es zur Anklage. Zwarkonnten letztlich keine schlagendenBeweise für die Schuld des Phidiasgefunden werden, der Künstler hatteaber ob dieses zweifelhaften „Lohns“seiner Arbeit dennoch genug von derHeimat.

    Da kam ein Auftrag auf dem fernenPeloponnes gerade recht, wo derMeister für das berühmte Heiligtumvon Olympia ein neues Bild desGöttervaters Zeus schaffen sollte.

    Diese Monumentalstatue, diesitzend über 12 m hoch war, wurdeschließlich sein wahres Meisterstückund zählt bis heute zu den siebenWeltwundern der Antike. Dennnatürlich schuf Phidias auch sie – wieden Athenern zum Trotz – ganz ausGold und Elfenbein.

    Mario Rausch

    Rekonstruktion der Athena Parthenos des Phidias. Der Zeus von Olympia auf einem Gemälde des niederländischenMalers Martin van Heemskerk (1498-1574). Antike Münze mit Darstellung der monumentalen Sitzstatue des Zeus, diePhidias für das Heiligtum von Olympia schuf.

    G o l d u n d E l f e n b e i nEin (Staats)Künstler in den Mühlen der Macht

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    Seinen Ruf als Holz-Bau-Land hat Kärn-ten bei der Vergabe des Landesbauprei-ses 2006 wieder eindrucksvoll unterBeweis gestellt. Und wieder hat ein „so-zialer Holz-Wohn-Bau“ gewonnen. Undwieder heißt der aus Feldkirchen stam-mende und in Graz tätige ArchitektDietger Wissounig. Die Verleihung derPreise erfolgt durch Kärntens neuenHochbaureferenten Landesrat WolfgangSchantl: Damit sollen herausragendeBauwerke gewürdigt werden, in denendie hohe Sachkunde von Ingenieurenund Architekten und ihr Ideenreichtumzum Ausdruck kommen, und mit denendie große Verantwortung und Sensibili-tät für die notwendigen Belange derUmwelt und die wirtschaftlichen undfunktionalen Anforderungen der Auf-traggeber bewiesen werden.

    Unter 19 Projekten, die von der Jury indie engere Wahl genommen wurden,hat sich die NiedrigenergiewohnanlageMarkstein/Feldkirchen durchgesetzt.Die an der Ökonomie und am konstruk-tiven Holzschutz orientierte, nahezu la-pidare Baugestalt bleibt in ihrer Unauf-dringlichkeit im Hintergrund. Sie öffnetaber gerade dadurch den Raum für dasLeben. Mit diesem Statement wirkt dieAnlage ,Marktstein‘ über den Ort hinaus

    und wird so ihrem Namen gerecht.Punkto Genossenschaftsbau und Holz-bau definiert sie regional einen neuenStandard. National hat sie keine Verglei-che zu scheuen, lautete der Kommentarder Landesbaupreisjury.

    Die Anerkennung zum Landesbau-preis 2006 errang ein Projekt von Archi-tekt Karl-Heinz Winkler. An einer städti-schen Randzone von Velden situiert, bie-tet das Projekt durch sein homogenesund kräftiges Erscheinungsbild ein En-trée zum Ort. Die vorhandene Größe desBauplatzes bietet Möglichkeiten einerMischnutzung, die in stadtstrukturellerHinsicht das Gebiet belebt. Dieses Ge-schäfts- und Wohnhaus wird von derJury als gutes Beispiel zeitgenössischerBaukunst gewürdigt. Der städtebaulicheAnsatz, die Raumkonzeption und diegewählten Materialien greifen schlüssigineinander und schaffen eine bemer-kenswerte Wohn- und Arbeitssituation.

    In die engere Wahl für den Landes-baupreis 06 kamen auch zwei weitereBauwerke in Klagenfurt:die Filiale Spital-berg/LKH der Hypo Alpe-Adria-Bank desArchitekten Reinhold Wetschko und amLendkanal, der vom Baustoff Holz do-minierte erste Kärntner Passivwohn-bau für ein „Gemeinschaftsprojekt als

    Bauherrenmodell“ des ArchitektenduosMarkus Klaura und Dietmar Kaden.

    Zudem wird dem in den Ruhestandgewechselten Landeskonservator fürKärnten, Ulrich Harb, der Würdigungs-preisfür besondere Leistungen derArchitektur und Verdienste um dieBaukultur überreicht. Zu seinen Ver-diensten zählen die Revitalisierungendenkmalgeschützter Bauten für dieLandesausstellungen in Straßburg,Heft, Ferlach, Friesach,Winklern ebensoAdaptierungen der FH in Spittal undFeldkirchen sowie des BG in StiftViktring oder des Stadttheaters undMuseums Moderner Kunst in Klagen-furt (siehe auch Brücke Nr. 73 bzw.www.bda.at). GMT

    Kärntner Landesbaupreis 2006Wohnanlage Markstein/FeldkirchenPlanung: Architekt DI Dietger Wissounig, Niedrigenergiewohnanlage in HolzbauweiseFertigstellung November 06; 30 Wohnungenzwischen 55 und 95 m2 aufgeteilt auf 5Häuser: 4 zweigeschossig, 1 dreigeschossig.Anerkennung zum Landesbaupreis 2006Geschäfts- und Wohnhaus Veldenwinkler-architektur (Arch. DI. Karl-Heinz Winkler)Mitglieder der Jury:Arch. Prof. Roland Gnaiger, BregenzArch. DI Elke Delugan-Meissl, WienProf. Otto Kapfinger, WienDI Erich Fercher, AKL, Abteilung 7 –Wirtschaftsrecht und InfrastrukturArch. DI Gernot Kulterer

    K ä r n t n e r L a n d e s b a u p r e i s 2 0 0 6 Sozialer Holz-Wohn-Bau wird zum Seriensieger

    Preiswürdig: Apotheke von winkler-architektur in Velden. Holzwohnbau von Wissounig in Feldkirchen. Fotos: AKL/Hochbauabteilung

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    1 4 D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7

    Vor etwa einem Jahr erfreute sie miteinem Andersengedenken im Musil-haus. Derzeit tritt Heidelinde Weis imStadttheater in Tschechows „OnkelWanja“ auf und im Sommer liest sie zuDietmar Pflegerls Intendantenabschiedmit diesem „Love Letters“. Für michwar immer alles gleich wichtig, sagt sieim persönlichen Gespräch, ob Kunstzur Aufheiterung oder zum Nachden-ken dient, wobei ernste Stücke für michleichter zu spielen sind als Komödien.Der Zauber einer liebenswürdigen Per-sönlichkeit voll Witz, Humor, aber auchgroßem Tiefgang entfaltet sich in derBegegnung mit ihr und ihren zahlrei-chen Erinnerungen an die vergangenebzw. aktuelle Karriere im schönenHaus hoch über dem Wörthersee.

    Kinofilme, Soloprogramme, Eigen-schöpfungen, wie ein Drehbuch („Um-wege nach Venedig“), das Texten vonLiedern (Deutscher Schallplattenpreisfür „So sing ich“ 1975) und Kabarett inder Münchner „Lach- und Schießge-sellschaft“ 1983), vor allem aber fastunzählige Arbeiten für das Fernsehenkennzeichnen ihren Weg neben demTheater. Ob sie dabei als Gerda Griesein „Neue Freunde, neues Glück“ mitChristiane Hörbiger erfolgreich ist, mitden Brüdern Wepper in „Drei unter einerDecke“ steckt oder gerade auf Ibizadreht („Abenteuer Ferienhaus“), immerist sie in vorderster Reihe der gehobe-nen Unterhaltung zusammen mit denbekanntesten und populärsten Prota-gonisten dieser Genres zu sehen.

    Wie kann man mehr als vier Jahr-zehnte einer reichen, vielfältigenkünstlerischen Laufbahn beschreiben?– Man muss sich als Rezipient auf dasWesentlichste beschränken: Ende der50er Jahre nach Reinhardtseminar undwährend einer Pause ihres ersten fe-sten Engagements am Theater in derJosefstadt erfolgte ihr Einstieg alsTochter Gerda in der berühmten„Familie Leitner“, aber auch ihr Kino-

    debüt in „Ich heirate Herrn Direktor“.In den 60ern wirkte sie in vielen Filmenmit, erhielt aber auch interessante Rol-len für das damals noch junge Fern-sehen. In großem Stil wurde damals an-spruchsvolle Theaterliteratur von ARDund ZDF adaptiert wie Shakespeare(Othello, Maß für Maß, Wie es euch ge-fällt, Was ihr wollt etc.), Anouilh (dieColombe meisterte sie mit 22 und mit40; sie spielte sowohl die Antigone alsauch die Ismene) usw., sinniert dieKünstlerin. „Lausbubengeschichten“von Ludwig Thoma, „Liselotte von derPfalz“ oder die „Tote von Beverly Hills“(Curt Goetz) sind heiter-ironische bisernste Verfilmungen, die auch heuteimmer wieder auf verschiedenen Sen-dern auftauchen. Den eigentlichenDurchbruch im Fernsehen bildete diedreiteilige WDR-Produktion die „Frauin Weiß“ nach einem Roman von WilkieCollins (1971). Die hübsche Mimin, diesowohl komisches als auch schwermü-tig ernstes Talent besaß und besitzt, er-hielt viele Aufträge für das neue Medi-um, etwa in TV-Krimis. Schon ab Endeder 70er Jahre spielte sie in Teilen derSerien von „Der Alte“, „Derrick“ und„Ein Fall für zwei“. Und in dem Schau-ereignis der 80er Jahre „Der Schwarz-waldklinik“ verkörperte sie die ÄrztinDr. Elena Bach in sechs Folgen. Auch fürdie transkontinentale „Traumschiff-reihe“ sollte sie von Produzent Rade-mann bis 2003 zweimal geholt werden.

    Dazwischen gab und gibt es immerwieder Theater. Im Gespräch mit derBrücke erzählte sie vom Stück „SechsTanzstunden in sechs Wochen“ inMünchen. Mittendrin wird sie von denErinnerungen an die Dreharbeiten von„Das Fräulein“, (Roman des Nobel-preisträgers Ivo Andric) eingeholt, diefür sie Anfang der 80er Jahre eineinteressante Herausforderung waren.Es ging dabei um das Porträt einerFrau, die mit Unterdrückung andererdurchs Leben kommt, aber die Mensch-

    lichkeit verliert. Zwischen 1988–98musste sie sich aus privaten Gründen,wegen der Krankheit ihres Ehemannes,des Produzenten Hellmuth Duna, fürdas Fernsehen rar machen und war vorallem auf der Bühne in der bayerischenMetropole präsent.

    Im anspruchsvollen Boulevardmetier(z. B. „Nächstes Jahr, gleiche Zeit“ hatsie 1977 gespielt und 20 Jahre späterselbst Regie geführt, mit Heiner Lauter-bach als Star) bewegt sie sich gern.Weiters hebt sie die Zusammenarbeitmit der argentinisch-deutschen Auto-rin Esther Vilar hervor. Deren witzigemanzipationskritische Werke schätztHeidelinde Weis sehr. Mit vielen nam-haften Schauspielern Deutschlands(Martin Benrath, Bernhard Wicki, O.E.Hasse, Agnes Fink), in bedeutendenTheatern (Berlin, Hamburg...) ist sieaufgetreten, Ende der 70er auch schonzweimal bei den Salzburger Festspielen:in Georg Büchners „Leonce und Lena“(mit Karl-Maria Brandauer) und Beau-marchais „Der tolle Tag“. Von den un-glaublich vielen Auszeichnungen (u. a.von Theater heute, Bühne) hebt sienoch die Goldene Kamera und denGoldenen Bildschirm hervor.

    Man muss immer wieder von Null an-fangen, sagt sie, sich immer weiterge-ben, wenn man, wie sie, erfüllt ist vomSchau-Spiel, im Film und auf der Bühne.Heidelinde Weis ist gern in unseremBundesland. Hier erholt sie sich vomanstrengenden Beruf, hier hat sie ihreWurzeln,die Familie. In ihrem von einemgroßen Hund bewachten Haus bei Vel-den ist sie umgeben von unzähligenBüchern, Fotos, Briefen, starken Bildernund Radierungen der Maler AdolfFrohner oder Werner Berg. HeidelindeWeis – die Arbeit und das Wirken dergebürtigen Kärntnerin ist bis heute einsich ständig in Bewegung befindendesStück österreichisch-deutscher Schau-spiel- und Kulturgeschichte.

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    „ D i e F r a u i n W e i ß “Ihre Karriere begann Ende der 50er Jahre in Wien. Eine dergefragtesten Schauspielerinnen im deutschen Sprachraum isterstmals am Stadttheater Klagenfurt zu sehen: Heidelinde Weis

    Heidelinde Weis, geb. 1940 in Villach, vielseitige Film- und Theaterschauspielerin; dzt. StadttheaterKlagenfurt in „Onkel Wanja“, Regie: Dietmar Pflegerl bzw. mit ihmin „Love Letters“ (Albert R. Gurney): Premiere 27. Juli – hier als„Frau in Weiß“, TV-Produktion 1971.

    „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow(Termine siehe Lust.Auf.Kultur)Außerdem mit Marie-Therese Futterknecht, Trude Heinzel, Josef Bilous. Kostüme: Annette Zepperitz; Bühne: Bernd D. Müller

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    Als starke Mutter in „Onkel Wanja“ mit Dietrich Mattausch und Wolfram Berger in der Titelrolle sowie Nestroypreisträgerin Getrud Drassl und Peter Raab.

    Fotos: Zoltan

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    C h r o n o l o g i e e i n e r E n t f r e m d u n gCoop05 bringen einen Autor von Weltruhm auf die Bühne

    „Aug’ in Auge“ (Österreichische Erstaufführung)Ein Dorf.Ein Deserteur.Seine Frau 1., 2., 3., 4., 5. März im Bergbaumuseum in Klagenfurt 28., 29., 30. Juni am Peršmanhof, Bad EisenkappelRegie: Gerhard RoissProduktion: Gustav LeipoldSchauspiel: Susanne Kubelka, Katharina Schmölzer, Jürgen Sihler, Oliver Vollmann, Guido Renner, Andre Lehnert. Live-Musik: Saad Thamir, Suzanne JosekIn Zusammenarbeit mit dem Slowenischen KulturverbandKarten/Info: 0699/19477869

    Die Erzählung von Tschingis Aitmatowüber Krieg und die Entfremdungmenschlicher Grundsätze wird miteinfachsten Mitteln auf die Bühne ge-bracht. Im Zentrum der Dramatisie-rung des Stoffes steht der Mensch undseine Würde. Eine wesentliche Rollespielt darin die Musik: Eigens für diesesStück komponierte Gesänge und ent-fremdete Volkslieder, sowie instrumen-tale Stimmungen und Stimmungs-fetzen bilden die Basis für das Archai-sche, das Allgemeine der Geschichte, soSusanne Kubelka. „Aug’ in Auge“ ist daserste Theaterprojekt von Coop05 undgleich ein grenzenüberschreitendes, er-zählt die aus Kärnten stammendeSchauspielerin über die von ihr mitbe-gründete europäische Theaterkoope-rative. Doch das ist nicht untypisch fürsie, die am Wiener Reinhardtseminarstudierte, in Köln lebt und gerade beiden Vereinten Bühnen Bozen in einerHauptrolle erfolgreich war. Wesentlichist ihr das gemeinsame Entwickeln einertheatralen Sprache, die unabhängig istvon Landes- und Denkgrenzen und auseiner intensiven Zusammenarbeit vonMenschen verschiedener Nationalitä-ten entsteht. Das Stück wurde in Kölnmit Künstlern aus Österreich, Deutsch-land,dem Irak,der Schweiz und Spanienentwickelt und in der Christuskirche

    uraufgeführt. Um in weiterer Folge anverschiedenen Orten, die durch den 2.Weltkrieg eine besondere symbolischeBedeutung bekommen haben, weitergetragen zu werden. Die nächsten Sta-tionen sind das Bergbaumuseum inKlagenfurt, ehemals Bunker der Gau-leitung Kärnten, und der Peršmanhofbei Eisenkappel, ein Museum des anti-faschistischen Widerstandes in Kärn-ten. Ehemals ein großes bäuerlichesAnwesen, wurden dort nur wenigeTage vor Kriegsende elf Mitglieder ei-ner Familie von Soldaten der Wehr-macht erschossen und das Anwesenniedergebrannt. Alle Opfer waren Zivi-listen (www.persman.at).

    Auch Aitmatows Geschichte beruhtauf eigenen Erlebnissen während des2. Weltkrieges: Sejde, eine junge Frau,lebt mit ihrem kleinen Sohn und ihrerSchwiegermutter in einem kirgisischenDorf. Eines nachts kehrt Ismail, ihrMann, zurück. Desertiert. Sie verstecktihn und bietet dem ganzen Dorf undden Polizeikommissaren die Stirn.Kämpft gegen ihr moralisches Gewis-sen der Gemeinschaft gegenüber, teiltdie spärlichen Lebensmittel... sorgt da-für, dass ihr Mann, den sie liebt, über-lebt. Doch der Hunger, die Kälte unddie Würdelosigkeit seines Daseins ver-ändern Ismael. Als er durch den Raub

    einer Kuh den Nachbarskindern dieGrundlage für ihr Überleben nimmt,führt Sejde die Dorfgemeinschaft zumVersteck ihres Mannes.

    Die 1958 verfasste Erzählung war Ait-matows erste literarische Veröffent-lichung. Die deutsche Ausgabe erschien1989 im Unionsverlag. Der vielfachePreisträger wurde 1928 in Kirgistan ge-boren und zählte in der Sowjetunionzu den beliebten Autoren, emanzipiertesich ab den 70ern von der Poetik dessozialistischen Realismus, schrieb zwei-sprachig (russisch und kirgisisch) undgelangte zu Weltruhm. Aitmatow, der2006 für den Literatur-Nobelpreis no-miniert wurde, hat selbst großes Inter-esse an der Dramatisierung des Stoffes.

    GMTAktuelle Zahlen: Seit dem Jahr 2000 gibtes über 40.000 Deserteure der US-Streit-kräfte. Fast die Hälfte der BevölkerungAfghanistans hat ihren gesamten Besitzverloren. Mehr als sechs MillionenMenschen sind aus dem Irak geflohen.655.000 Menschen haben dort seit demEinmarsch der US-Truppen im März 2003ihr Leben verloren… Betrachtet man dieRelation der Toten bei Militärs undZivilisten, so wechselt sie von rund 50zu 50 im Zweiten Weltkrieg in das Ver-hältnis 80 zu 20 in Vietnam und womög-lich 90 zu 10 heute. Wenn man sich dieseTatsache vergegenwärtigt, ist der Kriegjetzt immer ein Krieg gegen Zivilistenund somit gegen Kinder. Kein politischesZiel kann dies rechtfertigen… (aus demEssay zur Inszenierung, von FriedrichHitzer, Freund und Übersetzer Aitmatovs)

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    Das muss ihr erst einmal jemandnachmachen: Zuerst werden von ihr,während sie sich tänzerisch bewegt,die schwierigsten Koloraturen blitz-sauber gesungen und dann legt sieauch noch einen perfekten Spagathin. Solch stimmliche wie körperlicheBeweglichkeit ist bei einer Opernsän-gerin eher ungewöhnlich. Nicht fürDaniela Fally: Ich habe schon als Kindgern geturnt und wollte auf der Büh-ne etwas Besonderes machen. Da istmir selbst während der Proben diese,nicht ganz ernst gemeinte Idee ge-kommen! Aber sie wurde vom Regis-seur Sven-Eric Bechtolf sofort in seineInszenierung von Richard Strauss’„Arabella“ an der Wiener Staatsopereingebaut.

    Aber auch das Engagement der 28-Jährigen in Österreichs Paradeopern-haus war außergewöhnlich. Im Som-mer 2005 sang sie in Bad Ischl dieBronislawa aus Millöckers „Bettelstu-dent“, in die, um ihre besonderenStärken zu zeigen, noch einige beson-ders diffizile Koloraturen zusätzlichhineinkomponiert worden waren. Alssich Stardirigent Franz Welser Mösteine Aufführung anhörte, wurde sie

    sofort als Fiakermilli engagiert – undheimste dafür uneingeschränkthimmlische Kritiken ein. In dieserRolle kann man die Sängerin wiederim März an der Staatsoper bewun-dern. Das war für mich schon span-nend und eine tolle Erfahrung. Dennimmerhin haben vor mir Kaliber wieEdita Gruberova und Natalie Dessayhier diese Rolle gesungen. Aber ichwurde von allen Kollegen, auch vonden so genannten Stars, völlig unkom-pliziert aufgenommen, erzählt Danie-la Fally nach einer Probe für Webers„Freischütz“. In dieser Oper wird sieunter der Regie von Marco Marelli abFebruar als Ännchen auf den Bret-tern der Wiener Volksoper stehen, de-ren Ensemblemitglied sie ist.

    Und es ist gerade erst einige Wo-chen her, dass man die Niederöster-reicherin am Stadttheater Klagenfurtin der Partie der Zerlina in Mozarts„Don Giovanni“ erleben konnte, wo-von sie schwärmt: Das war für micheine besonders schöne Zeit! Dabeikam sie zum Gesangsstudium eherzufällig: Als eine Freundin die Auf-nahmeprüfung für die Wiener Mu-sikuniversität machte, hat sie sich

    einfach angehängt und diese promptbestanden. Vorerst nur für Musical,dann wechselte sie ins Opernfach,wofür sie eine große Leidenschaftentwickelte. Daneben hat sie nachJobs als Regieassistentin und Inspi-zientin bei den Berndorfer Festspie-len auch Publizistik und Theaterwis-senschaften studiert. Noch vor Been-digung ihrer Gesangsstudien 2005kamen die ersten Engagements. Ei-ner der Höhepunkte war sicherlichdie Mitwirkung bei den BregenzerFestspielen 2006 als Hermia in Offen-bachs „Ritter Blaubart“ und die Ver-leihung der „Eberhard Wächter Me-daille“ als äußerst begabte Nach-wuchskünstlerin.

    Demnächst bahnt sich der nächsteKarriereschub an: Da wird sie an derrenommierten Semperoper in Dres-den die Blonde (Entführung) singen.Und dann kommt wieder das Stadt-theater Klagenfurt: In der ersten Sai-son des neuen Intendanten JosefKöpplinger wird sie eine wunderbare,große Partie singen, auf die ich michbesonders freue. Welche, darf ich abernoch nicht verraten.

    Helmut Christian Mayer

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    V o m S t a d t t h e a t e r a n d i e S t a a t s o p e rGleich nachdem Daniela Fally am Stadttheater Klagenfurtdie Zerlina („Don Giovanni“) gesungen hatte, hörte mansie als Fiakermilli („Arabella“) an der Wiener Staatsoper

    Daniela Fally (28), geb. in Mödling/NÖ,Gesangsstudien an der Wiener Universität fürMusik und darstellende Kunst, Meisterkurse,Gewinnerin int. Wettbewerbe, seit 2005 En-semblemitglied der Wiener Volksoper. Engage-ments im In- und Ausland (Deutschland,Schweiz, China, Japan), wohnt in Wien.(hier im Don Giovanni, STK)

    Foto: Zoltan

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    Das Schwarz, das sich unter ihren Fingernägeln ansam-melte, tagsüber wie auch in den Nächten – nicht in jederNacht, aber in den vielen Nächten, in denen die stinkendenKörper sie bedrängten, dieses betonartig festsitzendeSchwarz, jene sündige Mischung aus verklebtem, fremdemDreck, nagte sie, fiebrig, angeekelt und dabei unaufhörlichin das blutende Fleisch beißend, von ihren Fingern ab. Liljaschlang das Schwarz in sich hinein, sog es tief in die rotglühenden Teile ihres zerbrannten Körpers, in der Hoff-nung, endlich daran zu ersticken, in der Erwartung, bald,ein allerletztes Mal, zerstoßen, zertreten und gepfählt zuwerden.

    Unendlicher Schlaf. Der aber wollte nicht und nicht kom-men. Wie verdammt zweideutig. Zerriebenes, verbranntesFleisch ohne Hoffnung auf Heilung. Durstige Tage.

    Sie hatte ihre zerbissenen Fingernägel heimlich beschrif-tet. Mit kaum sichtbarem, glasklarem Nagellack bezeich-net. Auf jeden Fingernagel den Tag, die Stunde und das un-gefähre Alter des Kunden haarklein aufgemalt. Zwischenfünf und acht Eintragungen zernagte sie jeden Morgen,wenn die Stadt ihre scheinbar hellen Lichter nach undnach löschte.

    Vorgezeichnet verließ sie die Nacht in den einsam verlo-renen Tag.

    So reinigte sich Lilja von den verfaulenden Hautpartikelnverschwitzter Männerkörper, vom Schleim hechelnderHeuchler, von den Ergüssen stöhnender Leiber, die sichnach ihren Verrichtungen rasch und verstohlen entfern-ten. Und die Männer fühlten sich wie rotzige Buben, denenschon stundenlang die vollen Windelhosen an den dünnenBeinen klebten. Verschämt und klein.

    Ihre Not war ausgeronnen. Vergossene Männlichkeit.Erkauft, gestohlen, verbrochen.Erst wenn Liljas Fingernägel zerbissen, fast wurzeltief

    abgenagt waren, kam der Schmerz und brach mühevoll,den zarten Körper hässlich verkrümmend, heraus. Liljakotzte gallig verzweifelt Kleinzerkautes aus dem geschun-denen Leib.

    Dünnflüssiges Schwarz. Lebendiger Leichensaft.Lilja war, obwohl ihrer Jugend kaum entwachsen, längst

    so gut wie tot. Die Henker bemerkten ihre Abwesenheitnicht. Wie auch. Sie hielten die junge Frau, wie Mann Viehhält. Führten sie jeden Tag aufs Neue zur Schlachtbank. IhrStall war ein Verschlag, eine kahle Zelle, kaum groß genug,um darin die Notdurft zu verrichten. Nach getaner Arbeitbekam sie Schläge, Schminke und schlechtes Essen. Mannhieß sie zu schlafen, dann, sich wieder herzurichten. Die

    nächsten Freier warteten bereits, der Tag würde schnellervergehen, als ihr lieb war. Sie ließ sich seit längerer Zeitschon ohne sinnlose Gegenwehr wieder und wieder aufdas schmale Bett werfen und schlief erschöpft ein, wennMann sich an ihr verging.

    Gestorben, irgendwie. Sie spürte die schmutzigen Näch-te eine Schlafzeit lang weniger, manchmal gar nicht mehr.

    Wenn an den Abenden ihr Morgen begann und Mann kam,um sie anzuleinen und in den Schlachthof zu zerren, dannliefen ihr manchmal, allerdings immer seltener, trockene Trä-nen über ihre früh gealterten Wangen und sie bemerkte,dass eine Eintragung auf dem Fingernagel fehlte. Seine.

    Er schlug sie fast nie ins Gesicht. Nur an Sonntagen – erhasste es, an Sonntagen arbeiten zu müssen – ließ er seineWut wirklich an ihr aus. Fast immer erlitt Lilja an Sonnta-gen, wenn Mann endlich gegangen war, eine Art Bewusstlo-sigkeit. Sie verfiel in wirre Träume, in tiefschwarze Nacht-schatten. Sie lag inmitten tausendmal erbrochener Erinne-rungen und erlag ihren unheilbaren Verletzungen. Soschwebte sie sonntags, bewusstlos geprügelt, in einenscheinbar ewigen Himmel. Doch schwarzrandige Nagelstük-ke mit eingeritzten Männernamen verbauten ihr den Weg,türmten sich zu scharfkantigen Hindernissen auf, rissen ihrdie Haut vom Körper, um danach die schwarzen Nachtschat-ten schneller und immer schneller zu drehen, bis sie aus dendunklen Wolken herausfiel und hinab-stürzte in ein trügeri-sches, sengendes Hell. Zu hell für ihre geblendeten Augen,die sie blind rieb, um dem Licht zu entgehen.

    Zum Glück vergingen die Manngesichter, verbranntenschnell. Die übrig gebliebene Asche trocknete langsam inihr Hirn ein. Mann hatte noch nicht entdeckt, wie sie sichihm verbissen, langsam, Stück um Stück entzog, jedes Ge-fühl verlor.

    Früher einmal, als Lilja noch ein Kind mit einem FunkenHoffnung im Herzen war, obwohl sie in diesem vergam-melten Heim hauste, wo die Fliegen sich von den eitrigenKrusten der Heiminsassen ernährten, und wo Lilja dann,irgendwann, irgendwo in einem dunklen Wirtshaus, wel-ches hinter dichten Schwefeldünsten verdurstender Fluss-arme versteckt zwischen Uralfelsen verborgen lag, zusah,wie dem alten Kartenspieler, dem der Krieg das Rückgratgefühllos gebrochen hatte, ein Kneipenköter unter demTisch das taube Bein wegfraß, bis dieser vom Blutverlustohnmächtig geworden von der Holzbank unter den Tischin die zersplitterten Knochen fiel, damals also konnte sienoch nicht wissen, dass der kahlschnäuzige Hund, obwohler von den unversehrt gebliebenen Kartenspielern fast er-

    S t e f a n Z e f f e r e r

    M o r b u s h o m o

    für Lilja4ever

  • V O R L E S E . P R V O B R A N J EE

    D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7 1 9

    schlagen wurde, allemal weniger schuldig geworden war,allemal weniger das Verderben verdient hatte, als jeneMänner oder Zurichter oder Henker, die Lilja in die Fingerbekamen und die ihr durch jeden Knochen, der ihren le-bensdurstigen Körper aufrechthielt, verrostete Nägel häm-merten. Sie erinnerte sich nicht mehr an die wenigen Son-nenstunden, wenn sie mit Jan, dem Wirtshaussohn, imWald hinter der Kaschemme gespielt, mit ihm aus harzi-gen Kiefernzapfen für samtgrün schimmernde StinkkäferBurgen oder komplizierte Ameisenfallen gebaut hatte.

    Sie hatte auch vergessen, wie liebevoll erste Sonnentageim März, manchmal auch erst im späten Mai, ihre rotenWangen gestreichelt hatten, wie sich der laue Wind mitden vorwitzigen Sonnenstrahlen um die strohigen Haarevon Lilja gestritten und wie ihre Augen zurückgeblitzt hat-ten, frech über die Berggipfel hinauf, als hätte sie tatsäch-lich irgendwann einmal etwas zu Lachen gehabt.

    Einmal starrte Jans großer Bruder Lilja lange, wie verstei-nert, an. Sie spürte, wie er sie in Gedanken küsste und hör-te ihn stottern und sie jubelte unhörbar leise, nur dieseseine Mal, über die Verliebtheit des schlaksigen Burschen,die nur ihr galt. Ihr ganz allein.

    Als sie ihn begraben mussten, seine verkümmertenschwarzschattigen Lungenflügel hatten sich verhängnis-voll verpuppt und waren mitsamt dem dünnknochigenBuben hinaufgefahren, da war sie bereits abgeholt wor-den, aus dem Heim. Unter der Hand verkauft an den dunk-len Mann. Abtransportiert in einem finsteren Lieferwagen.

    Schon in der ersten Nacht deckten rasiermesserscharfeSchmerzen innerhalb weniger Stunden alle Erinnerungenzu. Vergeblich gellende Schreie in der frostigen Nacht. Ewi-ger Schnee. Kristalle, die, kaum dass sie sie berührten, zueinem eiskalten Gletscher gefroren.

    Zerteilt und entweiht. Hoffnungslos erkrankt. Unheilbar,übermächtig.

    Morbus homo.Todschwarze Asche hatte ihr Hirn zerpresst und endgül-

    tig verpackt.Reisefertig.Ihre Zähne gruben sich tiefer und tiefer in die Haut. Ihr

    geschundener Körper wehrte sich nicht mehr. Empfin-dungslos spritzte das hellrote Blut aus den zerbissenen Le-bensadern in die verstaubte Kammer. Sie seufzte tief, einallerletztes Mal staunend, alle Verzweiflung in eine nichtnur dazu schweigende Welt.

    Ein kärglicher, unerwartet verbliebener Rest an heißenTränen wärmte ihr die blassen Lippen.

    Lilja4ever – Bitte für uns!Lilja4ever, geboren im Dunkel betonkalter WändeGefallen aus den sterbenden Händen ihrer MutterAufgewachsen in kargen, steinigen BödenZerrissen von gierigen Mäulern streunender BluthundeAusgelöscht und vergrabenAufgefahren in den ewigen HimmelSie sitzt zur Rechten des ...

    Morbus Homo, bemerkte der Staatsanwalt.Ich stimme Ihnen zu, sagte der Verteidiger, ich muss Ih-

    nen leider Recht geben.Möchten Sie den gerichtlich beeideten Sachverständigen

    dazu hören?Ich bitte Sie, wozu denn, Herr Staatsanwalt? Der Fall liegt

    klar auf der Hand. Klar auf der Hand.Sollten wir nicht allfällige Zeugen vorladen, was meinen

    Sie?Das wäre zuträglich und sachdienlich. Ja, sachdienlich.

    Aber es konnten keine Zeugen gefunden werden.Wann soll die Verhandlung beginnen, fragte der Staats-

    anwalt. Wann denn?Es wird keine Verhandlung geben, betonte der Verteidi-

    ger. Es hat sich kein Richter gefunden.Was? Es hat sich kein Richter gefunden? Nicht ein einzi-

    ger?, ärgerte sich ungläubig der Staatsanwalt.Sie haben sich, zögerte der Verteidiger, sie haben sich für

    befangen erklärt. Morbus homo, Sie wissen, Herr Staatsan-walt.

    Morbus homo, wiederholte der Staatsanwalt, Morbushomo, ein schwieriger Fall. Nicht wahr, Herr Verteidiger.

    Ja, ein schwieriger Fall, wiederholte auch der Verteidiger.Bestehen Sie unter diesen Umständen auf eine Verhand-lung, Herr Staatsanwalt?, fragte schüchtern der Verteidi-ger.

    Ich denke nicht, sagte der Staatsanwalt. Ich denke nicht.Morbus homo gilt als unheilbar. Sie, lieber Herr Verteidi-ger, und ich, wir sollten den Fall möglicherweise, besten-falls, an die Kollegen von der Ärzteschaft übergeben. Wasmeinen Sie, Herr Verteidiger?

    Mann sollte sich rechtzeitig untersuchen lassen, recht-zeitig, flüsterte der Verteidiger. Das wird nichts nützen,stellte der Staatsanwalt lakonisch fest.

    Morbus homo gilt als unheilbar.Unheilbar.

    Stefan David Zefferer, geb. 1963 in Flachau/Pongau; lebt seitgut 25 Jahren in Klagenfurt; Vater von Patricia, Clemens undDavid; Buchhändler; Projektleiter im Bereich Web- und Print-design und zuständig für Kommunikation bei Linea7.com; Presse-sprecher der neuebuehnevillach, Leiter des ‚dasthaeter –kleine buehne für ungewoehnliche stuecke‘ im ((stereo)).

    Zum Brücken-Thema passt exakt ein Kärntner Autorendebüt: Nach seinem Beitrag zur Premiere des Konse-Schauspielensembles„Hinter tausend Stäben“ Ende Jänner wartet er mit einer Uraufführung an der neuebuehnevillach auf (siehe Seite 4).

    Die Brücke wiederum stellt den Autor mit (s)einem Lesetextvor, mit dem er sich erfolgreich am Literaturbewerb des Kärntner Schriftstellerverbandes beteiligte, den Literatur-förderungspreisträger Jürgen Lagger gewann.

  • V O R L E S E . P R V O B R A N J EE

    2 0 D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7

    E s t h e r H e b e i naus ihren Gedicht-Zyklen: midnight blues, annalena’s gebet, schwarze tränen und nomaden

    die spielerin

    als ich mich entschlossen hatte, zu spielenals ich in eine waagschale die verzweiflung warfund in die andere den wagemutsah alles ziemlich einfach aus

    als ich mich entschlossen hattedir gute nacht zu sagendein bild in meinem herzen tragenddas hirn bereit für das spielzogst du mich an dich

    die würfel sind gefallenbevor der erste wurf fielnun stehe ich damit meinem ungeschickten herzendas nicht einmal spielen kann

    schwarze tränen

    zuerst bin ich geranntzweitausend jahre weit oder zehnoder mehrich bin geranntum zu sehenin der höhe weitet sich der blick

    meine augen fingen den weissen berg einbedeckt mit schnee bis an die fuss spitzenumwoben von weissen wolkensprühte er unter der mittags sonnesein kristallenes feuer in den himmel

    die tränen waren schon vorher daeingesperrt in meiner volière für seltene vögelaber in diesem momentflossen schwarze tränen aus meinen brüstensie werden die lava meines seins nähren

    weil du in meine träume passt

    ich habe dich gefundenim kleinen dorf auf den hügeln liguriensin den ruinenim efeu umrankten stein hausin deinen gedichten und in deinem dunklen blickin den untiefen deines lebensich habe dich gefunden, pionier siziliensweil du in meine träume passteinmal im jahr vielleicht

    ich habe dich gefundenbeim wandern durch den wein bergbeim komponierenbeim leben meiner quellenden lustbeim finden meines rhythmusbeim lieben wollenbeim anblick deines körpersknabe, ich habe dich gefundenweil du in meine träume passtgenau in diesem augen blick

    ich habe dich gefunden, matroseim winzigen hafen unter dem dorfmit den 365 stufenim meer, das zerschellt an den felsenauch wenn du ein gestrandeter bisthabe ich dich gefundenich finde dich immer wiederweil du in meine träume passtin die träumevom meervon weitevon freiheit

  • V O R L E S E . P R V O B R A N J EE

    D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7 2 1

    Esther Hebein, geb. 1951 in Neumarkt/Steiermark als Tochter des aus Klagenfurtstammenden Malers Friedmann Hebein, der überwiegend im Süden Europas malte. 26Jahre Berufstätigkeit beim Bayerischen Rundfunk in München. Seit 1997 als Male-rin und Dichterin in Klagenfurt.

    Ausstellungen 04 und 05: zyklus ‚zeit ist‘ (malerei, lyrik, fotografie). Lesungen: Radio Agora (Literaturcafé) oder im Musilhaus Klagenfurt (Die LangeNacht des Lesens der IG AutorInnen Kärnten)2006: Lyrik-Veröffentlichungen in sechs deutschen Anthologien, Teilnahme mitLesung an den ‚Kurpfälzer Lyriktagen‘ in Schwetzingen (18. Tagung zeitgenössischedeutschsprachige Lyrik) wo der Verleger Theo Czernik (Edition L) wieder für einrenommiertes Programm u.a. mit Lesung von Raoul Schrott oder einer Hommage anHilde Domin, der großen Dichterin der Kurpfalz, zusammenstellte.Der Österreichische Schriftstellerverband schrieb anlässlich der 90. Wiederkehrdes Geburtstages seines 1987 verstorbenen Mitgliedes Christine Busta einenLyrikwettbewerb aus. Es beteiligten sich 258 Autoren mit 772 Beiträgen. DiePreisverleihung erfolgte im Dezember im Literaturhaus Wien.Esther Hebein ist Preisträgerin des Christine Busta-Lyrikpreises (ElisabethEscher erhielt den 1., Peter Paul Wiplinger den 2. Preis, und 3. wurde ChristianTeissl, Lektor eines Kärntner Verlages.

    l i e b eoderdie rote armee

    in grünen nächtenlaufen die fragen in roten stiefeln übers landlandkrebse

    landkrebseauf dem weg zum meer

    wenn der monsun fällteinmal im jahrströmt die rote armeeaus dem schutz des regenwaldes

    entgegen den senkrechten klippenden messerscharfen schwarzen felsenden meterhohen wellenden liebeshöhlen tief im sand

    bereit zu liebenbereit zu sterbeneinmal im jahrhochzeit auf christmas island

    in grünen nächtenlaufe ich nacktin roten stiefelnauf meiner schwarzen insel umherund ziehe rote spuren durch die duldsamkeit der steine meine armata rossa be zeichnet das landmit wegen

    mit wegen zum meer

    wer suchtist ein nomade

    ein nomade wirdweiter gehenspuren ziehenwissendass die suche nie endet

    die reise von den bergen zum meer

    ein nomade trägt in sichliebegräbt sie in die erde mit jedem schrittstreut sie in die lüfteströmt sie ins meerbrennt sie in die stationenein nomade sperrt nicht einwarum wann was

    l i e b e i s tein nomade ist bereit

    landkrebseauf christmas islandeinmal im jahrwenn der monsun fälltrote armee bereitfür die liebe zu sterben

    ich, nomadeeinmal im jahrwenn die grüne nacht sich öffnetreite nacktin roten stiefeln auf einem schwarzen rossin schwarzen stiefeln auf einem roten rossüber die brennenden wege im schwarzen steinzu der höhle am meerund beschütze die liebe

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    2 2 D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7

    Einen freien künstlerischen Beruf aus-zuüben erfordert nicht nur Talent,sondern auch harte Arbeit, gute Kon-takte, Zielstrebigkeit, eine Portion Glückund nicht zuletzt Durchhaltevermö-gen. Die Brücke sprach mit drei jungenKärntnerinnen – jede auf einer ande-ren Entwicklungsstufe, die sich vornicht allzu langer Zeit auf diesen Weggemacht haben, über ihre erstenSchritte.

    Die erste Etappe hat sie schon ge-schafft. Im Juni vorigen Jahres hatEva Grumeth mit Auszeichnung ihrBühnenbilddiplom an der Ange-wandten gemacht. Und seitdem? VielArbeit, sagt die 24-Jährige trocken.Ihre Produktionsagentur Grundvier(www.grundvier.com), die sie unterdiesem Namen seit etwa einem Jahrim Alleingang betreibt, macht Aus-stattung von Ausstellungen und Per-formances und organisiert interdiszi-plinäre Kunstprojekte von der Vorbe-reitung bis zur Durchführung. Zur-zeit arbeitet sie vor allem mit demKünstler Rainer Prohaska, Medien-kunstabsolvent bei Peter Weibel, zu-sammen (www.rainer-prohaska.net),der sie mit der Produktion seiner

    Kunstprojekte beauftragt. Er war esauch, der sie von ihrem vorgefasstenWeg ein wenig abgebracht hat. Schonseit meiner Schulzeit am BRG Viktringwollte ich im Kunstbereich arbeiten,erzählt Grumeth. Zunächst entschiedsie sich für ein Bühnenbildstudium,weil es alle meine Interessen umfass-te: Kunst, Theater, Literatur, Musik,Technisches und Handwerkliches. Esfolgten Assistenzen. Dann aber be-gann sie das klassische Theater zuhinterfragen. Inzwischen interessie-ren sie in erster Linie künstlerischeArbeiten, die nicht an fixe Produkti-onsstätten gebunden sind. MeineIdeale haben sich geändert, jetzt sindmir flexible, selbstständige Arbeits-weisen wichtig. Dadurch ergeben sichhäufig Ortswechsel. Für unser nächs-tes Projekt ,KRFTWRK – Global HumanElectricity‘ haben wir in Spanien, Kremsund im Pinzgau gearbeitet. Unter die-sem Titel wird im Frühjahr beim Vier-telfestival Industrieviertel ein über-dimensionales, Strom erzeugendesHamsterrad für Menschen aufgebaut– ironischer sowie sozialpolitischerKommentar zu Energieerzeugung,Übergewicht und Bewegungsman-

    gel. Ab August soll eine Schiffsreisemit Zillen (Holzbooten) von Krems ander Donau bis zum Schwarzen Meerstattfinden. Bei „The ,Z‘-Boats“ ist sienicht nur mit der Produktion beauf-tragt, sondern auch als Gastkünstle-rin eingeladen. Klar, es gibt den Er-folgsdruck, aber der gebe auch Ener-gie. Sie kann immer mehr realisieren,knüpft neue Kontakte. Eva Grumethist also buchstäblich gut unterwegs.

    Anna Stürzenbecher hat sich auf-gemacht, die Architektur zu erkun-den. Und es ist genau so, wie sie essich vorgestellt hat. Seit Herbst 2005studiert die 19-Jährige im Studio Prixan der Universität für angewandteKunst (www.dieangewandte.at/arch-prix) mit ungebrochener Energie undBegeisterung. Sieben Tage die Woche,mindestens zwölf Stunden am Tagnimmt sie die Ausbildung zur Pro-jektarchitektin in Beschlag. Natürlichist Architektur ein kreativer Beruf, be-sonders Architektur an der Ange-wandten, sagt Stürzenbecher, die alsAusgleich seit ihrer Schulzeit auchmalt. Es geht darum, gute Ideen zuhaben und die auch konzeptuell argu-mentieren zu können. Das Studium

    A n . F ä n g eVielversprechende Kärntner Newcomerinnen

    Anna Stürzenbecher:Anna Stürzenbecher studiert an der Universitätfür angewandte Kunst und möchte Designarchi-tektin werden.

    Für die angehende Architektin gehörte dieMalerei (hier Romy S.) schon früh zu ihrenkreativen Ausdrucksformen. Zudem gehört siezur Redaktion „Prinz Eisen Beton“ des StudiosPrix.

    Eva Grumeth:Kennzeichnend für Eva Grumeth – studierteBühnenbildnerin, bildende Künstlerin undBetreiberin der Produktionsagentur Grundvier –ist ihre flexible, mobile Arbeitsweise.

    Bei dem Projekt „The ,Z‘-Boats – ModularBarges“, einer Donauschiffsreise mit Zillen abAugust dieses Jahres, sind der Bau des Schiffsselbst sowie dessen Architektur und sozialeFunktion Thema der künstlerischen Arbeit. Beider Rückreise auf dem Landweg werden bisSommer 2008 Ausstellungen in Bukarest, Bel-grad, Budapest, Wien und Krems stattfinden. © Rainer Prohaska

    Tanja Peball:Die Fotografin Tanja Peball untersucht amliebsten, wie sich Regeln und Konventionen aufdie Psyche des modernen Menschen und auf seineUmgebung auswirken.

    C-Print, 2006: Die Inszenierung setzt sich mitdem Themenkomplex „Vermassung – Vergesell-schaftung – Schizophrenie“ auseinander. © Tanja Peball

  • B L I C K . P U N K TE

    D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7 2 3

    empfindet sie als etwas Besonderes.Es gibt laufend Feedback, viele Assis-tenten, die die Studenten bei der Pro-jektarbeit begleiten, und zu den Re-views und Crits werden immer wiederrenommierte Architekten eingeladen.Etwa Thom Mayne, Sanford Kwinter,Eric Owen Moss, Raimund Abrahamoder Kivi Sotamaa. Aber auch die äl-teren Studenten kümmern sich umdie jüngeren. Es ist ein ständiges Ge-ben und Nehmen, erzählt die jungeUnterkärntnerin begeistert, dasbringt einen sehr schnell weiter. IhreTriebfeder: Ich möchte die Möglichkeithaben, in dem Raum, den ich mir jetztnur vorstelle, sein zu können, zu se-hen, ob das Licht oder eine Kante wirk-lich so aussieht, wie ich mir das ge-dacht habe. Seit dem Sommer gehörtStürzenbecher zum Redaktionsteamder Zeitung des Instituts für Archi-tektur. „Prinz Eisen Beton“ erscheinteinmal im Monat in einer Auflagevon 1500 Stück und wird weltweitverschickt, vorwiegend an Architek-turbüros, Studenten und Universitä-ten. Das macht mir sehr viel Spaß undes ist ein Pluspunkt dieser Tätigkeit,dass man nahen Kontakt hat mit

    Menschen, die es schon geschafft ha-ben, erklärt sie. Netzwerke sind sehrwichtig in der Architekturszene.

    Auf den ersten Blick war es nichtgerade der direkte Weg zur Kunst,den Tanja Peball aus Zlan genom-men hat. Zuerst waren da die Anstel-lungen als Bürokauffrau, dann dieFotografenlehre in Graz. Doch ichwollte nie in einem konventionellenPorträtstudio arbeiten, konstatiertdie 27-Jährige, die selten ohne Kame-ra unterwegs ist. Und eigentlich seies auch kein plötzlicher Kurswechselgewesen, der veranlasst hat, dass sieheute Philosophie studiert und ihrekünstlerische Arbeit als Fotografinvorantreibt, sondern eine langsameinnere Entwicklung. Ich hatte immerdas Gefühl, ich müsste etwas Kreativesmachen. Die Fotografie hat sie schonimmer begeistert, die Ausbildungsorgte für den technischen Hinter-grund. Kurz danach folgten Abend-matura und Beginn des Philosophie-studiums in Graz. Eins fügte sich zumandern. In ihren Arbeiten beeinflus-sen sich Fotografie und Philosophiegegenseitig. Beides sind für mich Zu-fluchtsorte, in denen ich agieren kann,

    wie und womit ich will. In der Kunstund in der Philosophie ist es erlaubtund erwünscht, Methoden, Schemenund Konventionen zu hinterfragen.Gerne verweist sie auf Brüche – mitdem Selbst, mit dem funktionieren-den Menschen in unserer Gesell-schaft. Die Themen kristallisierensich heraus. Mich beschäftigt etwas,plötzlich ist das Bedürfnis da, dies um-zusetzen. Dem Bild im Kopf folgen oftSkizzen, danach wird daran gearbei-tet. Sie findet, Autodidaktin zu sein,nicht ständig Meinungen von Exper-ten einholen zu können, vergrößereihren Hang zur Selbstkritik. Sie müs-se sich den Rahmen immer selbstschaffen. Andererseits will sie unab-hängig von Außenmeinungen sein.Positive Kritik bedeutet schon viel fürmein Ego, aber nicht wirklich viel fürmeine Arbeiten. Seit 2004 präsentiertdie Kärntnerin ihre Fotos öffentlich,etwa 2004 und 2006 beim Festival„woodstockenboi“ und in den letztenzwei Jahren bei den Kulturtagen derGemeinde Paternion. Noch bis EndeFebruar sind aktuelle Arbeiten im Kultur-café Zeidler in Paternion zu sehen.

    Uschi Sorz

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    2 4 D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7

    Nahe Gallizien, hoch über der Drau,direkt am steilen Waldhang liegtSchloss Saager. Hier lebt Grete StolzHoke seit 44 Jahren in einer geräumi-gen Wohnung im ersten Stock, dieausgefüllt ist mit Erinnerungen anein Leben mit der Kunst.

    Kinderzeichnungen auf den Türein-lagen, ein Gebet von ihr selbst unterdie hölzerne Decke gemalt, diverseMalereien ihrer vier Kinder an denWänden, überall Erinnerungsstückevon Künstlerfreunden. Sie alle zeugenvon einem reichen, gelungenen Leben,eingebettet in Kreativität. Ein lang er-sehnter Stahlbalkon, von Sohn Tomasgebaut, lässt sie von der Küche hinaus-treten und gibt einen traumhaftenBlick über das Rosental frei bzw. vonder Petzen bis zum Mittagskogel.

    Sie ist eine jugendlich gebliebene,aktive, vitale Frau, die sich mit ihrendrei Söhnen um die Erhaltung desSchlosses bemüht, in dem sich groß-räumige Ateliers und eine beein-druckende Werkstatt befinden. Sieversorgt an- und abreisende Kinderund Enkel und nimmt am künstleri-schen Werdegang ihrer vier Kinder

    teil. Tochter Karma ist Restauratorin,Sohn Edmund Architekt, Tomas Me-tallbildhauer und Goldschmied, Ar-min Guerino Maler und Grafiker.

    Im Jahr 1966 nimmt Grete StolzHoke die Malerei wieder auf und ent-deckt zuerst die Welt um Schloss Saa-ger neu. Später unternimmt sie Rei-sen nach Istrien, Friaul, in die Toskanaund nach Ungarn und fängt spontanLandschaftsmotive in Aquarellen ein.Sie malt Porträts von Kindern, Enkeln,Freunden, wobei vor allem Studienvon Menschen und Tieren in Bewe-gung durch ihren schnellen und si-cheren Strich faszinieren. Diese Bilderund Erinnerungen hat sie in einerMonografie gesammelt, die im VerlagHeyn erschienen, aber noch nicht öf-fentlich präsentiert worden ist.

    Die Brücke: Es ist ein schönes, leisesBuch. Wie kam es zustande?

    Margarethe Stolz Hoke: Es war einVorschlag meiner erwachsenen Kin-der, besonders von Armin, demJüngsten, der selber an der Akademieder Bildenden Künste in Wien stu-dierte und den intensivsten Zugangzu meinen Arbeiten hat. Doch alle

    vier Kinder unterstützten das Zu-standekommen dieses Buches undhalfen mit.

    DB: Wo ordnen Sie sich selbst in derMalerei ein?

    GSH: Ich bin nicht in irgendeine Ge-genwartskunst einzuordnen. Ich bingeprägt durch meinen Vater RudolfStolz (dem berühmten SüdtirolerMaler, Anm. d. Red.), dann durch dievier Jahre Akademie bei Prof. Robin C.Andersen und Prof. Herbert Boeckl,und fand dann zu einem eigenstän-digen Stil. Die Studien entstehen auseinem inneren Erlebnis des Augen-blicks und der Begeisterung heraus.Oft erkenne ich erst später, welcheArbeiten gelungen sind und welchemich weniger überzeugen.

    DB: Die Sprache in Ihrer Monografie,in der Sie Ihr Leben erzählen, ist kurz,prägnant, schlicht und gibt doch Stim-mungen und Gefühle wieder.

    GSH: Es liegt in meiner Natur undHerkunft, einfach zu denken und auchso zu leben, ohne große Ansprüche.

    DB: In Ihrem Buch ist keine Bitterkeit,nur Schmerz und Trauer über das Zer-brechen Ihrer Ehe mit Giselbert Hoke.

    A u s d e m L e b e n s b u c h d e r G r e t e S t o l z H o k eDie im Schatten sieht man nicht – neue Wege mit einer Monografie

    Grete Stolz, geb. 1925 in Bozen, 1939–47Lehrjahre im Atelier des Vaters, 1947–51Akademie der bildenden Künste Wien, 8 Jahrenach der Heirat (1954) Übersiedelung mit 4Kindern nach Schloss Saager bei Grafenstein.(hier: Schloss Saager von Abtei aus, 1998)

  • D i e B r ü c k e 7 4 – F e b r u a r 0 7 2 5

    GSH: Ja, ich spüre eher eine Art Ent-wertung der gemeinsamen wertvol-len Zeit miteinander.

    DB: Es scheint, Ihre Beziehung warsehr tief. Sie beide waren verbundendurch die Malerei, vier gemeinsameKinder, den Umbau des Schlosses Saa-ger. Warum zerbricht so eine Ehe?

    GSH: Diese Frage bleibt auch fürmich eine Frage.

    DB: Sie haben nicht resigniert, Ihreneignen Lebensstil gefunden. Sie ma-chen Frauen in ähnlichen SituationenMut zu ihrem eigenen Ich.

    GSH: Glauben Sie? Es wäre für michschön zu wissen, dass das der Fall ist.

    Frauen haben mich darauf ange-sprochen, dass mein Handeln auch fürsie Ansporn ist zu einem Neubeginn.

    DB: Es entsteht der Eindruck, dass SieIhre eigene Karriere zu Gunsten der Ih-res Mannes zurückstellten. (Die übli-chen Gründe: Kinder, Haushalt etc.)

    GSH: Ich habe die Jahre der Famili-engründung gleich wichtig und wert-voll hingenommen, deshalb auch nichtgelitten, etwas versäumt zu haben.

    DB: Junge Paare haben heute eineandere Sichtweise. Sie helfen einander,

    auch in ihrer Karriere gleichwertig vor-anzukommen.

    GSH: Gewiss ist das ein realistische-rer und gerechterer Weg, den die jet-zige Generation eingeschlagen hat.Doch muss ich gestehen, dass mirdiese Einstellung fremd ist und nichtzu mir passt.

    DB: Ihre Zukunftspläne?GSH: Das Aufarbeiten der Mono-

    grafie hat mich in meinem gewohn-ten Lebensrhythmus stark einge-bremst, sodass ich erst den Weg zumWeiterarbeiten freimachen muss.Auch wurde das Buch bisher nochnicht öffentlich vorgestellt, und eswäre erfreulich, wenn eine solchePräsentation stattfände…

    IF/GMT

    Epilog„Tun wir den nächsten Schritt/auf dieweiße Fläche/Zukunft“(Elisabeth Borchers)

    Ich bin 80 Jahre alt. Ich schreibetäglich Tagebuch, ich schreibe vieleBriefe – aber die Texte zu diesem Buchzu schreiben, ist mir unerwartetschwer gefallen. Der Vogelkäfig ist fürmich zum Symbol geworden. In dieVergangenheit zu schauen, Briefe zulesen und alte Fotos zu betrachten hatmich belastet und melancholisch ge-macht. Die Trennung von GiselbertHoke hat in mir ein Licht ausgelöscht.Andere Lichter haben sich angezündetund leuchten mir auf meinem weite-ren Weg.

    Beim Lesen anderer Biografien kamenmir Zweifel und kurz vor Schluss hatmich beinahe noch der Mut verlassen,es zu veröffentlichen. Nun bin ich froh,dass ich es hinter mir habe. Jetzt ver-lasse ich den Käfig und freue mich aufmeine Malreisen in die Toskana, nachFriaul und Ungarn, wo ich im warmenMoorsee von Hévís baden kann.(Margarethe Stolz Hoke, Schloss Saager,Jänner 2006)

    Fotos: GMT/IF

    Nach dem Interview mit der Witwe vonHans Bischoffshausen in