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    Herausgeber: Institut fr Deutsche Sprache, Postfach 101621,68016 Mannheim.

    Internet: http://www.ids-mannheim.de

    Redaktion: Annette Trabold (Leitung), Karl-Heinz Bausch,Dieter Herberg, Heidrun Kmper, Eva Teubert

    Redaktionsassistenz: Christina Schepers, Juliane BormE-Mail: [email protected]

    Satz & Layout: Claus Hoffmann, Norbert VolzBelichtung: LaserSatz Thewalt, 69257 Wiesenbach

    Druck: Morawek, 68199 Mannheimgedruckt auf 100% chlorfrei gebleichtem Papier

    ISSN 0178-644X

    Auflage: 2000, Erscheinungsweise: vierteljhrlichJahresabonnement: 10, EUR Einzelheft: 3, EUR

    Bezugsadresse: Institut fr Deutsche Sprache,Postfach 10 16 21, 68016 Mannheim

    Tel. 0621/1581-0

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    In eigener Sache an die Autoren:

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    Die Texte sollten nicht mit komplizierten Layouts und ohneFormatvorlage erstellt sein, die Formatvorlagen erstellen wir.

    Der SPRACHREPORT wird mit PageMaker 6.5 erstellt.

    Einleitung

    Die Frage der berfremdung des Deutschen bzw. desberhand nehmenden Anglizismengebrauchs ist nebender Rechtschreibreform eine der wenigen Sprachfragen,die auch die ffentlichkeit bewegen. Dies wird nicht nurdurch das Medieninteresse besttigt und durch die neueKonjunktur, die Vereinigungen wie der Verein DeutscheSprache (VDS) haben, sondern auch durch eine 1999 er-schienene bundesweite Reprsentativumfrage (Stickel/

    Volz 1999), die der Direktor des IDS durchgefhrt hat:Etwa ein Viertel der Deutschen beurteilt die aktuellenSprachvernderungen mit Besorgnis. Als bedeutendstedieser Vernderungen wird die Zunahme der Anglizismenbzw. Angloamerikanismen angesehen. Diese Bevlke-rungsgruppe teilt also die Sorge vor berfremdung.

    Auseinandersetzungen mit dem Phnomen und Stellung-nahmen von Wissenschaftlern gibt es nach anfnglicherZurckhaltung nun durchaus, nicht zuletzt auch aus unse-rem Haus. So hat das IDS vor zwei Jahren seine Jahres-tagung dem Thema Neues und Fremdes im deutschen

    Wortschatz gewidmet. Die Mehrzahl der Beitrge desinzwischen erschienenen Jahrbuchs 2000 des IDS (vgl.Stickel (Hrsg.) 2001) setzt sich mit der Frage der Anglizis-men auseinander. Die dort dargelegten Fakten und Mei-nungen werden im Folgenden einbezogen. Auerdem sinddrei IDS-Projekte zu nennen, die sich u.a. mit demAnglizismengebrauch beschftigen: Das Deutsche Fremd-wrterbuch (Neubearbeitung), bisher erschienen Bd. 1-4(Buchstaben A-D), das Projekt Neologismen der 90erJahre und das Projekt Jugendkulturelle mediale Stile.

    TextbeispieleEinen ersten Eindruck davon, warum und woran Sprecherhier Ansto nehmen, vermitteln Textproben, wie etwa diebeiden folgenden:1

    (1) Leseprobe aus dem Alltag:

    Eben bekomme ich von Customer Care der Deutschen

    Telekom AG die Message, da ich jetzt meine Rechnung

    Online bekomme. Ich kann sie dann downloaden und

    auf meine Hard Disc storen. Nachdem ich sie auf mei-

    nem Laser-Jet geprintet habe, kann ich sie dann dort

    wieder deleten, damit sie mir nicht zuviel Space weg-

    nimmt. Fr knftigen Access habe ich mir

    sicherheitshalber die URL der Web Site gebookmarkt.

    Bei Unklarheiten darf ich die Hotline contacten.

    (2) Leseprobe aus dem Arbeitsleben:

    Heute morgen hatten wir das Kick-Off-Meeting zum

    neuen Workshop zum Thema Baselinening (sic!) und

    Benchmarking. Dabei haben wir festgestellt, dass ei-

    nige Skills nicht in unser Portfolio passen. Auerdem

    mssen wir unser Customer Relationship Management

    verbessern, denn unsere Message kommt nicht so recht

    rber.

    Anstig wirkt hier die Sprachmischung aus Deutsch und

    Englisch (hufig mit dem Schlagwort Denglisch be-zeichnet), die hohe Anglizismenfrequenz und der man-gelnde bzw. misslungene Einbau in die Grammatik desDeutschen.

    Diese Aspekte von Wortschatz, Wortfrequenz und Gram-matik sollen im Einzelnen geprft werden.

    BERFREMDUNGDES DEUTSCHEN: PANIKMACHEODERECHTE GEFAHR?

    IDS-Sprachforum, 15. Mai 2002

    von Gisela Zifonun

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    Wortschatz

    Fr die These einer berfremdung des Deutschen wird inerster Linie der Wortschatz herangezogen. Hier wird ange-nommen, die Neuwrter (Neologismen) der jngsten Zeitseien ganz berwiegend angloamerikanischer Herkunft,aber auch der Gesamtwortschatz der Allgemeinsprache sei

    in der Folge stark betroffen.

    Was die Neologismen angeht, so scheinen die Ergebnissedes Projekts Neologismen der 90er Jahre den inkrimi-nierten Trend zunchst zu besttigen: Von den ca. 6.000Eintrgen, die aus Texten der deutschen Allgemeinspracheals Stichwortkandidaten ermittelt wurden, sind nahezu dieHlfte angloamerikanischer Herkunft; auch die endglti-ge Stichwortliste von ca. 900 Lemmata enthlt ca. 40 Pro-zent Anglizismen (vgl. Tellenbach 2002, S. 107).

    Die Befunde von Kirkness (2001) sprechen jedoch eine

    etwas andere Sprache. Basis seiner Auswertung sind ver-schiedene Auflagen von Duden Deutsches Universal-wrterbuch und Wahrig Deutsches Wrterbuch ausden Achtziger- und Neunzigerjahren. Ermittelt werden solllexikographisch Neues aus den letzten drei Dekaden. Beica. der Hlfte der insgesamt 1.363 neuen Stichwrter han-delt es sich in der Tat um Fremdes, also zumindestteilweise Entlehntes. Dabei ist ein relativ hoher Anteildieses Fremden eben nur teilweise entlehnt, also in dervorliegenden Wortgestalt und -bedeutung erst im Deut-schen (z.B. durch Derivation und Komposition) entstan-den. Beispiele fr dieses nicht-entlehnt Fremde aus demNeuwort-Bestand sind etwa: hedonistisch, Transplantat,Technokrat, Tomographie (griechisch-lateinische Be-standteile),Hitparade, Eventkultur(englische Bestandtei-le).Der Anteil des Englischen am Fremden ist nun abernach den beiden Wrterbchern ganz unterschiedlich:Whrend im Duden das Englische stark berwiegt, liegtbeim Wahrig das Fremde auf griechischer Entlehnungs-basis vorn. So verzeichnet der Wahrig 1997 225 Entleh-nungen: 114 aus dem Griechischen, 63 aus dem Engli-schen, 30 aus dem Lateinischen usw. Kirkness kann somitzwar als eindeutigen Trend verzeichnen, dass das Fremdezunehmend starken Anteil am Neuen hat, dass aber nachDuden Englisch, nach Wahrig Griechisch zunehmend

    dominante Gebersprache sei. Beide Wrterbcher ber-greifend vermerkt er, dass die Anglizismen insgesamt 11%des Neudeutschen ausmachen.

    Was sagen uns diese Unterschiede in den Quoten? Zum ei-nen natrlich, dass Zahlen geduldig und statistische An-gaben grundstzlich mit Vorsicht zu genieen sind. Zumanderen aus meiner Sicht aber auch, dass auch beim Frem-den und Neuen im Wortschatz eine natrliche Selektionentlang der Zeitachse stattfindet: Je lnger die bercksich-tigte Zeitstrecke ist, desto weniger zeit- oder anlass-gebundene modische Fremdwrter werden berleben.

    Dies, vermute ich, ist einer der Grnde, warum nachKirkness, der eine lngere Strecke von ca. 30 Jahren imBlick hat, der Anteil der Anglizismen insgesamt geringerist.

    Wenden wir den Blick von den Neologismen auf die Lang-zeit-Entwicklung des Gesamtwortschatzes, so erhalten wirnoch weniger dramatische Zahlen. Nach U. Busses Auswer-tung von Ausgaben des Rechtschreibdudens von 1880 bis1986 hat sich der Anteil der Anglizismen am Gesamt-wortschatz erhht von1,36% auf 3,46% (Angabe nach v.Polenz (1999, S. 402)). Dies zeigt wiederum Verschiede-

    nes: Zum einen, dass das Neue, so plakativ es uns auchgegenbertritt, in der Flle des Gesamtwortschatzes, des-sen Umfang notorisch schwer zu schtzen ist2 , kaum zuBuche schlgt, und dass damit auch das Fremde, so starkes auch das Neue prgt, unseren Wortschatz insgesamt nurunwesentlich tangiert. Zum anderen zeigt sich an dieserQuote die ungleiche Verteilung von Angloamerikanismenauf den Wortschatz: Die Mehrzahl der Anglizismen findetsich im peripheren Wortschatz, also im Fachwortschatzoder im Spezialwortschatz bestimmter Gruppen. Wrterdes peripheren Wortschatzes sind im allgemein-sprachlichen Wrterbuch nicht erfasst, es sei denn, sieschaffen den Sprung in den allgemeinen Sprachgebrauch,wie dies z.B. bei dem Vokabular aus Datenverarbeitung unddem IT-Bereich zunehmend der Fall zu sein scheint (vgl.dazu unten). Auerdem ist natrlich im Langzeitvergleichaufgrund des Rechtschreibdudens der Anteil an umgangs-sprachlichen und modisch-kurzlebigen Anglizismen ausWerbung, Jugendsprache usw. noch sehr viel strker zu-rckgedrngt als oben fr die groen Wrterbcher derletzten beiden Dekaden angenommen.

    Wortfrequenzen in Textkorpora

    Wie erklrt sich die geringe Zahl der Anglizismen-neuzugnge in den allgemeinsprachlichen Wrterbcherngegenber dem stark gefhlten Einfluss? Einer der Grn-de mag sein, dass wir es hier mit einem der Phnomene zutun haben, bei denen der Unterschied zwischen langue undparole bzw. zwischen Sprachsystem und Sprachgebrauchbesonders deutliche Auswirkungen hat. Vielleicht ist es jaso, dass wir von einem Wortschatzbereich, der im lexika-lischen Speicher (als Teil des individuellen oder kollekti-ven Sprachsystems) quantitativ nur eine verhltnismiggeringe Rolle spielt, unter bestimmten Umstndenbesonders intensiven Gebrauch machen.

    In der Tat deuten die Ergebnisse einer Langzeitstudie aufdiesen Sachverhalt hin. Edel OHalloran untersucht dieEntwicklung bei Gallizismen und Anglizismen von 1902bis 1997 kontrastiv in einer Frauen- bzw. Modezeitschrift(Brigitte und ihre Vorlufer) und einem Nachrichten-magazin (Berliner Illustrierte Zeitung, Stern). Dabeiwerden einerseits Lexikonwrter gezhlt; es wird alsoder Anteil der Anglizismen und Gallizismen am Wortschatzder beiden Magazinarten ermittelt. Andererseits wird dieFremdwort-Quote hinsichtlich der Textwrter bestimmt.Dabei geht es um den Anteil der Fremdwortvorkommen am

    Wortvorkommen z.B. pro Seite oder pro 10.000 Textwrter.Die Textwortquote ist es, an der wir Ansto nehmen; siemacht den direkt fhlbaren Anteil aus. OHalloran ver-zeichnet bei den Lexikonwrtern einen allmhlichen

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    Anstieg von 0,6% auf 1,8% in der Frauen-/Modezeitschriftund auf 2% im Nachrichtenmagazin. Bei den Textwrternhingegen findet sichein starker Anstieg in der Frauen-/Modezeitschrift ab 1973: 1997 machen Gallizismen undAnglizismen 14% des Gesamtwortumfangs aus. BeimNachrichtenmagazin dagegen betrgt der Anteil nur 4%.Hier manifestiert sich der vermutete Unterschied zwischen

    dem Anteil am Wortschatz der hier bereits der spezifischeWortschatz von Autoren in spezifischen Bereichen ist und dem Anteil am uerungsprodukt. Andererseits wirdder unterschiedliche Stellenwert, den Fremdwrter (hierAnglizismen und Gallizismen) in verschiedenenKommunikationsbereichen haben, deutlich sichtbar.

    Bereiche, Varietten, Textsorten

    Welches sind denn nun die von Angloamerikanismenhauptschlich betroffenen Bereiche? Zu nennen sind in

    erster Linie:(1) Werbung, Kommunikation zwischen Anbieter undKunden

    (2) Computer und Informationstechnologie, Neue Medi-en

    (3) New Economy(4) Modernes Leben: Funsport, Wellness, Mode(5) Jugendszenen, Jugendkultur (einschlielich Spielar-

    ten der Popkultur)

    Relevant fr die ffentlichkeit wird der Sprachgebrauchdieser Bereiche dann, wenn er nicht nur Insidern vorbehal-ten bleibt (im weitesten Sinne fach- oder gruppeninternenKommunikationszwecken dient), sondern ffentlichkeits-orientiert ist. Fr alle fnf genannten Bereiche gilt, dass sieeinen hohen gesellschaftlichen Stellenwert haben undinsofern potentiell in die Gesellschaft und somit ber dieentsprechenden Variettenausprgungen und Textsortenauch in die Allgemeinsprache einwirken. Tendenziell sindaber bei (2) bis (5) Sender und Adressaten sprachlich durchInteressenabstimmung gewissermaen vorverstndigt,man denke an die Stellenanzeigen im Management derPrivatwirtschaft, die ja hufig von englischen Berufs- undAufgabenbezeichnungen nur so wimmeln (vgl. Bereich(3)). Bei Bereich (1) ist diese Vorabstimmung nicht unbe-

    dingt gegeben. Vor allem, wenn es um Werbung fr Dienst-leister oder genereller um den sprachlichen Kunden-kontakt von groen Dienstleistern wie Post, Telekommu-nikation und Bahn geht, ist die Gesamtbevlkerung ange-sprochen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn dieSprachoffensiven des Telekomchefs (Sunshine-,Moonshine-Tarif, Call-by-Call,HappyDigits usw.) oderder DB (ServicePoint,IntercityNight) als anstig emp-funden werden.3 Hier wird ja nicht nur der aufstrebendeJungmanager, sondern auch die alte Oma und der Fachar-beiter aus Itzehoe, Turin oder dem Kosovo angesprochen.Der Vorwurf, die verwendeten Anglizismen seien fr gro-

    e Gruppen unverstndlich (nur etwas mehr als die Hlfteder deutschen Muttersprachler versteht Englisch, von denca. 8 Millionen Auslndern verstehen 7 Millionen kein

    Englisch), es entstnden Kommunikationsbarrieren, istsicherlich berechtigt. Paradoxerweise wird von Seiten etwader Telekom o.. gerade das Verstndlichkeitsargumentmit umgekehrtem Vorzeichen fr sich in Anspruch genom-men: In Zeiten der Globalisierung, der Internationalisie-rung der Verkehrs- und Kommunikationsstrme sei manauf die Weltsprache Englisch angewiesen, um berall ver-

    standen zu werden bzw. um global agieren zu knnen.Englisch, so knnte man kritisieren, wird verkauft alsSprache der Gewinner, das olle Deutsch als Sprache derloser. Dass hier, zumindest wo es um Information undOrientierung fr die Brger geht, nicht wenigstens zwei-sprachig verfahren wird, alsoAuskunftneben meinetwegenServicePoint, ist und bleibt rgerlich und zeugt von ber-heblichkeit. Dass der Brger zumindest auf Deutsch zurKasse gebeten werden muss, scheint inzwischen angekom-men zu sein, schaut man sich die Telekom-Rechnungenan.

    Grammatik

    Der grammatische Umgang mit Anglizismen findetvergleichsweise wenig Beachtung. Die ffentlichkeitnimmt das Fremdwortproblem als eines des Wortschatzeswahr. Dabei wird ein Wort aus einer anderen Sprache essei denn, es wird einfach nur zitiert, ein Beispiel ist derAusdruckpublic spiritaus der ZEIT vom 8. Mai 2002, um-schrieben als ffentliches Interesse notwendigerweisein das Sprachsystem der Nehmersprache, oft mehr schlechtals recht, eingepasst. Man spricht hier auch von der gram-matischen Integration der Fremdwrter (dazu insbeson-dere Eisenberg 2001). Ich wage durchaus in Analogie zudem gesellschaftlichen Integrationsproblem zu behaup-ten, den Zustand einer Sprache kann man besser nach ih-rem Vermgen, Fremdes aufzunehmen und ggf. zu integrie-ren, beurteilen als nach dem Grad ihrer Reinheit, wasauch immer das sein mag.

    Grammatische Integration kann auf ganz unterschiedli-chen Ebenen stattfinden und untersucht werden:

    Lautliche Ebene: Hier wird, abhngig von vielen Faktorenwie Englischkenntnis, Bildungsgrad, Kommunikations-

    bereich, sehr viel mehr integriert als uns bewusst ist. Werspricht engl. job, gag wirklich im Auslaut mit einemstimmhaften /b/ bzw. /g/ aus? In der Regel wird hier gutdeutsch der Auslaut verhrtet. Das heit, wir sprechenjobaus, als wrden wir es oder schrei-ben, gag sprechen wir (fast) so, wie wir lautlichumsetzen letzteres zeigt brigens der bei gut englischerAussprache sehr unreine Reim in dem Slogan Bcher-scheck mehr als ein Gag. Mutiert nicht hufig der thrillerzu einem verschmten , dieAirbags zu (vgl. Schfer 2002)? Das englische sporthaben wir (vor-zeiten) lautlich integriert und sprechen den Anfangsrand

    wie beim deutschen Spiel, heute allerdings tun wir unsschwerer und differenzieren in der Aussprache zwischendem Anfangsrand von und .

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    Ebene der Schreibung:Ein erster, leichter Integrations-schritt ist die Substantivgroschreibung; sie markiert inder Regel den bergang vom Zitieren eines englischenWortes zum Verwenden eines englisch-amerikanischenFremdwortes im Deutschen. Integration kann hier weiterheien, dass man Wrter an das Schreibsystem des Deut-schen anpasst, die eigentlich keine fremden Laute ent-

    halten, die aber in der Fremdsprache anders geschriebenwerden, weil dort die Laute durch andere Buchstabenwiedergegeben werden. Das ist im Zuge der Neuregelungder Rechtschreibung teilweise, aber nur sehr beschrnkt,geschehen. So ist neben als Hauptvariante jetzt (aber nicht ) vorgesehen, neben als Hauptvariante jetzt .

    Morphologische Integration: Um aus Wrtern Stze zubilden, mssen wir verschiedene Wortformen zu den Wr-tern erzeugen, mssen sie beugen/flektieren. Nun flek-tiert das Deutsche seine Substantive, Verben und Adjekti-ve natrlich anders als das Englische, sonst wrs ja nichtDeutsch und vor allem flektiert es auch ein bisschenmehr und komplizierter.

    Substantive mssen ein grammatisches Geschlecht erhal-ten: (vgl. Leseprobe 1: die Message, die Hard Disc, derLaser-Jet, der Space, der Access, die Web Site, die Hotline).Dies ist ein wichtiger erster Integrationsschritt, der in derRegel aufgrund unseres eingebauten sprachlichen Regel-systems problemlos vollzogen wird. Einige Zweifelsfllegibt es (nach Informantenbefragungen und Belegen): der/das Laptop, der/das Workout, der/das Event, der/das Mo-

    vie, die/das E-Mail, die/das Pumpgun (vgl. Spiegel 20/

    2000).

    Auerdem muss ggf. der Plural markiert werden. Sehr hu-fig greifen wir hier zum s-Plural, wenn berhaupt Plural-bildung angezeigt ist: die Messages, die Laser-Jets, dieHotlines. Der s-Plural gilt unter anderem (aber: die Omas,die Muttis, die Uhus, die Schmidts) als typischerFremdwortplural, und spricht nicht unbedingt fr Integra-tion. Nun wird aber keineswegs blind das -s angehngt. Esheit nicht die Flyers, die Users, die Computers, sondern,wie es dem deutschen System entspricht, die Flyer, dieUser, die Computer. Wie bei allen Maskulina auf -er(die

    Lehrer, Rechnerusw.) wird der Plural affixlos gebildet und,was auch vllig unenglisch ist, im Dativ Plural brav ein-n angehngt: den Computern wie den Rechnern.

    Verben knnen in keinem Fall, wie sie sind, aus dem Eng-lischen bernommen werden. Sie mssen mindestens eineInfinitivendung verpasst bekommen: (vgl. Leseprobe 1:downloaden, storen, deleten, contacten). Gar nicht proble-matisch ist es eigentlich auch, gut deutsch zu sagen: Ichstore wie ich bohre, ich delete wie ich vermiete, ich printewie ich finde, er recyceltwie er angelt. Betrachten wir die2. und 3. Person Singular etwas genauer: Konsequenter-weise wird das -stbzw. -tdes Prsens einfach an den Stamm

    angehngt, ohne ein -e einzufgen.Du storst, er stortwiedu bohrst, er bohrt; du bikst, er bikthnlich wie du neigst,er neigt. Das Einfgen eines -e geschieht nur, wenn derStamm selbst auf -doder -tendet: du skatest, er skatet, du

    printest, er printet; du contactest, er contactetwie du hor-test, er hortet. Was hier hinderlich sein kann, ist, dass imEnglischen bereits der Stamm in der Schreibung auf -eendet. Solange also die Stammschreibung nicht auch in-tegriert wird, gibt es merkwrdige Zwitterprodukte wiebikst, bikt. (Die der deutschen Morphologie nicht entspre-chende Form biketist in der Belegsammlung des Neologis-

    men-Projekts nicht belegt.) Das Beste wre natrlich, manwrde nun auch B sagen, nachdem man A gesagt hat, alsodie Stammschreibung integrieren, etwa nach dem Vorbildvon Streik, streiken, du streikst, er streikt Beik, beiken,du beikst, er beikt.

    Schwieriger noch wird es, wenn Formen gebildet werdensollen wieweil er downloadet ?? er downloadet ??er loadet down??er hat downgeloadet ??er hat gedownloadet

    Man wird dann, was ja durchaus zu begren ist, im Zwei-felsfall zu der Lehnbersetzung (he)runterladen greifen.Diese Schwierigkeit ist aber keine ausschlielich mitAnglizismen verbundene, sondern tritt auch im heimi-schen Wortschatz auf:weil er bauchlandet er ist bauchgelandet, ??er landet

    Bauch

    brigens ist bei outsourcen im Neologismen-Korpus nurdie Form mit zwischengeschobenem ge- belegt (vgl.Tellenbach 2002); die grammatische Strategie fr die ab-trennbare Verbpartikel aus wird also auf ihre englischeEntsprechung outbertragen.

    die Firma hat outgesourct *die Firma hat geoutsourctdie Firma hat ausgelagert *die Firma hat geauslagert

    Adjektive mssen in attributiver Verwendung im Deut-schen im Allgemeinen flektiert werden: ein khler Wind.Bei sehr vielen englischen Adjektiven kann das gut gelin-gen: ein cooler Abgang, die wirklich hippen Parties, denunfitten Mehmet(ZEIT, 2. Mai 2002, S. 52). Integrationwird besonders schwierig, wenn das engl. Adjektiv aufeinem vollen Vokal, meist langes -i , geschrieben ,endet: easy, lucky, heavy. Hier entsteht im Deutschen eineunerlaubte Silbenstruktur, wenn wir flektieren: eine ganz

    easye Sache wird gemieden, weil zwei unbetonte Silben ineinem so genannten Hiat aufeinander stoen. Was tun?Das Adjektiv bleibt auch beim Substantiv unflektiert: eineganz easy Sache. Das ist nicht ohne Vorbild: ein lila Kleid,ein rosa Zylinder. Nach Androutsopoulos (1998) wird dadie Flexionslosigkeit auch nicht optimal ist in derdurchaus kreativen Jugendsprache in solchen Fllen krf-tig experimentiert, z.B. durch Anhngen des deutschenSuffixes -ig: peacig, rockig, punkig, funnig, aber*easig,*heavig.

    Ein schnes Beispiel fr Integration ist auch die AbleitungCleverle, mit deutsch-schwbischem Verkleinerungssuffix

    -le, angefgt an das englische Adjektiv clever. Wir findenes neuerdings wieder in den Medien, denn das CleverleLothar Spth gehrt ja zum Kompetenzteam des Kanzler-Kandidaten Stoiber.

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    Das Ausweichen auf unflektierte Formen gerade im pr-nominalen Bereich ist mglicherweise eines der Einfalls-tore fr die nicht-integrierende Sprachmischung, an derZimmer (1997) besonders Ansto nimmt. Da entstehendann grammatische Konstruktionen, die weder englischnoch deutsch sind, die grammatisch undurchsichtig sindund bei denen auch hohe Schreibunsicherheiten entste-

    hen. Ein Beispiel: Im Deutschen ist im prnominalen Be-reich in der Regel keine unflektierte Form, z.B. kein Ad-verb mglich: *das dort Haus. Unflektierbare Wrter, dieanders als easy, heavy auch semantisch keine typischenAdjektive sind, wie online, standarddrften daher imDeutschen nur als erste Bestandteile einer Zusammenset-zung prnominal erscheinen. Bei einem solchen Verstnd-nis kommt aber dann erschwerend hinzu, dass im Engli-schen Komposition nicht eindeutig durch Zusammen-schreibung markiert wird (siehe auch Textprobe 2:Customer Relationship Management). Und unter diesenBedingungen erscheint dann alles mglich:

    der Online-Betrieb, *der online/Online Betrieb; der Stan-dard-Treiber, *der standard/Standard Treiber

    Ins Deutsche integriert ist jeweils nur die erste Form.

    Wie urteilen wir?

    Bei der Frage nach den Grnden des angloamerikanischenEinflusses wird hufig mit einer Mischung aus sprach-strukturellen, ntzlichkeitsbezogenen, sprachsoziolo-gischen oder gar politischen und mentalittsbezogenenArgumenten oder auch Pseudoargumenten gehandelt.

    Das alles berwlbende Generalmotiv ist natrlich derdominante Einfluss der westlichen Fhrungsmacht USA,nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in unter-schiedlichen Bereichen der Kultur, einschlielich Musik,Sport, Unterhaltung usw. Der sachbedingte Vorteil Werfhrt und erfindet, benennt auch kann jedoch nicht alleinausschlaggebend sein, wenn der unterschiedlich starkeEinfluss auf die verschiedenen westlichen National-sprachen bedacht wird. Als Motive kommen hinzu:

    Aus der Sicht der Anglizismen-Freunde:

    1. sprachstruktureller Vorteil: Die englischen Be-nennungen sind oft kompakter als die hufig um-stndlichen Wortungetme, die als deutscherErsatz angeboten werden.

    2. Ntzlichkeit/konomischer Vorteil: Ein ber-greifender Wortschatz vereinfacht die Kommuni-kation in globalisierten Bereichen einer globa-lisierten Welt.

    3. Mentalitt: Englisch gewhrt die Teilhabe aneiner nicht-national gebundenen Kommuni-kationskultur (Jugendsprache, Internet) und be-deutet damit auch Absage an deutsche Klein-kariertheit.

    Aus der Sicht der Anglizismen-Gegner, sprich derjenigen,die Nachteile und Mngel auf Seiten des Deutschen undder Deutschen sehen und diese beseitigen wollen:

    I. sprachsystematischer Nachteil: Das Deutsche hatseine (Integrations-)Kraft verloren, es ist auf demabsteigenden Ast.

    II. sprachsoziologischer Nachteil: Das Deutsche hatweniger Prestige, englischer Sprachgebrauchentspringt oft Imponiergehabe.

    III. Mentalitt: Die Deutschen haben zu wenig

    Selbstbewusstsein, sie erkennen u.a. nicht denWert der eigenen Sprache als Teil der eigenenIdentitt.

    Es ist nicht mglich, dies im Einzelnen zu diskutieren. Ichmchte nur auf zwei Punkte zu sprechen kommen:

    Zu Punkt I (nachlassende (Integrations-)Kraft des Deut-schen):Bevor man sich berhaupt auf diese Frage einlsst, solltedas zugrunde liegende Sprachkonzept hinterfragt werden.(Ich denke, dies ist, was Linguisten in dieser Diskussion inallererster Linie anmahnen sollten.) Die Verfechter diesesArguments neigen dazu, Sprache als eine Art eigenesWesen zu betrachten, das in guter oder schlechter Verfas-sung sein kann, von Sprachviren infiziert sein kann(sozusagen eine englische Krankheit haben kann), dasvon bsen Menschen und Institutionen, etwa den Medien,beschdigt und zerstrt werden kann, dahinsiechen undsterben kann. Diese Sehweise teile ich, wie die meistenLinguisten, nicht: Sprache ist untrennbar verbunden mitden Menschen, die sie sprechen, die mit dieser Sprachekommunizieren und handeln; sie ist kein Ding an sich.berspitzt und vereinfacht gesagt: Wenn die Sprache derTelekom kaputt ist, tangiert dies meine Sprache nicht.

    Damit soll nicht geleugnet werden, dass natrlich dieSprachkompetenz und der Sprachgebrauch Einzelner undvon Gruppen sich wechselseitig beeinflussen und dassletztlich auch das Sprachsystem verndert werden kann.Aber dies ist ein hochkomplexer und nur indirekt bewirk-ter Prozess. Wesentlich ist, dass jeder Einzelne, Institutio-nen und Gruppen zuallererst ihre Sprache sprechen, kulti-vieren und pflegen knnen. Damit ben alle Einfluss aufdiese unsere Sprache aus. Zum Recht auf die eigene Spra-che gehrt selbstverstndlich auch das Recht zur Kritik amSprachgebrauch anderer. Wo wir durch den Sprachge-brauch anderer im Verstndnis des Kommunizierten behin-

    dert werden, wehren wir uns mit Recht. Wenn derSprachgebrauch anderer uns manipulativ oder auch nurgrammatisch inkorrekt, stilistisch verquer oder schlichtunschn erscheint, brauchen wir damit nicht hinter demBerg zu halten. Was wir kritisieren, auch wenn es sich aufeinen bertriebenen, irrefhrenden, hsslichen usw. Ge-brauch von Anglizismen bezieht, ist stets der Sprachge-brauch Einzelner, vielleicht auch vieler (oder zu vieler)Einzelner, nicht die deutsche Sprache.

    Zu Punkt III (Mentalitt):Hier lsst sich kaum debattieren. In einer liberalen Gesell-schaft kann man weder Zugehrigkeitsgefhl als Sprach-

    tribut bei den quasi Abtrnnigen einklagen, noch kannman denen, die freiwillig Sprachsolidaritt leisten, dasmadig machen. Ich will allerdings nicht verhehlen, dass mirdas anschwellende Identittspalaver so nennt es

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    Eckhard Henscheid (2000) etwas suspekt ist, auch wennich mich gelegentlich daran beteilige.

    Wer kann/soll/darf was ndern?

    Meine Antwort deutet sich aus dem eben Ausgefhrten

    bereits an: Ich halte nichts von einem Sprachgesetz lafranaise. Ich setze auf eine Strkung des Sprach-bewusstseins, natrlich nicht im Sinne eines Sprach-purismus, sondern im Sinne eines besonnenen Sprachge-brauchs, der die Gebote der Verstndlichkeit, der sprach-systematischen Transparenz und es sei erlaubt derSchnheit achtet.

    Knnen da nicht, so ist zu fragen, die Vorschlge, die z.B.vom Verein Deutsche Sprache (VDS) gemacht werden,zum Vermeiden von Anglizismen (auf freiwilliger Basis)ntzlich sein? Ich antworte mit Radio Eriwan: Im Prinzip

    ja. Werfen wir noch einen Blick auf diese Vorschlge4

    : Zuder Anglizismenliste des VDS heit es im Vorwort: 84,5%der rund 4.600 verzeichneten Anglizismen wrden alsverdrngend eingestuft. Sie verdrngten also einbedeutungsgleiches deutsches Wort und erschwerten da-her die Verstndigung unntig. Auch diese Bezeichnungverdrngend aus dem Agressionsvokabular gefllt mirwenig. Aber schauen wir uns einige Beispiele an:

    airbag: Prallkissen, Prellsackanchorman/-woman: Hauptnachrichtensprecher(in)anti-aging: Altersverzgerung, Verzgerung der Alte-runghead-hunter: Ab- und Anwerber (von Fhrungskrften),Personalbeschaffer

    Dazu ein impliziter Kommentar:Als Headhunter betrat Rob in der Bundesrepublik Neu-land, wobei er eigentlich gleich von Anfang den fol-genschweren Fehler machte, Headhunter einzudeut-schen und sich als Kopfjger vorzustellen. Dieses Wortfhrt einem unweigerlich die schwarzen, kleinen, inSand getrockneten Indianerkpfe mit berlangen Haa-ren und Wimpern vor Augen.(Uwe Timm (1991): Kopfjger. Bericht aus dem Innerendes Landes, S. 248)

    information highway: Datenautobahninsect repellents: Lstizide/InsektenabwehrstoffeInsidergeschft: Geschft unter EingeweihtenInsiderwissen: Wissen von EingeweihtenNews-Foren: ffentliche Nachrichtenrumepay-TV: Bezahlfernsehenrave: Tanzorgie (zu Technomusik)raver: Massentnzer, Orgastreality-TV: Echtfernsehen, Wirklichkeitsfernsehen

    Einiges davon ist gelungen oder akzeptabel: Daten-

    autobahn, Bezahlfernsehen; kurios finde ichLstizide. Invielen Fllen aber kann von Verdrngung keine Rede sein,insofern als es sich bei den deutschen Wrtern um nochnicht etablierte Neuprgungen (sei es von den Vertretern

    des VDS selbst oder von anderer Stelle) handelt: Prallsack,Prellkissen fr airbag, Echtfernsehen/Wirklichkeits-fernsehen fr reality-TV, Hauptnachrichtensprecherfranchorman. (Dagegen gibt es hier nach dem Neologismen-Projekt des IDS durchaus Teilintegration bis zur vollstn-digen Lehnbersetzung; vgl. Tellenbach 2002, S. 107:Anchormann, Anchorfrau, Ankermann.) In vielen Fllen

    gengt das, was hier als deutsche Entsprechung angebo-ten wird, nicht den Kriterien, die an bersetzungs-quivalente zu stellen sind: a) Es handelt sich um Oberbe-griffe zu dem englischen Wort wie etwa bei hyperlinkQuerverbindung,News-Foren ffentliche Nachrichten-rume,raverMassentnzer (von Orgast ganz zu schwei-gen!). Hier ist das deutsche Wort nicht spezifisch genug,und insofern nicht treffend. Oder es sind unhandlicheUmschreibungen, die im sprachlichen Kontext nicht frden englischen Terminus eingesetzt werden knnen, wieetwa beiInsidergeschftGeschft unter Eingeweihten,anti-aging Altersverzgerung, Verzgerung der Alterung:Man stelle sich z.B. folgende Kontexte vor:

    Nach neuesten Ermittlungen war der ehemalige IG-Metall-Chef an Insidergeschften/Geschften unterEingeweihten beteiligt..

    Anti-aging-Medizin/Altersverzgerungs-Medizin istder neueste Trend im Gesundheitswesen.

    Hier ist bei der Eindeutschung die Grenze zum Lcherli-chen erreicht. Es nimmt daher nicht Wunder, wenn auchSprachglossen misslungene Eindeutschungsversuche aufdie Schippe nehmen:

    Doch die sprachliche Suberung hat alle Bereiche

    durchdrungen: nicht nur die neuen Medien, sondernsogar das lteste Gewerbe der Welt. So gibt es wohl erstnach dem Werthebach-Gesetz in Nachtschenken Aus-ziehtnze zu sehen. Wer will, kann sich dann mit An-rufhuren in Sprudelbecken entspannen. DerSchenkenwchter reicht dazu Mischgetrnke. Wenndie Kleidungsausstattung fr den Nachtvereinstimmt: Statt T-Hemd und berzieher trgt man nunRaucher und Wettermantel.(taz, 26. Januar 2001)

    Die Eindeutschung ist also eine schwierige Sache. Noch

    aus den Fnfziger-/Sechzigerjahren gibt es (vgl. v. Polenz1999, S. 406) zahlreiche gelungene Lehnbersetzungen,die das englische Original gnzlich verdrngt haben:Atombombe, Gehirnwsche, Schwarzmarkt, Gipfelkonfe-

    renz, Krpersprache, Einwegflasche, Wunschdenken.Heute dagegen, so haben viele den Eindruck, hat dasDeutsche keine Erneuerungskraft mehr. Englische Wrterwerden fr Neues einfach bernommen, anstatt deutscheWrter zu prgen. Dabei geht z.T. unter, dass nach wie voreiniges auch durch Lehnbertragung bzw. Neubedeutungbei deutschen Wrtern unsichtbar lexikalisch einge-deutscht wird, es handelt sich um so genanntes inneres

    Lehngut. Woran liegt aber der Rckgang an solchen deut-schen Entsprechungen? Als aktuellen Grund nennt Busse(2001, S. 147) folgenden: Im Unterschied zu frherenZeiten besteht meiner Meinung nach in der Medien- oder

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    Informationsgesellschaft die Hauptschwierigkeit darin,bereits weit verbreitete Anglizismen, die dem uerenLehngut zuzurechnen sind, durch inneres Lehngut zu er-setzen; mit anderen Worten, nachtrgliche Korrekturen amSprachgebrauch sind als eher chancenlos zu betrachten.

    Das ist z.T. berechtigt. Aber: Waren denn die frheren

    Eindeutschungsaktionen von so berwltigendem Erfolggekrnt? Von den in die Tausende gehenden Vorschlgendes groen Aufklrers Johann Heinrich Campe haben sichnur etwa 200 durchgesetzt und bis heute erhalten (vgl. v.Polenz 1994, S. 130 ff.), u.a.Erdgeschoss (Parterre), Er-gebnis (Resultat), fortschrittlich (progressiv), Zartgefhl

    (Delikatesse). Wortungeheuern wieBelehrungsgesandterstatt Missionarwar schon damals kein Erfolg beschieden.Der Ursachen fr den mangelnden Erfolg sind viele: DieVerdeutschungen treffen, wie oben gezeigt, nicht denBedeutungsumfang des Fremdwortes, oder nicht die Stil-ebene, sie verstoen gegen Prinzipien der sthetik oderkonomie usw. Was sich schlielich durchzusetzen ver-mag, steht mehr oder weniger doch in den Sternen; es istein Phnomen der unkalkulierbaren Art.

    Eines jedoch kommt vor allem bei diesem Willen zumEindeutschen zu kurz: Der Reichtum, der uns durch die In-tegration fremder Wrter zuwachsen kann: Hufig nmlichist es gar nicht der Fall, dass es zu einem Verdrngungs-prozess kommt: Vielmehr existieren entlehntes und heimi-sches Wort nebeneinander, weil dieses Nebeneinander dieChance zur Bedeutungsdifferenzierung und -nuancierungbietet. Das gilt nicht nur fr die lteren BeispieleAttacke Angriff,Resultat Ergebnis,Balance Gleichgewicht

    oder deutlicher: Gage Gehalt, Chanson Lied, sondernauch fr viele neue Flle: Ein Song ist kein Lied, ebensowenig wie ein Chanson, ein Drink ist ein ganz speziellerTrank/Trunk. Das bedeutet letztlich, dass dieNehmersprache, hier das Deutsche, gegenber der Geber-sprache noch im Vorteil ist. Sie differenziert durch dasNebeneinander von entlehntem und eigenem Wortschatzin vielfltigster Weise.

    Fazit

    (1) Die Gefahr einer berfremdung des deutschenAllgemeinwortschatzes besteht nicht.

    (2) In einzelnen Kommunikationsbereichen und Text-sorten ist ein starker Einfluss des Angloamerikani-schen zu verzeichnen. Vor allem, wo es um Dienstleis-tungen oder Informationen fr die Allgemeinheitgeht, sollten aus Grnden der Verstndlichkeit nachMglichkeit deutsche Bezeichnungen verwendetwerden.

    (3) Anglizismen werden im Allgemeinen grammatischintegriert. Das grammatische System des Deutschenist nicht in Gefahr. Bestimmte Entwicklungen (z.B.

    vermehrter Einbau unflektierter Wrter) verdienenunsere Aufmerksamkeit.(4) Die Eindeutschung von Anglizismen ist ein Glcks-

    fall. Ein prgnanter und treffender Anglizismus ist

    einer schlechten Verdeutschung vorzuziehen. Wrteraus der Fremde knnen heute wie in frheren Zeitendas Deutsche bereichern.

    Auf dieses Primat des Angemessenen vor dem Deut-schen hebt Th. W. Adorno (1979, S. 207) auf ganz unnach-ahmliche, wenn auch etwas kryptische Art ab, wenn er

    sagt:berall dort ist das Fremdwort besser, wo aus welchemGrunde auch immer die wrtliche bersetzung nicht wrt-lich ist.

    Anmerkungen:1 Es handelt sich um aus dem Internet unter der Adresse http://

    www.www-kurs.de/wording recherchierte Kurztexte. Dass essich hchstwahrscheinlich nicht um spontane uerungs-produkte handelt, sondern um eigens konstruierte, tut nichts zurSache.

    2 Br (2001, S. 170), der insgesamt einen guten berblick bietet,

    veranschlagt das gesamte deutsche Vokabular auf etwa 300.000bis 500.000 Wrter.3 Zum Telekom-Deutsch vgl. den Briefwechsel zwischen dem

    Direktor des IDS und dem Pressesprecher der Deutschen Tele-kom, Sprachreport 3/1998. Dass der Streit um das Telekom-Deutsch noch immer aktuell ist, zeigt ein Gegenantrag zur Haupt-versammlung der Deutschen Telekom vom 28.05.2002 des In-halts, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern aufgrund desbermig hohen Gebrauchs von englischen Modewrtern undenglisch-deutscher Sprachmischung.

    4 recherchiert unter http://vds-ev.de/denglisch/anglizismen/

    index.php

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    Anglizismen im heutigen Deutsch. In: Deutsch als Fremdspra-che 2/2002, S. 75-81.

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    Die Autorin ist Leiterin der Abteilung Grammatik im Institut frDeutsche Sprache in Mannheim.