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1 Predigt im Gottesdienst mit Taufen am 10.01.2016 in der evang. Kreuzkirche in Reutlingen Predigttext Römerbrief 12,1-8 Pfarrer Stephan Sigloch, Pfarramt Kreuzkirche III, Reutlingen I. Annäherung In meinem Büro, in unserer offiziellen „Kirchensprache“ das „Amtszimmer“, steht mein Stehpult. Darüber an der Wand hab‘ ich im Lauf der letzten Jahre immer wieder einmal ein Foto oder eine Postkarte aufgehängt. Gestern, bei der Vorbe- reitung des Gottesdienstes und der Predigt (manchmal dauert es ja einige Zeit, „reinzufinden), fiel mein Blick auf eine der Postkarten: Die Zeichnung zeigt ein älteres Ehepaar. Sie sitzen ‚stabil‘ auf dem Sofa – er eine Flasche Bier und einen Aschen- becher vor sich, Zigarette im Mundwinkel, sie hinter einer Tasse, Tee oder Kaffee. Er sagt: „Seit Futschijama … äh … Fuku- shima ist nichts mehr, wie es war“. Darauf sie: „Du schon!“ 1 Beim Nachdenken über unseren Predigttext, am Übergang aus der Weihnachtszeit vollends zurück in den Alltag, hat mich die Karikatur angesprochen: „Seit Weihnachten, seit Gott in Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um uns Menschen und die Welt zu versöhnen, ist nichts mehr, wie es war …“. Wie ist das bei uns? II. Text (Römer 12,1-8 – BasisBibel) 1 Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes bitte ich euch: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung. Es soll

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Predigt im Gottesdienst mit Taufen am 10.01.2016 in der evang. Kreuzkirche in Reutlingen

Predigttext Römerbrief 12,1-8 Pfarrer Stephan Sigloch, Pfarramt Kreuzkirche III, Reutlingen

I. Annäherung

In meinem Büro, in unserer offiziellen „Kirchensprache“ das

„Amtszimmer“, steht mein Stehpult. Darüber an der Wand

hab‘ ich im Lauf der letzten Jahre immer wieder einmal ein

Foto oder eine Postkarte aufgehängt. Gestern, bei der Vorbe-

reitung des Gottesdienstes und der Predigt (manchmal dauert

es ja einige Zeit, „reinzufinden), fiel mein Blick auf eine der

Postkarten: Die Zeichnung zeigt ein älteres Ehepaar. Sie sitzen

‚stabil‘ auf dem Sofa – er eine Flasche Bier und einen Aschen-

becher vor sich, Zigarette im Mundwinkel, sie hinter einer

Tasse, Tee oder Kaffee. Er sagt: „Seit Futschijama … äh … Fuku-

shima ist nichts mehr, wie es war“. Darauf sie: „Du schon!“1

Beim Nachdenken über unseren Predigttext, am Übergang aus

der Weihnachtszeit vollends zurück in den Alltag, hat mich die

Karikatur angesprochen: „Seit Weihnachten, seit Gott in Jesus

Christus in die Welt gekommen ist, um uns Menschen und die

Welt zu versöhnen, ist nichts mehr, wie es war …“. Wie ist das

bei uns?

II. Text (Römer 12,1-8 – BasisBibel)

1 Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes bitte

ich euch: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung. Es soll

2

wie ein lebendiges und heiliges Opfer sein, das ihm gefällt. Das

wäre für euch die vernünftige Art, Gott zu dienen. 2 Und passt

euch nicht dieser Zeit an. Gebraucht vielmehr euren Verstand

in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln.

Dann könnt ihr beurteilen, was der Wille Gottes ist: Ob etwas

gut ist, ob es Gott gefällt und ob es vollkommen ist.

3 Bei der Gnade, die Gott mir geschenkt hat, sage ich jedem

Einzelnen von euch: Überschätzt euch nicht und traut euch

nicht mehr zu, als angemessen ist. Strebt lieber nach nüch-

terner Selbsteinschätzung. Und zwar jeder so, wie Gott es für

ihn bestimmt hat – und wie es dem Maßstab des Glaubens

entspricht.

4 Es ist wie bei unserem Körper: Der eine Leib besteht aus vie-

len Körperteilen, aber nicht alle Teile haben dieselbe Aufgabe. 5

Genauso bilden wir vielen Menschen, die zu Christus gehören,

miteinander einen Leib. Aber einzeln betrachtet sind wir wie

unterschiedliche und doch zusammengehörende Körperteile. 6

Wir haben verschiedene Gaben, je nachdem, was Gott uns in

seiner Gnade geschenkt hat:

Wenn jemand die Gabe hat, als Prophet zu reden, soll er das in

Übereinstimmung mit dem Glauben tun. 7 Wenn jemand die

Gabe hat, der Gemeinde zu dienen, soll er ihr diesen Dienst

leisten. Wenn jemand die Gabe hat zu lehren, soll er als Lehrer

wirken. 8 Wenn jemand die Gabe hat zu ermutigen, soll er Mut

machen. Wer etwas gibt, soll das ohne Hintergedanken tun.

Wer für die Gemeinde sorgt, soll sich voll für sie einsetzen. Wer

sich um die Notleidenden kümmert, soll Freude daran haben.

3

III. Alles klar?!

Muss ich dazu überhaupt noch viel sagen? Erklären sich diese

Worte nicht von selbst – wenigstens weitgehend? Keine Zwei-

fel, keine Frage: Der Glaube an Jesus Christus wirkt sich im Le-

ben der Menschen aus, die Christinnen und Christen sind – die

sich nicht nur so nennen, sondern es bewusst und d.h. aktiv

sein wollen!

IV. „Hausnamen“

In manchen Dörfern haben die Häuser „Hausnamen“. In dem

kleinen Dorf im Hohenlohischen, in das ich vor 20 Jahren als

Pfarrer z.A.2 gekommen bin, sind die sicherlich noch in Ge-

brauch.

Dort wohnte ein paar Häuser weiter eine Familie, die Kinder

im Alter unserer Kinder. Deren Opa – im übernächsten Haus –

hatte noch zwei Kühe und verkaufte Milch, wir wollten dort

Milch holen. Unsere Nachbarn nannten die Familie „Fuchs“,

haben von „s‘ Fuchsa“ gesprochen. Höflich, wie es sich gehört,

habe ich den Mann als „Herr Fuchs” begrüßt. Es war ein

peinlicher Moment ... denn er hieß ganz anders: „Lauken-

mann”.

Ich habe damals gelernt: Er „schreibt sich“ Laukenmann und er

„heißt“ Fuchs. Wie sich jemand „schreibt“, spielt im Ort keine

Rolle. Es kommt darauf an, wie jemand „heißt“ und wer er ist:

Und das sagt eben der Hausname, nicht der Name, der im

Ausweis steht.

4

Mir ist an der Geschichte klar geworden – darum erzähle ich

sie überhaupt – dass es bei uns „Christinnen und Christen“

auch so ist: Sind wir Christen? Oder schreiben wir uns nur so?

In der Zeit nach Weihnachten ist das unser Thema: Spielt, was

wir an Weihnachten feiern, in unserem Leben eine Rolle?

„Gott wird Mensch, dir, Mensch, zugute“3 - wir standen an der

Krippe, sozusagen mit dem Christkind auf dem Arm. Und jetzt?

Nehmen wir es mit in den Alltag oder legen wir’s wieder zu-

rück in die Krippe und gehen ohne ihn unserer Wege? Geben

wir das Geschenk, das Gott uns an Weihnachten macht, wie-

der zurück, tauschen es ein gegen ein Leben, das wir nach

eigenen oder nach anderen Maßstäben gestalten? Sind wir

Christen? Oder schreiben wir uns nur so? Prägt, dass wir

„Christen“ heißen, unseren Alltag? Oder ist es nur eine Be-

zeichnung für besondere Anlässe?

V. Gottesdienst ist Alltag ist Gottesdienst

„Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung” (V1): Das ganze

Leben soll „Gottesdienst sein”. Soll „Gott dienen“: alle Tage, im

Alltag! Konkret, praktisch …

Manche von Ihnen erinnern sich jetzt vielleicht an Mark Twain:

„Nicht die Stellen in der Bibel machen mir zu schaffen, die ich

nicht verstehe, sondern diejenigen, die ich verstehe ...”. Paulus

drückt sich zwar in den ersten Sätzen sehr knapp aus. Aber

eben eindeutig. Das fordert uns. Auf uns wirkt der Text des-

wegen so „verkürzt“, weil wir nicht zuerst die Kapitel gelesen

5

haben, in denen er – z.T auch sehr ‚dicht‘ – für die Christen in

Rom zusammengefasst hat, was (sozusagen) sein theologisches

Vermächtnis ist: Elf Kapitel lang hat er die Geschichte Jesu

Christi gedeutet – hier fasst er sie hier zusammen in dem

Ausdruck „Barmherzigkeit Gottes“ (V1):

Die „Barmherzigkeit Gottes“, die sich in Jesus, dem Christus

zeigt, ist Grund und Begründung dessen, was danach noch zu

sagen ist. Die Verse 1+2 sind die Überschrift, die das kurz und

prägnant zusammenfasst! Wie so oft klingt die Zusammenfas-

sung „abstrakt und komplex“4 – weil sie eine Art Konzentrat

ist. Dennoch ist deutlich: Die angemessene Antwort auf die

„Barmherzigkeit Gottes“ ist, „Gott wirklich mit Seele, Verstand,

Herz und Händen [zu] dienen, und zwar stets und überall“5.

VI. Konzentrat

Für mich als Prediger ist das Konzentrat ein Problem: Um ein

Konzentrat genießbar zu machen, muss man es verdünnen,

Wasser dazugeben. Sollte es aber nicht verwässern …

Das erinnert mich an eine Reise: 1981 habe ich mit zwei Freun-

den „Interrail“ gemacht: vier Wochen mit dem Zug kreuz und

quer durch Europa (mindestens Westeuropa). Es könnte in Stock-

holm gewesen sein … dass es schwierig war, unter Zeitdruck

Getränke zu kaufen – und wir hatten ziemlich Durst. Irgendwo

haben meine Freunde schließlich ‚Orangensaft‘ gefunden und

gekauft, zwei Kanister je 2,5 Liter. Zum Trinken war zuerst kei-

ne Zeit: Schnell ab in den Zug ...

6

Es gab keine keine Smartphones – aber der Gesichtsausdruck

beim ersten Schluck wäre ein Foto wert gewesen: Diese Mi-

schung aus Entsetzen, Ekel und Enttäuschung, weil es kein Saft

war, sondern eben Konzentrat. Wir hatten weder genügend

Wasser (um genau zu sein: gar keins), noch Flaschen, in denen

wir das Konzentrat hätten verdünnen können …

… genauso haben wir heute nicht genug Zeit, um den ganzen

Text so zu ‚verdünnen‘, zu erklären, dass er „genießbar“ wird.

Das wäre eine Predigtreihe. Also nehmen wir sozusagen nur

„ein paar Schluck“:

VII. Gottesdienst und Alltag

Zuerst – und noch einmal: Gottesdienst und Alltag gehören un-

trennbar zusammen. Wie wir mit unseren Kindern oder mit

den Eltern umgehen: Gottesdienst! Wie wir unserer Arbeit

nach- und mit den Menschen dort umgehen: Gottesdienst! Ob

wir – als eine Art „Erntedank“? – korrekt Steuern zahlen: auch

Gottesdienst. Ob wir nach dem Maßstab Jesu mit unseren

Nächsten umgehen: Gottesdienst. Usw.

Gottesdienst und Alltag gehören zusammen: Gott gibt uns Ver-

Antwort-ung. Die Art, wie wir unser Leben konkret gestalten,

ist unsere Antwort auf seine „Barmherzigkeit“.

VIII. Maßstäbe

„Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an“ – jede und

7

jeder ahnt, was das bedeutet! Die Begründung dieses Satzes

ist einfach: Durch Christus – so argumentiert Paulus – sind wir

„von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden“6 und dieses

„neue Leben“ beginnt mit der und durch die Taufe7.

„Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an“ – wie sehr

vergleichen wir uns mit anderen? Wie sehr lassen wir uns be-

einflussen von Werbung, die behauptet: alles ist immer mög-

lich und zu haben ? Hängt mein Zu-Frieden-sein davon ab, dass

ich schlank bin wie ein Model, erfolgreich wie Leute im Fern-

sehen, reich wie Fußballer? Wie sehr lasse ich mich von Neid

bestimmen? Beeinflussen mich Freunde – und wie? Dreht sich

alles im Leben um mich? „Nehmt euch nicht zu wichtig“ (V3),

schreibt Paulus – die Welt dreht sich nicht um Dich.

Der Maßstab, an dem „Christinnen und Christen“ sich orientie-

ren ist – der Name sagt es – Christus! Wer wissen will, was das

heißt, bekommt von Paulus einen deutlichen Hinweis: „Ge-

braucht […] euren Verstand in einer neuen Weise“ (V2) – etwa

dazu, in der Bibel nachzulesen, was Christus sagt und tut.

Damit begeben wir uns auf einen Weg – es gibt keinen Schal-

ter, den wir umlegen könnten und alles ist gut. Paulus wörtlich:

„Lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Sinnes,

damit ihr prüfen d.h.: als bewährt annehmen könnt, was der

Wille Gottes ist“ (V2). Und wir fragen uns dann: Wie soll, wie

kann das gehen?

Einer unserer Lehrer im Studium hat einmal gesagt: „Jede tie-

fere Erkenntnis braucht Einübung“8. Da stimme ich zu: „Jede

tiefere Erkenntnis braucht Einübung“. Dabei kommt es darauf

8

an, dass wir wahrnehmen und zulassen, was dann wachsen

und werden will in uns. Das können wir nicht „machen“.

In manchen Übersetzungen von V2 klingt es so, als könnten

wir es doch selber „machen“. Da heißt es etwa: „stellt euch

nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneu-

erung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille

ist“9. Oder: „Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht

euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken

erneuert. Dann wird deutlich, was Gott will“10.

Da liegt die Betonung ganz auf dem, was wir – aktiv – tun. Und

das ist auch nicht falsch. Aber es gehört eben auch dazu, dass

wir uns – passiv – verwandeln lassen, mindestens zulassen,

wenn sich in uns etwas verändern will.

In der schwäbischen Bibel11 heißt der Satz: „… lent euch om-

modla …“12, lasst euch in einen anderen Modus, in eine andere

„Art und Weise des Seins“13 versetzen. Und wenn wir sehen,

dass „Modus“ auch eine Tonart, einen Zeitwert und ein Takt-

maß bezeichnet, dann ahnen wir: „ummodeln lassen“ ist viel

mehr, als sich anderes Denken anzueignen. Die Tonart des Le-

bens ändert sich, die Wahrnehmung der Zeit, Takt und Rhyth-

mus unseres Lebens werden sich nach und nach verändern.

IX. „… ein Leib“

Ein dritter „Schluck“: Mit dem Bild der christlichen Gemein-

schaft als „Leib Christi“ drückt Paulus aus: Dieses „Ummodeln“

geschieht im Miteinander. Kann nur so geschehen …

9

… schon allein deswegen, weil wir als Christinnen und Christen

„automatisch“ Teil dieses „Leibes Christi“ sind. Auch deswe-

gen, weil Einüben des Glaubens im Miteinander geschieht: Nur

in Beziehungen mit anderen erlebe ich, ob sich bei mir etwas

verändert. Und was. Und wie.

Christsein ist Unterwegssein. Auch das hilft, das Bild vom Leib

besser zu verstehen: Wer läuft, trainiert immer den ganzen

Körper. Nicht nur die Beine: Die Arme sind in Bewegung. Das

Herz schlägt schneller, die Lunge ist gefordert … Laufen wirkt

sich auf den ganzen Organismus aus. Entscheidend ist, dass wir

als Gemeinde in Bewegung bleiben.

Neulich habe ich ein „interessantes“ Foto gesehen, aufgenom-

men in einem Fitnessstudio: Ein Mann auf einem Stuhl, ein Ge-

tränk in der Hand. Mit den Beinen macht er leichte Bewe-

gungen, als wollte er gehen – und der Stuhl steht auf einem

Laufband … nein, so geht es nicht.

Wenn wir als Gemeinde unterwegs und in Bewegung bleiben,

alle Organe und Glieder sich in Bewegung bringen lassen,

macht sich nach und nach ein Trainingseffekt im ganzen Körper

bemerkbar. Denken Sie noch einmal an den Satz: „Jede tiefere

Erkenntnis braucht Einübung“ – den Trainingseffekt beschreibt

Paulus mit den Worten: „… dass ihr prüfen könnt, was der

Wille Gottes ist“. Aber nicht theoretisch „überprüfen“ und

dann beurteilen. Sondern praktisch ausprobieren, einüben und

dann den Willen Gottes – „das Gute und Wohlgefällige und

Vollkommene“ (V2)14 – als in der Praxis unseres Alltags bewährt

akzeptieren können.

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X. Verschiedene Gaben …

Dass wir „ein Leib“15 sind, ist – zugegeben – immer wieder eine

Herausforderung! Wie halten wir es mit dem, was uns vonein-

ander unterscheidet? Mir ist wieder – ich will es kurz machen -

die Postkarte eingefallen, die auf dem Adressbuch meiner El-

tern klebt: „Versuche nie einen Menschen so zu machen, wie

du selber bist. Du weiß es und Gott weiß es auch: Einer von

deiner Sorte genügt“16.

Ja, wir sind verschieden. Manchmal sind wir versucht zu sagen:

Gott sei’s geklagt! Umgekehrt: Wer könnte gut mit sich selber

auskommen? Und von Paulus her: Gott sei’s gedankt! Wir ha-

ben verschiedene Gaben. Und können (nur) darum verschiede-

ne Aufgaben wahrnehmen - in unserer Kirchen-gemeinde und

als Kirchengemeinde in unserer Stadt.

Ich bin froh, dass wir hier zahlreich Menschen erleben, die sich

in den verschiedenen Aufgaben einbringen, die Paulus ab V7

aufzählt: Bibel auslegen, Verkündigung, Seelsorge, Unterricht,

Gemeindeleitung, soziale und organisatorische Aufgaben,

Spenden, Diakonie … In manchen Gemeinden kann der Ein-

druck entstehen, dass Gott es sich anders überlegt und alle

Aufgaben des „Leibes Christi“ zusammengefasst und „Pfarr-

amt“ genannt hat. Das ist nicht gut …

Die Gemeinde Jesu Christi ist kein “Pfarr-Verein”. Wir sind Ge-

meinde Jesu Christi, wenn wir miteinander und vor allem für-

einander die Gaben einsetzen, die wir - auch als “Auf-Gaben” -

mitbekommen haben.

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XI. Schluss

In der letzten Woche habe ich zwei Sätze gehört, die mir jetzt

bei der Predigtvorbereitung wieder durch den Kopf gegangen

sind:

Der 95-jährige Herr Schmid, der regelmäßig von einer Mitar-

beiterin im Besuchsdienst besucht wird, hat einen antiken

Griechen zitiert: „Was für ein erfreuliches Wesen ist der

Mensch, wenn er ein Mensch ist!“17. Und die Familie von Frau

Schäfle – sie war lange in unserer Gemeinde aktiv und enga-

giert – hat sich an Frau Schäfles Leitspruch erinnert: „Der ist

glücklich, der andere glücklich macht“. Beide Sätze zeigen uns

die Richtung, die wir von Weihnachten her in unseren Alltag

hinein einschlagen: Gott wird Mensch. Und darum: „Mach’s

wie Gott, werde Mensch!“

Mark Twain hat uns klar gemacht, dass das eine Herausfor-

derung ist: “Nicht die Stellen in der Bibel machen mir zu schaf-

fen, die ich nicht verstehe, sondern diejenigen, die ich verstehe

...”. Es gibt genügend, was wir ohne Weiteres verstehen. Dann

kann uns Frère Roger, der Gründer von Taizé, helfen, der (sinn-

gemäß) gesagt hat: ‚Es reicht, wenn wir das leben, was wir vom

christlichen Glauben bereits verstanden haben‘.

In diesem Gottesdienst erleben wir zwei wesentliche Dinge:

Die Taufen erinnern uns daran, dass Gott Ja zu uns sagt. Und

im Predigttext spricht Gott uns an – und spricht aus, was wir

längst wissen: Er will, dass daraus etwas wird und wächst. Dass

wir uns nicht nur „Christen” schreiben. Sondern es sind. Amen.

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1 Karikatur von „PRUESTEL“, vermutlich Andreas Prüstel, vgl. http://andreas-

pruestel.cartooncommerz.de/ 2 z.A. = „zur Anstellung“. Der Ort ist (Rosenberg-)Hummelsweiler, zwischen

Crailsheim und Ellwangen gelegen. 3 So singen wir in der 2. Strophe des Weihnachtsliedes „Fröhlich soll mein

Herze springen“ (EG 36). 4 Judith Reinmuth-Frauer, Konfi-Impuls zu […] Römer 12,1-8, in: „Für Arbeit

und Besinnung a+b. Zeitschrift für die evangelische Landeskirche in Würt-temberg“, 24/2015, S. 20. 5 Peter Stuhlmacher, Der Brief an die Römer. NTD Band 6 (1989), S. 169.

6 Römer 6,22.

7 Römer 6,4 – vgl. 6,1ff.

8 Prof. Hartmut Gese (TÜ) in seiner „Psalmen“-Vorlesung am 24.10.1988.

9 Die heilige Schrift nach der Übersetzung Martin Luthers (1984).

10 Bibel in gerechter Sprache (2006).

11 Bibel für Schwoba. Die schwäbische Bibelübersetzung von R. Paul (2008).

12 „.. lasst euch ‚ummodeln …“.

13 DUDEN Das Fremdwörterbuch (Der Duden in 10 Bänden), Band 5,

41982

s.v. „Modus“. 14

Lutherübersetzung, s.o. Anm. 8. 15

Paulus in 1. Korinther 12,20. – Dort (VV 12-27) entfaltet er das Bild vom „Leib Christi“ ausführlicher. 16

... aus dem Gedächtnis „zitiert“ . 17

Menander, https://de.wikipedia.org/wiki/Menander_Rhetor