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ANNE EASTER SMITH Die Rose von England

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ANNE EASTER SMITH

Die Rose von England

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Buch

Die Geschichtsschreibung lässt üblicherweise kein gutes Haar an Richard III. – doch der bedingungslose Monarch hatte auch sei-ne feinsinnigen, romantischen Seiten. Diese entdeckt in ihm die bürgerliche Katherine Haute. Auf die junge Witwe trifft Richard, Herzog von Gloucester, bei der Jagd. Die beiden verlieben sich unsterblich ineinander. Fünf wundervolle Jahre lang führen sie eine liebevolle, einander zutiefst ergebene Beziehung und haben drei gemeinsame Kinder – doch dann soll Richard zum König von England gekrönt werden. Kate, die aus einfachen Verhältnissen stammt, wird ihn nicht mehr heiraten können. Dennoch schwö-ren sich die beiden ewige Treue, ohne jedoch zu ahnen, welche Prüfungen ihnen noch auferlegt werden: persönliche Tragödien, hinterhältige Intrigen im Königspalast und die gefährlichen Höhen

und Abgründe des politischen Triumphs.

Autorin

Anne Easter Smith wuchs in England, Deutschland und Ägypten auf. Bereits zu Schulzeiten entwickelte sie ihre Passion für Ge-schichte. Mit 20 begann sie, umfangreiche Recherchen über Shake-speares Schurken, Richard III., anzustellen. Zehn Jahre lang war sie Kulturredakteurin einer Tageszeitung in New York. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Boston, Massachusetts, und widmet sich ganz ihrer großen Leidenschaft, den historischen Romanen. »Die Rose von England« ist ihr Debüt, an ihrem neuen

Roman arbeitet sie bereits.

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Anne Easter Smith

Die Rose von EnglandRo man

Aus dem Englischenvon Elfriede Peschel

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »A Rose for the Crown«

bei Touchstone Books, Simon & Schuster, Inc., New York.

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Taschenbuchausgabe Januar 2008 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, MünchenCopyright © der Originalausgabe 2006 by Anne Easter Smith

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: HildenDesign, MünchenUmschlagbild: © Raphael / The Bridgeman Art Library

lf · Herstellung: HNSatz: Buch-Werkstatt gmbH, Bad Aibling

Druck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN: 978-3-442-36685-9

www.blan va let.de

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Für meine Töch ter Joan na und Kate,meine Lek to rin be zie hungs weise Muse

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Pro log

Lon don 1491

Ver rä ter!«, kreischte ein al tes Weib mit ten aus der rie si gen Men-schen menge, die den So ckel der grob ge zim mer ten Platt form

auf dem Markt platz von Smith fi eld um ringte. Ihre Stimme ging in dem all ge mei nen Lärm un ter, denn laut hals wurde zum Kauf von Pas te ten und Flit ter kram auf ge for dert, ein Nach bar rief dem an-de ren et was zu, und hier und da er schallte raues, gei les Ge läch ter. Im mer wie der drang ein qual vol ler Schrei vom Scha fott, ge folgt von den wil den Ju bel ru fen hun der ter lüs ter ner Ge sich ter. Bei ßen-der Rauch hing über dem Platz wie eine schwere Glo cke.

Halb ver steckt von ei nem Stein sims hin ter ei ner Flü gel mau er schirmte eine Witwe ihre Au gen ge gen das Ge sche hen ab.

»Ist es vor bei, mein Sohn?«, fragte sie fl üs ternd den jun gen Mann ne ben ihr. Der Ge stank über wäl tigte sie – eine Ekel er re gende Mix tur aus ver brann tem Fleisch, ver gos se nem Blut, ver seng ten Haa ren und hun der ten schwit zen den, un ge wa sche nen Lei bern. Ver gleich ba res hatte sie noch nie ge ro chen, und ihr Ma gen lehnte sich da ge gen auf.

Ihr Sohn, der nicht so emp fi nd lich war, stand auf den Ze hen spit-zen und be gaffte mit be geis ter tem Ent set zen das gräss li che Spek ta-kel. »Nein, Mut ter. Da nä hert sich noch ei ner dem Scha fott.« Er wandte sich ihr zu, sein kas ta ni en brau nes Haar eine Er in ne rung da-ran, wie ih res einst ge we sen war, und sah ih ren Schmerz. »Ich sollte dich von hier weg brin gen«, meinte er be sorgt. »Es schickt sich nicht, dass du Zeuge sol cher Grau sam keit wirst. Wa rum sind wir hier?«

»Wie sieht der Letzte aus, Dick on? Ist er jung? Ru fen sie sei nen Na men?« Er hatte keine Ge le gen heit zu ant wor ten.

»Tod dem Ver rä ter! Tod dem ver rä te ri schen Bas tard!«, schrie ein Mann in vor ders ter Reihe.

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»Wie, das ist doch Ri chards Bas tard. Das ist John von Glouc es-ter. Wa rum hat man uns das nicht ge sagt?«, rief ein gro ßer Mann dem Haupt mann zu, der für die Ge fan ge nen ver ant wort lich war. Der Sol dat zuckte mit den Schul tern und wandte sich ab. »Der Sohn ei nes Kö nigs sollte im Stil len hin ge rich tet wer den. Das ist so Brauch«, brum melte der Mann.

Es folgte ei nen Mo ment lang Schwei gen, bis die über ra schende In for ma tion die hin ters ten Rei hen er reicht hatte. Viele in der Men-ge wa ren ver blüfft. Sie hat ten nichts ge gen John. Sie wa ren ge-kom men, um den Tod dreier Män ner, die des Ver rats be schul digt wa ren, mit ei ge nen Au gen zu se hen. Kö nig Hein rich schien ge-neigt, sein Kö nig reich von all de nen zu säu bern, von de nen er sich be droht fühlte.

»Wel chen Ver rats hat John sich schul dig ge macht?«, ver langte ein an de rer Mann zu er fah ren. »Und wer hat den Pro zess ver folgt?«

Schwei gen.»Der stand Ri chard ein fach zu nah, das konnte nicht gut ge hen«,

kreischte eine Frau ne ben der Witwe, und viele lach ten, er leich tert, dass die Span nung sich ge löst hatte.

Aber die Gaf fer in te res sier ten sich nicht mehr für Ver stöße aus der Ver gan gen heit, son dern nur noch für die mo men ta nen Fol gen. Sie wa ren ge kom men, um drei Män ner durch die ab scheu lichste Me thode der Hin rich tung ge tö tet zu se hen: man er hängte sie, bis sie fast tot wa ren, nahm sie dann ab und schnitt ih nen die Ein ge-weide he raus, um diese zu ver bren nen, wäh rend der Rest ge vier-teilt wurde. Die Köpfe spießte man an schlie ßend auf das Lon do ner Tor, als War nung für alle po ten zi el len Ver rä ter. Aber dass ei ner der Ver damm ten sich nun als von kö nig li chem Ge blüt ent puppte – wenn gleich ein Bas tard –, ver schärfte den Kit zel. Im Blut rausch der Menge ging das Schwei gen in joh len den Spott für den drit ten Ge fan ge nen über. Die Masse drängte nach vorne, wo eine Mau-er von Sol da ten sie da von ab hielt, den ru hi gen, dun kel haa ri gen Mann in Stü cke zu rei ßen, ehe der Hen ker und die Ausw ei der ihre Ar beit tun konn ten.

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Ein paar Schritte von den geschleif ten und ge vier teil ten Über res-ten ei nes wei te ren so ge nann ten Ver rä ters an Hein rich, dem neuen Kö nig, ent fernt, be kam der Sohn des to ten King Ri chard vor dem So ckel des Scha fotts die Letzte Ölung. Er stieg die Treppe hi nauf und wurde auf der Platt form un ter die letzte Schlinge ge führt. Die Menge be warf ihn mit Erd klum pen, ver faul tem Ge müse und hier und da auch ei nem Stein, bis der Hen ker seine Hand hoch hielt, um dem Ein halt zu ge bie ten. John blickte auf die er war tungs vol len Ge sich ter vor ihm und er kannte den Hass da rin. Keine acht Jahre zu vor hat ten die sel ben Ge sich ter lä chelnd dem far ben präch ti gen Rei ter zug auf dem Weg zur Krö nung sei nes Va ters zu ge ju belt. Jetzt starr ten sie ihn in der Er war tung ei nes Win selns um Gnade oder dem Ge ständ nis des Ver rats an. Ver ge bens suchte er in der Menge nach ei nem freund li chen Ge sicht, als et was sei nen Blick auf eine Frau lenkte, die auf ei nem nied ri gen Mau er sims stand, ihre Hand fest an die ei nes jun gen Man nes mit kas ta ni en brau nem Haar ge-klam mert. Ihre Ka puze war nach hin ten ge rutscht und ent hüllte ein trau ri ges Ge sicht mit mü den Au gen.

Die häss li che Menge ver schmolz zu weit zu rück lie gen den Er in-ne run gen: ein vom Feu er schein er hell tes Wo hn ge mach und eine en gels glei che Stimme, die ihn mit ei nem Lied über Rit ter, Da men und Liebe ein lull te; bern stein far bene Au gen, die ängst lich über ihm wach ten, als er sein kind li ches Fie ber in ih rem üp pi gen Bal-da chin bett aus schwitzte; warme Hände, die an ei nem Som mer tag, des sen Luft mit Ab schied ge schwän gert war, sei nen sechs jäh ri gen Kör per fest hiel ten; und erst kürz lich, eine vage Be rüh rung ih rer Hand durch das Ge fäng nis git ter, als sie zum letz ten Mal zu ihm ge kom men war.

»Mut ter!« Die ses eine Wort ent rang sich ihm als Stöh nen, und scham voll er gos sen sich seine Trä nen.

Die Frau hörte sei nen Schrei und streckte, un ge ach tet der Ge-fahr, ihre Hand nach ihm aus. Er wandte seine Au gen aus Angst ab, sie in sein Un glück zu ver stri cken.

»Er weint nach sei ner Mut ter, das Baby!«, schrie ei ner von Kö-

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nig Hein richs Spit zeln in der Menge und ent lockte da mit den Um-ste hen den grau sa mes Ge wie her. Ein paar in der Menge dreh ten sich um und starr ten neu gie rig die Frau im schwar zen Um hang an. So fort ließ sie ih ren Arm fal len. Es war, als hätte sie das schwei-gende Fle hen des Ge fan ge nen ge hört, und noch ehe das In te resse der Menge zur Be dro hung wer den konnte, stieg sie von ih rem Mäu er chen he run ter und rannte, die Hand des jun gen Man nes noch im mer um klam mernd, die Gasse hi nun ter, weg von dem Ge-stank, dem Hohn und die sen grau blauen Au gen, die sie nicht los-lie ßen.

Als sie vom Lärm und den Bli cken des Schau plat zes weit ge-nug ent fernt war, blieb sie ste hen, um trä nenüber strömt Atem zu schöp fen. Dick on starrte sie an. Die Haar sträh nen, die un ter ih rer Wit wen hau be her vor lug ten, wa ren weiß, und ihr vier zig jäh ri ges Ge sicht war von Leid ge zeich net. Sie, die sich sonst im mer um ihn ge küm mert hatte, brauchte jetzt seine Für sorge. Seine Mut ter wurde alt.

»Wa rum bist du so be küm mert, Mut ter? Wa rum muss ten wir uns das an se hen?«, fragte er wie der, packte sie an den Schul tern und rüt telte sie sanft.

Sie sah ihm di rekt in die Au gen. »Weil er mein Sohn ist.«Dick on fi el die Kinn lade he run ter. »Dein Sohn? Aber … ich ver-

stehe nicht. Ich bin doch dein Sohn!« Sein kräf ti ges, ener gi sches Kinn er in nerte sie so sehr an sei nen Va ter, dass es ihr die Luft ab-schnürte. Er hakte sie un ter. »Die Luft hat dir die Sinne ver ne belt. Komm, setz dich, ich werde dir eine Er fri schung brin gen.«

Dick on führte sie zu ei ner Stein bank in der ver las se nen Che ap-side. Da kei ner sie auf hielt, streif ten die Hunde durch of fene Tü ren ein und aus, wühl ten räu dige Kat zen auf Ab fall hau fen thro nend nach Res ten und huschte eine Ratte über die Straße. Die Sonne glänzte auf den Ab was ser pfüt zen ent lang der brei ten Durch fahrts-straße.

Kein Kum mer kann grö ßer sein als der ei ner Mut ter, sagte die Frau sich, den Kopf in den Hän den, und musste da bei auch an den

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Tod ih rer Toch ter den ken, die vor noch nicht ein mal sechs Jah ren am Fie ber starb. Aber ein sol cher Tod … Ihr Schluch zen wurde hef ti ger.

»Gü ti ger Gott, ich bete da rum, dass du ihn rasch zu dir nimmst!«, rief sie den Him mel an, und Dick on stand ver dutzt da bei. Sie rich-tete ih ren Blick auf die weiße Haut an der Wur zel ih res Ring fi n gers und be tete da rum, dass der feh lende Ring ih rem John den Tod durch den Hen ker er kauft hatte, ehe die Ausw ei der sich an ihr Werk mach ten. »Ach, Ri chard! Ich hoffe von gan zem Her zen, dass dein kost ba res Ge schenk un se rem Sohn un ter ge rin gem Schmerz in den Him mel ge hol fen hat. Eine bes sere Ver wen dung könnte der Ring nicht fi n den.«

Nach ei ner Weile ließ die Frau sich wie in Trance den kur zen Weg zum Cheap Cross füh ren, das den Ein gang zum Mer maid Inn mar kierte. Als sie den Hof über quert und die Si cher heit ih rer Kam-mer er reicht hat ten, wusch Dick on ihr Ge sicht und Hände und brachte sie dazu, sich zum Aus ru hen aufs Bett zu le gen.

»Bitte ver such zu schla fen, Mut ter. Ich bin drau ßen im Hof, wenn du mich brauchst.«

»Nein, Dick on. Ich bitte dich, lass mich nicht al lein!« Ihr Ton war drän gend, und ihre Au gen for der ten ihn auf zu blei ben. »Es gibt so viel, was ich dir er zäh len muss, und jetzt ist eine gute Zeit da für. Ich kann das Al lein sein nicht er tra gen. Komm und setz dich zu mir, mein Sohn.« Sie klopfte auf das Bett und nahm seine Hand, die von sei ner Ar beit als Stein metz be reits schwie lig war. Sie hielt sie an ihre Wange.

»John von Glouc es ter ist … war mein Sohn.« Sie sah sei nen un-gläu bi gen Blick. »Eh ja, er war dein Bru der. Ge dulde dich, und ich er zähl dir al les.«

Sie riss sich von sei nem ver stör ten Ge sicht los und schaute zum Fens ter. In Ge dan ken noch im mer bei der Szene von Smith fi eld, wusste sie nicht, wo an fan gen, aber ihr war klar, dass sie ihm nach die ser lan gen Zeit die Wahr heit schul dete.

Dick on strei chelte ihr Haar und sah mit Wi der wil len ihre un-

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ge hin dert über die Wan gen fl ie ßen den Trä nen. Wa rum war er so über rascht? Seine Mut ter war, als er drei zehn wurde, plötz lich ge-kom men und hatte ihre An sprü che auf ihn gel tend ge macht, und das kurz nach dem der neue Kö nig Hein rich sei nen Thron be stie-gen hatte. Bis da hin hatte er ge glaubt, sie sei seine Tante. Nie mals hatte sie ihm für all die Jahre, die sie ge trennt von ei nan der ver-bracht hat ten, eine be frie di gende Er klä rung ge ge ben, und er hatte lange ge braucht, sie als seine Mut ter zu lie ben und an zu neh men. Aber jetzt wurde das Rät sel noch un er gründ li cher, er hatte fast Angst, mehr zu er fah ren.

So sa ßen sie da, Mut ter und Sohn, alle beide in Ge dan ken ver-lo ren, als auf ei nem Baum im In nen hof ein Vo gel zu träl lern be-gann.

Der Vo gelge sang weckte et was in ihr. Er sah ihre Au gen sanft wer den und ih re Mund sich zu ei nem Lä cheln wei ten, als sie fl üs-terte: »Hör nur, Dick on! Ich höre eine Schwarz dros sel.«

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Teil I

Con fort et Lies se(An nehm lich keit und Freude)

– Motto von Kö nig Ed ward IV. –

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1Kent, Früh ling 1459

K ate blin zelte zum Him mel hoch. Die Vor stel lungs gabe der Neun jäh ri gen war so ge schwind wie die Schäf chen wol ken,

die über ihr da hintrie ben. Ein Lamm, ein Dra che – und diese große, aber ja, das war ein Riese mit ei ner schreck lich krum men Nase. Sie holte tief Luft und gab sich ge nie ße risch dem Früh som-mer tag hin: der kräf ti gen, war men Erde der Fel der, den sich in der Sonne ent fal ten den Farn we deln und dem schwe ren Duft der Glo cken blu men. Sie schwelgte in dem leuch tend grü nen Gras, das ihr als Pols ter diente, be wegte ihre nack ten Ze hen und spürte, wie die Son nen strah len ih ren jun gen Kör per durch das hand ge spon ne-ne Kleid wärm ten. Im Wald träl lerte eine Schwarz dros sel ihr sü ßes Lied, als wollte sie ihre Ge fühle zum Aus druck brin gen.

»Ja, nur zu, Lady Schwarz dros sel, das ist ein herr li cher Tag«, rief sie in dem Kin der glau ben, der Vo gel werde sie ver ste hen. »Sing nur wei ter!«

Des Wol ken spiels über drüs sig, drehte sie sich auf den Bauch, um die Na tur vor ihr ein ge hen der zu un ter su chen. Eine Ameise be-wegte eine halbe Elle von ih rer Nase ent fernt ein Stück Blatt.

»Ist harte Ar beit, nicht war, Frau Ameise?« Die Ameise nahm keine No tiz von ihr und setzte ihre Ar beit fort. Ein paar Schritte weit weg rückte eine Hum mel ei ner Klee blü te zu Leibe, viel zu be-schäf tigt, um sich um Kate zu küm mern. Als sie ge rade über legte, sich eine Kette aus Gän se blüm chen zu ma chen, hörte sie ih ren Na-men durch den Wald schal len.

»Kate, Kate! Wo bist du, Kate Bywood, du fau les Mäd chen?« Das war ihre Mut ter.

Weil ihr plötz lich be wusst wurde, wie lang sie weg ge blie ben war,

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sprang Kate auf die Füße, schnallte ihre Holz pan ti nen fest und rannte durch die Glo cken blu men zum Bau ern hof zu rück.

Der Bywood-Hof lag ein paar Mei len vom Markt fl ecken Tun-brid ge in Kent ent fernt, nicht weit von der Stelle, wo der Fluss Medway un ter der al ten Twy ford Bridge durch fl oss. Er konnte auf ein paar Ar Acker land, ei nen Obst garten, zwei ge sunde Kühe, eine kleine Schaf herde und et was Ge fl ü gel stolz sein. John und Mar tha Bywood leb ten recht an nehm lich in ih rem stroh ge deck ten Bau ern-haus. Der un tere Raum diente so wohl als Kü che und Wohn stube, und vor Kurzem hatte John ei nen rauen Holz bo den über die ge-stampfte Erde ge legt, auf der man vor her lief. Der fröh li che Raum war stän dig von Kin der krei schen und Ge läch ter durch drun gen, wäh rend Mar tha sau ber machte, spann, Klei der fl ickte oder die täg li che Mahl zeit zu be rei tete. Eine Lei ter an der Ost wand führte auf den Dach bo den da rü ber, wo ein schwe rer Vor hang das große, von John und Mar tha be nutzte Bett vom Stroh sack der drei Kin-der ab trennte.

Als Kate vom Feld zu rück kehrte, zog Mar tha ge rade den Holz-ei mer aus dem Brun nen hoch. »Kate! Wo bist du ge we sen, du un ge zo ge nes Mäd chen? Hast wohl wie der im Gras ge le gen und Tag träu men nach ge han gen, keine Frage, wenn ich mir die Gras fl e-cken auf dei nem Kit tel an sehe. Und deine Haare! Du siehst aus, als hätte man dich rück wärts durchs Ge strüpp ge zo gen!«

Kate ver zog freund li cher weise scham haft das Ge sicht, aber nicht lang. Sie wusste, dass die Er mah nun gen ih rer Mut ter nur halb her-zig wa ren. Das Band der bei den war zu fest, als dass Mar tha län ger als ei nen Au gen blick ver är gert sein könnte.

»Tut mir leid, Mut ter«, mur melte sie, bürs tete sich das Gras aus ih rem Kleid und wischte sich dann mit dem Hand rü cken mehr Dreck auf die Nase als weg.

»Lauf und kämm dir dein Haar, und dann hilfst du mir beim Abend es sen, Toch ter. Heute Abend ha ben wir Gäste, also mach dich zu recht, und zwar fl ink.«

Kate sah sie ver wun dert an. »Wer kommt denn?«

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Gäste wa ren eine Sel ten heit auf dem Hof, so fern man die Feld-ar bei ter aus dem Dorf oder die Hau sie rer nicht mit zählte, die ge-le gent lich auf der Straße vor bei ka men, die zum Hof führte. Ehe Mar tha ant wor ten konnte, dran gen Schreie aus dem Haus.

»Das ist meins, gib es mir!«, schrie eine junge Stimme.»Nein, das ist meins – ich hab es zu erst ge fun den«, kon terte eine

zweite.»Das ge hört mir, ich hab’s dir ge sagt!«, brüllte die erste. Die Ge-

räu sche ei nes Kamp fes wur den von auf ge reg tem Ge bell be glei tet.Kate seufzte. »Lasst nur, Mut ter, ich küm mere mich schon da-

rum.«»Danke, meine Liebe. Und mach sie für die Gäste sau ber. Ri-

chard und seine Lady wer den schon bald hier sein.«Kate rannte ins Haus, um ihre bei den jün ge ren Brü der zu tren-

nen, wäh rend sie über die Worte ih rer Mut ter nach dachte. Ri-chard? Wer könnte das sein?

Nach dem sie Johnny und Geoffrey aus ge schol ten und für Ord-nung ge sorgt hatte, schickte sie die bei den zum Brun nen, um sich die schmut zi gen Ge sich ter und Hände zu wa schen. Sie sah zu, wie sie mit schwe ren Schrit ten zö gernd durch den Raum gin gen, um ihr zu ge hor chen.

Johnny äh nelte sei nem Va ter, der von mitt le rer Sta tur und stäm-mig war, doch der Junge hatte die Au gen sei ner Mut ter und hell-brau nes Haar. Er war kräf tig für sein Al ter und ru hig wie sein Va ter. Des halb ließ sich nur schwer ein schät zen, wie tief er et was emp fand, denn er weinte nie und lachte sel ten. Sei nen Va ter be-wun derte er, und er folgte ihm, so oft es ihm er laubt war, wie ein Hünd chen auf die Fel der und in den Obst gar ten und lernte so be-reits im Al ter von sie ben Jah ren, wie man von der Land wirt schaft lebte.

Kate liebte Johnny, wie sich das für eine Schwes ter ge hörte, aber ihre Be wun de rung galt ih rem jüngs ten Bru der, Geoffrey mit den kas ta ni en brau nen Haa ren. Das Band zwi schen ih nen bei den war schon von frü her Ju gend an of fen kun dig ge we sen, als Geoff Ka tes

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Ar men de nen sei ner Mut ter den Vor zug gab. Er weinte schnell, lä chelte aber noch schnel ler und han delte sich stän dig Är ger ein. Kate hatte keine Ge wis sens bisse, den Fünf jäh ri gen für den Zank ver ant wort lich zu ma chen, den sie be en det hatte.

»Streit ham mel«, mur melte sie vor sich hin, als sie die of fene Treppe in den nied ri gen Dach bo den hi nauf stieg. Sie ließ sich auf den gro ßen Stroh sack plump sen, den sie sich mit ih ren Brü dern teilte, da bei schickte sie Wol ken von Stroh staub in die Luft und scheuchte ei nige Flöhe auf. Geis tes ab we send be ob ach tete sie diese und tö tete ein paar, wäh rend sie sich hübsch machte. Dann stellte sie sich auf Ze hen spit zen und starrte ge las sen in die Spie ge lung, die sie in dem klei nen Stück auf Hoch glanz po lier tem Kup fer sah, das ihr Va ter auf ge hängt hatte. Sie zog eine Gri masse, ohne sich der schlum mern den Schön heit ih res ova len Ge sichts, der aus-drucks star ken Au gen und des kas ta ni en brau nen Haa res be wusst zu sein. Sie sah nichts wei ter als Hun derte von Som mer spros sen, die sich je des Mal ver viel facht zu ha ben schie nen, wenn sie sich an sah.

Bald wäre noch ein Baby da, um das man sich küm mern musste, über legte Kate, als sie ihr Haar kämmte und rasch fl ocht und dann das Gras aus ih rem Kleid bürs tete. Doch sie freute sich da rauf, nun, da sie fast er wach sen war und mit hel fen konnte, es zu ver sor-gen. Sie hoffte auf ein Mäd chen. Eine Schwes ter wäre wun der bar nach dem Hü ten zweier Brü der.

Gleich da rauf war Kate wie der im Wald und pfl ückte Arme vol-ler Glo cken blu men für die Krüge, die ihre Mut ter auf den Tisch ge stellt hatte. Sie kannte sich aus und wusste, dass man die Blu men nicht mit der Wur zel aus der Erde zog, denn dann würde die Pfl an-ze nie mehr blü hen, wie Mar tha ihr er klärt hatte. Als sie wie der ins Haus kam, sprang Fenris, der Hund der Fa mi lie, um sie he rum und warf sie bei nah um. »Sitz, Fenris!«, schalt sie. Das Tier setzte sich un be hol fen, um sich an ei ner Stelle hin ter sei nem Kopf zu krat zen. Durch die Dre hung ver zog sich sein Maul zu ei nem schie fen Grin-sen, und Kate lachte.

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»Wer ist die ser Ri chard?«, er in nerte sie sich schließ lich, ihre Mut ter zu fra gen, die eif rig Kräu ter für eine Fül lung hackte. »Und wa rum kommt er her? Und was be deu tet ›Lady‹?« Wäh rend des sen ver teilte sie die Blu men.

Mar tha wusste, dass sie das Kind für seine Keck heit hätte zu-recht wei sen müs sen. Da sie sich je doch in Kates Neu gier wie der-fand, hatte sie ih rer Toch ter viel leicht zu viel Frei hei ten ein ge-räumt. John schalt Mar tha ge le gent lich für ihre Nach sicht, mit der sie Kate ge wäh ren ließ, aber meis tens konn ten beide El tern nichts Schlech tes in dem kind li chen Be dürf nis ih rer Toch ter er ken nen, Fra gen zu stel len.

Mar tha ließ also Kate ihr un ge hö ri ges Ver hal ten wie der ein mal durch ge hen und ant wor tete: »Er ist mit mir ver wandt, und wir ha ben als Kin der zu sam men ge spielt. Aber er ist reich und lebt nun auf Ightham Mote drü ben bei Ivy Hat ch. Ich dachte, er hätte mich ver ges sen. Aber – weiß der Him mel wa rum – er schickte mir die Nach richt, dass er und Elinor – ›Lady‹ nennt man die Ehe frau ei nes Man nes von Ri chards Rang – auf ih rem Rück weg von der Küste, wo sie et was zu er le di gen hat ten, bei uns vor bei kom men und zu Abend es sen wür den. Ich habe ihn nicht mehr ge se hen, seit ich dei nen Va ter ge hei ra tet habe, und seine Lady kenne ich noch gar nicht.«

»Ist er sehr vor nehm? Soll ich ei nen Knicks ma chen? Ob Lady Elinor wohl viele Ju we len hat?«

»Du darfst nicht so viele Fra gen stel len, Kate! Es ist an der Zeit, dass du er wach sen und vor sich ti ger wirst«, ta delte Mar tha sie, als sie den letz ten Rest der gro ben Brot fül lung in den Hohl raum ei nes der kost ba ren Ka paune schob, die sie zu die sem An lass ge op fert hatte. Doch als sie Kates hän gende Mund win kel sah, ließ sie sich er wei chen. »Nein, er ist nicht vor nehm. Er wird freund lich und lus tig sein«, sagte sie und spießte die Hähn chen auf den Dreh-spieß. »Aber ja, ei nen Knicks musst du ma chen, so wie ich es dir bei ge bracht habe, dass du es vor Va ter Godfrey tust. Und nein, ich glaube nicht, dass Lady Elinor ihre Ju we len tra gen wird, wenn sie

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auf die sen ge fähr li chen Stra ßen rei tet.« Sie schau derte. »Ich bete, dass sie sie zu Hause ge las sen hat.«

Vor ein paar Mo na ten, als Mar tha mit John nach Tun brid ge ge rit ten war, um am Markt tag zu hel fen, wa ren sie am hell lich ten Tag von zwei Die ben über fal len wor den. Sie hat ten sich mit ei-nem Schef fel Äp fel und ein paar Mün zen aus dem Staub ge macht, aber Mar tha grau vor Angst und John rot vor Wut zu rück ge las sen. John reiste nun mehr nur noch mit ei nem kräf ti gen Stock und ei-nem sei ner Feld ar bei ter.

Wäh rend Mar tha die Hähn chen spickte, eine Ka nin chen pas te-te zu be rei tete und die Kin der mit Auf ga ben be schäf tigte, er zählte sie Kate von ih ren kind li chen Hel den ta ten. Sie und Ri chard wa-ren glei chen Al ters und nur ein paar Mei len von ei nan der ent fernt in der Nähe von Bishops bourne auf ge wach sen, an der al ten Rö-mer stra ße von Can ter bury nach Do ver. Ri chards Va ter, Wil li am, hatte nicht nur das dor tige Her ren haus, son dern auch das Mote von Ightham von sei nem Va ter ge erbt. Auf grund ih rer Ver wandt-schaft zu den Hau tes be kam Mar thas Fa mi lie ein Häus chen auf dem Land sitz, und sie und ihre Brü der wur den er mun tert, mit ih-ren hö her ge bo re nen Vet tern zu spie len. Ri chards Brü der zeig ten sich ih rer jun gen Ku sine ge gen ü ber nicht so duld sam, aber Ri chard klet terte mit Mar tha auf Bäume, jagte Eich hörn chen, fi schte im Fluss und re dete mit ihr über die Zu kunft. Ri chard träumte von Rit ter schaft und von Kriegs zü gen in ferne Län der. Mar tha träumte von ih rem Rit ter, ei nem Her ren haus wie Bis hopsbo ur ne und vie-len Kin dern. Ri chard, das hatte sie schon im mer ge wusst, war für eine glän zende Zu kunft vor her be stimmt – viel leicht am Hofe des Kö nigs.

Mar tha hatte dann John ge hei ra tet, ei nen Freund ih res Va ters aus sei ner Dienst zeit beim Kö nig in Frank reich. Als ihr Va ter sie im rei fen Al ter von neun zehn Jah ren un ter der Haube hatte, war das ei nen Seuf zer der Er leich te rung wert. Er hatte schon nicht mehr ge glaubt, dass ir gend ein Mann ihm seine dick köp fi ge Toch ter ab-nahm. Johns Bau ern hof hier an der west li chen Grenze der Graf-

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schaft war sein Ei gen tum, dank des al ten in Kent vor herr schen den Be sitz rechts, ei nem Sys tem, wo nach ein Sohn au to ma tisch Land von sei nem Va ter er ben konnte. Ihre Ver bin dung zu der Fa mi lie Haute ver schaffte ihr eine kleine Mit gift, und diese hatte John in den Hof ge steckt.

Ins ge heim hatte Mar tha den vier zig jäh ri gen John für alt be fun-den, und mit sei nem ge wöhn li chen Aus se hen und dem stäm mi gen Wuchs hatte er nicht viel von dem jun gen Rit ter, den sie sich er-träumt hatte.

John war gut zu ihr, aber oft stellte sie Über le gun gen an, wie an-ders das Le ben hätte ver lau fen kön nen, wäre nur ihr wei ßer Rit ter ge kom men und hätte sie mit ge nom men. Wie im mer nach sol chen Fan ta sien seufzte sie.

»Hört Ihr mir über haupt zu, Mut ter?« Kates Stimme un ter brach sie. »Ich habe Euch jetzt drei Mal ge fragt, wo ich diese Glo cken-blu men hin stel len soll! Ge rade eben schal tet Ihr mich noch we gen mei ner Tag träu me rei«, frot zel te sie. »Wo ran habt Ihr ge dacht, lie-be Mut ter? Sagt es mir.«

Mar tha grinste dümm lich. »Und du stellst schon wie der Fra gen! Wenn ich so hübsch ge we sen wäre wie du, Kate, dann hätte mich viel leicht ein schö ner jun ger Rit ter ent führt«, sagte sie. »Das war der Traum, den ich hegte, als Vet ter Ri chard und ich vor vie len Jah ren un sere Ge heim nisse teil ten. Aber hätte ich dei nen Va ter nicht ge hei ra tet, dann hätte ich die Freude, dich als Toch ter zu ha-ben, nicht ge kannt, oder?«

Ganz ge gen ihre Art er rö tete Kate.»Jetzt hör zu schwat zen auf, und stell die sen Krug hier auf den

Tisch.«

In der Kü che duf tete es so köst lich nach den ge bra te nen Hähn-chen, den Pas te ten und dem Brot, dass es ei nem den Mund wäss rig machte, schon ka men die Bu ben an ge lau fen, um sich eine Kost-probe zu er bit ten. Mar tha gab ei nen Klaps auf Johnnys Hand, als die ser sei nen Fin ger in die auf dem Tisch ste hende Schüs sel mit

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Creme steckte. Er er hob Pro test ge heul und zog sich dann an den Ein gang zu rück, um auf die Gäste zu war ten. Kate kämmte ge rade Geoffreys wi der spens tige Haare, als Fenris sei nen Kopf hob, auf die Seite legte und ein war nen des Knur ren von sich gab.

»Sie sind da, sie sind da!«, krähte Geoffrey und sprang auf der Schwelle auf und ab. »Sieh nur, Johnny, sie kom men.« Auf ge regt packte er sei nen Bru der.

Johnny rief sei nen El tern zu: »Mama, Va ter, sie sind da!«»Da wäre ich nie da rauf ge kom men«, spot tete Mar tha au gen-

zwin kernd und machte ei nen Satz, als Fenris mit lau tem Ge bell los stürzte.

John kam von der Schlaf kam mer he run ter und ging zur Ein-gangs tür. Kate blieb der Mund of fen, als sie ih ren Va ter in sei nem dun kel grü nen Waf fen rock sah, der am Saum mit Ka nin chen fell ver brämt war. Die um die Schul tern dra pierte Ka puze in ei nem hel le ren Grün hatte er vom Kopf ge streift, um sein or dent lich ge-kämm tes, aber sich lich ten des Haar zu zei gen. Wie gut er doch aus sah, über legte sie. Mar tha wischte sich ihre Hände an ei nem Tuch ab, zog den klei nen ir de nen Topf mit dem Ge müse aus der hei ßen Glut und ge sellte sich an der Tür zu ih nen. Mit ei ner für sie ty pi schen Hand be we gung strich sie ihre Haube glatt und schob eine ver irrte Haar strähne un ter das raue Lei nen zu rück. Kate rann-te ans Fens ter, um die An kunft zu be ob ach ten.

»Und, meine Jungs, wie se hen sie nun aus?«, fragte John seine Söhne, in dem er den Jün ge ren an der Hand nahm und auf die klei-ne Gruppe hoch zu Ross zu ging, die den Weg ent langkam.

»Vor nehm«, sagte Johnny und starrte auf den präch ti gen Um-hang und den ho hen Hut des Vor aus rei ten den.

»Seid ge grüßt, John, Ihr wer det uns si cher lich er war ten«, rief Ri chard Haute.

»Euch er war ten?«, er wi derte John, griff nach Elinors Zü gel und half ihr beim Ab sit zen, »Mar tha hat ein Ban kett für eine Ar mee vor be rei tet!«

Die Hau tes, ihr Haus mäd chen und Ri chards Stall knecht stie gen

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