Antifa Basics 2008

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Seit zweieinhalb Jahren gibt es den AntiFa-AK von solid.org. Unsere Arbeitsschwerpunktesind die inhaltliche Auseinandersetzung mit Faschismus und antifaschistische Praxis (Beteiligung an Demos, „Rock gegen Rechts" Konzerte, Aktionen, Vorträge usw.).

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Seit zweieinhalb Jahren gibt es den AntiFa-AK von solid.org. Unsere Ar-beitsschwerpunkte sind die inhaltliche Auseinandersetzung mit Faschis-mus und antifaschistische Praxis (Beteiligung an Demos, „Rock gegen Rechts“ Konzerte, Aktionen, Vorträge usw.). Gleichzeitig bleiben und wollen wir aber nicht dabei stehen bleiben, da erfolgreiche AntiFa-Arbeit für uns immer auch antikapitalistisch, internationalistisch und antipa-triarchal sein muss. Aus allgemeiner Kritik und Unzufriedenheit mit der zumeist bestehenden AntiFa-Praxis ist in Diskussionen der unten stehende Text entstanden. Dieser Text spiegelt unseren momentanen Diskussionsstand wider und ist als Anregung für weitere Diskussionen und Praxis auch außerhalb unserer Gruppe gedacht.

Dieser Text beschäftigt sich bei der Beschreibung, was Faschismus ist, vor allen Dingen mit der Ausprägung von Faschismus als Bewegung, mit dem wir es aktuell zu tun haben. Dabei gehen wir aber auch auf Ideo-logie und Formen der Herrschaft von Faschismus ein. Dies ist unserer Meinung nach notwendig, um Faschismus als Bewegung zu verstehen und erfolgreich antifaschistisch denken und handeln zu können.

Bremen, Mai 2007

:: Intro ::

:: Wo lebst du eigentlich? ::Die kapitalistische Gesellschaft, in der wir leben, ist notwendiger-weise von Krisen und ständigen sozialen Auseinandersetzungen geprägt. Diese entstehen durch

den permanenten Wettbewerb aller gegen alle, der immer wieder aufs Neue gesellschaftliche Gewin-nerInnen und vor allem VerliererIn-nen produziert.

Dies führt auf der Seite der Lohn-abhängigen und Erwerbslosen zu Verelendungsprozessen. Hierbei ist andererseits das Kleinbürger-tum, oder auch Mittelstand ge-nannt, die Schicht, die in diesen Auseinandersetzungen am stärks-ten von einem sozialen Abstieg bedroht ist. So wirkt sich jede wirt-schaftliche Krise im Kapitalismus besonders deklassierend auf den Mittelstand aus und führt so nicht selten bei diesen Leuten zu einer Empörung gegenüber ihrer politi-schen Führungsriege. Diese Form von enttäuschtem Nationalismus ist häufig die Ursache für eine radi-kalere faschistische Denkrichtung.

:: Was denkst du eigentlich? ::Jenseits ihrer wirklichen gesell-schaftlichen Stellung zueinander, gibt es in allen Schichten und Klassen weitere Vorstellungen von ihrem Verhältnis zur restlichen Gesellschaft. Die Gesamtheit dieser Vorstellungen bezeichnen wir als Ideologie bzw. falsches Bewusstsein. Ein Beispiel von falschem Bewusstsein ist die Vor-

{Eine Anmerkung noch zu dieser Broschüre: Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir darauf verzichtet eine Reihe von Begriffen im laufenden Text zu erklären bzw. zu beschreiben. Diese findet ihr am Rand.

Kapitalismus?Als Kapitalismus wird eine Wirt-schaftsordnung verstanden, die sich durch Privateigentum an Produk-tionsmitteln sowie Produktion für einen den Preis bestimmenden Markt auszeichnet. Der Kapitalismus ist die der jetzigen Gesellschaft innewohnen-de Wirtschaftsform. In ihr besitzen einige wenige, die Kapitalisten_in-nen, die Produktionsmittel (Fabriken, Firmen, etc.) während die Mehrheit der Menschen gezwungen ist, für Lohn zu arbeiten. Da Geld das einzig legale und verordnete Mittel ist, um sich in dieser Gesellschaft Dinge anzueignen, sind die meisten Men-schen gezwungen an dieses „knappe Gut“ heranzukommen. Dass es dabei zu Konkurrenz, Abgrenzungen und verschiedensten Herrschaftsformen kommt, ist eine logische Notwendig-keit.

Für weitere Infos empfehlen wir:Michael Heinrich: Kritik der politi-schen Ökonomie. Eine Einführung.Karl Marx: Das Kapital, in: MEW 23- 25.

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des Staates.

:: Faschismus in der Bewegung ::Der Faschismus in der Bewegung ist der Versuch, aus den Mittel-schichten auf die im Kapitalismus immer wiederkehrenden ökonomi-schen und politischen Krisen in einer stabilisierenden Weise zu re-agieren. Mit seinem (national-)so-zialrevolutionären und reaktionär antikapitalistischen Getöne gelingt es dem Bewegungsfaschismus auch weitere Schichten anzuspre-chen. Beispielhaft dafür sind die Kampagnen gegen Hartz IV, die Globalisierungsgegnerschaft und die „ Umweltschutz ist Heimat-schutz“ -Aktionen der aktuellen faschistischen Bewegungen. Hier befindet sich der Faschismus als Bewegung teilweise in einem Wi-derspruch zu Staat und Kapital. Der Faschismus ist also auch ein Konflikt innerhalb der herrschen-den Klasse, bzw. Ausdruck der Verarmung und Deklassierung von Teilen derselben.

:: Faschismus an der Macht ::Da der Faschismus in der Be-wegung alleine nie stark genug wäre, um die politische Macht zu erlangen, ist er gezwungen Ko-alitionen mit anderen Schichten einzugehen. Das Kapital z.B. hat seinerseits besonders in offenen Krisensituationen erfolgreich auf Bündnisse mit dem Faschismus gesetzt; - aber auch Teile der ArbeiterInnen, Angestellten und Erwerbslosen waren und sind für den Faschismus ansprechbar.

Diese „Koalitionsgesuche“ des Fa-schismus können aber nur Erfolg bei einer gleichzeitigen sozialen und politischen Krise der beste-henden Verhältnisse haben. Diese Krise, in Form von Verar-mung und Verelendung großer Teile der Gesellschaft, sowie ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust staatlicher und wirtschaftlicher Apparate, führt zu Polarisierungen und Radikalisierung (nicht nur im Bewußtsein) vieler Menschen.

Die Schwäche der radikalen Linken führt deshalb zu einer objektiven Stärkung des Faschismus in zwei-erlei Hinsicht. Zum einen ist eine radikale Linke gesellschaftlich kaum präsent, so daß z.B. Protest-bewegungen leichter von Rechts „übernommen“ werden können, zum anderen bietet die radikale Linke die einzig sinnvolle Kritik sowohl des Faschismus, wie auch der herrschenden Verhältnisse.

:: Demokratie gegen Nazis? ::(Bürgerlich-parlamentarische) De-mokratie ist die effektivste Form von Herrschaft in dieser Gesell-schaft, da in diesen Demokratien durch die Legitimation der Herr-schenden durch die Beherrschten, zum Beispiel durch Wahlen, ihnen ein hohes Maß an Freiheit und Be-teiligung vermittelt wird. (Bürger-lich-parlamentarische) Demokratie ist also die Freiheit, der eigenen Unfreiheit und Ausbeutung zuzu-stimmen.

stellung „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Dies ist zwar offenkun-diger Blödsinn, erfüllt aber für die herrschende Klasse einen gewis-sen Nutzen.

Aufgrund der oben erwähnten speziellen Lage des Mittelstan-des entwickelte sich aus ihm die faschistische Ideologie als ver-kehrtes falsches Bewusstsein. Verkehrt deswegen, weil diese Ide-ologie nicht nur objektiv Quatsch ist, sondern ihm auch praktisch nicht nützt. Dabei knüpft die fa-schistische Ideologie an Teile der bereits bestehenden autoritären Ideologien an. Beispiele hierfür sind Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, Militarismus und Sexismus. Diese werden in der faschistischen Ideologie aber nicht einfach nur zusammengefasst, sondern zum Selbstzweck erwei-tert. Ein „friedlicher“ gar pazifisti-

scher Faschismus wäre also ein Widerspruch in sich selber. Der Faschismus ist ein Programm des ständigen Krieges nach innen und außen, eine reale Verwirklichung der „verkehrten“ Ziele des Mittel-standes ist durch den Faschismus somit nicht möglich.

Der Faschismus ist in seinem Kern eine „bewahrende“ konser-vative Ideologie. Dabei geht es nicht um die Rückkehr zu einem realen Punkt in der Vergangenheit, sondern um die Verherrlichung eines nie da gewesenen „Idealzu-standes“. Diese Ideologie stellt nicht bloß eine falsche Vorstellung der herrschenden Verhältnisse dar, sondern dient vor allem dem Zweck der Ausgrenzung bestimm-ter Menschen, die an diesem konstruierten Idealbild scheitern sollen. Gleichzeitig soll eine ande-re Gruppe von Menschen aufgrund ihrer idealisierten Merkmale vereinnahmt und in diese rassisti-sche Weltvorstellung eingespannt werden.

Deswegen steht der Faschismus, obwohl er zum Teil in der Opposi-tion zum Staat zu stehen scheint, nie im realen Widerspruch zur kapitalistischen Gesellschaft. Der „Antikapitalismus von Rechts“ ist deshalb bestenfalls Selbstbetrug.Es geht dessen Vordenkern gar nicht um die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft, son-dern nur um die Indienstnahme der gesamten Bevölkerung für die gewalttätigen Zwecke und Ziele

Patriarchat?Mit Patriarchat meinen wir die Herrschaft der gesellschaftlich als „Männer“ definierten Menschen über „Frauen“ in allen Bereichen des Lebens. (Dies schließt besondere Formen der Unterdrückung z. B. gegenüber „Schwulen“, „Lesben“, „Transgender“, etc. ein.) Diese Form der Herrschaft ist dabei historisch und in Zukunft nicht auf den Kapitalis-mus begrenzt.

Für weitere Infos empfehlen wir: Judith Butler: Das Unbehagen der GeschlechterPierre Bourdieu: Die männliche Herr-schaft

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Unser Kernargument gegen den Faschismus kann also nicht sein, dass er nicht „demokratisch“ sei. Denn das ist weder für noch gegen Nazis ein Argument. Rassismus, Nationalismus, Sexismus, Milita-rismus, Antisemitismus und die Vorstellung vom autoritären Sicher-heitsstaat usw. sind Bestandteile der bürgerlichen Gesellschaft. Faschismus greift diese Bestand-teile auf und verschärft sie; - er ist also auch ein Ausdruck unserer gesellschaftlichen Ordnung.

(Bürgerlich-parlamentarische) De-mokratie als Teil der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse ist daher denkbar ungeeignet, den Faschismus zu bekämpfen. Den-noch ist sie als deutlich kleineres übel gegen den Faschismus zu verteidigen.

:: Alerta Antifascista! ::Antifaschistische Praxis darf also, will sie erfolgreich sein, niemals jenseits von radikaler Linke, das heißt nicht jenseits von antika-pitalistischer, antipatriarchaler, antiautoritärer Theorie und Praxis stattfinden. Für die antifaschisti-sche Politik gelten also dieselben grundsätzlichen strategischen Anforderungen wie an alle anderen Felder linksradikaler Theorie und Praxis.

:: Allein machen sie dich ein ::Erfolgreiche antifaschistische Politik setzt Organisierung voraus. Spontane Aktionen mögen im Einzelfall den Eindruck von Erfolg

vermitteln, ihre Wirkung ist aber meistens nur kurzfristig. Um mit-telfristige und langfristige Erfolge zu erzielen, ist eine kontinuierliche politische Arbeit notwendig. Diese ist nur aus einem verbindlichen organisatorischen Rahmen heraus möglich.

Wir lehnen Herrschaft, Unterdrü-ckung und Ausbeutung grundsätz-lich ab. Daraus leiten wir, da wir unser Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft nicht mit den Mitteln der Herrschaft erfolgreich erkämp-fen können, Anforderungen an unsere Organisierung ab.

Antisemitismus?Antisemitismus ist die u. a. ras-sistisch motivierte Ablehnung und Bekämpfung der von den AntisemitIn-nen als „jüdisch“ definierten Men-schen. Er ist dabei nicht mit dem v. a. vor-kapitalistischen „Antijudaismus“ zu verwechseln. Eine der aktuellen Formen des Antisemitismus ist z. B. ein bestimmter „Antizionismus“, bei dem der Antisemitismus als Vernich-tungsdrohung gegen den Staat Israel auftritt. Einige Theoretiker gehen von einer notwendigen Verbindung des Antisemitismus mit dem Kapitalismus als „strukturellen Antisemitismus“ aus.

Für weitere Infos empfehlen wir: Moishe Postone: Deutschland, die Linke und der Holocaust. Hannes Heer: Hitler war’s. Die Befrei-ung der Deutschen von ihrer Vergan-genheit

Hierarchien, egal welcher Art, haben deshalb bei uns nichts zu suchen. Dies beinhaltet sowohl offene Hierarchien, wie sie in Ka-derorganisationen zu finden sind, als auch verdeckte. Beispielhaft für diese sind Gruppen, die von ihrem Anspruch her hierarchie-frei sind, die formell auch keine SprecherInnen oder AnführerInnen haben, sich in Wirklichkeit aber durch ein hohes Maß an informel-len Hierarchien und (männlichem) Mackertum auszeichnen. Dabei ist die hierarchiefreie Organisierung ein Anspruch an uns selbst, dem wir versuchen, weitestgehend zu genügen.

Konkrete Ansätze für uns zur Verwirklichung dieses Anspruches sind die kontinuierliche Weiter-bildung aller, zum Abbau von Wissenshierarchien. Dabei stellt die Theoriearbeit für uns nicht Selbstzweck dar, sondern befindet sich in Wechselwirkung mit Praxis und Gesellschaft. Praxis ist somit für uns nicht spontaner, nach dem Lustprinzip ausgerichteter Aktio-nismus, sondern (bestenfalls) das Ergebnis gemeinsamer Strategie-debatten. Diese werden mit einer größtmöglichen Offenheit gegen-über „Neuen“ geführt. Wichtig ist uns hierbei, dass diese Praxis nicht nur einen kleinen elitären Kreis einbindet, sondern gesell-schaftliche Breite und so erst Relevanz in dieser erreicht.

Aber gesellschaftliche Breite ist für uns kein Selbstzweck, sondern

notwendige Voraussetzung zur Erkämpfung unserer Ziele. Deswe-gen verzichten wir bei dieser dafür notwendigen Form von Bündnisar-beit aber bewusst nicht auf unsere politischen Grundsätze.

:: Die Aktionsform bestimmt das Bewusstsein ::

Der Erfolg einer Aktion misst sich für uns nicht nur am Erreichen ih-res konkreten Zieles. Mindestens genauso wichtig ist es uns durch diese nachhaltig ein kritisches Bewusstsein zu schaffen.

Über vielfältige, möglichst breite Formen der Einbindung und Betei-ligung möglichst vieler Menschen ist dies am ehesten möglich. So bietet die Aktionsform der Mas-senblockade nicht nur die Möglich-keit einen Naziaufmarsch zu stop-pen sondern den Teilnehmenden, unabhängig von ihrem Bewusst-seinsstand, im kollektiven, selbst-organisierten Widerstand auch die direkte Erfahrung so gemeinsam erfolgreich die eigenen Interessen gegenüber den herrschenden Ver-hältnissen durchzusetzen.

So besteht die Möglichkeit, aus dem eigenen Teilbereich Antifa-schismus heraus, die Verbindung zum Kampf ums „Ganze“, die Abschaffung der herrschenden Verhältnisse, zu ziehen.

{Kontakt, Kritik, aktiv werden?mail: [email protected]

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