Antifaschismus - Der geistige Bürgerkrieg

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    Prof. Dr. Hans-Helmuth Kntterrof. Dr. Hans-Helmuth Kntter

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    Prof. Dr. Hans-Helmuth Kntter

    AntifaschismusDer geistige Brgerkrieg

    Vorwort von Heinrich Lummer

    Innensenator und Brgermeister a.D.

    Herausgeber:DIE DEUTSCHEN KONSERVATIVEN e.V.Sonderausgabe des DEUTSCHLAND-Magazin

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    1. Auflage Mrz 2010

    2. Auflage Mai 2010

    Alle Rechte bei:DIE DEUTSCHEN KONSERVATIVEN e.V.

    Sonderausgabe des DEUTSCHLAND-MagazinBeethovenstrae 60 22083 Hamburg

    Telefon 040 / 299 44 01 Telefax 040 / 299 44 60www.konservative.de [email protected]

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    Druck:SZ-Druck, St. Augustin

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    Inhaltsverzeichnis

    Seite

    Der Autor 5

    Vorwort von Heinrich Lummer 7

    Einleitende Bemerkung zur 2. Auflage 9

    1. Warum ist der Antifaschismus gefhrlich? 11

    2. Geschftemacherei mit dem Antifaschismus 16

    3 Die Ursprnge 25

    4. Verfall der Ideologien 31

    5. Psychologie des Antifaschismus und der Antifaschisten 34

    6. Die auenpolitische Funktion des Antifaschismus,seine innenpolitische Wirkung 37

    7. Was wollen wir? 53

    8. Was haben wir zu erwarten, zu frchten, zu hoffen? 56

    9. Zusammenfassung fr den eiligen Leser 59

    10. Literaturbersicht 61

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    Der Autor

    Prof. Dr. Hans-Helmuth Kntter

    Hans-Helmuth Kntter wurde 1934 in Stralsund geboren.Studium der Geschichte und Soziologie an der Freien Universitt Ber-lin.Professor fr Politikwissenschaft an der Universitt Bonn, seit 1996im aktiven Ruhestand.

    Arbeitsgebiete: Zeitgeschichte, Extremismus, insbesondere Links-extremismus und Antifaschismus. Deutschfeindlichkeit. PolitischeIdeen.Zeitweilige Gutachter- und Lehrttigkeit fr staatliche Sicherheits-behrden.

    Ausgesuchte Verffentlichungen:

    Ideologien des Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland,1962 Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik, 1971 Deutschfeindlichkeit. Gestern, heute und morgen?, 1991 Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind,

    2000 Handbuch des Linksextremismus - die unterschtzte Gefahr, 2002,

    mit Stefan Winckler Was der Verfassungsschutz verschweigt Bausteine fr einen alter-

    nativen Verfassungsschutz-Bericht, 2007, mit Josef Schlburner

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    Vorwort

    von Heinrich Lummer,

    Ehrenprsident derDeutschen Konservativen e.V.

    Es geht alles vorber, es geht alles vorbei. Andiesen uralten Schlagertext sollte man sichmanchmal auch bei der Bewertung aktueller po-

    litischer Fragen erinnern. Wie in allen Lebensbereichen, so verndernsich auch in der Politik Strukturen, Werte und Konventionen stndig.Wir leben in einer Zeit rasanter Wandlungen und hufiger Wenden.Das erschwert den Staatsbrgern die Orientierung. Mit aller Be-scheidenheit hinsichtlich der Mglichkeiten und Wirkungen wollenwir hier einen Orientierungsversuch unternehmen.

    Nichts wird bleiben, wie es ist, auch der hier betrachtete Anti-

    faschismus nicht. Ist er wirklich wichtig, einer kritisch-distanziertenAnalyse wrdig? O ja, gerade wegen der wirren, von Umbrchenstaatlicher und moralischer Art arg strapazierten deutschen Geschichteund wegen des geschdigten Selbstbewutseins der Deutschen. Indieser Broschre werden die moralischen Ansprche des Anti-faschismus genauso beschrieben wie sein Mibrauch zur politischenund finanziellen Geschftemacherei.

    Auch die Frage, wie auf diese Zumutungen abwehrend zu reagierensei, wird behandelt. Hier wird noch einmal die Doppelfunktiondes Antifaschismus in Erinnerung gerufen: Er hat einerseits einemoralische Komponente, die vor allem von unpolitischen Brgern,Linksliberalen und kirchlichen Kreisen vertreten wird. IrgendwelcheGesellschaftsvernderungen erstreben sie nicht. Ihnen geht es vorallem um Moral in der Politik.

    Die andere, politisch gefhrliche Richtung wird von Linken vertreten:Der Faschismus gilt ihnen als ein Ergebnis des Kapitalismus. Nurein konsequenter Antikapitalismus, also eine sozialistische Zwangs-

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    ordnung, kann die angebliche faschistische Gefahr bannen. Infolgedes untrennbaren Zusammenwirkens der beiden Arten des Anti-faschismus werden liberale und kirchliche Kreise in ein Bndnis mitder antikapitalistischen Linken eingespannt, das sie nie eingehen

    wrden, wenn es nicht die moralische Rechtfertigung (Nie wiederFaschismus und Krieg!) gbe.

    Warum gilt der Antifaschismus als gefhrlich? Feindvorstellungen inder Politik haben schlimme Folgen. Sie liefern den Vorwand fr einenkalten Brgerkrieg. Sie verschaffen den Verfolgern eine moralischeTarnung gegen eine eingebildete Gefahr. Von der einflulosen undvon der Macht weit entfernten Rechten in der Bundesrepublik geht

    keine Gefahr aus.Sie wird hochgespielt, um durch Unterdrckung, Meinungsmanipula-tion, Justizmibrauch, soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung dieBevlkerung zum gewnschten Verhalten zu bringen. Feindvorstel-lungen bewahren vor keiner Gefahr, sie sind die Gefahr. Das lehrt diedeutsche Geschichte und davor soll auch diese Broschre warnen.

    Durch den Bundeshaushalt 2010 ist diese Bedeutung noch einmal

    unterstrichen worden. Die neue Familienministerin Kristina Khler(CDU), die fr den Kampf gegen Rechts zustndig ist, wollte dieentsprechenden Mittel krzen, bzw. einen Teil davon fr dieBekmpfung des Linksextremismus oder des ebenso gefhrlichenIslamismus einsetzen.

    Doch sofort gab es einen Aufschrei der Linken, und Kristina Khlerknickte ein. Auch weiterhin werden daher unglaubliche 24 Millionen

    Euro fr den Kampf gegen Rechts ausgegeben. Fr Islamismus undLinksterror werden lediglich zwei zustzliche Millionen locker-gemacht, ein Alibibetrag.

    Der Kampf gegen Rechts geht also immer weiter.

    Berlin, im Mrz 2010

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    Einleitende Bemerkung zur 2. Auflage

    Antifaschismus Linksextremismus ja, gibt es denn so etwas heute

    berhaupt noch? So dumm knnen manche unserer Zeitgenossen garnicht selten fragen. Die systematische Bagatellisierung linker Krimi-nalitt (am letzten 1. Mai sind die Gewalttaten im Vergleich zumVorjahr zurckgegangen) und die sprachliche Verharmlosung links-extremer Gruppen (Linksautonome statt Linksextremisten) ver-nebeln unpolitische Gehirne und richten den Blick ausschlielich aufden Kampf gegen Rechts. Der Ausdruck Linksfaschisten suggeriert,Gewalt sei ausschlielich eine Sache der Rechten.

    Umso erfreulicher, dass die hier vorliegende Broschre bereits nachwenigen Monaten eine Neuauflage erlebt. Es gibt also nach wie vorzahlreiche Staatsbrger, die sich nicht verdummen lassen und offenfr die Korrektur des einseitigen Kampfes gegen Rechts eintreten.Gerade in den letzten Monaten konnte ein bemerkenswerter Wandelin Bezug auf die Einschtzung des Antifaschismus und Linksextremis-mus beobachtet werden.

    Linksextreme Gewalt wurde zu lange verharmlost, erklrte die neueBundesministerin Kristina Schrder. Es scheint auch so, dass sie nichtnur redet, sondern auch handeln will. Sie mchte einen allerdings sehrbescheidenen Betrag von fnf Millionen Euro zum Kampf gegen dieextreme Linke locker machen. Sie tritt auch fr die Bildung einesgesellschaftlichen Konsenses gegen den Linksextremismus ein. (Inter-view in der FAZ vom 30. 4. 2010). Na, warten wir mal ab, was ausden guten Absichten wird, wenn die Linksextremisten, sekundiert

    von ihren medialen fellow travellers, Protest schreien. Auch derVerfassungsschutz des rot-roten Berliner Senats hat sich gegen denLinksextremismus warnend ausgesprochen und eine ganz ausge-zeichnete empfehlenswerte Broschre verffentlicht: Linke Gewaltin Berlin 2003 2008, herausgegeben von der Senatsverwaltung frInneres und Sport, Nov. 2009, 84 Seiten. Ergnzt wird diese Broschredurch eine 24 Seiten umfassende illustrierte und mit erschtterndenStatistiken linker Gewalt versehene Dokumentation. Ein leitenderBerliner Senatsbeamter verkndet dort klangvoll: Wir brauchendringend einen gesellschaftlichen Konsens, der linke Gewalt genau

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    so deutlich chtet wie rechte Gewalt (Dies) ist nur mglich, wennsich alle demokratischen Parteien und Reprsentanten anderer fr dasdemokratische Gemeinwesen bedeutsamer Organisationen sowiePersnlichkeiten des ffentlichen Lebens eindeutig von linker Gewalt

    distanzieren Diese Botschaft richte ich bewusst auch an Teilederjenigen, die zur demokratischen Linken gehren. Auch sie tragenVerantwortung fr die chtung linker Gewalt. (StaatssekretrThomas Hrtel).

    Es gilt jetzt, diesen Absichten Taten folgen zu lassen. Nach allenbisherigen Erfahrungen mit den etablierten politischen Richtungen,die 20 Jahre (oder mehr) gebraucht haben, um wenigstens verbal zu

    den zitierten Einsichten zu kommen, ist grte Skepsis angebracht.Gerade deshalb sind solche Broschren wie diese ntig. Sie sind nurein Tropfen, aber immerhin. Das weiche Wasser bricht den hartenStein, sagte Bertolt Brecht einst. Er sagte allerdings nicht, dass dasweiche Wasser dazu 10 000 Jahre braucht. Soviel Zeit haben wir nicht.Wir mssenjetzt die harten Bretter der Borniertheit bohren, die allzuviele Zeitgenossen vor dem Wirrkopf tragen. Deshalb gilt: Einseitig-keiten, wie den Kampf gegen Rechts ausgleichen! Nichts gefallen

    lassen! Aufklren! Nicht nachlassen, auch wenn nur wenige erreichtwerden.

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    1. Warum ist der Antifaschismus gefhrlich?

    1990, kurz nach der deutschen Vereinigung, traf ich in Hannover einen

    bekannten CDU-Politiker auf einer Tagung, wo ich ber den Wandelvon der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur anti-faschistisch-volksdemokratischen Grundordnung sprach. Er sagt zumir: Ich wei gar nicht, was Sie wollen. Sozialismus und Anti-faschismus sind doch so tot, toter geht es gar nicht.

    Der Herr hat sich, wie das in der CDU fter vorkommt, krftig geirrt.Jetzt wird so getan, als gbe es nur eine rechte Gefahr. Und viele Dum-me fallen darauf herein. Da sind ein paar Beispiele angebracht: Autosabfackeln in Berlin, 1.-Mai-Krawalle in Berlin, Hamburg, verletztePolizisten. Warum bleiben die loyal?

    Wenn linker Terror toleriert und verharmlost wird, rechter aber verfolgtwird, wenns noch gar keiner ist, dann erfolgt eine Linksentwicklung,hin zur antifaschistisch-volksdemokratischen Ordnung.

    In diesem ersten Abschnitt wollen wir prfen, ob die Aussage derKritiker des Antifaschismus, er sei gefhrlich, zutrifft. Was heit dennGefahr? Und fr wen und was?Die bewegte deutsche Geschichte ist reich an sozialen, politischenund weltanschaulich-religisen Unruhen. Unter den Deutschenentstand eine Mentalitt, sich stets vor irgendeinem Untergang zungstigen, den sprichwrtlichen Untergang des Abendlandes zuerwarten. Meistens lebt der Untergangskandidat ganz komfortabelweiter. Oft handelt es sich beim Untergang um einen ganz normalen

    Wandel, wie er immer und berall stattfindet. Zu den Gegenstzen,die in Deutschland das Zusammengehrigkeitsgefhl belasteten undinnere Spannungen hervorriefen, gehren:

    Stammesgegenstze die Stmme waren vor dem politischenZusammenschlu zu einem Gesamtstaat vorhanden;

    Konfessionsgegenstze;

    soziale Gegenstze, nmlich Stadt gegen Land, Arm gegen Reich,

    Brgertum gegen Adel, Proletariat gegen Brgertum (im 19. und20. Jahrhundert);

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    Demokratie gegen Absolutismus (im 19. Jahrhundert, eine Folgeder Franzsischen Revolution);

    politisch-ideologische Gegenstze zwischen den weltanschaulich

    gebundenen Parteien im 19. und 20. Jahrhundert; Verschrfung dieser Parteienspaltung im 20. Jahrhundert.

    Sicher hat es nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo dieseund hnliche Gegenstze insbesondere in der Neuzeit gegeben. Wirbrauchen an dieser Stelle nicht die in der Geschichtsdeutung beliebteFrage zu wiederholen, ob es in Deutschland Sonderwege gegeben unddie oben zusammengestellten Spannungen sich hier besonders

    ausgewirkt haben. Was den Antifaschismus angeht, so spielt er gewiin Deutschland wegen der Bewltigung der NS-Vergangenheit einebesondere Rolle, die ihn und seine Wirkungen von anderen Lndernunterscheidet.

    Die negativen Auswirkungen des Antifaschismus sollen hier fr diefrhe Geschichte der Bundesrepublik an einem Beispiel erlutertwerden. Es handelt sich um den gescheiterten Versuch eines VVN-Verbotes im Jahre 1962. Der Versuch endete mit einer schwerenBlamage der Adenauer-Regierung und einer Niederlage des Rechts-staates.

    Am 23. Oktober 1959 hatte die Bundesregierung beim Bundesver-waltungsgericht den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrig-keit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes eingereicht.Am 17. August 1956 war die KPD verboten worden, die Durchsetzungder VVN mit (frheren) KPD-Mitgliedern war genauso offenkundig

    wie die Fortsetzung der KPD-Politik und Agitation durch diese Ver-einigung. Die Bundeslnder Hamburg und Rheinland-Pfalz hatten dieVVN bereits verboten. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungs-gericht endete blamabel fr die Bundesregierung. Bereits am zweitenVerhandlungstag im Dezember 1962 beschlo das Gericht, dasVerfahren nicht fortzusetzen. Mit der Begrndung, es gehe darum, imDritten Reich begangenes Unrecht zu shnen, verlangte das Gerichtvon der Bundesregierung die Abwgung, ob gegen eine Organisationvon Verfolgten ein Verbot mit der Konsequenz von Strafsanktionenerlassen werden drfe. Damit wurde die Ttigkeit von Verfassungs-

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    feinden bagatellisiert, wenn deren Tun antifaschistisch aufgeputzt war.Was tatschlich hinter diesem Verhalten steckte wurde bekannt, abernicht offiziell zugegeben: Der Prsident des Gerichts, Prof. FritzWerner, der die Verhandlung leitete, war wegen seiner NS-Vergangen-

    heit kommunistischen Angriffen ausgesetzt. Der VVN-Sekretr vonNiedersachsen, August Baumgarte, ebenfalls frheres KPD-Mitglied,hatte verbreitet, Werner habe seit 1933 der SA angehrt. Neben Zitatenaus der Dissertation Werners bte er Druck mit der Drohung aus,weitere Beschuldigungen gegen andere Bundesrichter zu verbreiten.

    Der Abbruch des Prozesses wurden sowohl von der Bundesregierungwie von der ffentlichkeit ohne groe Erregung hingenommen be-

    zeichnend fr den Wandel des politischen Klimas seit dem KPD-Ver-bot 1956. Seither war der Antifaschismus eine wirkungsvolle Waffeim politischen Tageskampf geworden. Es zeigte sich, da Politik undJustiz in Westdeutschland mit Antifa-Propaganda manipulierbarwaren. Wer erprebar ist, wird erpret. Das geschah auf nationalerwie internationaler Ebene bis zum Ende des Realsozialismus1989/91 zunehmend.

    Die vom Antifaschismus ausgehende Gefahr liegt in seiner Pseudo-moral. Er diente der westdeutschen Linken (Teile der SPD und desDGB eingeschlossen) als Vorwand fr die kritische Distanz zur west-lichen Wirtschafts- und Sozialordnung. Es erfolgte eine Annherungan das realsozialistische System des Ostblocks. Dessen Unzulng-lichkeiten, ja, Verbrechen, wurden antifaschistisch bagatellisiert. Daswestliche System, die Bundesrepublik, sei faschistisch oder wenig-stens faschistoid (darunter konnte man sich alles und jedes vor-

    stellen) oder post- oder prfaschistisch. Jedenfalls sei der Realsozialis-mus moralisch besser, da antifaschistisch und damit humanitr. Aufdiese Weise wurde jedes Verbrechen Menschenraub, Mauermord,Gulag, Menschenhandel (Hftlingsfreikauf) moralisch bertncht.Der Antifaschismus erwies sich als ntzliches Totschlagsinstrument,weil Kritiker der Linken als Faschisten diffamiert und damit mund-tot gemacht werden konnten.

    Die westlichen Demokraten trifft insofern eine erhebliche Mitschuld,als sie mit Rcksicht auf das deutschlandkritische Ausland ebenfallsantifaschistische Bekenntnisse ablegen zu mssen meinten. Auf diese

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    Weise lhmten sie sich selbst bei der Bekmpfung der kommunisti-schen Instrumentalisierung des Antifaschismus.

    Dieser Mibrauch ist seit dem blamablen Zusammenbruch desRealsozialismus 1989/91 beendet. Die westliche Linke aber benutztden Antifaschismus als moralischen Hebel zur politischen Interessen-durchsetzung weiter. Auch an der Selbst-Lhmung der sogenanntenbrgerlichen Demokraten hat sich nichts gendert.

    Der vom Antifaschismus angerichtete Schaden besteht in derZerstrung der Moral: Jede linke Schandtat gilt als gerechtfertigt,wenn sie nur antifaschistisch begrndet wird. Es gab und gibt vieleNaive, die auf den moralischen Schein des Antifaschismus herein-

    fallen, aber fr seine kriminelle Seite blind sind - Beispiel: Man maggegen Stalin und seine Taten Manches einwenden. Aber er hat derMenschheit einen Dienst durch die Besiegung des Hitlerfaschismuserwiesen.

    Whrend Links als gut gedacht, jedoch leider fehlerhaft gemacht,gerechtfertigt wird, erlebt der Kampf gegen Rechts eine Ausdeh-nung auf immer neue, weitere Gebiete, um den Kessel propagandis-

    tisch am Kochen halten zu knnen. Zum Teil herrscht dabei einunfreiwilliger schwarzer Humor: Vor Jahren gab es eine antikommu-nistische Vereinigung von Sowjetzonenflchtlingen, den Bund derMitteldeutschen. Dieser krzte sich als BMD und nicht etwa alsBDM ab mit der verbandsoffiziellen Begrndung, man wolle nichtdie gleiche Abkrzung wie die weibliche Hitlerjugend-Organisation,um antifaschistische Angriffe zu vermeiden. Man mu schon ein pro-pagandageschdigtes Gehirn haben, um auf solche schnurrigen Ideen

    zu kommen. Oder man hat als gebranntes Kind nach blen Erfah-rungen mit hnlichen Verrcktheiten eine bergroe Empfindlichkeitentwickelt. So etwas ist aber nicht etwa eine einmalige Ausnahme.fter wurde ernsthaft verlangt, Autokennzeichen, die bekanntlich ausBuchstaben und Zahlenkombinationen bestehen, zu vermeiden, wennAssoziationen zum Nationalsozialismus mglich werden. ZumBeispiel bei der Buchstabenfolge HH (=Heil Hitler), NS, SA, SS, HJ.Ebenso bei Ziffernkombinationen wie 1933 oder, besonders grotesk:88. Der achte Buchstabe des Alphabets, H, weist als HH auf HeilHitler hin. Alles dies ist nicht als Witz gemeint, sondern ernsthaft

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    vorgetragen worden. Als die ersten uerungen dieser Art bereits inden fnfziger Jahren auftauchten, war die verstndliche ReaktionNichtbefassung wegen offenkundigen Schwachsinns. Unterdessenhaben sie sich durch Wiederholung verfestigt, ein Vorgang der Auto-

    suggestion. Dieser schwarze Humor hat durchaus eine ernste Seite.Im Jahre 1999 erschien der dritte Band der Briefe des namhaften

    jdischen Kabbala-Forschers Gershom Scholem (1897 1982) in deman sich serisen Verlag C.H. Beck, Mnchen. Darin ist dessen Brief-wechsel mit Ernst Jnger verschwiegen. Der jdische Schriftstellerund Philosoph Walter Benjamin hatte vor 1933 eine Korrespondenzu. a. mit dem Juristen Carl Schmitt und dem zur Konservativen

    Revolution gehrenden Ludwig Klagges. In der BriefeditionBenjamins werden beide als Korrespondenzpartner verschwiegen. Eshandelt sich hier um eine Zensur geistesgeschichtlicher Vorgnge ausantifaschistischem Interesse des Medien-Establishments. Peinlichwirkt diese Manipulation, weil sie anders als in offen totalitrenSystemen wie dem Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus nicht auf Dauer geheimzuhalten ist, herauskommt und dannkorrigiert werden mu, wenn auch mit Versptung. So hat Lorenz

    Jger in der FAZ (15. 5. 2009) nicht nur das Verhalten des C.H. Beck-Verlages kritisch dargestellt und einige der unterschlagenen Briefeverffentlicht. Auch die Zeitschrift Sinn und Form (Mai/Juni 2009)verffentlicht den vollstndigen Briefwechsel und entlarvt damitdie Zensur, die es offiziell gar nicht gibt. Also: Der bse Wille zumTotschweigen lt sich auf die Dauer nicht durchsetzen. Der Fall zeigtaber, wie es um Moral, Zuverlssigkeit, wissenschaftliche Objektivi-tt bestellt ist, und da man den Funktionren des Medienbetriebes

    weder moralisch noch intellektuell ber den Weg trauen sollte.Kehren wir zur Eingangsfrage zurck: Warum ist der Antifaschismusgefhrlich? Weil er eine Vergiftung des ffentlichen Klimas bewirkt.Als berwindung des Nationalsozialismus konzipiert, hat er durchdie Art seiner Anwendung wie ein Medikament gewirkt, das durchunmigen Gebrauch Schaden statt Nutzen bewirkt hat.

    Vershnen statt Spalten hat Bundesprsident Rau seinerzeit wohl-klingend gefordert. Das sollte dem inneren Frieden dienen, und Sd-afrika hat mit seiner Art der Vergangenheitsbewltigung durch die

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    Wahrheitskommission gute Erfahrungen gemacht. Das von beidenSeiten in der Zeit der Apartheid begangene Unrecht blieb um derinneren Befriedung willen unverfolgt. hnlich ging man in Spaniennach dem Ende der Franco-Herrschaft vor. Das wre im Deutschland

    des 20. und 21. Jahrhunderts unmglich. Zwar gibt es hier eineTendenz zur Vershnung, besser: zur Bagatellisierung, aber nur nachlinks. Die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, wird behauptet,Verharmlosung der Stasi, Thlmann-Denkmler bleiben erhalten, dasZeigen kommunistischer Symbole wird nicht als Propagandadeliktkriminalisiert. Die Verfolgung nach Rechts hingegen wird recht-lich und propagandistisch verstrkt. Ein Vershnen zum Zwecke desinneren Friedens knnte begrt werden, wenn die Kriminalisierungnach rechts u n d nach links unterlassen wrde. Da dies nichtgeschieht und bei der in Deutschland verbreiteten Feindbild-Mentalitt auch nicht zu erwarten ist, trgt der etablierte Anti-faschismus zum inneren Unfrieden bei und erweist sich alsReinigungsmittel, das nicht nur den Schmutz, sondern auch die zuschtzende Substanz angreift und schdigt.

    2. Geschftemacherei mit dem Antifaschismus

    Der Antifaschismus ist eine Fundamentalnorm, die zunehmenddurch die Art der Anwendung negative Wirkungen entfaltet. Statt

    zu reinigen, vergiftet sie die politische Atmosphre, so wie einim berma eingenommenes Medikament statt Heilung Krank-

    heit bewirkt.So schrieb ich bereits in Anlehnung an einen Begriff von HansNawiasky im Jahre 1987 in einer Festschrift fr Karl DietrichBracher.1 Seither hat sich der Antifaschismus geradezu zu einemFundamentaldogma entwickelt. Ein Dogma ist ein Glaubenssatz,dessen Anerkennung die Voraussetzung fr die Zugehrigkeit zu einerGemeinschaft ist. Nur wer sich in der Bundesrepublik als Gegner und

    noch besser als Opfer des Faschismus bekennt, bewltigt glatt alle1 Festschrift fr Karl Dietrich Bracher, S. 365

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    politischen Probleme. Wie so oft, ist auch hier die Moral Vorwandund Rechtfertigung bei der Durchsetzung politischer und finanziellerInteressen.

    Wir wenden uns in diesem Abschnitt einem der schwierigsten undunerfreulichsten Kapitel unseres Themas zu. Schwierig, weil diefinanziellen Zusammenhnge, die Verfilzungen der Antifa-Industrieschwer zu entflechten, kaum zu durchschauen sind. Man mu gerade-zu Philologie treiben, um das Gewirr der Tarnnamen zu durchschauen:Was heien Entimon, Exit und viele, viele hnliche? Es soll 3000bis 4000 Initiativen geben oder gegeben haben, die am warmenRegen ffentlicher Frderung teilhatten. Unerfreulich ist das Kapitel,

    weil es von einer blen Pseudo-Moral handelt, die harte Geschfte-macherei bemntelt. Der Antifaschismus ist gegenber den erstenWellen nach 1945 und vor 1989 (damals betrieben von der Sowjet-union und der DDR) nicht wie erwartet zurckgegangen, sondern aus-geweitet worden, als unbegrenzter Kampf gegen Rechts. Da diePression mit persnlicher brauner Vergangenheit aus biologischenGrnden immer geringer wird, erfolgt nun die geschichtspolitischeAusschlachtung der Vergangenheit. Lngst verstorbene Personen wer-

    den auf unkorrekte uerungen berprft und ggf. ausgegrenzt:Straenbenennungen werden gendert [z.B. in Bayern wird der Namedes evangelischen Bischofs Meiser (1881-1956) wegen NS-Nhe ausdem Straenbild entfernt im Jahre 2009!], Schulen werden um-benannt (Ernst Moritz Arndt, Paul von Hindenburg), Lexika werdengesubert. Die Neuauflage eines lteren Literaturlexikons von Her-bert und Elisabeth Frenzel wurde 2009 vom Deutschen TaschenbuchVerlag zurckgezogen, nicht etwa weil dort Formulierungen bean-

    standet wurden. Sondern weil die Autorin Elisabeth Frenzel in ihrerDissertation antisemitische uerungen gemacht und im Lexikoneinige linke Literaten unbercksichtigt gelassen habe. Allerdings sollnicht verschwiegen werden, da derartige geschichtspolitischeSuberungen auch frher vorkamen. So wurde aus der biographi-schen Sammlung Die groen Deutschen, in den fnfziger Jahrenneu aufgelegt, Ernst Moritz Arndt wegen nationalistischer Aussagenauf Betreiben des damaligen Mitherausgebers Theodor Heuss entfernt.

    Die Hemmungslosigkeit antifaschistischer Geschftemacher zeigtsich an der Bereitschaft, zu Flschungen, wenn der tatschliche

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    Faschismus ausbleibt. Nicht vergessen werden sollten die Ereig-nisse im und um den schsischen Ort Sebnitz. Dort sei in einemffentlichen Schwimmbad, unter den Augen einer gleichgltigenMenge, ein kleiner Junge von Rechtsextremisten ersuft worden. Die

    demokratischen Medien - BILD und das Fernsehen emprten sich,der damalige Bundeskanzler Schrder griff persnlich ein, dreiVerdchtigte wurden eingesperrt dann stellte sich heraus: Der Knabewar eines natrlichen Todes gestorben. Die Antifa-Propaganda erwiessich als pure Hysterie. Hexenwahn des 21. Jahrhunderts. Dieser Fallblieb nicht der einzige, deshalb ist der Hinweis auf den Hexenwahnkeine bertreibung. In Dsseldorf wurde anno 2000 ein Anschlag aufeine Synagoge verbt. Wieder schaltete sich Bundeskanzler Schrderein und rief zum Aufstand der Anstndigen auf. Darauf gehen diemeisten der finanziell gut ausgestatteten, gegen Rechts kmpfen-den Initiativen zurck. Der Dsseldorfer Tter wurde entdeckt: Eshandelte sich um einen moslemischen Migranten, also einen Aus-lnder ohne Bindung nach Rechts. Es ist hier weder Raum nochZeit, alle diese Betrgereien zu erwhnen. Deshalb mge der Hinweisgengen, da Wichtigtuer behaupteten, von Nazis aus dem Zug

    gestoen zu sein, Rechte htten ihnen mit dem Messer blutigeHakenkreuze in Gesicht und Krper geschnitten, weil sie sich todes-mutig vor deren Opfer gestellt htten alles Schwindelbehauptun-gen, mit denen auf betrgerische Weise Ansehen, Prestige und finan-zielle Frderungen, z. B. durch Preise, erstrebt und auch tatschlicherreicht wurden. Es gibt auch Schriftsteller, die sich von der Ver-ffentlichung ihrer KZ-Memoiren gute Geschfte erhofften, obwohlsie nie in einem solchen Lager waren. Es ist bezeichnend fr die

    moralische Verfassung der Wissenschaft und der Medien in Deutsch-land, da eine systematische Untersuchung und Dokumentation dieserVorflle bisher unterblieben ist. Auch wenn die Mehrheit derBevlkerung scheinbar indolent, das heit gar nicht, reagiert: Zuminneren Frieden haben sie sicher nicht beigetragen, sondern daspolitische Klima nachhaltig, also zukunftbezogen, vergiftet.

    Zu einer besonderen Art der politischen Interessenvertretung durchAusnutzung des Antifaschismus gehrt auch der forcierte Kampfgegen Rechts als Grunddogma der Linkspartei. Wenn sich auch diesogenannten Brgerlichen (von der ohnehin kooperationsbereiten

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    SPD und den Grnen abgesehen) zum Antifaschismus, statt, wiefrher, zum Antitotalitarismus bekennen, dann rutschen die Linkenautomatisch als Bndnispartner an die Seite der Etablierten undschtzen sich gegen die eigene passive Ausgrenzung unter der Kampf-

    marke Antitotalitarismus, die sich auch gegen sie richtet. Der Anti-faschismus bietet der Linken die Garantie, in der Runde der Anstn-digen, des demokratischen Parteienspektrums zugelassen zu sein.

    Vor mehreren Jahrzehnten hat Jean Paul Sartre eine Schrift zum Anti-semitismus verffentlicht. Darin behauptet er, erst der Antisemitmache den Juden. Nach Sartre ist unklar, wie, als was und wodurchein Jude zu definieren ist. Der Ha des Antisemiten schafft eine

    Schreckensgestalt, deren scheinbare Bedrohlichkeit die eigenenReihen schliet und die Notwendigkeit des politischen Kampfesrechtfertigt. Uns interessiert an dieser Stelle, Sartres Argumenteaufzugreifen und auf den Antifaschismus zu bertragen. Deshalbsagen wir, erst der Antifaschist macht den Faschisten. Die anti-faschistischen Interessenvertreter und Geschftemacher bentigendie Existenz eines ganz weit gefaten Faschismus, weil sie nurdurch ihn ihre Daseinsberechtigung beweisen und moralisch (die

    Anstndigen) rechtfertigen knnen.Durch den Kampf gegen Rechts knnen sie:

    materiell angenehm existieren, denn ihr Tun wird aus ffentlichenMitteln in Millionenhhe gefrdert.

    macht- und personalpolitischen Einflu sichern. Posten werdengeschaffen oder vorhandene freigeschossen. Gegner werden pro-pagandistisch lahmgelegt oder in die Defensive getrieben.

    sich vor sich selbst und vor der ffentlichkeit psychisch stabili-sieren. Das eigene Tun wird moralisch begrndet. Wenn zumBeispiel eine Thlmann-Gedenksttte aus der Zeit der DDRbeseitigt werden soll, folgt von der Linkspartei der Moralappell,hier werde einem Mordopfer der Nazis der schuldige Respektversagt. Das lege die Faschismusvermutung nahe. In den meistenFllen ist ein solcher Appell wirkungsvoll und erfolgreich.

    sich selbst ein pseudomoralisches Mntelchen umhngen. Beispiel:Gegen Stalin knne man ja in der Tat Manches einwenden und

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    ihm Negatives vorwerfen. Aber man msse ihm doch zugutehalten, da er wenigstens den Faschismus besiegt habe.Pseudomoralisch, weil das Ausma der stalinistischen, das heitkommunistischen Verbrechen auf diese Weise zum eigenen

    politischen Vorteil vernebelt wird. Wie weit selbst in ehrenhaftenKreisen eine solche Rechtfertigung gehen kann, zeigt Wolf Bier-manns Lied von den verdorbenen Greisen. Darin rechnet er nach1989 uerst scharf mit den alten SED-Politbromitgliedern ab.Auch Erich Honecker wird verurteilt. Aber es heit auch ber ihn:Und dennoch bleibt da ein Rest von Respekt. Es haben Dich dieverfluchten Faschisten elf Jahre in Brandenburg eingesteckt. Eine

    antifaschistische Opferrolle adelt und wiegt manches andereSchlechte auf. Diese Haltung ist weit verbreitet. Moral einerseits,Interessenvertretung und Geschftemacherei andererseits sindzwei Seiten einer zusammengehrenden Sache.

    Vor zehn Jahren, 1999, erschien ein brisantes Buch, das in derbekannten Weise von den bundesrepublikanischen Medienbeschwiegen wurde. Das heit, es wurde zwar nicht ganz und gartotgeschwiegen, aber nur sehr knapp erwhnt. Nach dem Satz wasnicht in den Medien ist, ist nicht in der Welt, hatte es kaum ffent-liche Wirkung. Der Autor Wolf Calebow war im konsularischen unddiplomatischen Dienst der Bundesrepublik ttig. In den USA hatte erdie Aufgabe eines diplomatischen Kontaktmannes zu den jdischenOrganisationen. Im Jahre 1999 verffentlichte er seinen in mehrfacherHinsicht brennend interessanten Erfahrungsbericht. Der war durch-aus kritisch. Die bel bekannte Weise, selbst leise Anklnge von Kritik

    als Antisemitismus zu diffamieren, klappte in diesem Falle nicht, daCalebow ja den amtlichen Auftrag hatte, mit jdischen Organisationenund Personen zusammenzuarbeiten. Das hat er auch durchauserfolgreich, aber auch konfrontiert mit unbelehrbarer Bswilligkeit,getan. Den Etablierten erschien es deswegen wohl angebracht zu sein,am besten das Buch zu beschweigen, weil es keiner der blichenJubelberichte ber deutsch-jdische Ausshnung ist. Hier brauchenuns nur die Hinweise auf den Mibrauch von Antifaschismus undDeutschfeindlichkeit zu politischer Pression zu interessieren. Aus-fhrlich schildert Calebow die Hintergrnde der Hetzkampagne gegen

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    den sterreichischen Staatsprsidenten Waldheim2, die manchenbundesrepublikanischen Politikern den Schreck in die Glieder gejagthaben drfte, aus Furcht, ihnen knne hnliches geschehen.Bezeichnend auch das folgende Zitat:

    Die Masse der amerikanischen Juden sollte nach dem Willenfhrender Gruppen von dem erreichten Stand der Beziehungenzwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israelmglichst nichts erfahren. Der Grund dafr lag auf der Hand.

    Eine durch so eine Verffentlichung unter Umstnden bewirkteVerringerung der bedrohlich erscheinenden Dsternis, in derdas Deutschenbild in den USA nach dem Willen dieser

    Gruppen gehalten werden sollte, htte die Mglichkeiten derInstrumentalisierung des Holocaust fr aktuelle politischeZwecke beeintrchtigen knnen. Zu deren Voraussetzungengehrt auch die Bewahrung eines nach wie vor bedrohlicherscheinenden Deutschlandbildes.3

    Dieses Beispiel lehrt: Es gibt zwei allerdings eng verwandte Artenvon Geschftemacherei und Interessenpolitik mittels Antifaschismusund Deutschfeindlichkeit: Einmal werden politische Ziele erstrebt,zum anderen geht es um die Erlangung von finanziellen Zuwendun-gen oder von Posten.

    Wann hat diese Entwicklung begonnen? Das Jahr 1992 ist im Hinblickauf die Funktion und Instrumentalisierung des Antifaschismus einWendejahr. Vorher, seit 1945, diente er neben ehrlichen Versuchen,die NS-Folgen zu berwinden, als auenpolitisches Pressionsmittelder UdSSR. Der heterogene Ostblock sollte mit antifaschistischen,

    zugleich antideutschen (bezogen auf die Bundesrepublik) Schreckens-bildern zusammengehalten werden. Der DDR diente er der Anbin-dung an den Ostblock und der moralischen Selbstbesttigung. Dieantideutschen Angriffe gegen den weiter bestehenden und bedroh-lichen Faschismus konnten sich nicht gegen sie richten, denn siehatte den Faschismus berwunden und gehrte damit zu denSiegern. Nur die kapitalistische Bundesrepublik war Hort des fort-lebenden Faschismus, was sich in deren Personalpolitik uerte.2 Wolf Calebow: Auf dem Weg zur Normalisierung, S. 57-673 Calebow, S. 84 f.

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    Mit dem Ende des Ostblocks 1991 endete diese Propaganda. Jetzttrat der Kampf gegen die Auslnderfeindschaft an die Stelle derfrheren auenpolitischen Instrumentalisierung. Allerdings spielte

    jetzt auch die Furcht vor dem vereinigten scheinbar erstarkten

    Deutschland eine Rolle. Deutschland sollte stets dienstwillig undgehorsam sein. Ironisch ausgedrckt: Militrisch mglichst schwcherals Luxemburg, aber strker als die terroristische islamistische Welt-bedrohung. Dieser Spagat war durch Einbindung Deutschlands in einfestes finanziell-konomisches, militrisches und politisches Systemzu erreichen. Der Antifaschismus spielte eine Nebenrolle, sollte aberimmerhin das psychologische Klima bestimmen und deutscheEigenmchtigkeiten verhindern. Bei dieser Einteilung blieben diefrhen Phasen des Antifaschismus vor 1945 auer Betracht, aberzusammenfassend sollen sie hier erwhnt werden:

    Erste Phase: 1922 1933: Der Antifaschismus dient den sozialisti-schen Ideologen als Erklrung fr das Versagen der marxistischenKonzentrationstheorie. Die deklassierten Massen schlossen sich nicht,wie von der Theorie vorgesehen, dem marxistischen Sozialismus an,sondern liefen zum Faschismus ber.

    Zweite Phase: 1933 1945: Der Antifaschismus rechtfertigte die Ab-lehnung des nationalsozialistischen Deutschland. Er bildete insbe-sondere 1941 1945 die Klammer des antideutschen Bndnisses derAnti-Hitler-Koalition zwischen den kapitalistischen Westmchtenund der sozialistischen Sowjetunion.

    Nur die dritte Phase (1945 1991) und die vierte Phase (seit 1992)werden hier ausfhrlich behandelt.

    Solange der Realsozialismus existierte, also bis 1989/91, galt impolitischen Westen, also auch in der Bundesrepublik, der gleicher-maen gegen den linken wie den rechten Extremismus gerichteteAntitotalitarismus. Mit dem Ende der sozialistischen Systeme unddem Zusammenbruch der stlich finanzierten Vereine und Verbnde(DKP, VVN) verbreitete sich der Irrtum, der Rechtsextremismus habezugenommen. Tatschlich schien das nur so, weil der Linksextre-mismus zunchst schwcher geworden war. Ob es in den ersten Jahrennach 1991 eine finanzielle Untersttzung zum Kampf gegen Rechtsgegeben hat, wre genauer zu untersuchen. Sicher ist, da die CDU

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    zunchst meinte, Erfolge der PDS werden der SPD schaden. EineKooperation der SPD mit der SED-Nachfolgepartei galt als unmg-lich. Ab 1994 aber erwies sich, da sich die SPD-Regierung von Sach-sen-Anhalt von der PDS tolerieren lie eine ganze Legislaturperiode

    lang. Die CDU erlitt durch die zunehmende Salonfhigkeit der PDSund die Kooperation mit der SPD erhebliche Verluste: Sie flog ausden Landesregierungen nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch inMecklenburg-Vorpommern und in Berlin. Die faktische, wenn auchpropagandistisch nie zugegebene Aufgabe des Antitotalitarismuszugunsten des Antifaschismus hatte sich zwar fr die SPD gelohnt,fr die CDU aber als Rohrkrepierer erwiesen.

    Anla dieser Entwicklung war die ab 1992 zunehmende Zuwande-rung von Asylbewerbern vor allem aus Osteuropa. Die nun geffnetenGrenzen machten es mglich. Die Folge waren Spannungen zwischenEingesessenen und den Zuwanderern, die sich zum Teil in heftigenAngriffen, krperlichen Attacken und Brandstiftungen uerten. In-folgedessen wurde bereits 1992 von der damaligen BundesregierungKohl ein Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt gestartet.Mit diesem zunchst auf drei Jahre befristeten Vorhaben sollten vor

    allem in den stlichen Bundeslndern gewaltbereite Jugendlicheangesprochen werden.4 Whrend hier zunchst mehr indirekt gegenRechts vorgegangen wurde, und das Gewicht auf der Gewalt-prvention lag, nderte sich dies mit dem Antritt der rot-grnenBundesregierung Schrder/Fischer 1998. Eine mit wissenschaft-lichem Anspruch erstellte Studie kommt zu dem bezeichnendenErgebnis, die finanziellen Verhltnisse der nun wie Pilze aus demBoden schieenden antifaschistischen Initiativen seien unbersicht-

    lich und aus den Selbstdarstellungen und ersten Analysen schwer zuergrnden. Es ist die Rede von den verschlungenen Pfaden, die daseingesetzte Geld (Gesamtvolumen im Jahre 2001 etwa 45,5 Millio-nen Euro) auf dem langen Weg zu Initiativen, Projekten und Ma-nahmen genommen hat.5 Die hier zitierte, im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erarbeitete Studie von Roland Roth und anderenAutoren Brgernetzwerke gegen Rechts aus dem Jahr 2003 erregtenicht nur erhebliches Aufsehen in den Medien, sondern veranlate4 Roth, S. 255 Roth, S. 23

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    auch eine recht kontroverse Aussprache im Bundestag am 12. Februar2003, bei der es um die Wirkungen und Erfolge dieser finanziell auf-wendigen Programme ging. Bereits am Verfassungstag, dem 23. Mai2000, wurde das Bndnis fr Demokratie und Toleranz (BDT) ge-

    grndet, mit dem Auftrag, gegen Extremismus und Gewalt zukmpfen. Offenbar haben Zweifel an der Wirksamkeit dieserBekmpfung zur Roth-Studie und zur erwhnten Bundestags-Aus-sprache gefhrt. Alle Manahmen sollten zeitlich befristet werdenund meistens 2003 auslaufen. Dann allerdings zeigte sich derbekmpfte Faschismus als recht zh und berlebensfhig: Am18. Mrz 2003 lehnte das Bundesverfassungsgericht die Weiter-fhrung des von der Regierung Schrder initiierten NPD-Verbots-verfahrens ab. Hinzu kamen Wahlerfolge der NPD und der DVU beiverschiedenen Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern,Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen sowie in zahl-reichen Kommunen. Wer nun meint, die Anti-Rechts-Programmeseien wegen erwiesener Erfolglosigkeit eingestellt worden, irrt. ImGegenteil: Sie wurden ausgeweitet und nach dem Ende der rot-grnen Bundesregierung von der neuen schwarz-roten bernommenund ausgebaut. Anllich einer Anfrage im Bundestag 2008 wurdebekannt, da seit 2003 192 Millionen Euro fr das ProgrammJugend fr Toleranz und Demokratie gegen Rechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aufgewendet wordenwaren. Insgesamt 4500 Projekte konnten sich ber Frderung ausffentlichen Mitteln freuen. Hinzu kamen noch 85 Millionen Eurovon der EU und aus den Bundeslndern.

    Es gibt Initiativen, die offiziell gegen alles Mgliche, aber scheinbar

    nicht einseitig gegen Rechts sind, sondern allgemein der Gewalt-prvention dienen sollen. Wer die jngst verffentlichten Verfassungs-schutzberichte des Bundes und der Lnder, sowie die gewaltttigenKrawalle am 1. Mai in verschiedenen Grostdten betrachtet, stelltfest, da die Gewaltbereitschaft steigt und zwar von links. Dienegativen Wirkungen dieser Programme: Das ohnehin knappe Geldist rausgeworfen. Die positiven Wirkungen haben lediglich einigeAntifa-Funktionre als warmen Geldregen versprt, und die Politikerdes Establishments konnten dem Ausland beweisen, wie tatkrftiggegen Rechts vorgegangen wurde.

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    Als Fazit dieses unerfreulichen Kapitels mu festgehalten werden,da gerade um die finanziellen Verflechtungen viele Unklarheitenbestehen. Deshalb wre es eine wichtige Aufgabe einer verantwortungs-bewuten Zeitgeschichtsschreibung und Medien-Berichterstattung,

    folgende Unklarheiten aufzuklren: Welche Gelder sind an wen geflossen?

    Wie sind die Initiativen miteinander verflochten?

    Wofr sind die Zahlungen erfolgt? Fr Gehlter, Honorare,Tagungen, Ferienlager, Zeitschriften?

    Welche Kooperation mit linken und linksextremen Gruppen gab

    es? Untersuchung der Erfolge: Welche Aussteiger wurdentatschlich durch diese Programme erreicht?

    Wie sehen die politischen Biographien der Aktivisten aus?

    Welche Reaktionen des Auslandes gab es auf die Ttigkeit dieserInitiativen?

    Bisher ist ber dieses trbe Kapitel viel zu wenig bekannt. Deswegen

    konnte auch hier nur ein unzulnglicher Versuch unternommenwerden, das bisher Bekannte zusammenzustellen.

    3. Die Ursprnge

    Der Antifaschismus hatte immer grundlegende Bedeutung fr beideTeile des geteilten Nachkriegsdeutschlands. Das gilt fr die damaligeSowjetische Besatzungszone, die sptere DDR, genauso wie fr diewestlichen Besatzungszonen, die sptere Bundesrepublik. Auch frdas geeinigte Deutschland von 1990 hat sich nichts daran gendert.Man bertreibt nicht mit der Aussage, der Antifaschismus habe sichals eine gesamtdeutsche Klammer erwiesen.

    Als Negativbewegung setzt der Antifaschismus den Faschismus, aufden er reagiert, voraus. Deswegen reichen die Wurzeln bis in diezwanziger Jahre zurck. Die von dem ehemaligen Sozialdemokraten

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    Benito Mussolini gegrndeten Fasci di Combattimento, auf deutschKampfbnde, bernahmen 1922 in Italien die Regierungsgewalt.Seither versteht man unter Faschismus eine antiliberale, antipar-lamentarische Bewegung mit nationalistischer, imperialistischer,

    z. T. kapitalismuskritischer Tendenz, die straffe Staatsdisziplin fordert.Der Faschismus entwickelte sich zur Massenbewegung, die nicht nurin Italien unter dem Anspruch auftrat, die Nation zu einen und dieKlassenspaltung zu berwinden. Neben brgerlichen integrierte ererfolgreich auch buerliche und proletarische Schichten. Deswegenhaben sich gerade die um diese sozialen Gruppen konkurrierendenMarxisten schon frh mit diesem Phnomen beschftigen mssen.Drohten ihnen doch die Massen entzogen zu werden. Seither gilt dieBezeichnung Faschismus nicht nur fr das italienische System undseine Ideen (1922 1943/45), sondern auch als Kennzeichnunghnlicher in verschiedenen Lndern auftretender totalitrer Herr-schaftssysteme und ihrer Ideen. Der Faschismus gilt danach alsErgebnis der Krise solcher Gesellschaften, in denen es privateVerfgungsgewalt ber Produktionsmittel gibt, also den sogenanntenPrivatkapitalismus. In kritischen Situationen neigen die Eigentmer

    der Produktionsmittel, also z. B. die Fabrikbesitzer, die Kapitalis-ten, dazu, sich eine Schutztruppe gegen die Bedrohung durch diesozialistische Bewegung zu schaffen. Deswegen ist die Gefahr desFaschismus erst gebannt, wenn die private Verfgungsgewalt berProduktionsmittel in einer sozialistischen Gesellschaft durch Enteig-nung aufgehoben ist. Alle Gesellschaftsordnungen, in denen das nichtder Fall ist, bleiben prinzipiell vom Faschismus bedroht. Antifaschis-mus und Sozialismus hngen also untrennbar zusammen. Im

    Dezember 1933 formulierte der Bulgare Georgi Dimitroff auf demXIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internatio-nale die parteioffizielle kommunistische Faschismusdefinition:Faschismus ist die offene terroristische Diktatur der am meistenreaktionren, chauvinistischen und imperialistischen Elemente desFinanzkapitals.

    Mit dem katastrophalen Zusammenbruch des nationalsozialistischenDeutschland gewann der Antifaschismus nach 1945 eine ganzbesondere Bedeutung und Funktion. Die Ablehnung des National-sozialismus war ein Grundpfeiler des demokratischen Neubeginns.

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    Allerdings hat im weiteren Verlaufe der Entwicklung das anti-faschistische Fundamentaldogma andere Normen wie die Gemein-samkeit der Demokraten, den Antikommunismus und den Antitotali-tarismus verdrngt.

    Wie die meisten Begriffe in der Politik haben auch Faschismus undAntifaschismus eine doppelte Funktion: In der Tagespolitik undPublizistik dienen sie als Totschlagworte, die den politischenGegner diffamieren sollen. Aber in der Wissenschaft haben sie einesachliche, der Erkenntnis dienende Funktion. Da es sich beim Anti-faschismus um eine Negativbezeichnung handelt, die ihre propagan-distische Schlagkraft gerade durch die Negation gewinnt, ist es

    angebracht, diese Antibezeichnung positiv zu umschreiben.Das Selbstverstndnis des Antifaschisten bezeichnen folgende Merk-male, Eigenschaften und Verhaltensweisen: Der Antifaschist be-trachtet sich als humanitr, liberal, demokratisch (im weitesten Sinnedes Begriffs), aufklrerisch, rational, revolutionr im Sinne der Fran-zsischen Revolution von 1789, radikal (zu verstehen als aufklrend,nicht etwa als subversiv), individualistisch, den Menschenrechtenverpflichtet, der Freiheit der Person zugeneigt, den Idealen derGleichheit und Gleichberechtigung verbunden, Gegner des Anti-kommunismus (da dieser konstitutives Merkmal des Faschismussei), friedliebend (wobei der Antifaschist annimmt, da Frieden nurim Sozialismus mglich ist, weil die Kriege aus Klassenspannungenentstehen).

    Zu unterscheiden ist zwischen einem mehrdimensionalen und einemeindimensionalen Antifaschismus. Mehrdimensional oder mehr-

    schichtig bedeutet, da bei der Gegnerschaft gegen den Faschismussowohl moralisch als auch soziokonomisch argumentiert wird. Dermarxistische Soziologe Max Horkheimer sagte, wer vom Kapitalis-mus nicht reden wolle, msse auch vom Faschismus schweigen. Da-mit meinte er als Marxist, ein Antifaschist sei nur dann konsequent,wenn er den Sozialismus bejahe. Denn nur dann liee sich den Kapita-listen die materielle Basis entziehen, mit der sie im Falle einer Krisedie Faschisten untersttzten. Eindimensional ist hingegen ein Anti-faschismusverstndnis, das ausschlielich moralisch argumentiert,bei der Abwehr des Faschismus aber keine gesellschaftsvern-

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    dernden Ziele verfolgt. Besonders brgerliche, liberale, kirchlicheGruppen und Einzelpersnlichkeiten hngen diesem eindimensionalen,also rein moralisch begrndeten Antifaschismus an, whrend dasmehrdimensionale von Sozialisten, Kommunisten und ideologisch

    nicht strikt festgelegten Antikapitalisten vertreten wird.Bedarf es der Beweise des Zusammenhangs von Antifaschismus undSozialismus/Kommunismus? Bereits 1945 -1952 bedienten sich dieKPD bzw. die SED des Ausdrucks antifaschistisch-demokratischePeriode zur Kennzeichnung eines Zeitabschnittes zahlreichersozialistischer Umgestaltungen in der Sowjetzone (Bodenreform,Enteignungen grerer Betriebe und von Banken). Diese Gewalt-

    manahmen wurden aber nicht als sozialistisch, sondern als anti-faschistisch bezeichnet. Mit Hilfe dieses der Vernebelung dienendenbegrifflichen Tricks lhmten die kommunistischen Machthaber anti-sozialistische Widerstnde der damals noch handlungsfhigen nicht-sozialistischen Parteien, die ein offenes Bekenntnis zum Sozialismusbekmpft htten, einer antifaschistisch geschminkten Zielsetzungaber zustimmen muten, um nicht selber in den Faschismusverdachtzu geraten.

    Die grundlegende Bedeutung des Antifaschismus fr die DDR hat derSED-Chef Walter Ulbricht persnlich bereits in den fnfziger Jahrenfestgelegt: Als sich die Herrschaftsform des deutschen Monopol-kapitals in seiner Niedergangsphase befunden habe, htten die Herrender Schwerindustrie angesichts der Gefahr, vom arbeitendendeutschen Volk hinweggefegt zu werden, die Regierung den National-sozialisten bertragen, die durch Volksbetrug und Terror Massen-

    anhang gewonnen htten. Deshalb msse der konsequente anti-faschistische Kampf darauf gerichtet sein, die Wurzeln desFaschismus die Herrschaft des Finanzkapitals zu beseitigen. Nachder Niederlage des Faschismus im 2. Weltkrieg wrde sich dasnationale Unglck Wiederherstellung der alten Machtstrukturennach dem 1. Weltkrieg nicht wiederholen.

    Da die Herstellung der antifaschistisch-demokratischen Ordnungnichts anderes bedeutete, als die Einfhrung des Sozialismus wurdespter in der Geschichtswissenschaft der DDR hemmungsloszugestanden. So schrieb der Ost-Historiker Werner Horn:

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    Die Grundfrage dieser Periode war die Eroberung derHegemonie der Arbeiterklasse; sie wurde durch die breiteBndnispolitik im Rahmen des antifaschistischen Blocks unddurch die Schaffung einheitlicher demokratischer Massen-

    organisationen verwirklicht, spter in der Volkskongre-bewegung und der Nationalen Front des demokratischen

    Deutschlands weiterentwickelt und durch die Einheit derArbeiterklasse sowie die Ausbildung einheitlicher freiheitlicherGewerkschaften gesichert. Die Eroberung der Hegemonie der

    Arbeiterklasse sowie der entscheidenden Positionen in Staatund Wirtschaft schuf zugleich mit der Vollendung der brger-lich-demokratischen Revolution die Voraussetzungen fr de-ren Hinberwachsen zur sozialistischen Revolution.

    In der Sptzeit der DDR, als die Legitimationskrise des Systemsbereits sprbar war, wurde versucht, die nachlassende Bindekraft desMarxismus-Leninismus einerseits durch Berufung auf nationaleTraditionen (etwa ab 1978), andererseits aber durch die verstrkteBetonung des Antifaschismus zu sttzen.

    Im Frhjahr 1989 hielt es der in Kulturfragen leitende SED-Funk-

    tionr Kurt Hager fr ntig, auf die in der Sowjetunion zunehmendeKritik am Stalinismus zu reagieren. Das moralische Gewicht der DDRsuchte er mit der antifaschistischen Tradition zu rechtfertigen. Soschrieb das Neue Deutschland am 8./9. April 1989:

    Die DDR ist anerkannt in der Welt durch einen sie tiefprgenden Humanismus und Antifaschismus. Ein grundlegen-der Unterschied zwischen der DDR und der BRD besteht darin,

    da bei uns schon unmittelbar nach der Befreiung durch dieEnteignung der Kriegsverbrecher und Nazi-Aktivisten diekonomischen Wurzeln des Imperialismus ausgerottet wurden,whrend sie in der BRD entgegen dem erklrten Willen der

    Mehrheit der Brger erhalten blieben, und so das Wieder-erstarken der Macht der Monopole mglich wurde.

    Fast unmittelbar vor dem Zusammenbruch des DDR-Systems, als diesteigende Unzufriedenheit der Bevlkerung sich in einer Fluchtwelleim August 1989 uerte, stellte Prof. Otto Reinhold, Mitglied des ZKder SED und seit 1962 Rektor der Akademie fr Gesellschaftswissen-

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    schaften beim ZK der SED, fest: Die DDR ist nur als antifaschisti-scher, sozialistischer Staat, als sozialistische Alternative zur BRDdenkbar. Bezeichnenderweise rangiert der Antifaschismus alssystemstabilisierender und -legitimierender Integrationsfaktor noch

    vor dem Sozialismus.Ziehen wir ein vorlufiges Fazit: Der Antifaschismus stellt eineIntegrationsideologie dar, auf deren Basis sich sehr verschiedene,sogar prinzipiell gegnerische politische Krfte treffen knnen undzwar um so leichter, je diffuser, verwaschener, undogmatischer dieVorstellungen von dem sind, was als antifaschistisch gilt. Sozialis-ten und Nicht-Sozialisten, Atheisten und Christen, Brgerliche

    verschiedener Richtungen und Kommunisten, uneinig ber jedepolitische Frage, sehen im Faschismus ein Feindbild, dessenBedrohlichkeit die Notwendigkeit des Zusammenhalts suggeriert und

    jede Abweichung als Begnstigung des absolut Bsen moralisch insZwielicht rckt. Der Streit um Faschismus und Antifaschismusist Ausdruck der in Deutschland verbreiteten Neigung, Politik alsWeltanschauungskampf zu betreiben.

    Deutschland und die Deutschen waren durch die totale Niederlage,die nicht nur eine politisch-militrische sondern auch eine moralischewar, in die Rolle eines verachteten Volkes geraten. Ziel deutscherPolitik mute sein, dieses negative Image zu verbessern. DieBewltigung der Vergangenheit in dieser Situation fhrte zu einemtotalen Bruch mit den Werten des vergangenen nationalsozialistischenSystems. Hier entwickelten sich im stlichen und im westlichen TeilDeutschlands Unterschiede, die der antifaschistischen Propaganda

    Anknpfungspunkte boten. Whrend unter der Behauptung einer anti-faschistisch-demokratischen Umgestaltung in der SowjetischenBesatzungszone eine vollstndige soziostrukturelle Umwlzung imSinne sozialistischer Theorie erfolgte, blieb in den westlichenBesatzungszonen die Struktur bisheriger Eigentumsverhltnisseerhalten. Hier knpfte die kommunistische Antifa-Propaganda an. InKonsequenz der Auffassung, der Faschismus sei eine Funktion desKapitalismus, wurde bestritten, da in den westlichen Besatzungs-zonen ein vollstndiger, grundstzlicher Bruch mit der national-sozialistischen Vergangenheit stattgefunden habe.

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    Die Tatsache, da die neue deutsche Demokratie um ihres Ansehenswillen an einer weitgehenden Distanz zum Nationalsozialismus inter-essiert sein mute, machte die Vertreter der neuen Ordnung erprebar,versetzte sie gegen antifaschistische Angriffe in die Defensive. Da in

    der Tat kein vollstndiger soziostruktureller Bruch und auch keinevollstndige personelle Ablsung der Eliten gegenber der Zeit vor1945 eingetreten waren, gab es immer Anhaltspunkte fr anti-faschistische Kampagnen.

    Im Laufe der Zeit zeigte diese Propaganda Wirkung sowohl auf dieffentliche Meinung des westlichen Auslandes als auch auf dieMeinungsbildung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Auf

    den ersten Blick mag es paradox erscheinen, da die zunehmendeBereitschaft der Bundesrepublik, die Vergangenheit zu bewltigen,vielfltige Manahmen der Wiedergutmachung (besser: Entschdi-gung) und der politisch-personellen Suberung einzuleiten, keineberuhigende Wirkung hatte, sondern die Kampagnen noch frderte.Da diese aber nur zum Teil echter Besorgnis entsprangen, tatschlichaber der Manipulation in der politischen Auseinandersetzung dienten,verleitete die defensive Reaktion dazu, den Druck zu verstrken: Ein

    einmal wirkungs- und erfolgreich eingesetztes Mittel wird selbst-verstndlich bei nchster Gelegenheit wiederholt.

    4. Verfall der Ideologien, insbesondere des Sozialismus

    Vor der Aufklrung, vor dem Zeitalter des Rationalismus, gab es eineinheitliches, geschlossenes religis bestimmtes Weltbild. Allenreligisen Richtungen und Konfessionsgemeinschaften war einesgemeinsam: Die Erlsungserwartung im Jenseits. Mit der Aufklrungentstand ein pluralistisches Weltbild. Skulare Ideologien, derLiberalismus, der Nationalismus/Rassismus, der Sozialismus (Marxis-mus) entstanden und versprachen den jeweils Glubigen eineErlsung noch in dieser Zeitlichkeit.

    Das 19. und das 20. Jahrhundert ist die groe Zeit der Ideologien. Dieparteimig sich organisierenden Anhnger einer skularen Ideologie

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    streben danach, den staatlichen Herrschaftsapparat zu erobern. Dannwird die Ideologie zur Staatsideologie, verbindlich fr alle Brgerund mit Zwang nahe gebracht, eventuell gar totalitr in politischenSystemen wie dem Kommunismus, Faschismus oder National-

    sozialismus. Diese Ideologien haben eine Doppelbedeutung: Impositiven Sinne werden sie bentigt zur Sinngebung. Ganz ohneIdeologie, ohne rechtfertigende programmatische Idee, kann keinePartei auskommen. In negativer Hinsicht schrnken Ideologien dieFreiheit ein. Wenn sie, gesttzt auf eine Staatsmacht, gewaltsamdurchgesetzt werden, dann ist die Individualitt, die Entfaltungs-mglichkeit des Einzelnen beschrnkt. Die Ideologie negiert dann dieSelbstbestimmung des Individuums.

    Wie ist die heutige Situation? Angesichts des Scheiterns der Ideolo-gien und zwar sowohl der religisen Erlsungslehren wie auch derskularen, also Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus,sind die Ideologien zu Restbestnden geschrumpft. Aber es bleibt ihreBedeutung fr die Identittsfindung, z. T. durch Feindvorstellungen.Anti-Vorstellungen wie der Antifaschismus oder Anti-Islamismus,auch Anti-Extremismus und Anti-Sektenhaltung dienen als Mittel zur

    Selbstfindung. Irgend etwas Bedrohliches wird als Gefahr identifi-ziert und bietet die moralische Folie zu der Erkenntnis, was der Gute,der Moralische, der Anstndige (so der frhere BundeskanzlerGerhard Schrder) bekmpfen mu.

    Wenden wir uns zunchst noch einmal der Frage zu, was denneigentlich eine Ideologie ist. Anfang der 80er Jahre erschienen zweiBcher zur Bedeutung und Funktion der Ideologien in der damaligen

    Zeit: Das Ende des ideologischen Zeitalters - die EuropisierungEuropas von Peter Bender und Zeit der Ideologien - eine Geschichtedes politischen Denkens im 20. Jahrhundert von Karl DietrichBracher.

    Bender bestritt die Bedeutung der Ideologien fr die Gegenwart. Derideologische Glaube sei zum Dogma der Funktionre entartet:

    Europa ist nicht mehr ideologisch geteilt, sondern nur noch

    politisch.

    6

    6 Peter Bender: Das Ende des ideologischen Zeitalters die Europisierung Europas, S. 16

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    Mit dem Absterben der Ideologie hat der Osten seine Be-sonderheit verloren. Die Ideologie war es, die ihn in seinem

    Innersten zusammenhielt.7

    Aus Benders uerungen kann man ein Schwinden der Ideologienentnehmen. Eine ganz andere Auffassung vertrat Karl DietrichBracher in seinem Buch. Dessen Darstellung ist besonders interessant,weil das 20. Jahrhundert zur Zeit des Erscheinens dieses Buches nochein Fnftel, also zwei Jahrzehnte vor sich hatte. Diese Jahre brachtenso fundamentale Vernderungen, da Brachers Darstellung heute zumTeil vllig anders geschrieben werden mte:

    Wir leben in einem Jahrhundert der Ideologien. Die opti-

    mistische Rede von einem baldigen Ende des ideologischenZeitalters hat sich ebenso als Tuschung der fnfziger Jahreerwiesen wie das Wort vom Niedergang der Intellektuellen.8

    Bracher definiert den Begriff Ideologien:

    Man mag freilich auch ganz wertneutral die Bedeutung vonIdeologien darin erblicken, da sie ein handlungsorientiertesGlaubenssystem bieten zur Erklrung der Welt wie zur Recht-

    fertigung von Entscheidungen, zum Begrenzen und Eindeutig-machen von Alternativen wie zur Schaffung einer mglichstumfassenden und intensiven sozialen Solidaritt. Im Grundeaber beruht Ideologisierung auf einem Konglomerat von Tu-schungen und Selbsttuschungen: Pseudoreligise Bedrf-nisse, Idealismus, Vollkommenheitswahn sttzen schlielichgar die ideologische Selbstermchtigung zur Gewalt. Zu derreligis-moralischen Legitimierung kommt der Anspruch aufWissenschaftlichkeit und zugleich Aufhebung aller Wider-sprche durch die Zauberformeln der Dialektik. Aus der Idee,im Besitze der endgltigen Wahrheit zu sein, folgt am Endenicht nur die Berechtigung, sondern die Notwendigkeit vonSelbsttuschung und Lge, Verfolgung und Terror, um jeneendgltig durchzusetzen.9

    7 Bender, S. 748 Bracher, S. 129 Bracher, S. 14 f.

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    Die herkmmlichen Ideologien haben an Bedeutung verloren, siebieten kein Konzept der Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung mehr.Ursprnglich waren sie ein Programm einer gesellschaftlichen Gruppe(Glaubensgemeinschaft oder Partei) mit dem Ziel, die eigenen

    Vorstellungen mittels der Gewinnung der Staatsmacht mit Hilfe desStaatsapparates allgemeinverbindlich zu machen. Heute ist dieNeigung zum Bevormunden immer noch vorhanden. Aber dieursprnglich umfassenden, totalitren Ideologien sind zu bloenFeindvorstellungen geschrumpft. Die Feindbilder dienen derGruppenidentifikation: Antikommunismus, Antifaschismus, Anti-rechts, Anti-Sekten-Einstellung, Anti-Islamismus, Antisemitismus.Immer wird die Identitt durch die Feststellung eines Feindes ge-wonnen. Immer ist das Motiv: Wir, die Anstndigen, treten gegen dieAnderen, die Extremen auf, die ausgegrenzt werden sollen.

    Zur Zeit sind die Ideologien ohne Kraft. Was von den Trgern derfrher herrschenden Ideologien noch vorhanden ist, verfgt ber keinetheoretische weltanschauliche Strategie. Sie betreiben nur opportu-nistische Klientelpolitik. Eine Renaissance der Ideologien kann aller-dings nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

    5. Psychologie des Antifaschismus und der Antifaschisten

    Feindbilder haben die Funktion der Integration, der Aggressions-abfuhr, der Strukturierung einer unberschaubaren Wirklichkeit, der

    Abgrenzung und Selbstbesttigung. Dies ist der gemeinsame Nenneraller Feindvorstellungen, so unterschiedlich ihre Argumente und ihrepolitische Storichtung auch sein mgen. Auch der Antifaschismuslt sich mit dieser Umschreibung erfassen.

    Er stellt eine Integrationsideologie dar, auf deren Basis sich sehrgegenstzliche politische Krfte treffen und zwar um so leichter, jediffuser die Vorstellungen von dem sind, was als faschistisch undantifaschistisch gilt. Sozialisten und Nichtsozialisten, Atheisten undChristen, Brgerliche verschiedener Richtungen und Kommunisten,uneinig ber jede aktuelle politische Frage, sehen im Faschismus

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    ein Feindbild, dessen Bedrohlichkeit die Notwendigkeit desZusammenhaltes suggeriert und jede Abweichung als Begnstigungdes absoluten Bsen moralisch ins Zwielicht rckt. Deswegen wohntdem Antifaschismus eine erhebliche Mobilisierungskraft inne, die er

    auch nach dem Zusammenbruch des diskreditierten real existieren-den Sozialismus, der sich vor allem auch antifaschistisch legitimierte,behalten hat. Als Integrationsmittel ist der Antifaschismus nach wievor geeignet, gerade, weil er seit der Wende von 1989/90 wenigerrational und strker emotional auftritt. Geschrt wird die Angst vordem Rechtsextremismus, was vor allem wegen stndiger gesell-schaftlicher Wandlungsvorgnge wirkungsvoll ist. Unsicherheit undDesorientierung nehmen in einer solchen Situation zu.

    Die vom Antifaschismus ausgelste Mobilisierungsbereitschaft erklrtsich sozialpsychologisch, weil die Entsagungen und Leiden durchKrieg und Zusammenbruch den Wunsch nach persnlicher undmaterieller Sicherheit anwachsen lieen. Die Sehnsucht nach Ruhe,einer ungestrten Privatsphre, die der harte, Opfer verlangendeNationalsozialismus verweigert hatte, verbunden mit Erfahrungen vonBombenkrieg, Vertreibung, Lebensgefhrdung, mndeten in eine

    hedonistische, auf Lebensgenu gerichtete Grundhaltung, die zu einerAblehnung des Faschismus als dem Symbol des Harten, OpferVerlangenden, Kriegerischen fhrt. Selbst diejenigen, die sich zumKampf gegen den vermeintlichen faschistischen Feind nicht mobi-lisieren lieen, waren doch zur Hinnahme des Antifaschismus bereit.Der Hedonismus ist das gelebte Nein zum Kollektiv, die Rechtferti-gung der individuellen Glcksansprche. Er ist anfllig fr dieVerlockungen der Ideologie, weil der Glcksanspruch zur Abwehr der

    Realitt beitrgt. Jeder Anspruch der Gesellschaft und des Staateskann unter Faschismusverdacht gestellt werden sei es eine Volks-zhlung, sei es der Appell an die Leistungsbereitschaft der Brger.

    In der Zeit der sogenannten Studentenrevolte, zwischen 1968 undMitte der siebziger Jahre, ist mancher Antiautoritre, der Ordnungund Disziplin gegenber der bestehenden brgerlichen Ordnung ab-lehnte, ber den Antifaschismus zum Moskau-hrigen Marxismus,zu den maoistischen K-Gruppen oder zur DKPgekommen. Die auto-ritre Persnlichkeit, wie sie in den sozialpsychologischen Studiender Frankfurter Schule dargestellt wird, ist keineswegs nur eine

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    faschistische. Auch ein Antifaschist wird von den Merkmalen einerautoritren Persnlichkeit erfat. Die Legitimation des Terrorismusdurch Teile des Antifaschismus ist eine Tatsache. Bernhard Raberthat dies in seiner Studie Terrorismus in Deutschland zum

    Faschismusvorwurf der deutschen Linksterroristen berzeugendnachgewiesen.

    Der Versuch der sozialpsychologischen und psychoanalytischenTheorien, ein einheitliches Persnlichkeitsbild des Faschisten zuentwerfen, setzt sich zum Ziel, aus Triebdynamik, sozialen persn-lichkeitsprgenden Faktoren wie Familienstruktur und politischemVerhalten einen Zusammenhang herzustellen, der die Mglichkeit zur

    nderung und Verbesserung des Individuums und der Gesellschaftim Sinne einer angeblichen Humanisierung schaffen soll. Allerdingsbleiben diese Bemhungen fragwrdig. Sie waren eine Modeer-scheinung der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts und haben mitdem Bedeutungsverlust der Ideologien stark an Beachtung verloren.

    Hinter allen psychologischen und psychoanalytischen Theorien stehteine politische Absicht, die einseitig auf die faschistische Persn-lichkeit hinweist. Deswegen ist es ntig, nach strukturellen Gemein-samkeiten zu fragen, die allen Feindvorstellungen gleichermaeneigen sind. In diesem Sinne ist der Antifaschismus einzubeziehen.

    Es gibt drei Sorten von Antifaschisten: Die rational kalkulierendenpolitischen Geschftemacher, die lediglich durch politische propa-gandistische Manipulation und politische Erpressung ein ihnengnstiges Verhalten der unter den Faschismus-Verdacht Gestelltenerreichen wollen. Die beiden anderen Gruppen sind unter sozial-

    psychologischen Gesichtspunkten interessant, weil es sich um dieErscheinungen des Sadismus und Masochismus handelt. Die einengewinnen Befriedigung aus der psychischen Terrorisierung anderer,fhlen sich durch deren Angst, Wrdelosigkeit, Winden und Kriechenbesttigt. Der Sadist fhlt sich erhoben, wenn die anderen schwcher,kleiner und hilfloser sind als er. Beispiele fr Masochisten hingegenfindet man bei den Kindern ehemaliger Nationalsozialisten, die ihreeigene und die Vergangenheit ihrer Eltern diffamierend bewltigen.Sie kommen in Einklang mit sich selbst, wenn sie sich und ihre Elternals Snder, als unwrdig bezeichnen.

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    Es verleiht dem Sadisten ein gutes Gewissen, wenn er, gesttzt durchwillfhrige Medien, die flschlich als ffentliche Meinung bezeichnetwerden, andere erniedrigt. Dies geschieht aber angeblich im Nameneiner guten Sache, weil man ja das Bse, den skularisierten Teufel,

    in Gestalt des Faschisten bekmpft. Das regelt den Seelenhaushalt,dient der Triebabfuhr und fhrt zur psychischen Entspannung. Derbekmpfte Faschismus, die Kunstfigur des Faschisten,ist einAbstraktum. Bezeichnend, da bei ffentlichen Auftritten, vor allemin Medien, stets b e r den, aber nie m i t dem Faschisten ge-sprochen wird.

    6. Die auenpolitische Funktion des Antifaschismus, seineinnenpolitischen Wirkungen

    Deutschland mu sich selbst entmachten. Nur so wird die Wieder-vereinigung fr Europa ertrglich. Unter dieser berschrift ver-ffentlichte der langjhrige deutsche UN-Botschafter Hans Arnold in

    der Zeit vom 18. Mai 1990 einen kurzen Aufsatz. Die bevorstehendeVereinigung der Bundesrepublik mit der DDR verursachte bei unse-ren sogenannten Freunden und Verbndeten geradezu Panik. Warensie doch sehr fr die Wiedervereinigung unter der Voraussetzung,da sie nicht kam. Als sie doch drohte, gaben sich die Thatcher undMitterrand alle Mhe, sie aus Furcht vor einem bergewicht Deutsch-lands zu verhindern. Was der erwhnte Arnold als Reaktion vorschlug,wurde von vielen bundesrepublikanischen Politikern geteilt: Deutsch-

    land und die Deutschen mssen sich klein, demtig und gehorsamprsentieren. Nur kein Gromachtgehabe, das ngste vor einerdeutschen Hegemonie in Europa schren knnte. Die auenpolitischeFunktion des Antifaschismus wandelte sich um 1990: Im Ostblockdiente er der Sowjetunion zur Einschchterung der Satelliten voreinem angeblich wiedererwachenden oder weiterbestehendenFaschismus, vor dem nur die groe Sowjetunion schtzen knne. DieDDR betonte lautstark ihren antifaschistischen und sozialistischenCharakter, der sie von Westdeutschland unterschied und an die Seiteder SU stellte. Der Westen band die Bundesrepublik militrisch, wirt-

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    schaftlich und politisch in Bndnisse und bernationale Zusammen-schlsse ein, um ja nur deutsche Alleingnge zu verhindern. DieseWestbindung wurde nach 1990/91 beibehalten, ja verstrkt. Der Ost-block (Warschauer Pakt und Comecon) lsten sich zwar auf, aber die

    antifaschistische Propaganda gegen eine vermeintliche deutsche Be-drohung lief mindestens in einigen osteuropischen Staaten, in Polen(gegen den Bund der Vertriebenen und Erika Steinbach) und inTschechien (Beibehaltung der deutschfeindlichen Benesch-Dekrete)weiter. Auf die Innenpolitik Deutschlands wirkte dies insofern, als dieetablierten politischen Krfte glaubten, alles unterlassen zu mssen,was diese Angriffe frdern knnte. So peinlich diese Willfhrigkeitwirkte, so fand sie ihre Rechtfertigung in der Schwche Deutschlands,das als Mittelmacht nichts aus eigener Kraft bewirken konnte undstets auf die Untersttzung von Interessenpartnern (den sogenanntenFreunden und Verbndeten) angewiesen war.

    Die Niederlage von 1945 hatte bestehende Strukturen erschttert, derwirtschaftliche Aufschwung ab Mitte der fnfziger Jahre, der denpersnlichen und privaten Erfolg in den Mittelpunkt rckte, fhrtezur Hinnahme des antifaschistischen Grundkonsenses, der bei groen

    Teilen der Bevlkerung unbeliebt war, weil durch ihn bisherigenationale Traditionen zu Unwerten umgewertet wurden. Aber um dieBequemlichkeit, den wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand nichtzu gefhrden, um des deutschen Ansehens im Ausland willen,wurde er hingenommen. In Wirklichkeit ging es nicht um politischeMoral, sondern um die Erhaltung des guten Lebens, des erreichtenmateriellen Standards. Beachten wir folgendes Zitat aus der Frank-furter Allgemeinen vom 16. April 1994:

    Zu Tode erschrocken war Auenminister Kinkel, als erBerichte ber das amerikanische Deutschlandbild las. Nacheiner Erhebung des Mannheimer Meinungsforschungsinstituts

    IPOS 1993 halten 52% der Amerikaner die Deutschen fr Anti-semiten, 54% sehen im Wiedererwachen des Nationalsozia-lismus eine potentielle Gefahr, 41% glauben, das wieder-vereinigte Deutschland knne eine Bedrohung fr den Friedenwerden. Nach der IPOS-Studie behandelten 28% der ameri-kanischen Zeitungsberichte ber Deutschland den Rechts-extremismus () Auch die amerikanischen Journalisten

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    glauben nicht wirklich, da in Deutschland eine neue Macht-ergreifung vor der Tr steht. Unsere Abonnenten wollen soetwas eben lesen, erluterte bei einem deutsch-amerikani-schen Colloquium ein Redakteur der Los Angeles Times die

    Auswahlprinzipien seines Blattes mit entwaffnendem Freimut.An Hitlers Genozid werde unablssig erinnert; Stalins Genoziddagegen sei kein Thema. Trotzdem ist nicht damit zu rechnen,da das windschiefe Weltbild demnchst verworfen wird.

    Deutschland hat durch die Vereinigung von 1990 eine Gre undscheinbare Machtstellung erreicht, die von anderen als Bedrohungempfunden wird. Von interessierter Seite werden diese Empfindungen

    durch deutschfeindliche Propaganda genhrt. In einer britischenKarikatur um 1990 wurde ein riesenhafter Kanzler Kohl neben einerkleinen britischen Margret Thatcher gezeigt, die ihren Nachbarnauffordert: Setz Dich endlich hin, Du groer Deutscher. Du wirkstso bedrohlich! Der Riese antwortet: Aber ich sitze doch schon!Um Vorurteile gegen deutsche Alleingnge oder die Furcht vordeutscher Hegemonie abzubauen, bt sich die Bundesregierung inBescheidenheit.

    Deutschland soll so eingebunden werden, da die westlichen Freundeund Verbndeten keine Furcht mehr vor Deutschland empfinden. ImJuli 1990, als die deutsche Vereinigung sich abzeichnete, gab derbritische Industrie- und Handelsminister Ridley dem Spectator einInterview, in dem er behauptete, die Deutschen wollten ganz Europabernehmen. Er sprach sich gegen die Aufgabe britischer Souverni-ttsrechte zugunsten der damaligen Europischen Gemeinschaft aus,

    die man seiner Meinung nach ebenso gut Adolf Hitler abtreten knne.Diese uerung kostete ihn immerhin sein Amt. Zugleich lie sichder britische Oberrabbiner Lord Jakobovits durch Ridley zu einerWarnung vor der deutschen Vereinigung veranlassen, da sie zu einerWiederholung der Judenverfolgung im Stile des Hitlerreiches fhrenknne. In einem Appell an den britischen Auenminister Hurd undden EG-Kommissionsprsidenten Jacques Delors forderte Jakobovits,der aus Knigsberg stammt, laut der FAZ vom 23. Juli 1990 interna-tionale Garantien fr den Fall, da der fr die Herrschaft Hitlerstypische deutsche Militarismus wieder auferstehen solle. Nur kurze

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    Zeit spter, im Januar und Februar 1991, sahen sich die Deutscheninternationaler Kritik ausgesetzt, nun aber nicht mehr wegenexpansiver Machtansprche, sondern im Gegenteil: Ihre angeblichmangelhafte Bereitschaft, sich an den Lasten des ersten Feldzuges der

    USA gegen den Irak zu beteiligen, wurde als Drckebergerei undAbneigung gegen die bernahme internationaler Verpflichtungenausgelegt. Seither haben wir zahlreiche Flle eines erwnschtenmilitrischen Engagements Deutschlands erlebt weltweit. Niewieder Faschismus und Krieg und Nie wieder darf von Deutsch-land ein Krieg ausgehen das waren pazifistische Phrasen, die von1945 bis 1990 die Politik gegenber und in Deutschland bestimmt

    hatten. Nun hatten sich die Deutschen auf vormundschaftlichesBegehren umzugewhnen: Einerseits hilfreich und gehorsam gegen-ber den Vormchten, aber andererseits stets willig auf Vordermanngehend und auf Eigenstndigkeit verzichtend. Der Antifaschismuserwies sich als ntzlich, Deutschland und die Deutschen imerwnschten Sinne zu disziplinieren. Die Deutschen mchten beliebtsein, um im Windschatten der Weltpolitik gute Geschfte zu machenund den Wohlstand genieen zu knnen. Aus Furcht vor Nachteilen

    sind sie erprebar, und wer erprebar ist, wird erpret. Das deutscheAnsehen im Auslande sei gefhrdet, lautet eine bekannte, besondersdamals vielgebrauchte Phrase. Gemeint ist: Zerrt nicht an der Leine,um Nachteile zu vermeiden.

    Vlker, deren kollektives Selbstbewutsein wenig entwickelt ist, dasie ber keine ungebrochene Tradition verfgen, sondern ihrepolitischen Werte in der Geschichte hufig wechseln muten, sind

    vom Urteil der anderen abhngig und lenkbar. Unsicher fragt mansich, wie beliebt man im Auslande sei, weil die Erfahrung lehrt, damangelnde Wertschtzung zu moralischem und wirtschaftlichemBoykott fhren kann. Aus der fehlenden inneren Souvernitt folgtdie uere Abhngigkeit.

    Falsch wre der Eindruck, das Deutschenbild werde von der jeweilsaktuellen Interessenlage allein bestimmt. Richtig ist vielmehr, da esein Langzeitbild gibt, das ber viele Jahrzehnte konstant bleibt. Unterdem Eindruck aktueller Ereignisse verndert es sich jeweils negativoder positiv. Es war stets dann positiv, wenn die Deutschen politisch

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    machtlos und wirtschaftlich wenig potent erschienen. Das war vor1871 der Fall. Deshalb berrascht es nicht, da viele westlicheMeinungsmacher, aber auch Politiker des verfallenden Ostblocks1989/90 der Auffassung waren, die deutsche Politik sei vom 19. Jahr-

    hundert bis in die Gegenwart expansiv. Wenn schon fr die Zeit nach1949 keine militrische Expansion festgestellt werden konnte, so dochwenigstens das Streben nach wirtschaftlicher Vorherrschaft. Daswestliche Bndnissystem band die Bundesrepublik Deutschlandpolitisch, konomisch und militrisch in einen Zusammenschlu ein,der etwa nicht nur zum Schutz Deutschlands sondern auch und vorallem zum Schutz der anderen vor Deutschland diente. Jedes Strebender Bundesrepublik Deutschland nach Ausgleich mit dem Osten undWiedervereinigung drohte das Gleichgewicht zu stren, so da dienur mhsam gebndigten ngste und das Mitrauen 1989/90 offenausbrachen. Kaum zeichnete sich ab, da die deutsche Einheit trotzaller Bemhungen nicht zu verhindern sein wrde, kam es zuAussagen wie der folgenden:

    In dem neuen, stolzen, wiedervereinigten Deutschland werdendie Nationalisten das Vierte Reich proklamieren, denn der

    Begriff Reichist verbunden mit Sieg und den Zeiten deutschenAufstiegs. Republik dagegen verbindet sich mit Niederlageund dem Aufstieg fremder Werte. Ich erwarte, da ein wieder-vereinigtes Deutschland die schwarz-wei-rote Hohenzollern-

    fahne wieder einfhren wird und mit ihr mglicherweise auchden Hohenzollernkaiser.

    Bevor das Vierte Reich frmlich wieder ausgerufen werdenkann, ist eine Reinigung des Bildes des Dritten Reiches ntig.

    Nationalistische Intellektuelle werden sich mit Nachdruck andiese Aufgabe machen. Sie wird eine Rehabilitierung des

    Nationalsozialismus und Adolf Hitlers erfordern und geradeaus nationalistischen Gesichtspunkten: Deutsche sind zu langekriecherisch in diesen Fragen Fremden gegenber gewesen;nun wird Deutschland sich erheben. Die Hauptfront desGegenschlages wird die Rassentheorie sein. Bcher vonhervorragenden deutschen Genetikern werden in Massen aus-gestoen werden, um die Wissenschaftlichkeit der Rassen-theorie nachzuweisen, um zu zeigen, da Bemhungen, sie zu

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    diskreditieren, ein jdischer Trick seien und die Rassenpolitikder Nazis ein Stck des Holocaust richtig und weitblickendgewesen sei.

    Nationalistische Intellektuelle werden erklren, da wahreDeutsche sich wegen des Holocausts, der groen, mutigen undheilsamen Tat, nicht schuldig fhlen mten. Das selbst-bewute nicht schuldig wird von einem groen Teil derdeutschen ffentlichkeit begrt werden, und ich kann mir dieFolgen vorstellen: Vertreibung der Juden, Bruch der

    Beziehungen mit Israel, eine Militrmission der PLO, eineHitlerstatue in jeder Stadt.

    Derartige Auslassungen des irischen Diplomaten und SchriftstellersConor Cruise OBrien verffentlichte die Londoner Times am31. Oktober 1989 als Warnung vor einem wiedervereinigtenDeutschland.10

    Die ab 1992 in Deutschland einsetzende antifaschistische Agitationgegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Reaktionen gegenden Zustrom von Asylanten, zeigt, gegen welche Regungen in der

    deutschen Bevlkerung politische Funktionre und Meinungsfhrerder Medien glaubten massiv vorgehen zu mssen. Durch diewirtschaftliche, militrische und politische Einbindung Deutschlandsin ein Vertragssystem glaubte man, die an sich gegenlufigenAbsichten vereinen zu knnen: Auf der einen Seite wird Deutschlandstrker in die internationale Pflicht genommen, um zur wirtschaft-lichen, finanziellen, militrischen und politischen Untersttzung undEntlastung der USA und der anderen Westmchte beizutragen.

    Zugleich werden aber Alleingnge und eine mgliche Hegemoniedurch Zgelung Deutschlands ausgeschlossen. Die Instrumentalisie-rung der NS-Vergangenheit durch die antifaschistische Propagandaist ein wirkungsvolles Mittel, die deutsche Politik zu disziplinieren.

    Dies wird besonders deutlich an den sogenannten Feindstaaten-klauseln. Vielgenannt, sind sie wegen der Kompliziertheit desvlkerrechtlichen Problems kaum bekannt. Auerdem drfte von

    Seiten der deutschen politischen Instanzen kein Interesse bestanden10 zitiert in der FAZ vom 02.11.1989, S. 14

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    haben, der Frage ffentliche Aufmerksamkeit zu widmen. Deshalbseien die beiden Artikel, wie die Klauseln korrekt bezeichnetwerden sollten, aus der Satzung der Vereinten Nationen im Wortlautwiedergegeben:

    Artikel 53,1: Der Sicherheitsrat nimmt gegebenenfalls dieseregionalen Abmachungen oder Einrichtungen zur Durch-

    fhrung von Zwangsmanahmen unter seiner Autoritt inAnspruch. Ohne Ermchtigung des Sicherheitsrates drfenZwangsmanahmen aufgrund regionaler Abmachungen oderseitens regionaler Einrichtungen nicht ergriffen werden;ausgenommen sind Manahmen gegen einen Feindstaat im

    Sinne des Absatzes 2, soweit sie in Artikel 107 oder in regio-nalen, gegen die Wiederaufnahme der Angriffspolitik einessolchen Staates gerichteten Abmachungen vorgesehen sind;die Ausnahme gilt, bis der Organisation auf Ersuchen derbeteiligten Regierungen die Aufgabe zugewiesen wird, neue

    Angriffe eines solchen Staates zu verhten.

    Artikel 53,2: Der Ausdruck Feindstaatim Absatz 1 bezeichnet

    jeden Staat, der whrend des Zweiten Weltkrieges Feind einesUnterzeichners dieser Charta war.

    Artikel 107: Manahmen, welche die hierfr verantwortlichenRegierungen als Folge des Zweiten Weltkrieges in bezug aufeinen Staat ergreifen oder genehmigen, der whrend diesesKrieges Feind eines Unterzeichnerstaates dieser Charta war,werden durch diese Charta weder auer Kraft gesetzt nochuntersagt.

    Die DDR hatte stets die Auffassung vertreten, in keiner rechtlichenoder sonstigen Kontinuitt zum Deutschen Reich zu stehen undbetrachtete diese Bestimmungen als fr sich bedeutungslos, nicht aberin bezug auf die Bundesrepublik, die sich in einer rechtlichenKontinuitt zum Deutschen Reich sah.

    Hier wird der Zusammenhang zwischen antideutscher und anti-faschistischer Propaganda ganz klar. Auf der Konferenz in Jalta imFebruar 1945 wurde der Beschlu zur Einberufung einer Konferenzfr die Grndung der Vereinten Nationen gefat. Bereits im Herbst

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    1944 hatten die USA, die UdSSR, Grobritannien und Chinavorgesehen, da die Satzung der Vereinten Nationen Manahmengegen die Feindstaaten, also gegen Deutschland, Japan und ihreVerbndeten, nicht behindern drfe. Die Feindstaatenartikel hatten

    eine doppelte Funktion: Sie schufen ein Sonderrecht der Anti-Hitler-Koalition gegen Deutschland und seine Verbndeten. Fr alleManahmen gegen diese Staaten waren die UN nicht zustndig. Zumanderen wurde diesen Feindstaaten das Recht verweigert, beiStreitigkeiten die Vereinten Nationen anzurufen, etwa bei Aus-einandersetzungen ber Kriegsfolgemanahmen der Alliierten.

    Den Feindstaaten wurde also die Qualitt der Friedensliebe ab-

    gesprochen und ein Status minderen Rechts in der internationalenGemeinschaft zugewiesen. Bis zum Abschlu und zur Ratifizierungdes 2+4-Vertrages leiteten die vier Hauptverbndeten der Anti-Hitler-Koalition, die USA, UdSSR, Grobritannien und Frankreichaus den Feindstaatenartikeln ein Interventionsrecht ab. Strittig war,ob im Laufe der Jahre alle ehemaligen Feindstaaten oder nur Deutsch-land unter diesen Begriff fielen. Die Sowjetunion und die DDRbedienten sich bezeichnenderweise des Begriffs antifaschistische

    Klauseln. Daraus folgt, da die Aufrechterhaltung der Feind-staatenartikel ausschlielich gegen Deutschland gerichtet war.Praktische Bedeutung gewannen sie whrend der Berlin-Blockade1948/49, als die Sowjetunion die Auffassung vertrat, der Sicherheitsratder Vereinten Nationen sei nicht zustndig, da es sich bei den Ma-nahmen der Moskauer Regierung um Aktionen gegenber einemFeindstaat handele, die von Artikel 107 gedeckt seien. Dem wider-

    sprachen die Westmchte nur insofern, als es sich bei der Blockadenicht um eine gegen Deutschland gerichtete Manahme handele,sondern um einen Konflikt unter den ehemaligen Alliierten. Als imHerbst 1951 eine Delegation der UN Einreise in die DDR begehrte,um die dortigen politischen Verhltnisse zu prfen und die Mglich-keit freier Wahlen zu errtern, wurde dieser Delegation die Einreisemit der Begrndung verweigert, die UN seien fr Deutschland nichtzustndig. Auch hier wirkte der Vorbehalt der Feindstaatenartikel.

    Whrend der Jahre zwischen 1967 und 1972 haben sie in der innen-und auenpolitischen Auseinandersetzung fter Beachtung gefunden.

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    In einem am 21. November 1967 bergebenen Memorandum beriefsich die UdSSR zum ersten Male darauf, da die Feindstaaten-klauseln der UN-Satzung der Sowjetunion auch nach dem Austauschvon Erklrungen ber den Gewaltverzicht (mit der Bundesrepublik

    Deutschland) noch ein Interventionsrecht in inneren Angelegenheitender Bundesrepublik geben. Die drei westalliierten Regierungenwiesen die Moskauer Ansprche zurck. Sie erklrten, nach ihremVerstndnis lasse sich aus den Feindstaatenartikeln kein einseitiges(!) Interventionsrecht der Sowjetunion herleiten. Daraus folgt, daauch die Westmchte ihre Rechte aus den Feindstaatenartikeln alsnach wie vor geltendes Vlkerrecht betrachteten. Im Zusammenhang

    mit dem Beitritt der beiden deutschen Staaten zu den VereintenNationen 1973 lebte die Diskussion wieder auf. Am 16. Februar 1973nannte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marx als eine Bedingungfr die Zustimmung seiner Fraktion zum UNO-Beitritt, die Erklrung,da die Bundesrepublik durch die Aufnahme die Qualitt eines Feind-staates verliere, da sonst die Gefahr bestehe, da die Bundesrepublikein Staat minderen Rechts sein werde, von militrischer Interventionbedroht, ohne sich an die Vereinten Nationen um Hilfe wenden zu

    knnen. Die Antwort der Bundesregierung verwies auf den Artikel 2der UNO-Charta (Gewaltverzicht). Danach knne ein Staat, der UNO-Mitglied sei, kein Feindstaat mehr sein.

    Eine nderung der Charta oder ein Verzicht der frheren Alliiertenwre mglich gewesen, ist aber von der Bundesregierung wederverlangt noch von den anderen Regierungen angeboten oder zu-gestanden worden. Neben genereller Abneigung gegen nderungen

    der Charta, die dann auch von anderen UNO-Mitgliedern fr anderepolitische Probleme verlangt werden knnten, bestand das Interesseder USAwie der UdSSR, sich einen mglichst groen Einflubereichden beiden deutschen Staaten gegenber zu sichern.

    Es trifft sicher zu, da auch vor den 2+4-Vertrgen von 1990/91 diepraktische Bedeutung der Feindstaatenartikel gering gewesen ist. Siehatten mehr moralische als praktische Wirkung. Keines der beidenLager wre zur Intervention im deutschen Einflubereich des jeweilsanderen imstande gewesen, ohne die Gefahr eines Krieges, wenn nichtgar eines Weltkrieges, heraufzubeschwren. Auch die Bundesregierung

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    war offenbar dieser Meinung und hat deswegen die Bedeutung derFeindstaatenartikel stets bagatellisiert. Bedeutungslos waren und sindsie aber dennoch nicht. Die aus ihrer Fortexistenz resultierendegrere Verwundbarkeit der Bundesrepublik Deutschland hat sie zu

    einer engeren Anlehnung an die westlichen Verbndeten gezwungen,insbesondere wegen der verwundbaren Stellung West-Berlins. In derwestdeutschen Interpretation hat man in der Weitergeltung der Artikelsogar einen Vorteil zu finden gewut:

    Angesichts der bis 1989/90 offenen deutschen Frage wurde regel-mig auf den F