Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die...

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Hanna Lehming, Volker Haarmann, Ursula Rudnick Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 10. Sonntag nach Trinitatis - 24. August

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Hanna Lehming Volker Haarmann Ursula Rudnick

Arbeitshilfe zum Israelsonntag 201410 Sonntag nach Trinitatis - 24 August

Impressum Ev-luth Landes-kirche Hannover

Evangelische Kirche im Rheinland

Ev-Luth Kirche in Norddeutschland

(Nordkirche) BCJ Bayern

2014 Satz und Layout Kerstin

Dominika UrbanDruck Druckerei

Conrad Nuumlrnberg

Inhalt

Florian Wilk bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32 4

Mark D Nanos Roumlmer 11 und christlich-juumldische Beziehungen 18

Sabine Maurer Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde 25

Julia-Rebecca Riedel Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen 29

Rainer StuhlmannVom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 37

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer Zur liturgischen Gestaltung 43

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf) 45

Melanie Mordhorst-Mayer Zum Israelsonntag 57

Autorinnen und Autoren 58

Der Apostel Paulus beim Schreiben Aus einer Handschriftder Paulusbriefe fruumlhes 9 Jahrhundert WuumlrttembergischeLandesbibliothek Stuttgart HB II 54(httpcommonswikimediaorgwikiFilePaulus_St_Gallenjpg)

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Liebe Leserinnen und LeserbdquoS(AN)C(TU)S PAULUS ndash sedet hic scripsitldquo so lautet die Inschrift auf einer der aumlltesten Darstellungen von Paulus in der europaumlischen Kunst Bis heute ist kein Konsens daruumlber gefunden wie all das im Einzelnen zu verstehen ist was Paulus damals in seinen Briefen an die Gemeinden geschrieben hat In seinem Brief an die Gemeinde in Rom hat der Apostel in den Kapi-teln 9-11 jedenfalls die Grundlage fuumlr das Verhaumlltnis von Juden und Chris-ten aus der Voumllkerwelt beschrieben

Es gibt kaum eine kirchliche Erklaumlrung die sich um die Erneuerung des christlich-juumldischen Verhaumlltnisses bemuumlht die nicht Roumlm 9-11 als bibli-sche Grundlage haumltte Um den Schluss dieses so grundlegenden Abschnitts paulinischer Theologie und Ekklesiologie geht es in dem fuumlr den diesjaumlhri-gen Israelsonntag vorgeschlagenen Predigttext Roumlm 1125-32

Die vorliegende Arbeitshilfe bietet Ihnen die Exegese eines christlichen und eines juumldischen Autors Zwei ausgearbeitete Entwuumlrfe geben Impulse fuumlr die Beschaumlftigung mit dem Text in Bibel- und Gespraumlchskreisen Eine Predigt die auch als Lesepredigt verwendet werden kann sowie Anre-gungen fuumlr die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes am 10 Sonntag nach Trinitatis dienen der konkreten Gottesdienstvorbereitung Zwischen den einzelnen Beitraumlgen gibt es - bei einem grundlegenden Konsens - auch Differenzen Moumlgen sie Anstoszlig zur Diskussion sein

Die Arbeitshilfe ist in Kooperation zwischen Hannover dem Rheinland und der Nordkirche und mit Unterstuumltzung von BCJ Bayern entstanden Wir danken allen Autorinnen und Autoren fuumlr ihre Mitarbeit und ihre Beitraumlge

Ihnen liebe Leserinnen und liebe Leser wuumlnschen wir mit dem vorgelegten Material eine gute Gottesdienstvorbereitung und einen gesegneten Got-tesdienst am Israelsonntag 2014

Mit freundlichem GruszligIhre

Hanna Lehming Volker Haarmann Ursula Rudnick

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Florian Wilk Exegese aus christlicher Sicht bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32

Uumlbersetzung (und Strukturierung)25 Ich will naumlmlich nicht dass ihr in Unkenntnis seid Geschwister uumlber dieses Geheimnis ndash damit ihr nicht bei euch selbst verstaumlndig seid ndash dass Israel zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren ist bis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingeht26 und daraufhin wird ganz Israel gerettet werden wie ge schrieben steht bdquoVom Zion her wird der Retter kommen er wird sbquoMaumlngel an Gottesfurchtlsquo von Jakob entfernen27 und dies wird die von mir (erlassene) Bundesverfuumlgung fuumlr sie sein wenn ich ihre Suumlnden weggenommen habeldquo28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen nach der Erwaumlhlung aber sind sie Geliebte um der Vaumlter willen29 Unwiderruflich sind ja die Gnadengaben und die Berufung Gottes30 Denn so wie ihr einst ungehorsam wart gegen Gott jetzt aber Erbarmen gefunden habt infolge deren Ungehorsams31 so sind auch diese jetzt ungehorsam geworden zugunsten des Erbarmens uumlber euch auf dass auch sie selbst [jetzt]1 Erbarmen finden32 Denn Gott hat alle gemeinsam in den Ungehorsam eingeschlossen auf dass er sich aller erbarme

1 Ob das Wort bdquojetztldquo (nyn) zum aumlltesten Textbestand gehoumlrt ist unklar Zur Deutung su

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Verankerung im RoumlmerbriefDie Verse beschlieszligen ndash gefolgt nur noch von einem Lobpreis der Allwirk-samkeit Gottes ndash den lehrhaften Hauptteil des Roumlmerbriefs (Roumlm 116ndash1136) Ihre Aussagen erwachsen dann auch mit innerer Notwendigkeit aus dem Thema und der Anlage des BriefsMit ihm will Paulus ja die ihm unbekannte Gemeinschaft von Christusglaumlu-bigen in Rom fuumlr eine bdquoapostolische Partnerschaftldquo2 gewinnen (Roumlm 19-12 1514f) um mit ihrer Hilfe in Spanien seine Mission fortzusetzen (1522-29) Daher empfiehlt er sich ihr ndash die uumlberwiegend aus Nichtjuden besteht3 ndash als der Apostel fuumlr die bdquoWeltvoumllkerldquo4 (15f 1515f) und legt ihr seine Botschaft dar Diese Darlegung eroumlffnet er in 116f mit der Angabe des Briefthemas 16bdquoDenn ich schaumlme des Evangeliums nicht ist es doch Gottes Kraft zur Rettung fuumlr jeden Glaubenden sowohl ndash zuerst ndash fuumlr Juden als auch fuumlr Griechen 17Gottes Gerechtigkeit wird ja in ihm offenbar aufgrund von Glauben auf Glauben hin wie geschrieben steht sbquoEs wird aber der Ge-rechte aus Glauben lebenlsquo ldquo Dabei5 verleiht Paulus zunaumlchst fruumlhchristli-chen Grunduumlberzeugungen Ausdruck Er bekennt sich zu der Kunde von dem Heilshandeln das die Verheiszligungen der Schrift zur Erfuumlllung bringt (bdquoEvangeliumldquo) und haumllt fest In dieser Kunde hat Gottes Macht seinen Rettungswillen in der Geschichte durchzusetzen ihre endzeitliche Gestalt gewonnen Sodann aber formuliert er die Doppelthese um die es ihm im Roumlmerbrief geht Einerseits ist Gottes Rettungsmacht im Evangelium uni-versal wirksam weil sie sich Juden wie Griechen im Glauben erschlieszligt andererseits wird gerade durch das Evangelium die besondere Gottesbezie-hung des juumldischen Volkes bekraumlftigt6 Vers 17 begruumlndet daraufhin die mit Vers 16 skizzierte Position in ruumlcklaumlufiger Aufnahme seiner Glieder

2 M Theobald Der Roumlmerbrief EdF 294 Darmstadt 2000413 KaiserClaudiushattewohl49nChralleJuden-ChristenbdquoausRomverbanntldquo(Sueton

Claud254vglApg182)NachseinemTodimJahr54konntensiezuruumlckkehrenundeinigehattendasimJahr56alsderRoumlmerbriefentstandauchgetan(wieausRoumlm 163-15hervorgeht)GleichwohlwarensieoffenbareineMinderheitPaulus ordnetdieAdressatenmehrfachpauschaldenNichtjudenzu(vgl15f13-151113 1515f)

4 Diese Uumlbersetzung des Wortes ethnēentnehmeichderEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIISchrittederErneuerungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh200050ndash55SiezeigtdessenjuumldischenVerstaumlndnishintergrundanmarkiertdenUnterschiedzudem IsraeleinschlieszligendenBegriffbdquoVoumllkerldquo(laoi)undvermeidetdiemitdendeutschen StichwortenbdquoHeideldquoundbdquoNationldquoverknuumlpftenhierunpassendenAssoziationen

5 ZumFolgendenvglFWilkGottesgerechtigkeitndashGesetzeswerkendasheigeneGerechtig keitUumlberlegungenzurgeschichtlichenVerwurzelungundtheologischenBedeutung paulinischerRechtfertigungsaussagenimAnschlussandiebdquoNewPerspectiveldquoThLZ135(2010)267ndash282hier276f

6 ManbeachtedasdenSatzbaustoumlrendeWortbdquozuerstldquo(prōton)ndashunddazuRoumlm29f

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 2: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

Impressum Ev-luth Landes-kirche Hannover

Evangelische Kirche im Rheinland

Ev-Luth Kirche in Norddeutschland

(Nordkirche) BCJ Bayern

2014 Satz und Layout Kerstin

Dominika UrbanDruck Druckerei

Conrad Nuumlrnberg

Inhalt

Florian Wilk bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32 4

Mark D Nanos Roumlmer 11 und christlich-juumldische Beziehungen 18

Sabine Maurer Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde 25

Julia-Rebecca Riedel Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen 29

Rainer StuhlmannVom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 37

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer Zur liturgischen Gestaltung 43

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf) 45

Melanie Mordhorst-Mayer Zum Israelsonntag 57

Autorinnen und Autoren 58

Der Apostel Paulus beim Schreiben Aus einer Handschriftder Paulusbriefe fruumlhes 9 Jahrhundert WuumlrttembergischeLandesbibliothek Stuttgart HB II 54(httpcommonswikimediaorgwikiFilePaulus_St_Gallenjpg)

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Liebe Leserinnen und LeserbdquoS(AN)C(TU)S PAULUS ndash sedet hic scripsitldquo so lautet die Inschrift auf einer der aumlltesten Darstellungen von Paulus in der europaumlischen Kunst Bis heute ist kein Konsens daruumlber gefunden wie all das im Einzelnen zu verstehen ist was Paulus damals in seinen Briefen an die Gemeinden geschrieben hat In seinem Brief an die Gemeinde in Rom hat der Apostel in den Kapi-teln 9-11 jedenfalls die Grundlage fuumlr das Verhaumlltnis von Juden und Chris-ten aus der Voumllkerwelt beschrieben

Es gibt kaum eine kirchliche Erklaumlrung die sich um die Erneuerung des christlich-juumldischen Verhaumlltnisses bemuumlht die nicht Roumlm 9-11 als bibli-sche Grundlage haumltte Um den Schluss dieses so grundlegenden Abschnitts paulinischer Theologie und Ekklesiologie geht es in dem fuumlr den diesjaumlhri-gen Israelsonntag vorgeschlagenen Predigttext Roumlm 1125-32

Die vorliegende Arbeitshilfe bietet Ihnen die Exegese eines christlichen und eines juumldischen Autors Zwei ausgearbeitete Entwuumlrfe geben Impulse fuumlr die Beschaumlftigung mit dem Text in Bibel- und Gespraumlchskreisen Eine Predigt die auch als Lesepredigt verwendet werden kann sowie Anre-gungen fuumlr die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes am 10 Sonntag nach Trinitatis dienen der konkreten Gottesdienstvorbereitung Zwischen den einzelnen Beitraumlgen gibt es - bei einem grundlegenden Konsens - auch Differenzen Moumlgen sie Anstoszlig zur Diskussion sein

Die Arbeitshilfe ist in Kooperation zwischen Hannover dem Rheinland und der Nordkirche und mit Unterstuumltzung von BCJ Bayern entstanden Wir danken allen Autorinnen und Autoren fuumlr ihre Mitarbeit und ihre Beitraumlge

Ihnen liebe Leserinnen und liebe Leser wuumlnschen wir mit dem vorgelegten Material eine gute Gottesdienstvorbereitung und einen gesegneten Got-tesdienst am Israelsonntag 2014

Mit freundlichem GruszligIhre

Hanna Lehming Volker Haarmann Ursula Rudnick

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Florian Wilk Exegese aus christlicher Sicht bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32

Uumlbersetzung (und Strukturierung)25 Ich will naumlmlich nicht dass ihr in Unkenntnis seid Geschwister uumlber dieses Geheimnis ndash damit ihr nicht bei euch selbst verstaumlndig seid ndash dass Israel zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren ist bis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingeht26 und daraufhin wird ganz Israel gerettet werden wie ge schrieben steht bdquoVom Zion her wird der Retter kommen er wird sbquoMaumlngel an Gottesfurchtlsquo von Jakob entfernen27 und dies wird die von mir (erlassene) Bundesverfuumlgung fuumlr sie sein wenn ich ihre Suumlnden weggenommen habeldquo28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen nach der Erwaumlhlung aber sind sie Geliebte um der Vaumlter willen29 Unwiderruflich sind ja die Gnadengaben und die Berufung Gottes30 Denn so wie ihr einst ungehorsam wart gegen Gott jetzt aber Erbarmen gefunden habt infolge deren Ungehorsams31 so sind auch diese jetzt ungehorsam geworden zugunsten des Erbarmens uumlber euch auf dass auch sie selbst [jetzt]1 Erbarmen finden32 Denn Gott hat alle gemeinsam in den Ungehorsam eingeschlossen auf dass er sich aller erbarme

1 Ob das Wort bdquojetztldquo (nyn) zum aumlltesten Textbestand gehoumlrt ist unklar Zur Deutung su

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Verankerung im RoumlmerbriefDie Verse beschlieszligen ndash gefolgt nur noch von einem Lobpreis der Allwirk-samkeit Gottes ndash den lehrhaften Hauptteil des Roumlmerbriefs (Roumlm 116ndash1136) Ihre Aussagen erwachsen dann auch mit innerer Notwendigkeit aus dem Thema und der Anlage des BriefsMit ihm will Paulus ja die ihm unbekannte Gemeinschaft von Christusglaumlu-bigen in Rom fuumlr eine bdquoapostolische Partnerschaftldquo2 gewinnen (Roumlm 19-12 1514f) um mit ihrer Hilfe in Spanien seine Mission fortzusetzen (1522-29) Daher empfiehlt er sich ihr ndash die uumlberwiegend aus Nichtjuden besteht3 ndash als der Apostel fuumlr die bdquoWeltvoumllkerldquo4 (15f 1515f) und legt ihr seine Botschaft dar Diese Darlegung eroumlffnet er in 116f mit der Angabe des Briefthemas 16bdquoDenn ich schaumlme des Evangeliums nicht ist es doch Gottes Kraft zur Rettung fuumlr jeden Glaubenden sowohl ndash zuerst ndash fuumlr Juden als auch fuumlr Griechen 17Gottes Gerechtigkeit wird ja in ihm offenbar aufgrund von Glauben auf Glauben hin wie geschrieben steht sbquoEs wird aber der Ge-rechte aus Glauben lebenlsquo ldquo Dabei5 verleiht Paulus zunaumlchst fruumlhchristli-chen Grunduumlberzeugungen Ausdruck Er bekennt sich zu der Kunde von dem Heilshandeln das die Verheiszligungen der Schrift zur Erfuumlllung bringt (bdquoEvangeliumldquo) und haumllt fest In dieser Kunde hat Gottes Macht seinen Rettungswillen in der Geschichte durchzusetzen ihre endzeitliche Gestalt gewonnen Sodann aber formuliert er die Doppelthese um die es ihm im Roumlmerbrief geht Einerseits ist Gottes Rettungsmacht im Evangelium uni-versal wirksam weil sie sich Juden wie Griechen im Glauben erschlieszligt andererseits wird gerade durch das Evangelium die besondere Gottesbezie-hung des juumldischen Volkes bekraumlftigt6 Vers 17 begruumlndet daraufhin die mit Vers 16 skizzierte Position in ruumlcklaumlufiger Aufnahme seiner Glieder

2 M Theobald Der Roumlmerbrief EdF 294 Darmstadt 2000413 KaiserClaudiushattewohl49nChralleJuden-ChristenbdquoausRomverbanntldquo(Sueton

Claud254vglApg182)NachseinemTodimJahr54konntensiezuruumlckkehrenundeinigehattendasimJahr56alsderRoumlmerbriefentstandauchgetan(wieausRoumlm 163-15hervorgeht)GleichwohlwarensieoffenbareineMinderheitPaulus ordnetdieAdressatenmehrfachpauschaldenNichtjudenzu(vgl15f13-151113 1515f)

4 Diese Uumlbersetzung des Wortes ethnēentnehmeichderEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIISchrittederErneuerungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh200050ndash55SiezeigtdessenjuumldischenVerstaumlndnishintergrundanmarkiertdenUnterschiedzudem IsraeleinschlieszligendenBegriffbdquoVoumllkerldquo(laoi)undvermeidetdiemitdendeutschen StichwortenbdquoHeideldquoundbdquoNationldquoverknuumlpftenhierunpassendenAssoziationen

5 ZumFolgendenvglFWilkGottesgerechtigkeitndashGesetzeswerkendasheigeneGerechtig keitUumlberlegungenzurgeschichtlichenVerwurzelungundtheologischenBedeutung paulinischerRechtfertigungsaussagenimAnschlussandiebdquoNewPerspectiveldquoThLZ135(2010)267ndash282hier276f

6 ManbeachtedasdenSatzbaustoumlrendeWortbdquozuerstldquo(prōton)ndashunddazuRoumlm29f

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 3: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Liebe Leserinnen und LeserbdquoS(AN)C(TU)S PAULUS ndash sedet hic scripsitldquo so lautet die Inschrift auf einer der aumlltesten Darstellungen von Paulus in der europaumlischen Kunst Bis heute ist kein Konsens daruumlber gefunden wie all das im Einzelnen zu verstehen ist was Paulus damals in seinen Briefen an die Gemeinden geschrieben hat In seinem Brief an die Gemeinde in Rom hat der Apostel in den Kapi-teln 9-11 jedenfalls die Grundlage fuumlr das Verhaumlltnis von Juden und Chris-ten aus der Voumllkerwelt beschrieben

Es gibt kaum eine kirchliche Erklaumlrung die sich um die Erneuerung des christlich-juumldischen Verhaumlltnisses bemuumlht die nicht Roumlm 9-11 als bibli-sche Grundlage haumltte Um den Schluss dieses so grundlegenden Abschnitts paulinischer Theologie und Ekklesiologie geht es in dem fuumlr den diesjaumlhri-gen Israelsonntag vorgeschlagenen Predigttext Roumlm 1125-32

Die vorliegende Arbeitshilfe bietet Ihnen die Exegese eines christlichen und eines juumldischen Autors Zwei ausgearbeitete Entwuumlrfe geben Impulse fuumlr die Beschaumlftigung mit dem Text in Bibel- und Gespraumlchskreisen Eine Predigt die auch als Lesepredigt verwendet werden kann sowie Anre-gungen fuumlr die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes am 10 Sonntag nach Trinitatis dienen der konkreten Gottesdienstvorbereitung Zwischen den einzelnen Beitraumlgen gibt es - bei einem grundlegenden Konsens - auch Differenzen Moumlgen sie Anstoszlig zur Diskussion sein

Die Arbeitshilfe ist in Kooperation zwischen Hannover dem Rheinland und der Nordkirche und mit Unterstuumltzung von BCJ Bayern entstanden Wir danken allen Autorinnen und Autoren fuumlr ihre Mitarbeit und ihre Beitraumlge

Ihnen liebe Leserinnen und liebe Leser wuumlnschen wir mit dem vorgelegten Material eine gute Gottesdienstvorbereitung und einen gesegneten Got-tesdienst am Israelsonntag 2014

Mit freundlichem GruszligIhre

Hanna Lehming Volker Haarmann Ursula Rudnick

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Florian Wilk Exegese aus christlicher Sicht bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32

Uumlbersetzung (und Strukturierung)25 Ich will naumlmlich nicht dass ihr in Unkenntnis seid Geschwister uumlber dieses Geheimnis ndash damit ihr nicht bei euch selbst verstaumlndig seid ndash dass Israel zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren ist bis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingeht26 und daraufhin wird ganz Israel gerettet werden wie ge schrieben steht bdquoVom Zion her wird der Retter kommen er wird sbquoMaumlngel an Gottesfurchtlsquo von Jakob entfernen27 und dies wird die von mir (erlassene) Bundesverfuumlgung fuumlr sie sein wenn ich ihre Suumlnden weggenommen habeldquo28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen nach der Erwaumlhlung aber sind sie Geliebte um der Vaumlter willen29 Unwiderruflich sind ja die Gnadengaben und die Berufung Gottes30 Denn so wie ihr einst ungehorsam wart gegen Gott jetzt aber Erbarmen gefunden habt infolge deren Ungehorsams31 so sind auch diese jetzt ungehorsam geworden zugunsten des Erbarmens uumlber euch auf dass auch sie selbst [jetzt]1 Erbarmen finden32 Denn Gott hat alle gemeinsam in den Ungehorsam eingeschlossen auf dass er sich aller erbarme

1 Ob das Wort bdquojetztldquo (nyn) zum aumlltesten Textbestand gehoumlrt ist unklar Zur Deutung su

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Verankerung im RoumlmerbriefDie Verse beschlieszligen ndash gefolgt nur noch von einem Lobpreis der Allwirk-samkeit Gottes ndash den lehrhaften Hauptteil des Roumlmerbriefs (Roumlm 116ndash1136) Ihre Aussagen erwachsen dann auch mit innerer Notwendigkeit aus dem Thema und der Anlage des BriefsMit ihm will Paulus ja die ihm unbekannte Gemeinschaft von Christusglaumlu-bigen in Rom fuumlr eine bdquoapostolische Partnerschaftldquo2 gewinnen (Roumlm 19-12 1514f) um mit ihrer Hilfe in Spanien seine Mission fortzusetzen (1522-29) Daher empfiehlt er sich ihr ndash die uumlberwiegend aus Nichtjuden besteht3 ndash als der Apostel fuumlr die bdquoWeltvoumllkerldquo4 (15f 1515f) und legt ihr seine Botschaft dar Diese Darlegung eroumlffnet er in 116f mit der Angabe des Briefthemas 16bdquoDenn ich schaumlme des Evangeliums nicht ist es doch Gottes Kraft zur Rettung fuumlr jeden Glaubenden sowohl ndash zuerst ndash fuumlr Juden als auch fuumlr Griechen 17Gottes Gerechtigkeit wird ja in ihm offenbar aufgrund von Glauben auf Glauben hin wie geschrieben steht sbquoEs wird aber der Ge-rechte aus Glauben lebenlsquo ldquo Dabei5 verleiht Paulus zunaumlchst fruumlhchristli-chen Grunduumlberzeugungen Ausdruck Er bekennt sich zu der Kunde von dem Heilshandeln das die Verheiszligungen der Schrift zur Erfuumlllung bringt (bdquoEvangeliumldquo) und haumllt fest In dieser Kunde hat Gottes Macht seinen Rettungswillen in der Geschichte durchzusetzen ihre endzeitliche Gestalt gewonnen Sodann aber formuliert er die Doppelthese um die es ihm im Roumlmerbrief geht Einerseits ist Gottes Rettungsmacht im Evangelium uni-versal wirksam weil sie sich Juden wie Griechen im Glauben erschlieszligt andererseits wird gerade durch das Evangelium die besondere Gottesbezie-hung des juumldischen Volkes bekraumlftigt6 Vers 17 begruumlndet daraufhin die mit Vers 16 skizzierte Position in ruumlcklaumlufiger Aufnahme seiner Glieder

2 M Theobald Der Roumlmerbrief EdF 294 Darmstadt 2000413 KaiserClaudiushattewohl49nChralleJuden-ChristenbdquoausRomverbanntldquo(Sueton

Claud254vglApg182)NachseinemTodimJahr54konntensiezuruumlckkehrenundeinigehattendasimJahr56alsderRoumlmerbriefentstandauchgetan(wieausRoumlm 163-15hervorgeht)GleichwohlwarensieoffenbareineMinderheitPaulus ordnetdieAdressatenmehrfachpauschaldenNichtjudenzu(vgl15f13-151113 1515f)

4 Diese Uumlbersetzung des Wortes ethnēentnehmeichderEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIISchrittederErneuerungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh200050ndash55SiezeigtdessenjuumldischenVerstaumlndnishintergrundanmarkiertdenUnterschiedzudem IsraeleinschlieszligendenBegriffbdquoVoumllkerldquo(laoi)undvermeidetdiemitdendeutschen StichwortenbdquoHeideldquoundbdquoNationldquoverknuumlpftenhierunpassendenAssoziationen

5 ZumFolgendenvglFWilkGottesgerechtigkeitndashGesetzeswerkendasheigeneGerechtig keitUumlberlegungenzurgeschichtlichenVerwurzelungundtheologischenBedeutung paulinischerRechtfertigungsaussagenimAnschlussandiebdquoNewPerspectiveldquoThLZ135(2010)267ndash282hier276f

6 ManbeachtedasdenSatzbaustoumlrendeWortbdquozuerstldquo(prōton)ndashunddazuRoumlm29f

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 4: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Florian Wilk Exegese aus christlicher Sicht bdquohellip damit Gott sich aller erbarmeldquo Zur Interpretation von Roumlm 1125-32

Uumlbersetzung (und Strukturierung)25 Ich will naumlmlich nicht dass ihr in Unkenntnis seid Geschwister uumlber dieses Geheimnis ndash damit ihr nicht bei euch selbst verstaumlndig seid ndash dass Israel zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren ist bis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingeht26 und daraufhin wird ganz Israel gerettet werden wie ge schrieben steht bdquoVom Zion her wird der Retter kommen er wird sbquoMaumlngel an Gottesfurchtlsquo von Jakob entfernen27 und dies wird die von mir (erlassene) Bundesverfuumlgung fuumlr sie sein wenn ich ihre Suumlnden weggenommen habeldquo28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen nach der Erwaumlhlung aber sind sie Geliebte um der Vaumlter willen29 Unwiderruflich sind ja die Gnadengaben und die Berufung Gottes30 Denn so wie ihr einst ungehorsam wart gegen Gott jetzt aber Erbarmen gefunden habt infolge deren Ungehorsams31 so sind auch diese jetzt ungehorsam geworden zugunsten des Erbarmens uumlber euch auf dass auch sie selbst [jetzt]1 Erbarmen finden32 Denn Gott hat alle gemeinsam in den Ungehorsam eingeschlossen auf dass er sich aller erbarme

1 Ob das Wort bdquojetztldquo (nyn) zum aumlltesten Textbestand gehoumlrt ist unklar Zur Deutung su

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Verankerung im RoumlmerbriefDie Verse beschlieszligen ndash gefolgt nur noch von einem Lobpreis der Allwirk-samkeit Gottes ndash den lehrhaften Hauptteil des Roumlmerbriefs (Roumlm 116ndash1136) Ihre Aussagen erwachsen dann auch mit innerer Notwendigkeit aus dem Thema und der Anlage des BriefsMit ihm will Paulus ja die ihm unbekannte Gemeinschaft von Christusglaumlu-bigen in Rom fuumlr eine bdquoapostolische Partnerschaftldquo2 gewinnen (Roumlm 19-12 1514f) um mit ihrer Hilfe in Spanien seine Mission fortzusetzen (1522-29) Daher empfiehlt er sich ihr ndash die uumlberwiegend aus Nichtjuden besteht3 ndash als der Apostel fuumlr die bdquoWeltvoumllkerldquo4 (15f 1515f) und legt ihr seine Botschaft dar Diese Darlegung eroumlffnet er in 116f mit der Angabe des Briefthemas 16bdquoDenn ich schaumlme des Evangeliums nicht ist es doch Gottes Kraft zur Rettung fuumlr jeden Glaubenden sowohl ndash zuerst ndash fuumlr Juden als auch fuumlr Griechen 17Gottes Gerechtigkeit wird ja in ihm offenbar aufgrund von Glauben auf Glauben hin wie geschrieben steht sbquoEs wird aber der Ge-rechte aus Glauben lebenlsquo ldquo Dabei5 verleiht Paulus zunaumlchst fruumlhchristli-chen Grunduumlberzeugungen Ausdruck Er bekennt sich zu der Kunde von dem Heilshandeln das die Verheiszligungen der Schrift zur Erfuumlllung bringt (bdquoEvangeliumldquo) und haumllt fest In dieser Kunde hat Gottes Macht seinen Rettungswillen in der Geschichte durchzusetzen ihre endzeitliche Gestalt gewonnen Sodann aber formuliert er die Doppelthese um die es ihm im Roumlmerbrief geht Einerseits ist Gottes Rettungsmacht im Evangelium uni-versal wirksam weil sie sich Juden wie Griechen im Glauben erschlieszligt andererseits wird gerade durch das Evangelium die besondere Gottesbezie-hung des juumldischen Volkes bekraumlftigt6 Vers 17 begruumlndet daraufhin die mit Vers 16 skizzierte Position in ruumlcklaumlufiger Aufnahme seiner Glieder

2 M Theobald Der Roumlmerbrief EdF 294 Darmstadt 2000413 KaiserClaudiushattewohl49nChralleJuden-ChristenbdquoausRomverbanntldquo(Sueton

Claud254vglApg182)NachseinemTodimJahr54konntensiezuruumlckkehrenundeinigehattendasimJahr56alsderRoumlmerbriefentstandauchgetan(wieausRoumlm 163-15hervorgeht)GleichwohlwarensieoffenbareineMinderheitPaulus ordnetdieAdressatenmehrfachpauschaldenNichtjudenzu(vgl15f13-151113 1515f)

4 Diese Uumlbersetzung des Wortes ethnēentnehmeichderEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIISchrittederErneuerungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh200050ndash55SiezeigtdessenjuumldischenVerstaumlndnishintergrundanmarkiertdenUnterschiedzudem IsraeleinschlieszligendenBegriffbdquoVoumllkerldquo(laoi)undvermeidetdiemitdendeutschen StichwortenbdquoHeideldquoundbdquoNationldquoverknuumlpftenhierunpassendenAssoziationen

5 ZumFolgendenvglFWilkGottesgerechtigkeitndashGesetzeswerkendasheigeneGerechtig keitUumlberlegungenzurgeschichtlichenVerwurzelungundtheologischenBedeutung paulinischerRechtfertigungsaussagenimAnschlussandiebdquoNewPerspectiveldquoThLZ135(2010)267ndash282hier276f

6 ManbeachtedasdenSatzbaustoumlrendeWortbdquozuerstldquo(prōton)ndashunddazuRoumlm29f

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 5: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Verankerung im RoumlmerbriefDie Verse beschlieszligen ndash gefolgt nur noch von einem Lobpreis der Allwirk-samkeit Gottes ndash den lehrhaften Hauptteil des Roumlmerbriefs (Roumlm 116ndash1136) Ihre Aussagen erwachsen dann auch mit innerer Notwendigkeit aus dem Thema und der Anlage des BriefsMit ihm will Paulus ja die ihm unbekannte Gemeinschaft von Christusglaumlu-bigen in Rom fuumlr eine bdquoapostolische Partnerschaftldquo2 gewinnen (Roumlm 19-12 1514f) um mit ihrer Hilfe in Spanien seine Mission fortzusetzen (1522-29) Daher empfiehlt er sich ihr ndash die uumlberwiegend aus Nichtjuden besteht3 ndash als der Apostel fuumlr die bdquoWeltvoumllkerldquo4 (15f 1515f) und legt ihr seine Botschaft dar Diese Darlegung eroumlffnet er in 116f mit der Angabe des Briefthemas 16bdquoDenn ich schaumlme des Evangeliums nicht ist es doch Gottes Kraft zur Rettung fuumlr jeden Glaubenden sowohl ndash zuerst ndash fuumlr Juden als auch fuumlr Griechen 17Gottes Gerechtigkeit wird ja in ihm offenbar aufgrund von Glauben auf Glauben hin wie geschrieben steht sbquoEs wird aber der Ge-rechte aus Glauben lebenlsquo ldquo Dabei5 verleiht Paulus zunaumlchst fruumlhchristli-chen Grunduumlberzeugungen Ausdruck Er bekennt sich zu der Kunde von dem Heilshandeln das die Verheiszligungen der Schrift zur Erfuumlllung bringt (bdquoEvangeliumldquo) und haumllt fest In dieser Kunde hat Gottes Macht seinen Rettungswillen in der Geschichte durchzusetzen ihre endzeitliche Gestalt gewonnen Sodann aber formuliert er die Doppelthese um die es ihm im Roumlmerbrief geht Einerseits ist Gottes Rettungsmacht im Evangelium uni-versal wirksam weil sie sich Juden wie Griechen im Glauben erschlieszligt andererseits wird gerade durch das Evangelium die besondere Gottesbezie-hung des juumldischen Volkes bekraumlftigt6 Vers 17 begruumlndet daraufhin die mit Vers 16 skizzierte Position in ruumlcklaumlufiger Aufnahme seiner Glieder

2 M Theobald Der Roumlmerbrief EdF 294 Darmstadt 2000413 KaiserClaudiushattewohl49nChralleJuden-ChristenbdquoausRomverbanntldquo(Sueton

Claud254vglApg182)NachseinemTodimJahr54konntensiezuruumlckkehrenundeinigehattendasimJahr56alsderRoumlmerbriefentstandauchgetan(wieausRoumlm 163-15hervorgeht)GleichwohlwarensieoffenbareineMinderheitPaulus ordnetdieAdressatenmehrfachpauschaldenNichtjudenzu(vgl15f13-151113 1515f)

4 Diese Uumlbersetzung des Wortes ethnēentnehmeichderEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIISchrittederErneuerungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh200050ndash55SiezeigtdessenjuumldischenVerstaumlndnishintergrundanmarkiertdenUnterschiedzudem IsraeleinschlieszligendenBegriffbdquoVoumllkerldquo(laoi)undvermeidetdiemitdendeutschen StichwortenbdquoHeideldquoundbdquoNationldquoverknuumlpftenhierunpassendenAssoziationen

5 ZumFolgendenvglFWilkGottesgerechtigkeitndashGesetzeswerkendasheigeneGerechtig keitUumlberlegungenzurgeschichtlichenVerwurzelungundtheologischenBedeutung paulinischerRechtfertigungsaussagenimAnschlussandiebdquoNewPerspectiveldquoThLZ135(2010)267ndash282hier276f

6 ManbeachtedasdenSatzbaustoumlrendeWortbdquozuerstldquo(prōton)ndashunddazuRoumlm29f

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

9

verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

10

II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 6: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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a) Das Schriftzitat aus Hab 24 stuumltzt die Rede von Gottes endzeitlicher bdquoKraft zur Rettungldquo und zeigt was diese Kraft den Menschen im Glauben zueignet ewiges bdquoLebenldquo7b) Indem der Apostel den Glauben zugleich als Mittel und als Ziel der Of-fenbarungstat Gottes kennzeichnet (bdquoaufgrund von Glauben auf Glauben hinldquo) macht er deutlich warum es auf Seiten der Menschen gerade und nur des Glaubens bedarf um Rettung zu erfahrenc) Der Verweis auf bdquoGottes Gerechtigkeitldquo untermauert die paulinische These dass das Evangelium zugleich universale Bedeutung habe und pri-maumlr auf Israel bezogen sei

Wie zB an Roumlm 818f zu sehen ist meint bdquooffenbarenldquo das Enthuumll-len einer von Gott gesetzten Wirklichkeit Der Ausdruck bdquoGottes Ge-rechtigkeitldquo bezeichnet daher in 117 eine Haltung Gottes gegenuumlber den Menschen nicht Gottes Tat oder Gabe So aber erinnert die gan-ze Wendung an das biblische Motiv der Gottesgerechtigkeit die Gott offenbart um Israel und mit ihm den Weltvoumllkern endzeitliches Heil zuzuwenden8 Es geht also um Gottes bdquoBundesgerechtigkeitldquo9 Gottes Selbstverpflichtung die Erwaumlhlung Israels ihm und den Weltvoumllkern zugute zum Ziel zu fuumlhren

In Roumlm 118ndash521 entfaltet Paulus das Thema nach seiner negativen und seiner positiven Seite um im Weiteren ausfuumlhrlich auf Kritik einzugehen die wohl von anderen Juden-Christen gegen seine Verkuumlndigung vorge-bracht wurde (vgl 31-8) Offenbar nimmt er an die Kritik sei auch den Adressaten seines Briefs bekannt geworden10 So eroumlrtert er in den Kapi-teln 6ndash8 den Einwand seine Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes die Menschen ohne jedes Zutun gerecht mache (vgl 45) muumlsse doch eigent-lich eine Verurteilung der Suumlnde und damit jede Mahnung zur Abkehr von ihr ausschlieszligen (vgl 35-8 6115) In den Kapiteln 9ndash11 widmet er sich der Frage ob seine Predigt der Rechtfertigung die Juden wie Nichtjuden aus Glauben zuteil werde (vgl 330) angesichts ihrer Ablehnung durch

7 VgldazuetwaRoumlm622f8 VglvorallemPs97[98]2fLXXJes561-3MTWeiterebiblischeundantik-juumldischeTexte

zeigenwelcheHoffnungensichaufdieerwarteteOffenbarungderGottesgerechtigkeitrichtetenndashdassGottesZornuumlberwundenSchuldvergebenmenschlicheGerechtigkeithergestelltoderdieAufnahmeinsGottesvolkvollzogenwerde(vgl4Esr8361QH616sowieMi79Jes5917-20Dan916LXXundCD20201QH12371QS1111-15)

9 UWilckensDerBriefandieRoumlmerIRoumlm1ndash5EKK61Zuumlrichua197821110 WohldeshalbbeginntRoumlm116fmitdenWortenbdquoIchschaumlmemichdesEvangeliums

nichthellipldquo

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

10

II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 7: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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die meisten Israeliten nicht zu dem Schluss noumltige Gott habe Israel die Treue gebrochen (vgl 33 96a 111)Diese Frage deckt ein fundamentales Problem der Verkuumlndigung des Apostels auf Er behauptet ja Gott erfuumllle in Christus die Verheiszligungen der Schrift fuumlr die Endzeit Diese Verheiszligungen aber gelten zuerst Israel Wenn also die paulinische Predigt nicht auch Israel zum Heil gereichte waumlre sie in ihrem Anspruch das Evangelium Gottes zu sein widerlegt Daher muss Paulus aufzeigen dass und wie dieses Evangelium zur Ret-tung ganz Israels (vgl 1126) fuumlhrt Erst dieser Nachweis macht dann auch die Eingangsthese des Roumlmerbriefs verstaumlndlich

Einordnung in den KontextDer Abschnitt Roumlm 9ndash1111 ist durch zahlreiche Stichwoumlrter mit dem vor-hergehenden und dem nachfolgenden Passus (814-39 121-8) verknuumlpft Die Verknuumlpfungen zeigen bereits an wie die Ausfuumlhrungen in diesen Ka-piteln zu verstehen sind Sie basieren auf der im Christusgeschehen wur-zelnden Zuversicht dass Gottes Auserwaumlhlte gegen allen Augenschein der Liebe Gottes gewiss sein koumlnnen und an der endzeitlichen Heilsvoll-endung teilhaben werden und sie zielen darauf dass die Briefadressaten der Gemeinschaft mit Israel in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen Zudem weisen die auf-faumllligen bdquoIchldquo-Saumltze in 838f und 1213 darauf hin dass die Person des Paulus und seine Beziehung zu den Adressaten fuumlr den Gedankengang von wesentlicher Bedeutung sind

Dessen Leitfrage laumlsst sich aus der Einleitung Roumlm 91-5 erschlieszligen Sie markiert ja den Widerspruch der Paulus zufolge das Dasein derjenigen Juden die das Evangelium abweisen kennzeichnet Sie sind bdquovon Chris-tusldquo getrennt ndash und damit von dem in Christus gewaumlhrten Heil doch ihr Status als bdquoIsraelitenldquo denen eine Fuumllle von Heilsgaben verliehen wurde ist in Kraft ndash und damit auch die Zusage der Teilhabe am Heil Darin liegt ein Widerspruch weil Christus ndash wie seine israelitische Herkunft belegt ndash die mit den bdquoVaumlternldquo eroumlffnete Erwaumlhlungsgeschichte Israels zum Ziel

11 ZumFolgendenvglFWilkRahmenundAufbauvonRoumlmer9ndash11indersJRWagner(Hg)BetweenGospelandElectionExplorationsintheInterpretationofRomans9ndash11WUNT257Tuumlbingen2010227ndash253

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

10

II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 8: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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fuumlhrt So erhebt sich die Frage wie sich der Wahrheitsanspruch der Chris-tusbotschaft zu der Verlaumlsslichkeit der Verheiszligungen an Israel verhaumllt12

Allerdings kommt der Widerspruch zwischen der universalen Heilswirk-samkeit des gepredigten Christus und der in der Herkunft des Christus bekraumlftigten Heilszusage an Israel hier nur implizit zur Sprache ndash naumlmlich dadurch dass Paulus seine doppelte Bindung benennt In Roumlm 93 be-richtet er ja von seiner bestaumlndigen nach 838f gleichwohl unerfuumlllbaren Fuumlrbitte stellvertretend bdquofuumlr (s)eine Geschwister (s)eine Stammesgenos-sen nach dem Fleischldquo bdquoverfluchtldquo und so bdquovon Christusldquo geschieden zu sein Damit aber macht er deutlich Als Apostel des Evangeliums gehoumlrt er untrennbar zu Christus doch der Herkunft nach ist er mit jenen Israeli-ten aus denen auch der Christus stammt verbunden Die Spannung zwi-schen Evangelium und Verheiszligung tritt also im Dasein des Voumllkerapostels aus Israel offen zutage Ja noch mehr Es ist gerade sein missionarisches Wirken unter den Weltvoumllkern das bei vielen Juden zur Ablehnung des Evangeliums und damit zur Trennung von Christus fuumlhrtDie Loumlsung dieses Problems ergibt sich erst aus eingehendem Nachden-ken das ndash dem Charakter des Problems gemaumlszlig ndash zugleich im Licht des Evangeliums und vor dem Horizont der Heiligen Schrift erfolgt Dieses Nachdenken ist in Roumlm 96ndash1124 dokumentiert Der Gedankengang hat bis 1021 argumentativen ab 111 primaumlr appellativen Charakter dabei gliedern sich beide Teile auf analoge Weise in je drei Einheiten Im Ein-zelnen legt Paulus dar

I1 Roumlm 96-29 Gottes Heilszusage an die Israeliten ist in Kraft auch wenn viele von ihnen das Evangelium abweisen Dies ergibt sich daraus dass die Berufung eines bdquoRestesldquo an christusglaumlubigen Juden den Bestand des Verheiszligungswortes fuumlr das ganze Volk Israel gewaumlhrleistet13 Diese Berufung fuumlhrt ja die Geschichte der Erwaumlhlung Israels fort welche sich stets ndash von Abraham bis Mose ndash als barmherzige Aussonderung durch Gottes freien Willen vollzog und dabei immer schon ihr Gegenstuumlck da-rin hatte dass die die gegen das erwaumlhlende Handeln Gottes streiten

12 EsgehtumdiebdquoSpannungldquozwischendembdquorechtfertigungstheologischenAnsatzldquoundderbdquoheilsgeschichtlichenPerspektiveldquodesPaulusvglJRoloffDieKircheimNeuenTestamentGNT10Goumlttingen1993127

13 DieZitateinRoumlm927-29zeigenIndenJuden-ChristenwirdGottesVerheiszligungnurpar-tiellverwirklichtsiedienenalsbdquoSameldquoderdasganzeVolkvordemUntergangbewahrtundihmdieAussichtaufRettungerhaumlltvglFWilkDieBedeutungdesJesajabuchesfuumlrPaulusFRLANT179Goumlttingen1998128ndash131185ndash190

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 9: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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verhaumlrtet aber auch mit Langmut getragen werdenI2 Roumlm 930-33 Da aber die Berufung durch das Evangelium den Ver-

heiszligungen der Schrift gemaumlszlig auch Nichtjuden widerfahren ist (vgl 924-26) gilt es zu klaumlren in welchem Verhaumlltnis denn sie zu den nicht christusglaumlubigen Israeliten stehen Im Blick auf die kontraumlren Lebensorientierungen beider Gruppen wird die Haltung des Glaubens als die entscheidende Differenz erkennbar sein Fehlen laumlsst Christus fuumlr Juden zum Stolperstein werden

I3 Roumlm 101-21 Daher haumllt der Voumllkerapostel Fuumlrbitte fuumlr jene Israeliten ndash und tut es nicht vergeblich Gewiss verkennen sie in ihrem Eifer fuumlr Gott das Wesen der Gerechtigkeit Gottes in Christus jeden Glauben-den sei es Jude oder Grieche zu rechtfertigen und eben darin das Ziel des Gesetzes zu erreichen14 Gott aber hat wie die Schrift bezeugt das Unverstaumlndnis vieler Juden fuumlr die Christusbotschaft vorausgese-hen ndash und beschlossen weiter um sie zu werben Mit der Zuwendung zu den Nichtjuden sucht Gott sie eifersuumlchtig zu machen um sie auf diese Weise doch noch fuumlr den Christusglauben zu gewinnen15

Die Argumentationsgaumlnge in Roumlm 96-29 und 101-21 ergaumlnzen ein-ander Paulus kontrastiert die nicht christusglaumlubigen Israeliten mit den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumllkern er bedenkt dabei Gottes Verheiszligung und das von Gott gegebene Gesetz er be-ruumlcksichtigt das berufende Handeln Gottes und die Rolle des mensch-lichen Glaubens So aber wird deutlich Gottes Handeln im Evangelium steht keineswegs im Gegensatz zur Erwaumlhlung Israels Daraus folgt

II1 Roumlm 111-6 Gott hat sein Volk nicht verworfen Auf juumldischer Seite ist Paulus selbst das beste Beispiel dafuumlr dass Gott auch denen die das Evangelium bestreiten treu bleibt ndash und noch andere Wege weiszlig sie zur Christuserkenntnis zu fuumlhren16 Juden-Christen haben deshalb wie an Elija zu lernen ist keinen Grund sich von den anderen Isra-eliten zu distanzieren sie selbst verdanken ihr Dasein ja allein der gnaumldigen Wahl Gottes

14 VglWReinboldDasZieldesGesetzesnachRoumlm104-13inLDoeringua(Hg)JudaistikundneutestamentlicheWissenschaftStandortendashGrenzenndashBeziehungenFRLANT226Goumlttingen2008297ndash312

15 ZudieserAuslegungvonRoumlm1019-21vglWilkBedeutung133ndash138194f314f16 VglRoumlm15unddazudenVerweisaufdiePauluszuteilgewordeneOffenbarunginGal

112-16

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 10: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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II2 Roumlm 117-10 Wie aber passt die Aussage viele Israeliten haumltten selbst die Gottesgerechtigkeit verfehlt zu der Auskunft dass diese Gerechtigkeit den uumlbrigen allein durch Gottes Wahl und Berufung zu-teil geworden sei Offenbar nur so dass man auch jene Verfehlung auf Gottes Wirken zuruumlckfuumlhrt und der Heiligen Schrift entnimmt Gott selbst hat viele Israeliten bdquoverhaumlrtetldquo sodass ihnen das Evangeli-um unverstaumlndlich bleibt17

II3 Roumlm 1111-24 Fuumlr die Christusglaumlubigen aus den Weltvoumllkern ergibt sich daraus die Einsicht dass ihr Dasein mehrfach mit dem Geschick jener Israeliten verknuumlpft ist Es wurde ndash so gewiss das Verhaumlrten im Dienst des Heilswillens Gottes steht ndash erst durch ihre Ablehnung des Evangeliums ermoumlglicht es soll jedenfalls einige von ihnen fuumlr das Evangelium begeistern und es ist selbst ein Vorzeichen ihrer zu erwartenden Rettung18 Daher kann Paulus auch im Blick auf Israel seinen Dienst fuumlr die Weltvoumllker preisen die Christusglaumlubigen unter ihnen aber sollen jenen Israeliten gegenuumlber sich nicht ruumlhmen son-dern gewaumlrtigen dass sie ihren Stand nur im Glauben erlangt haben und bewahren werden

Auf dieser Basis kann Paulus in Roumlm 1125-36 seine Ausfuumlhrungen zum Thema abschlieszligen

AuslegungDer Schlussteil von Roumlm 9ndash11 durch die Eingangswendung klar vom Vor-hergehenden abgegrenzt19 gliedert sich in drei Teile 1125-27 bietet die endguumlltige Loumlsung des Problems das mit 91-5 benannt worden ist es folgen unmittelbar angeschlossen ein Resuumlmee der gesamten paulini-schen Darlegungen (1128-32) sowie ein kunstvoll gestaltetes Gotteslob das mit drei herausfordernden Fragen die Briefadressaten einbezieht (1133-36)Die gebotene Problemloumlsung weist genau das Profil auf das vom aumlu-

17 DasVerbpōroō(oftmitbdquoverstockenldquouumlbersetzt)istvomNomenpōros abgeleitet das verschiedeneSteinartenbezeichnet(zBKalksteinoderMarmor)undmeintdemgemaumlszligbdquoverhaumlrtenldquobdquounempfaumlnglichmachenldquo

18 DasKonzeptdesbdquoSamensldquo(anJuden-Christen)derdie kuumlnftige Rettung ganz Israels in Aussicht stelltistdemnachvonderVorstellungGott suche gegenwaumlrtig einige Israe-litenuumlberdiebdquoEifersuchtldquo(aufdienichtjuumldischenChristusglaumlubigen)fuumlrdenChristus-glauben zu gewinnenzuunterscheidenBeideverweisenaufzweiaufeinanderfolgendeStufendesheilsgeschichtlichenHandelnsamVolkIsrael(vglRoumlm1111f14f23f)

19 ZurPhrasebdquoIchwillnichtdassihrinUnkenntnisseidGeschwisterldquovgl1Kor1011211Thess 413

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 11: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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szligeren Rahmen der Kapitel 9ndash11 her zu erwarten ist Ihre Mitteilung er-folgt den Adressaten zur Mahnung und ihr Vollzug wird der endzeitli-chen Vollendung des Heilshandelns Gottes zugeordnet Im Kontext des paulinischen Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund antik-juumldischer Schriftauslegung lassen sich die Aussagen in 1125-27 am besten wie folgt verstehen20

Hatte Paulus in Roumlm 92f die nicht christusglaumlubigen Israeliten seine bdquoGe-schwisterldquo genannt so spricht er als solche nun die Adressaten an und zwar mit Blick auf ihre Beziehung zu jenen Israeliten Ihnen gegenuumlber sollen sich die Christusglaumlubigen in Rom nicht selbst fuumlr klug halten21 Zu diesem Zweck unterrichtet er sie uumlber das bdquoGeheimnisldquo das Gottes Handeln an Israel praumlgt (vgl 1133) und das sich ihm durch das Studi-um der Schrift erschlossen hat22 Dass bdquoIsrael zum Teil eine Verhaumlrtung widerfahren istldquo (sodass das Evangelium unverstaumlndlich bleibt) wissen die Adressaten allerdings bereits aus 117-10 Auch von einer zeitlichen Befristung dieser Verhaumlrtung war andeutungsweise schon die Rede23 Neu ist aber der klare Hinweis auf deren Ende bdquobis die Vollzahl der Weltvoumllker hineingehtldquo Dabei bezeichnetndash bdquobisldquo (achri hou) ein konkretes Ereignis der Zukunft als Endpunkt eines Tuns oder Zustands (vgl 1Kor 1126 1525)ndash bdquoVollzahlldquo (plērōma) ein von Gott fuumlr die Endzeit festgesetztes Maszlig (vgl Gal 44)24 undndash bdquohineingehen (eiserchomai) das Eintreten in einen konkreten Raum (vgl Roumlm 512 1Kor 1423f)

Da das Ziel des Hineingehens nicht eigens genannt wird muss man es aus dem Kontext erschlieszligen Demnach duumlrfte Paulus im Vorgriff auf Roumlm 1126 vom Zug der Weltvoumllker zum Zion sprechen wie ihn biblische

20 ZumFolgendenvglWilkBedeutung38-404656-5864-73199-203210f239-246328f21 VgldendeutlichenAnklanganRoumlm1120bdquoseinichthochmuumltigldquo(mē hypsēla phronei)22 PaulusredethieralsSchriftauslegervoneinembdquoGeheimnisldquoinsofernaumlhnelterdem

bdquoLehrerldquoderQumrangemeinschaftbdquodemGottkundgetanhatalleGeheimnissederWortehellipderProphetenldquo(1QpHab74f)

23 Vgl118(bdquoGeistderBetaumlubungldquo)sowie11121523f24 DieVorstellungbestimmteMenschengruppenmuumlssteneinevonGottfestgesetzteZahl

erreichendamitdieHeilsvollendungeintretenkoumlnneistzBauchinApk6114Esr436syrBar235belegtVgldazuRStuhlmannDaseschatologischeMaszligimNeuenTestamentFRLANT132Goumlttingen1983173ndash175

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 12: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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und weitere antik-juumldische Texte fuumlr die Endzeit ankuumlndigen25 Diese Voumll-kerwallfahrt wird also der partiellen Verhaumlrtung Israels ein Ende setzen ndash bdquound daraufhin26 wird ganz Israel gerettet werdenldquo das heiszligt an der Heilsvollendung teilhaben Die gewaumlhlte Formulierung erinnert vor al-lem an Jes 451725LXX bdquoIsrael wird vom Herrn gerettet eine Rettung auf ewig hellip vom Herrn wird gerechtfertigt und in Gott verherrlicht werden die ganze Nachkommenschaft der Soumlhne Israelsldquo Als Schriftbeleg fuumlhrt Paulus aber ein im Wortlaut leicht bearbeitetes Mischzitat aus Jes 5920f und 279 an27 Mit ihm kann er naumlmlich den Charakter der Rettung de-tailliert beschreibenndash Eingeleitet wird sie dadurch dass bdquoder Retterldquo (ho ryomenos) vom Zion her bdquokommtldquo Die Naumlhe der Aussage zu 1Thess 110 und 1Kor 45 1126 macht deutlich dass sie auf die bdquoParusieldquo Jesu Christi zu beziehen ist28 mit bdquoZionldquo ist dann im Sinne prophetischer Uumlberlieferung (vgl Jes 405 uouml) der irdische Ort seines Erscheinens benanntndash Vollzogen wird die Rettung indem Christus aus dem Haus bdquoJakobldquo ndash dem in Jakob erwaumlhlten Volk Israel (vgl Roumlm 913) ndash jeden Mangel an Got-tesfurcht29 entfernt Als solcher ist hier die Ablehnung des Evangeliums im Blick30 Christus wird demnach bei seinem Kommen den bis dato nicht christusglaumlubigen Israeliten selbst die Augen dafuumlr oumlffnen dass er der er-

25 VgldazuJJeremiasJesuVerheiszligungfuumlrdieVoumllkerFranzDelitzsch-Vorlesungen1953Stuttgart2195948ndash53ndashDieindenEvangelienhaumlufigbezeugtenWendungenbdquoinsReichGotteshellipldquoundbdquoinsLebenhineingehenldquofehlenindenBriefendesPaulusvoumllligalsVerstaumlndnishintergrundfuumlrRoumlm1125kommensiedaherkauminBetrachtAuchumdasEingehenindiezuvor(inRoumlm1116-24)alsOumllbaumdargestelltebdquoHeilsgemeindeldquogehtesnicht(gegenOHofiusDasEvangeliumundIsraelErwaumlgungenzuRoumlmer9ndash11ZThK83[1986]297ndash324hier313)DennbeidieserDeutungmuumlsstemangegendenpaulinischenSprachgebrauchdasVerbbdquohineingehenldquoinuumlbertragenemSinnedeutensowiedasBindewortbdquobisldquoaufeinenlaumlngerenProzessbeziehenndashundimGegensatzzuRoumlm1116-24daseigeneTunderNichtjudenbetonen

26 Mit kai houtōs(woumlrtlichbdquoundsoldquo)wirddieRettungganzIsraelsalslogischeKonsequenzdeszuvorskizziertenGeschehensgekennzeichnetvglzudiesemSinnderWendung1Thess4171Kor1425

27 BeieinemMischzitatwirdeinAusschnitteinesSchriftwortsdurcheinBruchstuumlckeinesanderenersetztumErsteresdurchLetztereszuinterpretierenPaulusverwendetsolcheMischzitateauchinRoumlm927f33118VeraumlnderungendesWortlautswiederumsindeintypischesMerkmalseinerZitationspraxismitihrerHilfeunterstreichterseinVerstaumlndnisderangefuumlhrtenSchriftworteVglzumGanzenWilkBedeutung42ndash59sowieumfassend(mitanderenUrteilenimDetail)D-AKochDieSchriftalsZeugedesEvangeliumsUntersuchungenzurVerwendungundzumVerstaumlndnisderSchriftbeiPaulusBHTh69Tuumlbingen1986102ndash190

28 Vgl1Kor1523f1Thess415fwoparousia(woumlrtlichbdquoDabeiseinldquo)dieendzeitlichebdquoAnkunftldquomeint

29 asebeiaoftmitbdquoGottlosigkeitldquouumlbersetztmeintdasFehlenrechterGottesverehrungvglRoumlm118(-21)

30 VglRoumlm10316a21sowie1128a31a

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 13: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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wartete Retter ist ndash etwa so wie er es auch bei Paulus getan hat (vgl 111)ndash Das Ergebnis der Rettung besteht darin dass Gott31 seine in Christus of-fenbarte Bundesverfuumlgung sich uumlber Juden und Nichtjuden zu erbarmen (vgl 1012) und sie alle an seiner Herrlichkeit teilhaben zu lassen (vgl 81729f)32 auch fuumlr Israel als Ganzes verwirklichtndash Dann wird allen Israeliten zuteil was Christi Tod erwirkt hat die Til-gung der Suumlnden33

Die paulinische Verwendung der Jesajazitate harmoniert gut mit ih-ren urspruumlnglichen Kontexten sofern man diese im Licht der Chris-tusbotschaft liest dann handeln sie (zumal die LXX-Fassungen) von der zeitweiligen Verhaumlrtung Israels (Jes 278) seinem Mangel an Got-tesfurcht und Gehorsam (5913) sowie dem jetzigen Fehlen des Erbar-mens Gottes (2711) aber auch von dem kuumlnftigen Erweis goumlttlicher Barmherzigkeit Gerechtigkeit und Rettung (5916f) der Anerkennung des bdquoHerrnldquo durch die Weltvoumllker (5919) bei seinem Erscheinen in Jerusalem (601f) dem Kommen der Weltvoumllker dorthin (603) der Sammlung ganz Israels zur Anbetung des bdquoHerrnldquo am Zion (2712f) und dem damit verbundenen Reichtum fuumlr alle Welt (276) Besonders interessant ist die Ankuumlndigung dass die Weltvoumllker alle Kinder Jeru-salems auf Schultern nach Jerusalem tragen (604) denn darauf kann sich die Erwartung des Paulus stuumltzen ganz Israel werde erst infolge der Voumllkerwallfahrt Rettung erfahren34

So erlauben es die auf das endzeitliche Handeln Gottes durch Christus gedeuteten Jesajaworte dem Paulus seine Darlegungen zum Thema in einer knappen Zusammenfassung fuumlr die Leserschaft in Rom (Roumlm 1128-32) auszuwerten Gewiss erweisen sich die nicht christusglaumlubigen Is-raeliten mit ihrem Unverstaumlndnis fuumlr und ihrem Widerstand gegen das

31 DieSchriftzitateinRoumlm9ndash11lassenimmerwiederdasbdquoIchldquoGotteszuWortkommenvglHHuumlbnerGottesIchundIsraelZumSchriftgebrauchdesPaulusinRoumlmer9ndash11FRLANT136Goumlttingen1984

32 EsgehthierwederumeinenerstkuumlnftigenBundmitIsraelnochumdessenbereitsvollzogeneErwaumlhlung

33 DerPluralbdquoSuumlndenldquolaumlsstdabeivorallemandieSchuldvorGottdenkenvglRoumlm47uoumlImRahmenvon1125-27duumlrftenichtzuletztderWiderstandgegendieVoumllkermissi-onimBlickseinvgl1Thess216

34 NachgelaumlufigerjuumldischerTraditionistesumgekehrtGottesendzeitlichesRettungs-handelnanIsraelwerdedieWeltvoumllkerzumZionlocken(vglJes555Tob1310fuouml)ndashEineweitergehendeVerknuumlpfungvonRoumlm11mitbdquoIsaiahrsquoslargersbquostorylsquoaboutIsraelldquoinJes59ndash6024ndash27bietetJRWagnerHeraldsoftheGoodNewsIsaiahandPaulbdquoInConcertldquointheLettertotheRomansNTS101Leidenua2002286ndash298

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 14: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Evangelium als bdquoFeindeldquo (Christi)35 Dies geschieht freilich den nichtjuumldi-schen Briefadressaten zugute ndash erst infolge jenes Widerstands ist ja das Evangelium zu ihnen gelangt36 und den Zusagen an bdquodie Vaumlterldquo Israels gemaumlszlig bleibt Gottes Liebe die in der bdquoErwaumlhlungldquo Ausdruck gefunden hat auch fuumlr jene Israeliten bestehen37 Gottes bdquoGnadengabenldquo an Israel (vgl 94f) sind ja ebenso unwiderruflich wie die bdquoBerufungldquo durch Gott die zuerst Israel (vgl 9712) erfahren hat und nun die Gemeinschaft der christusglaumlubigen Juden und Nichtjuden (vgl 924) erfaumlhrt38 So ergibt sich heilsgeschichtlich gesehen ein Entsprechungsverhaumlltnis Einst vor ihrer Hinwendung zum Evangelium waren die nichtjuumldischen Christus-glaumlubigen in Rom (wie andernorts) selbst bdquoGott ungehorsamldquo39 jetzt aber ist ihnen infolge des bdquoUngehorsamsldquo vieler Israeliten gegenuumlber dem Evangelium (vgl 1016) durch das Evangelium Gottes Erbarmen zuteil geworden Auf entsprechende Weise zieht nun der Ungehorsam auf Sei-ten Israels die Erfahrung goumlttlichen Erbarmens nach sich denn so gewiss erst dieser Ungehorsam dazu fuumlhrte dass Nichtjuden (auch und gerade in Rom) jetzt im Evangelium Gottes Erbarmen finden koumlnnen so gewiss soll auch jenen Israeliten Erbarmen widerfahren ndash einigen schon gegen-waumlrtig wenn sie sich von Gottes Zuwendung zu den Weltvoumllkern zum Christusglauben reizen lassen (vgl 1019-21 111113f23) allen anderen dann wenn Christus selbst sich ihnen im Rahmen der Voumllkerwallfahrt zum Zion als Retter offenbaren wird (vgl 1115b2426f)

Damit ist einerseits deutlich Das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes wie es Paulus verkuumlndet stellt die Treue Gottes zu Israel nicht in Frage sondern bestaumltigt sie gerade Denn wenn auch viele Israeliten nicht durch den Glauben an den verkuumlndigten Christus sondern erst im bdquoSchauenldquo des Christus bei der Parusie gerettet werden40 so wird doch die

35 ImZusammenhangderRedevonMangelanGottesfurcht(Roumlm1126)undvonUnge-horsam(1130f)aufSeitenderIsraelitenmussmanbdquoFeindschaftldquoebenfallsaufderen(undnichtetwaaufGottes)HaltungdeutenDieserichtetsicherklaumlrtermaszligengegenChristus(vgl931016f)undimplizitgegenGott(vgl103)esfaumllltaberaufdasseinBezugaufGotthierebensowenigangezeigtwirdwiein1131a(andersalsin1130a)

36 VglRoumlm111112a15a1937 DasWorteklogēerinnertdabeisowohlandiebdquoErwaumlhlungldquoIsraels(Roumlm911-13)als

auchandiebdquoAuswahlldquoderJudenchristen(1157)diedieGeltungderHeilszusagenfuumlrganzIsraelbestaumltigt(sozu927-29)

38MitdemAusdruckklēsislaumlsstPaulusalsoauchseinenGedankenanklingendassdiebdquoBerufungldquovonChristusglaumlubigenausdenWeltvoumllkerneinZeichenderTreueGotteszuIsraelist(sozu1019-211111-14)

39 SiehattenandenIrrtuumlmernundVerfehlungenderVoumllkerweltTeildiePaulusinRoumlm118-32eindringlichbeschreibtVglauch1Kor122Gal481Thess19

40 ZurErwartungeinerZeitdesbdquoSchauensldquovglRoumlm818-251Kor1312

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 15: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Zuversicht dass ganz Israel Rettung erfaumlhrt durch das Handeln Gottes im Evangelium an den Christusglaumlubigen aus Israel und aus den Weltvoumll-kern bekraumlftigt (vgl Roumlm 158f) Andererseits zeigt sich Die Erwaumlhlung Israels wird durch das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes zum Ziel gefuumlhrt denn erst auf dem von Paulus aus der Schrift erschlossenen Weg werden Israel und die Weltvoumllker zum Gotteslob im Angesicht des Chris-tus zusammenkommen Beides aber gilt weil Gott als ein und derselbe im Kern an Israel ebenso handelt wie an den Christusglaumlubigen ndash in voumlllig freier menschlicherseits gaumlnzlich unverdienter Gnadenwahl Wenn nun viele Israeliten bei ihrer Ablehnung des Evangeliums die Gerechtigkeit Gottes verkennen dann wird sich gerade daran deren uumlberlegene Groumlszlige erweisen Gott rechtfertigt die denen es an Gottesfurcht fehlt (vgl 45) So durchdringt die Gerechtigkeit Gottes mit ihrem Sieg uumlber Luumlge und Ungerechtigkeit von Menschen (vgl 34f) die gesamte Heilsgeschich-te bdquoGott hat alle gemeinsamldquo Juden wie Nichtjuden bdquoin den Ungehor-sam eingeschlossen41 damit er sich aller erbarmeldquo (1132) Es ist diese ndash menschlichem Begreifen entzogene ndash Einsicht die Paulus abschlieszligend zum Gotteslob veranlasst (1133-36)

Anregungen zur hermeneutischen ReflexionRoumlm 1125-32 hat bei der Neuorientierung christlicher Kirchen im Ver-haumlltnis zum Judentum nach 1945 mit Recht eine groszlige Rolle gespielt In der Tat koumlnnen sie aus diesen Versen lernen Gott hat bdquosein Volkldquo Israel nicht verworfen dessen Erwaumlhlung hat Bestand sie sind bleibend mit ihm verbunden auch in der Hoffnung auf die Vollendung des Heilshan-delns Gottes Allerdings sind die theologische Praumlgung der Aussagegehalt und die geschichtliche Eigenart des Textes ernst zu nehmen wenn man ihn verantwortlich fuumlr die Gegenwart deuten und auswerten will Aus neutestamentlicher Sicht sei dazu in aller Kuumlrze Folgendes notiert1 Roumlm 1125-32 ist kein Dokument eines Bemuumlhens um interreligioumlse Ver-

staumlndigung sondern Element einer Apologie des paulinischen Evangeli-ums im Horizont des Christusglaubens Paulus legt dar inwiefern seine Predigt der Rechtfertigung aus Glauben und seine Wahrnehmung der Geschichte die Gott mit Israel hat zusammengehoumlren und dabei nutzt er die Heilige Schrift als Zeugnis und Interpretament des Evangeliums

41 DasheiszligtandenUngehorsambdquoausgeliefertldquo(vgldazuPs30[31]977[78]5062)

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 16: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Die Verse geben heute daher in erster Linie Anlass zu einem innerchrist-lichen Gespraumlch uumlber die Theologie des Roumlmerbriefs Dabei muss diese dann auch mit fruumlheren Aumluszligerungen des Paulus und anderen Schriften des Neuen Testaments ins Verhaumlltnis gesetzt werden42

2 In Roumlm 1125-32 spricht der Voumllkerapostel sehr kritisch uumlber die nicht christusglaumlubigen Israeliten im Blick auf das Evangelium schreibt er ihnen bdquofehlende Gottesfurchtldquo und bdquoUngehorsamldquo zu Gewiss interpre-tiert er beides als von Gott bewirkte bdquoVerhaumlrtungldquo doch damit ist die Rede von einer Verfehlung auf Seiten jener Israeliten nicht vom Tisch43 Zudem knuumlpft Paulus deren kuumlnftige Rettung an das Handeln Gottes in Christus Der paulinische Text bietet also keine Basis dafuumlr heute eine friedliche Trennung der christlichen Kirchen vom juumldischen Volk zu befuumlrworten er leitet vielmehr zum geschwisterlichen Streitgespraumlch mit Juden uumlber das Verstaumlndnis der Gerechtigkeit Gottes anSolch ein Gespraumlch koumlnnen Christen im Anschluss an Paulus freilich nur in tiefer Demut fuumlhren Er warnt ja seine Leserschaft vor Hochmut und erinnert sie daran dass sie gerade durch ihre Teilhabe am Evange-lium untrennbar mit jenen Israeliten die es ablehnen verbunden sind Wenn er in dieser Ablehnung Gott selbst am Werk sieht kommt zudem ein missionarisches Auftreten ihnen gegenuumlber nicht in Betracht Und wenn er ankuumlndigt dass Jesus Christus sich der Schrift gemaumlszlig bei sei-ner Parusie als Retter Israels erweisen wird dann heiszligt das auch Die Christuswuumlrde Jesu ist gegenwaumlrtig in ihrer vollen Bedeutung noch gar nicht erkannt das Christusbekenntnis steht also unter dem Vorbehalt dass erst noch offenbar werden muss was Christen glauben und gera-de Juden-Christen bezeugen die Identitaumlt Gottes als Vater Jesu Christi und Gott Israels

3 Was Paulus in Roumlm 1125-32 sagt ist durch die geschichtlichen Um-staumlnde seines Wirkens bestimmt kann also heute nicht einfach rezitiert werden Zumal an drei Punkten wird dies deutlich a) Seine Erwartung

42 VgldazudieEKD-StudiebdquoChristenundJudenIIZurtheologischenNeuorientierungimVerhaumlltniszumJudentumldquoGuumltersloh199131ndash3743ndash55

43 GoumlttlichesundmenschlichesHandelnkoumlnnenndashsogewissinPersonundWirkenJesuChristiGottundMenschzusammenfindenndashnichtmiteinanderverrechnetwerdenwederbeimEvangeliumnochbeiderBegegnungmitihmvgldazuFWilkVerblendetoderverstocktGottesMachtundderMisserfolgdesEvangeliumsinderSichtdesPaulusinRGKratzHSpieckermann(Hg)VorsehungSchicksalundgoumlttlicheMachtAntikeStimmenzueinemaktuellenThemaTuumlbingen2008193ndash214hier205f212

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 17: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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die endguumlltige Rettung stehe nahe bevor (vgl 1311) und seine Vor-stellung Christus werde dazu vom Himmel her kommen um die Voll-zahl der Weltvoumllker am Zion zu sammeln widersprechen einem moder-nen Weltbild Christen muumlssen ihre Hoffnung auf die Heilsvollendung heute anders zum Ausdruck bringen Von Paulus aber ist zu lernen dass dabei die Dimension der Welt- und Voumllkergeschichte nicht auszliger Acht bleiben darf44 b) Sein Modell einer Gemeinde in der juumldische und nichtjuumldische Christusglaumlubige einander respektieren und zugleich mit den nicht christusglaumlubigen Israeliten in Verbindung bleiben ist schon fruumlh gescheitert da in einem fortlaufenden Trennungsprozess Judentum und Christenheit als eigenstaumlndige Religionsgemeinschaften hervortra-ten und das Judenchristentum fast vollstaumlndig unterging Um die Ver-bundenheit der christlichen Kirchen mit dem juumldischen Volk zu erfas-sen bedarf es einer neuen theologischen Konzeption Von Paulus aber ist zu lernen dass dafuumlr die Rede vom bdquoGottesvolkldquo zentrale Bedeutung hat45 c) Seine Saumltze uumlber die bdquoVerhaumlrtungldquo und die bdquoFeindschaftldquo der nicht christusglaumlubigen Israeliten haben Christen schon fruumlh und bis in die juumlngste Vergangenheit hinein auf fatale Weise missverstanden sie haben Juden bdquoVerstocktheitldquo vorgeworfen sie als Feinde und Moumlrder Gottes tituliert ihnen Gottes Zorngericht angesagt und ihnen immer wieder Ehre Rechte Guumlter ja das Leben genommen Angesichts dieser antijuumldischen Wirkungsgeschichte ist eine neue Sprache vonnoumlten um die theologische Bedeutung bdquodes juumldischen Nein zu Jesus Christusldquo zeit- und sachgerecht darlegen zu koumlnnen Von Paulus aber ist zu ler-nen dass dieses bdquoNeinldquo der Christenheit zugute kommt46

44 VglFWilkRuumlhmenundSeufzenZurpaulinischenDeutunggeschichtlicherProzesseundErfahrungenimHorizontdesBekenntnisseszudemeinenGottinUMell(Hg)DereineGottunddieGeschichtederVoumllkerStudienzurInklusionundExklusionimbiblischenMonotheismusBThSt123Neukirchen2011127ndash148

45 VglWKrausDasVolkGottesZurGrundlegungderEkklesiologiebeiPaulusWUNT85Tuumlbingen1996va347ndash361

46 VglF-WMarquardtbdquoFeindeumunsretwillenldquoDasjuumldischeNeinunddiechristlicheTheologieinPvonderOsten-Sacken(Hg)TreuezurThoraBeitraumlgezurMittedeschristlich-juumldischenGespraumlchsFSGHarderVIKJ3Berlin31986174ndash193

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 18: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Exegese aus juumldischer Sicht

Roumlmer 11 und christlich-juumldische BeziehungenExegetische Optionen fuumlr eine andere Uumlbersetzung und Interpretation des Textes1

EinleitungIn Roumlmer 11 wendet sich Paulus an nicht-juumldische Nachfolger Jesu und spricht zu ihnen uumlber die Rolle von Juumldinnen und Juden die den Glauben an Jesus nicht teilen Wer sich heute um eine Revision der problematischen kirchlichen Lehren uumlber das Judentum bemuumlht und in der christlich-juumldi-schen Begegnung aktiv ist erkennt dass mit Roumlm 11 eine hoffnungsvolle Perspektive fuumlr diese Fragen eroumlffnet wird [hellip] Fuumlr zahlreiche kirchliche Erklaumlrungen die sich der Erneuerung des christ-lich-juumldischen Verhaumlltnisses widmen (vgl ua Nostra Aetate) wurde Roumlm 11 dementsprechend als Schriftgrundlage herangezogen Trotz all dieser Bezugnahmen lassen die Uumlbersetzungen von Rom 11 jedoch bis heute kein entsprechendes Bemuumlhen um ein neues Verstaumlndnis der paulinischen Bot-schaft erkennen Vielmehr werden oftmals bei der Uumlbersetzung sprachliche Entscheidungen getroffen die die Aussage des Paulus geradezu unterminie-ren [hellip] Fuumlr die Leserinnen und Leser wird es dadurch nahezu unmoumlglich die biblische Quelle zu verstehen die sie lesen wollen um die neubewerteten Aussagen uumlber Juden und Judentum nachvollziehen zu koumlnnenRoumlm 11 bietet zum einen sehr konkrete Aussagen uumlber Juden und Judentum die fuumlr das Christentum eine positive Sicht auch auf diejenigen Juden begruumln-den die den Glauben an den Messias Jesus nicht teilen Daruumlber hinaus fin-den sich in dem Text zahlreiche metaphorische Ausdrucksweisen die sowohl die positive als auch die negative Einstellung von Christen gegenuumlber dem Judentum begruumlndet haben Die Interpretation dieses Kapitels beeinflusst schlieszliglich grundlegend auch das Verstaumlndnis der Aussagen des Roumlmerbriefes insgesamt vor allem natuumlrlich der nachfolgenden Kapitel Nachdem Paulus seine Argumentation abgeschlossen hat begruumlndet in Roumlm 121 das bdquonun

1 GekuumlrzteundvomAutorfreundlicherweiseautorisierteUumlbersetzungdesBeitragsMarkDNanosRomans11andChristian-JewishrelationsExegeticaloptionsforrevisitingthetranslationandinterpretationofthiscentraltextCriswellTheologicalReview92(2012)3-21

Mark D Nanos

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 19: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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dementsprechendldquo (οὖν) die Aufforderung an die Christus-glaumlubigen Nicht-juden nicht nur untereinander respektvoll zusammenzuleben sondern auch der ganzen Menschheit und nicht zuletzt den Juden die in den Kapiteln bis Roumlm 11 thematisiert wurden mit gleichem Respekt zu begegnen Nicht nur die gaumlngigen Uumlbersetzungen von Roumlm 11 sondern auch die Uumlbersetzungen von Roumlm 12-16 uumlbergehen diesen Zusammenhang allerdings haumlufig[hellip]

Zusammenfassung der Kernaussagen aus V 1-24In V 11 pointiert Paulus seine Aussage durch eine Metapher mit der er auf das Stolpern einiger Israeliten auf dem Weg spricht Die Israeliten sind auf dem Weg zu einem Ziel wie es auch bei Jesaja von den Botschaf-tern heiszligt die zu Israel und von Israel zu den Voumllkern unterwegs sind Innerhalb dieser Bildsprache betont Paulus nun mit Nachdruck dass die Israeliten in Rom auf die er sich bezieht zwar einen Fehltritt gemacht haben und gestolpert sind dass sie damit aber keinesfalls gefallen sindPaulus bringt damit durchaus eine kritisch wertende Sicht auf diejenigen Israeliten zum Ausdruck die seine eigene Uumlberzeugung und die Uumlberzeu-gung seiner Adressaten mit Blick auf die Rolle Jesu nicht teilen Paulus verwendet dabei jedoch eine Bildsprache die von einer zeitlich begrenz-ten Phase spricht und die auf ein positives Ziel hinauslaumluft Diese Sicht ist in gewisser Hinsicht herablassend da er sich selber im Recht und die an-deren im Unrecht sieht Dennoch bringt Paulus ein Grundverstaumlndnis zum Ausdruck dass alle in einen gemeinsamen Prozess eingebunden sind der sie auch untereinander untrennbar aneinander bindet Weiterhin betont er mit Nachdruck dass die Dinge noch nicht an ihr Ziel gekommen sind und abschlieszligende Urteile jedenfalls noch nicht gefaumlllt werden koumlnnen[hellip]Entsprechend ist auch die Botschaft des Oumllbaum-Gleichnisses vor allem eine Warnung an die Nichtisraeliten in Rom dass ihre kostbare Gemein-schaft mit den Israeliten (und dabei auch mit denen die noch nicht die Ansichten von Paulus uumlber Jesus teilen) moumlglicherweise nur von kurzer Dauer sein koumlnnte Es geht alles darum sie vor jeglicher Uumlberheblichkeit gegenuumlber den Israeliten zu warnen als ob sie diese ersetzt haumltten und stattdessen auf ihre eigene Treue zu ihrer Berufung zu achten [hellip] ndash bdquoSei nicht stolz sondern fuumlrchte dichldquo (V 20)Wie auch die metaphorische Rede vom Stolpern einiger so bringt auch das Oumllbaum-Gleichnis damit dieselbe Botschaft zum Ausdruck indem

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 20: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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naumlmlich das Gleichnis auf die unsichere Lage der Nichtisraeliten unter dem Volk Gottes fokussiert Der Status der Israeliten ist dabei nur insofern von Interesse als er als a fortiori Argument (bdquoum wieviel mehrldquo) herhalten muss um jegliche Tendenz zur Arroganz unter seiner nicht-israelitischen Adressatenschaft auszuraumlumen[hellip]

bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo (V 25)Mit V 25 wendet sich Paulus ausdruumlcklich an seine Adressaten die er nun als bdquoBruumlder (und Schwestern)ldquo anspricht Dennoch greift er im me-taphorischen Sinn auf die allegorische Redeweise zuruumlck in der er zu-vor uumlber seine Adressaten als bdquowilden Oumllzweigldquo gesprochen hatte In den meisten Uumlbersetzungen geht dieser Bezug jedoch verloren Oftmals wird die ausdruumlckliche Warnung die Paulus vor jeglicher Uumlberheblichkeit ge-genuumlber den nicht Christus-glaumlubigen Israeliten ausspricht (bdquoRuumlhme dich nicht gegenuumlber den natuumlrlichen Zweigenldquo V 18) sogar in ihr Gegenteil verkehrt So lassen einige Uumlbersetzungen den Eindruck entstehen als ob Paulus den Status von Israel (bzw einiger Israeliten) mit dem von Pharao gleichsetzen wuumlrde dessen Herz von Gott bdquoverstocktldquo wurde Eine derart negative Beurteilung stimmt aber in keiner Weise mit Paulus Argumen-tation uumlberein und stuumlnde in deutlichem Gegensatz zu der weithin po-sitiven Bewertung die Paulus uumlber seine israelitischen Geschwister zum Ausdruck bringt Muss man aber notwendigerweise einen solchen inne-ren Widerspruch in der Argumentation von Paulus annehmenDie Verbindung zwischen dem Herzen Pharaos und der Beurteilung des-sen was vermeintlich mit den Nicht-Christus-glaumlubigen Israeliten falsch sei wird in den Auslegungen der paulinischen Argumentation in aller Regel vorausgesetzt Paulus verwendet nun aber gerade nicht das grie-chische Wort das die bdquoVerstockungldquo von Pharaos Herzen zum Ausdruck bringt (vgl Ex 421 ἐγὼ δὲ σκληρυνῶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ) Vielmehr ver-wendet Paulus ein ganz anderes Wort naumlmlich πώρωσις (V 25) Auch wenn viele Uumlbersetzungen den damit verbundenen Bedeutungsunter-schied nicht zum Ausdruck bringen ist er doch grundlegend πώρωσις wird in der Regel als medizinischer Fachterminus verwendet um einen bdquoKallusldquo dh eine Schwiele bzw einen Starkwuchs an der Stelle von Bruuml-chen zu bezeichnen Auch wenn mit einem Kallus eine bdquoVerhaumlrtungldquo ver-bunden ist so ist dies doch fuumlr das betroffene Koumlrperteil nichts Negatives Im Gegensatz zu der deutlich negativen Konnotation die sich mit der

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 21: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bdquoVerstockung des Herzensldquo verbindet ist es sogar vielmehr ein positiver Vorgang Ein Kallus traumlgt zum Heilungsprozess bei indem er die betroffe-ne Koumlrperpartie schuumltzt so dass das Leben weitergehen kann Ein Kallus dient damit dem Interesse des gesamten Koumlrpers (bzw der Pflanze) dass er wiederhergestellt (gerettet geheilt) werden kannMehrere Gruumlnde sprechen dafuumlr Paulus Terminologie in V 25 im Kontext von einem bdquoKallusldquo und nicht im Kontext von bdquoVerstockungldquo zu interpre-tieren Zum einen stand in den Versen zuvor gerade die Allegorie einer Pflanze im Blick Auch andere metaphorische Anklaumlnge an die Pflanzen-welt in V 25-26a unterstuumltzen dies Im naumlchsten Satz ist von der bdquoFuumllle (πλήρωμα) der Heidenldquo die Rede womit genau die Terminologie aufge-griffen wird mit der man eine volle Bluumlte und eine reiche Frucht bei Pflanzen beschreibt Im darauffolgenden Satz in V 26a wird das letzt-endliche Ziel als bdquoRettung (σωθήσεται) ganz Israelsldquo beschrieben genau wie in botanischer Sprache die bdquoHeilungldquo bzw bdquoGesundungldquo einer Pflanze zum Ausdruck gebracht wird Schlieszliglich sind auch die beiden Haupt-belegstellen in Jes 27 und Jes 59 auf die sich Paulus in den Versen 26f bezieht voll von Analogien aus dem Bereich der BotanikEin weiterer Grund dafuumlr Paulus Sprache hier im Licht eines schuumltzen-den Kallus zu interpretieren der sich bilden muss um die Wiederherstel-lung und Gesundung eines gebrochenen Astes und damit des Baumes insgesamt sicherzustellen liegt in der Modifizierung durch die Worte ἀπὸ μέρους (V 25) was oft mit bdquoeinem Teil vonldquo bzw mit bdquoteilweiseldquo uumlbersetzt wird Uumlblicherweise wird der praumlpositionale Ausdruck ἀπὸ μέρους dabei entweder so verstanden dass einige Israeliten verstockt wurden (vgl Luther 1984 bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahrenldquo vgl auch NRSV) oder aber dass Israel zu einem gewissen Grad verstockt wurde (vgl Elberfelder bdquoVerstockung ist Israel zum Teil widerfahrenldquo vgl auch NIV) Dabei kann der Ausdruck ἀπὸ μέρους jedoch auch in dem Sinne verstanden werden dass er die zeitliche Begrenzung des Geschehens zum Ausdruck bringt bdquoVerstockung fuumlr eine gewisse Zeit ist Israel widerfah-renldquo In Roumlm 1524 bringt Paulus naumlmlich mit eben dieser Terminologie zum Ausdruck dass er bdquofuumlr eine gewisse Zeit (ἀπὸ μέρους)ldquo dh zeitlich begrenzt in Rom bleiben wird bevor er nach Spanien weiterfaumlhrtDiese bisher weitgehend unbeachtete Moumlglichkeit der Uumlbersetzung wuumlr-den den Fokus deutlich mehr auf den temporaumlren Charakter jener au-szligergewoumlhnlichen Ereignisse legen die Paulus als bdquoGeheimnisldquo beschreibt und bei denen er betont dass sich die Dinge nicht so weiterentwickeln

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 22: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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werden wie es zwischenzeitlich scheint sondern dass es in eine ganz an-dere Richtung gehen wird Der Aussage uumlber den Kallus der sich fuumlr Israel ergeben hat bzw der fuumlr Israel gebildet wurde folgen dementsprechend zwei Saumltze die sich mit den weiteren Entwicklungen in einem Prozess und deren Abfolge auseinandersetzen Der Kallus wird anhalten bdquoso lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt ist und dann (bzw und so) wird ganz Israel gerettet werdenldquo (V 25f)Je nachdem ob man eher den Prozesscharakter oder den Zeitaspekt staumlr-ker betonen moumlchte ergeben sich also unterschiedliche Uumlbersetzungs-moumlglichkeiten fuumlr diesen Satz bdquoFuumlr eine gewisse Zeitldquo betont die zeitliche Begrenzung und die Entwicklung die sich vollzieht Beides kann freilich aber auch durch die Uumlbersetzung mit bdquozeitweiseldquo bzw bdquovoruumlbergehendldquo zum Ausdruck gebracht werden Jeder der folgenden Uumlbersetzungsopti-onen scheint demnach plausibel bdquoEin Kallus hat sich zeitweise fuumlr Israel gebildetldquo oder bdquoein voruumlbergehender Kallus hat sich fuumlr Israel gebildetldquo [hellip] Der Sinn und Zweck dieses temporaumlren Geschehens ist zugunsten Israels naumlmlich um Israel zu schuumltzen bis sich die verheiszligene Restaura-tion ereignen wird bdquoein Kallus hat sich zeitweise (zum Schutz von) Israel gebildetldquoAll diese Optionen beinhalten immer noch eine wertende Aussage die Paulus uumlber die Israeliten macht die seine Uumlberzeugungen mit Blick auf Jesus nicht teilen und die ihn daher auch nicht als den Messias fuumlr die Voumllker verkuumlnden wollen was fuumlr Paulus wiederum natuumlrlich integraler Bestandteil seiner Argumentation bleibt Dennoch bringen diese Uumlber-setzungen eine weitaus groumlszligere Wertschaumltzung des Paulus gegenuumlber seinen Geschwistern zum Ausdruck Sie bleiben dabei im Kontext anderer Urteile aus dem Mund der Propheten Israels uumlber einen zeitweisen Zu-stand der Israeliten Sie bieten schlieszliglich auch einen konstruktiveren Zugang fuumlr Christinnen und Christen die sich ein Bild von den Nicht-Christus-glaumlubigen Juden machen wollenEs war immer schon verstoumlrend den Gedanken der (wenn auch zeitwei-sen) bdquoVerstockung der Herzenldquo bei der Beschreibung von Paulus Einstel-lungen gegenuumlber seinen israelitischen Geschwister zu houmlren wenn an-sonsten doch immer betont wird dass Paulus ein durchaus positives Bild seiner juumldischen Geschwister hatte Gibt es also einen Grund der dage-gen spraumlche diese historisch moumlglichen Alternativen in der Uumlbersetzung stark zu machen und sie in die Interpretation dieses Textes und dieser Thematik mit einflieszligen zu lassen

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 23: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bdquoFeinde um euretwillenldquo ndash oder gar bdquoFeinde um Gottes willenldquo (V 28)Nachdem Paulus in V 26f zunaumlchst Belegstellen fuumlr die Gewissheit an-gefuumlhrt hatte dass bdquoganz Israelldquo gerettet wird erklaumlrt er in V 28f sowohl warum dieses Ergebnis auszliger Frage steht als auch warum der unerwar-tete Weg auf dem es erreicht werden wird (bdquoein Geheimnisldquo) dem Wohl seiner nicht-israelitischen Adressaten dient und warum diese daher die Israeliten keinesfalls verachten sollen Auch hier stehen wir jedoch vor notwendigen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung und bei der Interpre-tation die die Logik von Paulus Argumentation verunklaren bzw voumlllig auf den Kopf stellen koumlnnen In der EUuml werden diese beiden Verse bei-spielsweise folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoVom Evangelium her gesehen sind sie Feinde Gottes und das um euretwillen von ihrer Erwaumlhlung her gesehen sind sie von Gott geliebt und das um der Vaumlter willen Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung die Gott gewaumlhrtldquo (V 28f vgl auch NRSV)Kein Manuskript bietet das Wort bdquoGottldquo auf den sich die Feindschaft be-ziehen sollte Dementsprechend vermeiden die meisten Uumlbersetzungen auch diese vollkommen abwegige Eintragung und uumlbersetzen stattdes-sen bdquoFeinde um euretwillenldquo (vgl ua Luther 1984 KJV) Auch wenn die Uumlbersetzung zum Ausdruck zu bringen versucht dass sich die ver-meintliche Feindschaft der Israeliten bdquonurldquo auf das Evangelium bezieht (was immer auch das bedeuten mag) so lassen sie doch uumlberhaupt nicht erkennen dass das Wort ἐχθροὶ (V 28) was uumlblicherweise mit bdquoFeindeldquo uumlbersetzt wird im Griechischen ein Adjektiv ist Es steht in deutlicher Pa-rallelitaumlt zu dem Adjektiv ἀγαπητοὶ im folgenden Vers das mit bdquogeliebtldquo widerzugeben istMit anderen Worten Paulus argumentiert keinesfalls dass sie bdquoFeindeldquo Gottes seien oder dass Gott etwa ihr bdquoFeindldquo waumlre Auch sagt er nicht dass sie die bdquoFeindeldquo der nicht-israelitischen Adressaten waumlren Vielmehr bringt Paulus zum Ausdruck dass sie zeitweise bdquoentfremdetldquo wurden durch Gott zum Wohle jener Nichtisraeliten Wenn sie aber stellvertre-tend bdquoum euretwillenldquo leiden dann sollte das gerade Empathie mit ihnen hervorrufen ndash und das passt nun wiederrum sehr viel besser in den ar-gumentativen Zusammenhang bei Paulus hier und an anderen Stellen Dieser Zustand ist nur temporaumlr betont Paulus weil sie von Gott geliebt sind in seinem Bund als Kinder der Erzvaumlter In Roumlm 94f hatte Paulus zuvor schon einige der unwiderruflichen Gaben Gottes an sie aufgezaumlhlt

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 24: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bdquoSie sind Israeliten damit haben sie die Sohnschaft die Herrlichkeit die Bundesordnungen ihnen ist das Gesetz gegeben der Gottesdienst und die Verheiszligungen sie haben die Vaumlter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christushellipldquo (Luther 1984)Die Uumlbersetzung mit bdquoentfremdetldquo bringt den zentralen Gedanken zum Ausdruck der fuumlr Paulus in seiner Argumentation mit Blick auf seine is-raelitischen Geschwister immer wieder entscheidend war (vgl zB auch bdquostrauchelnldquo) Sie erfahren zeitweise eine Disziplinierung durch Gott werden schlieszliglich aber wiederhergestellt werden entsprechend Gottes Verheiszligungen im Bund mit Israel Paulus ist sich dieses Zieles gewiss weil Gott anderenfalls in seinem schon geschlossenen Bund nicht treu waumlre Genau vor diesem Hintergrund nun fasst Paulus seine Argumente zusam-men mit denen er den nicht-israelitischen Adressaten deutlich gemacht hat dass sie sich auf ihre eigene Zuverlaumlssigkeit konzentrieren sollen Gott wird mit Israel handeln wie er schlieszliglich mit der ganzen Mensch-heit handeln wird auch wenn der Weg in der Zwischenzeit unbegreiflich zu sein scheint (V 30-36) Paulus betont dass die Christus-Glaumlubigen kein Urteil uumlber die Zukunft Israels faumlllen sollen jedenfalls nicht zu die-sem Zeitpunkt und moumlglicherweise uumlberhaupt nie

SchlussEs sind sicherlich mehrere Gruumlnde zu nennen warum Uumlbersetzer bis heute zahlreiche sprachliche Entscheidungen bei der Uumlbersetzung von Roumlm 11 noch nicht revidiert haben Auch wenn das hier nicht in Gaumlnze eroumlrtert werden kann so muss doch zumindest gefragt werden ob die Traumlgheit nicht zu einem gewissen Teil jedenfalls auch an so etwas wie bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo (path dependence John McWhorter) haumlngt Was aus heutiger Sicht logisch und nahezu selbstverstaumlndlich erscheinen mag entspringt oft aus einer fruumlheren Entscheidung die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit und anderen Bedingungen getroffen wurde Einmal etabliert und vielfach wiederholt verdraumlngt eine so getroffene Entscheidung alternative Optionen Eine solche bdquoPfadabhaumlngigkeitldquo kann sich lange Zeit ohne weiteres Problembewusstsein fortsetzen auch wenn sich andere Bedingungen in der Zwischenzeit geaumlndert haben die eine Neuorientierung notwendig machen wuumlrden[hellip] Angesichts einer neu gewonnenen Sensibilitaumlt bei Christinnen und Christen mit Blick auf ihre Wahrnehmungen Lehren und Einstellungen gegenuumlber Juden und Judentum und angesichts neuer Erkenntnisse in der

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 25: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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historischen Forschung die uns die alten Texte in angemessenerer Weise in ihre urspruumlnglichen Kontexte einordnen lassen ist nicht jetzt der Zeit-punkt gekommen um die Uumlbersetzerinnen und Uumlbersetzer sowie nicht zuletzt auch uns selbst als (christliche und nicht-christliche) Ausleger von paulinischen Texten herauszufordern die herkoumlmmlichen sprachli-chen Entscheidungen bei der Uumlbersetzung dieses so zentralen Textes neu zu uumlberdenken

Uumlbersetzung aus dem Englischen Volker Haarmann

Didaktischer Impuls Bibelarbeit zu Roumlm 11 25-32 mit einer Gruppe in der Gemeinde

EinstiegIn der Bibel treffen wir immer wieder auf das Wort Erbarmen und auch in unseren Gottesdiensten wird es haumlufig verwendet Aber was meint das Wort ErbarmenBeginn in der Gruppe Groszliges Blatt Packpapier auf dem das Wort bdquoEr-barmenldquo steht Assoziationen dazu sammeln Andere Begriffe finden mit denen sich das Wort Erbarmen ersetzen laumlsst

Einzelarbeit Saumltze bilden Erbarmen ist wenn hellip

Nennen Sie Situationen in denen a) Sie selber so etwas wie Erbarmen erfahren haben b) Sie selbst so gehandelt haben dass Sie das als bdquosich erbarmenldquo be-zeichnen wuumlrden

Sabine Maurer

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 26: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Austausch

Ein Standbild formen Eine Gruppe stellt ein eigenes Standbild zum Be-griff Erbarmen Alternativ Einige erklaumlren sich bereit sich von anderen zu einem Standbild zum Thema bdquoErbarmenldquo formen zu lassen

Gespraumlch Was sehen Sie Wie stehen die Personen zueinander Wir wirkt da Standbild auf Sie Welche Gedanken kommen Ihnen in Ihrer Po-sition innerhalb der Skulptur Haben Sie Vorschlaumlge zur Veraumlnderung der Skulptur In welcher Weise wurde bdquoErbarmenldquo in der Skulptur gedeutet

Hinfuumlhrung zum BibeltextWir befinden uns in der Mitte des 1 Jahrhunderts n Chr in Korinth Pau-lus bereitet sich auf seine Reise nach Rom vor wo er auf eine ihm bisher unbekannte Gemeinde treffen wird Er hat viele Gemeinden in Nordsyrien Kleinasien und Griechenland gegruumlndet in Rom war er aber bisher noch nicht Hier im Zentrum des roumlmischen Weltreiches hat sich ohne sein Zutun eine christliche Gemeinde gebildet deren Mitglieder hauptsaumlch-lich christusglaumlubige Heiden sind die in enger Beziehung zur juumldischen Gemeinde stehenIhnen schreibt er einen Brief in dem er wichtige theologische Fragen behandelt Der Ausschnitt den wir nun lesen findet sich in den Kapiteln 9-11 des Roumlmerbriefes in denen Paulus sich mit dem Verhaumlltnis von Israel und Kirche auseinandersetzt

Beschaumlftigung mit dem BibeltextWir waumlhlen aus dem Abschnitt Roumlm 11 25-32 zunaumlchst die Verse 30-32 aus (in Kopie austeilen)

Paulus schreibt 30 Wie ihr naumlmlich Gott einst ungehorsam wart jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt31 so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden32 Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 27: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bull Unterstreichen Sie die Schluumlsselwoumlrter (Erbarmen Ungehorsam) bull Arbeiten Sie den Text in eine Tabelle um (Ihr ndash christusglaumlubige

Heden sie - Juden die Jesus nicht angenommen haben) beachten Sie

bull dabei auch die Zeitangaben (einst 3mal jetzt) bull Was ist beiden christusglaumlubigen Heiden und Juden die nicht an

Jesus als Christus glauben gemeinsam bull Visualisieren Sie die Argumentationslogik des Texts zB mit Pfei-

len Kurven Flussdiagramm bull Formulieren Sie drei Fragen auf die Paulus mit diesen Versen ver-

sucht hat zu antworten (zB Wieso wurde das Evangelium von vielen Juden nicht aufgenommen Ist Gott seinem Volk Israel un-treu geworden In welchem Verhaumlltnis stehen christusglaumlubige Heiden zu Gott Haben sie sich Gottes Erbarmen verdient)

2 Roumlm11 23- 32Hier spricht Paulus von einem Geheimnis Vor dem Lesen des Texts Fin-den Sie moumlglichst viele Wortverbindungen in denen das Wort Geheimnis vorkommt zB ein Geheimnis offenbaren ein Geheimnis haben ein Ge-heimnis luumlften jemanden in ein Geheimnis einweihen hellip

Lesen der Verse 25-2825 Liebe Bruumlder und Schwestern ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Voumllker in voller Zahl eingefunden haben26 Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden wie geschrie-ben steht Kommen wird aus Zion der Retter abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit27 Und dies wird der Bund sein den ich mit ihnen schlieszligewenn ich ihre Suumlnden hinweggenommen habe28 Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde um euretwillen im Sinne der Erwaumlhlung aber Geliebte um der Vaumlter willen29 Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung

bull Koumlnnen Sie spontan nach dem ersten Houmlren des Texts sagen um welches Geheimnis es hier geht

bull Formulieren Sie bdquoStolpersteineldquo (Saumltze die aumlrgern Fragen) und sch-

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 28: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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reiben Sie diese jeweils auf eine Karte Karten auslegen und schauen welche zusammengehoumlren Diese Fragen gemeinsam diskutieren Da-mit alle zum Reden kommen mit der Methode Kugellager Die Gruppe bildet mit Stuumlhlen einen Innen- und einen Auszligenkreis Die Personen des Innen- und Auszligenkreises wenden sich einander zu und sprechen uumlber diese Fragen in einer vorher festgelegten Zeit z B drei Minuten Danach ruumlcken die Personen im Innenkreis im Uhrzeigersinn einen Platz weiter wieder Gespraumlch in vorgegebener Zeit dann ruumlcken die Personen im Auszligenkreis gegen den Uhrzeigersinn zwei Plaumltze weiter etc

bull Verstocktheit Israels Lesen Sie Ex 4 21 (7 313f22 8 15 Gott ver-stockt den Pharao) und Jes6 9f (Berufung des Jesaja) Wer ist der Urheber der Verstockung

bull Roumlm11 28 und Roumlm11 25 Welche Rolle in Bezug auf die Verstockt-heit weist Paulus dem Volk Israel zu

bull Fassen Sie in zwei drei Saumltzen zusammen in welches Geheimnis Pau-lus seine Schwestern und Bruumlder in Rom einweiht (Gott hat sein Volk verstockt Dies zeigt sich nach Meinung von Paulus darin dass ein Teil der Juden Jesus ablehnt Davon profitieren aber die Voumllker Die Erwaumlhlung Israels und der Bund Gottes mit seinem Volk sind dadurch nicht in Frage gestellt Sie sind unwiderrufbar Die Verstockung wird nur so lange anhalten bis sich die Zahl der Voumllker in voller Zahl ein-gefunden hat)

bull Lesen Sie den Hymnus in Roumlm11 33-36 mit dem Paulus diesen Brief-teil abschlieszligt Was veranlasst Paulus die Weisheit und Erkenntnis Gottes zu loben und seine Entscheidungen und Wege als unergruumlnd-lich und unerforschlich zu besingen

33 O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis GottesWie unergruumlndlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege34 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen35 Wer hat ihm etwas geliehen und es muumlsste ihm von Gott zuruumlckge-geben werden36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist allesIhm sei Ehre in Ewigkeit Amen

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 29: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bullUumlberlegenSieinwelcherAbsichtPaulusdasWortChristusimgesam-ten Abschnitt (V25-36) vermeidet

Transfer und AnwendungIn den letzten Jahrzehnten haben einzelne Landeskirchen Deutschlands - zuletzt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers am 2911 2013 - ebenso wie die Evangelische Kirche A und HB in Oumlsterreich ihre KirchenordnungenKirchenverfassungen um Texte zum Verhaumlltnis von Christentum zum Judentum erweitert bull Lesen Sie die Passage die der Kirchenordnung Ihrer Landeskirche hin-

zugefuumlgt wurdebull Findet diese Aussage Anhalt am Text des Paulus in Roumlm11 23-32 bull Entspricht die hinzugefuumlgte Passage dem Inhalt von Roumlm11 23 -32

Was laumlsst sie offen In welchen Punkten geht sie daruumlber hinaus bull In welchem Verhaumlltnis stehen Israel und Kirche Wie unterscheidet

sich diese Verhaumlltnisbestimmung zu der von Paulus in Roumlm 11 25-32bull Entwickeln Sie ausgehend von Roumlm11 25-32 eine Perspektive fuumlr das

Verhaumlltnis von Kirche und Israel heute Formulieren Sie einzelne Punk-te fuumlr eine Richtlinie Ihrer KircheGemeinde

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 30: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Didaktischer Impuls Erwaumlhlung oder Verwerfung Entwurf fuumlr die Arbeit mit Erwachsenen

1 Einleitung

Der Israelsonntag steht ndash auch unter dem Titel Gedenktag fuumlr die Zerstouml-rung Jerusalems ndash in unmittelbarer Naumlhe zu dem juumldischen Fastentag Ti-scha beAw Tischa beAw ist ein ernster Tag und erinnert an alle Tragoumldien in der Geschichte des juumldischen Volkes ausgehend von Gottes Entschluss in Numeri 141 das Gemurre nicht mehr zu dulden Beide Tempel sollen an diesem Tag in Flammen aufgegangen sein der erste Kreuzzug begann an Tischa beAw und auch die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto An allen anderen Tagen des Jahres lebt man aus Gottes Gnade an Tischa beAw gedenkt man der gewichenen Gnade Einen solchen Tag wuumlrde mancher gerne aus dem Kalender streichen Doch so funktioniert das natuumlrlich nicht

Der juumldische Kalender mit seinen Festen ist ein Buch voller Erinnerungen Es ist ein Buch in dem sich auf vielfaumlltige Weise Tradition und Religion eingetragen finden und das jeweils individuell erweitert wird Die Ge-schichte wird so zu einem immerwaumlhrenden Kalender in den sich jeder Mensch miteintraumlgt So ist auch Tischa beAw nicht zu tilgen sondern als Fastentag zu begehen die Naumlhe zum Israelsonntag ist unuumlbersehbar auch wenn dieser Tag in der Tradition des christlichen Abendlandes et-liche Bedeutungsverschiebungen erlebt hat Heute tragen wir viele der Gedanken zu Tischa beAw auch in den Gottesdienst zum Israelsonntag beleuchten vielschichtig unser Verhaumlltnis zu den juumldischen Geschwistern Die Tora-Lesung fuumlr Tischa beAw z B steht in Deuteronomium 4 25-40 und korrespondiert mit dem Text der uns fuumlr unsere Uumlberlegungen zum diesjaumlhrigen Israelsonntag zu Grunde liegt Va die Verse 30-31 fuumlhren uns auf die Spur die letztlich auch Paulus verfolgen wird Wenn Du in Not bist und Dich all dies trifft in ferner Zukunft dann wirst Du zuruumlckkehren zum Herrn Deinem Gott und auf seine Stimme houmlren denn der Herr Dein

Julia-Rebecca Riedel

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 31: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Gott ist ein barmherziger Gott Er wird Dich nicht verlassen und Dich nicht verderben und er wird den Bund mit Deinen Vorfahren nicht vergessen den er ihnen geschworen hat

2 Methodisches Vorgehen

Zunaumlchst wird der ganze Text Roumlmer 11 einmal gemeinsam gelesen Da-nach teilt sich die Groszliggruppe in vier Kleingruppen1 auf die jeweils einen Teil des Textes diskutieren und dabei die Frage nach Erwaumlhlung oder Ver-werfung im Hinterkopf haben Um die Textpassagen zu illustrieren bzw in ein anderes Licht zu ruumlcken erhaumllt jede Gruppe ein Textblatt mit einem weiterfuumlhrenden Gedicht des israelischen Dichters Elazar Benyoetz2 und einem dazu ausgewaumlhlten Bild Im Fall der Zusatzmaterialien gilt Alles kann nichts muss Sie sollen illustrieren nicht erschweren und verwirren

Die Aufgabe fuumlr jede Gruppe besteht darin

a) ein Vorverstaumlndnis der Begriffe Erwaumlhlung und Verwerfung festzu-haltenb) den Kerngedanken des Textabschnittes herauszuarbeitenc) den Zusatztext und das Bild zu diskutieren ob Motive wieder zu finden sind welche Probleme illustriert werden und wie sie sich mit dem jeweils zu bearbeitenden Textabschnitt verknuumlpfen lassen

Material fuumlr die Arbeit in den Gruppen an den einzelnen Textabschnit-tena) zu Roumlmer 111-6 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Gott hat sein Volk nicht verworfenbull Gott ist gnaumldigbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

1 TextabschnitteausRoumlmer11a)Roumlmer111-6+1133-36b)Roumlmer117-10+1133-36c)Roumlmer1111-16+1133-36d)Roumlmer1125-32+1133-36

2 AllevierAphorismen-GedichtesindvonElazarBenyoetzunddem2012erschienenBandFraglichtentnommenElazarBenyoetzisraelischerAphoristikerundLyrikerundausgebildeterRabbinergeborenam24Maumlrz1937inWienlebtmitseinerFrauderKuumlnstlerinReneacuteeKoppel(Metaval)inJerusalem

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 32: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Der Tod leitet ein was das Lebenausfuumlhren muumlsste

Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragennur verantworten

In die Welt kommt nichtswas sie uumlberdauern kann

Die Vergaumlnglichkeit ist uns eingegebendie Zukunft aufgetragen

Die Freude ist aufs Kommendedie Lust aufs Vergehende gerichtet

Text Elazar Benyoetz Fraglicht S 99

Uumlberlegung hierzuUm in die Diskussion uumlber die Textpassage einzusteigen koumlnnte es hilf-reich sein das Streetart-Foto Wer steht schlechter da zu betrachten Es wirft die Frage auf wer in den Augen des Herrn erwaumlhlt und wer verworfen ist Eine Diskussion hieruumlber wird schnell moralinsauer daher empfiehlt es sich das Gedicht zur Betrachtung hinzuzunehmen Wie sind die Gedichtzeilen Die Wirklichkeit laumlsst sich nicht befragen nur verant-worten in Bezug auf Roumlmer 11 1-6 + 33-36 zu deuten Und was koumlnnen sie fuumlr unsere Lebenswirklichkeit gerade im Zusammenleben mit den juuml-dischen Geschwistern bedeuten

b) zu Roumlmer 117-10 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt einen durch Gnade erwaumlhlten Restbull Israel ist geteilt in Auserwaumlhlte und Verstocktebull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Steht alles still geht etwas vor

Bild Christin Zuumlhlke Wer steht schlechter da

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 33: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Sein ndash das MoumlglicheLeben ndash das Moumlglichgewordene

Kommt man aus dem Staunenweiszlig man nicht wohin

Sich entschlieszligen ndash oumlffnen

Was das Leben auf Erden erschwertist sein Schwebezustand

Elazar Benyoetz Fraglicht S 98

Uumlberlegung hierzuDer im Bild und im Gedicht zu entdeckende Impuls waumlre das sich aus sich heraus verarbeitende Leiden das die Kunst in vielen Dimensionen kennt So erzaumlhlt Der Schwebende von Ernst Barlach in der Koumllner Antoniter-kirche dem Besucher eine Geschichte von schoumlpferisch verwandeltem Leiden Er ist die tonnenschwere Erinnerung an die Gefallenen zweier Weltkriege geschaffen aus Material das schrecklichen Schmerz in fast jedes Herz gefetzt hat Der Schwebende 1927 gegossen als Mahnmal fuumlr die Gefallenen des 1 Weltkriegs wurde im April 1941 fuumlr die Wehrwirtschaft eingeschmolzen Die urspruumlnglich aus dem Guumlstrower Dom stammende 250kg schwere Fi-gur schwebt heute als Nachguss aus dem Jahr 1953 wieder mahnend im Kirchraum des Domes In der Koumllner Antoniterkirche schwebt ein anderer ein Abguss des Eingeschmolzenen aus dem Jahr 1939 der ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs entstand Der Schwebende ist ein Symbol fuumlr unfassbar tiefes Leiden aber auch fuumlr seine Erhoumlrung Er steht nicht auf einem Graumlberfeld sondern schwebt in einen Raum hinein der Gottesdienstraum ist

c) zu Roumlmer 1111-16 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitet

Bild Der Schwe-bender Guumlstrower Ehrenmal auch genannt im Guumlst-rower Dom Ernst Barlach 1927 Gesicht mit dem Abbild von Kaumlthe Kollwitz Bildnachweis wwwantonitercity-kirchedebarlachs-schwebenderaspx)

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 34: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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bull Durch die Verstockung kommt das Heil zu den Voumllkernbull Paulus hofft dass Israel durch die Eifersucht auf das Heil zu retten

seibull Einmal heilig immer heiligbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Kleine Suumlnden beduumlrfen der Buszligegroszlige der Verzweiflung

Rom wie Jerusalem sind nur nochuumlber Auschwitz zu erreichen

In der Suumlnde klagt die Schoumlpfung sich anund findet ihren Richter

Die gerechte Handdarf nicht gekuumlsst werden

Es ist Ungluumlckwas an Wunder grenzt

Wessen Gott bedarfden sucht er heim

Elazar Benyoetz Fraglicht S 78

Uumlberlegung hierzuDer Gedanke bei der Auswahl dieses Bildes und dieses Textes ist das Mo-ment der Barmherzigkeit Gottes der wie die Kuumlnstlerin Charlotte Salo-mon in ihrem Bild aufnimmt den Menschen mahnt nicht zu vergessen dass er an ihn glaubt Was letztlich nichts anderes heiszligt als das was auch Paulus mit seiner Hoffnung ausdruumlckt Daszlig am Ende jeder zu Gott gefunden hat und keiner verworfen istCharlotte Salomon ist eine der bedeutendsten juumldischen Kuumlnstlerinnen des sich in die Katastrophe des Holocausts stuumlrzenden Deutschlands Zwischen 1940 und 1942 entsteht im Exil Suumldfrankreichs das Singspiel

Bild Moumlgest Du nie vergessen dass ich an Dich glaube von Charlotte SalomonBlatt Nr 4820 in Voolen Edward van (Hg) Charlotte Salomon Leben Oder Theater Prestel Verlag 2004 S 331

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 35: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Leben Oder Theater Salomon ist gerade einmal 23 Jahre alt als sie ndash traumatisiert durch den Suizid ihrer Groszligmutter und der Angst vor der eigenen Geschichte ndash sich gegen den Freitod und fuumlr die Kunst entschei-det 1942 stellt sie Leben Oder Theater fertig etwa ein Jahr spaumlter im Oktober 1943 wird sie in Auschwitz ermordet

d) zu Roumlmer 1125-32 + 1133-36Zu erwarten ist dass die Gruppe als Kerngedanken herausarbeitetbull Es gibt ein Geheimnisbull Die Verstocktheit wird aufgehoben werdenbull Israel wird gerettetbull Der Retter kommt aus Zionbull Gott ist barmherzig UND maumlchtig

Der Glaube fuumlhrt zu Gottverbuumlrgt aber nicht die Ankunft

Der Glaube ist das Tuchin dem sich Gottes Antlitz verhuumlllt

Im Gebet steht man nicht vor Gottsondern stellt sich ihm

Gottes Ferne ist es die den Menschenso nahe geht

Bei Gott ndash wie weit ist es doch

Wer von Gott nichts weiszligist von ihm auch nicht entfernt

Elazar Benyoetz Fraglicht S 75

Uumlberlegung hierzuWie finden wir zu Gott In dieser Textpassage ist vom Geheimnis die Rede Paulus spielt mit dem Begriff auf

Foto Christin Zuumlhlke cut it out

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 36: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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das Christusgeheimnis an wie es sich uns im Markusevangelium praumlsen-tiert Das Geheimnis ist im dazu ausgewaumlhlten Bild wie auch im Gedicht Gott selbst der den Menschen nahe geht Jedoch ist nicht gegeben dass der Mensch in seinem Gottesglauben auch wirklich bei Gott ankommt Das nimmt noch einmal das Motiv der Verstockung auf und die Anklage Paulusrsquo Israel halte am Gesetz fest und erkenne darin nicht Christus Auf dem Streetart-Foto ist ein kleiner Junge zu sehen der ein Buch be-trachtet dessen Titel ndash so scheint es ndash cut it out ist Im Gedicht heiszligt es Wer von Gott nichts weiszlig ist von ihm auch nicht entfernt Wissen erlan-gen wir zum einen aus Buumlchern zum anderen aus Erfahrungen die wir machen oder besser die wir sammeln Hier auf dem Bild ist ein Buch eine Aufforderung cut ist out Wie sammeln wir Gotteserfahrung Ausschnei-den aus Buumlchern Erfahrungen im Leben

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 37: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Vom Nutzen des juumldischen Neins zum Messias Jesus Predigt uumlber Roumlmer 11 25-32 bdquohellipdamit ihr euch nicht selbst fuumlr klug haltetldquo (V25) Das war also schon damals das Problem Der Hochmut der Christen und Christinnen Ihr Uumlber-legenheitsgefuumlhl Juden und Juumldinnen gegenuumlber Ihr Duumlnkel wir wissen es besser Wir wissen mehr als die Judenheit Wir kennen ihren Messias Wir koumlnnen sie belehren sie missionieren So nahm der Wahnsinn seinen Lauf eine bald zweitausendjaumlhrige Ge-schichte der christlichen Judenmission Nicht erst mit Kaiser Konstantin nein schon zu Zeiten der Apostel kam es zu dieser schrecklichen Fehl-entwicklung Die Mahnung des Apostels wurde offensichtlich in den Wind geschlagen Dieses christliche Uumlberlegenheitsgefuumlhl hat durch die Jahrhunderte den Antijudaismus in Theologie und Kirche bestimmt und im 19 Jahrhundert dem modernen Antisemitismus das Feld bereitet der schlieszliglich zur Shoa gefuumlhrt hatSeit sechzig Jahren bemuumlhen sich Christen diese Fehlentwicklung umzu-kehren Um 180 Grad Statt Juden zu belehren haben wir Christen von Juden zu lernen bdquoVon Juden lernenldquo um die eigene Religion und Kultur besser verstehen zu koumlnnen Radikale Abkehr von christlichem Uumlberle-genheitsduumlnkelGeboren ist die Haltung der Uumlberlegenheit in der Uumlberzeugung bdquoWir glau-ben an den Messias Jesus die Juden nicht Und darum Wir sind geret-tet die Juden nichtldquo Solche wissenden zur Judenmission entschlossenen Christinnen und Christen gibt es leider bis heute ndash nicht nur in Amerika Diese Bescheid-Wisser bekommen es hier mit Paulus zu tun Der Missio-nar schlechthin liest ihnen die Leviten Er uumlberfuumlhrt sie ihres Irrtums und belehrt sie eines Besseren Er hat dafuumlr Autoritaumlt weil er wie kein anderer mit Eifer missioniert hat So erfolgreich er bei den Nichtjuden war sie fuumlr den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen so erfolglos war er bei seinesgleichen bei seinen Freunden seinen Kollegen seinen Verwand-ten Dieser Misserfolg hat ihm Kummer bereitet Sein Scheitern hat ihn angefochten und zweifeln lassen Immer wieder hat er gefragt Warum bdquoWarum kommen die die mir am Herzen liegen nicht zu der gleichen begluumlckenden Erkenntnis wie ich selbstldquo

Rainer Stuhlmann

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 38: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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In seinem letzten Brief dem Brief an die Roumlmer zieht er das Resuumlmee seiner Anstrengungen In all seinen Kaumlmpfen um das Ohr und das Herz seiner juumldischen Geschwister hat sich ihm mehr und mehr eine Antwort auf seine Klagen erschlossen die er selbst ein bdquoGeheimnisldquo (V 25) nenntEin erschlossenes Geheimnis ist keine Allerweltsweisheit keine Erkennt-nis die offen auf dem Tisch oder gar auf der Straszlige liegt Ein erschlos-senes Geheimnis ist etwas das wie ein kostbares Geschenk ausgepackt ausgewickelt aufgeschlossen werden will Der Kern dieser geheimnisvol-len Erkenntnis ist mitten in der Tora zu lesen Gleich nach dem Empfang der Zehn Gebote ist dort von Israels Ungehorsam seiner Halsstarrigkeit die Rede An die Stelle des lebendigen Gottes haben sie das Goldene Kalb gegossen Statt ihrem unsichtbaren Befreier zu trauen haben sie sich der Sichtbarkeit und Machbarkeit versklavtUngehorsam wird bestraft Das lehrt uns die Alltagserfahrung Aber die Tora buumlrstet den Alltag gegen den Strich Sie lehrt uns Trotz allem Gott bleibt seinem geliebten Volk treu auch wenn es ungehorsam ist Gott bleibt seinem Volk zugewandt Seine ausgebreiteten Arme machen das unuumlbersehbar anschaulich (Jes 652 Roumlm 1021) Gottes Wort macht Is-rael lebendig und bewegt es zur Umkehr bdquoWem ich gnaumldig war dem wer-de ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2Mose 3319) Den Satz aus der Tora zitiert Paulus zwei Kapitel vorher (915) Und hier resuumlmiert er bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (V 29)Es dauert eine Weile bis sich diese auszligerordentliche Zusage ausfaltet Paulus ist einen langen quaumllenden Weg mit vielen Umwegen und Irrwe-gen gegangen bis er zu der befreienden Erkenntnis kam bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (V26) Diese im Wort Gottes geborene Zukunfts-hoffnung erschlieszligt ihm die Raumltsel der Gegenwart Paulus kommt zu drei fuumlr ihn neuen Erkenntnissen (V25)1 Das Nein Israels zum Messias Jesus ist nicht Israels Tat sondern Gottes Werk Gott selbst hat die Ohren der Juden verstopft und das Herz Israels hart gemacht Gott ist der Urheber von Israels Nein Darum hat es keinen Zweck dagegen anzurennen Zu dieser Einsicht kommt der Missionar am Ende nachdem er Jahre lang gegen dieses Nein angerannt ist Und wie toumlricht war die Kirche es fast 2000 Jahre lang genauso zu machen statt dieser spaumlten Einsicht des Paulus zu trauen2 Dass nur wenige Juden den Messias Jesus anerkennen ist kein Grund traurig zu sein Die Existenz dieser wenigen Juden ist vielmehr ein Vorzei-

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 39: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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chen Auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist die nicht groumlszliger wird Sie sind wie die Erstlingsgabe wie Sauerteig wie ein Saatkorn wie die erste Rate in der die Rettung des ganzen Israel schon eingeschlossen ist Mit diesem kleinen Teil ist die Rettung der ganzen Gemeinschaft versprochen 3 Wenn der barmherzige Gott es ist der Israels Ohren verstopft und sein Herz hart gemacht hat dann kann diese Verhaumlrtung nur zeitlich begrenzt nur vorlaumlufig sein Sie ist nur eine Etappe auf Gottes Weg mit seinem Volk an dessen Ende die Rettung aller steht

Und damit wird der Weg frei das Nein Israels zum Messias Jesus positiv zu sehen Wer Juden missionieren will der sieht dieses Nein als etwas Negatives an Es ist dann wie ein Hindernis fuumlr die Rettung Israels das durch Judenmission uumlberwunden werden muss Aber Paulus kann dem Nein Israels zu seinem Messias etwas Positives abgewinnenBisher hatte er nur die Nachteile dieses Neins gesehen jetzt erschlieszligen sich ihm die Vorteile Das Nein Israels dient uns Christen den Menschen aus der nichtjuumldischen Welt die wir Ja sagen zum Messias Jesus Und worin besteht dieser Vorteil Um es vorab in einem Satz zu sagen Es bewahrt uns vor Hochmut und lehrt uns DemutDas Nein der Juden ist ja nicht unbegruumlndet Sie haben gute Gruumlnde dafuumlr Jesus als Messias abzulehnen Und es tut uns Christen gut die-se Gruumlnde gruumlndlich und ausfuumlhrlich wahrzunehmen statt sie vorschnell und selbstgerecht wegzuwischen Eine chassidische Geschichte macht das anschaulich Den Streit zwischen einem christlichen Priester und einem Rabbi uumlber die Frage ob der Mes-sias schon gekommen sei beendet der Rabbi damit dass er dem Priester den Ruumlcken zukehrt und schweigend aus dem Fenster schaut bdquoWarum redest du nicht weiterldquo fragt der Priester nach einer Weile bdquoIch schaue in die Welt hinausldquo antwortet der Rabbi bdquoWarumldquo bdquoIch pruumlfe ob der Messias schon gekommen ist ob der Saumlugling gefahrlos mit der Gift-schlange spielt (Jes 118) ob Wolf und Lamm sich liebevoll umarmen (Jes 116 6525) ob die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet sind (Jes 24) ob alle satt werden und niemand stirbt bevor er die Hundert erreicht hat (Jes 65 20-23)ldquoAnwaumllte der unerfuumlllten Verheiszligungen Gottes ndash das sind Jude und Juuml-din mit ihrem Nein im Gegenuumlber zur Christenheit Und zugleich sind sie Anwaumlltinnen der Realitaumlt Ihr Nein bewahrt uns davor zu vollmundig zu selbstgewiss unseren Glauben an den Messias Jesus zu bekennen Der an

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 40: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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den wir glauben ist nicht der strahlende Gottessohn der keinen Anlass zum Zweifel gibt Nein Er ist der missratene Gottessohn der am Kreuz Gescheiterte Da ist nichts zu sehen das ihn als Retter der Welt auswiese Und der Auferstandene Der Auferstandene ist der der sich uns entzogen hat Als Maria von Magdala ihn erkannt hat entzieht er sich ihr Als die Juumlnger in Emmarsquous () ihn erkennen entzieht er sich ihnen Der gekreu-zigte und auferstandene Jesus macht sich aus dem Staub Er laumlsst die die an ihn glauben im Staub zuruumlck ohne dass er ihnen irgendetwas in die Hand gibt Nichts haben sie in der Hand Nur im Ohr haben sie seine Zusage bdquoIch werde wieder kommenldquo Der an den wir Christen und Chris-tinnen glauben eben der versetzt uns in den Wartestand Er weckt unsere Hoffnung unsere Sehnsucht unsere ErwartungDas juumldische Nein bewahrt uns davor unsere Glaubenserfahrungen in der Gegenwart schon fuumlr die Erfuumlllung seiner Verheiszligungen zu halten Nein Gottes Verheiszligungen stehen noch aus Das juumldische Nein bewahrt uns davor uns mit der Welt wie sie ist abzufinden Es bewahrt uns davor einverstanden zu sein zufrieden zu sein die Bruchstuumlcke gelingen Lebens schon fuumlr das Ganze zu halten Wir sind - wie Juumldinnen und Juden - un-terwegs und noch nicht am Ziel Mit dem Kommen Jesu ist noch nicht alles vollbracht Es gibt noch zu viel was zu wuumlnschen uumlbrig laumlsst zu viel was auf sich warten laumlsst

Manchmal wirft uns ein tragischer Unfall oder ein ploumltzlicher Tod aus der Bahn Auch wenn wir nicht selbst direkt betroffen sind trauern und klagen wir mit den direkt betroffenen Menschen Mit ihnen halten wir die bohrende und wuumltende Frage aus die angesichts des Leides aufbricht bdquoMein Gott wie konntest du das zulassenldquo Auch als Pastor bin ich weit davon entfernt diese bohrende Frage mit einer frommen Antwort zu versehen und sie damit zum Schweigen zu bringen Ich glaube nicht dass Gott mit Unfall und Ungluumlck einen Plan hat Ich glaube uumlberhaupt nicht dass schreckliche Unfaumllle Gottes Willen entsprechen Ich glaube dass vieles in dieser Welt gegen Gottes Willen geschieht Aber ich bin nicht einverstanden damit Und das macht mich traurig und wuumltend und zornig Das naumlhrt meine Zweifel Und manchmal bringt es mich auch zur Verzweiflung Und wenn ich dann wage Gott mit solchen trostlosen Erfahrungen zu-sammen zu bringen merke ich Das geht nur in der Gestalt der Klage Da ist nur Protest moumlglich Die ungeschoumlnte Gegenwart aushalten ndash und

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 41: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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zugleich an den Verheiszligungen Gottes festhalten Wer das wagt dessen Gebete werden wie von selbst zu Klagegebeten Dann merke ich dass mit den vielen offenen Fragen die unbeantwortbar stehen bleiben auch die groszlige Frage fuumlr mich offen ist Wann kommst du der du die Welt regierst Wann setzt du deinen guten Willen durch gegen alles Elend dieser Welt Wann endlich schaffst du Gerechtigkeit Wann endlich ist der Tod verschlungen vom LebenDass auch wir die wir an den gekommenen Messias Jesus glauben sol-che Fragen stellen duumlrfen ndash nein stellen muumlssen dazu ermutigt uns das juumldische Nein Wir lernen dass der Zweifel zum Glauben gehoumlrt wie der Schatten zum Licht Dass ein Glaube ohne Zweifel Aberglaube ist Wir ha-ben als Glaubende nichts in der Hand Mit leeren Haumlnden glauben heiszligt Warten Suchen Fragen Sehnsucht In der Juden Schulen lernen wir Christen Demut und wir lernen unseren Glaubenshochmut und unseren frommen Stolz hinter uns zu lassenUnd so bekommen wir teil am Glauben der Judenheit dass Gott sich der Gottlosen erbarmt dass er die Verworfenen erwaumlhlt dass auch wir als Menschen aus der nichtjuumldischen Voumllkerwelt teilhaben an den Verhei-szligungen fuumlr Israel Dass auch die Feinde des Evangeliums Geliebte werden und die Ungehorsamen erwaumlhlt werden (V28-30)

Juden brauchen unsere Mission nicht Wenn am Ende ganz Israel gerettet wird dann geschieht das an der Kirche vorbei Fuumlr die Rettung Israels ist die Kirche uumlberfluumlssig Die Rettung seines Volkes Israel hat Gott zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt Wahrscheinlich stellt sich Paulus das so vor wie er es selber vor Damaskus erlebt hat Keine christlichen Missionare haben aus dem Saulus einen Paulus gemacht sondern der Herr selbst So hat Paulus am eigenen Leibe die Grundeinsichten der Tora neu gelernt Die Verwor-fenen sind erwaumlhlt Die Gottlosen sind Gott rechtDie Rettung Israels geht an der Kirche vorbei Darin liegt eine ungeheure Kraumlnkung fuumlr die Kirche Vielleicht hat die Kirche diese biblischen Ein-sichten deshalb so gruumlndlich verdraumlngt weil sie diese Kraumlnkung nicht aushalten wollte Weil sie sich selber fuumlr zu klug fuumlr zu wichtig und unentbehrlich gehalten hat Wenn die Rettung Israels zur bdquoChefsacheldquo erklaumlrt ist dann ist kirchliche Judenmission nicht nur nicht geboten son-dern vielmehr nicht erlaubt Das Unternehmen bdquoJudenmissionldquo ist eine Anmaszligung Ausdruck christlichen HochmutesBegruumlndet wird diese verwegene und mutige Perspektive mit Worten der

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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Propheten Israels (Jes 5920 Jer 3133) Wie Gott selber die Verhaumlrtung Israels bewirkt hat so wird er am Ende diese auch wieder aufheben alles Stoumlrende wegnehmen und so den Bund mit Israel erneuern (V26-27) Das wird der bdquoErloumlser vom Zionldquo (V27) tun Das ist eine Bezeichnung des Got-tes Israels (Jes 5920) Fuumlr Paulus ist natuumlrlich klar dass der Messias Jesus dabei nicht uumlberfluumlssig ist Aber hier redet er weder von Jesus noch dem Messias Das ist wahrer Glaube Er pfuscht dem Herrn nicht ins Handwerk Er respektiert dass Gott der Unverfuumlgbare ist Der Glaubende laumlsst dem Herrn die Freiheit wie und als wer er handeln wird Da ist aller Stolz gebrochen Das ist das Ende jedes christlichen Triumphalismus Auch am Ende haben die Christen den Juden nichts voraus bdquoGott hat beide einge-schlossen in den Ungehorsam damit er sich beider erbarmeldquo (V32) Das ist wahre Demut Und diese Demut fuumlhrt zu einer groszligen GelassenheitVon dieser Gelassenheit erzaumlhlt man sich eine Geschichte aus den zwan-ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Juden und Christen haben zuein-ander gefunden und dabei wieder entdeckt dass sie viel mehr verbindet als sie trennt Einzig die Frage ob der Messias den beide Juden und Christen erwarten schon einmal gekommen ist oder nicht trennt sie bdquoFast zweitausend Jahre lang haben wir darum gestrittenldquo sagten sie bdquolasst uns aufhoumlren darum zu streiten lasst uns stattdessen auf ihn war-ten Wenn er kommt soll er doch selber sagen wer er ist Er ist doch der Herr er hat doch das Sagen nicht wirldquo Franz Rosenzweig der juumldische Religionsphilosoph hat noch eins drauf gesetzt und hinzugefuumlgt bdquoWenn der Messias kommt dann moumlchte ich ganz nahe bei ihm stehen und ihm noch bevor er etwas sagen kann zufluumlstern bdquoVerrate es nichtldquo Auch am Ende soll keine Religion uumlber die andere triumphieren Wer hier zu trium-phieren hat ist einzig der Herr Auf ihn warten wir Ihn erwarten wir Ihn sehnen und beten wir herbei Damit diese Welt werden kann wie Gott sie gedacht hat AmenEmpfohlen wird als Lesung 2 Mose 3323-33 mit dem (von Luther falsch uumlbersetzten) Satz den Paulus in Roumlm 915 zitiert bdquoWem ich gnaumldig war dem werde ich auch gnaumldig sein Wessen ich mich erbarmt habe dessen erbarme ich mich auch jetzt und in Zukunftldquo (2 Mose 3319)

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 43: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Zur liturgischen Gestaltung

EinleitungFuumlr den diesjaumlhrigen Israelsonntag schlagen wir vor besonders die Ge-meinsamkeiten zwischen Christentum und Judentum hervorzuheben Es gibt so viele Parallelen Wir koumlnnen unseren eigenen Glauben und unse-re Art Gottesdienst zu feiern gar nicht verstehen ohne das Judentum Dieses kann in dem Gottesdienst auch symbolisch deutlich werden Als Material benoumltigen Sie dafuumlr lediglich sieben Kerzen

Angebote der Liturgie

Liturgische Farbe gruumln

WochenspruchbdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquo (Psalm 3312)

Psalm Psalm 23Lesung 2 Mose 191-6Predigttext Roumlmer 1125-32

KerzenaktionDieser Gottesdienst-Entwurf regt dazu an die Gemeinsamkeiten zwi-schen Christentum und Judentum besonders hervorzuheben An sieben Stellen des Gottesdienstes wird jeweils benannt was die christliche Kir-che mit ihren juumldischen Glaubensgeschwistern verbindet 1 Gottesdienst zu feiern 2 das Beten der Psalmen 3 das bdquoAlteldquo Testament die juumldische Bibel 4 Lieder 5 eine Textauslegung (Predigt) 6 das Gebet zu Gott unserem Vater und 7 der Aaronitische Segen1 Bei jedem dieser Gottes-dienst-Teile wird eine Kerze angezuumlndet und auf den Altar gestellt Diese sieben Lichter stehen symbolisch fuumlr die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Judentum Lichter die uns aufgehen wenn wir

1 SelbstverstaumlndlichgibtesvieleweitereGemeinsamkeitenundVerbindungendiejedochnichtalleineinemGottesdienstthematisiertwerdenkoumlnnen

Fritz Baltruweit und Melanie Mordhorst-Mayer

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 44: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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eher das betonen was uns verbindet ndash und nicht das was uns trennt Die sieben Kerzen erinnern zudem an die Menorah den siebenarmigen Leuchter der im juumldischen Tempel stand und bis heute in vielen Synago-gen zu finden ist ndash ein bekanntes Symbol fuumlr das Judentum

Aussagen des GottesdienstesDer Wochenspruch aus Psalm 3312 preist das auserwaumlhlte Volk Gottes bdquoWohl dem Volk dessen Gott der HERR ist dem Volk das er zum Erbe erwaumlhlt hatldquoIn diesem Gottesdienst beten wir Psalm 23 Dieser Psalm ist der Gemein-de vermutlich am besten bekannt und vertraut ndash er begleitet viele durch ihr ganzes Leben So ist dieser Psalm hervorragend geeignet um deutlich zu machen wie stark die Psalmen im Leben von Juumldinnen und Juden verankert sind und welchen Schatz auch wir Christinnen und Christen im Psalter habenDas entfaltete Kyrie und Gloria ist ein passender Ort um die veraumlnderte Haltung vom Christentum zum Judentum zu bedenken Jahrhunderte-lang haben Christinnen und Christen eher die Unterschiede betont Im-mer wieder haben sie Juumldinnen und Juden verleumdet unterdruumlckt und ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Kyrie In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Die Gemeinsamkeiten ruumlckten in den Vordergrund Begegnungen auf Augenhoumlhe ermoumlglichten einen Neuanfang GloriaDie Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 beschreibt die be-sondere Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel Wir houmlren wie Gott sein Volk Israel bdquowie auf Adlerfluumlgelnldquo aus Aumlgypten herausfuumlhrte und sicher durch die Wuumlste leitete Er schloss einen Bund mit seinem auser-waumlhlten Volk Dieser Bund gilt Fuumlr immerIn dem Predigttext Roumlmer 1125-32 geht es um Gottes Heil sowohl fuumlr Christinnen und Christen als auch fuumlr Juumldinnen und Juden Paulus spricht von einem bdquoGeheimnisldquo wenn er sagt bdquoVerstockung ist einem Teil Israels widerfahren so lange bis die Fuumllle der Heiden zum Heil gelangt istldquo (v 25) Die Verstockung des juumldischen Volkes gehoumlrt also wesentlich zu Got-tes Heil dazu sie kommt den Christinnen und Christen zugute Eindeutig ist bdquoGanz Israel wird gerettet werdenldquo (v 26) denn bdquoGottes Gaben und Berufung koumlnnen ihn nicht gereuenldquo (v 29)

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 45: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Lieder Die im EG vorgeschlagenen Wochenlieder bdquoGott der Vater steh uns beildquo (EG138) oder bdquoNimm von uns Herr du treuer Gottldquo (EG 146) stehen beide in der Tradition der Buszlig- und Klagelieder und passen daher nicht zu dem hier entworfenen Gottesdienst Um eher die Verbundenheit zwi-schen Christentum und Judentum auszudruumlcken werden an ihrer Stelle in diesem Gottesdienst mehrere Psalm-Lieder gesungen bdquoIch lobe meinen Gottldquo (EG 272) und bdquoSingt singt dem Herren neue Liederldquo (EG 286) Auch das Lied bdquoFreunde dass der Mandelzweigldquo (EG 620) druumlckt die Verbun-denheit aus Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Lie-dermacher die Melodie Als Lied zur Sammlung der Kollekte stehen zwei Alternativen zur Auswahl Entweder bdquoGeist des Glaubensldquo (EG 137) in denen Vorbilder des Glaubens ndash ua Abraham Mose David Elia ndash besun-gen werden oder bdquoWohl denen die da wandelnldquo (EG 295) ndash ein weiteres Psalm-Lied Die Fuumlrbitten und das Vater Unser werden gerahmt durch den bekannten hebraumlischen Kanon bdquoSchalom chaverimldquo (EG 434)

Vorschlaumlge zur Gestaltung des Gottesdienstes (Ablauf)Eroumlffnung und Anrufung

Glockengelaumlut

Musik zum Eingang

Votum

Begruumlszligung ndash Erste Kerze

Psalm 23 EG 711

bdquoAusleitungldquo des Psalms ndash Zweite Kerze

Lied EG 272 Ich lobe meinen Gott

Vorspruch zum Kyrie

Kyrie

Vorspruch zum Gloria

Gloria

Tagesgebet

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 46: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Verkuumlndigung und Bekenntnis

Hinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6 ndash Drit-te Kerze

Schriftlesung 2 Mose 191-6

Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum Glaubensbekenntnis

Apostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der Mandelzweig ndash Vierte Kerze

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt ndash Fuumlnfte Kerze

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette oa

Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

[Abendmahl1]

Einleitung

Abendmahlsgebet

Sanctus

Einsetzungsworte

Vater Unser

Austeilung

Dank

Lied Hinneh mah tow

Sendung und Segen

Hinfuumlhrung zum Gebet ndash Sechste Kerze

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

1 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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Einleitung zum Segen ndash Siebente Kerze

Segen

Musik zum Ausgang

Entfaltete LiturgieEroumlffnung und AnrufungGlockengelaumlutMusik zum EingangVotum

Im Namen Gottesder sein Volk Israel erwaumlhlt hatund treu zu seinem Bund stehtim Namen Jesu Christider Gottes Liebe gelebt hatund uns in die Nachfolge ruftund im Namen des Heiligen Geistesder uns mit hineinnimmt in die Gemeinschaft der Glaubendenund uns hier in diesem Gottesdienst zusammenfuumlhrt Amen

BegruumlszligungHerzlich willkommen zu diesem Gottesdienst Schoumln dass Sie heute [ndash mitten in den Schul-Ferien ndash] in die Kirche gekommen sind Heute ist ein ganz besonderer Sonntag der soge-nannte bdquoIsraelsonntagldquo [Er wird traditionell am 10 Sonntag nach Trinitatis gefeiert]

Auch wenn wir uns das haumlufig gar nicht bewusst machen Unser christlicher Glaube und auch unser Gottesdienst haumlngen aufs Engste mit dem Judentum zusammen Das wollen wir an diesem Sonntag deutlich machen Waumlhrend des heutigen Gottesdienstes zuumlnden wir sieben Mal jeweils eine Kerze an und stellen sie auf den Altar ndash als Zeichen der Verbun-denheit mit unseren juumldischen Glaubensgeschwistern Sieben Lichter Der siebenarmige Leuchter die Menorah stand im juumldischen Tempel

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

52

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 48: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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und ist bis heute ein wichtiges Symbol fuumlr das Judentum [In vielen Synagogen steht eine Menorah Unsere sieben Kerzen sollen heute auch daran erinnern]

Die erste Kerze zuumlnden wir gleich jetzt zu Beginn des Gottesdienstes an Wir verdanken unseren juumldischen Glaubensgeschwistern dass wir ndash wie sie ndash uumlberhaupt in dieser Weise Gottesdienst feiern [Dass wir gemeinsam zu Gott unserem Vater beten Texte der heiligen Schrift lesen und uumlber sie predigen Lieder singen Gott loben und ihn bitten und uns unter seinen Segen stellen] Als Zeichen der Verbundenheit stellen wir diese Kerze auf den Altar

Die erste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Wir beten gemeinsam Psalm 23

Psalm 23 EG 711 Der Psalm wird gemeinsam gesprochen

Der HERR ist mein Hirte mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer gruumlnen Aue und fuumlhret mich zum frischen Wasser Er erquicket meine Seele Er fuumlhret mich auf rechter Straszlige um seines Namens willen Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fuumlrchte ich kein Ungluumlck denn du bist bei mir dein Stecken und Stab troumlsten mich Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Du salbest mein Haupt mit Oumll und schenkest mir voll ein Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar Amen

bdquoAusleitungldquo des PsalmsWir haben Psalm 23 zusammen gesprochen Auch die Psalmen verbinden die juumldische und die christliche Gemeinde

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 49: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Denn der Psalter ist das Liederbuch der juumldischen Bibel Wenn Jesus und auch die ersten Gemeinden Lieder gesungen haben dann waren es vor allem Psalmen Auch wir singen und beten sie [in jedem Gottesdienst]

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die zweite Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die zweite Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Psalm 23 begleitet viele durch das ganze Leben So auch Schalom Ben-Chorin den juumldischen Schriftsteller Er lebte von 1913 bis 1999 und engagierte sich nach dem 2 Weltkrieg in Deutschland fuumlr den christlich-juumldischen Dialog Schalom Ben-Chorin fragte einmal in abendlicher Runde nach ein paar Glaumlsern Rotwein bdquoWissen Sie warum ich den 23 Psalm so gern mag ndash Weil es darin heiszligt hellipund schenkst mir voll einldquo

Lied EG 272 Ich lobe meinen GottVorspruch zum Kyrie

Jahrhundertelang haben Christinnen und Christen eher die Unter-schiede betont um sich vom Judentum abzugrenzen Dabei haben sie oft von oben auf Juumldinnen und Juden herabgeblickt sie immer wieder verleumdet unterdruumlckt ermordet Dies fuumlhrte zu unbeschreiblichem Unrecht und Leid Wir denken daran in der Stille

StilleKyrieVorspruch zum Gloria

In den letzten Jahren fand in der evangelischen und katholischen Kirche ein Umdenken statt Viele christliche und juumldische Menschen sind sich auf Augenhoumlhe begegnet Sie haben entdeckt wie viel sie gemeinsam haben Fuumlr viele fuumlhrten diese Begegnungen zu einem echten Neuanfang Lasst uns Gott loben und singen

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 50: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Gloria Ehre sei Gott in der Houmlhe und auf Erden Fried den Menschen ein Wohlgefallen

TagesgebetGott immer wieder suche ich nach dem Fundament auf dem ich stehe

Und immer wieder finde ich es im Glauben ndash auch in den Gemeinsamkeiten mit meinen juumldischen Geschwistern Gott nicht nur mir bist du treu geblieben all die Jahre nicht nur unserer Kirche sondern auch deinem erwaumlhlten Volk Lass mich lass uns dazu stehen ndash und schauen wohin uns unsere Gemeinsamkeiten fuumlhren Amen

Verkuumlndigung und BekenntnisHinfuumlhrung zur Lesung aus dem Alten Testament 2 Mose 191-6

Einen groszligen Teil unserer Heiligen Schrift haben wir mit dem Juden-tum gemeinsam unser altes Testament oder wie man auch sagen kann das erste Testament die hebraumlische Bibel Vieles was wir uumlber Gott wissen haben wir aus diesem gemeinsamen Teil der Heiligen Schrift erfahren Sowohl in den juumldischen als auch in den christlichen Gottesdiensten wird daraus gelesen Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die dritte Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die dritte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Im zweiten Buch Mose wird beschrieben wie Gott das Schreien seines Volkes gehoumlrt und wie er es aus der Sklaverei befreit hat Wie auf Adlerfluumlgeln fuumlhrte er sein Volk Israel aus Aumlgypten heraus und leitete es sicher durch die Wuumlste Anschlieszligend offenbarte er sich seinem Volk am Berg Sinai Gott macht deutlich Er hat das Volk Israel erwaumlhlt und seinen Bund mit ihm geschlossen Er steht fest zu diesem Bund Seine Erwaumlhlung Israels bleibt Fuumlr immer

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 51: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Von der ganz besonderen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel lesen wir im 2 Buch Mose Kapitel 19 Verse 1-6

Schriftlesung 2 Mose 19 1-6Lied EG 286 Singt singt dem Herren neue Lieder

Einleitung zum GlaubensbekenntnisVor 2000 Jahren gab es innerhalb des biblischen Judentums verschie-dene religioumlse Stroumlmungen Die Jesus-glaumlubige () war eine davon Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus entwickelten sich diese Stroumlmungen immer staumlrker auseinander So entstanden im Laufe der Zeit nicht nur das Christentum und das rabbinische Judentum Sondern auch innerhalb der beiden Religionen entstanden jeweils verschiedene Stroumlmungen Alle versuchen auf je ihre Weise Gott nahe zu sein und ein Leben zu fuumlhren das auf Gottes groszliges JA zu uns antwortet

In jedem Dialog ist ein respektvoller Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhoumlhe besonders wichtig Wir koumlnnen uns den anderen ohne Furcht naumlhern und auch Unter-schiede im Glauben stehen lassen wenn wir die eigene Tradition gut kennen und fest darin verwurzelt sind

So bekennen wir nun unseren christlichen GlaubenApostolisches Glaubensbekenntnis EG 804

Einleitung zum Lied Freunde dass der MandelzweigWenn Schalom Ben-Chorin aus dem Fenster seiner Wohnung guckte sah er einen Mandelbaum Er sah ihn im Fruumlhjahr Bluumlten treiben ndash immer wieder Aber gerade in den Kriegstagen ndash im 2 Weltkrieg ndash wurde dieser Mandelbaum dann ein Zeichen besonderer Hoffnung So entstand das Lied Ein juumldischer Autor schrieb den Text ein christlicher Liedermacher die Melodie

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 52: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die vierte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die vierte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Schalom Ben-Chorin erzaumlhlte dann noch Der Baum wurde Jahre spaumlter umgehauen fiel einem Buumlrgersteig zum Opfer Aber irgendwann lugten dann doch wieder die Wurzeln des Baumes aus dem Asphalt Sein Kommentar dazu bdquoDie Hoffnung ist nicht totzukriegenldquo

Schalom Ben-Chorin starb 1999 Die Trauergemeinde sang an seinem Sarg zum Abschied bdquoFreunde dass der Mandelzweig wieder bluumlht und treibt ist das nicht ein Fingerzeig dass die Liebe bleibtldquo

Uumlbrigens gibt es eine Anekdote uumlber Schalom Ben-Chorin Er sagte einmal ganz stolz im Gespraumlch zu seiner Frau bdquoIch bin wohl der erste juumldische Autor der in ein evangelisches Kirchengesangbuch aufgenommen wurdeldquo Darauf meinte sie ganz trocken bdquoDer zweite denn Koumlnig David mit seinen Psalmen war schon vor dirldquo

Lied EG 620 Freunde dass der Mandelzweig

Einleitung zur Predigt (bevor die Predigerinder Prediger auf die Kanzel geht ndash zB vom Lese-pult aus gesprochen)

Sowohl im Judentum als auch im Christentum wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht die biblischen Texte in unsere Lebenswirk-lichkeiten hinein sprechen zu lassen In vielen Synagogen und Kirchen wird daher auch gepredigt

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die fuumlnfte Kerze an und stel-len sie auf den Altar

Die fuumlnfte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Predigt uumlber Roumlmer 1125-32

Instrumentalmusik Orgel Klarinette o a

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 53: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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Abkuumlndigungen

Lied und Kollekte EG 137 Geist des Glaubens oder EG 295 Wohl denen die da wandeln

Abendmahl2

EinleitungWir feiern in diesem Gottesdienst miteinander Abendmahl Auch unsere Abendmahlsfeier hat Wurzeln in der juumldischen Gemeinde Bis heute segnen Juumldinnen und Juden Brot und Wein und teilen sie miteinander bei jeder Schabbat-Feier und den Festta-gen So hat es auch Jesus getan Er fuumlgte seine besondere Deutung einfach hinzu als er das Brot brach und es mit den Seinen teilte bdquoDas ist mein Leibhellipldquo Er tat das ebenso als er den Kelch nahm und dankte und ihn an die Tischrunde weitergab mit den Worten bdquoDas ist mein Bluthellipldquo

Abendmahlsgebet

So lasst uns beten mit Worten aus dem 104 Psalm

Herr unser Gott wir danken dir Deine Werke sind so groszlig und viel Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Guumlter Du laumlsst Gras wachsen fuumlr das Vieh und Saat zum Nutzen von uns Menschen Du schenkst das Brot und den Wein dass er erfreue unser Herz Alle warten auf dich dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit Wenn du deine Hand auftust

2 FuumlrdenFalldassindemGottesdienstAbendmahlgefeiertwirdschlagenwirfolgendenliturgischenAblaufvor

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

58

Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 54: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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so werden wir mit Gutem gesaumlttigt So sei du unser Gastgeber du heiliger ewiger Gott

Mit Worten die wir ebenfalls aus der juumldischen Bibel unserem ersten Testament haben singen wir dir unser Lob

Dreimalheilig (Sanctus)EinsetzungsworteVater unserAusteilungDank

Als Gemeinschaft am Tisch des Herrn reichen wir einander die Hand

Gott wir danken dir denn du bist freundlich und deine Guumlte waumlhret ewiglich Wir danken dir dass wir deinen Frieden schmecken und miteinander teilen durften So staumlrke und bewahre du uns im Glauben zum ewigen Leben Amen

Lied Hinneh mah towHinneh mah tow umah nalsquoim schewet achim gam jachad (2x) Hinneh mah tow schewet achim gam jachad (2x)

(Siehe wie schoumln und angenehm es ist wenn Geschwister eintraumlchtig beieinander wohnen Psalm 1331)

Sendung und SegenHinfuumlhrung zum Gebet

Seit alters beten Juumldinnen und Juden Alles was sie bewegt bringen sie vor Gott ihren Dank ihre Bitten und ihre Klagen Sie beten fuumlr sich selbst und fuumlr andere sie rufen Gott an in jeder Lebenslage

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

56

Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

Page 55: Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2014 - EKiR.de · PDF fileder Gemeinschaft mit Israel, in die Gott sie aus Barmherzigkeit gestellt hat, in der eigenen Lebensgestaltung entsprechen.

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So hat es auch Jesus in seinen Gebeten getan Und so wenden auch wir uns vertrauensvoll an den einen Gott in unseren Gebeten

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die sechste Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die sechste Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

Gebet zwischen den einzelnen Gebetsrufen EG 434 Schalom chaverim

Gott wir beten zu dir fuumlr die christlichen und juumldischen Gemeinden [bei uns in _____________ bei uns in Niedersachsen und Deutsch-land] dass es immer wieder zu wirklichen Begegnungen kommt dass wir einander nahe kommen und vertrauen koumlnnen

Schalom chaverim

Lass uns Schuld beim Namen nennen und nicht verdraumlngen ndash lass die Wunden und Verletzungen heilen die Christen ihren juumldischen Geschwistern zugefuumlgt haben

Schalom chaverim

Gott wir denken in diesem Gottesdienst auch an alle die sich das Heilige Land miteinander teilen an Israelis und Palaumlstinenser an Juden Christen und Muslime Wir bitten dass sie ohne Angst leben koumlnnen dass die Menschenrechte ihr Recht bekommen dass es Frieden und Versoumlhnung gibt ndash dort und uumlberall auf der Welt

Schalom chaverim

Gott lass uns dich lieben von ganzem Herzen von ganzer Seele mit all unserer Kraft Oumlffne unsere Herzen dass wir die fernen und nahen Naumlchsten lieben ndash wie [auch] uns selbst

Schalom chaverim

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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Was uns ganz persoumlnlich bewegt bringen wir in der Stille vor Gott

Stille

Schalom chaverim

[Vater Unser ndash sofern es nicht schon beim Abendmahl gebetet wurde]

Lied EG 434 Schalom chaverim als Kanon

Einleitung zum Segen

Wenn wir jetzt in diesen Sonntag und in diese Woche weitergehen gibt uns Gott seinen Segen mit auf den Weg

Auch der Segen der am Ende unseres Gottesdienstes steht verbindet die christliche und die juumldische Gemeinde Denn wir sprechen an dieser Stelle den bdquopriesterlichen Segenldquo aus dem 4 Buch Mose Dieser Segen spielt bis heute auch im Judentum eine besondere Rolle

Als Zeichen der Verbundenheit zuumlnden wir die siebente Kerze an und stellen sie auf den Altar

Die siebte Kerze anzuumlnden und auf den Altar stellen

SegenDer HERR segne dich und behuumlte dich Der HERR lasse sein Angesicht leuchten uumlber dir und sei dir gnaumldig Der HERR hebe sein Angesicht uumlber dich und gebe dir Frieden Amen

Musik zum Ausgang

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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Zum IsraelsonntagDer Israelsonntag bis Anfang der 1960er Jahre bdquoJudensonntagldquo genannt hat in den letzten Jahren eine andere inhaltliche Ausrichtung bekommen Seit dem Mittelalter stand vor allem die Zerstoumlrung Jerusalems und des Tempels im Mittelpunkt (Lk 1941-48) Oftmals wurde dies Ereignis in den christlichen Kirchen allegorisch-moralisch gedeutet (Jerusalem wird bdquowe-gen ihrer Suumlndenldquo zerstoumlrt) oder allegorisch-historisch ausgelegt (Tem-pelzerstoumlrung als bdquoRacheldquo fuumlr den Tod Jesu) Diese Deutungen gingen zumeist mit antijuumldischen Aussagen einher So sollte bdquodie Wahrheit des Christentumsldquo bewiesen werden Im 19 und fruumlhen 20 Jahrhundert war-ben die neu entstandenen Judenmissionsgesellschaften fuumlr die Mission unter Juumldinnen und Juden und erhielten in manchen Landeskirchen die Kollekten des Sonntags Nach dem 2 Weltkrieg fand in der evangelischen und katholischen Kirche und allmaumlhlich auch in den Judenmissionsvereinen ein Umdenken statt Der christlich-juumldische Dialog wurde nun mehr und mehr bdquoauf Augenhouml-heldquo gefuumlhrt Es bestand vielfach der Wunsch die antijuumldische Theologie zu uumlberwinden ndash auch wenn dies nicht immer auf Anhieb gelang (Bis heute kommen bei manchen Predigerinnen und Predigern alte antijuumldi-sche Vorstellungen zur Sprache obwohl sie sie nach eigener Auskunft eigentlich uumlberwinden wollen) Neue Themen wuchsen dem Israelsonntag zu Der kritische Umgang mit der eigenen christlichen Schuldgeschichte die Auseinandersetzung mit dem neu gegruumlndeten Staat Israel die blei-bende Erwaumlhlung des Volkes Israel die neue Verhaumlltnisbestimmung zwi-schen Christentum und Judentum Daraufhin aumlnderten auch die meisten Missionsvereine ihre Haltung (und ihren Namen) und kehrten sich von der Judenmission ab Im Evangelischen Gottesdienstbuch trat als Evan-gelium Mk 1228-34 (bdquoDie Frage nach dem houmlchsten Gebotldquo) neben den traditionellen Text Lk 1941-48 Zusaumltzlich wurde ein Proprium bdquoChristen und Judenldquo eingefuumlhrt

MelanieMordhorst-Mayer

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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Autorinnen und AutorenFritz Baltruweit ist Pastor und Liedermacher Er arbeitet am Ev Zentrum fuumlr Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landes-kirche Hannovers im Michaeliskloster Hildesheim und im Haus kirchli-cher Dienste in Hannover

Dr Volker Haarmann ist Landespfarrer fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland Er studierte Evangelische Theolo-gie und absolvierte einen M A in Juumldischen Studien in Heidelberg Jeru-salem Tuumlbingen und CambridgeUSA In seiner Dissertation beschaumlftigte er sich mit bdquoJHWH-Verehrern der Voumllkerldquo in alttestamentlichen Uumlberlie-ferungen

Hanna Lehming ist Pastorin und Beauftragte fuumlr christlich-juumldischen Dialog der Ev-Luth Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Freiwillige der Aktion SuumlhnezeichenFriedensdienste e V in Israel Studium der Ev Theologie und Judaistik in Hamburg und Berlin Gemeindepfarramt in Hamburg bis 2001 Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Nor-delbien

Mag Sabine Maurer ist Lehrerin fuumlr das Fach evangelische Religion an Allgemeinen Pflichtschulen und Allgemein Houmlheren Schulen in der Stei-ermark Sie ist Delegierte der Evangelischen Superintendentur AB Stei-ermark fuumlr den christlich-juumldischen Dialog und Vorsitzende des Grazer Komitees fuumlr christlich-juumldische Zusammenarbeit

Dr Melanie Mordhorst-Mayer studierte Evangelische Theologie in Mar-burg und Heidelberg sowie Judaistik in Jerusalem Im Jahr 2011 wurde sie mit einer Arbeit zum Thema bdquoMedizinethische Entscheidungsfindung im orthodoxen Judentumldquo promoviert Sie ist derzeit Mitarbeiterin im Haus kirchlicher Dienste der Ev-luth Landeskirche Hannovers im Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Prof Dr Mark Nanos lehrt an der University of Kansas in den USA und ist einer der prominensteten juumldischen Paulus Exegeten Aus seinen zahlreichen Veroumlffentlichungen zu Paulus (wwwmarknanoscom) sind beispielsweise seine Beitraumlge im bdquoJewish Annotated New Testament Eds Marc Brettler amp Amy-Jill Levine Oxford University Press 2011ldquo zu

nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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nennen bdquoRomans Introduction and Annotationsldquo (253-286) sowie bdquoPaul and Judaismldquo (551-554) Er arbeitet gerade ua an einem umfassenden Kommentar zum Roumlmerbrief bdquoTo the Synagoges of Rome A Jewish Com-mentary on Romans Eerdmans 2016ldquo

Julia-Rebecca Riedel ist Studentin der Evangelischen Theologie an der Ruprecht-Karls Universitaumlt Heidelberg und hat dort und an der bdquoHoch-schule fuumlr Juumldische Studienldquo mit dem Schwerpunkt Juumldische Philosophie und Politikwissenschaften studiert Derzeit bereitet sie sich an der Rhei-nischen Friedrich-Wilhelms Universitaumlt Bonn auf das Erste Theologische Examen vor Neben ihrem Studium arbeitet sie ua als freie Mitarbeiterin verschiedener online-Magazine und schreibt Literatur- und Theaterkriti-ken

Prof Dr Ursula Rudnick ist Beauftragte der Ev-luth Landeskirche Han-novers fuumlr Kirche und Judentum Sie studierte Theologie und Judaistik ua in Jerusalem und New York wo sie am Jewish Theological Semi-nary of America promovierte In ihrer Habilitation beschaumlftigt sie sich mit Judentum als Thema zeitgenoumlssischer protestantischer kirchlicher Bildungsarbeit

Dr Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer im Ruhestand und Studienleiter im internationalen oumlkumenischen Dorf Nes Ammim im Norden Israels Er studierte Evangelische Theologie in Wuppertal Goumlttingen Tuumlbingen und Bonn Promotion mit einer Arbeit im Fach Neues Testament Er war Ge-meindepfarrer in Wuppertal und 20 Jahre in Sankt Augustin davon zehn Jahre auch Superintendent und drei Jahre Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland danach zehn Jahre Schulreferent in Koumlln Langjaumlhrige Mitarbeit und Vorsitz im Staumlndigen Theologischen Ausschuss der EKiR

Prof Dr Florian Wilk ist seit 2003 Professor fuumlr Neues Testament an der Theologischen Fakultaumlt der Georg-August-Universitaumlt Goumlttingen Zu sei-nen Forschungsschwerpunkten zaumlhlen die Exegese des Neuen Testaments im Zusammenhang mit dem Alten Testament der Septuaginta und vor dem Horizont des hellenistischen Judentums die paulinischen Briefe und biblische Theologie

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