Arbeitszeit von Gymnasiallehrkräften: Mär vom Halbtagsjobber · rem Schulsystem und die...

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11 Thesen zu einem Gymnasium der Zukunft 6 6 / / 2017 2017 Arbeitszeit von Gymnasiallehrkräften: Die Mär vom Halbtagsjobber Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock

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11 Thesen zu einem Gymnasium der Zukunft

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Arbeitszeit vonGymnasiallehrkräften:

Die Mär vomHalbtagsjobber

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> PROFIL | Juni 2017 3

PROFIL > auf ein wort

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den letzten Monaten wurde viel diskutiertüber steigende Studienabbruchsquoten unddie notwendige Steigerung der Qualität sowieder Vergleichbarkeit des Abiturs etwa durchländerübergreifende Abituraufgabenpools.Oft wird dabei aber ausgeblendet, dass einimmer größer werdender Anteil an Hoch-schulzugangsberechtigungen außerhalb desGymnasiums erworben wird, an Gesamtschu-len, aber auch an Schularten, die von den Re-gelungen des Zentralabiturs nur am Randetangiert sind. Dazu kommt eine jedes Jahrwachsende Zahl von Studienanfängern ohneAbitur nach abgeschlossener Berufsausbil-dung.

Eine aktuelle Studie des DZHW (DeutschesZentrum für Hochschul- und Wissenschafts-forschung) mit dem Titel ‘Zwischen Studiener-wartungen und Studienwirklichkeit’ zeigt nunmit eindrucksvollen Zahlen auf, dass an denmassiv steigenden StudienabbruchsquotenStudierende, die ihr Abitur auf einem Gymna-sium erworben haben, am wenigsten beteiligtsind.

Ich zitiere gleich mal eine zentrale Feststel-lung in dieser Studie: »Gute Erfolgschancenim Studium gehen mit dem Erwerb einergymnasialen Hochschulzugangsberechtigungeinher, über drei Viertel der Absolventinnenund Absolventen, jedoch lediglich 61 Prozentder Studienabbrecherinnen und Studienab-brecher haben ihre Zugangsberechtigung aneinem Gymnasium erworben.«

Daraus folgt, dass andere schulische Zugangs-wege zum Studium, wie etwa der Besuch vonKollegs, Fachgymnasien, Berufs- und Fach-oberschulen, Abendgymnasien und Gesamt-schulen wesentlich häufiger von Studienab-brecherinnen und Studienabbrechern durch-laufen wurden.

Das wird in der DHZW-Studie im Einzelnenstatistisch konkretisiert:

Um 25 Prozent höher ist der Anteil der Ge-samtschulabsolventen an den Studienab-bruchsquoten als deren Anteil an erfolgrei-chen Examensabsolventen (Bachelor), bei Ab-solventen von Berufs- und Fachoberschulensind es einhundert Prozent mehr, umgekehrtfinden sich unter erfolgreichen Staatsexa-menskandidaten fünfzig Prozent weniger Ab-solventen von Berufs- und Fachgymnasien als

bei den Studienabbrechern in diesem Bereich.Am höchsten sind die Studienabbruchsquotenvon Studierenden, die ohne Abitur über eineBerufsausbildung ins Studium gelangt sind:über die Hälfte bricht ihr Studium ab.

Belegt wird in der hochinteressanten DZHW-Studie auch eine weitere wichtige Erkenntnis:

Hauptursache für Studienabbrüche sind mitAbstand Leistungsprobleme der Studierenden,fachliche Defizite und damit die Überforde-rung durch Studieninhalte. Erst weit danachkommen andere Gründe wie etwa finanzielleProbleme.

Natürlich ist es wichtig und richtig, dass esneben dem Gymnasium weitere Wege zum Er-werb der Hochschulreife gibt. Das ist ein we-sentlicher Beitrag zur Durchlässigkeit in unse-rem Schulsystem und die Kolleginnen und Kol-legen an diesen Schulen leisten engagierteund verdienstvolle Arbeit. Allerdings erlaubendiese Zahlen auch verschiedene Schlussfolge-rungen:

1. Der Weg zur allgemeinen Hochschulreifeüber das Abitur an einem klassischenGymnasium ist nach wie vor der Königswegzu einem erfolgreichen Studienabschluss.

2. Es gilt, ein stärkeres Augenmerk auf dieQualität der neben dem Gymnasium ananderen Schularten erworbenen Hoch-schulzugangsberechtigungen zu richten.

3. Das Gymnasium tut gut daran, seine bishe-rige schwerpunktmäßige Ausrichtung aufdie Studierfähigkeit nicht aufzugeben.Forderungen nach immer mehr Berufsori-entierung und Ausweitung praktischerUnterrichtsanteile im Gymnasium würdensein Profil zu Lasten der Studierfähigkeitmassiv verwischen.

Mit kollegialen Grüßen

IhrHeinz-Peter Meidinger

Abitur am Gymnasium bietetbeste Gewähr für Studienerfolg!

Heinz-Peter Meidinger,Bundesvorsitzenderdes DeutschenPhilologenverbandes

Die Studie finden Sie unter:http://www.dzhw.eu/pdf/pub_fh/fh-201701.pdf

INFOS

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> PROFIL | Juni 20174

Zu den 13 Thesen zur Schulpolitik von Martin Schulz: Mehr Geld für Bildung wäre gut… Zweifel an Umsetzungswillen und Umsetzungskompetenz 5

dbb Jugend wählt neue Spitzenteams 6 Mit großer Mehrheit gewählt DPhV-Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger neuer Präsident des Deutschen Lehrerverbandes 6 »Tablet-Einsatz nicht neu« 6 Nachwuchsförderung einmal anders Rückblick auf ein Seminar des Deutschen Philologenverbandes 7

11 Thesen zu einem Gymnasium der Zukunft 8

»Der Streber ist uncool« Heinz-Peter Meidinger im Gespräch mit Dirk Walter vom Münchner Merkur 13

Ganztagsangebote am Gymnasium –Aufstockung der erforderlichen Ressourcen 16

Lehrerarbeitszeit seit 100 Jahren nahezu unverändert: Die Mär vom Halbtagsjobber 18

Geographie – Unterricht mit Schlüsselrollefür gymnasiale Bildung 28

Mecklenburg-Vorpommern: Aufruf zur Mitarbeit an der Neugestaltung der Abiturstufe Vertretertag des Philologenverbandes 34 Rheinland-Pfalz: Wider das Kaputtsparen der gymnasialen Lehrerausbildung Von 18 auf 24 in hundert Sekunden 35 Thüringen: Gemeinschaftsschulzulage – oder die Abschaffung anderer Schularten durch die Hintertür? Sind andere Schularten nun die Verlierer? 35

Michael Vogt: »Fortschritte in der Digitalisierung sind dringend notwendig« 38

Kleines Buch mit großem Inhalt: Goethes ‘Iphigenie’ in Südafrika 40

Gewalt gegen Beschäftigte: Schützen mit mehr Engagement 41 5. Zukunftskongress Staat & Verwaltung: Digitaler Aufbruch oder analoger Stillstand? 41 Lohngerechtigkeitsgesetz: Mehr Transparenz bei der Lohngestaltung 42 Übergabe Sonderprämie dbb Mitglieder- werbeaktion 2016: Doppelte Freude 42

Jutta Rump: Arbeiten 4.0: Digitalisierung und die Konsequenzen jenseits der Technik 44

… mit Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie:Wir wollen bei der digitalen Verwaltung zu den Spitzenreitern in Europa gehören 46

die andere meinung dbb magazin>

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dphv-schlaglichter>

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> rezension

> leserbrief

> bpa/bra

> impressum 40

> interview dbb magazin

> vor ort

nachrichten dbb magazin

> gastbeitrag

> interview

> dphv-standpunkt

PROFIL > inhalt

11 Thesen zu einemGymnasium der Zukunft

Seite 8

Geographie – Unterrichtmit Schlüsselrolle fürgymnasiale Bildung

Seite 28

Ganztagsangebote amGymnasium – Aufstockung der

erforderlichen RessourcenSeite 16

Lehrerarbeitszeit seit100 Jahren nahezu

unverändert: Die Märvom Halbtagsjobber

Seite 18

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Zu den 13 Thesen zur Schulpolitik von Martin Schulz:

Mehr Geld für Bildung wäre gut …Zweifel an Umsetzungswillen und Umsetzungskompetenz

Die Forderung bzw. dasVersprechen des SPD-Kanzlerkandidaten

Martin Schulz, mehr Geld fürBildung zur Verfügung zustellen, begrüßt der Bundes-vorsitzende des DeutschenPhilologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, ausdrück-lich.

Haupthindernisfür mehr Bildungs-ausgaben –Kooperationsverbot

Er bezweifelte allerdings, obder SPD-Kanzlerkandidat imFalle seines Wahlsieges dieseForderung auch umsetzenwerde und könne. Der Ver-bandsvorsitzende merkte da-zu an: »Über die von ihr re-gierten Länder hätte die SPD

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bereits die Möglichkeit ge-habt, Bildungsausgaben mas-siv zu erhöhen und so dazubeizutragen, den OECD-Durchschnitt für Bildungsaus-gaben zu erreichen. Dies istjedoch leider nicht erfolgt.«Wenig hält der DPhV-Chefauch davon, ständig das Ko-operationsverbot als Haupt-hindernis für mehr Bildungs-ausgaben anzugreifen. »Dasführt nicht weiter, da die Hür-den für die dazu notwendigeVerfassungsänderung in Bun-destag und Bundesrat hochsind. Wenn der Bund will,kann er auch im Rahmen dergeltenden Verfassungslageviel Geld für Bildung zur Ver-fügung stellen, wie der vonder Bundesbildungsministerinangekündigte, bis heute aber

von Bund und Ländern nichtbeschlossene Pakt für digitaleBildung zeigt!«, fügte Meidin-ger an.

Wieder großartigeVersprechenvor der Wahl

Als Interessensvertreter einesLehrerverbandes freue er sichnatürlich, wenn die Politikmehr Geld, mehr Lehrer, mehrBildungsgerechtigkeit, mehrGanztagsschulangebote undmehr Kostenfreiheit für Be-treuungs- und Bildungsange-bote verspreche, sagte derDPhV-Vorsitzende. Gleichzeitighabe er allerdings das dumpfeGefühl, dass hier wieder vorden Wahlen Großartiges ver-sprochen werde, was nach denWahlen nicht gehalten wer-

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den könne. »Genau das führtaber zu dem Frust und zu denEnttäuschungen, die geradeden rot-grünen Landesregie-rungen in Schleswig-Holsteinund Nordrhein-Westfalen gro-ße Wahlniederlagen bescherthaben«, betonte Meidingerund fuhr fort: »Mir fehlt in bil-dungspolitischen Reden oftder Hinweis darauf, dass Bil-dung und Bildungsgerechtig-keit keine Dinge sind, die derStaat mit mehr Geld verord-nen kann. Dabei ist man auchauf die Anstrengungsbereit-schaft und den Bildungswillenvon jungen Menschen ange-wiesen. Von Bildungsqualitätund sozialem Aufstieg durchLeistung habe ich bei dem Auf-tritt von Martin Schulz in Ber-lin aber wenig gehört!« ■

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Man muss das dumpfe Gefühlhaben, dass wieder vor den Wah-len Großartiges versprochenwird, was nach den Wahlen nichtgehalten werden kann. Genaudas führt aber zu dem Frust undzu den Enttäuschungen, die ge-rade den rot-grünen Landesre-gierungen in Schleswig-Holsteinund Nordrhein-Westfalen großeWahlniederlagen beschert haben.

> PROFIL | Juni 2017 5

PROFIL > dphv

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dbb Jugend wählt neueSpitzenteams

Maximilian Schmieding von den‘Jungen Philologen’ neues Mitglied der

jugendpolitischen Kommission

Im Rahmen des 18. Bundes-jugendtages, zu dem Mitte

Mai 180 Delegierte aus nahe-zu allen Mitgliedsgewerk-schaften des dbb nach Berlingekommen waren, wurden dieBundesjugendleitung sowiedie jugendpolitische Kommis-sion neu gewählt.

Für die Jungen Philologen tratMaximilian Schmieding, stell-vertretender Vorsitzender derJungen Philologen Nordrhein-Westfalen, bei der Wahl zurjugendpolitischen Kommissi-on an und wurde mit großerMehrheit in das Gremium ge-wählt. »Ich freue mich auf dieArbeit in der Kommission undwerde vor allem die ThemenBildung und Digitalisierung

vorantreiben«, erklärteSchmieding.

Die jugendpolitische Kommis-sion, bestehend aus Vertre-tern unterschiedlicher Fachge-werkschaften, erarbeitet Posi-tionen innerhalb der deut-schen beamtenbundjugend(dbbj), entwickelt diese strate-gisch weiter und berät dieBundesjugendleitung. An de-ren Spitze wählten die Dele-gierten Karoline Herrmannvon der Jugend der Gewerk-schaft der Kommunalbeam-ten und -angestellten (kom-ba). Sie tritt die Nachfolge vonSandra Kothe an, die sich nachacht Jahren als Vorsitzendeder dbbj nicht mehr zur Wahlgestellt hatte. ■

Mit großer Mehrheit gewähltDPhV-Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger

neuer Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

Unter-stützt

von allenMitglieds-verbändendes Deut-schen Lehrerverbandes ist derDPhV-Vorsitzende Heinz-PeterMeidinger mit großer Mehr-heit in Berlin zum neuen Präsi-denten des Deutschen Lehrer-verbandes (DL) gewählt wor-den. Damit wird Meidinger, derbei der nächsten DPhV-Vertre-terversammlung im Herbstsein Amt als Vorsitzender desDeutschen Philologenverban-des abgeben und für den Vor-sitz nicht wieder kandidierenwird, ab 1. Juli 2017 dem lang-

jährigen DL-Präsidenten JosefKraus nachfolgen.

Meidinger versprach, seineganze Kraft dafür einzuset-zen, dass es mit dem DL auchweiterhin eine starke Stimmefür ein differenziertes Schul-wesen in Deutschland gebenwerde, um die Zukunftschan-cen unserer Kinder und Ju-gendlichen durch Qualitätund Leistung zu sichern.

Der noch bis 1. Juli 2017 am-tierende DL-Präsident JosefKraus, der seit 1987 an derSpitze des Deutschen Lehrer-verbandes steht, wurde ein-stimmig zum Ehrenpräsiden-ten gewählt. ■

»Tablet-Einsatznicht neu«

Der Deutsche Philologenverband wirft NiedersachsensKultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) vor, mit

dem angekündigten Einsatz von Tablet-Computern beiSchulprüfungen bis hin zum Abitur »viel Lärm um nichts«zu produzieren.

»Das ist keine Revolution, sondern ein Marketinggag der Mi-nisterin. In der Sache ist daran überhaupt nichts innovativund neu«, sagte der Bundesvorsitzende des Philologenver-bandes, Heinz-Peter Meidinger, vor der Presse in Berlin. Voneiner ‘Vorreiterrolle’ Niedersachsens könne keine Rede sein.

Das Gegenteil sei der Fall. Schon jetzt dürften Schüler mitmotorischen Störungen oder anderen körperlichen Handi-caps sowie mit Schreibschwächen Tablets als Schreibgerätbenutzen.

»Das wird in einigen Bundesländern, unter anderem in Bay-ern, seit Längerem so gehandhabt«, meinte Meidinger. DerEinsatz von Tablets könne nach seiner Ansicht in der Klausurauch den Taschenrechner, die Formelsammlung oder dasWörterbuch ersetzen.

Aufsehenerregend und höchst problematisch wäre der Ein-satz nur, wenn die benutzten Tablets Internetanschluss hät-ten. »Das wäre allerdings eine massive Wettbewerbsverzer-rung und damit nicht akzeptabel«, so der Verbandsvorsitzen-de. ■

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Schon jetzt dürfen Schülerinnen und Schüler mit motorischenStörungen oder anderen körperlichen Handicaps sowie mitSchreibschwächen Tablets als Schreibgerät benutzen. Daran istnichts Neues oder Innovatives.

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PROFIL > dphv-schlaglichter

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PROFIL > A N Z E I G E

Arbeitsheft: Grundwissensoziale GlobalisierungAnlässlich der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 hatdie Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mitdem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in derReihe Sozialpolitik ein neues Unterrichtsmaterialentwickelt: Grundwissen soziale Globalisierung.Das 16-seitige Arbeitsheft richtet sich an Schülerinnen und Schüler derSekundarstufe II. Es informiert über die Chancen und Herausforderun-gen der Globalisierung und die Rolle der G20. Folgende Themen ste-hen im Mittelpunkt:

• nachhaltige globale Lieferketten, • Verbesserung der Qualität der Frauenerwerbstätigkeit, • Zukunft der Arbeit, • Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen,

Migranten und Geflüchteten, • Förderung der Jugendbeschäftigung und des sozialen Dialogs.

Jedes Kapitel bietet auf einer Doppelseite neben Wissenstextenviele Fallbeispiele, Zitate, Schaubilder, Linktipps und Arbeits-aufgaben zu dem jeweiligen Thema.

Kostenlose Hefte unter:Bestellservice Jugend und Bildung · Fax: 0 61 23 / 9 23 82 44E-Mail: [email protected]: www.sozialpolitik.com oder www.jubi-shop.de

Nachwuchsförderung einmal anders Rückblick auf ein Seminar des Deutschen Philologenverbandes

von JOCHEN RING

Davon, dass die in der Klas-sischen Philologie übliche

Unterscheidung zwischen‘Genetivus subiectivus’ und‘Genetivus obiectivus’ durch-aus geeignet ist, um die Ambi-valenzen eines modernen Be-griffes auf den Punkt zu brin-gen, konnten sich die Teilneh-merinnen und Teilnehmer ei-nes Seminars, das der Deut-sche Philologenverband unterder Leitung von Dr. Horst Gün-ther Klitzing vom 19. bis 21.Mai in Königswinter durchge-führt hat, überzeugen.

Möglichkeitenvon Social Media

‘Nachwuchsförderung’ gestal-tete sich nämlich über weiteTeile der Fortbildung hinwegals ein Bemühen der Jüngeren

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unter den Philologen, die Äl-teren mit den in den letztenJahren rasant angewachse-nen Möglichkeiten von SocialMedia vertraut zu machen.Thomas Langer, Bundesvor-sitzender der Jungen Philolo-gen und weithin bekannt alsVordenker im Bereich der Bil-dung in der digitalen Welt,gab in der ihm eigenen hu-morvollen und mitreißendenArt einen profunden Einblickin die jüngsten Innovationen.Unterstützt wurde er dabeivon Dominik Lörzel, dem Vor-sitzenden der Referendar-und Jungphilologenvertre-tung im Bayerischen Philolo-genverband, der den erfolg-reichen bayrischen Weg derKommunikation und Vernet-zung innerhalb der Ver-bandsspitze in Form eines‘Wiki’ vorstellte.

Argumentieren aufmehreren Ebenen

Der Präsentation vorausgegan-gen waren von Dr. MarcusHahn, dem Vorsitzenden desSaarländischen Philologenver-bands, geleistete Denkanstößezum inner- wie außerverband-lichen Argumentierenauf mehreren Ebenen.

Effiziente Struktureneines Verbandes

Dass auch die jüngeren Teilneh-merinnen und Teilnehmer vonden Inhalten der Veranstaltungprofitieren konnten, wurdedurch die Referate zweier Kom-munikationstrainer gewährleis-

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tet. Der Wirtschaftsethiker Dr.Hubertus Zilkens begeisterteseine Zuhörer mit einem Par-forceritt durch die Geschichteder Philosophie, die auch in derAntike und im Mittelalter genü-gend Schätze für heutigen Un-ternehmenserfolg und ethischpositiv zu würdigende Kommu-nikationsstrategien bereithält.So vermag das Nachdenkenüber Kardinaltugenden undLaster Leitplanken für Entwick-lungsmöglichkeiten aufzustel-len, die auf Zufriedenheit in Pri-vatleben und Beruf sowie kon-struktives Engagement für eineGemeinschaft abzielen. VolkerMeertz konkretisierte die ge-wonnenen Erkenntnisse weiterim Hinblick auf effiziente Struk-turen eines Verbandes, der nachaußen und innen kompetentund glaubhaft auftritt. ■

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PROFIL > dphv-standpunkt

11 Thesen zu einemGymnasium der Zukunft1. Die Humboldtsche

gymnasiale Bildungs-idee, junge Menschen soll-ten so viel Welt wie möglichmit sich verbinden, um da-durch die eigenen Begabun-gen und die Vervollkomm-nung der eigenen Persönlich-keit zu entdecken und för-dern, hat nichts von ihrer Be-rechtigung und Bedeutungverloren und ist auch dasLeitziel eines modernenGymnasiums.

2. Gymnasiale Bildungsoll junge Menschen in

die Lage versetzen, eigene

Antworten zu finden auf diegroßen gesellschaftlichenHerausforderungen unsererZeit wie insbesondere die ra-sante Veränderung unsererLebensbedingungen durchtechnologische Entwicklun-gen, die Globalisierung derWirtschafts- und Arbeits-welt, die Sicherung der öko-logischen Grundlagen derMenschheit, anhaltende au-ßenpolitische Krisensituatio-nen, demographische Ent-wicklungen sowie die zuneh-mende Schwierigkeit, sichinnerhalb unserer Gesell-schaft auf ein gemeinsames

Wertefundament zu verstän-digen.

3. Deshalb sind die gym-nasialen Bildungsziele,

vertiefte Allgemeinbildung,umfassende Persönlichkeits-entwicklung und Erwerb derallgemeinen Studierfähigkeitdurch wissenschaftspropä-deutisches Arbeiten in einerWelt sich beschleunigendenVeränderungsdrucks auf al-len Ebenen nach wie vor gül-tig und konstitutiv für dieseSchulform.

Der gymnasiale Unterricht istdementsprechend gekenn-

zeichnet durch die Auswahlseiner Themen und die Tiefeseines fachlichen Anspruchs.Prägend ist dabei eine Orien-tierung an klassischen, be-währten Inhalten, Themenund Unterrichtsgegenstän-den. Hierbei ist das Ziel, dieGymnasiasten bei der Ent-wicklung einer kritischen,hinterfragenden und mithinwissenschaftlichen Grund-haltung zu unterstützen.

Dies begründet sich dadurch,dass

■ in einer globalisierten Weltein umfassendes Verständ-

In der aktuellen Amtsperiode hat sich der GeschäftsführendeVorstand des DPhV mehrfach ausführlich mit dem Selbstver-ständnis und der Weiterentwicklung des Gymnasiums in einersich rasch wandelnden Gesellschaft befasst und in mehreren-Sitzungen Thesen zur Zukunft des Gymnasiums formuliert.

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nis der vielfältigen kultu-rellen, historischen, politi-schen, ethischen, techni-schen und wirtschaftli-chen Bestimmungsfakto-ren von entscheidenderBedeutung ist.

■ Je stärker der Verände-rungsdruck ist, je schnellersich konkretes Wissen ver-mehrt oder veraltet, destowichtiger sind umfassen-de Allgemeinbildung unddie Fähigkeit, sich in neueGebiete einzuarbeitenbzw. immer neue Informa-tionen auf der Grundlageeiner intelligent vernetz-ten Wissensbasis zu ord-nen, zu gewichten und zubewerten.

■ Persönlichkeitsbildungund Werteerziehung zumKern der gymnasialen Bil-dungsidee gehören. Dabeigeht es einerseits darum,

jungen Menschen zu hel-fen, sich selbst zu verwirk-lichen, ihre Entwicklung zufördern sowie andererseitsdarum, ihnen einen festenwertebasierten Stand-punkt zu ermöglichen, da-mit sie ausgehend von dereigenen Herkunft und ih-rer eigenen kulturellenIdentität sich neue Hori-zonte und Welten erschlie-ßen lernen, um ihre indivi-duelle Persönlichkeit zuentwickeln und zu stärken.

■ die Zukunftsbewältigungin unserer modernen Ge-sellschaft ganz entschei-dend davon abhängenwird, ob junge Menschengelernt haben und bereitsind, soziale, gesellschaft-liche und politische Ver-antwortung als Bürger ineiner Demokratie zu über-nehmen. Junge Menschendazu zu befähigen, zu er-

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PROFIL > dphv-standpunkt

muntern und zu erzie-hen, ist eine wichtigeAufgabe des modernenGymnasiums. Zum gym-nasialen Bildungsauftraggehört das Ziel einer po-sitiv verstandenen Eliten-bildung, also der Selbst-verpflichtung, jungeMenschen darauf vorzu-bereiten, an entscheiden-den gesellschaftlichenPositionen ihre Aufgabenim Sinne des Gemein-wohls engagiert wahrzu-nehmen.

■ das Ziel des Gymnasiumsnicht lediglich die Verlei-hung des Zertifikats derStudienberechtigung, desAbiturs, ist, sondern dieVermittlung der umfas-senden Studienbefähi-gung. Deshalb stellt esbesondere Anforderungenan das reflektierende undabstrakte Denken. DasGymnasium steht daher

einer besonders in engenBeziehung zu den Hoch-schulen und den wissen-schaftlichen Fachdiszipli-nen. Es orientiert sichgrundsätzlich an denStandards und Lerninhal-ten der Unterrichtsfächer.Das Gymnasium der Zu-kunft braucht ebenso eineenge Verflechtung mitkulturellen Institutionenaußerschulischer Lernor-te.

4. Das Gymnasium ist ei-ne Schule für Kinder

und Jugendliche, die diesesBildungsangebot wahrneh-men können und wahrneh-men wollen, unabhängig vonihrer Herkunft. Es ist keineSchule für alle! Es muss ge-währleistet sein, dass die Eig-nungsvoraussetzungen aufallen Jahrgangsstufen desGymnasiums gegeben sind.Das kann bei der Aufnahmedurch entsprechende Aus-

wahlverfahren oder auchdurch eine Probezeit gesi-chert werden. Das Gymnasi-um ist eine soziale Leis-tungsschule, die offen ist füralle Schichten der Gesell-schaft.

5. Ausgehend von seinemBildungsverständnis

muss das Gymnasium denGrundsatz der individuellenFörderung besonders ernstnehmen. Am Gymnasiumumfasst dies zunächst alleFormen der Begabtenförde-rung, etwa eine aufbauende,umfassende Hochbegabten-förderung, aber auch Unter-stützungsleistungen für dieKinder mit vorübergehendenLeistungsproblemen. Die För-derung der Kreativität ist ei-ne Herausforderung in allenFächern.

6. Das Gymnasium er-möglicht Integration

durch die Förderung des indi-viduellen Leistungswillens

Ziel des Gymnasiums ist die Vermittlungder umfassenden Studienbefähigung.

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Neue Formen der Kommunikation, Kooperation und Vernetzungermöglichen neue, effektive Wege der Vermittlung vonLehr- und Lerninhalten.

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Die gesellschaftliche Funktiondes Gymnasiums besteht darin,Kinder aus allen gesellschaftli-chen Gruppen ungeachtet ihrerHerkunft oder sonstigen indivi-

duellen Prägung zu fördern.

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PROFIL > dphv-standpunkt

und Könnens. Die Orientie-rung am durchaus klassischenBildungsgedanken, an Fach-lichkeit und Wissenschafts-propädeutik in allen Fächernschafft personenunabhängigeKriterien, die äußeren Merk-malen weniger Bedeutung zu-kommen und vor allem gesell-schaftlich bedingte Differen-zierungen unwirksam seinlassen. Die gesellschaftlicheFunktion des Gymnasiums be-steht somit darin, Kinder ausallen gesellschaftlichen Grup-pen ungeachtet ihrer Her-kunft oder sonstiger individu-eller Prägung zu fördern. Kin-dern mit Migrationshinter-grund bietet das moderneGymnasium auf diese Weiseexzellente Bildungs- und Auf-stiegschancen.

7. Das Gymnasium leistetseinen Beitrag zum Errei-

chen des Ziels der Inklusiondurch die Einbeziehung vonKindern mit Behinderungen indas Schulleben. Das Bildungs-ziel des Gymnasiums erfor-dert jedoch einen zielgleichenUnterricht für alle Kinder, die

das Abitur erreichen wollenund können.

8. Ganztagsangebote bie-ten dem Gymnasium

der Zukunft Chancen, Schuleals umfassenden Lebensraumzu gestalten, sie zu öffnenund Angebote von außen insBildungsangebot zu integrie-ren. Eine Entscheidung überdie Teilnahme an den Ganz-tagsangeboten obliegt den El-tern, gegebenenfalls nach Be-ratung durch die Schule.

9. Internationaler Aus-tausch mit verschiede-

nen Ländern innerhalb undaußerhalb Europas und Viel-sprachigkeit gehören zu denMarkenzeichen des modernenGymnasiums. Auf der Basis ei-ner spezifischen Förderungder deutschen Sprache erwei-tern Schüleraustauschpro-gramme, Partnerschulen undAuslandsfahrten den Bil-dungshorizont unserer Gym-nasiasten.

10. Naturwissenschaftund Technik prägen

unsere Gesellschaft. Deutsch-

land braucht für seine weiterewirtschaftliche Prosperitätund technisch-wissenschaftli-che Entwicklung eine großeZahl schulisch bestens ausge-bildeter junger Menschen. DasGymnasium bietet auch in Zu-kunft eine konsequent ange-legte qualifizierte mathema-tisch-naturwissenschaftlicheGrundbildung und fördert wiebisher seine Schülerinnen undSchüler bei der Teilnahme aneinschlägigen Wettbewerbenin diesem Bereich.

11. Digitale Medien bie-ten große Potentiale:

Neue Formen der Kommuni-kation, Kooperation und Ver-netzung ermöglichen neue,effektive Wege der Vermitt-lung von Lehr- und Lerninhal-ten, die Schülerinnen undSchüler auf den Start ins Stu-dium und auf eine Arbeits-welt vorbereiten, die in erheb-lichem Maße von Digitalisie-rung geprägt ist. Schülerinnenund Schüler am Gymnasiumwerden zu einem souveränenUmgang mit digitalen Medienumfassend befähigt. Als Teil

der umfassenden Entwicklungvon Persönlichkeit und allge-meiner Studierfähigkeit zieltdigitale Bildung am Gymnasi-um darauf ab, vertieft zu re-flektieren und zu verstehen,wie Vernetzung und Digitali-sierung unsere Welt und dieMenschen verändern, undgeht damit über eine reine‘Bedienkompetenz’ hinaus.

Die Besonderheiten desGymnasiums erfordern eineeigene Pädagogik und Di-daktik. Diese spiegelt sichvor allem auch in einer drei-phasigen gymnasialen Leh-rerbildung wider: schul-formspezifisches Studium,bildungsgangbezogenes Re-ferendariat und lebenslan-ge Fort- und Weiterbildung.

Ein modernes Gymnasiumbenötigt eine hochwertigetechnische Ausstattung füralle Fächer und dazu einemoderne, funktionstüchtigeInfrastruktur, um aktuelleLehr- und Lernformen imSchulalltag umsetzen zukönnen.

FOLGERUNGEN

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Nicht nur in Asien, auch in England undFrankreich werden gute Schulleistungenmehr anerkannt als bei uns – und zwardurch die eigenen Klassenkameraden.

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> PROFIL | Juni 2017 13

PROFIL > interview

»Der Streberist uncool …«

Heinz-Peter-Meidinger im Gesprächmit Dirk Walter vom Münchner Merkur

Wie zufrieden sind die fünfzehnjährigen Schülerin Deutschland?In Deutschland fühlen sichdie Schüler sogar etwas bes-ser als der OECD-Durch-schnitt. Das ist kein Anlasszu besonderer Besorgnis.

Wirklich nicht? In Deutsch-land wird laut der Studiejeder sechste Schülergemobbt.Das stimmt, es ist aber aucheine Frage des Marketings,was an einer Studie als be-sonders hervorgehoben wird

und was nicht. Es wundertmich, dass für Deutschlandgerade Mobbing als signifi-kant herausgestellt wird,weil wir hier eigentlich bes-ser abschneiden als derDurchschnitt der OECD-Län-der – es also bei uns wenigerMobbing-Fälle gibt als an-derswo. Trotzdem: Jeder ein-zelne Mobbing-Fall istschlimm. Als Schulleiterweiß ich, dass Schüler darun-ter extrem leiden. Leider gibtes da auch eine hohe Dun-kelziffer unentdeckter Fälle.

Wie kann man Mobbingerkennen?Es gibt Alarmzeichen, die Er-wachsene nicht übersehensollten: Die gemobbten

Schüler verhalten sich plötz-lich anders, sie ziehen sichzurück, wirken verschlossen– die Leistungen lassen nach,sie gehen ungern in dieSchule. Das Schwierige ist,dass sich die Schüler häufignicht ihren Eltern anvertrau-en, und sie erzählen es schongar nicht ihren Lehrern. Dasist ja nicht mehr so wie frü-her, dass sich Mobbing vorallem auf dem Pausenhofabspielt, mit Rempeleienoder dass man Schulsachenversteckt. Heute läuft vielesüber soziale Netzwerke.Praktisch jeder Mobbing-Fallist entweder initiiert oderzumindest begleitet durchDiffamierung auf Facebookoder in den WhatsApp-Klas-sengruppen, manchmal auchauf Plattformen wie Instag-ram oder Youtube. Dasmacht Mobbing nochschlimmer: Eine Hänselei imSchulbus ist zwar schlimm,aber sie geht vorüber. DerSchüler ist irgendwann wie-der zuhause – und die ande-ren los. Mobbing in derWhatsApp-Gruppe ist öffent-lich, wirkt dauerhaft, ist

Drei von vier Schülern in Deutschland sindmit ihrem Leben eigentlich ganz zufrieden.Aber jeder Sechste wird gemobbt – so die aufden ersten Blick widersprüchlichen Ergebnis-se der letzten OECD-Studie. Heinz-Peter Mei-dinger ist Vorsitzender des Deutschen Philo-logenverbandes und Direktor eines Gymnasi-ums in Deggendorf/Bayern. »Manche Ergeb-nisse der Studie muss man gegen den Strichlesen«, warnt Meidinger.

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> PROFIL | Juni 201714

PROFIL > interview

nicht löschbar, und mankann sich kaum dagegenwehren.

Die Studie bietet jede Mengeinteressanter Einzelbefunde.Ein Ergebnis sagt, dass schu-lischer Ehrgeiz in Deutsch-land nicht besonders ausge-prägt ist. Woran liegt das?Das ist in der Tat auffallend.Es gibt in Deutschland im-mer noch das Bild des Stre-bers, der – leider, muss manja sagen – als uncool gilt undvon den Mitschülern nichtakzeptiert wird. Das führtdazu, dass gute Schüler ver-suchen, nicht aufzufallen et-wa durch häufiges Melden,sondern sich absichtlich zu-rückhalten. Streber sindzwar geschätzt, wenn sie ab-schreiben lassen, aber nichtwenn sie glänzen. Das ist jakein neues Phänomen, dasgibt es als literarisches Motivschon lange, zum Beispiel inder ‘Feuerzangenbowle’. Dasist in der Unterstufe übri-gens anders – jeder Grund-schüler will gut sein. AuchOberstufenschüler gehenmit guten Leistungen gelas-sener um, erkennen dieseauch positiv an. Aber in derMittelstufe ist das ein Pro-blem, das auch für den Un-terricht belastend sein kann,weil es Leistungsbereitschaftund Kreativität lähmt.

Kann das dazu führen, dassFünfzehnjährige absichtlichschlechte Schulaufgabenschreiben – weil sie auchmal einen Vierer oder Fünferhaben wollen?Diese extreme Form des ‘Un-derperformens’ halte ichnicht für ausgeschlossen.Auf jeden Fall wirkt es sichbei den mündlichen Unter-richtsbeiträgen aus, beimAusfragen, also dort, wo esöffentlich vor der Klassenge-meinschaft stattfindet. Dieschriftlichen Noten werdenvom Lehrer ja vor der ganzenKlassengemeinschaft garnicht mehr bekannt gege-

ben, insofern würde die Fünfja auch nicht jeder mitbe-kommen – es sei denn, derSchüler gibt regelrecht andamit.

Das könnte ja sein.Möglich. Viele Lehrkräfte be-obachten, dass mit Einsernselten angegeben wird. Wasaber häufiger vorkommt, ist,dass der Schüler demonstra-tiv zeigt, dass ihm die Fünfoder Sechs gar nichts aus-macht.

Wie ist das dann in denasiatischen Drillschulen?Ist dort das Streber-Daseinetwas Positives?Nicht nur in Asien, auch inEngland und Frankreich wer-den gute Schulleistungenmehr anerkannt als bei uns –und zwar durch die eigenenKlassenkameraden, nicht et-wa die Eltern, die ja immerstolz sein werden.

Noch ein Befund: Nur vierProzent der deutschen Schü-ler geben an, sie arbeitetenmehr als sechzig Stundenpro Woche für die Schule –den Unterricht mit einge-rechnet.Das ist ein geringer Anteil.Aber es hängt damit zusam-men, dass in Deutschlanddas Gros der Schulen immernoch Halbtagsschulen sind –nicht aber Ganztagsmodelle,wo das Unterrichtsvolumenper se ja höher ist. Richtig istaber auch, dass das Schüler-leben in den asiatischen Län-dern unvergleichbar intensi-ver ist. In Japan ist nicht nurdie Ganztagsschule bis 16:00Uhr die Regel, sondern vieleEltern schicken ihre Kinderdanach noch in den soge-nannten Juku – also in privatfinanzierte Nachhilfe- oderPaukschulen, teilweise bis21:00 Uhr. Und das wohlge-

merkt nach der regulärenGanztagsschule.

Das ist aber nichterstrebenswert.Mit Sicherheit nicht. Daszeigt auch die Grenzen sol-cher internationaler Ver-gleichsstudien auf. Klar, mansollte sich international anden Besten orientieren, aberman muss auch auf die Hu-mankosten blicken. Was denSchülern in Japan, Singapur,Macau oder bestimmten chi-nesischen Provinzen an Leis-tungsdruck zugemutet wird,ist inakzeptabel. Lieber einpaar Punkte weniger im PISA-Leistungstest und ein paarPunkte mehr beim ‘Well-being’, also bei der Schüler-Zufriedenheit! Klar ist aberauch, dass eine Schule, in dernur das ‘Wellbeing’ zählt unddie Leistung gar nichts, auchnicht weiterführt. ■

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Alarmzeichenbei Mobbing:Die Schüler verhalten sich plötzlichanders, sie ziehen sich zurück, wirkenverschlossen – die Leistungen lassennach, sie gehen ungern in die Schule.

Alarmzeichenbei Mobbing:

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Ganztagsangebote am Gymnasium

Aufstockung dererforderlichenRessourcenGemeinsamesBeschlusspapier vonBerufspolitischemund Bildungspoliti-schem Ausschuss

von RAINER STARKEund STEFFEN PABST

In den letzten Jahren ist inallen Bundesländern derAnteil der Gymnasien mit

Ganztagsangeboten stetigangestiegen.

Zu unterscheiden sind die of-fene Ganztagsschule mit ei-nem freiwilligen Ganztagsan-gebot am Nachmittag, dieteilgebundene mit einer füralle Schülerinnen und Schülerverpflichtenden Teilnahmeam Vor- und Nachmittag andrei Tagen in der Woche so-wie die gebundene mit einemverpflichtenden Ganztag füralle Schülerinnen und Schüler.

Gestaltung desNachmittags

Zunehmend wünschen Elterndie Betreuung ihrer Kinderam Nachmittag, sei es, dassbeide Elternteile unmittelbarnach der Elternzeit ihrer be-ruflichen Tätigkeit wiedernachgehen wollen, sei es,dass die Familie auf den Dop-pelverdienst angewiesen istoder ein Elternteil alleinerzie-hend ist.

VielfältigeGanztagsangebote

Das Ganztagsangebot stelltimmer eine Ergänzung desKerngeschäfts des Gymnasi-

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ums, den Unterricht, dar. Solassen sich mit Ganztagsan-geboten eine erweiterte Be-gabtenförderung erreichen,eine wissenschaftliche Propä-deutik ausbauen, Chancen zurVertiefung in Sprache, Natur-wissenschaft, Gesellschafts-wissenschaft, Kunst, Musikund Sport einräumen, mehrbilinguale Unterrichtseinhei-ten einrichten, ein breitererBlick der Schülerinnen undSchüler durch Einbeziehungvon Unterstützungskräften er-reichen, individuellere Lern-zeiten mit einem schülerge-rechteren Umgang mit Zeitrealisieren, zusätzliche Ange-bote an Projektarbeit ermögli-chen, ein größeres Angebotan Arbeitsgemeinschaftenvorhalten und besonders imländlichen Raum vielfältigeAngebote über den Unterrichthinaus unterbreiten (zum Bei-spiel englischsprachigesKino).

Bereitstellung erfor-derlicher Ressourcen

Diese pädagogischen Mög-lichkeiten, die Ganztagsange-bote an Gymnasien bieten,erfordern besondere Rah-

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menbedingungen als auchbeträchtliche personelle wieauch sächliche Ressourcen,auch wenn in hohem Maßeaußerschulische Lernorte so-wie örtliche Träger von Ein-richtungen in das Ganztags-angebot einbezogen sind.Der Deutsche Philologenver-band fordert die Kultusminis-terien und die Schulträgerauf, nicht nur den Ausbauvon Ganztagsschulen zu pro-pagieren, sondern auch dieerforderlichen Ressourcen be-reitzustellen. So sind denLehrkräften an Gymnasienmit Ganztagsangeboten überdie Arbeitszeitverordnungenbzw. über entsprechende Er-lasse und Verwaltungsvor-schriften zusammenhängen-de Zeiten für die Vorberei-tung und die Durchführungvon Korrekturen zu gewäh-ren.

Im Einzelnen wird die nach-folgende zusätzliche perso-nelle Lehrkräfte-Ausstattungfür erforderlich gehalten: einKoordinator bzw. eine Koor-dinatorin für den Ganztags-bereich als Mitglied derSchulleitung, die Auswei-

sung eines für den Ganztags-bereich notwendigen Stun-denpools zur Durchführungdes zusätzlichen Unterrichtsund von Projekten sowie Be-treuungsaufgaben und eineBeauftragte bzw. ein Beauf-tragter für den Kontakt zuden außerschulischen Koope-rationspartnern (mindestenseine Person für die BereicheWissenschaft, Wirtschaft,Kultur und Sport) mit min-destens zehn Anrechnungs-stunden, die im schulbezoge-nen Anrechnungspool auszu-weisen sind.

Keine Zuordnungzum Lehrkräfte-stellenplan

Hinzu kommen Assistenzsys-teme, die nicht dem Lehrkräf-testellenplan zuzuordnensind, wie der medizinisch-psychologische Dienst, eineSchulsozialarbeiterin bzw. einSchulsozialarbeiter, ein Sani-tätsdienst, Gerätewarte fürMedien und Technik, eine Bi-bliothekskraft, eine Laborlei-terin bzw. ein Laborleiter, ei-ne Leiterin bzw. ein Leiter desSport- und Freizeitbereichesund auch Schülerinnen und

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Ganztagsangebot stellt immer eine Ergänzung des Kerngeschäfts des Gymnasiums, den Unterricht, dar.So lassen sich mit Ganztagsangeboten eine erweiterte Begabtenförderung erreichen und vielfältigeAngebote über den Unterricht hinaus unterbreiten.

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> PROFIL | Juni 201716

PROFIL > bpa/bra

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Schüler als Hausaufgaben-helfer mit Tarifverträgen.

Unterstützungskräfte kön-nen durch Kooperationsver-träge gewonnen werden,zum Beispiel mit Universitä-ten und Hochschulen in derRegion (auch mit Musik- undKunsthochschulen), mit Trä-gern regionaler Bildungsan-gebote der Kommunen undLänder, wie zum BeispielSchülerrechenzentren undLaborschulen, mit Unterneh-men und Betrieben in der Re-gion, mit Musikschulen(auch durch Verträge im Rah-men des FSJ, auch Streicher-,Bläser-, Chorklassen), mitKirchen, mit Klöstern undEinrichtungen anderer Religi-onsgemeinschaften, mitstaatlichen und gemeinnüt-zigen Einrichtungen, wiezum Beispiel des DeutschenRoten Kreuzes, der Polizeiund der Feuerwehr, mit Mu-seen am Ort und in der Regi-on, mit künstlerischen Verei-nen (auch durch Verträge imRahmen des FSJ), mit Ju-gendstätten und Jugendwer-ken, mit Theatern am Ortund in der Region und Sport-vereinen (Fußball, Handball,Rudern, Tennis, Golf, …).

Schulträgersind in derVerantwortung

Die Schulträger haben diezusätzliche räumliche undmaterielle Ausstattung zustellen, wie eine Mensa miteinem qualitativ hochwerti-gen Mittagessenangebot so-wie mit einer Frühstücks-und Pausenversorgung, ge-sonderte Arbeitsräume fürLehrkräfte sowie Schülerin-nen und Schüler (unter an-derem eine Bibliothek, Com-puterräume mit Internetan-schluss und Gruppenarbeits-räume), gut ausgestatteteLabor- und Experimentier-räume unter anderem mitExperimentierkästen und Mi-kroskopen, ein Freigeländefür Sport, Spiel und Entspan-nung und nicht zuletzt auchgesonderte Ruheräume fürLehrkräfte sowie Schülerin-nen und Schüler. ■

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Schulträger haben die zu-sätzliche räumliche undmaterielle Ausstattung zustellen, zum Beispiel ge-sonderte Arbeitsräume fürLehrkräfte sowie Schüle-rinnen und Schüler undein Freigelände für Sport,Spiel und Entspannung.

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> PROFIL | Juni 2017 17

PROFIL > bpa/bra

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> PROFIL | Juni 201718

PROFIL > lehrerarbeitszeit

von RAINER STARKEund STEFFEN PABST

»Lehrer haben vormit-tags recht und nach-mittags frei.« Dieses

Klischee hält sich immer noch

in der Gesellschaft, obwohl esfern jeglicher Realität ist. DasLehrerdasein zeichnet sichnicht in erster Linie durch dieAnnehmlichkeiten langer Feri-en und einer Halbtagsbe-schäftigung bei voller Bezah-

lung aus; vielmehr üben Lehr-kräfte, so Schaarschmidt(Hrsg.: Halbtagsjobber, 2004),einen der anstrengendstenBerufe aus. Speziell gilt diesfür die psychischen Belastun-gen, die der Beruf mit sich

bringt. Dass das Gerede vomLehrer als Halbtagsjobber eineMär ist, zeigen auch die vonder Kultusministerkonferenz2004 beschlossenen Stan-dards für die Lehrerbildung, indenen unter anderem die Auf-

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Deutsche Lehrkräftegelten im internatio-

nalen Vergleich alsbesonders belastetund gesundheitlich

gefährdet. Ursachendafür: große Klassen-

stärken, heraufge-setzte Unterrichtsde-

putate, hohe Erwar-tungshaltung und

gleichzeitig geringeAnerkennung seitens

der Gesellschaft.

Lehrerarbeitszeit seit 100 Jahren nahezu unverändert

Die Märvom Halbtagsjobber

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> PROFIL | Juni 2017 19

PROFIL

gaben von Lehrkräften be-schrieben sind:

1. Lehrerinnen und Lehrer sindFachleute für das Lehrenund Lernen. Ihre Kernaufga-be ist die gezielte und nachwissenschaftlichen Erkennt-nissen gestaltete Planung,Organisation und Reflexionvon Lehr- und Lernprozes-sen sowie ihre individuelleBewertung und systemi-sche Evaluation. Die berufli-che Qualität von Lehrkräf-ten entscheidet sich an derQualität ihres Unterrichts.

2. Lehrerinnen und Lehrer sindsich bewusst, dass die Erzie-hungsaufgabe in der Schuleeng mit dem Unterricht unddem Schulleben verknüpftist. Dies gelingt umso bes-ser, je enger die Zusammen-arbeit mit den Eltern gestal-tet wird. Beide Seiten müs-sen sich verständigen undgemeinsam bereit sein,konstruktive Lösungen zufinden, wenn es zu Erzie-hungsproblemen kommtoder Lernprozesse misslin-gen.

3. Lehrerinnen und Lehrerüben ihre Beurteilungs- undBeratungsaufgabe im Un-terricht und bei der Vergabevon Berechtigungen fürAusbildungs- und Berufswe-ge kompetent, gerecht und

verantwortungsbewusstaus. Dafür sind hohe päda-gogisch-psychologischeund diagnostische Kompe-tenzen von Lehrkräften er-forderlich.

4. Lehrerinnen und Lehrerentwickeln ihre Kompeten-zen ständig weiter undnutzen wie in anderen Be-rufen auch Fort- und Wei-terbildungsangebote, umdie neuen Entwicklungenund wissenschaftlichen Er-kenntnisse in ihrer berufli-chen Tätigkeit zu berück-sichtigen. Darüber hinaussollen Lehrerinnen undLehrer Kontakte zu außer-

schulischen Institutionensowie zur Arbeitswelt ge-nerell pflegen (Vereinba-rung zu den Standards fürdie Lehrerbildung: Bil-dungswissenschaften [Be-schluss der Kultusminister-konferenz vom 16. Dezem-ber 2004], Seite 3).

Keine Teilhabe derLehrkräfte amsozialen Fortschritt

In den Beamtengesetzen derLänder sind die regelmäßigeArbeitszeit, Bereitschafts-dienste wie auch die Mehrar-beit im öffentlichen Dienstfestgelegt. Die regelmäßige

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Arbeitszeit darf im Jahres-durchschnitt vierzig Stundenin der Woche nicht über-schreiten. Um die Entwick-lung der Lehrerarbeitszeit zubeurteilen, bietet sich ein Ver-gleich zur Entwicklung der Ar-beitszeit in der Gesellschaftan.

Die Arbeitszeit im öffentli-chen Dienst wurde im Nach-kriegsdeutschland von 54 auf40 Wochenstunden abge-senkt. Lehrkräfte haben andieser Entwicklung des sozia-len Fortschrittes jedoch nichtteilgenommen. Vielmehr hatsich ihre Arbeitsbelastung be-ständig erhöht (Abbildung 1).

Jahr Arbeitszeit im öffentlichen Dienst Unterrichtsverpflichtung an Gymnasien

vor 1900 50 Wochenstunden 16 bis 20 Unterrichtsstunden

1914 bis 1918 kriegsbedingte Verordnung: Erhöhung auf 24 Unterrichtsstunden

1923 Erlass im Hinblick auf die »Not von Volk und Reich«:

Erhöhung auf 54 Wochenstunden Erhöhung auf 25 Unterrichtsstunden

1945 54 Wochenstunden

Beibehaltung der durchschnittlich zu haltendenUnterrichtsstunden auf dem Stand des 1. Weltkrieges

bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitsbelastungdurch außerunterrichtliche Tätigkeiten

1948 Senkung auf 51 Wochenstunden

1950 48 Wochenstunden

1964 44 Wochenstunden

1969 43 Wochenstunden

1971 42 Wochenstunden

1974 40 Wochenstunden

1945 bis 1990Einführung der 5-Tage-Woche,

Ausdehnung der Urlaubszeit bis zu 6 Wochen

ab 1948: Angaben für das Gebiet der Bundesrepublik

Abbildung 1

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Arbeitszeitgerechtigkeit endlich auch für Lehrerinnen und Lehrer!>

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> PROFIL | Juni 201720

PROFIL > lehrerarbeitszeit

Die Lehrerarbeitszeitim Spiegel vonArbeitszeit- undBelastungsstudien

Die Gymnasiallehrkräfte ha-ben natürlich die Diskrepanzder Entwicklung der Arbeits-zeit im öffentlichen Dienstund im Lehrerbereich ge-brandmarkt. Um der Ausei-nandersetzung zu begegnen,hat 1973 die Kultusminister-konferenz bei der SchweizerUnternehmensberatungKnight-Wegenstein eine Ar-beitszeituntersuchung anSchulen in Auftrag gegeben.Für die Kultusminister überra-schend – nicht jedoch für denDeutschen Philologenverband– zeigte sich für Lehrkräfteunter Einrechnung der Ferien-zeiten eine weitaus höhere Ar-beitsbelastung im Jahres-durchschnitt als beim übrigenöffentlichen Dienst. Die Belas-tung der Gymnasiallehrkräftenahm dabei trotz relativ ge-ringer Regelstundenzahl ei-nen Spitzenwert von 47 Stun-den ein, was aufgrund derVorbereitung und Korrekturenin der gymnasialen Oberstufenicht verwundert.

Alle nachfolgenden Studienerbrachten gleiche Ergebnisse.Im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregie-rung befragte 1999 die Unter-nehmensberatung Mummert& Partner 6.500 Pädagogen.Die durchschnittlichen Jahres-

> arbeitszeiten lagen je nachSchulform zwischen 1.750und 1.980 Stunden. Auffälligwar eine große Streuung; eini-ge Gymnasiallehrkräfte ka-men auf rund 3.500 Stunden.

Der Freiburger Mediziner Joa-chim Bauer befragte 2006 950Pädagogen. Sie kamen imDurchschnitt auf eine 51-Stunden-Woche. Die von Sep-tember 2005 bis März 2006 inSachsen durchgeführten Un-tersuchungen im Rahmen desProjektes ‘Lange lehren’ wie-sen für Gymnasiallehrerinnenund -lehrer eine durchschnitt-liche Wochenarbeitszeit von54,7 Stunden nach.

Neben der Knight-Wegen-stein-Untersuchung ist die bis-her umfassendste Studie die‘Potsdamer Lehrerstudie’, dievon Prof. Dr. Uwe Schaarsch-midt als »Bilanz sechsjährigerForschung zur Unterstützungeiner stark beanspruchten Be-rufsgruppe« vorgelegt wurde.In der ersten Arbeitsetappevon 2000 bis 2003 analysierteSchaarschmidt die Belastungs-situation, genauer die psy-chische Gesundheit, und inder zweiten Etappe von 2003bis 2006 erarbeitete er Unter-stützungsangebote zur Ver-besserung der Situation. DieSchaarschmidt-Studie wieder-um war für den DeutschenPhilologenverband 2005 An-lass, die Broschüre ‘Lehrerge-sundheit: Prävention statt Re-aktion – Schulen brauchen ge-

sunde Lehrinnen und Lehrer’vorzulegen. Heinz-Peter Mei-dinger betonte im Vorwort,dass die Schaarschmidt-Studieim Übrigen belegt, »dass deut-sche Lehrkräfte auch im inter-nationalen Vergleich als be-sonders belastet und gesund-heitlich gefährdet gelten. Ur-sachen dafür dürften bei gro-ßen Klassenstärken, heraufge-setzten Unterrichtsdeputaten,aber vor allem auch bei derhohen Erwartungshaltungund der gleichzeitig geringenAnerkennung seitens der Ge-sellschaft zu suchen sein.«

Da die bisherigen Arbeitszeit-und Belastungsstudien keinenDurchbruch bei der Senkungder Unterrichtsverpflichtungbrachten, strengten der Philo-logenverband Niedersachsenmehrfach sowie der Philolo-genverband Baden-Württem-berg Normenkontrollklagenvor den jeweils zuständigenOberverwaltungsgerichten an.Diese sahen die hohe Belas-tung, kamen andererseits aberzu der Auffassung, dass dieSchere zwischen der Arbeits-zeit im öffentlichen Dienstund der Lehrkräfte noch nichtweit genug auseinanderklaffe,sodass der große Ermessens-spielraum der beklagten Lan-desregierungen bei Festlegungder Lehrerarbeitszeit nochnicht verletzt sei. Als einDurchbruch kann jetzt dasvom Philologenverband Nie-dersachsen erstrittene Urteil

des OVG Lüneburg vom 9. Juni2015 gelten, in dem die vorge-nommene einseitige Erhöhungder Regelstundenzahl um eineUnterrichtsstunde für Gymna-siallehrkräfte für rechtswidrigerklärt wurde. In der Urteilsbe-gründung heißt es: »Der Ver-ordnungsgeber hat seine diestreitgegenständliche Rege-lung tragenden Erwägungenweder vollständig in der Ver-ordnungsbegründung selbstoffengelegt, noch hat er dietatsächlichen Grundlagen fürdie Ausübung seiner Einschät-zungsprärogative – nämlichdie tatsächliche Arbeitsbelas-tung der niedersächsischenGymnasiallehrkräfte – vor Ver-ordnungserlass in einem trans-parenten, auch empirischenVerfahren sorgfältig und nach-vollziehbar ermittelt.«

BeständigeZunahme derArbeitsbelastung

Zunehmend wird von den Leh-rerinnen und Lehrern erwartet,dass sie Defizite in der häusli-chen Erziehung kompensierenund auf gesellschaftliche Pro-bleme umfassend reagieren.Seit der Untersuchung vonKnight-Wegenstein und auchder nachfolgenden Untersu-chungen ist die Arbeitsbelas-tung an den Gymnasien deut-lich angestiegen. Beispielhaftseien hier nur genannt: die zu-nehmende Eigenverantwor-tung mit hohem Verwaltungs-aufwand für die Schulen allge-mein (Abbildung 2), wie auchfür die Schulleiter (Abbildung 3)sowie für die einzelnen Lehr-kräfte (Abbildung 4), die Ein-führung von neuen kompe-tenzorientierten Lehrplänensowie deren schulische Umset-zung, die Einführung von Fach-und Seminararbeiten mit wis-senschaftlichem Anspruch, diezunehmenden Anforderungendurch Schullaufbahnberatun-gen und der zusätzliche Korrek-turaufwand durch Kompetenz-tests und Vergleichsarbeiten.Hinzu kommen zahlreiche Kon-

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Beamtengesetze der Länder: RegelmäßigeArbeitszeit darf im Jahresdurchschnitt vierzigStunden in der Woche nicht überschreiten.

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> PROFIL | Juni 2017 21

Zunahme der Aufgaben durch die eigenverantwortliche Schule•• Qualitätsentwicklung und Qualitätsförderung der Schulen

•• Übertragung erweiterter Entscheidungsbefugnisse an die Schulen

Dies führt

•• zu neuen Aufgaben der Schulleitung,

•• zu Entscheidungen im Schulvorstand bzw. in der Schulkonferenz,

•• zu weiteren Beteiligungstatbeständen für die Personalräte,

für die Gleichstellungsbeauftragten und

•• zur Mehrarbeit für Lehrkräfte.

Neue Aufgaben der Schulleitung•• Personalplanung und -entwicklung

•• Haushaltplan/ Budgetverwaltung

•• Einstellung auf Schulstellen (gesamtes Verfahren)

•• Verbeamtung auf Probe und auf Lebenszeit

•• Verleihung eines Amtes A 14 / Höhergruppierung nach EG 14

•• Arbeitsverträge für Vertretungskräfte

•• Abordnungen

•• Beurteilung von Referendaren

•• Prüfungsvorsitz bei Staatsexamen

•• Wiedereingliederung Langzeiterkrankter

Mehrarbeit für Lehrkräfte•• höherer Verwaltungsaufwand

•• längere Korrekturzeiten durch interne und externe Vergleichsarbeiten

•• zusätzliche Konferenzen

· zu schulinternen Lehrplänen

· zur Erstellung von Schulentwicklungskonzepten

· zur Selbstevaluation

· zur Erstellung von Förderplänen

· zur Bildungsberatung

· mit externen Partnern

· zur inhaltlichen Abstimmung mit Schüler aufnehmenden und abgebenden

Schulen

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 4

ferenzen und Gremiensitzun-gen zu Konzepten und Pro-grammen durch die eigenver-antwortliche Schule und durchdie Vorgaben der Schulinspek-tion bzw. der Schulaufsicht. DieMehrbelastung durch die ei-genverantwortliche Schuleführt letztendlich dazu, dassfür die Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie für dieKorrekturen der Klassen- undKursarbeiten am häuslichenSchreibtisch kaum noch Zeitbesteht. Ein großer zeitlicherAufwand entsteht auch durchdie Umsetzung der Behinder-tenrechtskonvention der Ver-einten Nationen. So werdenimmer mehr Schüler mit son-derpädagogischem Förderbe-darf an den Gymnasien unter-richtet, was einen höheren Vor-und Nachbereitungsaufwandbzw. eine Neustrukturierungdes Unterrichts erfordert. EinesKraftaktes bedarf zudem dieEingliederung von Kindern mitMigrationshintergrund undminderjährigen Flüchtlingen.

Aufgrund der bisherigen Ar-beitszeitstudien sowie der be-ständig angestiegenen Belas-tung fordert der Deutsche Phi-lologenverband seit Jahren dieKultusministerkonferenz auf,

eine neue wissenschaftliche,von einem unabhängigen In-stitut durchzuführende Unter-

suchung zur Lehrerarbeitszeitin Auftrag zu geben, um dertatsächlichen Arbeitsbelas-

tung von Lehrkräften Rech-nung zu tragen, denn derDeutsche Philologenverbandsieht die Verletzung der Für-sorgepflichtung in allen Bun-desländern als gegeben an, dadie Arbeitszeit der Gymnasial-lehrkräfte deutlich oberhalbder im öffentlichen Dienst imDurchschnitt geltenden 40-Stunden-Woche liegt. Da dieKultusministerkonferenz zudieser Forderung schweigt,plant der Deutsche Philolo-genverband mit seinen Lan-desverbänden eigenständigeine Untersuchung zur Ar-beitszeit und zur Belastungvon Gymnasiallehrkräftendurchzuführen.

Für den DeutschenPhilologenverbandgilt:

Arbeitszeit-gerechtigkeitendlich auch

für UNS!Wir brauchen endlicheine unabhängigeArbeitszeituntersuchung!

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> PROFIL | Juni 201722

PROFIL > zur diskussion

Der verpflichtendeGanztag passt nicht

zu den Arbeitszeiten moderner Eltern

In der Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien NRW e.V.(2016, publiziert März 2016, schriftlich September 2016) gab es ein deutliches Resultat:

Alle verpflichtenden Formen des Ganztags wurden schlecht benotet.Gut benotet wurden hingegen alle Vorschläge, in denen ‘Halbtagsschule’ oder

‘Vormittagsschule und Angebote am Nachmittag’ oder ‘offener Ganztag’ angeboten wurden.

Es ist wahrscheinlich, dass diemodernen Arbeitszeiten derartigflexibel sind, dass eine Ganztags-schule, die sich an den herkömmli-chen ‘nine to five’-Arbeitszeiten derVergangenheit orientiert, an den Wün-schen der Eltern vollständig vorbeigeht.

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> PROFIL | Juni 2017 23

PROFIL > zur diskussion

(Online-Studie und postalische Studie) vergleichbar. Es fehlt inder Infratest Dimap-Studie auch eine schulformbezogene undeine gesonderte Auswertung nach dem Alter der Kinder.

Die Studie der Landeselternschaft hat eine wesentlich größereStichprobe untersucht und beansprucht Repräsentativität fürdie Elternschaft der Gymnasien. Damit sind die Ergebnisse mit-einander nicht vergleichbar. In einer zweiten Online-Studie hatdie Landeselternschaft natürlich auch die Meinung von Grund-schuleltern erfragt und zwar von 5.900 Personen, also mehr alsin der gesamten Infratest Dimap-Studie.

Die Studie der Landeselternschaft ist aktuelleren Datums – dieErhebung fand von Februar bis März 2016 statt. Die Studie vonInfratest Dimap fand ein Jahr früher statt. Aus den bereits ge-nannten Unterschieden ergeben sich klare Rückschlüsse darauf,dass die Daten der Infratest Dimap-Studie nicht mit denen derStudie der Landeselternschaft übereinstimmen müssen.

Der wichtigste Punkt aber ist folgender: die Infratest Dimap-Studie vergleicht die Meinung und Zufriedenheit von Eltern, de-ren Kinder eine Schule mit gebundenem Ganztag besuchen mitder Meinung von Eltern, deren Kinder eine Schule mit offenemGanztag oder eine Halbtagsschule besuchen. Dabei gibt es ei-nen sogenannten Selbstselektionseffekt, der die Ergebnisse derStudie für die Frage, ob der verpflichtende Ganztag an Gymna-sien weiter gefördert werden soll oder nicht, wertlos macht.

von PROF. DR. RAINER DOLLASE,Universität Bielefeld

Die Wünsche an die zeitliche Schulorganisationsahen im Einzelfall wie folgt aus:

•• Die beste Bewertung mit einer Note von 2,38 erhielt der Vor-schlag ‘offener Ganztag’, d.h. ‘freiwilliger Ganztag mit Mittag-essen in der Schule, AG Angebote in der Schule’.

•• Die schlechteste Bewertung erhielt der Vorschlag ‘gebunde-ner Ganztag (d.h. verpflichtender) an jedem Tag’ mit einer No-te von 4,99 d.h. also ‘mangelhaft’.

Befragt wurden rund 25.000 gymnasiale Eltern online und1.310 gymnasiale Eltern mit einer postalischen Zufallsbefra-gung. Die Ergebnisse der Online-Befragung und der repräsenta-tiven Befragung nach Zufallsauswahl unterschieden sich so gutwie nicht.

Widerspruch zur Bertelsmann-Studie?

Geradezu im medial-rezeptiven Widerspruch hierzu stand eineUmfrage der Bertelsmann Stiftung (publiziert im Sommer2016), die in Medien als Unterstützung der Forderung nach ge-bundenen Ganztagsschulen interpretiert wurde. Eltern von ge-bundenen Ganztagsschulen seien mit ihrer Schule zufriedenerals Eltern mit offener oder gar keiner Ganztagsregelung.

Dieser Widerspruch muss aufgeklärt werden. Die Frage ist:»Was hat die Bertelsmann Studie 2016 im Unterschied zu derUmfrage der Landeselternschaft der Gymnasien NRW e.V. ge-messen?«

Die ‘Bertelsmann Studie’ ist nicht von Bertelsmann durchge-führt worden, sondern die Stiftung hat das Institut ‘Infratest Di-map’ in Berlin damit beauftragt. Die Auswertung zum Ganztagist eine Teilauswertung einer allgemeinen Studie zur Schulzu-friedenheit, die im Jahre 2015 durchgeführt wurde. Infratest Di-map nutzt ein sogenanntes ‘Access Panel’. Ein Access Panel ist inder üblichen Sprache der Meinungsforschungsindustrie eineStichprobe von Menschen, die sich irgendwann bereit erklärthaben, an Onlineumfragen teilzunehmen. Wenn sich dann einekonkrete Fragestellung ergibt, kann ein Institut auf deren Be-reitschaft zurückgreifen. Das hat Infratest Dimap offenbar beider Ganztagsstudie auch gemacht und insgesamt 4.321 Eltern(ebenso wie bei der Umfrage der Landeselternschaft: überwie-gend Mütter) aus allen sechzehn Bundesländern für die Befra-gung gewinnen können.

Die Bertelsmann-Auftraggeber teilen ansonsten keine methodi-schen Einzelheiten mit, sondern schreiben lapidar »für Datener-hebung, Gewichtung nach soziodemographischen Merkmalenund die Auswertung war Infratest Dimap verantwortlich.« DieseAuskunft ist für eine wissenschaftliche Kritik zunächst einmalnicht ausreichend. Es wird zukünftig empfohlen, in den ab-schließenden Berichten mehr über methodische Fragen zu ver-öffentlichen, damit man die Relevanz oder Nichtrelevanz sol-cher Studien besser beurteilen kann. Infratest wertet nun dieAuskünfte von Eltern schulpflichtiger Kinder im Alter von sechsbis sechzehn Jahren aus, vermengt also Grundschule und Se-kundarstufe und verschiedene Schulformen. Die Stichprobe istalso nicht mit der Befragung der Elternschaft der Gymnasien

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Infratest wertet die Auskünfte von Eltern schulpflichtiger Kinderim Alter von sechs bis sechzehn Jahren aus, vermengt Grundschu-le, Sekundarstufe und verschiedene Schulformen. Die Stichprobeist also nicht mit der Befragung der Elternschaft der Gymnasien(Online-Studie und postalische Studie) vergleichbar.

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> PROFIL | Juni 201724

PROFIL > zur diskussion

Warum? Gebundene Ganztagsgymnasien müssen von derobersten Schul(aufsichts)behörde genehmigt werden. Es gibtstaatliche Empfehlungen für diese Schulform. Genehmigungenwerden nur erteilt, wenn auch die räumlichen und personalenVoraussetzungen vorhanden sind. Die Einhaltung der Quali-tätskriterien wird kontrolliert.

Ein Auszug aus den entsprechenden Vorschriften des Regie-rungsbezirks Düsseldorf für die Errichtung von Ganztagszügen:»Nachweis der erforderlichen Beteiligung von Schulausschussund Schulkonferenz; … verbindliche Erklärung des Schulträgers,dass der Ganztagsbetrieb zum beantragten Termin aufgenom-men werden wird; Erklärung, welche Schule der entsprechen-den Schulform mit Halbtagsbetrieb für die Schülerinnen undSchüler des Einzugsgebiets der für den Ganztagsbetrieb vorge-sehenen Schule erreichbar wäre usw.« – auch räumliche undpersonelle Voraussetzungen werden formuliert. Bei dem Er-richtungsbeschluss wird also auch darauf geachtet, dass die El-tern die Wahl zwischen gebundenem Ganztag und Nicht-Ganz-tagsformen haben.

Die Infratest Dimap-Studie belegt also, dass die Selbstselektionfunktioniert: es gab eine freiwillige Anmeldung der Eltern, die-se müssen sogar für ihr Kind die Möglichkeit haben, nicht un-bedingt die Ganztagsschule wegen räumlicher Nähe besuchenzu müssen. D.h. also, die Daten zum verpflichtenden Ganztagstammen von Eltern, die sich freiwillig dafür entschieden ha-ben, ihr Kind in eine Schule mit verpflichtendem Ganztag zuschicken. Sie hätten auch eine andere Möglichkeit gehabt, die-se aber nicht ergriffen. In der Meinungsforschung ist vollkom-men klar, dass solche Selbstentscheidungen dazu führen, dassman das Modell auch gut findet bzw. gut finden muss, weil

man sonst ja eine falsche Entscheidung getroffen hätte (com-mitment, kognitive Konsistenz u.a. psychologische Konzepte).Gleichzeitig ist die Einrichtung eines gebundenen Ganztagsbe-triebs von den Lehrern, der Schulleitung, den Schulkonferenzenso entschieden worden, d.h. an den gebundenen Ganztags-schulen arbeiten nur Personen, die mit diesem Modell zufrie-den sind und dieses Modell gewollt haben. Auch hier kann esdann nicht wundern, dass das Personal mit dem Modell zufrie-den ist und diese Zufriedenheit sich auch im Alltag zeigt. Oderbei den Lehrkräften. »Des Menschen Wille ist sein Himmel-reich« – sagt das Sprichwort.

Was die Studie nicht belegen kann, ist, ob auch Eltern, die kei-nen verpflichtenden Ganztagsbetrieb wollen, mit einer gebun-denen Ganztagsschule zufrieden wären. Dazu hätten besonde-re Fragen eingestellt werden müssen.

Die Infratest-Umfrage gibt also Auskunft, ob die Errichtungs-kriterien für den verpflichtenden Ganztagsbetrieb eingehaltenworden sind. Deswegen wird auch nach Räumen, nach Lehrernetc. gefragt – alles Themen, die mit der grundlegenden Ent-scheidung, ob man einen verpflichtenden Ganztagsbetrieb ha-ben möchte oder nicht, überhaupt nichts zu tun haben. Nie-mand wird also das Ergebnis bestreiten: wenn man ein ziel-gruppenspezifisches Angebot macht, kann das Eltern zufriedenstellen. Aber die anderen?

Übrigens: Für zielgruppenspezifisches Angebot schneidet dergebundene Ganztag in der Studie allerdings kaum überlegengut ab – im Gegenteil: Eltern haben vieles zu kritisieren. DieUnterschiede zum offenen Ganztag sind minimal.

Auch in der im Vergleich zur Infratest-Umfrage riesigen Stich-probe (d.h. zehnmal so hohen Umfragebeteiligung) der Lan-

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ck Der gebundene und verpflichtende Ganztagist an den Gymnasien eindeutig deplatziert– aus Gründen der Arbeitszeitflexibilisierungkann für moderne Schulen nur der offeneGanztag infrage kommen.

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> PROFIL | Juni 201726

PROFIL > zur diskussion

deselternschaft NRW e.V. konnte man einen ähnlichen Ver-gleich zwischen Eltern, die ihr Kind an einem gebundenenGanztagsgymnasium bzw. offenen bzw. Halbtagsgymnasienbeschulen lassen, durchführen. Dabei kommt eindeutig heraus,dass Eltern, deren Kind an einem gebundenen Ganztag be-schult wird, diesen gebundenen Ganztag genauso wenig posi-tiv beurteilen wie die anderen Eltern. Vermutlich hatten sie kei-ne andere Betreuungswahl. Einen kleinen Unterschied gibt es:Eltern mit Kindern an einem gebundenen Ganztagsgymnasiumbeurteilen den gebundenen Ganztag zu 41 Prozent mit der No-te ‘sechs’, also ‘ungenügend’, während die anderen den gebun-denen Ganztag zu 57 Prozent mit der Note ‘sechs’ also ungenü-gend beurteilen. Rund 20 Prozent der gebundenen Ganztagsel-tern finden den gebundenen Ganztag also weniger ‘ungenü-gend’ – toll.

Meinungsforschungsinstitute arbeiten selbstverständlich sorg-fältig und vernünftig. Für die Interpretation der Daten und Er-gebnisse und die methodenkritischen Erläuterungen unter An-wendungsgesichtspunkten sind sie allerdings nicht zuständig,sondern die Auftraggeber, also hier die Bertelsmann Stiftung.Unangenehm an vielen von Stiftungen finanzierten Untersu-chungen ist der mangelnde Bezug zu wissenschaftlichen undkritischen Interpretationen. Stellenweise wird die moderne For-schung zum Thema nicht berücksichtigt bzw. ausgeschlossen.

Die moderne Arbeitszeitflexibilisierung –Das Aus für den gebundenen Ganztag

Innerhalb der interdisziplinären Zeitforschung gibt es seit un-gefähr zwanzig bis dreißig Jahren eine Debatte über die Flexibi-lisierung der Arbeitszeiten als Folge der Globalisierung und alsFolge von gewandelten Produktionsverhältnissen (zum BeispielDollase, Hammerich und Tokarski, 2000). Auch zahlreiche empi-rische Daten zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten von Elternliegen vor. Ein typisches Missverständnis ist, dass man unterFlexibilisierung der Arbeitszeiten in der Öffentlichkeit nur ver-steht, das man morgens Gleitzeit hat und nachmittags auch.Dem ist in der Realität schon lange nicht mehr so.

Die Wandlungen der Elternarbeitszeit haben gewaltige Auswir-kungen auf die Bedürfnisse nach der Art längerer tageszeitli-cher Beschulung. Die Mainstream-Diskussion geht von dem alt-modischen ‘nine to five’ Arbeitszeitmodell aus – die Gefahr ei-ner Fehlplanung ‘am Bedarf vorbei’ besteht schon länger.

Im Jahre 2012 haben von 100 Unternehmen 84 Teilzeit angebo-ten, 73 individuelle Arbeitszeiten 63 flexible Tages- und Wo-chenzeiten, 51 Vertrauensarbeitszeiten, 20 flexible Jahres- undLebensarbeitszeiten, 21 Telearbeit. In destatis kann man lesen,dass im Jahre 2014 Eltern mit Kindern ab sechs Jahren zu 61Prozent Vollzeit und zu 39 Prozent Teilzeit gearbeitet haben. BeiFrauen ist das entsprechende Verhältnis 34 Prozent Vollzeit und66 Prozent Teilzeit. Ebenfalls bei destatis kann man nachlesen,dass die Erwerbsquote der Mütter allgemein 45 Prozent ist unddie Erwerbsquote der Väter 83 Prozent (Daten aus 2014). Auchin absoluten Zahlen muss man sich vergegenwärtigen, dass imJahre 2016 1.617.242 Menschen Teilzeit gearbeitet haben. DieHans-Böckler-Stiftung rechnet für ‘atypische Jobs’ (Mini-Jobs,Leiharbeit, Teilzeitarbeit) für Nordrhein-Westfalen mit 39 Pro-zent bis 41 Prozent. Bei destatis findet man für das Jahr 2010,dass 36 Prozent der Beschäftigten in flexiblen Arbeitszeitmo-

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dellen ihr Geld verdienen: 26 Prozent arbeiten am Wochenen-de, 14 Prozent am Sonntag und 26 Prozent abends (2014).

In eigenen Studien in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsenhaben wir Eltern mit Kleinkindern einen vollständigen Stun-denplan, der täglich von 7:00 Uhr bis 21:00 Uhr reichte, aucham Samstag und Sonntag, vorgelegt und die Eltern sollten an-kreuzen, wann sie auf Betreuung angewiesen sind. Dabei ergabsich, dass auch nach 16:00 Uhr, auch samstags und sonntagsum 21:00 Uhr noch Betreuungsbedarf existiert. Kein Wunder:Es gibt heute jede Menge Berufe, in denen Schichtarbeit unddie Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten notwendig ist.

Ergebnis war, dass in Nordrhein-Westfalen mit 34 Stunden Öff-nungszeit einer Kita 50,9 Prozent der Eltern zufrieden gestelltwerden und mit 44 Stunden nur 73 Prozent, das heißt, es blei-ben 27 Prozent übrig, die trotz einer erweiterten Öffnungszeitauf 44 Stunden bezüglich der öffentlichen Betreuung von Kin-dern frustriert werden.

Warum werden also möglicherweise bei den gymnasialen El-tern verpflichtende Ganztagsgymnasien so deutlich abgelehnt?Es ist sehr wahrscheinlich, dass die modernen Arbeitszeitenderartig flexibel sind, dass eine Ganztagsschule, die sich anden herkömmlichen ‘nine to five’-Arbeitszeiten der Vergangen-heit orientiert, an den Wünschen der Eltern vollständig vorbeigeht. Die Annahme einer klassischen und traditionellen ‘nineto five’-Arbeitszeit der Eltern ist eine typische Idee aus dem 20.Jahrhundert und wirkt heute antiquiert. Sie führt auch bei derBeurteilungen von Eltern, die sich gegen den gebundenenGanztag aussprechen, zu völlig falschen Schlussfolgerungen:diese Eltern tun das nicht aufgrund einer konservativen (‘ewiggestrigen’) Orientierung, sondern einfach darum, weil bei ei-nem flexibilisierten Arbeitsalltag eine regelmäßige ‘nine to fi-ve’-Verpflichtung ihres Kindes sämtliche Möglichkeiten zer-stört, irgendetwas mit dem Kind zusammen zu unternehmenbzw. überhaupt mit ihm zu sprechen.

Ein Polizist und eine Krankenschwester – beide mit Wechsel-schicht – sind nicht mehr in der Lage, irgendein häusliches Le-ben zu organisieren, wenn die Kinder auch noch von 8:00 Uhrbis 16:00 Uhr jeden Tag in der Schule gebunden werden. EineMutter, die bei der Telekom in der Kundenbetreuung arbeitetund schon mal am Wochenende etwas tun muss, der Vatermuss bei Miele zu einer Fortbildung von Freitag bis Sonntag undbekommt dafür an anderen Wochentagen frei – auch in diesemFall ist ein verpflichtender Ganztag eine empfindliche Störungvon allem, was in unserer Gesellschaft für Eltern sinnvoll ist. ■

Der gebundene und verpflichtende Ganztag ist an den Gymnasieneindeutig deplatziert – aus Gründen der Arbeitszeitflexibilisierungkann für moderne Schulen nur der offene Ganztag infrage kom-men, damit das Familienleben nicht vollständig zerstört wird. Die-ses eindeutige, empirisch gesicherte Fazit verkennt nicht, dass esbelastete Familien in den Slums unserer Städte gibt, für die eineverpflichtende Ganztagsbetreuung der Kinder wichtig wäre. Oder– für klassisch von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr arbeitende Eltern kannein freiwilliger ‘gebundener Ganztag’ (der dann ja gar keiner mehrist) eine zielgruppenspezifisch sinnvolle Strategie der Bildungspoli-tik sein.

FAZIT

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Schule. Die zwanzigbesten Teams werden zumFinale nach Berlin eingeladen.

Mitmachen können Schülerin-nen und Schüler in der Erstaus-bildung (maximal 21 Jahre)

ab Jahrgangsstufe 10 inDeutschland und in Schulenmit deutschsprachigemUnterricht in der EU undin der Schweiz.

Anmeldung:1. Juni bis 30. September 2017unter www.schulbanker.de

KontaktSibel Balaban-StröhBurgstraße 28 · 10178 BerlinTel.: 0 30 / 16 63-1292Fax: 0 30 / 16 63-1273Web: www.schulbanker.deE-Mail: [email protected]

PROFIL > A N Z E I G E

Bei SCHUL/BANKER erlebendie Schüler, wie Marktwirt-schaft und Wettbewerb funk-tionieren. Sie nehmen imChefsessel ihrer virtuellenPlanspielbank Platz und über-nehmen als Team die Auf-gaben des Bankvorstands.

Ziel ist es, die eigene Bankverantwortungsvoll und mög-lichst erfolgreich zu führen.Die Schüler erhalten Einblickin wirtschaftliche Zusammen-hänge und unternehmeri-sches Handeln. Dabei lernensie Aufgaben und Funktions-

weise einer Bank kennen.Der Wettbewerb wird injedem Jahr von November bisFebruar ausgetragen. Übersechs Runden spielt jedes Teamauf einem von zwanzig Märk-ten – betreut von einer Lehrerinbzw. einem Lehrer derselben

Einmalselbst Banker sein

20 Jahre SCHUL/BANKER:

Einmalselbst Banker sein

Eine Bank verantwortlich führen und im Team vieleder Entscheidungen treffen, die auch in der Realitätvom Management einer Bank getroffen werden.

Am 11. November 2017 startet der Schülerwettbewerb in die 20. Runde.

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> PROFIL | Juni 201728

PROFIL > gastbeitrag

GeographieUnterricht mit Schlüsselrolle fürgymnasiale Bildung

von VOLKER HUNTEMANN

Die Geographie1, eineder klassischen Wis-senschaften, beschäf-

tigt sich integrativ mit derdreidimensionalen Strukturund Entwicklung der Land-schaftshülle der Erde, sowohlin ihrer physischen Beschaf-fenheit wie auch als Raumund Ort des menschlichen Le-bens und Handelns. Sie befin-det sich damit genau an derSchnittstelle zwischen denNaturwissenschaften und denGeisteswissenschaften undstellt somit das einzige Brü-ckenfach dar. Gerade hierausresultiert ihre Schlüsselrollebei der gymnasialen Bildung,denn interdisziplinäres Arbei-

fen 6 und 9). An dieser Stellesoll die besondere Rolle undPerspektive der Geographieinnerhalb der Geowissen-schaften verdeutlicht werdenund der unverzichtbare fach-

ten und die Aufgabenbewälti-gung in Team-Arbeit sind Kri-terien, die Geographen2 nachihrem Studienabschluss auchfür die Wirtschaft interessantmachen. Dieses sind auf denersten Blick große Vorteile fürdas Unterrichtsfach. Auch beiden Schülern genießt das Fachzum Beispiel beim Wahlver-halten für die Oberstufe inBayern eine große Wertschät-zung. Allerdings trifft dasnicht auf die Einschätzung derBildungspolitiker zu: Teilweiseist die Geographie kein eigen-ständiges Fach mehr (in Ba-den-Württemberg gibt es dieFächergruppe Geographie-Wirtschaft-Gemeinschafts-kunde – GWG) oder es tunsich unverständlicherweiseJahrgangslücken auf (zumBeispiel in Bayern keine Geo-graphie in den Jahrgangsstu-

spezifische Beitrag für dieMensch-Umwelt-Beziehungbis hin zur Existenzsicherungweiter Bevölkerungsschichtenim 21. Jahrhundert einembreiten Publikum verständlichgemacht werden.

Schulgeographieim Gefüge derGeowissenschaften

Alle sich mit der Erforschungder Erde befassenden Wissen-schaftsdisziplinen, zum Bei-spiel Geophysik, Mineralogieund Petrographie, Geologieund Paläontologie, Hydrolo-gie, Klimatologie und Meteo-rologie, Ozeanographie, Geo-däsie und die Geographie wer-den unter dem Begriff ‘Geo-wissenschaften’ geführt. EngeBeziehungen bestehen nichtnur untereinander, sondernauch zu den Nachbarwissen-schaften wie zum BeispielPhysik, Chemie, Biologie undGeschichte. Hieraus wirddeutlich, dass es wohl kaumeinen anderen Fachbereichgibt, in dem interdisziplinäres

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Die Arbeit mit der Karte im Gelände einewichtige Methode der Geographie

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Anmerkungen und Quellen imgesonderten Kasten auf Seite 32

Nicht für jedermann zugänglich –Schüler erkunden ein geschütztes Biotop

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Fotos (8

x): www.plan

et3.de

Gruppenarbeit imTropen-Gewächshaus

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> PROFIL | Juni 2017 29

PROFIL > gastbeitrag

2014 zur InternationalenRaumstation ISS und ver-brachte dort ein halbes Jahr.Seine ‘Blue-Dot-Mission’ ver-lief so erfolgreich, dass er beieiner weiteren Mission imJahr 2018 als erster DeutscherKommandant der ISS werdenwird. Dr. Alexander Gerst gibtin nahezu allen Publikationenals Berufsbezeichnung Geo-physiker an.5 Zur Information:Die Geophysik ist eine der anden Universitäten eigenstän-digen Geowissenschaften, dieim gymnasialen Schulalltag inihren Inhalten bereits ab Jahr-gangsstufe 5 durch das Unter-richtsfach Geographie vertre-ten wird.

Arbeiten schon seit langemTradition ist. Es ist äußerst be-dauerlich, dass immer noch inweiten Teilen der Öffentlich-keit Geographie mit länder-kundlichem Wissen (soge-nannte Postmeister-Geogra-phie) gleichgesetzt wird, wo-mit es schwer fällt, geographi-sche Themen und Kompeten-zen als solche darzustellen.

Abgesehen von wenigen Aus-nahmen, wie zum Beispiel derGeologie, die in einigen Bun-desländern in Form vonGrundkursen in der Oberstufeangeboten werden kann, sinddie Geowissenschaften imgymnasialen Alltagsgesche-hen so gut wie ausschließlichdurch das Fach Geographievertreten. Zwar stellt die Geo-graphie zunächst nur einenTeilbereich der Geowissen-schaften dar, doch betrachtetman die Lerninhalte der ein-zelnen Jahrgangsstufen imFach Geographie genauer, sowird klar, dass die breite Palet-te der Geowissenschaften imgymnasialen Geographieun-terricht sehr wohl Berücksich-tigung findet. Auf diesem We-ge können die spezifischenLeistungsprofile der Geogra-phie ihre hohe Problemlö-sungskompetenz in wichtigengesellschaftlichen Fragen undihre Bedeutung als geowis-senschaftliches Zentrierungs-fach an den Schulen in ausge-zeichneter Weise nach außenvermitteln.

Persönlichkeitenmit unverzichtbaremgeographischemBackground

In einem mittlerweile schonbetagten Artikel in der Zeit-schrift ‘Die Zeit’ bezeichneteWalter Schmidt Geographenals »die letzten Spezialistenfürs Ganze«.3 Er stellt berech-tigtermaßen dar, dass das An-sehen der Geographen darun-ter leidet, dass so viele Men-schen früher Erdkundeunter-richt ‘genossen’ oder erlitten

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haben und meinen, die moder-ne (Schul-)Geographie sei das-selbe4. Diese eindeutige Fehl-einschätzung wird leider auchdurch eine Vielzahl von Bil-dungspolitikern vertreten.Geographie – da meint jederBescheid zu wissen, ohne sichmit den heutigen Lerninhal-ten, Methoden und Didaktikennäher beschäftigt zu haben.

Doch schauen wir uns einmalkurz die berufliche Ausrich-tung von zwei Persönlichkei-ten des öffentlichen Lebensan, die in unserem Land hochgeschätzt sind. Da wäre zumBeispiel Dr. Alexander Gerst:Er flog als Astronaut im Jahr

Werfen wir auch noch einenBlick auf Prof. Dr. Stefan Dech.Er ist der Direktor des Deut-schen Fernerkundungsdaten-zentrums der Deutschen Ge-sellschaft für Luft- und Raum-fahrt (DLR), einer der profilier-testen Mitarbeiter der deut-schen ‘Weltraumbehörde’. AlsForschungsschwerpunktewerden genannt:

•• Erforschung des GlobalenWandels mit Methoden derFernerkundung

•• Fragen zum nachhaltigenRessourcenmanagement(Schwerpunkt: semi-arideRäume)

•• Biodiversität (methodischerSchwerpunkt: Einsatzoptischer Fernerkundungs-verfahren)

•• Methodenentwicklungzur Operationalisierung(thematische Prozessoren)von Algorithmen fürLangzeitserien

•• Verfahren zur Visualisierungund Computeranimation

•• Konzeption von Kriseninfor-mationssystemen, insbe-sondere für die Tsunami-Frühwarnung6

Oberstufenschüler beim Besuch des Deutschen Zentrumsfür Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen

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Schüler einer 5. Klasse beim Besuchdes Planetariums in Nürnberg

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Woher kommt unser Strom? Erkundung eines Großkraftwerks>

> PROFIL | Juni 201730

PROFIL > gastbeitrag

phischen Gesetzmäßigkeitenund Regeln werden dabei aufdurchaus unterschiedlichenMaßstabsebenen erfasst, dievon der lokalen über die regio-nale bis hin zur globalenSichtweise reichen. Dieser Zu-gang folgt einem Systemkon-zept, mit dem die Schüler dieFertigkeit gewinnen, die ein-zelnen Geofaktoren in ihrerStruktur, in ihrer Funktion so-wie in ihrer Prozessrelevanzzu erfassen, zu verstehen undzu bewerten – sie erwerbendie wichtige Kompetenz, ingeographischen Fachkonzep-ten zu denken.7

Jeder einzelne dieser geowis-senschaftlichen Forschungs-schwerpunkte taucht in seinerEinstiegsform für die späterewissenschaftliche Ausbildungan den Universitäten in denLehrplänen der Geographieauf. Die Geographie als Vorbe-reitung auf das spätere Lebenund die zukünftigen Entwick-lungen – können wir es unsdann überhaupt leisten, diegymnasiale Unterrichtsse-quenz einzuschrumpfen?

Selbstverständnis desFaches Geographie

Der Planet Erde ist Gegen-stand der geographischen Bil-dung am Gymnasium. Er mussals einzigartige und verletzli-che Lebensgrundlage desMenschen betrachtet werden.Die Erde stellt sich uns als einkomplexes System dar, dessenEinzelerscheinungen in viel-fältigen Wechselbeziehungenzueinander stehen. Durch diePhysische Geographie als ei-nem Teilgebiet des Geogra-phieunterrichts wird die ge-staltende Wirkung der Natur-kräfte in ihrer naturgesetzli-chen Ordnung erfasst. Die An-thropogeographie stellt dieraumprägenden Einflüsse des

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Menschen, die er durch seineAnsprüche, Bewertungen undNutzungen auf dem PlanetenErde ausübt, in den Mittel-punkt ihrer genuinen Betrach-tungsweise. In idealer Ver-knüpfung von thematischerund regionaler Geographiekönnen daraufhin so die raum-prägenden Verknüpfungen vonthematischer und regionalerGeographie in raumprägnan-ten Gesetzmäßigkeiten erfasstund die individuellen Beson-derheiten unterschiedlich aus-geprägter Räume fachlich fun-diert dargestellt werden.

UmfassenderBildungsauftrag:Kompetenzorientie-rung im FachGeographie

Durch den Geographieunter-richt erhalten die Schüler invielfältiger Weise diverse Kom-petenzen, ihren Lebensraumals äußerst komplexesMensch-Umwelt-System zuverstehen, in dem natur- undkulturgeographische Systemein vielfachen Wechselbezie-hungen zueinander stehenund zusammenwirken. Die indiesem Wirkungsgeflecht be-deutenden allgemeingeogra-

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Der Bildungsauftragdes FachesGeographie

Kernbereiche geographischerBildung sind unter anderem:

•• Vermittlung von Kompeten-zen zum räumlichem Orien-tierungswissen (zum Bei-spiel Topographie, katego-riale Gliederung der Ge-osphäre)

•• Vermittlung von geowissen-schaftlichen Kenntnissenund Erkenntnissen (zumBeispiel Bau und Geschichteder Erde, Kenntnisse überWetter und Klima, Meeres-kunde, Bodenkunde)

•• Vermittlung von Kompeten-zen und Erkenntnissen inden Bereichen Wirtschafts-und Sozialgeographie (zumBeispiel Landnutzung, In-dustrie, Verkehr, Bevölke-rung, Siedlung)

•• Kompetenz zur Entwicklungvon Verständnis für die Not-wendigkeit internationalerKooperation (zum BeispielStrukturen, Prozesse undProbleme in Regionen undStaaten, Länderkunde,Welthandel, globale Dispa-ritäten)

•• Entwicklung von kompeten-ten sachkundigen Verhal-tensweisen und Entwick-lung einer Beurteilungsfä-higkeit (zum Beispiel geo-graphische Fertigkeiten und

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Bei der Arbeit an der Tunnelbohrmaschine stehtfächerübergreifendes Denken im Vordergrund

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> PROFIL | Juni 2017 31

PROFIL > gastbeitrag

zugehen, sich die für ihre Ar-beit erforderlichen Medienund Informationen zu be-schaffen, zu ordnen, zu ana-lysieren, kritisch zu bewer-ten sowie in angemessenerForm zu präsentieren. Be-dingt durch die bereits ananderer Stelle angesproche-ne integrativ-offene Strukturgegenüber Nachbardiszipli-nen und die bewusste Aus-richtung auf schülerorien-tiertes, selbstständiges Ar-

Arbeitsweisen, Verständ-nis für Raumplanungsauf-gaben und Umweltauf-wendungen)

•• Bereitschaft zur Kooperati-on und zum Erfahrungs-austausch mit anderenFachdisziplinen, insbeson-dere in den Bereichen derGeoökologie und des Um-weltschutzes

Kein anderes Fach beschäf-tigt sich so vielschichtig mitden großen Fragen, vor de-nen die Menschheit unmit-telbar vor Ende der zweitenDekade des 21. Jahrhundertssteht. Als Beispiele seien hiergenannt die Begrenztheitder Ressourcen angesichtseiner nach wie vor raschwachsenden Weltbevölke-rung und die immer stärkerauseinanderklaffende wirt-schaftliche Entwicklung inwohlhabenden Industrie-und armen Entwicklungslän-dern mit all ihren sich darausergebenden Konsequenzen(globale Migrationsströme,Kriegsgefahren und Ähnli-ches). Hier leistet die Geo-graphie einen grundlegen-den Beitrag zur Friedenser-ziehung. Von größter Wich-tigkeit ist aber auch eine in-tensive Einbeziehung derweltweit – gerade aber auchin Deutschland – zunehmen-den Umweltgefährdung undihrer Ursachen.

Im Zusammenhang mit demAnspruch auf gymnasialeAllgemeinbildung sind we-sentlich

•• die zum Denken in Syste-men anleitende räumlichintegrative Betrachtungs-weise

•• die zu Methodenreflexionführende Methodenviel-falt

•• die Einbeziehung der Wirt-schafts- und Arbeitswelt inden Fachunterricht

•• die Möglichkeit der realenAnbahnung wichtiger Ver-haltenseinstellungen wie

Weltoffenheit, Kooperati-on, Sachbezogenheit undToleranz

•• der Aufbau eines geordne-ten Weltbildes durch denKompetenzbereich »Sichräumlich orientieren«

Vielfalt der geo-graphischenArbeitsmethoden

Bedingt durch die enormeVielfalt der geographischen

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kationen, die eine Hilfestel-lung für die berufliche Orien-tierung und die Lebenspla-nung darstellen.

Beitrag des FachesGeographie zurPersönlichkeits-entwicklung

Im Geographieunterrichtwerden die Schüler schritt-weise und altersgemäß zueiner räumlichen Erschlie-

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Beim Projekt ‘Rheinschotter’ macht das Mikroskopieren Freude>

Arbeitsmethoden der Schü-ler besteht die Möglichkeitzum handlungsorientiertenErwerb von Kenntnissen, Fä-higkeiten und Werthaltun-gen und sie bieten ihm aus-gezeichnete Möglichkeitensowohl zum selbsttätigen alsauch zum teamgebundenenArbeiten. Da die Förderungder medien- und informati-onstechnischen Kompetenzein wichtiges Anliegen desGeographieunterrichts ist,werden die Schüler in die La-ge versetzt, mit den vielfälti-gen, modernen Kommunika-tionswerkzeugen sicher um-

beiten ist das Fach Geogra-phie für moderne, kreative,offene und fächerverbinden-de Unterrichtsformen prä-destiniert. Mit der Einübungder im modernen Arbeitsle-ben unverzichtbaren inter-disziplinären Methoden undder Einbeziehung bedeuten-der, allerdings nicht im Gym-nasium vertretener Fachwis-senschaften (zum BeispielPlanetologie, Ethnologie)trägt das Fach Geographiezur Erweiterung des Erfah-rungshorizonts der Schülerbei und vermittelt die not-wendigen Schlüsselqualifi-

ßung der Welt angeleitet.Sowohl die Komplexität derThemen als auch die fach-wissenschaftlichen Betrach-tungsweisen und Unter-richtsmethoden steigern sichmit zunehmendem Alter. Dain der Unterstufe bei denSchülern Neugier, Spontanei-tät und Kreativität im Vor-dergrund stehen, wird dortvom konkreten und anschau-lichen Denken im Unterrichtausgegangen. Bei der alters-gemäßen Beschreibung desSachverhalts können auchbereits einfache Verknüpfun-gen von elementaren >

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> PROFIL | Juni 201732

PROFIL > gastbeitrag

Raumphänomenen stattfin-den. Im Vordergrund stehtdas Interesse am Lebensraumder unmittelbaren Region,wobei ein handlungsorien-tiertes Lehren und Lernenauch an außerschulischenLernorten angestrebt wird.Über die Beschäftigung mitdem Lebensraum Deutsch-land sollen die Schüler danneine positive Einstellung zueinem gemeinsamen Europader Nationen finden und spä-ter auch eine Bereitschaft zurBeseitigung von Disparitätenin Entwicklungsländern ent-wickeln. Mit fortgeschritte-nem Alter untersuchen dieSchüler Räume in ihren viel-fältig verflochtenen Bezie-hungen und ihrem genetisch-funktionalen Gefüge in pro-blemorientierter Sichtweisedurch Beschäftigung mit The-menkomplexen wie ‘Indus-trie- und Dienstleistungslän-der’ und ‘Globalisierung’. Indieser Phase soll der Unter-richt verstärkt auch Freiräu-me für Diskussionen und dieGestaltung und Durchfüh-rung von Projekten bieten.

Abstrakte Betrachtungswei-sen und Modellbildungen zurErklärung von Sachverhaltenbzw. zur Entwicklung vonStrategien stehen im Vorder-grund des Geographieunter-richts in der Oberstufe. Dieswird möglich, da die Schüleraufgrund ihrer Persönlich-keitsentwicklung jetzt stärkerbereit sind, an ihrer Lebens-planung zu arbeiten und Ver-antwortung zu übernehmen.Die Schüler sollen nun die Er-de als Raumkontinuum erfah-ren und dadurch zu einemfundierten Raumverständnisund zu einem differenziertenWeltbild gelangen. Stellt inder Unterstufe der Blick in dieweite Welt eher die Ausnah-me dar, so darf in der Ober-stufe trotz aller globaler Pro-blematik die Einbeziehungdes Heimatraumes nie ausden Augen gelassen werden.

Aufgabe derGeographielehrkraft

Es gehört zu den grundle-genden Aufgaben der Geo-graphielehrkraft, altersstu-fengemäß in die zahlreichengeographisch relevanten Pro-blemkreise einzuführen, Zu-sammenhänge aufzuzeigen,die Rolle jedes Einzelnen dar-zulegen und kontroverse Po-sitionen verständlich zu ma-chen. Hierdurch trägt dasFach Geographie ganz erheb-lich dazu bei, das Demokra-tieverständnis bei den Schü-lern zu stärken: Sie lernen,nach welchen SpielregelnEntscheidungen zustande-kommen, dass häufig keinePatentrezepte für Problemlö-sungen existieren und dassdas Engagement jedes Ein-zelnen Voraussetzung dafürist, positive Entwicklungenin Gang zu setzen. Aus die-sem Grunde muss ein mo-derner Fachunterricht inGeographie so angelegt sein,dass schülerorientierter Un-terricht eine Verpflichtungzu adressaten- und altersge-rechter und damit auch lern-struktureller Planung ist. Sei-ne fundamentale Aufgabeliegt darin, die Eigentätigkeitder Schüler zu fördern undzu fordern. Es wäre ein fal-scher pädagogischer Weg,Schüler in die Annahme zuversetzen, sie könnten ent-scheiden, was zu tun sei, undihnen später Leistungen ab-zuverlangen, auf die sienicht vorbereitet wordensind.

Derzeitige Situationdes Geographie-unterrichts

Die Ansprüche an den geo-graphischen Raum haben inden letzten Jahrzehnten be-deutungsvoll zugenommenunter anderem in der:

•• erhöhten Mobilität•• weltweiten, wechselseiti-

gen Abhängigkeit der

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> Staaten und Völker•• Brisanz der Entwicklungs-

problematik in der EinenWelt

•• besonderen SituationDeutschlands im Zusam-menleben mit den euro-päischen Staaten

•• Virulenz der Belastbarkeitvon Landschaftsökosyste-men

•• Bereitschaft zur Kooperati-on in zukunftsorientiertenweltweiten Handlungs-strategien.

Aus diesem Grunde kann eseinem so zentral verankertenFach nicht zugemutet wer-den, nicht in allen Jahr-gangsstufen für die Unter-richtserteilung vorgesehenzu sein.

Erwartungen an dieBildungspolitik

In der geographischen For-schung rücken naturgeogra-phische Fragestellungenschon seit den achtziger Jah-ren des letzten Jahrhundertszunehmend in den Mittel-punkt. Aus diesem Grundesollte die Einbeziehung derGeographie in die MINT-Fä-cher selbstverständlich sein(so, wie es zum Beispiel beimDeutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt schon seitLangem der Fall ist). Fernerist die Geoökologie als eige-ne Disziplin aufgrund derweltweit zunehmenden Be-

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drohung unserer natürlichenLebensgrundlagen sicheretabliert. Diese und ähnlicheEntwicklungen sind an dergymnasialen Schulgeogra-phie nicht vorbeigegangen,denn sie muss – wie ein-gangs bereits erwähnt – dasgesamte Spektrum geowis-senschaftlicher Disziplinenmitvertreten. Wir Geogra-phen erwarten deshalb, dasseine vorausschauende Bil-dungspolitik dem Selbstver-ständnis des Faches als deseinzigen Brückenfachs zwi-schen Natur- und Geistes-wissenschaften in der stun-denmäßigen Berücksichti-gung entsprechend Rech-nung trägt. In der gymnasia-len Bildung darf der Blick zu-rück zur Begründung des Ist-Zustands nicht intensiverausfallen als die Betonungder wichtigen Zukunftsper-spektiven und somit derBlick nach vorne.

Derzeitige Defiziteund Lösungsansätze

In Bayern kann das Fach Geo-graphie für das Lehramt anGymnasien zwar in Kombi-nation mit allen wesentli-chen Fächern der Geisteswis-senschaften studiert wer-den, allerdings nicht in Kom-bination mit den MINT-Fä-chern Mathematik und Bio-logie. Diese Tatsache stellteine deutliche Einschrän-kung eines wesentlichen Flü-

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1 In einigen Bundesländern wird das Fach weiterhin als Erdkunde bezeichnet.

2 Bei Erwähnung von Personengruppen umfassen diese

maskulin und feminin gleichermaßen.

3 Schmidt, Walter: Geheimnisvoller Geograph.

In: Zeit Online vom 14. Mai 1993, Seite 2; www.zeit.de/1993/20/

geheimnisvoller-geograph

4 gem. Schmidt, Walter: Geheimnisvoller Geograph.

In: Zeit Online vom 14. Mai 1993, Seite 1; www.zeit.de/1993/20/

geheimnisvoller-geograph

5 vgl. zum Beispiel www.planet3.de

6 vgl. www.dlr.de/eoc/de/desktopdefault.aspx/tabid-5242/8788_

read-1169/sortby-lastname

7 gem. www.lehrplanplus.bayern.de/fachprofil/gymnasium/geographie,

Seite 2.

8 Schallhorn, Eberhard: 100 Jahre Verband Deutscher Schulgeographen e.V.

heute. In: www.eredkunde.com/index_wp.php/?=1236

ANMERKUNGEN / QUELLEN

Page 33: Arbeitszeit von Gymnasiallehrkräften: Mär vom Halbtagsjobber · rem Schulsystem und die Kolleginnen und Kol-legen an diesen Schulen leisten engagierte und verdienstvolle Arbeit.

> PROFIL | Juni 2017 33

PROFIL > gastbeitrag

gels der Geographie dar. Zwarsehen die gültigen Lehrpläneund die Richtlinien zur Um-welterziehung eine Behand-lung geoökologischer und na-turwissenschaftlicher Lernin-halte im Geographieunter-richt nahezu gleichgewichtigvor, aber unter diesen Bedin-gungen in der Schulpraxis be-steht die große Gefahr einertendenziellen Ausrichtungdes Unterrichts auf anthropo-gene Themen. Da die Geogra-phie jedoch das einzige Brü-ckenfach zwischen Naturwis-senschaften und Geisteswis-senschaften ist, sollten bald-möglichst die Fächerkombi-nationen mit Mathematikund Biologie wieder zugelas-sen werden. Nur so kann si-chergestellt sein, dass die na-turwissenschaftlichen unddie geisteswissenschaftlichenBelange gleichermaßen be-rücksichtigt werden. Das soll-te bundesweit als Signal füreine Kurskorrektur auch inanderen Bundesländern – ins-besondere, wenn dort Fächer-verbünde und kein eigenstän-diger Geographieunterrichtexistiert – aufgefasst werden.

Das Fach Geographie ist mitseinen Zielen und Inhalten ineiner Zeit, in der Kenntnisseund Einsichten über die kom-plexen Beziehungen zwi-schen Mensch und Raumnicht nur in regionaler, son-dern besonders in globalerSicht vermittelt werden müs-sen, im wahrsten Sinne desWortes ‘notwendig’. Aus die-sem Grund muss bundesweitein eigenständiges Unter-richtsfach Geographie vor-handen sein und es darf keineJahrgangsstufen ohne Geo-graphieunterricht geben. Zu-dem darf in einzelnen Jahr-gangsstufen kein einstündi-ger Unterricht mehr vorgese-hen sein, sondern es ist min-destens zweistündiger Unter-richt in allen Jahrgangsstufenvom Beginn der gymnasialenAusbildung bis zum Abitur

notwendig. Die Berücksichti-gung der Zweistündigkeitwürde automatisch bislangexistierende Defizite, zumBeispiel bezüglich der Be-schränkung von Unterrichts-inhalten, verringern und Frei-räume für die originalen Be-gegnungen vor Ort und pro-jektgebundene Arbeitsfor-men schaffen. Geographie –ein zukunftsorientiertesFach: aufgeschlossen, mo-dern, problemlösend orien-tiert.

Zukunftsperspektiveder gymnasialenSchulgeographie

Es steht außerhalb jeglicherDiskussion, dass die geogra-phische Bildung in Deutsch-land weiter vertieft werdenmuss. Dabei muss das Schul-fach Geographie eine stärke-re Gewichtung wenigstensam Gymnasium erhalten. Inseinem Vortrag anlässlich derFeier des 100. Gründungsta-ges des Verbands DeutscherSchulgeographen betonteEberhard Schallhorn, dass imKonzert der Begabungen undFähigkeiten diejenigen ent-deckt und gefördert werdensollen, die dem Fach Geogra-phie in besonderer Weise ent-sprechen. Es sind Schüler, dieangesprochen werden vonder Dualität zwischen Theo-rie und Praxis, vom fächer-übergreifenden und fächer-verbindenden Arbeiten, dieInteresse haben an der Welt,ihrer Genese und ihrer Ent-wicklung sowie am Leben desMenschen in ihr. Weiter führter aus: »Das Fach Geographieführt die Menschen zu nach-haltigem Verhalten, globali-siertem Verständnis und in-terkulturellem Zusammen-halt. Das macht es wertvoll,das verleiht ihm seinen An-spruch, stark zu sein und ge-stärkt zu werden.«8 Durchge-hender und fundiert erteilterGeographieunterricht – wirsind es unseren Schülern undder Zukunft schuldig. ■

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MECKLENBURG-VORPOMMERN

Aufruf zur Mitarbeit an derNeugestaltung der Abiturstufe

Vertretertag des Philologenverbandes

Auf dem Vertretertagdes LandesverbandesMecklenburg-Vorpom-mern, der in Rostockstattfand, wurde tur-nusgemäß der neueLandesvorstand ge-wählt. In die Funktiondes Ersten Vorsitzen-den wurde Jörg Seiferteinstimmig wiederberufen.

Rechenschaftsberichtdes Vorstandes

Jörg Seifert konnte im Rechen-schaftsbericht des Vorstandesüber fünf erfolgreiche Jahreder Verbandsarbeit in Meck-lenburg-Vorpommern berich-ten: Das Lehrerpersonalkon-zept wurde 2014 abgeschlos-sen und damit die Zwangsteil-zeit für viele Kolleginnen undKollegen beendet. Leiderkonnte keine neue Regelungzur Altersteilzeit erreicht wer-den. Mecklenburg-Vorpom-mern geht in den nächstenJahren einem ‘tiefen Lehrertal’entgegen. Dank einer sehr gu-

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ten Zusammenarbeit mit demdamaligen BildungsministerMathias Brodkorb konntenwichtige Ziele des Philologen-verbandes Mecklenburg-Vor-pommern erreicht werden:Verbeamtung, Klassenlehrer-stunden an Gymnasien, ver-besserte Ausstattung mit Leh-rerstunden, Verdoppelung derAnrechnungsstunden in dergymnasialen Oberstufe, Al-tersanrechnung ab 57.

Vorstandsarbeit –Eine ehrenamtlicheArbeit

Im Bericht machte Jörg Seifertdeutlich, dass der Zulauf anden Gymnasien nach Klasse 6weiter ungebrochen ist, abergleichzeitig die Flucht vielerEltern an Gymnasien in freier

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Trägerschaft anhält, weil sieihren Kindern ein ‘Zwischen-parken’ an der regionalenSchule ersparen wollen. Ab-schließend machte der Vorsit-zende noch einmal deutlich,dass die Vorstandsarbeit imkleinen Landesverband Meck-lenburg-Vorpommern durchdie ausschließlich ehrenamtli-che Tätigkeit dauerhaftschwierig ist. Umso höher istdie Wertschätzung, die demVerband in der Zusammenar-beit mit Behörden und Minis-terium entgegen gebrachtwird, zu werten.

Festhalten amInklusionsfrieden

Vor der eigentlichen Wahlver-sammlung hatte der VorstandLehrerinnen und Lehrer in ei-

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ner öffentlichen Veranstal-tung zu einer Diskussionsrun-de mit der neugewählten Mi-nisterin Birgit Hesse eingela-den. Die Ministerin betonte,dass sie die konstruktive undvertrauensvolle Zusammenar-beit mit dem Philologenver-band fortsetzen will. DerHauptteil der Diskussiondrehte sich um die Neugestal-tung der Abiturstufe in Meck-lenburg-Vorpommern. DieMinisterin machte deutlich,dass die neue APVO das Kom-promissergebnis einer Fach-diskussion mit den am Bil-dungsprozess Beteiligten seinsoll. Sie lud den Philologen-verband zu einer Mitarbeit ineiner Arbeitsgruppe zu die-sem Thema nachdrücklichein. Im Verlaufe der Diskussi-on stellte die Ministerin klar,dass an dem in der vorigenLegislaturperiode beschlosse-nen ‘Inklusionsfrieden’ fest-gehalten wird.

Die Diskussionsteilnehmerwiederholten ihre Forderun-gen für ein Gymnasium abKlasse 5, einer Möglichkeitfür das Abitur nach dreizehnJahren und die Reduzierungder bundesweit höchstenWochenstundenzahl amGymnasium von 27 Stunden.Für die Erfüllung dieser Forde-rungen machte die Ministerinfür die laufende Legislaturpe-riode mit Hinweis auf den Ko-alitionsvertrag allerdings we-nig Hoffnung. ■

Die Ministerin und der neue Landesvorstand des Philologenverbandes Mecklenburg-Vorpommern (v.l.n.r.): Jörg Menzel (Beisitzer),Dr. Carsten Hammer Stellvertreter), Jörg Seifert (Landesvorsitzender), Birgit Hesse (Ministerin), Ulrike Heiduck (Pressesprecher),Joachim Hesse (Juphi), Heike Kühn (Beisitzerin), Sylvia Wischnevski (Schatzmeisterin – fehlt)

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Jörg Seifert, Birgit Hesse (Ministerin) und Matthias Zwerschke(Referatsleiter gymnasiale Bildung) in der Diskussion

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> PROFIL | Juni 201734

PROFIL > vor ort

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> PROFIL | Juni 2017 35

PROFIL > vor ort

RHEINLAND-PFALZ

Wider das Kaputtsparen dergymnasialen Lehrerausbildung

Von 18 auf 24 in hundert Sekunden

Kommt jetzt endlich dieReform der Reform? Sowird sich wohl mancher

fragen, der seit Inkrafttretendes neuen Referendariats fürGymnasiallehrkräfte auf eineWiederherstellung der frühe-ren guten Ausbildungsbedin-gungen wartet. Am 1. Februar2013 startete die erste Rundedes damals von 24 auf 18 Mo-nate verkürzten Referendari-ats, des Praxisteils der Lehr-kräftebildung nach dem Stu-dium. Zwei volle Durchgängean jedem der rheinland-pfälzi-schen Studienseminare solltees geben – vorher war das Bil-dungsministerium nicht be-reit, über Änderungen an der

Verordnung nachzudenken.Und jetzt? Jetzt steht zunächsteinmal die lange versprocheneEvaluation an: zwei Jahre Refe-rendariat oder achtzehn Mo-nate? Fundierte Ausbildungoder Sparmodell? »Die Zechezahlen bisher die angehendenGymnasiallehrkräfte«, so Cor-nelia Schwartz, Landesvorsit-

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THÜRINGEN

Gemeinschaftsschul-Zulage – oder die Abschaffunganderer Schularten durch die Hintertür?

Sind andere Schularten nun die Verlierer?

Das Bildungsministeriumkündigt in einem Brief an

die Beschäftigten der staatli-chen Schulen zur Erklärungder Auswirkungen des Perso-nalentwicklungskonzepts2025 auf die Schulen an, dasses geprüft werde, »ob durchruhegehaltsfähige Zulagenfür Lehrerinnen und Lehrer anGemeinschaftsschulen Rah-menbedingungen für die Fort-entwicklung dieser besonderszukunftsfähigen Schulart ge-schaffen werden können.«

»Es wurde in der Vergangen-heit immer wieder betont,dass die Thüringer Schulartengleichberechtigt in ihrer Exis-

tenz seien und dass keineSchulart bevorzugt oder be-nachteiligt werden soll. Dasgehört nun wohl endgültigder Vergangenheit an!«, be-tonte die Vorsitzende des Thü-ringer Philologenverbandes,Heike Schimke.

»Nachdem in der letzten Le-gislatur die Gemeinschafts-schulen bereits in der Versor-gung mit Wochenstunden fürden Unterricht deutlich bessergestellt worden sind, soll nunauch eine monetäre Bevorzu-gung der an Gemeinschafts-schulen tätigen Lehrkräfte ge-genüber denen der anderenSchularten erfolgen. Das kön-

nen wir nicht mittragen!«, soSchimke weiter. Was soll mitdiesem Vorstoß erreicht wer-

den? Fragen über Fragen:Geht die Bildung von Gemein-schaftsschulen dem Ministeri-um nicht schnell genug? Willman den Lehrkräften über dieZulage die Bildung von Ge-meinschaftsschulen ‘schmack-haft’ machen? Und vor allem:Wie ist die geplante Zulagegerechtfertigt? Leisten Lehr-kräfte an anderen Schulartennicht Vergleichbares? ■

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zende des Philologenverban-des Rheinland-Pfalz. »Statt ei-nes neunsemestrigen Studi-ums sind nun von den Studie-renden zehn Semester Studi-um zu finanzieren, währenddurch die Kürzung des Referen-dariats ein halbes Jahr wenigerGehalt und Beihilfe zu verkraf-ten sind. Gleichzeitig werden

den angehenden Lehrkräftenmit dem verlängerten Studiumund verkürzten ReferendariatPensions- und Rentenansprü-che vorenthalten: Nach wievor werden für ein Studiumegal welcher Länge insgesamtnur 855 Tage an Ausbildungs-zeit für die Rente oder Pensionangerechnet. Dazu kommenoft noch lange Wartezeiten aufeinen Referendariatsplatz odereine Stelle an einer Schule.«

Als Berufsvertretung für Gym-nasiallehrkräfte legt der Philo-logenverband hier den Fingerin die Wunde: Ordentliche Ar-beit braucht auch ordentlicheRahmenbedingungen! Wir for-dern daher endlich die Entlas-tung des Studiums von Inhal-ten, die sehr viel besser in ei-nem zweijährigen Referendari-at vermittelt werden können.Noch hofft der Philologenver-band auf eine unabhängigeEvaluation des jetzigen Refe-rendariats im Vergleich mit derVorgängerversion. ■

Thüringens Gemeinschaftsschulen werden übervorteilt.Die PhV-Vorsitzende Heike Schimke äußert sich eindeutig.

Lehrerausbildung inRheinland-Pfalz:

Fundierte Ausbildungoder Sparmodell?

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PROFIL > leserbrief

»Fortschritte in der Digitalisierungsind dringend notwendig«

Ich bin für die deutlichenWorte des DPhV-Vorsitzen-

den – wie ich sie der aktuellenBerichterstattung der ‘NeuenOsnabrücker Zeitung’ entneh-men konnte – zu den Äuße-rungen von KultusministerinFrauke Heiligenstadt zumTablet-Einsatz bei Prüfungendankbar.

Allerdings vermisse ich in allenStellungnahmen den Hinweis,dass das Land den Lehrkräftendiese Arbeitsmittel erst ein-mal – ohne Hindernisse – zurVerfügung stellen muss.

Es gibt höchstrichterliche Ur-teile, dass Lehr- und Arbeits-materialien durch das Land

zur Verfügung gestellt werdensollen, aber in der Praxis blei-ben die Kollegen immer nochvielfach bei Taschenrechnern,elektronischen Wörterbü-chern und Lehrbüchern aufden Kosten sitzen, weil Schu-

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len ‘mauern’ oder Regelungennicht praktikabel sind.

Dort wo Schulen WLAN-An-schlüsse durch Schulträger er-halten, zeichnet sich in man-chen Schulen eine neue Ent-

wicklung ab: Räume werdenmit Beamer und Lautsprecher(per WLAN ansteuerbar) aus-gestattet, aber Endgerätewerden in den Räumen nichtbzw. zentral sehr begrenztvorgehalten. Eine Fortsetzungder ‘Privatisierung’ könntesich bei der sächlichen Schul-ausstattung – hier von PC undTablet einschließlich der Soft-ware – zulasten der Lehrkräfteabzeichnen!

Fortschritte in der Digitalisie-rung in den Schulen und inder dienstlichen Ausstattungder Lehrkräfte sind dringendnotwendig, dazu sind Länderund Träger in anderen Grö-ßenordnungen als bisher ge-fordert!

Michael Vogtstellvertretender Vorsitzender des Bezirks-

verbandes Emsland-Grafschaft Bentheim

des Philologenverbands Niedersachsen

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PROFIL > A N Z E I G E

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Die Jugendherbergen im Rheinland haben ihr Angebot für ältere Schülererweitert: Neben dem Katalog ‘KlasseAktiv 2018’ bietet die Broschüre‘Go-to-City 2018’ Abschlussfahrten in die rheinischen Städte an.

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> Schulalltag. Die Angebote för-dern soziale Kompetenzen undstärken die Klassengemein-schaft. Besonders günstig wirdes, wenn Sie in der Nebensai-son fahren. Einen 3-Tage-Auf-enthalt mit Programm gibt esbereits ab 76 Euro pro Person.

Go-to-City 2018Vier Metropolen, sechs City-Hostels, über einhundert Er-lebnisbausteine sind das An-gebot für Abschlussfahrten indie rheinischen Städte vonDJH Go2City, der Reise- undServiceagentur der Jugend-

>

herbergen im Rheinland.Gestalten Sie Ihre individuelleAbschlussfahrt aus Erlebnis-bausteinen, Übernachtungs-und Verpflegungsleistungenoder wählen Sie ein Komplett-programm – wir übernehmendie Organisation! Mehr als ein-hundert Angebote aus Politik,Geschichte, Kunst und Kulturoder Natur bis zu Unterhaltungstehen zur Auswahl. Nach ei-nem erlebnisreichen Programmgenießen Sie in Köln, Bonn,Düsseldorf oder Duisburg einenkomfortablen Aufenthalt in ei-nem unserer modernen undzentral gelegenen City-Hostels.

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> PROFIL | Juni 201740

PROFIL > rezension

Herausgeber: Der Bundesvorsitzen-de des DPhV e.V., Friedrichstraße169/170, 10117 Berlin, Tel.:030 / 40 81-6781, Fax: 030 / 40 81-6788, E-Mail: [email protected], Inter-net: www.dphv.de. Profil-Redaktion:Eva Hertzfeldt. Herausgeber der dbbSeiten: Bundesleitung des dbb be-amtenbund und tarifunion – Bundder Gewerkschaften des öffentlichenDienstes und des privaten Dienstlei-stungssektors – Friedrichstraße169/170, 10117 Berlin, Tel. (030)40 81-40, Fax: (030) 40 81-5598,Internet: www.dbb.de, E-Mail:[email protected]. Druckauf-lage: dbb magazin 600.438(IVW 1/2017), Druckauf-lage Profil 54.500 (IVW 2/14).dbb redaktion: Dr. Frank Zitka,Dr. Walter Schmitz (Chefredaktion);Redaktion: Jan Brenner, ChristineBonath, Britta Ibald, Cornelia Krüger;Redaktionssekretärin: Isabel Wegner.Verlag: dbb Verlag GmbH; Internet:www.dbbverlag.de. Aus Gründen derbesseren Lesbarkeit wird der Ein-fachheit halber nur die männlicheForm verwendet. Sämtliche Perso-nen- und Berufsbezeichnungen gel-ten jedoch gleichermaßen für alleGeschlechter.

Gestaltung: Oliver Dömges. Fotos:MEV, Pixelio, Fotolia, iStockphoto,Friedhelm Windmüller. Druck: L.N.Schaffrath GmbH & Co. KG Druck-Medien, Marktweg 42-50, 47608Geldern. Bezugsbedingungen: DieZeitschrift erscheint 10mal im Jahrund ist für dphv-Mitglieder im Bei-trag eingeschlossen. Nichtmitgliederkönnen die Zeitschrift durch den Ver-lag beziehen. (Tel.: 02 11 / 3 55 81 04,Ansprechpartnerin: Caroline Das-sow), PÄDAGOGIK & HOCHSCHULVERLAG, Graf-Adolf-Straße 84, 40210Düsseldorf, E-Mail: [email protected]. Anzeigenverkauf ‘Profil’:PÄDAGOGIK & HOCHSCHUL VERLAG,Graf-Adolf-Straße 84, 40210 Düssel-dorf, E-Mail: [email protected], Ansprechpartnerin: Caroli-ne Dassow, Tel.: 02 11 / 3 55 81 04.Anzeigentarif: Nr. 58 vom 1.10.2016(dbb magazin) und Nr. 25 (Profil).Beiträge und Leserbriefe: Redaktiondphv-Magazin Profil. Namentlich ge-kennzeichnete Beiträge geben nichtunbedingt die Meinung des DPhVoder des dbb wieder. Keine Haftungfür unverlangte Einsendungen. Ge-druckt auf Papier aus elementarchlorfrei gebleichtem Zellstoff.

ISSN 0945-7666

Impressum>

Kleines Buch mit großem Inhalt:

Goethes ‘Iphigenie’ in Südafrika

Im Februar dieses Jahreserreichte uns eine Nach-richt, die alle Goethe-

Freunde erfreuen wird. UlrichKlingmann, in Berlin geboren,pensionierter Germanistikdo-zent aus Greyton in Südafri-ka, hat den Versuch unter-nommen, Goethes ‘Iphigenie’sehr unkonventionell für einmodernes Theaterpublikumeinzurichten, und bereits eingroßes internationales Echoempfangen. Lassen wir Kling-mann selbst sprechen:

Goethes ‘Iphigenie auf Tauris’habe ich als Student an derUniversität Kapstadt kennen-gelernt. Als Dozent schriebich viel später einen Aufsatzzur ‘Iphigenie’, in dem ichmich mit Goethes ‘Arbeit amMythos’ auseinandersetzte.Ich war schon lange im Ruhe-stand, als ich dann von denGöttern Goethes den Winkerhielt, mich an ein Librettozu seinem Text zu wagen. Aufeinen zweiten Wink hin sollteich den entstandenen Textins Englische übersetzen, und

zwar sollte es eine moderneVersübersetzung sein! Daswar nicht so leicht, denn wieübersetzt man die Wendung»Wink der Götter« ins Engli-sche?

Goethe macht es vielen nichtleicht, seine ‘Iphigenie’ zu le-sen. In der englischsprachi-gen Welt gibt es viele, diesich für Goethe interessieren,aber es gibt keine zugängli-chen Texte, schon gar nichtmit einer Lesehilfe. Das ‘klei-ne Buch’ in Deutsch und Eng-lisch kann alle erreichen, diesich heute für Goethe inte-ressieren, als Leser oder aufder Amateurbühne.

Seiner Kontaktadresse hatKlingmann einen kleinenWerbetext vorangestellt, mitdem er eine Brücke in die Ge-genwart schlägt:

Goethes Iphigenie – die iko-nische Symbolfigur der Ge-genwart: Sie wurde vonKriegstreibern für Kriegszielegeopfert, die Heimatvertrie-bene musste in der Fremde

Asyl finden, wurde dort vor-bildlich tätig, weigerte sich,dem Drängen eines ungelieb-ten älteren Mannes nachzu-geben, widersetzte sich derideologisch begründeten For-derung, ihren Nächsten um-zubringen, blieb unbeirrt, ver-pflichtete sich und ihr Gegen-über der Wahrheit, verstandes, andere von ihrer Sicht zuüberzeugen, und durfte da-raufhin ihren eigenen Weg insOffene einschlagen. ■

Erstveröffentlichung:Goethe-GesellschaftWeimar Newsletter 1/2017

Das ‘Kleines Buch’ (Libretto)/

‘Kleines Theaterbuch’ zu Goe-

thes ‘Iphigenie auf Tauris’ reist

seit Ende Januar um die Welt.

Von Südafrika aus hat es sich

auf den Weg gemacht und ist

inzwischen in vielen Ländern

angekommen, darunter Argen-

tinien, Brasilien, Frankreich,

Ghana, Island, Madagaskar, Ma-

zedonien, Portugal, der Slowa-

kei und Russland.

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dbb > nachrichten

> PROFIL | dbb-seiten | Juni 2017 41

Gewalt gegen Beschäftigte:

Schützen mit mehrEngagementDer Staat solle sich „unbedingt mehr einmischenbeim Thema Gewalt gegen seine Beschäftigten“,fordert der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauder-städt. „Wir sind besorgt über Entwicklungen, diesich geradezu epidemisch auszubreiten drohen“,sagte der dbb Chef mit Blick auf die Kriminal-statistik beim Landesgewerkschaftstag des dbbsachsen-anhalt am 26. April 2017 in Wernigerode.

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dbb Chef Klaus Dauder-städt kritisierte auf demLandesgewerkschaftstagdes dbb sachsen-anhalt dieseit Jahren mangelhaftePersonalausstattung vonBehörden und Verwaltun-gen und warnte vor einerÜberforderung der Be-schäftigten.

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„Natürlich gibt es Aufgabenge-biete, in denen der Umgangmit Kriminalität zum Job selbstgehört: Polizei, Justiz, Strafvoll-zug. Aber heute sind auchSchule, Finanzamt, Kommune,Eisenbahn, Straßenverkehrs-dienst, Gerichtsvollzug, Kran-kenkasse oder Job-Center keineheile Welt mehr. Die Übergän-ge von verbaler zu physischerGewalt sind fließend, Exzessemit Todesfolge machen unsdas von Zeit zu Zeit dramatischbewusst“, so Dauderstädt. „Wirwollen nicht alle Verwaltungen

zu Festungen ausbauen, nichtüberall sind rote Alarmknöpfeunter dem Schreibtisch hilf-reich, und Kurse zur Deeskala-tion machen zwar Sinn, lösenaber nicht jeden Konflikt mitdem unzufriedenen Bürger.Aber wir erwarten, dass Vorfäl-le nicht länger auf Druck vonVorgesetzten unter den Tep-pich gekehrt, dass bessereSchutzvorkehrungen baulicheroder personeller Art getroffenund auf jeden Fall die Beschäf-tigten mit ihren Sorgen nichtalleinegelassen werden“,

machte Dauderstädt deutlich.„Wenn jemand morgens mitAngst zur Arbeit geht, istetwas nicht mehr in Ordnungin diesem Land.“

Der dbb Bundesvorsitzende kri-tisierte auch die seit Jahrenmangelhafte Personalausstat-tung von Behörden und Ver-waltungen: „Man kann vom öf-

fentlichen Dienst viel verlan-gen, man darf ihn aber nichtüberfordern.“ Aufgrund vonStellenbesetzungssperren,Nichtübernahme von fertigAusgebildeten und strukturel-len Veränderungen seien dieBelegschaften „auf Kante ge-näht“. Die zwangsläufig fol-gende Überlastung führe wie-derum zu Ausfällen – „Dienst-oder Arbeitsunfähigkeit, Be-rufskrankheiten und Frühpen-sionierungen erhöhen den Ar-beitsdruck auf die vorhande-nen Kollegen.“ Der Staats-dienst müsse dieses Dilemmavor dem Hintergrund der de-mografischen Entwicklung mitder wachsenden Knappheit anArbeitskräften schleunigst lös-ten, der öffentliche Dienst alsArbeitgeber deutlich attrakti-ver werden. Angezeigt seienpassende Personalbudgets undangemessene, dauerhaft ver-fügbare Personalkontingentesowie attraktive Einkommens-bedingungen. „Auch die gesell-schaftlich wertvollste Aufgabeverliert an Attraktivität, wenndie Bezahlung nicht stimmt“,mahnte der dbb Chef. ■

> 5. Zukunftskongress Staat & Verwaltung

Digitaler Aufbruch oder analoger Stillstand? Auf dem 5. Zukunftskongress Staat & Verwaltung, der am 20. und21. Juni 2017 in Berlin stattfindet, werden erneut Entscheider ausBund, Ländern und Kommunen mit Vertretern aus innovativen Un-ternehmen sowie aus der Wissenschaft neue Ideen und Handlungs-empfehlungen für den modernen Staat von morgen diskutieren.Unter den Referenten ist auch der stellvertretende dbb Bundesvor-sitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans-Ulrich Benra.

Der Zukunftskongress steht unter dem Mot-to: „Deutschland vor der Wahl: Digitaler Auf-bruch oder analoger Stillstand?“ Eingerahmtvon den Reden der Bundesminister Dr. Tho-mas de Maizière und Peter Altmaier diskutie-ren an die 200 Referenten aus Politik, Wis-senschaft und Wirtschaft zentrale Aspekterund um E-Government und Verwaltungs-modernisierung.

Zu den Referenten gehören unter anderemder CIO von Singapur, CHAN Choew Hoe, derin seinem Vortrag über die „Smart NationSingapore“ berichtet, und Dr. ChristophKrupp, Chef der Senatskanzlei der Freien undHansestadt Hamburg. Die Keynote beimeGovernment-Wettbewerb hält der Staats-minister bei der Bundeskanzlerin für Büro-kratieabbau, bessere Rechtsetzung und die

Koordinierung der Bund-Länder-Beziehun-gen, Prof. Dr. Helge Braun. In der Staatssekre-tärsrunde werden vier Staatssekretäre aktu-elle Themen aus den vier Handlungsfelderndes Kongresses diskutieren: Jens Spahn MdB,Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun-desminister der Finanzen, Thorben Albrecht,Staatssekretär im Bundesministerium für Ar-beit und Soziales, Albert Füracker, Staatsse-kretär im Bayrischen Staatsministerium derFinanzen, für Landesentwicklung und Hei-mat, sowie Sabine Smentek, Staatssekretärinfür Informations- und Kommunikationstech-nik bei der Senatsverwaltung für Inneres undSport in Berlin.

Darüber hinaus werden Podiumsdiskussio-nen, Zukunftsforen und -werkstätten ange-boten. Hans-Ulrich Benara, der stellvertre-tende dbb Bundesvorsitzende und Fachvor-stand Tarifpolitik, spricht in einem Zukunfts-forum über „Demografischen Wandel unddigitale Revolution – was bedeutet dies fürdie Tragfähigkeit unserer Staatsfinanzen?“

Weitere Informationen:www.zukunftskongress.info

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> PROFIL | dbb-seiten | Juni 201742

dbb > nachrichten

Lohngerechtigkeitsgesetz:

Mehr Transparenz beider Lohngestaltung Der Bundesrat hat das Gesetz für mehr Lohngerech-tigkeit zwischen Frauen und Männern am 12. Mai2017 gebilligt. „Die enthaltenen Regelungen blei-ben hinter den Erwartungen der Beschäftigtenzurück“, kritisiert dbb Chef Klaus Dauderstädt.

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Übergabe Sonderprämiedbb Mitgliederwerbeaktion 2016:

Doppelte Freude„Wer am Gymnasium unterrichtet, gehört einfachin den Philologenverband.“ Für Hartmut Beckmann(61), Mathe- und Physiklehrer aus Bielefeld, war dasimmer klar, 1979, als er selbst in den Philologenver-band Nordrhein-Westfalen eingetreten ist. Und dasist es bis heute, wenn er als Fachleiter in der Lehrer-ausbildung junge Kolleginnen und Kollegen für sei-ne Gewerkschaft begeistert.

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Lohnunterschiede zwischenden Geschlechtern seien seitJahren in der freien Wirtschaftund im öffentlichen DienstFakt. Derzeit bestehe inDeutschland ein unbereinigtergeschlechterspezifischer Lohn-unterschied, der sogenannte„Gender Pay Gap“, von über 21Prozent. „Im europäischen Ver-gleich nimmt Deutschland da-mit aktuell einen der hinterenPlätze ein, wobei der erklärba-re Teil dieser Lohnlücke hierzu-lande im Vergleich zum uner-klärbaren Teil besonders hochausfällt. Im öffentlichen Dienstbeträgt der geschlechterbe-dingte Lohnunterschied trotz

der Geltung von Tarifverträ-gen und Besoldungstabellenimmerhin noch acht Prozent“,so Dauderstädt.

Mit dem vorliegenden Gesetzsoll dem geschlechterspezifi-schen Lohnunterschied durchmehr Transparenz bei derLohngestaltung und der Ein-führung eines individuellenAuskunftsanspruches entge-gengetreten werden. Unteranderem durch die Einfüh-rung eines individuellen Aus-kunftsanspruches für Beschäf-tigte in Betrieben mit mehrals 200 Beschäftigten bezüg-lich der Bezahlungskriterien,

betriebliche Verfahren zurÜberprüfung und Herstellungvon Entgeltgleichheit sowiedie Einführung einer Bericht-spflicht zur Gleichstellung undEntgeltgleichheit von Frauenund Männern für Betriebe ab500 Beschäftigten.

„Eine umfassende Transparenzin Entgeltfragen mit dem Zielder Eindämmung der unmit-telbaren Diskriminierung derFrauen beim Entgelt wird mitdem Gesetz nicht erreicht. Esspart erhebliche Bereiche aus,in denen Lohndiskriminierungstattfindet“, beanstandet Dau-derstädt. „Der vorgesehene in-dividuelle Auskunftsanspruchsoll zum Beispiel erst bei einerBeschäftigtenzahl von 200 ge-währt werden. Viele Frauen ar-

beiten aber gerade in Betrie-ben und Unternehmen, in de-nen diese Grenze nicht erreichtwird – dort wird Lohndiskrimi-nierung ungestört weiterstattfinden können.“ Auch dieim Gesetz festgelegte Auffor-derung an Arbeitgeber mitmehr als 500 Beschäftigten,betriebliche Verfahren zurÜberprüfung und Herstellungvon Entgeltgleichheit durchzu-führen, greife zu kurz: „Hier isteine Verpflichtung der Arbeit-geber erforderlich, um den In-teressen der Belegschaften ge-recht zu werden. Mit dem Ge-setz können sich die Beschäf-tigten nicht zufriedengeben.dbb und dbb bundesfrauenver-tretung werden in dieser The-matik auf jeden Fall nachfas-sen“, so der dbb Chef. ■

ßer.“ Der Preisträger ist abernicht nur ein routinierter Wer-ber. Als langjähriges Mitgliedim Personalrat und Beisitzer imGesamtvorstand des Philolo-genverbandes NRW ist Beck-mann auch erfahrener Gewerk-schafter. „Eine Mitgliedschaft,die wenig kostet, hat für die

Leute auch keine Wertigkeit,gleichzeitig werden Beitrag undGegenleistung sorgfältig ge-prüft“, erklärte er. Der Ge-schäftsführer von dbb vorsorge-werk und vorteilswelt, Alexan-der Schrader, ergänzte, dass dieMitgliedschaft in einer dbb Ge-werkschaft auch klare materiel-le Vorteile mit sich bringt, vonRechtsschutz und Fortbildungbis zu Versicherungsvorteilenund Einkaufsrabatten. Mit letz-teren wird sich Hartmut Beck-mann in nächster Zeit zu be-schäftigen haben, denn es gilt,einen Einkaufsgutschein derdbb vorteilswelt über 500 Eurofür das Onlinereiseportal „JustAway“ umzusetzen. „Über diesePrämie freuen wir uns zwei-mal,“ erzählt Hartmut Beck-mann vergnügt, „einmal, wennwir am Computer die Angeboteprüfen und dann nochmal,wenn die Reise losgeht.“ ■

Bei der Übergabe des Sonder-preises der dbb Mitgliederwer-beaktion am 23. Mai 2017 inBerlin, war auch der dbb Bun-desvorsitzende Klaus Dauder-städt vom Engagement undder Entschlossenheit des Ma-thematik- und PhysiklehrersHartmut Beckmann beein-druckt: „Mit werbenden Mit-

gliedern wie Ihnen brauchenwir uns um die Zukunft vonDPhV und dbb wirklich keineSorgen zu machen.“ HartmutBeckmann stammt aus einerechten Lehrerdynastie: „ZweiGroßväter, beide Eltern undmeine Schwester, alles Spra-chenlehrer, nur ich bin als Na-turwissenschaftler der Ausrei-

Für seine Erfolge in der Mit-gliederwerbung erhielt Hart-mut Beckmann (mit dbbChef Klaus Dauderstädt,links, und dbb vorsorgewerk-Geschäftsführer AlexanderSchrader) einen Reisegut-schein der dbb vorteilswelt.

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> PROFIL | dbb-seiten | Juni 201744

dbb > die andere meinung

Arbeiten 4.0:

Digitalisierung unddie Konsequenzenjenseits der TechnikUnbestritten wird sich die Arbeitswelt in Zukunftverändern. Neben der demografischen Entwick-lung nimmt vor allem die Digitalisierung Einflussauf die Art des Arbeitslebens und die Arbeits-bedingungen sowie auf den Arbeitskontext.

... ist Professorin für Allge-meine Betriebswirtschafts-lehre mit Schwerpunkt Inter-nationales Personalmanage-ment und Organisationsent-wicklung an der HochschuleLudwigshafen und Direkto-rin des Instituts für Beschäf-tigung und EmployabilityIBE. Weitere Ausführungenzum Thema im 2017 erschie-nenen Herausgeberband„Arbeit 4.0. Innovationen inHR“ von Jutta Rump und Sil-ke Eilers.

> Die Autorin…

Zu den Veränderungen zähleneine höhere Arbeitsverdichtungund eine höhere Arbeitsge-schwindigkeit. Der Arbeitsplatzselbst erfährt nicht selten eineVeränderung der Interaktionenvon Menschen und Maschine.Bei manuellen und/oder kogni-tiven Routinetätigkeiten nichtnur in einfachen, sondern auchin komplexen Arbeitsprozessenbesteht mehr und mehr dieMöglichkeit der (Teil-)Automa-tisierung und der (Teil-)Substi-tution durch digitale Technolo-gien. Dies wird zwangsläufigmit einer Anpassung derArbeitsstrukturen verbundensein (müssen).

In der Diskussion darf nichtaußer Acht gelassen werden,dass mit der Digitalisierungund dem Einsatz von digitalenTechnologien am Arbeitsplatzauch Entlastungseffekte ver-bunden sein können. Assis-tenzsysteme erleichtern dasArbeitsleben. Es bestehen so-mit auch mehr Möglichkeitendes Einsatzes von leistungsge-wandelten Beschäftigten. Da-rüber hinaus befördert die Di-gitalisierung die Entkoppelungvon Ort und Zeit am Arbeits-platz. Mobile Arbeitsmodellesind aus der technischen Sichtleichter umsetzbar als bisher.Mit den vielfältigen Möglich-keiten der mobilen Arbeitsmo-delle wird eine Verbesserungder Vereinbarkeit von Berufund privater Lebenssituation

verbunden. Dabei ist zu be-rücksichtigen, dass es vonsei-ten der Beschäftigten ein ho-hes Maß an Selbstmanage-ment und Selbstdisziplin be-darf und es aufseiten des Ar-beitgebers verbindliche Regelnbraucht.

In der Vergangenheit wurdenErreichbarkeit und Verfügbar-keit nicht selten gleichgesetzt– mit dem Effekt, dass wir ineiner vernetzten, schnelllebi-gen Arbeitswelt der Gefahrausgesetzt sind, uns als„Hamster im Rad“ zu fühlen. Ineiner vernetzten Welt sind wirIMMER erreichbar. Wenn derKollege eine Nachricht schicktper E-Mail, SMS oder WhatsApp, hat er sein Anliegen vonseinem „Schreibtisch“ wegbe-wegt und zugestellt. Die zen-trale Frage lautet dann: Sindwir für ihn auch direkt verfüg-bar? Es bedarf also wenigerder Regelung der Erreichbar-keit, sondern vielmehr der Re-geln der Verfügbarkeit. Aller-dings besteht auch eine Wech-selwirkung: Ist die Erreichbar-keit gegeben, erhöht dies dieErwartungshaltung – sowohlseitens des Arbeitgebers alsauch des Individuums an sichselbst – auch verfügbar zusein. Klar ist: „Aus der Mög-lichkeit des ‚Anytime – Any-place‘ darf für Beschäftigtenicht das Diktat des ‚Alwaysand Everywhere‘ werden“, wiees das Grünbuch „Arbeiten 4.0“

des Bundesministeriums für Ar-beit und Soziales formuliert.

Themen wie der Umgang mitder Datenfülle (Big Data unddie Kompetenz des DataMining) sowie der Datensicher-heit sind ebenfalls von Rele-vanz. Ein weiterer Aspekt ist dieInvestition, die mit der Digitali-sierung verbunden ist. Auf denersten Blick nehmen wir die In-vestitionskosten im Kontextder technischen und Prozessin-novationen wahr. Auf den zwei-ten Blick ist es jedoch notwen-dig, die Investitions- und Verän-derungskosten, die sich aus dersozialen Transformation undden sozialen Innovationen er-geben, zu berücksichtigen.

Betrieblich und arbeitsmarkt-politisch ist unter anderem dieAuswirkung der digitalenTransformation auf die dualeAus- und Weiterbildung vonbesonderem Interesse. Es liegtauf der Hand, dass Aus- undWeiterbildungsinhalte undCurricula sowie Berufsbilderangepasst werden müssen,wenn sich die Arbeitsinhalte,Arbeitsprozesse, Arbeitsumge-bungen, Arbeitsbedingungen,Arbeitsstrukturen sowie Ar-beitsorganisationen nachhal-tig und langfristig verändern.Nur auf eine solche Weise lässtsich die Aus- und Weiterbil-dung zukunftsfest gestalten.Das Risiko, Beschäftigte heuteund in den nächsten Jahren inBerufen und Tätigkeiten aus-und weiterzubilden, die dannin einigen Jahren großen An-passungen unterliegen, istkaum zu verantworten, insbe-sondere da die Erkenntnisse ei-nes Wandels aufgrund der Di-gitalisierung heute bereits vor-handen sind.

Nicht zuletzt: Im Zusammen-hang mit der Digitalisierungwerden nicht selten auch nega-tive Beschäftigungseffekte the-matisiert. In dieser Debattesollten jedoch zwei Aspekte be-rücksichtigt werden: Zum einenkann hier die demografischeLücke zum Tragen kommen.Wenn das Angebot an Fachkräf-ten angesichts der Demografiesinkt und gleichzeitig die Nach-frage nach bestimmten Fach-kräften aufgrund des Substitu-tionseffektes im Kontext vonDigitalisierung abnimmt, be-steht die Möglichkeit der Kom-pensation des negativen Be-schäftigungseffektes. Darüberhinaus könnte auch dem Fach-kräfteengpass in bestimmtenBerufen entgegengewirkt wer-den. Zum anderen werdendurch die Technologisierung inbestimmten Tätigkeiten Res-sourcen frei, die sinnvoll einge-setzt werden können. Es be-steht durchaus die Option, Zeit-wohlstand zu generieren, alsoZeitreserven zu heben, die wirdann sinnvoll einsetzen könn-ten, was wiederum positive Be-schäftigungseffekte nach sichziehen kann. Jutta Rump

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> PROFIL | dbb-seiten | Juni 201746

dbb > interview

Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie:

Wir wollen bei der digitalen Verwaltung zu

dbb magazinIhr Ministerium setzt sich fürBürokratieabbau ein, um dieWettbewerbsfähigkeit derWirtschaft zu stärken. WelcheRolle spielt der digitale Aus-tausch zwischen Behördenund Unternehmen dabei undwo sehen Sie die größtenPotenziale?

Brigitte ZypriesBürokratieabbau ist eineDaueraufgabe der Bundes-regierung. Wir haben in die-ser Legislaturperiode mitzwei Bürokratieentlastungs-gesetzen und der Moderni-sierung des Vergaberechtsbereits gute Fortschritte ge-macht.

Hier wollen wir aber nicht ste-hen bleiben und insbesondeream digitalen Austausch zwi-schen Behörden und Unter-nehmen ansetzen. Gerade die-ser Bereich bietet ungeheurePotenziale für eine Entlastungder Wirtschaft. Ein verstärkterdigitaler Austausch zwischenVerwaltung und Wirtschaft istdaher ein entscheidender Bei-trag zur Stärkung der Wettbe-werbsfähigkeit deutscher Un-ternehmen: Er sorgt im erheb-lichen Maße dafür, Bürokratie-kosten zu reduzieren, die Nut-zung des Verwaltungsangebo-tes für Unternehmen zu er-leichtern und diese auf vielfäl-tige Weise zu entlasten.

Eine wesentliche Vorausset-zung dafür ist, die Austausch-prozesse zwischen Wirtschaftund Verwaltung zu identifizie-ren und konkret jene Prozesseauszufiltern, deren Digitalisie-rung den höchsten Mehrwertfür die Unternehmen mit sichbringt. Die Regierungskoaliti-on hat deshalb das ambitio-nierte Ziel vereinbart, die 100wichtigsten und am häufigs-ten genutzten Verwaltungs-leistungen bundesweit ein-heitlich online anzubieten. Ineiner aktuellen Studie untersu-chen wir daher derzeit, welcheAustauschprozesse zwischenWirtschaft und Verwaltungbei einer Digitalisierung diehöchste Wirkung für Unter-nehmen und Verwaltung mitsich bringen.

Soll das von Bund und Länderngemeinsam geplante Verwal-tungsportal für Bürger auchalle Dienstleistungen fürUnternehmen bündeln?

Bund und Länder haben verab-redet, ihre Verwaltungsportalekünftig in einem Portalver-bund intelligent miteinander

zu verknüpfen. Durch die Ver-knüpfung der Verwaltungspor-tale können die Nutzerinnenund Nutzer ein kommunalesPortal, ein Landesportal oderdas im Aufbau befindlicheBundesportal gleichermaßennutzen. Bürgerinnen und Bür-ger sowie auch Unternehmensollen so schnell und einfachVerwaltungsleistungen findenund online erledigen können.Gerade für kleine und mittlereUnternehmen und Start-upsist der Aufwand, Informatio-nen über die Anforderungenzur Aufnahme und Ausübungwirtschaftlicher Tätigkeiten zubeschaffen, erheblich. Deshalbwurden bereits 2010 soge-nannte Einheitliche Ansprech-partner eingerichtet, die diebenötigten Informationenelektronisch bereitstellen undeine elektronische Abwicklungder Verfahren ermöglichen.Die Einheitlichen Ansprech-partner der zweiten Generati-on werden in den Portalver-bund integriert. Damit konso-lidieren wir die verschiedenenAngebote und erhöhen derenQualität und Nutzerfreund-lichkeit für Bürgerinnen undBürger sowie für Unterneh-men.

Welche Punkte schreiben Siedem Staat in Sachen moderneVerwaltung noch auf dieTo-do-Liste?

Ziel der Bundesregierung isteine umfassende Digitalisie-rung hin zu einer modernenund nutzerfreundlichen Ver-waltung. Hierfür müssen wirschlanke, vernetzte und IT-ge-stützte Prozesse schaffen undden Abbau überflüssiger Büro-kratie vorantreiben.

Unter dem Dach des Regie-rungsprogramms „DigitaleVerwaltung 2020“ arbeitet die

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dbb > interview

> PROFIL | dbb-seiten | Juni 2017 47

den Spitzenreitern in Europa gehörenBundesregierung bereits inten-siv an einer digitalen Transfor-mation der öffentlichen Ver-waltung, die gleichzeitig denhohen Anforderungen an Ver-trauen und Sicherheit gerechtwird. So wird etwa die neueUnterschwellenvergabeord-nung zur umfassenden Digita-lisierung der Vergabeverfahrendie Unternehmen jährlich umgeschätzt weitere 3,9 Milliar-den Euro entlasten. Und mitdem Ausbau des EinheitlichenAnsprechpartners sowie demZiel des Onlineangebots der100 wichtigsten Verwaltungs-leistungen verbessern wir dendigitalen Austausch erheblich.

Klar ist aber: Wir müssenschneller und besser werden.Es bleibt einiges zu tun, wennwir bei der digitalen Verwal-tung in Zukunft zu den Spit-zenreitern in Europa gehörenwollen. Dabei wird es viele Ver-änderungen geben. Das bedeu-tet aber auch: Veränderungenfür die Beschäftigten in unse-ren Behörden. Wir wissen, dasswir damit auch von unserenMitarbeiterinnen und Mitar-beitern viel abverlangen. Hierist es unsere Aufgabe, alle mit-zunehmen. Denn die digitaleVerwaltung kann nur gemein-sam mit den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern gelingen!

Auf dem ersten Digitalgipfelvon Politik, Wirtschaft, Wis-senschaft und Gesellschaftwird Mitte Juni auch das The-ma „digitale Gesundheit“ imFokus stehen. Worum wird esdort konkret gehen?

In Deutschland liegt die Digi-talisierung des Gesundheits-wesens noch hinter vielen an-deren Branchen. Hier gibt esaber viel Potenzial, das zu ei-ner echten Verbesserung fürPatientinnen und Patienten

... ist seit Januar 2017 Bun-desministerin für Wirtschaftund Energie (BMWI). Von2013 bis 2017 war sie imBMWI ParlamentarischeStaatssekretärin mit Zustän-digkeit für die Bereiche IT,Luft- und Raumfahrt unterihrem Amtsvorgänger Sig-mar Gabriel. 2002 bis 2009war die gelernte JuristinBundesministerin der Justiz.

> Brigitte Zypries …

führen kann. Deshalb habenwir die digitale Gesundheitauch zum Schwerpunktthemades diesjährigen Digitalgipfelsgemacht. Unter dem Motto„Vernetzt besser leben“ wollenwir in diesem Jahr konkreteImpulse setzen und neue Kräf-te mobilisieren, mit denen wirdie Digitalisierung des Ge-sundheitswesens voranbrin-gen. Im Zentrum stehen dieFragen: Wie können wir diePotenziale der Digitalisierungim Gesundheitswesen er-schließen? Wie stellen wir dieVerfügbarkeit sicherer, ver-trauenswürdiger und leis-tungsfähiger Infrastrukturensicher, die mit den wachsen-den Anforderungen an Sicher-heit und Leistungsfähigkeitder Technologien Schritt hal-ten? Wie nutzen wir die Mög-lichkeiten von Big Data aufdem Weg zur „Präzisionsmedi-zin“ am besten?

Reichen die bestehenden Ar-beits- und Datenschutzgesetzeaus Ihrer Sicht aus, Beschäftig-te vor „digitaler Überforde-rung“ zu schützen und die Ent-grenzung zwischen Arbeits-und Privatleben zu verhin-dern?

Im Bereich des Beschäftigten-datenschutzes haben wir vielerreicht. Ab Mai 2018 wird dieEU-Datenschutz-Grundverord-nung anwendbar sein und eu-ropaweit einheitliche Stan-dards setzen. Zudem enthältdas neue Bundesdatenschutz-gesetz, das Bundestag undBundesrat bereits gebilligt ha-ben, spezifische Regelungenfür den Datenschutz im Be-schäftigtenkontext. Aus mei-ner Sicht reichen die bestehen-den Arbeitsschutzgesetze der-zeit aus. Jedoch müssen dieseim Wandel der Digitalisierunglaufend auf Ihre Aktualität un-

tersucht werden. Hier sind wirmit dem Bundesministeriumfür Arbeit und Soziales in stän-digem Austausch.

Digitalisierung ist längst auchein wichtiges europapoliti-sches Thema. Was verbirgt sichhinter der „Digitalunion“ undwelche Position vertritt dasBundeswirtschaftsministeriumauf europäischer Ebene?

Hinter dem Begriff „Digitaluni-on“ verbirgt sich die gemein-same Zielsetzung der Mitglied-staaten der Europäischen Uni-on, die verbliebenen Hemm-nisse und Barrieren zu beseiti-gen, die der Vollendung des di-gitalen Binnenmarkts in derEuropäischen Union noch ent-gegenstehen. Hierfür unerläss-lich ist ein gemeinsamer mo-derner Ordnungsrahmen, derInnovationen und Investitio-nen fördert und die richtigenLeitplanken für die Digitalisie-rung von Wirtschaft und Ge-sellschaft in der ganzen Euro-päischen Union setzt. Dies istvon zentraler Bedeutung, umauch die Wettbewerbsfähig-keit und internationale Kon-kurrenzfähigkeit der europäi-schen und deutschen Wirt-schaft weiter zu stärken unddurch die digitale Transforma-tion Wachstum und Arbeit zuschaffen. Mit einer digitalenOrdnungspolitik wollen wirhohe Wettbewerbs-, Sicher-heits-, Verbraucher- und Da-tenschutzstandards setzen.Gemeinsam mit unseren euro-päischen Partnern arbeiten wirdeshalb mit Hochdruck daran,die Vollendung des DigitalenBinnenmarkts möglichst raschzu verwirklichen.

Worauf muss sich die nationa-le Verwaltung in Bezug auf dieeuropäischen Initiativen zurDigitalisierung einstellen?

Die europäischen Initiativensind zahlreich: Die Europäi-sche Kommission hat im Rah-men der Digitalen Binnen-marktstrategie inzwischenfast alle vorgesehenen Maß-nahmenpakete vorgelegt. Da-bei handelt es sich um nichtweniger als 16 Maßnahmen,die insgesamt 35 Legislativ-vorschläge, also Richtlinienund Verordnungen und politi-sche Initiativen beinhalten.Das betrifft zahlreiche Berei-che wie etwa e-Commerce, Ur-heberrecht, den europäischenRechtsrahmen für die elektro-nische Kommunikation („TK-Review“), Datenschutz, Cyber-sicherheit, Audiovisuelle Me-dien, Verbraucherschutz undMehrwertsteuer.

Das sind alles wichtige Berei-che, die uns weiterbringen aufdem Weg zu einer Digitaluni-on. All diese Initiativen müs-sen wir in Deutschland umset-zen und vor allem auch aus-führen. Mit der Anpassungvon Gesetzen und Verordnun-gen ist es ja nicht getan. Diesemüssen durch die Anwendungdann erst mit Leben gefülltwerden. Das betrifft alle Un-ternehmen und Bürger – vorallem aber die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter im öf-fentlichen Dienst. Das ist eineerhebliche Kraftanstrengung.

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