Argentinisches Tageblatt

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112. Jahrgang Nr. 31.333 Sonnabend, 22. Dezember 2001 Buenos Aires (dpa/AT) - Auf Schrecken, Tod und Plünderungen und dem Rücktritt von Staatsprä- sident Fernando de la Rúa folgte am Freitag in Argentinien die Ruhe nach dem Sturm. Im ge- schäftigen Stadtzentrum von Bu- enos Aires herrschte fast samstäg- liche Ruhe, obwohl fast alle Ge- schäfte geöffnet hatten. Während an der Börse der Handel ausge- setzt war, arbeiteten die Geschäfts- banken mit eingeschränktem Be- trieb. Ausschreitungen und anar- chische Zwischenfälle wie Mitt- wochnacht und am Donnerstag, die mindestens 26 Todesopfer for- derten, wurden am Freitag weder aus dem Großraum Buenos Aires noch aus dem Landesinneren ge- meldet. Am Donnerstagabend war de la Rúa nach nur zwei Jahren im Amt zurückgetreten. Der Präsident, dessen Amtszeit eigentlich erst Ende 2003 enden sollte, zog da- mit die Konsequenzen aus der schweren politischen und wirt- schaftlichen Krise des Landes. Ein Teil der oppositionellen Peroni- sten sprach sich für Neuwahlen binnen 90 Tage aus. De la Rua hob als letzte Amts- handlung den am Mittwoch für 30 Tage verhängten Ausnahmezu- stand wieder auf. Daraufhin been- dete der Gewerkschaftsdachver- band CGT den auf 24 Stunden angesetzten Streik am Freitag- nachmittag. De la Rúas Rücktritts-Entschei- dung war die Weigerung des PJ vorausgegangen, in eine Regie- rung der Nationalen Einheit ein- zutreten. „Der PJ hat überstürzt gehandelt“, kritisierte de la Rúa bei seiner Verabschiedung in der Casa Rosada, wo sich der Ex-Prä- sident zu einem halbstündigen Gespräch mit dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González traf. De la Rúa betonte, dass der PJ ihm in der schwierigen Situation die Unter- stützung versagt hätte, die er ihm auf Grund der Mehrheit im Kon- gress hätte gewähren können. Er Apokalyptisch: Buenos Aires am Tag des Rücktritts von Präsident Fernando de la Rúa. Ruhe nach dem Sturm De la Rúa kritisiert nach Rücktritt den PJ / Mindestens 26 Tote habe mit seinem Rücktritt „der Stimme des Volkes gehorcht“, sagte de la Rúa vor Pressevertre- tern. Zugleich „bedauere“ er die gewalttätigen Ausschreitungen der vergangenen Tage. Er gehe mit der „tiefen Überzeugung“, in sei- ner Amtszeit „getan zu haben, was ich konnte und was notwendig war“, erklärte der scheidende Präsident. Nur Stunden später nahm der Kongress de la Rúas Rücktritt an. An seine Stelle trat zunächst der Vorsitzende des Senats, Ramón Puerta (PJ), der sich jedoch für eine Beibehaltung des Ausnahme- zustandes aussprach: „Dort wo es nötig ist.“ Die Stelle des Vizeprä- sidenten war seit dem Rücktritt von Carlos „Chacho“ Alvarez vor mehr als einem Jahr verwaist. Bei den Unruhen und Demon- strationen der letzten Tage waren mindestens 26 Menschen ums Le- ben gekommen, rund 400 verletzt und Tausende festgenommen wor- den. Am Donnerstag war die Po- lizei in Buenos Aires massiv ge- gen Demonstranten vorgegangen, die trotz des Ausnahmezustands auf die Straße gegangen waren. Seit Mittwochmorgen war es in Buenos Aires und verschiedenen Provinzen zu Plünderungen von Läden und Supermärkten gekom- men. In der Nacht zum Freitag wurden auch Privathäuser geplün- dert. Wirtschaftsminister Domin- go Cavallo, der erst im März als Nachfolger von Ricardo López Murhpy und als Retter in der Not in die Regierung eingetreten war, trat bereits in der Nacht auf Don- nerstag wegen der Unruhen zu- rück. (Meinung Seite 4)

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Argentinisches Tageblatt, periódico en lengua alemana fundado en 1874, editado en Buenos Aires, aparece actualmente con periodicidad semanal, después de haber sido de frecuencia diaria entre 1889 y 1981. Es la única publicación regular en alemán de Argentina, sirviendo como medio de difusión y contacto para las colectividades alemana, suiza y austríaca.

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112. Jahrgang Nr. 31.333Sonnabend, 22. Dezember 2001

Buenos Aires (dpa/AT) - AufSchrecken, Tod und Plünderungenund dem Rücktritt von Staatsprä-sident Fernando de la Rúa folgteam Freitag in Argentinien dieRuhe nach dem Sturm. Im ge-schäftigen Stadtzentrum von Bu-enos Aires herrschte fast samstäg-liche Ruhe, obwohl fast alle Ge-schäfte geöffnet hatten. Währendan der Börse der Handel ausge-setzt war, arbeiteten die Geschäfts-banken mit eingeschränktem Be-trieb. Ausschreitungen und anar-chische Zwischenfälle wie Mitt-wochnacht und am Donnerstag,die mindestens 26 Todesopfer for-derten, wurden am Freitag wederaus dem Großraum Buenos Airesnoch aus dem Landesinneren ge-meldet.

Am Donnerstagabend war de laRúa nach nur zwei Jahren im Amtzurückgetreten. Der Präsident,dessen Amtszeit eigentlich erstEnde 2003 enden sollte, zog da-mit die Konsequenzen aus derschweren politischen und wirt-schaftlichen Krise des Landes. EinTeil der oppositionellen Peroni-sten sprach sich für Neuwahlenbinnen 90 Tage aus.

De la Rua hob als letzte Amts-handlung den am Mittwoch für 30Tage verhängten Ausnahmezu-stand wieder auf. Daraufhin been-dete der Gewerkschaftsdachver-band CGT den auf 24 Stundenangesetzten Streik am Freitag-nachmittag.

De la Rúas Rücktritts-Entschei-dung war die Weigerung des PJvorausgegangen, in eine Regie-rung der Nationalen Einheit ein-zutreten. „Der PJ hat überstürztgehandelt“, kritisierte de la Rúabei seiner Verabschiedung in derCasa Rosada, wo sich der Ex-Prä-sident zu einem halbstündigenGespräch mit dem ehemaligenspanischen MinisterpräsidentenFelipe González traf. De la Rúabetonte, dass der PJ ihm in derschwierigen Situation die Unter-stützung versagt hätte, die er ihmauf Grund der Mehrheit im Kon-gress hätte gewähren können. Er

Apokalyptisch: Buenos Aires am Tag des Rücktritts von Präsident Fernando de la Rúa.

Ruhe nach dem SturmDe la Rúa kritisiert nach Rücktritt den PJ / Mindestens 26 Tote

habe mit seinem Rücktritt „derStimme des Volkes gehorcht“,sagte de la Rúa vor Pressevertre-tern. Zugleich „bedauere“ er diegewalttätigen Ausschreitungender vergangenen Tage. Er gehe mitder „tiefen Überzeugung“, in sei-ner Amtszeit „getan zu haben, wasich konnte und was notwendigwar“, erklärte der scheidendePräsident.

Nur Stunden später nahm derKongress de la Rúas Rücktritt an.An seine Stelle trat zunächst derVorsitzende des Senats, RamónPuerta (PJ), der sich jedoch füreine Beibehaltung des Ausnahme-zustandes aussprach: „Dort wo esnötig ist.“ Die Stelle des Vizeprä-sidenten war seit dem Rücktrittvon Carlos „Chacho“ Alvarez vormehr als einem Jahr verwaist.

Bei den Unruhen und Demon-strationen der letzten Tage warenmindestens 26 Menschen ums Le-ben gekommen, rund 400 verletzt

und Tausende festgenommen wor-den. Am Donnerstag war die Po-lizei in Buenos Aires massiv ge-gen Demonstranten vorgegangen,die trotz des Ausnahmezustandsauf die Straße gegangen waren.

Seit Mittwochmorgen war es inBuenos Aires und verschiedenenProvinzen zu Plünderungen vonLäden und Supermärkten gekom-men. In der Nacht zum Freitag

wurden auch Privathäuser geplün-dert. Wirtschaftsminister Domin-go Cavallo, der erst im März alsNachfolger von Ricardo LópezMurhpy und als Retter in der Notin die Regierung eingetreten war,trat bereits in der Nacht auf Don-nerstag wegen der Unruhen zu-rück.

(Meinung Seite 4)

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ARGENTINISCHES TAGEBLATT 2Sonnabend, 22. Dezember 2001

Die Gewaltszene der abgelaufenen Woche hat dem Präsidenten Fer-nando de la Rúa das Rückgrat gebrochen. Nach einem vergeblichen Ver-such zur Bildung einer grossen Koalition mit Radikalen und Justiziali-sten hat der Präsident am Spätnachmittag des 20. Dezember eigenhän-dig sein Rücktrittsschreiben zuhanden der Versammlung beider Kam-mern verfasst. Das Gesuch wurde auf der gestrigen Sitzung angenom-men. Senatspräsident Federico Ramón Puerta trat das Amt vorüberge-hend an, bis die gleiche Versammlung einen Nachfolger ernennt.

Die Plünderungen und Kundgebungen begannen zum Wochenanfangim Landesinneren, ohne dass die Regierung sich darum kümmerte, fürdie Sicherheit der Einwohner und deren Eigentum zu sorgen. Aktivi-sten mit Erfahrung in solchen Umtrieben paarten sich mit Einwohnernder Elendssiedlungen in einigen Grossstädten, gewöhnlichen Verbre-chern, die Raubgelegenheiten witterten, sowie mit unzufriedenen Kauf-leuten, Hausfrauen und sogar Kindern, die allesamt Supermärkte, Nah-rungsmittelgeschäfte sowie gegebenfalls allerlei andere Läden gewalt-sam überfielen, plünderten und zerstörten. Einige Kaufleute verteidig-ten sich mit Waffen, deren Gebrauch zu Todesfällen führten. Insgesamtwurden 23 Tote registriert, ferner zahlreiche Verletzte, darunter auchPolizisten, und hunderte von Verhafteten.

Erst als die Aktivisten, sicherlich von professionellen Händen orga-nisiert, die Bundeshauptstadt im Sturm nahmen und sich auf die Plazade Mayo sowie ihre Umgebung in der City stürzten, griff die Bundespo-lizei ein, ebenso inzwischen auch im Landesinneren. Der Grenzschutzund die Küstenwachen wurden auch mobilisiert. Nach stundenlangenKämpfen im Stil der palästinensischen Intifada mit Jugendlichen, dieSteine auf die Polizisten warfen, konnte die Plaza de Mayo mit Tränen-gas sowie Schiessereien mit Gummi- und Bleipatronen geräumt wer-den. Die Plünderungen hörten nicht auf und führten zu weiteren Zu-sammenstössen mit den Sicherheitskräften.

Präsident de la Rúa erliess am 20. Dezember ein Dekret, durch dasder Belagerungs- oder Ausnahmezustand für dreissig Tage verkündetwurde. Argentinien hat in fast hundertfünfzig Jahren mit geschriebenerVerfassung nahezu fünfzig Mal die Verkündung des Belagerungszustan-des erfahren, fast die Hälfte durch Präsidialdekrete, die anderen mitGesetzen des Kongresses. Das jüngste Dekret wurde dem Kongresszugeleitet.

Nach der Demission des Präsi-denten de la Rúa muss der Kon-gress in gemeinsamer Sitzung entscheiden, wer die Regierungsge-schäfte für wie lange führt. Laut Nachfolgegesetz müsste der desi-gnierte Staatschef bis zum Ende der laufenden Amtszeit, lies 10.Dezember 2003, die Regierungsgeschäfte leiten. Der Kongress kannfreilich auch anders entscheiden, indem das Nachfolgegesetz, Spa-nisch genannt „ley de acefalía“, geändert wird, damit der neue Prä-sident binnen neunzig Tagen Präsidentschaftswahlen einberuft. Daswürde automatisch Expräsident Carlos Saúl Menem als Kandidatausschliessen, weil er vier Jahre warten muss, bis er wieder kandi-dieren darf. Wie der Justizialismus in neunzig Tagen ihren Kandi-daten kürt, bleibt das Geheimnis dieser Volkspartei, in der mehre-re Anwärter auf ihre Chance warten, für ein vierjähriges Volks-mandat gewählt zu werden.

Die radikale UCR steht nach dem Abgang ihres Präsidenten de laRúa vor einem politischen Trümmerfeld. Wenige Gouverneure dieserPartei regieren in einigen Provinzen, nicht einmal in der bundesstädti-schen Hochburg, wo Aníbal Ibarra vom Frepaso die Geschäfte leitet.Die Allianz der UCR mit dem Parteienbündnis Frepaso ist längst in dieBrüche gegangen. Für die nächsten Präsidentschaftswahlen, ob in neun-zig Tagen oder im Oktober 2003, blüht den Radikalen mit Sicherheiteine vernichtende Niederlage wie einst 1995, während sich allerlei Links-gruppen melden, die traditionell gegeneinander um die gleichen Stim-men buhlen. Mit gespaltener Gegnerschaft kann ein geeinter Justizialis-mus mühelos siegen, sofern ihr Kandidat anstandslos gekürt wird, ohnein Spaltungen zu verfallen.

Der Belagerungszustand erboste die Aktivisten um so mehr, dochwurden hunderte Aktivisten verhaftet, wie es dieser Ausnahmezustandzulässt, ohne dass die Plünderungen aufhörten. Am Fernsehen konnteman zeitgleich verfolgen, wie sich die Plünderungen und Kundgebun-gen abwickelten, ohne dass sich die Plünderer hinter Masken versteck-ten. Daneben gab es friedfertige Kundgebungen mit Pfannen und an-deren Metallgegenständen, genannt „cacerolazos“, die den Unmut derBevölkerung zum Ausdruck brachten. Hier schlug die verhaltene Wutzahlloser Kaufleute nieder, denen die Zahlungsrestriktionen im Ban-kenwesen das Weihnachtsgeschäft schädigte.

Wirtschaftsminister Domingo Cavallo, meistgehasstes Opfer derKundgebungen neben dem Präsidenten und den Politikern schlechthin,letztere in Aufmärschen vor dem Kongressgebäude, erntete die tragi-schen Folgen des Zusammenbruchs seiner auf Belebung der Konjunk-tur abgerichteten Wirtschaftspolitik, die kraft Depositenflucht von über20 Milliarden Pesos und Dollar eine Depression herbeiführte, wie sieseit Jahrzehnten unbekannt war. Nach seiner Demission am 20. De-zember konnte sich Cavallo nicht nach Miami begeben, weil die Rich-ter ihm die Ausreise verweigerten.

Mit Ramón Puerta im Amt beginnt eine neue Phase der argentini-schen Politik. Die Geschichte wird die tragische dritte Woche im De-zember 2001 als die mit Abstand schlimmsten Plünderungen und Kund-gebungen registrieren, vergleichsweise mit ungleich viel mehr Städtenund Ortschaften in den grossen Provinzen als der berüchtigte „Cordo-bazo“ vom Mai 1969, nach dem Argentinien einen zehnjährigen Ter-rorkrieg erfuhr.

Fernando de la Rúa ist der fünfte Präsident der 1890 gegründetenradikalen UCR, der vorzeitig sein Amt abgeben musste. ParteigründerHipólito Yrigoyen wurde während seiner zweiten Präsidentschaft 1930von den Militärs abgesetzt, Arturo Frondizi und Arturo Illia ebenfalls1962 bzw. 1966, während Raúl Alfonsín 1989 und jetzt de la Rúa vor-zeitig demissionierten.

Welche auch jeweils die Gründe für diese tragischen politischen Er-eignisse gewesen sein mögen, sie zeigen deutlich, dass radikale Politi-ker wohl wissen, wie sie mit den Stimmen des Volkes an die Machtgelangen, aber nur ausnahmsweise (Yrigoyen in seiner ersten Amtszeitvon 1916 bis 1922 und Marcelo T. de Alvear als sein Nachfolger) diezweite Aufgabe der Präsidenten erledigen, nämlich die Macht bis zumEnde der Amtszeit auszuüben.

De la Rúa hat diesbezüglich deutlich versagt, als er die 50prozenti-ge Unterstützung der Wählerschaft verspielte, von seinen Alliierten inStich gelassen wurde und keine alternative Machtkoalition auf die Bei-ne stellen konnte. Als er den verzweifelten Versuch unternahm, miteiner grossen Koalition die von ihm stets gepriesene Regierung dernationalen Einheit zu organisieren, war es zu spät. Die Justizialistenhatten nach ihrem Wahlsieg vom 14. Oktober die Lust an der Machtwieder gewonnen, verweigerten ihm die Hilfe und schicken sich jetztan, zum vierten Mal nach 1946, 1973 und 1989 die Regierung zu ver-walten.

Randglossen

De la Rúa zurückgetreten

Radikale vs. DollarDer Radikalismus lehnt eine Dollarisierung kategorisch ab.

Gleichzeitig zeichnen die Radikalen eine düstere Zukunft, wenn dieRegierung doch diese Maßnahme trifft. In diesem Sinn meldete sicham Sonntag der UCR-Vorsitzende Angel Rozas zu Wort und versi-cherte wie schon zuvor bei anderen Anlässen: „Die Dollarisierungist der schlechteste Weg.“

Sein Parteifreund, der Abgeordnete Leopoldo Moreau, aber warn-te: „Die unmittelbaren Folgen dieser Maßnahme wäre die Enteig-nung der Festgelder (plazos fijos) und die Zahlungseinstellung derinländischen Unternehmen mit Verpflichtungen im Ausland.“

Gleichzeitig bezichtigte Moreau die Regierung der „Erpressung“an UCR, PJ und den restlichen politischen Kräften, damit diese neueEinsparungen unterschreiben oder sie andernfalls als Verantwortli-che für die Dollarisierung zu präsentieren.

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ARGENTINISCHES TAGEBLATT 3Sonnabend, 22. Dezember 2001

WOCHENÜBERSICHTZankapfel Romero FerisIm Senat ist es am Dienstag zu

lautstarken Auseinandersetzungenüber die Möglichkeit einer Auf-nahme des Ex-Gouverneurs vonCorrientes, Raúl „Tato“ RomeroFeris, gekommen. Romero Feris,der wegen einer Serie von Korrup-tionshandlungen zu einer langjäh-rigen Haftstrafe verurteilt ist, hatnach dem Verzicht von Isabel Vi-udes Anspruch auf einen Sitz inder Kammer. Allerdings sind nichtwenige Senatoren gegen seineAufnahme. Der Gouverneur vonSanta Cruz, Néstor Kirchner, er-klärte: „Einen Häftling aus demGefängnis holen und ihn in denSenat zu setzen ist das Schlimm-ste, was uns passieren kann.“

Duhalde vs. MenemAuf Grund einer Klage des Me-

nemismus hat die BundesrichterinMaría Servini de Cubría in einersalomonischen Entscheidung dieMachtverteilung im PJ festgelegt.Gemäß dem Urteil der Richterinbehält der „Consejo Nacional Ju-sticialista“ (Justizialistischer Na-tionalrat), dessen VorsitzenderCarlos Menem ist, seine Eigen-schaft als oberstes Parteiexekutiv-organ. De Cubría bestätigte jedochdie vom Duhaldismus auf demParteitag im November durchge-drückten Interventionen der Di-strikte Hauptstadt und Corrientes.

Menem vs. CaselliEx-Präsident Carlos Menem

Gattin, Schwester oder Sohn eines Senators, Abgeordneten oderBürgermeisters zu sein, ist allem Anschein nach ein Vorteil, wenn einerin der Provinz Buenos Aires einen Sitz in der Legislative oder wenig-stens ein Amt in der Verwaltung der Volksvertretung anstrebt. Mit demletzten durch Wahl im Oktober bedingten Wechsel in Senat und Abge-ordnetenkammer der Provinz Buenos Aires erschienen in beiden Insti-tutionen eine erkleckliche Anzahl von direkten Angehörigen der neuangetretenen Politiker. Während in einigen Fällen das System des obli-gatorischen Frauenanteils in den Kammern genutzt wurde, dienten dieso genannten „listas sábanas“ (Endloswahllisten) anderen zum Eintrittin die Provinzlegislative. Wenn auch diese Manöver nicht ausdrücklichals Delikt gelten, wird doch in poltischen Kreisen die fehlende Militanzvon vielen beklagt, die dann später auf einem Sitz landen.

Nach ihrer Wahl am 14. Oktober werden die neu antretenden Ange-hörigen der Legislative, die mit der Unterstützung von Familienange-hörigen einen Sitz ergatterten, über ein durchschnittliches Monatsge-halt von 4.400 Pesos verfügen. Dazu kann jeder von ihnen bis zu 28Angestellte beschäftigen, auf Kosten des Staates versteht sich, damitsich der arme Mann oder die arme Frau nicht überarbeiten.

Daneben gibt es noch eine weitere Kategorie von Leuten, die auf

Grund familiärer Beziehungen zu Angehörigen der Legislative eben-falls „versorgt“ wurden. Es sind jene die keinen Sitz in eine der beidenKammern bekamen. Sie wurden, mit den höchsten Gehaltsstufen zu ir-gendwelchen Funktionären ernannt.

Eine Aufzählung der Namen der so Begünstigten und für die Bürgertätigen Volksvertreter würde den Raum dieses Artikels sprengen. Hiernur ein eklatantes Beispiel. Der PJ-Senator Miguel Di Salvo, der alsWiedergewählter am Montag der vergangenen Woche sein Amt über-nahm, hat sich unmittelbar danach als erstes seiner zweifellos bedürfti-gen Familie gewidmet. Er ernannte seine Söhne, einen Neffen und ei-nen Vetter zu Funktionären mit Monatsgehältern bis zu 4.700 Pesos.

Ein anderer Fall ist der der PJ-Senatorin Adriana Coirini. Die famili-enbewusste Volksvertreterin nominierte ihren Vater Julio Coirini, dernun als hochrangiger Funktionär in der höchsten Gehaltsstufe für dieLegislative der Provinz tätig sein wird. Unter den politischen Verwand-ten, die keinen Sitz bekamen, doch eine ranghohe Position in der Legis-lative als eine Art Trostpreis erhielten, ist der Vetter des Vizegouver-neurs Felipe Sola, der zum Verwaltungssekretär des Senats ernanntwurde. Nicht unerwähnt soll José María González Fernández bleiben.Er ist der Bruder der Vizegouverneursgattin.

Legislative als FamilienversorgungPolitik als eine Form, an das Geld der Bürger zu kommen

Mit der Bestreikung des Schie-nenverkehrs bei Vorort-Zügen hatder GewerkschaftsdachverbandCGT am Donnerstagabend undden ganzen Freitag auf die Regie-rungskrise rund um den Rücktrittvon Präsident Fernando de la Rúareagiert. Busse und U-Bahnen inBuenos Aires waren jedoch imEinsatz. Obwohl sich die Leher-gewerkschaft Cetera dem Streikangeschlossen hatte, waren dieAuswirkungen gering, da sich derLehrbetrieb in Schulen und Uni-versitäten bereits in die Sommer-ferien verabschiedet hatte.

Dem Streik nicht angeschlos-sen hatte sich die Dissidenten-CGT. „Wir werden streiken bis

Zahmer GeneralstreikMit Teil-Ausstand im Schienenverkehr gegen Regierungskrise

auch de la Rúa zurückgetretenist“ hatte der Dissidenten-ChefHugo Moyano noch in der Nachtauf Donnerstag gesagt. Zuvor warWirtschaftsminister DomingoCavallo zurückgetreten. Ange-sichts zunehmender Plünderun-gen von Geschäften im ganzenLand hatte de la Rúa daraufhinden Ausnahmezustand über Ar-gentinien ver-hängt.

Zu Wochenbeginn hatte CGT-Generalsekretär Rodolfo Daernoch angekündigt, der - bereitsvor dem Zuspitzen der Regie-rungskrise geplante - 48-stündi-ge Generalstreik werde nichtstattfinden. Die CGT habe be-schlossen, dem Rechtsweg den

Vorzug zu geben und gegen dievon der Regierung verfügte Bar-geldbeschränkung vor Gericht zukämpfen - so verlautete es nocham Dienstag aus der CGT-Zen-trale.

Am Freitag der vergangenenWoche hatte der Richter MartínSilva Garreton Daer und Moya-no Recht gegeben und der nun zu-rückgetretenen Regierung ver-ordnet, die Dekrete nicht anzu-wenden, die die freie Verfügungüber die Einkommen der Arbeit-nehmer einschränken. Daer er-klärte nun, er wolle „in der näch-sten Zukunft mit Politikern diesozioökonomische Situation desLandes“ diskutieren.

Unterdessen sagten die Eisen-bahner von „Ferroexpreso Pam-peano“ nach einer im Arbeitsmi-nisterium zustandegekommenenEinigung zwischen den Vertreternder zuständigen Gewerkschaftenund denen des Unternehmens denbereits angekündigten Streik ab.

Ferroexpreso Pampeano hattevor der Verhandlung mit den Ge-werkschaften die Zusage der dela Rúa-Regierung erhalten, ge-meinsam „die Probleme zu unter-suchen“. Eines dieser Problemeist nach Angaben des Unterneh-mens ein Betrag in Höhe von 26Millionen Pesos, die die ProvinzBuenos Aires dem FerroexpresoPampeano schulde.

hat am Dienstag Strafanzeige ge-gen den Ex-Botschafter seiner Re-gierung beim Vatikan, Esteban Ca-stelli, wegen Falschaussage erstat-tet. Castelli hatte im Zusammen-hang mit der Untersuchung der il-legalen Waffenverkäufe bei seinerZeugenaussage Menem be-lastet.

Professor CafieroVier Tage nach Auslaufen sei-

nes Senatorenmandats hat Anto-nio Cafiero seine Lehrtätigkeit inder Fakultät für Wirtschaftswis-senschaften der Universidad deBuenos Aires (UBA, Universitätvon Buenos Aires) wiederaufge-nommen. Dekan Carlos Aníbal er-klärte dazu in seiner Einführung:„Professor Cafiero ist wieder zuHause.“

Weniger GrenzverkehrNach Angaben der Behörden

hat der kleine Grenzverkehr zwi-schen Posadas und dem paragua-yischen Encarnación in den ver-gangenen Wochen stark abgenom-men. Grund ist, dass die Ge-schäftsleute des Nachbarlandesden argentinischen Peso nur zu 40Prozent unter seinem realen Wertin Zahlung nehmen.

Dekan wiedergewähltDer Neurologe Salomón

Muchnik ist am Mittwoch einstim-mig als Dekan der medizinischenFakultät der ‚Universidad de Bu-enos Aires‘ (UBA, Universität vonBuenos Aires) wiedergewähltworden. Der 67jährige emeritier-

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ARGENTINISCHES TAGEBLATT 4Sonnabend, 22. Dezember 2001

Mit einem überraschendenFreispruch ist am Dienstag derProzess gegen Alfredo Pesquerazu Ende gegangen, dem vorge-worfen worden war, durch ein ab-ruptes Manöver den Unfall im Juli2000 verursacht zu haben, derdem Volkssänger Rodrigo Buenound einem Sohn Alberto Olmedosdas Leben kostete. Die Mehrheitvon zwei der drei Richter des Ge-richtes im bonaerenser Quilmeswar dabei von der Überzeugungausgegangen, daß die Zeugenaus-sagen widersprüchlich und wenigglaubwürdig seien. UnmittelbareFolge war die Feststellung, esgebe keine ausreichenden Bewei-se, die eine Bestrafungrechtfertigten.

Die für den Freispruch einge-tretenen Richter unterstrichen inder Urteilsbegründung ausdrück-lich, es habe eine ausschließlicheVerantwortlichkeit des Opfersvorgelegen. Die Richterin DeliaAllaza de Iturburu war dabei nochdirekter: „Rodrigo Bueno war derVerursacher seines eigenen To-des.“ Der Richter Rubén Sánchezaber, der gegen den Freispruchgestimmt hatte, war der Auffas-sung, Pesquera habe durch Fahr-lässigkeit den Unfall provoziertund sei deshalb wegen fahrlässi-ger Tötung zu bestrafen. Aller-dings schloss er eine gewisse Ver-antwortlichkeit des Opfers nichtaus. Sánchez betonte, dass auchRodrigo nicht gerade vorsichtiggefahren sei, er habe dazu zuvielAlkohol konsumiert, sei zu

Freispruch im Rodrigo-ProzessStaatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Haft wegen Verursachung des

Unfalltodes gefordertschnell gefahren - gemäß denSachverständigen mit 144 km/h -und alle diese Umstände hättenbei dem Unfall eine wesentlicheRolle gespielt.

Andererseits aber hätten siesich als wesentlich milderndeUmstände bei einer Verurteilungim Sinne von Sánchez ausgewirkt,der von einer Haftstrafe ausging,die näher am Mindeststrafmaßvon zwei Jahren als an derHöchststrafe von fünf Jahren an-gesiedelt gewesen wäre.

Die Richter der Mehrheit, Al-laza und Ariel González Elicabe,

hatten die Aussagen der Zeugen,die von ‚gefährlichen Manövern‘Pesqueras sprachen, vor allemwegen Unglaubwürdigkeit abge-lehnt. Auch seien die meisten, soAllaza und González Elicabe,nicht unabhängig, weil sie zu demKreis der engsten Freunde Rodri-go Buenos gehört hätten oder mitihm arbeiteten.

Im Fall der fanatischen Fansdes „Cuarteteros“, die den Unfallvon einem Taxi aus beobachtethatten, unterstrichen die Richterdie deutliche und klare Absichtdieser Personen, dem Angeklag-ten zu schaden. Besonders dieMädchen seien von der Persön-lichkeit Rodrigos immer noch„völlig benebelt“, so die Richter.

Die Anwälte der Familie Rod-rigos und der bei dem Unfall Ver-

letzten, mehr überrascht als Pro-zeßbeobachter und Öffentlichkeit,ließen ihre Betroffenheit und ih-ren Unmut in Erklärungen gegen-über der Presse durchblicken. DerAnwalt der Mutter des Cuartete-ros, Miguel Arce Aggeo, versi-cherte, die Entscheidung sei „be-schämend“ und er bedauere sievor allem wegen der AngehörigenRodrigos. Unmittelbar nach derUrteilsverkündung haben die An-wälte der Familie eine Berufunggegen den Freispruch Pesquerasangekündigt.

Einer dieser Anwälte hattewährend der Verlesung der Ur-teilsbegründung durch den lautausgesprochenen Kommentar,„das ist schamlos“ die Interventi-on des Vorsitzenden González Eli-cabe provoziert.

te Professor und Forscher wirdnun weirere vier Jahre, bis 2006,die Geschicke der Fakultät steu-ern, an der derzeit 22.000 Studen-ten dem Studium der Medizinnachgehen.

Apotheken vs. PAMIAngesichts der Suspendierung

der Betreuung von Mitgliederndes Rentnersozialwerkes PAMIdurch die Apotheken ist die Insti-tution dazu übergegangen, denRentnern, die ihre Medikamentekaufen, den vollen Betrag zurück-zuerstatten. Eine entsprechendeErklärung hat am Mittwoch Pami-Interventor Raúl Pistori abgege-ben. Die Apotheken hatten dieBetreuung von PAMI-Rezepteneingestellt, weil das Rentnersozi-alwerk seit fünf Monaten keine

Rechnungen mehr bezahlte.

GelbfieberimpfungDas Gesundheitsministerium

hat am Mittwoch angeordnet, daßsich alle Reisenden, die aus Bra-silien kommend bestimmte Grenz-übergänge passieren, gegen Gelb-fieber impfen lassen müssen. DieImpfung muss zwei Wochen vorder Reise erfolgen und betrifft Per-sonen, die über Paso de los LibresUruguayana oder Bernardo de Iri-goyen-Dionisio Cerqueira wiedernach Argentinien einreisen.

MarihuanaverbrennungIn einem Sägewerk in Puerto

Rico in der Provinz Misiones hatdie Marinepräfektur am Mittwochauf Anordnung und unter Aufsichteines Richters 2.472 Kilogramm

Marihuana verbrannt. Das Sucht-mittel, das von den Konsumentengeraucht wird, wurde vor wenigenMonaten bei dem Versuch der il-legalen Einfuhr aus Paraguay be-schlagnahmt. Es zählt zu weichenSuchtgiften und gilt als Einstiegfür die harten Drogen wie etwaKokain.

Lehrerstreik im MärzEine Woche vor dem Ende des

Schuljahres hat die bonaerenser„Federación de Educadores“(FEB, Lehrervereinigung) ange-kündigt, dass die Lehrer in derProvinz Bue-nos Aires ihre Tätig-keit am 4. März nicht aufnehmenwerden. Der Streik wird Ausdruckdes Protestes der Lehrer gegen dievon der Regierung im Haushalt2002 vorgesehene Einsparungen

im Bildungsbereich. Opfer desProtestes werden wieder die 4, 2Millionen bonaerenser Schülersein, die in diesem Jahr 45 Unter-richtstage durch „Kampfmaßnah-men“ der streitbaren Lehrerverloren.

Schule amEnde der Welt

In Manzano Amargo in derProvinz Neuquén, 500 Kilometersüdlich der Provinzhauptstadt hin-ter der Cordillera del Viento gele-gen, ist die dortige Schule seitMittwoch über Satellit mit derWelt verbunden. Die Schule indem Ort mit seinen gerade 500Einwohnern verfügt jetzt, Dankden Spenden die während des Be-suches von Bill Clinton gesammeltwurden, über Internet-Anschluss.

TABELLE

FußballAbsagen

Angesichts der Regierungskrise in Argentinien hat der Fußballver-band AFA den für dieses Wochenende geplanten letzten Spieltag desTorneo Apertura abgesagt und auf das Wochenende 29./30. Dezemberverschoben. „Angesichts der zahlreichen Toten können wir nicht Fuß-ball spielen“, begründete AFA-Präsident Julio Grondona die Verlegung.Das Finale der Copa Mercosur zwischen San Lorenzo und Flamengo(Bra) wurde unterdessen auf Januar 2002 verschoben.

FußballDaniel Passarella

entlassenDaniel Passarella ist nach nur 42 Tagen und zehn Spielen als Trainer

des AC Parma entlassen worden. Mit dem Weltmeister von 1978 alsCoach verlor der Tabellenvorletzte der Serie A zuletzt fünf Meister-schaftsspiele in Folge. Lediglich im Uefa-Pokal und der Copa Italiaglückten dem Passarella-Team zwei Siege. (dpa/AT)

FußballCopa MercosurFinale, Rückspiel

San Lorenzo - Flamengo(Bra)

Abgesagt, auf Januar 2002verschoben.

Torneo Apertura18. und vorletzter Spiel-

tag: Racing Club - Lanús 2:0,Argentinos Jrs. - River Plate1:3, Boca Juniors - Indepen-diente 5:3, Banfield - Vélez1:1, Rosario Central - Chacari-ta 1:1, Huracán - Colón 0:1,Estudiantes LP - Belgrano 2:0,Unión - San Lorenzo 1:2, Tal-leres - Gimnasia LP 4:1, Chi-cago - Newell’s 3:2.

Tabellenspitze: 1. Racing41 Punkte, 2. River 38, 3. Boca32.

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ARGENTINISCHES TAGEBLATT 5Sonnabend, 22. Dezember 2001

AUSFLÜGE UND REISEN

Seitdem Kaiken die Kreuz- und Querverbindungen im Süden Pata-goniens eingestellt hat, fehlte es den Bewohnern wie auch den Besu-chern dieses weiten Territoriums an einer geeigneten Flugverbindung.Einen solchen Dienst nimmt nun Vuelos del Sur auf.

Mit zweimotorigen Turbopropmaschinen vom Typ Metro III Hea-vy für 19 Passagiere fliegt Vuelos del Sur ab sofort mehrmals täglichzwischen Río Grande, Ushuaia und Río Gallegos auf dem Festland.Der Flugpreis zwischen Río Gallegos und der Hauptstadt des Feuer-lands beispielsweise beträgt 70 Pesos.

Vuelos del Sur operiert in Kombination mit Dinar Líneas Aéreas,an deren Schalter man Reservierungen vornehmen kann. Telefonaus-kunft über 4322-1914.

Zwischen Estancias, Schlachthöfen undGroßmärkten

Manchen Touristen, vor allem aber auch ausländischen Fachleu-ten, ist daran gelegen, Argentiniens Agrarwirtschaft kennenzulernen.Dieser Spezialität widmet sich seit zehn Jahren Aristarain Viajes, diesich darauf konzentriert, Interessenten anschaulichen Unterricht aufEstanzien, Schlachthöfen und Kühlhäusern, zur Getreidebörse, demViehauftrieb in Liniers, den Obst- und Gemüsegrossmärkten, Vieh-züchtern, Milch- und Käseproduzenten sowie Weinbauern zu vermit-teln.

Unter den Kunden dieses Reisebüros befinden sich auch Institutio-nen aus der Bundesrepublik, wie beispielsweise die Deutsche Agrar-wissenschaftliche Gesellschaft Brandenburg oder der Agro-ServiceDeutschland. Auch Interessenten aus Argentinien können eine solcheBetreuung bei Aristarain Incoming Agro-Tour Operator über die Te-lefaxnummer 4328-2928 buchen. Praktisch auch für jeden, der Be-such von drüben erwartet, der etwas Beeindruckendes erleben möchte.

Junge Flügel für Feuerlandund Patagonien

25 Jahre sind für eine Musik-gesellschaft in Argentinien sehrviel, zumal in diesen letzten rezes-siven Jahren. „Festivales Musica-les de Buenos Aires“ haben esgeschafft, dank der tatkrätfigen,unermüdlichen Einsatzbereit-schaft ihres Vorstandes, vornehm-lich der im vorigen Jahr verstor-benen Präsidentin Leonor Luround des künstlerischen LeitersMario Videla.

Alles begann im Jahre 1976, alsMario Videla - Chor- und Orche-sterleiter, Organist, Cembalist undMusikologe - in Zusammenarbeitmit der „Camerata Bariloche“, den„Bach-Chor“ unter Antonio Rus-so und der „Ars Musicalis“-Stif-tung vom P. Jesús Gabriel Segade- begann, der Öffentlichkeit einetiefere und klarere Kenntnis derWerke bedeutender Komponistenzu vermitteln. Künstler von inter-nationalem Rang und Namen ge-sellten sich hinzu und so entstanddas erste „Bach-Festival“ im Jahr1976 mit den hervorragendsteneinheimischen Interpreten, dem1978 und 2000 zwei weitere Auf-lagen folgten. Andere Komponi-sten wie Händel, Purcell, Mozart,Schubert, Brahms, Beethoven undandere wurden jeden Jahr in einemsolchen Festspiel geehrt undgefeiert.

Auf der Suche nach einem ge-eigneten Saal für dieses Unterfan-gen stiess Videla zufällig auf ei-nen prächtigen, neu errichtetenund akustisch äußerst vorteilhaf-ten Saal einer religiösen Schule,deren leitende Nonnen sich jedochstandhaft weigerten, ihn für ande-re Zwecke als die spezifisch schu-lischen oder religiösen zu entfrem-den. Nach langwierigen Verhand-lungen gelang es Videla schließ-lich doch, sie mit dem Argumentzu überzeugen, dass die Auffüh-rungen ja dieser Forderung ent-sprachen: auf dem Programm desersten Konzertes hatten BachsOsteroratorium, seine Missa Bre-vis, das Magnificat, mehrere Kan-taten gestanden (allerdings auchweltliche Werke wie das „Musi-kalische Opfer“, zwei „Branden-burgische Konzerte“ und ein Or-gelrezital), ein Konzert, das aufKirchen und Theater verteilt auf-geführt werden musste. Seitdemfinden die Konzerte der „Festiva-les“ fast ausschließlich in diesemschmucken Auditorium im Stadt-teil Belgrano statt, das per Unter-grundbahn in wenigen Minuten

vom Stadtzentrum aus erreichbarist.

Anno 1978 nahmen die „Festi-vales Musicales“ Meisterklassenauf, die von den für die Konzerteverpflichteten Künstlern gegebenwurden. Vier Jahre später wurdendie „Festivales“ als argentinischeNiederlassung der „Neuen Deut-schen Bachgesellschaft“ offiziellanerkannt, die sich mit eingehen-den Studien der Herausgabe desGesamtwerkes von Johann Seba-stian Bach widmet; im folgendenJahr begann Videla seine nunmehrtraditionellen Konzerte mit Wer-ken von Bach in der Zentralen Me-thodistischen Kirche, in derenRahmen er das Publikum überEinzelheiten des Bach’schenSchaffens - besonders seiner Kan-taten - mit äußerst anschaulichenKommentaren unterrichtet und esauffordert, die eingängigen Cho-ralmelodien mitzusingen. Seit1998 strahlt Videla zudem über„Radio Clásica“ jeden Sonntag dieSendung „La Cantata del Domin-go“ aus, wobei er die jeweils vonBach für diesen bestimmten Sonn-tag komponierte Kantate mit eige-nen Kommentaren erklingen lässt.Die Sendungen werden auch imLandesinneren sowie in Uruguay,Chile, Venezuela und Brasilien ge-hört. Es sind bisher acht Videos er-schienen, in denen die Konzerteaufgezeichnet wurden.

Namhafte Dirigenten wie Mi-chel Corboz, Helmuth Rilling,Leopold Hager, Serge Baudo,Steuart Bedford, Mark Deller,Jean Fournet, Reinhard Goebel,Philippe Herreweghe, Christopher

Hogwood, Trevor Pinnock, JordiSavall, Claudio Scimone, LjerkoSpiller, José Serebrier, StanislawSkrowaczewski, Pinchas Zuker-man etc. sowie weltberühmte Or-chester, Ensembles und Chöre aus

Vorbildliche Institution25 Jahre „Festivales Musicales“

Bach unübertroffen dargeboten - Festivales Musicales gab imColón-Theater ein

denkwürdiges Jubiläumskonzert.

Deutschland, der Schweiz, Öster-reich, England, den VereinigtenStaaten, Polen, Norwegen, Belgi-en, Italien, Frankreich, Spanien,Russ-land sowie berühmte Sängerund Solisten aus aller Welt wei-len bei „Festivales“ zu Gast, sodass das äußerst hohe Niveau ih-rer Darbietungen stets gewahrtbleibt. Entsprechend erhielten siezahlreiche bedeutende Preise:1989 Santa Clara de Asis, 1989/1990 Konex, 1990, 1998 und 2000den Preis der argentinischenMusikkritiker.

Anlässlich dieses Jubiläums ha-ben die „Festivales“ eine CD her-ausgegeben, auf der das denkwür-dige Jubiläumskonzert im Colón-Theater „live“ einregistriert wor-den ist.

Eine wirklich vorbildliche In-stitution, die sich nicht nur der mu-sikalischen Unterhaltung widmet,sondern auch das Publikum be-lehrt und den Nachwuchs unter-weist und fördert.

E.A.A.

Page 6: Argentinisches Tageblatt

ARGENTINISCHES TAGEBLATT 6Sonnabend, 22. Dezember 2001

Ferien auf dem LandeIn letzter Zeit hat bei uns der „Turismo en Estancias“ einen starken

Auftrieb erfahren. Es gibt Hunderte dieser Etablissements, die ihreDienste dem Touristen anbieten, doch dieser kann oft das Angebotnicht überblicken. In dieser Hinsicht bietet sich als Ratschlaggeberund Helfer RATUR an, die Red Argentina de Turismo Rural.

Man erhält über diese Einrichtung sowohl ein farbiges Prospektmit Einzelheiten zahlreicher Estanzien, als auch direkte Auskünfte.RATUR hat seine Büros in der Florida 460 (Sociedad Rural Argenti-na), 4. Stock, Fernruf 4328-0499.

Marlu

ARGENTINISCHE WIRTSCHAFTDie Jahreszinssätze der wichtig-

sten Banken für Fristeinlagen auf 30Tage lagen in der Berichtswoche fürPesos zwischen 5,6% und 7% und fürDollar zwischen 5,25% und 5,6%.

***Der Mervalindex steig in der Be-

richtswoche zum Donnerstag um27,2% auf 320,46, der Burcapindexum 33,3% auf 855,60 und der Bör-senindex um 23,9% auf 14.245,34

***Der durchschnittliche Rind-

fleischpreis (kg Lebendgewicht inLiners) fiel in der Berichtswoche um2,9% auf $ 0,5955.

***Der ZB-Dollarkurs für Aussen-

handelsgeschäfte betrug am Donn-nerstag $ 1.0513.

***Die Gold-, Devisen- und Anla-

genreserven der ZB betrugen am12.12.01 $ 15,14 Mrd., der Bankno-tenumlauf $ 9,94 Mrd. Eine Wochezuvor waren es $ 14,84 Mrd. bzw. $9,84 Mrd., einen Monat zuvor $ 17,05Mrd. bzw. 10,85 Mrd. und ein Jahrzuvor $ 23,69 Mrd. bzw. 13,95 Mrd.

***Pecom (Pérez Companc-Gruppe)

will für 02 vorgesehene Investitionenfür U$S 500 Mio. neu überprüfen,wenn die Wirtschaftslage Argentini-ens anhalten sollte.

***Durch ein ZB-Rundschreiben

werden Sonderkonten für Bargeld-einlagen geschaffen, für die die zuMonatsbeginn verfügten Einschrän-kungen nicht gelten. Die Konten kön-nen in Dollar oder Pesos, von Einzel-oder juristischen Personen eröffnetwerden. In sie darf nur Bargeld oderMittel aus Inkassi, Auslandsüberwei-sungen und erwiesenermassen gedeck-te Schecks eingezahlt werden.

***Die Supermarktkette Metro, in

Mendoza, hat trotz ihrer Gläubiger-einberufung weiter Schwierigkeiten.Sie musste eine weitere Filiale, die 3.in diesem Jahr, schliessen. Die Inha-berfamilie (López) sucht seit andert-halb Jahren einen Käufer. Weder Dis-co, The Exxel Group noch Casino ha-ben angenommen.

***In den 2 Wochen nach den Ein-

schränkungen für Bargeldentnah-men aus Konten sollen sich die Ein-nahmen aus der Schecksteuer, mitder Kontenbewegungen belastetwerden, im Vormonatsvergleich ver-

doppelt haben. Bis November wur-den im Monatsdurchschnitt $ 329,4Mio. eingenommen, mit einemHöchstwert von $ 431,7 Mio. im Au-gust. Die Hochrechnung für Dezem-ber ergibt $ 737 Mio.

***Ein Strafgericht hat in einer

mündlichen Hauptverhandlung in 2.Instanz den Bankier J.C. Genoud,ehemaliger Präsident und Besitzerder während der Tequila-Krise ver-schwundenen Banco Basel, zu 3 Jah-ren und 6 Monaten Gefängnis ver-urteilt. Da die Strafe für betrügerischeVerwaltung länger als für 3 Jahre ver-hängt wurde, muss die Haft angetre-ten werden, was bisher nicht gesche-hen ist.

***Der Einzelhändlerverband

CAME ist beim Kabinettschef vor-stellig geworden, damit die Fristenfür die Einzahlung vorausdatierterSchecks um 90 Tage verlängert wer-den. Die Einzelhändler könnten we-der verkaufen noch kassieren. DieZwangsbankarisierung hätte für dieBranche schwerwiegende Problemegeschaffen, zu denen die Ausgaben fürdie Einrichtungen zum Ablesen derZahlkarten kämen.

***Edenor-Präsident Fernando Po-

nasso wies darauf hin, dass ab 1991rund U$S 10 Mrd. in die Elektrizi-tätswirtschaft investiert worden sei-en, wobei die Stromerzeugung um70% zugenommen habe, die Strom-preise stark gesunken seien und derDienst auf 96% der Bevölkerungausgedehnt worden sei.

***Energie- und Bergbausekretär

Alejandro Sruoga erklärte, der Staathabe seit 1980 über U$S 3,3 Mrd. indas Kernkraftwerk Atucha II (beiZárate) investiert, wobei jedochnoch Investitionen für U$S 700 Mio.fehlten, um das Werk fertigzustel-len. Der Staat verfüge nicht über dieseMittel, so dass eine Privatisierung vor-gesehen sie. Doch selbst wenn der bis-her investierte Betrag als verloren be-tachtet wird, die Restinvestition nur beieinem garantierten Preis rentabel ist,der über dem gegenwärtigen Markt-preis liegt. Sruoga gab bekannt, dassan den Lastenheftesn gearbeitet wer-de, wobei jedoch noch die Entschei-dung des Präsidenten De la Rúa fehle.

***Am Freitag der Vorwoche, dem

14. Dezember, wurden Schatzschei-

ne für U$S 770 Mio. ausgezahlt,womit der Default vermieden wur-de. 53% wurde in bar bezahlt und derRest gegen neue Schatzscheine ge-tauscht. Um dies möglich zu machen,mussten die Regelungen geändert wer-den, die für die Investmentfonds („Fon-

dos comunes de inversión) gelten.Ausserdem wurden die Rentenfonds(AFJP) per Dekret gezwungen, Schatz-scheine mit dem Geld zu zeichnene,das sie in Firstdepositen angelegt hat-ten, die somit vorzeitig gekündigt wer-den mussten, was für die Banken ein

SchwindsüchtigeDevisenreserven

Laut Konvertibilitätsgesetz ist die Zentralbank angehalten, zwei Drit-tel ihrer Passiven mit Aktiven in Devisen zu decken. Die diesbezügli-chen Zahlen werden täglich veröffentlicht. Der Devisenbestand, ge-nannt Liquidität, weil die Zentralbank frei darüber verfügen darf, be-trägt rund U$S 15 Mrd., zu denen Staatstitel in Fremdwährung für überU$S 4 Mrd. kommen, zusammen etwa U$S 20 Mrd. Soweit die Akti-ven.

Auf der Passivseite beträgt der Banknotenumlauf rund $ 10 Mrd. inNoten von $ 100, 50, 20, 10, 5 und 2 sowie Münzen von $ 1, 0,50,0,25, 0,1, 0,05 und 0,01. Hinzu kommen Passiven der Zentralbank mitBanken in Gestalt von Pflichtreserven für etwa $ 6 Mrd. und anderefür kleinere Beträge, zusammen rund $ 17 Mrd.

Insofern beträgt die Deckung dieser Passiven mit den Aktiven über100%, wie sie laufend ausgewiesen werden. Unlängst erreichte dieDeckung bis 130%, als die Zentralbank keine Pflichtreserven mit denBanken unterhielt, die sie bei der Niederlassung der Deutschen Bankin New York verbucht hatten. Die Zentralbank verfügte unlängst denZwangstransfer dieser Pflichtreserven von etwa 20% der Depositenauf ihr eigenes Konto, womit dieses Passivum in Fremdwährungentstand.

Soweit die Deckung laut Konvertibilitätsgesetz. Die nackten Tatsa-chen sehen indessen anders aus. Hier kommt es nur auf den echt ver-fügbaren Devisenbestand an. Zieht man von den ausgewiesenen Devi-sen von rund U$S 15 Mrd. die Pflichtreserven von U$S 5,8 Mrd. ab,über welche die Zentralbank grundsätzlich nicht verfügen dürfte, weilsie für Depositenabzüge gut stehen müssen, dann verbleiben kaum mehrals U$S 9 Mrd. als echt verfügbare Devisenreserven. Sie decken nichteinmal den Banknotenumlauf von $ 10 Mrd., weshalb eine echte Dol-larisierung nicht mehr möglich erscheint.

Eine Dollarisierung geht bekanntlich einher mit dem Tausch der um-laufenden Banknoten gegen U$S-Noten, die die Zentralbank sich beider Federal Reserve nach Auflösung ihrer Anlagen in Fremdwährung,zumeist US-Treasuries, beschafft. Allerhöchstens könnte eine Teildol-larisierung möglich sein, indem nach einer Volldollarisierung des Ban-kensystems mit allen Konten sowie der Zulassung von Dollarzahlun-gen für Löhne, Gehälter, Steuern und Pesoverträge nur die Banknotenvon $ 100 und $ 50 umgetauscht werden, so dass kleinere Beträgeweiterin in Pesos umlaufen würden. Dieses System der Dollarisierunggliche dann demjenigen von Panama, wo der US-Dollar als Landes-währung umläuft, unbeschadet der Balboa-Münzen im gleichen Wertwie Dollarmünzen.

Ohne die Dollarisierung, die die meisten massgebenden Politikerablehnen, weil dann jegliche monetäre Politik entfällt und lokalen Ban-ken nicht mehr geholfen werden kann, wenn sie unter Illiquidität oderDepositenrun leiden, bleiben die restlichen Devisenreserven von an-genommenen U$S 9 Mrd. als die letzte Bastion, die die Zentralbankgegenwärtig verteidigt.

Hier springt die Devisenbewirtschaftung ein, die jetzt besonders re-striktiv gehandhabt wird. Die Zentralbank muss dafür sorgen, dass dieverfügbaren Devisenreserven nicht weiter schwinden. Sonst käme siein die brenzliche Lage der Zentralbanken von Mexiko Ende 1994 undBrasilien Ende 1998, als beide nur noch rund U$S 5 Mrd. verfügbareDevisenreserven hielten und den Fixkurs von 3,60 mexikanische Pe-sos bzw. 1,20 brasilianische Real zum U$S nicht mehr finanzieren konn-ten, so dass die Devisenmärkte ihnen die von beiden Regierungen un-gewollten Abwertungen aufdrängten. Der mexikanische Peso fiel da-nach bis auf $ 10 und der Real bis auf 2,80 je U$S. Ohne Konvertibili-tät werden die echt verfügbaren Devisenreserven als der letzte Hort füreinen schwankenden Kurs dienen, damit exzessive Kurssprünge ver-hütet werden.

Page 7: Argentinisches Tageblatt

ARGENTINISCHES TAGEBLATT 7Sonnabend, 22. Dezember 2001

Zusammenbruch derIndustrieproduktion

Der vom statistischen Amt (INDEC) monatlich berechnete Index derIndustrieproduktion (genannt „Estimador mensual industrial“, im KürzelEMI, weil es sich um eine unvollständige Erhebung handelt, die nur dieBranchen berücksichtigt, von denen laufend Produktionstatistiken geführtwerden) weist für November einen Stand von 95 aus, bei 100 für das Jahr1993. Der Rückgang gegenüber November 2000 betrug 11,6%, und 11,1%mit Saisonbereinigung, und gegenüber Oktober 2001 2% bzw. 5,6%. Dierückläufige Tendenz dauerte somit an, was eine Vertiefung der Rezessionzeigt. Für Dezember wird eine neue hohe Abnahme vorweggenommen.In elf Monaten betrug die Abnahme 5%, und im ganzen Jahr werden esmindestens 6% sein.

Es handelt sich um den niedrigsten Produktionsstand seit Januar 1994,als der neue Index eingeführt wurde. Die Katastrophe setzte im Juni die-ses Jahres ein, kurz nachdem Cavallo als Wirtschaftsminister angetretenwar. Die Rezession, die Mitte des Jahres schon drei Jahre dauerte, ver-wandelte sich somit eine wahre Depression, die noch kein Zeichen einerTendenzwende aufweist.

Der Index wäre noch schlechter ausgefallen, wenn nicht die neue, sehrgrosse Düngemittelfabrik von Profertil in Bahía Blanca in diesem Jahr inBetrieb genommen worden wäre, und auch die Expansion von Petroquí-mica Bahía Blanca und der Poliäthylenfabrik von Petrosur abgeschlossenworden wäre. Da es sich hier um Produktionen für den Export handelt,spielt die interne Rezession keine Rolle. Der Index der Chemieprodukti-on stieg somit gegenüber dem Vorjahr um 1,2%, obwohl bei anderen che-mischen Produkten auch ein starker Rückgang stattfand. Desgleichen wiesdie Sparte „Papier und Pappe“ eine Zunahme von 0,9% aus, die ebenfallsexportbedingt ist.

Am anderen Extrem befindet sich die Kfz-Industrie, mit einem Minusgegenüber dem Vorjahr von 42,9%, wobei November 2000 auch schonein schlechter Monat war. Diese Industrie ist sehr sensibel auf Konjunk-turschwankungen, besonders nachdem im letzten Jahrzehnt eine starkeErneuerung und Zunahme des Fahrzeugparks stattgefunden hat, mit qua-litativ besseren Kfz, so dass die Notwendigkeit des Kaufs eines neuenKfz weniger dringlich ist. Ausserdem wirken sich hier die wesentlichhöheren Zinsen und die geringere Kreditbereitschaft der Banken aus.

Die Textilindustrie verzeichnet einen Rückgang von 36,7%. Auch hierist die Nachfrage sensibler geworden, nachdem die Bevölkerung sich dankniedriger Preise für Bekleidung u.a. Textilprodukte in den letzten Jahrenreichlich ausstatten konnte. In diesem Fall wirkt sich auch die Import-konkurrenz aus, einmal aus Brasilien, das eine sehr konkurrenzfähigeBaumwollindustrie hat, und dann aus Asien, wobei hier beim Import starkunterfakturiert wird.

Die metallverarbeitende Industrie (ausgenommen Kfz) weist einenRückgang von 28,1% aus, die Grundmetallindustrie einen von 18,5%.Die Verarbeitung nicht metallischer Erze nahm um 21,5% ab, die vonKautschuk und Kunststoffen um 11,5%. Die Erdölraffinerien wiesen eineum 11% geringere Produktion aus, was konjunkturbedingt ist, aber auchden zunehmenden Übergang auf Gas bei den Kfz zum Ausdruck bringt.

In diesem Index erhalten Grossbetriebe ein hohes Gewicht, wogegenMittel- und Kleinbetriebe wenig berücksichtigt werden. Die ganze Holz-und Möbelindustrie wird bei Seite gelassen, ebenso Unternehmen, diesich mit Sonderfertigungen befassen. Da die kleinen und mittleren Unter-nehmen stärker von den Kreditknappheit und den hohen Zinsen beein-flusst werden, kann man annehmen, dass die Abnahme der Produktionhier grösser als der vom Index ausgewiesene Durchschnittsrückgang war.Das hat sich bei der Beschäftigung ausgewirkt, da diese Unternehmenverhältnismässig viel mehr Arbeitskräfte beschäftigen.

Problem darstellt.***

Ende der Vorwoche gab dasLandwirtschaftsekretariat bekannt,dass dank zwei Wochen Schönwet-ter schon 78% der Mais-, 63% derSojabohnen- und 84% der Sonne-blumenaussaat durchgeführt ist.Vom Weizen seien 28% schon geern-tet, wobei mit einer Ernte von 17 Mio.t gerechnet wird, 1 Mio. unter derSchätzung vor den Über-schwemmungen.

***Durch Gesetz 25.509 (Amtsblatt

vom 17.12.01) wurde ein reales Ei-gentumsrecht für Inhaber von Auf-forstungen und fremden Boden ge-schaffen. Dieses Recht ergibt sichnachdem ein Vertrag zwischen demBodeneigentümer und demjenigen ab-geschlossen wird, der aufforstet. DieRechte beider werden getrennt. Beidekönnen Hyptheken aufnehmen, die je-doch die Rechte des anderen nicht be-einträchtigen dürfen. Die Höchstdau-er dieser Verträge wird auf 30 Jahrefestgesetzt.

***Durch Gesetz 25.507 (Amtsblatt

vom 17.12.01) wurde das Institut zurFörderung argentinischen Rindflei-sches geschaffen, als nicht staatlicheKörperschaft, die jedoch dem öffent-lichen Recht untersteht. Ziel des Insti-tutes ist die Förderung des lokalenKonsums und der Exporte, sowie dieErhöhung der Konkurrenzfähigkeit derRinderwirtschaft. Das Institut wird voneinem Vorstand aus Vertretern derwichtigsten Landwirtschaftsverbände,der Verbände der Fleischindustrie, desLandwirtschaftssekretariates und dreider Provinzen, die eine bedeutendeRinderzucht haben, geleitet. Das Insti-tut wird durch einem Fonds finanziert,der mit bis zu $ 0,20 pro zur Schlach-tung bestimmten Rind (gemäss Index-werten des Landwirtschaftssekretaria-tes), plus bis zu $ 0,09 pro effektivgeschlachtetem Rind, gespeist wird.

***Durch Beschluss 269/01 des

Handlessekretariates (Amtsblattvom 17.12.01) wurden Fristen fest-gesetzt, binnen denen die Exporteu-re die Devisen in das lokale Finanz-system einbringen müssen, die sie beiExporten eingenommen haben, dienach dem 5. Dezember durchgeführtworden sind. Je nach den Waren be-trägt diese Frist 15, 30, 120 oder 180Tage.

***Durch Beschluss 270/01 des Han-

delssekretariates (Amtsblatt vom17.12.01) wurden die Zollpositionenveröffentlicht, die als „nicht kri-tisch“ bezeichnet werden, so dass dieZahlung bei Importen erst nach derZollabfertigung erfolgen darf. Nurbei als kritisch eingestufen Waren (dienicht in diesem Beschluss angeführtenZollpositionen) dürfen Zahlungen imVoraus erfolgen.

***Durch Gesetz 25.506 (Amtsblatt

vom 14.12.01) wurde die elektroni-sche und die digitale Unterschriftmit Rechtsgültigkeit eingeführt. Das

Gesetz bestimmt die Einzelheiten desVerfahrens, durch das u.a. Vorträge pere-mail abgeschlossen werden können.

***Travelclub, die grösste Grosshan-

dels-Reiseagentur des Landes, hatbei Gericht die Einberufung ihrerGläubiger beantragt. 80% der Beleg-schaft wurde gekündigt, etwa 1.000Urlauber sind im Ausland gestrandetund weitere 1.200 haben Passagen ge-kauft oder für sie Anzahlungengeleistet.

***Ex-Wirtschaftsminister Cavallo

hatte den Banken angeordnet, denrichterlichen Befehlen gegen die ver-fügten Einschränkungen über Ab-hebungen aus Bankkonten nichtnachzukommen. Sie müssen damitwarten, bis der Staat seine Stellungnah-me bekannt gegeben hat.

***Die Wirtschaftsführung rechnet

durch die Umschuldung mit um $ 5Mrd. geringeren Zinszahlungen imnächsten Jahr. Die Jahreszinssätze fürdie Ersatzbonds sollen unter 3% lie-gen. Nach Angaben der Rio Bank wür-de der Durchschnittszinssatz von 3%eine Einsparung von $ 2,4 Mrd. gestat-ten.

***Wegen der kommenden Feierta-

ge wird die Einschränkung für Geld-entnehmen aus Banken für Lohn-und Gehaltsempfänger bis zum31.12. um $ 500 pro Personerweitert.

***Die EU hat beschlossen, die Ein-

fuhr von argentinischem Rindfleischauf keinen Fall vor Februar 02 zu-zulassen. Die notwendigen Analysenseine noch nicht vollkommenausgewertet.

***Petrobrás hat die 700 Tankstel-

len der EG3 in Argentinien über-nommen. Damit wird der Aktiven-tausch mit Repsol-YPF für über U$S1 Mrd. abge-schlossen.

***San Sebastián, einer der grössten

Geflügelverarbeiter Argentiniens,der vor rd. 1 Jahr seine Gläubigereinberufen musste, hat seine 3Schlachthöfe geschlossen und dasPersonal entlassen. Das Unternehmenverarbeitete rd. 4 Mio. Hühner imMonat. Rd. 300 Geflügelzüchter imRaum San Pedro, Colón, Carmen deAreco, Zárate usw., die Hühner imAuftrag des Unternehmens züchtetenund mit ungedeckten Schecks bezahltwurden, stehen vor dem Nichts.

***Über seine Corporación Améri-

ca, Partnerin von Aeropuertos Ar-gentina 2000 (AA2000), die in Ar-gentinien die Konzession von 33Flughäfen hat, erhielt der Unterneh-mer E. Eurnekian die 30jährigeKonzession des Zyartnots-Flugha-fens von Erevan, der HauptstadtArmeniens. Ausserdem verhandelt erüber den Kauf der Armenian Airlines.In Argentinien ist er Hauptanteilseig-ner von AA2000, und von ARG (vor-mals LAPA) Teilhaber von Southern

Winds und soll dem Staat U$S 200Mio. an überfälligen Konzessionsge-bühren schulden.

***Eine lautstarke Kundgebung der

Schuhwerkunternehmer und -ge-werkschaften sowie andere Teilneh-mer forderte vor dem Aussenmini-sterium Schutzmassnahmen gegendie Schuheinfuhren aus Brasilien.Im Aussenamt wurde bemerkt, dass esdas Industriesekretariat sei, das fürderartige Massnahmen (Dumping-schutz) zuständig sei, und dass sich

unter den randallierenden Unterneh-mern auch solche befanden, die 40%aller argentinischen Schuhwerkeinfuh-ren tätigen.

***Der US-Investmentfonds Red

badge beteiligt sich mit einer Inve-stition von U$S 30 Mio. an demUmbau des alten Getreidesilos amDock 2 des Puerto Madero. Es solldas teuerste Bauvorhaben Argentini-ens zu durchschnittlich U$S 2.800 derqm werden.

***

Page 8: Argentinisches Tageblatt

ARGENTINISCHES TAGEBLATT 8Sonnabend, 22. Dezember 2001

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise kauft eine argentinischeBank eine ausländische am hiesigen Platz. Die Macro Bank, die vonJorge Brito und Ezequiel Carballo kontrolliert wird, hat 60% der BansudBank für U$S 65 Mio. erworben. Bansud wird von der mexikanischenBanamex kontrolliert, die ihrerseits zur Citibank-Gruppe gehört. Die Ein-zelheiten der Übernahme wurden noch nicht bekannt gegeben, doch solles sich um ein reines Privatgeschäft, ohne Mitwirkung der Zentralbankoder des Depositengarantie-Unternehmens Sedesa, gehandelt haben.

Die Macro Bank hat damit den grössten Schritt in ihrer Expansiongetan. Zu ihren 73 Filialen, die sich vorwiegend im Norden des Landesbefinden, kommen nun weitere 77, die schwerpunktmässig in BuenosAires Stadt und der gleichnamigen Provinz sind. Die Macro Bank wuchsvorwiegend durch Privatisierungen von Provinzbanken. Innerhalb vonwenigen Jahren übernahm sie die ehemaligen Banken der Provinzen Mi-siones, Salta und Jujuy.

Die Bansud Bank war durch den Kauf der Banco Shaw durch dieBanco del Sud, deren Hauptaktionär die Familie Jarratz war, entstanden.Die Banamex trat vorerst als Minderheitspartner ein und übernahm spä-ter die Kontrolle.

Macro Bank kauft BansudDie spanische Gamesa, die mitargentinischen Partnern und einerAnfangsinvestition von U$S 8 Mio.einen Windkraftpark errichtenwollte, hat das Vorhaben bis zurKlärung der Wirtschaftslage in Ar-gentinien aufs Eis gelegt. In RadaTilly, 12 km von Comodoro Rivada-via, sollten anfangs 10 und später biszu 50 mit Windkraft betriebene Strom-generatoren aufgestellt werden. Game-sa wird die Anlage nun in Brasilienerrichten.

***Der Autobahnkonzessionär Aus-

ol (Autopistas del Sol) führt ab 1.1.02ein neues Mautsystem für kurzeStrecken für die Nordausfahrt, vor-erst bis Capitán Juan San Martín,und an der Abzweigung nach Tigrezwischen Thames und IntendenteTomkinson, ein. Das System wird nurüber die PASE benannte automatischeMautzahlung angewendet. Die ge-nannten Kurzstrecken können dannstatt für $ 1,10 für $ 0,50 befahrenwerden. Dazu müssen elektronischeGeräte für U$S 600.000 eingesetztwerden.

***Die von dem niederländischen

Investmentfonds kontrollierte Wein-kellerei Bodegas Orfilia hat ihreGläubiger einberufen. Von den Pas-siven für U$S 25,6 Mio. sind 50%Bankschulden. Als Grund werden Kre-ditschwierigkeiten angegeben.

***Um die Erdgassubventionen in

den patagonischen Gebieten auf-recht erhalten zu können, ohne dasBudget 02 zu belasten, werden alleanderen Verbraucher des Landesum 3% bis 6% höhere Gasgebührenbezahlen müssen. Der Abschnitt Nr.74 der Haushaltsvorlage besagt, dassfür die Subvention ein Treuhandfondsgeschaffen wird, der mit $ 4 pro 1.000cbm Erdgas gespeist wird. Die Subven-tion begünstigt etwa 375.000 Endver-braucher und kostet $ 80 bis 100 Mio.im Jahr.

***Die von der Wirtschaftsführung

im Parlament eingebrachte Haus-haltsvorlage 02 sieht die Streichungvon 24.000 Staatsstellen auf 265.701vor. Vertraglich verpflichtetes Perso-nal soll um 4.400 durch Kündigungenoder Gehaltskürzungen verringert wer-den. In disem Jahr wurde auf diese Artbereits 30% des Vertragspersonals ab-gebaut. Für die anderen Posten sindfrühzeitige Pensionierungen, freiwilli-ge Rücktritte, Nichtzulassung mehre-rer gleichzeitiger Gehälter, Nichteins-tellungen für ausscheidendes Personalusw., vorgesehen.

***Ab 1.1.02 müssen Gross-Super-

märkte und Shoppings in BuenosAirtes Stadt 3% Steuer auf ihreBruttoeinnahmen statt bisher 1,5%zahlen. Damit will die Stadtregierunggeringere Steuereinnahmen ausglei-chen. Der Haushaltsplan der Stadtwurde für 02 mit $ 3,12 Mrd., um $219,94 Mio. weniger als in diesemJahr, veranschlagt. Die genannte Steu-

ererhöhung soll $ 30 Mio. im Jahreinbringen.

***4 Abgeordnete der ARI- und der

Polo Social-Fraktionen, ein Anwaltder abtrünnigen CGT-Gewerk-schaftsorganisation und ein privaterRechtsanwalt haben eine Reihe vonKlagen geben den Beschluss Nr. 850/01 des Wirtschaftsministeriums ein-gereicht, der die Bargeldentnahmenvon Bankkonten stark eingeschränkt.

***Der PJ-Nationalrat unter Exprä-

sident Menem erklärte, die Annah-me eines ausgeglichenen Haushalt-planes 02 vor Jahresende sei uner-lässlich. Er sprach sich gegen eineAbwertung aus und forderte eineMarschroute der Regierung, um ausder Krise herauszukommen.

***IWF-Pressechef Hawley erklär-

te, die Fälligkeitstermine für dienächsten ZahlungsverpflichtungenArgentiniens könnten geändert wer-den. Es geht um am 17.1.02 fälligwerdende U$S 940 Mio., die Argenti-nien im Dezember 2000 im Rahmender Finanzpanzerung erhalten hatte.

***Die letzten Überschwemmungen

haben die Landwirtschaft der Pro-vinz Buenos Aires, für knapp $ 700Mio. geschädigt. Die Schätzungstammt vom Landwirtschaftsministe-rium der Provinz.

***In den 3 Gebieten, in denen das

Arbeitsministerium laufend den Be-schäftigtenstand ermittelt, gingen imNovember 8.500 Arbeitsplätze ver-loren. Die Hochrechnung für das gan-ze Land ergibt um 20.000 mehr Ar-beitslose in einem Monat. Im RaumGross Cór-doba, in dem im 9. Monatin Folge die Beschäftigung abnimmt,ging sie im November um 1,9% zu-rück. Gross Buenos Aires verzeichne-te -0,4% und Gross Rosario -0,2%,beide mit Abnahmen durch 8 Monatein Folge. In diesen 3 Gebieten gingenin den letzten 12 Monaten 100.000Arbeitsplätze verloren. Die Hochrech-nung für ganz Argentinien ergibt über240.000.

***Das Arbeitsministerium gibt für

den Raum Gross Buenos Aires fürNovember bekannt, dass im Durch-schnitt 162 Stunden gearbeitet wur-de, um 3,6% weniger als im Vorjahr.Die Unternehmen bauen vorwiegendFestangestellte ab und nehmen beiBedarf Personal auf Zeit oder vonAgenturen auf. Überstunden wurdenfast vollständig abgeschafft. 79,7% derArbeitgeber wird den Personalstandbehalten, 17,1% verringern und 3,1%erhöhen. 5,1% der Arbeitsplätze gin-gen in einem Jahr verloren, ein Rekordseit diese Ermittlung durchgeführtwird. In Gross Córdoba war der Stel-lenabbau im November Monats- undJahresrekord, letzterer mit 6,8%. Auchdie Zahl der gearbeiteten Stunden gingzurück. Die Suspendierungen nahmen

zu. 22,6% der Unternehmen wird denPersonalstand verringern, 72,7% bei-behalten und 4,7% erhöhen. In GrossRosario, einem der Gebiete mit höch-sten Arbeitslosenquoten, nahmen dieSuspendierungen zu, 18,1% der Unter-nehmen wird den Personalstand ver-ringern, 75,9% beibehalten und 6%erhöhen.

***Nach Angaben des Argentini-

schen Hüttenverbandes ging dieRoheisenproduktion im Novemberim Vorjahresvergleich um 21%, dieStahlproduktion um 24% zurück.Auch der Vormonatsvergleich ver-zeichnete Abnahmen, besonders beiWarmwalzprodukten um 11,4% undbei Rohstahl um 7%. Der Vergleich derersten 11 Monate ergibt für Rohstahl -10,3% und für Warmwalzprodukte -4,7%.

***Die Weltbank hält 2 Darlehen an

Argentinien für insgesamt U$S 650Mio. zurück. 2 weitere Tranchen fürzusammen U$S 300 Mio. könnten imFebruar bewilligt werden, falls bis da-hin das Abkommen mit dem IWF zu-stande gekommen ist. Weitere Kreditekönnen ohne Klärung der Lage nichtbewilligt werden, obwohl bereits ge-währte Investitionsdarlehen für U$S2,5 Mrd. bereit gehalten werden.

***Nach Impsa, dem Telekommuni-

kationsunternehmen der Impsatund dem Techint-StahlunternehmenSidor, hat sich nun auch das Stahl-unternehmen Acindar als unfähigerklärt, seinen Finanzverpflichtun-gen nachzukommen. Acindarschreibt seit 1999 rote Zahlen und hatim August mit ihren Mitarbeitern eine10%ige Gehaltskürzung vereinbart, alsTeil eines Planes, um $ 50 Mio. im Jahreinzusparen, um weiter arbeiten zukönnen. Nun reichen die Mittel nuraus, um Lieferanten und Löhne zubezahlen.

***Die Provinzregierung von Córd-

oba hat ein Gesetz verabschiedet,

das Dienstleistungsunternehmen an-ordnet, auf Ansuchen des Kundenmindestens 50% der Zahlungen inBonds entgegenzunehmen. Das Ge-setz verpflichtet 27 Firmen.

***Das Reisebüro Viajes Verger der

spanischen Barceló-Gruppe über-nimmt den Kleinhandelsbetrieb derCalcos Agentur, die schliesst. Vergerist in Argentinien seit 54 Jahren, vor-wiegend als Touristik-Grosshändler,tätig.

***Die Weinkellerei Bianchi hat in

San Rafael ihr Luxushotel TowerInn & Suites eingeweiht. Mit 40mHöhe, 10 Stockwerken und 96 Zim-mern ist es das grösste Gebäude derStadt. Die Investition betrug U$S 5Mio.

***Das Landwirtschaftssekretariat

gab bekannt, dass die diesjährigeBaumwollernte die kleinste der ar-gentinischen Geschichte sein wird.Als Grund werden die Niederschlägeund der Mangel an Finanzierungsmög-lichkeiten angegeben.

***Der Rechtsstreit zwischen Aero-

líneas Argentinas und E. Eurnekián,der die Fluggesellschaft LAPA er-worben und auf ARG umbenannthat, geht weiter. In 2. Instanz wurdeein Gegenrekurs von Lapa zu Gunstender Umbenennung in ARG zurückge-wiesen. Es sei das Kürzel, mit demAerolíneas bei der DachorganisationIata und bei der Internationalen Zivil-luftfahrts-Organisation eingetragen sei.ARG erklärt, es bestehe ein Schutzre-kurs, demzufolge sie den Namen biszu einem endgültigen Rechtsspruchführen dürfe.

***Der Senat hat eine Vorlage ange-

nommen, durch die die ausserge-wöhnlichen Vollmachten, die dieRegierung erhalten hatte, abge-schafft werden und die Einschrän-kungen für Gehaltszahlungen mit-tels Sparkassen aufgehoben werden.

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Page 9: Argentinisches Tageblatt

ARGENTINISCHES TAGEBLATT 9Sonnabend, 22. Dezember 2001

WIRTSCHAFTSÜBERSICHT

Mit der Demission des Prä-sidenten de la Rúa und seinesWirtschaftsministers DomingoCavallo wurde die Konvertibili-tät begraben. Ihr Totengräberwar paradoxerweise ihr ErfinderCavallo, der sie seit April syste-matisch untergraben hat. Die De-positenflucht von $ 20 Mrd. seitJanuar, davon am meisten seitMärz, begleitete den Vertrauens-verlust, der die Konvertibilitätmit jeder Massnahme zur Wirt-schaftsbelebung begrub, die derMinister erliess. Die tragischeFolge war die Depression seitJahresmitte und der Gewaltaus-bruch in der vergangenen Wo-che.

Massgebende Politiker emp-fahlen dem Präsidenten de laRúa die Aufgabe der Konverti-bilität, zuletzt auch seine eigenePartei UCR, ebenso führende Ju-stizialisten, ausgenommen Ex-präsident Carlos Saúl Menem.Dass die Konvertibilität mit ih-rer Parität zwischen Dollar undPeso vorbei ist, stellt sich vor-erst als das einzige Faktum her-aus, wenn man feststellen will,was wirtschaftspolitisch kom-men wird.

Ohne Konvertibilität wird dieWährung sicherlich frei schwan-ken, möglicherweise zumindestanfangs mit Devisenbewirt-schaftung. Das wird notgedrun-gen zu einem Freikurs führen,auch Parallelkurs oder Schwarz-kurs genannt. Je schneller dieDevisenbewirtschaftung abge-schafft wird, desto besser wer-den sich die Aussichten für dieWirtschaft gestalten. Gegenwär-tig darf so viel wie gar nichts fürImporte bezahlt werden, so dassdie verarbeitenden Industrienvor dem Stillstand stehen. OhneImporte von Rohstoffen, Teilfa-brikaten, Zubehör und Maschi-nen aus dem Ausland kann dieverarbeitende Industrie nur solange funktionieren, wie sie übereigene Lagerbestände verfügt.

Die Konvertibilität setzte sichnicht nur aus besagtem Fixkurs,sondern ebenso aus dem Verbotder Geldschöpfung, zumal zu-gunsten des Schatzamtes, zu-sammen. Mit schwankendemDevisenkurs dürfte die Zentral-bank wieder die monetäre Poli-tik gestalten. Das ist durchausmachbar und im Rahmen einesAbkommens mit dem Internatio-nalen Währungsfonds möglich,

Was kommtallerdings mit der Auflage, dassbestimmte Grenzen für die Ex-pansion der Geldmenge gesetztwerden.

Das andere Fragezeichen be-zieht sich auf das zentrale Pro-blem der argentinischen Wirt-schaft. Das Defizit der öffentli-chen Hand, berechnet als Neu-verschuldung der Nation, derGliedstaaten, der Gemeinden,der sozialen Sicherheit und derStaatsunternehmen, ufert 2001auf sage und schreibe etwa $ 18Mrd. aus. Das Schatzamt dürftemit einem Kassendefizit von $ 9Mrd. abschliessen. Hinzu kom-men Lecop und Bocon für an-genommene $ 2 Mrd, ferner auf-geschobene Zinszahlungen ausdem Megatausch vom April unddem jüngsten Tausch von Bondsin Wechsel von zusammen rund$ 3 Mrd. Die Gliedstaaten wer-den mit ihren kurzfristigen Ver-schuldungen als Patacon, Que-bracho und anderen Kürzelnnicht unter $ 4 Mrd. Defizit ab-schliessen. Die neue Regierungwird sich mit diesem ungelöstenProblem auch auseinander set-zen müssen, da das Haushalts-gesetz dem Kongress zur Be-handlung vorliegt.

Zum Schuldenthema werdengegenwärtig allerlei Vorschlägeherumgereicht. Ein einjährigesMoratorium schiesst an der Lö-sung vorbei, sind doch bereitsdrei Jahre Karenz für U$S 55Mrd. Umschuldung vereinbartworden. Gleiches steht für denselben Betrag oder weniger Aus-landsschulden bevor, so dasssich ein Moratorium mit „de-fault“ erübrigt, das Argentinienauf lange Zeit vom Auslandskre-dit ausschliesst und die Rück-kehr der $ 20 Mrd. geflüchtetenDepositen verhindert.

Gleiches gilt für das jüngsteHirngespinst der sogenannten„Pesifizierung“, lies Zwangsum-wandlung aller Dollarforderun-gen und Depositen in Pesoszwecks nachfolgender Abwer-tung. Das wäre der gewaltigsteRaub der argentinischen Finanz-geschichte, indem alle Sparerund Gläubiger geprellt werdenwürden, die seit der Hochinfla-tion mit Hyperinflation in densiebziger und achtziger Jahrenden US-Dollar als Sparwährungvorgezogen haben. Im Vergleichmit der Auflösung der Bank-schulden vom Juli 1982, die Do-

mingo Cavallo als damaligerZentralbankpräsident verfügte,würde eine Zwangsumwandlungvon Dollarschulden in Pesos mitAbwertung wie ein Kinderspielaussehen. Argentinien würdesich mit einer solchen Massnah-

Ein Budget mit FragezeichenEinige Tage vor seinem Rücktritt hat der ehemalige Präsident De la

Rúa das Gesetzesprojekt über den Haushalt für das Jahr 2002 im Kon-gress eingebracht, das zwar ein Nulldefizit vorsieht, jedoch viele Zweifelaufwirft. Die Behandlung und Genehmigung des Budgets durch dasParlament ist die Voraussetzung, an die der IWF die Auszahlung dernoch ausstehenden U$S 1,26 Mrd. geknüpft hat, da dies als allgemeinepolitische Unterstützung für die harte Budgetpolitik angesehen wird,die unerlässlich ist, um sie effektiv durchführen zu können. Wenn dannauch in den Monaten Januar und Februar das Nulldefizit effektiv ein-gehalten wird, kann man eventuell damit rechnen, dass der IWF auchdie U$S 3 Mrd. auszahlt, die ursprüglich für einen Treuhandfonds be-stimmt waren, der als Garantie für die Ausgabe argentinischer Staats-papiere gedacht war, wobei jedoch Cavallo darauf hinwies, dass dieseIdee fallen gelassen worden war. Der ausgeglichene Haushalt ist somitder erste Schritt, um ein Default zu vermeiden. Dann kommt noch dieUmschuldung im Ausland, analog der mit den inländischen Inhabernvon Staatstiteln durchgeführten, so dass Argentinien dann drei JahreRuhe hätte.

Der Haushaltsvorschlag sieht eine Kürzung der Ausgaben um 18,8%vor, die in absoluten Zahlen $ 9,1 Mrd. ausmacht. Davon entfallen etwa$ 5,5 Mrd. auf geringere Zinszahlungen, weil bei der jüngsten Um-schuldung Zinsen von bis zu 7% gezahlt werden, gegen durchschnitt-lich etwa 11% vorher. Aber ausserdem wird (Cavallo dixit) vorwegge-nommen, dass bei den Titeln, die sich in Händen von Fonds, Bankenu.a. im Ausland befinden, die neuen Papiere, die gegen die alten ge-tauscht werden, nur 3% Zinsen tragen sollen. Das erscheint etwas über-trieben, auch im Rahmen des Leitgedankens des US-SchatzsekretärsPaul O’Neill, dass die Gläubiger, die Ländern wie Argentinien zu ho-hen Zinsen geliehen haben, ein Opfer bringen müssen.

Der Budgetvorschlag enthält eine Partie von $ 4,52 Mrd., die unterder euphemistischen Bezeichnung „Ausgabenverringerungen, die wäh-rend der Durchführung vollzogen werden“ geführt wird. Das wider-spricht dem Begriff eines Budgets, entspricht jedoch der Strategie,brenzliche Kürzungen durchzuführen, ohne sie an die grosse Glockezu hängen, um politische Reaktionen zu vermeiden. Vom genanntenBetrag entfallen etwa $ 3 Mrd. auf die Verringerung der Beamtenge-hälter und der Renten um 13%, die für 2002 auf Jahresbasis kalkuliertwird und somit einen wesentlich höheren Betrag ergibt. Die verblei-benden $ 1,5 Mrd. beziehen sich angeblich auf die Nicht-Erneuerungdes Lehrerfonds (fast $ 700 Mio.), auf den Halbierung der Subventionfür Brennstoffe, die in Patagonien verkauft werden, auf die Abschaf-fung eines sozialen Fonds für die Provinzen in Höhe von $ 225 Mio.u.a. heisse Eisen. Es ist anzunehmen, dass diese Kürzungen in der par-lamentarischen Diskussion auftreten.

Bei den Einnahmen ist eine Verringerung von 3,1% vorgesehen. Da-bei wurde davon ausgegangen, dass das Bruttoinlandprodukt 2002 leichtabnimmt und ein Teil der Steuergeschenke von Cavallo beibehaltenwird. In dieser Beziehung wurde durch Dekret 1676/01 (Amtsblatt vom20.12.01) ein Teil davon rückgängig gemacht. Bei der Steuer auf Giro-und Sparkontenbewegungen wurde die Verrechnung auf die MwSt. unddie Gewinnsteuer von 58% auf 10% verringert; ferner wird bei denKonkurrenzfähigkeitsplänen die Verrechnung der Arbeitnehmerbeiträgezum Rentensystem bis zum 31.3.03 aufgehoben; dann wird die Verrin-gerung der Arbeitnehmerbeiträge von 11% auf 5% bei den Mitgliederndes staatlichen Systems aufgehoben (was indirekt den Übergang zumprivaten System fördert); und dann wird die Steuer auf Benzin undLösungsmittel von $ 0,38 auf $ 0,43 pro Liter erhöht, wobei jedoch dieteilweise Verrechnung der Steuer auf Dieseltreibstoff bei Landwirten

me selber einen unglaublichenSchaden zufügen und sich nach-folgend in eine autistische Wirt-schaft verschliessen, die denKontakt mit dem Ausland ab-lehnt. All das ist völlig überflüs-sig.

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ARGENTINISCHES TAGEBLATT 10Sonnabend, 22. Dezember 2001

und Transportunternehmen mit der MwSt. und der Gewinnsteuer ver-bleibt. Cavallo hatte bei seiner Rückkehr aus Washington, wo er mitdem IWF gesprochen hatte, erklärt, dass von den $ 7,5 bis $ 8 Mrd.,die seine Steuergeschenke ausmachten, Vergünstigungen und Kürzun-gen für $ 4,5 Mrd. wieder rückgängig gemacht würden. Dieser Betragkommt jedoch gewiss nicht mit den aufgeführten Massnahmen zusam-men.

Dennoch sollten die Steuereinnahmen zunehmen. Die aufgezwun-gene Verwendung von Bankkonten führt zunächst zu wesentlich höhe-ren Bruttoeinnahmen der Steuer auf Giro- und Sparkontenbewegun-gen; aber der Sinn war der, eine schärfere Steuerkontrolle zu erlauben.Im gleichen Sinn sollte sich die grosszügige Weisswaschungsmöglich-keit der Schwarzarbeit auswirken. Und dann sollte es Fortschritte beider Steuerkontrolle und -eintreibung geben. Offensichtlich wurde dieRechnung auf der Grundlage der Beibehaltung des Status quo des Am-tes für öffentliche Einnahmen (AFIP) aufgestellt, so dass die hohe Hin-

terziehung als Faktum hingenommen wird.Eine der letzten Initiativen von Cavallo, die jetzt eventuell versan-

det, bestand darin, schwebende Schulden an Lieferanten u.a. für $ 2Mrd. mit Bonds auf bis zu 10 Jahren zu konsolidieren. Diese Titelaus-gabe wird dann unter dem Strich geführt, also weder als Defizit von2001 und vorangehender Jahre, noch als solches für 2002 verbucht.Das ist eine übliche Form der kreativen Buchhaltung. Dieser Trickwürde den Druck auf die Ausgaben der ersten Monate 2002 verringernund die Erreichung des Nulldefizites erleichtern. Ausserdem würdedadurch viel unnütze Verwaltungsarbeit vermieden, die in der Hand-habung der Verfahren besteht, durch die die Gläubiger sich bemühen,zu ihrem Geld zu kommen, ebenso wie Zinsen und Gerichtskosten. Eshandelt sich im Grunde um Ausgaben, die sozusagen unter den Tep-pich gefegt werden. Das soll angeblich jetzt bereinigt werden. Wennnicht, dann entsteht ein zusätzliches Ausgabenproblem für 2002.