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ARMUT UND REICHTUM IM LÄNDLICHEN RAUM Poverty and Wealth in Rural Areas Dokumentation der 12. ÖGA-Jahrestagung an der Universität für Bodenkultur Wien 26. und 27. September 2002 Herausgegeben von Karlheinz Pistrich Oliver Meixner Hans Karl Wytrzens Leopold Kirner Facultas

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ARMUT UND REICHTUM IM

LÄNDLICHEN RAUM

Poverty and Wealth in Rural Areas

Dokumentation der 12. ÖGA-Jahrestagung

an der Universität für Bodenkultur Wien

26. und 27. September 2002

Herausgegeben von

Karlheinz Pistrich

Oliver Meixner

Hans Karl Wytrzens

Leopold Kirner

Facultas

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort V

Die Bedeutung des Finanzausgleichs für die Gemeinde-haushalte im ländlichen Raum Österreichs Wilfried SCHÖNBÄCK und Johann BRÖTHALER 1

Was hält die Gesellschaft des ländlichen Raums zusammen? What keeps rural societies together? Markus GLATZ-SCHMALLEGGER 29

Ursachen und Wirkungszusammenhänge der ländlichen Armut im Spannungsfeld des sozialen Wandels Causations and interrelations of rural poverty in the focus of social transition Georg WIESINGER 44

Kultureller Reichtum im ländlichen Raum: Zum Schutz historischer Ortsbilder in der Steiermark Cultural Riches in Rural Areas: the Preservation of Historic Centers in Styria/Austria Walter ZSILINCSAR 75

Arbeitsmarktsituation und Sozialpolitik in der Tschechischen Republik The Contemporary Social Policy in the Czech Republic in the Context of Labor Market Ivana FALTOVÁ LEITMANOVÁ 92

Lebensrealitäten von Frauen in ländlichen Regionen – zwischen Marginialisierung und lebbarer Vielfalt Life realities of rural women – between marginalization and diversity of life Theresia OEDL-WIESER 102

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Marginal farmers, agricultural practices, and rural poverty in Nepal Kleinbauern, landwirtschaftliche Praktiken und ländliche Armut in Nepal Manish TIWARY 121

Die Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion mittels Value-at-Risk und Extreme-Value-Theory Quantification of market risk in livestock production using Value-at-Risk and Extreme Value Theory Martin ODENING und Jan HINRICHS 147

Ertragsrisiko im Ackerbau – Nützen Versicherungen auf Basis des Regionalertrages? Yield Risk in Crop Farming – May Area-Yield Insurances Help? Gunnar BREUSTEDT 165

Rural Tourism as an Alternative Income Source for Rural Areas along the Hortobágy Der ländliche Tourismus als alternative Einkommensmöglichkeit auf dem Lande bei Hortobágy Bernadett SZABÓ 177

Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung im mittleren Wienerwald Julia NEUWIRTH und Marianne PENKER 191

Die Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unter-nehmen in der tschechisch-österreichischen Grenzregion vor dem EU-Beitritt The Cooperation of SMEs in the Czech-Austrian Boarderregion before the EU-Accession Dagmar BEDNAROVA 207

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III

Standardisierter Arbeitszeitbedarf in der österreichischen Landwirtschaft Standardised working time requirement of the Austrian agriculture Markus STADLER, Martin GREIMEL, Franz HANDLER und Emil BLUMAUER 217

Bio + Region = Bioregion? The concept of eco-regions in Austria Markus SCHERMER 229

Organic farming: An approach to make agriculture more sustainable? Ökologischer Landbau: Ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft? Ruth KRATOCHVIL 245

Forschungsmarketing und Wissenstransfer in der Kulturland-schaftsforschung – Ergebnisse einer Expertenbefragung Marketing for Scientific Results and Knowledge Transfer in the Cultural Landscape Research – Results of an Expert Survey Rainer HAAS und Oliver MEIXNER 261

On farm fruit processing – an alternative for improving income situation on Slovene fruit farms Obstverarbeitung am Bauernhof - eine Alternative zur Einkommensverbesserung bei Obstbauern Darja MAJKOVIČ, Črtomir ROZMAN und Jernej TURK 283

Chancen für die Vermarktung von Bio-Produkten aus dem ländlichen Raum – eine produktspezifische Verbraucheranalyse im Elbetal Opportunities for Organic Products from Rural Areas – a Product-specific Consumer Analysis in the Elbe-Valley (Germany) Antje WIRTHGEN 297

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IV

Auswirkungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement in der Ernährungswirtschaft Implementation of quality management and its effects in the food industry Siegfried PÖCHTRAGER 319

Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Milchviehbetriebe im Rahmen des International Farm Comparison Network (IFCN) Competitiveness of Austrian dairy farms within the framework of the International Farm Comparison Network (IFCN) Leopold KIRNER 337

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V

Vorwort

Die Österreichische Gesellschaft für Agrarökonomie hat für ihre Jahres-tagung 2002 „Armut und Reichtum im Ländlichen Raum“ als Kernge-genstand ihrer wissenschaftlichen Erörterungen gewählt. Das Aufgrei-fen dieses Generalthemas rückt zwei schon die längste Zeit weitgehend tabuisierte, im Grunde aber stets aktuelle und eng miteinander zu-sammenhängende Phänomene in den Blickpunkt. Sowohl Armut als auch Reichtum spricht man den herrschenden, informellen sozialen Konventionen zufolge in mitteleuropäischen Gesellschaften nicht offen an; ein Umstand, welcher eine Orientierung über die Faktenlage be-trächtlich erschwert, welcher ferner das Schwelen von verborgenen Konflikten begünstigt, und welcher schließlich gezielte politische Ges-taltung behindert. Aus dieser Konstellation erwächst für die Wirt-schaft- und Sozialwissenschaften eine besondere Herausforderung, Klarheit zu schaffen sowie fundierte Erkenntnisse über die verschiede-nen Dimensionen von Armut und Reichtum zu liefern. Mit anderen Worten, der laufende Bedarf nach einschlägigen Forschungsergebnis-sen resultiert daraus, dass Wirtschaft und Gesellschaft permanent mit Verteilungsfragen konfrontiert sind. Auf diese gilt es immer wieder neue Antworten zu finden, soll ein Eskalieren sozialer Spannungen verhindert werden. Die Polarisierung zwischen Arm und Reich bzw. die Disparitäten zwi-schen Agglomerationen und peripheren Räumen sowohl hinsichtlich materieller als auch ideeller Aspekte auszuleuchten, war Hauptziel jener Beiträge, die auf das Generalthema ausgerichtet waren. Der Bo-gen der im gegenständlichen Band dokumentierten Erörterungen spannt sich einerseits von der am individuellen Schicksal anknüpfen-den sozialwissenschaftlichen Analyse bis zur finanzwissenschaftlichen Untersuchung, welche an der Kommunalgebarung ansetzt. Anderer-seits gelten eigene Ausführungen sowohl den ideellen Fundamenten sowie der demographischen Situation als auch den Elementen kulturel-len Reichtums im ländlichen Raum. Der vorliegende Tagungsband enthält freilich noch eine Reihe weiterer, nicht am Generalthema orientierter Beiträge. Diese wurden im Rahmen des schon traditionellen, thematisch freien Forschungsforums

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VI

präsentiert. Sie sollen einen Überblick über das aktuelle agrarökonomische Forschungsgeschehen vermitteln. Dass eine so breite Umschau gelingen konnte, ist einer Reihe von Personen und Institutionen zu danken; zuallererst natürlich dem Engagement der Referenten und Autoren. Für die inhaltliche Konzeption der Tagung zeichneten Dr. Marianne Penker, Dipl.-Ing. Sophie Pfusterschmid, Dipl.-Ing. Karlheinz Pistrich, Dipl.-Ing. Theodor Quendler, Mag. Oliver Tamme, ao. Univ. Prof. Dr. Stefan Vogel sowie ao. Univ. Prof. Dr. Hans Karl Wytrzens verantwortlich. Für den rei-bungslosen organisatorischen Ablauf der Tagung sorgten Dr. Leopold Kirner, Dr. Marianne Penker und Dipl.-Ing. Karlheinz Pistrich. Die Universität für Bodenkultur unterstützte das Gelingen, indem sie die Veranstaltungsräume zur Verfügung stellte, die Österreichische Natio-nalbank, indem sie einen Kostenzuschuss leistete. Das Bundesministe-rium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat sich wiederum in besonderer Weise um die Publikation verdient ge-macht. Ihnen allen sei an dieser Stelle nochmals recht herzlich gedankt. Wien, 2004 Hans Karl Wytrzens (für die Herausgeber)

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Die Bedeutung des Finanzausgleichs für die

Gemeindehaushalte im ländlichen Raum Öster-

reichs

Wilfried SCHÖNBÄCK und Johann BRÖTHALER

1. Problemstellung

In diesem Beitrag wird untersucht, wie sich der Finanzausgleich auf die finanzielle Situation der Gemeinden im ländlichen Raum Öster-reichs auswirkt. Mit Hilfe des Indikators „Bevölkerungsdichte“ werden die etwa 2360 Gemeinden nach ihrer Zugehörigkeit zu drei unter-schiedlichen „Raumtypen“ klassifiziert: „überwiegend ländliche Gebie-te“, „moderat ländlich geprägte Gebiete“ sowie „überwiegend städti-sche Gebiete“. Darüber hinaus wird für jede Gemeinde eine zweite Zugehörigkeit identifiziert, jene zu sechs wirtschaftsstrukturell oder hinsichtlich ihrer Nähe zu Großstädten unterschiedenen „Regionsty-pen“: entwicklungsschwache oder strukturschwache Problemgebiete, Nicht-Problemgebiete ohne oder mit wirtschaftlich dominierendem Fremdenverkehr und Großstadt-Umgebungsregionen (Wien als sol-ches verbleibt als siebenter Regionstyp aufgrund seiner Sonderstellung im Finanzausgleich als Land und Gemeinde außerhalb der Betrach-tung). Dies erlaubt eine differenzierte Betrachtung des ländlichen Raumes und dessen Vergleich mit dem städtischen Raum. Für diese durch Bevölkerungsdichte definierten Raumtypen und die durch Wirtschaftsstruktur und Lage definierten Regionstypen werden die drei Hauptgrößen der Finanzmittelausstattung der sie konstituierenden Gemeinden für das Jahr 2001 empirisch ermittelt: die Einnahmen aus ausschließlichen Gemeindeabgaben, die Einnahmen aus Ertragsanteilen an gemeinschaftlichen Bundesabgaben sowie die intragovernmentalen Netto-Transfers der Gemeinden, jeweils pro Einwohner. Weiters wird der nach Abwicklung des Betriebshaushaltes verbleibende laufende Finanzierungsrahmen für investive Zwecke

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Schönbäck und Bröthaler

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(„freie Finanzspitze“), der wichtigste Indikator für die finanzielle Lage der Gemeindehaushalte, berechnet. Damit kann die räumlich unterschiedliche Bedeutung des Finanzausgleichs für die Gemeinden und die unterschiedenen Raum- bzw. Regionstypen dargestellt werden. Die Bedeutung der öffentlichen Finanzen insgesamt für den ländlichen Raum, d. h. insbesondere nach Einbeziehung der räumlichen Lastver-teilung bei der Abgabenerhebung sowie der Verteilung der Landes- und Bundesausgaben, die zum weitaus überwiegenden Teil nicht durch das Finanzausgleichsgesetz geregelt sind, bleibt außer Betracht.

2. Grundstruktur des österreichischen Finanzausgleichs

Der Finanzausgleich im weiteren Sinn umfasst die Aufteilung der Auf-gaben sowie der Besteuerungsrechte und des Abgabenertrags der Ge-bietskörperschaften. Der hier ausschließlich betrachtete Finanzaus-gleich im engeren Sinn umfasst a) die Aufteilung der Besteuerungsrechte (Abgabenhoheit) und des

Abgabenertrages (Ertragshoheit) auf die einzelnen Gebietskörper-schaften (primärer Finanzausgleich),

b) Kostentragungen und die sonstigen im Bundesgesetz über den Finanzausgleich geregelten Transferzahlungen zwischen Gebiets-körperschaften (sekundärer Finanzausgleich) sowie

c) alle weiteren, nach sonstigen bundes- oder landesgesetzlichen Bestimmungen geregelten intragovernmentalen Transfers (tertiärer Finanzausgleich).1

1 Als Finanzausgleich im engsten Sinn gelten alle Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes des Bundes, also ohne die Regelungen in anderen Bundes- und in Landesgesetzen.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

3

GBA

B GL

WKBB K W......... .........

.....

Vertikale Aufteilung

Länder Gemeinden

Horizontale Aufteilung

Horizontale

länderweise

und

gemeindeweise

Aufteilung

Primärer Finanzausgleich

Sekundärer Finanzausgleich

Tertiärer Finanzausgleich

Abb. 1: Überblick über den Finanzausgleich in Österreich Quelle: EIGENE DARSTELLUNG Grundlage des derzeit geltenden primären und sekundären Finanzausgleichs ist das Finanzausgleichsgesetz 2001 (FAG 2001). Der primäre Finanzausgleich sieht eine Gliederung der Abgaben nach der Art der Ertragshoheit vor: ausschließliche Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben (deren Erträge verbleiben zur Gänze bei der jeweils erhebenden Gebietskörperschaft) sowie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilte Abgaben (im Wesentlichen gemeinschaftliche Bundesabgaben). Die quantitative Bedeutung dieser hauptsächlichen Transaktionsarten zeigt Tab. 1. Bei allen Gebietskörperschaften haben die Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben (GBA) das größte Gewicht (von einigen Gemeinden mit extrem hohen ausschließlichen Gemeindeabgaben, insbesondere Spitzenorten des Fremdenverkehrs, abgesehen). Bei den Gemeinden rangieren an zweiter Stelle die

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Einnahmen aus ausschließlichen (eigenen) Abgaben. Bei den Ländern sind diese nahezu vernachlässigbar.

Tab. 1: Eigene Abgaben, Ertragsanteile und intragovernmentale (sekundäre und tertiäre) Transfers der Gebietskörperschaften im Rahmen des Finanzausgleichs in Österreich im Jahr 2001

in Mio. Euro Bund Länder (o. W.)

Wien Gemeinden

(o. W.) (1) Eigene Abgaben 9.388 199 889 2.159 (2) Ertragsanteile an GBA 33.257 5.579 3.041 4.595 (3) Sekundäre Transfereinnahmen - 1.228 521 718

(4) Tertiäre Transfereinnahmen 1) 248 5.641 1.272 406

(5) FA-interne Einnahmen insges. (5) = Summe (1) bis (4) 42.893 12.647 5.723 7.878 (6) Sonstige Einnahmen gem. VGR 56.648 8.846 1.724 4.474

(7) Gesamteinnahmen gem. VGR (7) = (5) + (6) 99.541 21.493 7.447 12.352

(8) Sekundäre Transferausgaben 2.192 - - 276

(9) Tertiäre Transferausgaben 2) 18.830 1.994 372 1.570

(10) Sekundäre Netto-Transfers (10) = (3) - (8) -2.192 1.228 521 443

(11) Tertiäre Netto-Transfers (11) = (4) - (9) -18.582 3.647 900 -1.164

(12) FA-interne Netto-Einnahmen insgesamt (12) = (5) - (8) - (9) 21.871 10.653 5.351 6.033

1) Intragovernmentale tertiäre Transfereinnahmen einschließlich Transfers von sonstigen öffentlichen Rechtsträger (Fonds, Gemeindeverbände, Sozialversicherungsträger, Kammern).

2) Intragovernmentale tertiäre Transferausgaben einschließlich Transfers an sonstige öffentliche Rechtsträger.

Quelle: STATISTIK AUSTRIA 2003; STATISTIK AUSTRIA 2002; GEMBON, 2003; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

5

-20.000

-10.000

0

10.000

20.000

30.000

40.000

Bund Länder (o. W.) Wien Gemeinden (o. W.)

in M

io. E

uro

Eigene Abgaben

Ertragsanteile an GBA

Sekundäre Netto-Transfers

Tertiäre Netto-Transfers

Abb. 2: Eigene Abgaben, Ertragsanteile und intragovernmentale (sekundäre und

tertiäre) Transfers der Gebietskörperschaften im Rahmen des Finanzausgleichs in Österreich im Jahr 2001

Quelle: STATISTIK AUSTRIA 2003; STATISTIK AUSTRIA 20024; GEMBON, 2003; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

Die sekundären Transfers netto und die tertiären Transfers netto des Bundes sind beide negativ (d. h. der Bund ist bei dieser Art von Transaktionen praktisch ausschließlich Zahler) und in Summe von größerem absoluten Gewicht als die ausschließlichen Abgaben. Die sekundären Transfers netto und die tertiären Transfers netto der Länder (ohne Wien) und Wiens sind jeweils positiv. Die sekundären Transfers der Gemeinden sind positiv, aber gering, die tertiären Transfers der Gemeinden sind negativ (die entsprechenden Mittel fließen hauptsächlich an die jeweiligen Bundesländer). Neben den drei genannten Arten der Finanzmittelausstattung, den „FA-internen Einnahmen insgesamt“, tätigen alle Gebietskörperschaften sehr gewichtige weitere Einnahmen (insbesondere Benützungsgebühren und Schuldaufnahmen), die zusammen mit den ersteren die Gesamteinnahmen ergeben. Diese weiteren Einnahmen sind aber nicht Gegenstand der vorliegenden Analyse.

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Schönbäck und Bröthaler

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Die Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben erfolgt in mehreren Stufen: zuerst vertikaler Finanzausgleich zwischen den Gebietskörperschaftsebenen (Bund, Länder insgesamt, Gemeinden insgesamt), dann horizontaler Finanzausgleich zwischen Ländern und zwischen Gemeinden. Dabei werden verschiedenartige Bestimmungsgrößen wirksam (Tab. 2): Eine wesentliche Rolle beim horizontalen Gemeindefinanzausgleich spielen die einfache und die mit steigender Volkszahl stufenweise zunehmend gewichtete Volkszahl der Gemeinden. Etwa 85 % der den Gemeinden zugeteilten Ertragsanteile werden danach verteilt. Weiters kommen fixe Schlüssel und das örtliche Aufkommen einzelner Abgaben als Aufteilungsfaktoren zur Anwendung. Sonstige Merkmale der mittelempfangenden öffentlichen Rechtsträger finden keine Anwendung.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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Tab. 2: Determinanten des primären Finanzausgleichs in Österreich und deren Wirkung im Jahr 2001

Verteilungsschritte und –schlüssel Mio. Euro Anteil in %

Vertikale Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (GBA, nach Abzug von Vorweganteilen)

45.340 100,0

Bund 32.134 70,9

Länder 7.029 15,5

Gemeinden (inkl. Bedarfszuweisungsmittel) 6.177 13,6

Länder: Horizontale Aufteilung der Länderertragsanteile 7.029 100,0

nach Volkszahl 5.647 80,3

nach örtlichem Aufkommen an GBA 147 2,1

nach fixierten Schlüsseln 1.235 17,6

Gemeinden: Horizontale Aufteilung der Gemeindeertragsanteile 6.177 100,0

Gemeinden: Länderweise Aufteilung

nach Volkszahl 830 13,4

nach gewichteter Volkszahl 3.455 55,9

nach örtlichem Aufkommen an GBA 437 7,1

nach fixierten Schlüsseln 1.454 23,5

Gemeinden: Gemeindeweise Aufteilung je Land

Abzug Bedarfszuweisungsmittel (Verteilung durch Land) 785 12,7

nach Finanzkraft/-bedarf (Vorausanteil) 137 2,2

nach einfacher Volkszahl 341 5,5

nach fixierten Schlüsseln 372 6,0

nach gewichteter Volkszahl (gemäß abgestuftem Bevölkerungsschlüssel)

4.542 73,5

Quelle: FAG 2001 in der im Jahr 2001 geltenden Fassung; SCHÖNBÄCK et al., 2002, S. 24 ; SIMFAG, 2002.

3. Ländlicher und städtischer Raum: Aggregation der Gemeinden nach unterschiedlicher Bevölkerungsdichte

Zur Definition des ländlichen Raumes Österreichs wird einerseits eine Raumtypisierung in überwiegend ländliche, moderat ländliche und überwiegend städtische Räume vorgenommen. Andererseits werden für den Zweck einer differenzierten Betrachtung des ländlichen Raumes die Gemeinden zusätzlich nach ihrer Wirtschaftsstruktur und Lage relativ zu Großstädten klassifiziert.

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3.1 Raumtypisierung gemäß Bevölkerungsdichte in den Gemeinden

Für die Zuordnung der Gemeinden zu den drei Raumtypen wird als Indikator die Bevölkerungsdichte (Einwohner pro Quadratkilometer) herangezogen. In Anlehnung an die von der OECD für diesen Zweck entwickelte Methode (siehe SAMMER et al., 2002 und SCHINDEGGER, 1999) wurde ein Schwellenwert je Gemeinde von 100 Einwohner/km2 festgelegt. Alle Gemeinden mit einem darunterliegenden Wert wurden als "ländliche" Gemeinde definiert. Die Gemeinden wurden in weiterer Folge zu politischen Bezirken zusammengefasst. Je nach dem Anteil der bezirksweise gruppierten („regionalen“) Bevölkerung, die in zuvor als ländlich klassifizierten Gemeinden lebt, werden schließlich drei Raumtypen unterschieden (Einwohneranteile siehe): • "überwiegend ländliche Gebiete" mit mehr als 50 % der

Bevölkerung in ländlichen Gemeinden (37 % bzw. 47 % der Bevölkerung),

• "moderat ländlich geprägte Gebiete" mit 15 bis 50 % der Bevölkerung in ländlichen Gemeinden (22 % bzw. 27 % der Bevölkerung) und

• "überwiegend städtische Gebiete" mit weniger als 15 % der Bevölkerung in ländlichen Gemeinden (rund 41 % der Bevölkerung Österreichs inkl. Wien bzw. 26 % ohne Wien leben in diesen Gebieten).

3.2 Wirtschaftsstrukturelle und lagemäßige Charakterisierung der Gemeinden relativ zu einer Großstadt („Regionstypen“)

Die zweite Zuordnung der Gemeinden, jene zu Regionstypen (ÖIR, 1991), erfolgt größtenteils im Rahmen ganzer politischer Bezirke, in einigen Fällen im Rahmen räumlich zusammenhängender „Bezirksteile“ (bestehende oder aufgelassene Gerichtsbezirke). Zuerst wird nach Problemgebieten und Nicht-Problemgebieten unterschieden. Die Problemgebiete werden danach unterschieden, ob sie durch wirtschaftliche Entwicklungsschwäche (vor allem hoher Agraranteil und niedriges Einkommensniveau) oder Strukturschwäche (hoher Anteil stagnierender oder schrumpfender gewerblich-industrieller Branchen) gekennzeichnet sind. Weiters werden die Gemeinden in

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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Nicht-Problemgebieten danach unterschieden, ob der Fremdenverkehr dominiert oder nicht. Schließlich werden von den Gemeinden in Nicht-Problemgebieten ohne Fremdenverkehr noch jene in der Umgebung von Großstädten (über 50.000 Einwohner) identifiziert. Dadurch wird überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum als Folge der Suburbanisierung lokalisiert. Demnach ergeben sich folgende sechs (sieben) Typen von Regionen: • entwicklungsschwache Problemgebiete, • strukturschwache Problemgebiete, • Nicht-Problemgebiete ohne wirtschaftlich dominierenden Fremden-

verkehr, • Nicht-Problemgebiete mit wirtschaftlich dominierendem

Fremdenverkehr, • Großstadt-Umgebungsregionen, • Großstädte mit über 50.000 EW ohne Wien sowie • (Wien). Diese zweifache Typisierung der Gemeinden erlaubt eine differenzierte Analyse der Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen (und städtischen) Raum.

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Tab. 3: Wohnbevölkerung in ländlichen bzw. städtischen Gebieten Österreichs gemäß Volkszählung 1991 und Veränderung gemäß Volkszählung 2001

Regionstypen Überwiegend

ländliche Gebiete Moderat ländlich geprägte Gebiete

Überwiegend städtische Gebiete

Insgesamt Veränderg VZ 2001

abs. % abs. % abs. % abs. % %

Entwicklungsschwache Problemgebiete 1.271.295 43,7 102.905 6,0 0 0,0 1.374.200 22,0 1,6

Strukturschwache Problemgebiete 414.160 14,2 436.105 25,6 23.920 1,5 874.185 14,0 -0,5

Nicht-Problemgebiete ohne dominierenden Fremdenverkehr

732.660 25,2 424.222 24,9 266.631 16,2 1.423.513 22,8 5,9

Nicht-Problemgebiete mit dominierendem Fremdenverkehr

241.993 8,3 165.253 9,7 0 0,0 407.246 6,5 8,5

Großstadt-Umgebungsregionen 247.946 8,5 573.926 33,7 405.303 24,6 1.227.175 19,6 9,9

Großstädte (ohne Wien) 0 0,0 0 0,0 949.619 57,7 949.619 15,2 -3,3

Gemeinden ohne Wien 2.908.054 100,0 1.702.411 100,0 1.645.473 100,0 6.255.938 100,0 3,6 Bevölkerungsanteil je Raumtyp 46,5 27,2 26,3 100,0

Wien 1.539.848 1.539.848 0,7

Gemeinden inkl. Wien 2.908.054 37,3 1.702.411 21,8 3.185.321 40,9 7.795.786 100,0 3,0

%-Veränderung gem. VZ 2001 3,5 6,1 0,9 3,0

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002 C, STATISTIK AUSTRIA, 2002 b; EIGENE

BERECHNUNGEN.

0

200.000

400.000

600.000

800.000

1.000.000

1.200.000

1.400.000

Überwieg. ländliche

Gebiete

Moderat ländlich

gepr. Gebiete

Überwieg. städtische

Gebiete

Ein

wo

hn

er g

em. V

Z 1

991

EP EntwicklungsschwacheProblemgebieteSP StrukturschwacheProblemgebieteOF Nicht-Problemgebiete ohneFremdenverkehrMF Nicht-Problemgebiete mitFremdenverkehrGU Großstadt-Umgebungsregionen

GR Großstädte (Gemeinden >50000 EW)

Abb. 3: Wohnbevölkerung in ländlichen bzw. städtischen Gebieten Österreichs

gemäß Volkszählung 1991 und Veränderung gemäß Volkszählung 2001 Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002 C, STATISTIK AUSTRIA, 2002 b; EIGENE

BERECHNUNGEN.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

11

4. Einnahmen aus dem Finanzausgleich und Aufstockungseffekte

Die „FA-internen Netto-Einnahmen der Gemeinden“ aus dem Finanzausgleich setzen sich zusammen aus den Einnahmen aus ausschließlichen Gemeindeabgaben, den Einnahmen aus Ertragsanteilen an gemeinschaftlichen Bundesabgaben sowie den intragovernmentalen Netto-Transfers der Gemeinden. Ihre empirische Ausprägung nach den dargelegten, an Hand der Bevölkerungsdichte bestimmten Raumtypen und der nach Wirtschaftsstruktur und Lage bestimmten Regionstypen zeigt die Bedeutung des Finanzausgleichs für diese Gebiete.

4.1 Eigene Abgaben der Gemeinden

Im Finanzausgleichsgesetz (§ 15 FAG 2001) ist festgelegt, welche Abgaben direkt von den Gemeinden eingehoben werden. Die bedeutendsten eigenen Abgaben der Gemeinden sind die Kommunalsteuer und die Grundsteuern, die zusammen im Jahr 2001 bei den Gemeinden ohne Wien im Durchschnitt rund 80 % der eigenen Abgaben ausmachten. Tab. 4: Eigene Abgaben *) der Gemeinden (ohne Wien) pro Einwohner in

Österreich im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen

Regionstypen

Überwiegend ländliche Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Moderat ländlich gepr.

Gebiete [Euro/Einwohner ]

Überwiegend städtische Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Gesamt [Euro/-Einwohn

er ]

EP Entwicklungsschwache Problemgebiete

224 249 - 226

SP Strukturschwache Problemgebiete

282 261 271 271

OF Nicht-Problemgebiete ohne dom. Fremdenverkehr

313 355 433 348

MF Nicht-Problemgebiete mit dom. Fremdenverkehr

408 422 - 414

GU Großstadt-Umgebungsregionen

268 326 436 350

GR Großstädte (ohne Wien) - - 545 545

Gemeinden ohne Wien 274 321 496 345

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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Schönbäck und Bröthaler

12

*) Eigene Abgaben der österreichischen Gemeinden (ohne Wien) inkl. Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und –anrainern und ohne Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen.

0

100

200

300

400

500

600

Überwieg. ländliche Gebiete Moderat ländlich gepr. Gebiete Überwieg. städtische Gebiete

Eu

ro p

ro E

inw

ohn

er

EP SP OF MF GU GR

Abb. 4: Eigene Abgaben der Gemeinden (ohne Wien) pro Einwohner in

Österreich im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN,

2003. Die hauptsächlichen Befunde gemäß Tab. 4 bzw. Abb. 4 sind: • Im Jahr 2001 lagen die Gemeindeeinnahmen aus eigenen Abgaben

pro Kopf in überwiegend ländlichen Gebieten bei 274 € pro EW, in den moderat ländlich geprägten Gebieten bei 321 € pro EW und in den überwiegend städtischen Gebieten bei 496 € pro EW. Das entspricht einem Verhältnis von 1 : 1,17 : 1,81.

• Großstädte (hier immer ohne deren Umgebungsgemeinden) sind Teil der städtischen Gebiete. Sie erzielten mit 545 € pro EW die höchsten Einnahmen aus eigenen Abgaben, doppelt so hoch wie jene in überwiegend ländlichen Gebieten bzw. 1,7-mal so hoch wie jene in moderat ländlich geprägten Gebieten.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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• Auch in Großstadt-Umgebungsregionen und in Nicht-Problem-gebieten ohne dominierenden Fremdenverkehr wiesen die städtischen Gemeinden mit 436 bzw. 433 € pro EW deutlich höhere Einnahmen aus eigenen Abgaben auf als ländliche Gemeinden, die nur rund 270 - 350 €/EW erzielten.

• In Nicht-Problemgebieten mit dominierendem Fremdenverkehr, die alle innerhalb der beiden Arten ländlicher Gebiete liegen, wurden mit 422 bzw. 408 € pro EW auch vergleichsweise hohe Einnahmen aus eigenen Abgaben erzielt.

• Das höhere Niveau der Einnahmen aus eigenen Abgaben der Gemeinden in den überwiegend städtischen Gebieten und speziell in den Großstädten (496 bzw. 545 € pro EW) als in den moderat ländlich geprägten und überwiegend ländlichen Gebieten (321 bzw. 274 € pro EW) wurzelt letztlich in der (hier nicht näher untersuchten) unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in diesen Gebieten, ihrerseits verursacht durch die notwendige räumliche Arbeitsteilung und Konzentration sowie Spezialisierung. Analoges gilt für überwiegend städtische Gebiete in Großstadt-Umgebungsregionen und in Nicht-Problemgebieten ohne dominierenden Fremdenverkehr.

• Bei den beiden Arten von Problemgebieten zeigt sich eine bemerkenswerte, wenn auch nicht unerwartete, Unterschiedlichkeit: In entwicklungsschwachen Problemgebieten, die zur Gänze außerhalb städtischer Gebiete liegen und vor allem durch überdurchschnittlich hohen Agraranteil und relativ niedriges Einkommensniveau gekennzeichnet sind, erzielten die Gemeinden in den bloß moderat ländlich geprägten Gebieten höhere Einnahmen aus eigenen Abgaben (249 € pro EW) als jene in überwiegend ländlichen Gebieten (224 € pro EW). In strukturschwachen Gebieten (das sind alte Industriegebiete mit geschrumpften früheren Leitbranchen) hingegen erzielten die Gemeinden in überwiegend ländlichen Gebieten etwas höhere Einnahmen aus eigenen Abgaben (282 € pro EW) als Gemeinden in moderat ländlich geprägten Gebieten (261 € pro EW) und auch als die Gemeinden in überwiegend städtischen Gebieten (271 € pro EW). Die Wirtschaft in den überwiegend ländlichen Gebieten

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Schönbäck und Bröthaler

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scheint in den entwicklungsschwachen Problemgebieten eine Bremswirkung auszuüben, in den strukturschwachen Gebieten hingegen eine Stabilisierungswirkung.

4.2 Ertragsanteile der Gemeinden an gemeinschaftlichen Bundesabgaben

Die nach vertikaler Aufteilung gemäß § 10 FAG 2001 auf die Gemeinden entfallenden Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben werden, wie erwähnt, in einem ersten Schritt horizontal auf die Länder aufgeteilt und in einem zweiten Schritt länderweise auf die einzelnen Gemeinden nach verschiedenen Schlüsseln aufgeteilt. Die den Gemeinden auf diese Weise zufließenden Ertragsanteile werden nachfolgend zusammengefasst nach Raum- bzw. Regionstypen dargestellt.

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

Überwieg. ländliche Gebiet e Moderat ländlich gepr. Gebiet e Überwieg. städtische Gebiete

Eu

ro p

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inw

ohn

er

EP SP OF MF GU GR

Abb. 5: Ertragsanteile in Euro pro Einwohner Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN,

2003.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

15

Tab. 5: Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben der Gemeinden (ohne Wien) und Aufstockungseffekt 1 in Österreich im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen

Regionstypen

Überwiegend ländliche Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Moderat ländlich gepr.

Gebiete [Euro/Einwohner ]

Überwiegend städtische Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Gesamt

[Euro/ Einwohn

er ]

EP Entwicklungsschwache Problemgebiete

543 545 - 544

SP Strukturschwache Problemgebiete

541 566 525 553

OF Nicht-Problemgebiete ohne dom. Fremdenverkehr

570 625 781 626

MF Nicht-Problemgebiete mit dom. Fremdenverkehr

659 626 - 645

GU Großstadt-Umgebungsregionen

548 588 644 599

GR Großstädte (ohne Wien) - - 933 933

Gemeinden ohne Wien 560 593 831 640

Regionstypen

Überwiegend ländliche Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Moderat ländlich gepr.

Gebiete [Euro/Einwohner ]

Überwiegend städtische Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Gesamt

[Euro/ Einwohn

er ]

(Ertragsanteile in % der eigenen Abgaben)

EP Entwicklungsschwache Problemgebiete

242,4 218,9 - 240,7

SP Strukturschwache Problemgebiete

191,8 216,9 193,7 204,1

OF Nicht-Problemgebiete ohne dom. Fremdenverkehr

182,1 176,1 180,4 179,9

MF Nicht-Problemgebiete mit dom. Fremdenverkehr

161,5 148,3 - 155,8

GU Großstadt-Umgebungsregionen

204,5 180,4 147,7 171,1

GR Großstädte (ohne Wien) - - 171,2 171,2

Gemeinden ohne Wien 204,4 184,7 167,5 185,5

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002a; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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Schönbäck und Bröthaler

16

0

50

100

150

200

250

Überwieg. ländlich e Gebiete Moderat ländlich gepr. Gebiet e Überwieg. st ädt isch e Gebiet e

in %

der

eig

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bga

ben

EP SP OF M F GU GR

Abb. 6: Aufstockungseffekt 1 in Prozent Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN,

2003. Die hauptsächlichen Befunde gemäß Tab.5 sind: • Die Ertragsanteile pro Kopf liegen in überwiegend ländlichen

Gebieten bei 560 € pro EW, in den moderat ländlich geprägten Gebieten bei 593 € pro EW, in den überwiegend städtischen Gebieten bei 831 € pro EW. Auf den ersten Blick erscheint es, als würden bei dieser Aufteilung der quantitativ bedeutendsten finanziellen Mittel der Gemeinden die städtischen Gebiete bevorzugt und die ländlichen Gebiete benachteiligt werden. Dieser Eindruck kann entstehen, wenn nur die Aufteilung als solche bei den empfangenden Gemeinden, nicht aber auch die Herkunft dieser Mittel betrachtet wird. Unter der Annahme, dass die finanzielle Last der Aufbringung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben regional ähnlich verteilt ist wie die Last bei der Aufbringung der eigenen Abgaben der Gemeinden, erweist sich die Aufteilung der Ertragsanteile als eine die regionale Ungleichheit verringernde Aufteilung. Denn das Verhältnis der Höhe der eigenen Abgaben in den drei Raumtypen beträgt 1 : 1,17 : 1,81, jenes der Höhe der Ertragsanteile jedoch 1 : 1,06 : 1,48. Letzteres zeigt also eine geringere Ungleichheit als das erstere. Dies impliziert eine Umverteilung zugunsten der ländlichen Gebiete. Der

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

17

Bundesgesetzgeber als Entscheidungsträger der Finanzausgleichspolitik macht sich bei dieser räumlichen Umverteilung den Umstand zu Nutze, dass die Aufteilung der Ertragsanteile in viel höherem Ausmaß durch politische Entscheidungen beeinflusst werden kann als in den ländlichen Gebieten ein höheres Abgabenaufkommen herbei zu führen.

• Weiters findet eine Umverteilung bei der (horizontalen) Aufteilung der Gemeindeertragsanteile vor allem dadurch statt, dass mit größerer Einwohnerzahl der Gemeinden die Gewichtung der Volkszahl der Gemeinden stufenweise erhöht wird (abgestufter Bevölkerungsschlüssel, ABS 2). Dies bewirkt, dass die großen Gemeinden mehr Ertragsanteile pro Einwohner erhalten als Gemeinden in den unteren Größenklassen. Die Zuteilung höherer Ertragsanteile an große Gemeinden gemäß dem ABS ist zum überwiegenden Teil gleichbedeutend mit einer Zuteilung höherer Ertragsanteile an Gemeinden in den „überwiegend städtischen Gebieten“ der vorliegenden Untersuchung: Großstädte erhielten Ertragsanteile in Höhe von 933 € pro EW. Aber auch innerhalb der Großstadt-Umgebungsregionen erhielten die Gemeinden in überwiegend städtischen Gebieten bedeutend höhere Ertragsanteile (644 € pro EW) als in moderat ländlich geprägten bzw. überwiegend ländlichen Gebieten (588 bzw. 548 € pro EW).

• Innerhalb der Nicht-Problemgebiete ohne Fremdenverkehr erhielten die überwiegend städtischen Gebiete ebenfalls – sogar noch stärker ausgeprägt - höhere Ertragsanteile (781 € pro EW) als moderat ländlich geprägte bzw. überwiegend ländliche Gebiete (625 bzw. 570 € pro EW). Dies gilt jedoch nicht für strukturschwache Problemgebiete, innerhalb derer überwiegend

2 Die gewichtete Volkszahl wird gemäß § 10 Abs. 9 FAG 2001 durch

Multiplikation der einfachen Volkszahl mit dem Vervielfacher des abgestuften Bevölkerungsschlüssels bestimmt: bei Gemeinden mit höchstens 10.000 Einwohnern (EW) 1 1/3, Gemeinden mit 10.001 bis 20.000 EW 1 2/3, Gemeinden mit 20.001 bis 50.000 EW und Statutarstädten bis 50.000 EW mit 2 sowie Gemeinden mit über 50.000 EW mit 2 1/3, wobei für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl ab einer Höhe von 10 % unter den Stufengrenzen Einschleifbereiche festgelegt sind.

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Schönbäck und Bröthaler

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städtische Gebiete sogar weniger Ertragsanteile (525 € pro EW) erhielten als die Gemeinden in den beiden ländlichen Raumtypen (566 bzw. 541 € pro EW). (Nicht-Problemgebiete mit dominierendem Fremdenverkehr ebenso wie entwicklungsschwache Problemgebiete enthalten keine überwiegend städtischen Gebiete).

• Welche Bedeutung die Ertragsanteile für die Gemeinden haben, zeigt sich, wenn sie als Prozentsatz der Einnahmen aus eigenen Abgaben ausgedrückt werden: Der dadurch gemessene „Aufstockungseffekt 1“ liegt bei den Gemeinden innerhalb der Gesamtheit beider Typen von Problemgebieten sowie bei überwiegend ländlichen Raumtypen innerhalb der Großstadt-Umgebungsgebiete bei rund 190 bis 240 %. Bei den sonstigen Raumtypen innerhalb der Großstadt-Umgebungsgebiete, den Nicht-Problemgebieten und den Großstädten beträgt er knapp 150 bis 180 %.

4.3 Intragovernmentale Netto-Transfers der Gemeinden

Die intragovernmentalen Transfers der Gemeinden umfassen alle intragovernmentalen Transferzahlungen zwischen Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern. Sie werden gegliedert in die im Rahmen des sekundären Finanzausgleichs stattfindenen Transfers (ausschließlich Transfereinnahmen der Gemeinden vom Bund und Transferausgaben an das Land in Form der Landesumlage) und im Rahmen des tertiären Finanzausgleichs stattfindenen Transfers (überwiegend Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden vom bzw. an das Land). Die intragovernmentalen Netto-Transfers sind die Summe all dieser sehr zahlreichen und funktionell äußerst unterschiedlichen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Tab. 6 und Abb. 7).

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

19

Tab. 6: Intragovernmentale Netto-Transfers der Gemeinden (ohne Wien) im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen

Regionstypen

Überwiegend ländliche Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Moderat ländlich gepr.

Gebiete [Euro/Einwohner ]

Überwiegend städtische Gebiete

[Euro/Einwohner ]

Gesamt [Euro

/ Einwohner

]

EP Entwicklungsschwache Problemgebiete

-6 -13 - -6

SP Strukturschwache Problemgebiete

-54 -80 -213 -

72

OF Nicht-Problemgebiete ohne dom. Fremdenverkehr

-151 -171 10 -

127

MF Nicht-Problemgebiete mit dom. Fremdenverkehr

-118 -52 - -

91

GU Großstadt-Umge-bungsregionen

-133 -100 -224 -

148

GR Großstädte (ohne Wien) - - -123

-12

3

Gemeinden ohne Wien -69 -103 -128

-94

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002a; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

-250

-200

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Überwieg. län dliche Gebiet e Moderat ländlich gepr . Gebiet e Überwieg. städt isch e Gebiet e

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EP SP OF MF GU GR

Abb. 7: Intragovernmentale Netto-Transfers der Gemeinden (ohne Wien) im

Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen Quelle: StATISTIK AUSTRIA, 2002a; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN,

2003.

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Schönbäck und Bröthaler

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Die hauptsächlichen Befunde gemäß Tab. 6 sind: • Die intragovernmentalen Netto-Transfers sind in den Gemeinden

aller drei Raumtypen im Durchschnitt negativ: In überwiegend ländlichen Gebieten betrugen sie durchschnittlich -69 € pro EW, in moderat ländlich geprägten Gebieten -103 €/EW und in überwiegend städtischen Gebieten -128 € pro EW. Im Rahmen des sekundären und tertiären Finanzausgleichs fließen also insgesamt netto Mittel der Gemeinden ab. Die Transfers der Gemeinden im Rahmen des sekundären Finanzausgleichs ergeben zwar geringfügige (positive) Netto-Einnahmen, aber die Transferausgaben im Rahmen des tertiären Finanzausgleichs überwiegen die sekundären Netto-Einnahmen und Transfereinnahmen im Rahmen des tertiären Finanzausgleichs um ein Mehrfaches (siehe Tab. 1).

• Der insgesamt geringere Mittelabfluss durch intragovernmentale Transfers bei Gemeinden in den beiden Kategorien der ländlichen Gebiete resultiert vorwiegend aus gezielter Förderung des ländlichen Raumes, vor allem durch die Länder (kann hier nicht im Detail belegt werden).

4.4 Aufstockungs- und Umverteilungseffekte

In Summe werden die eigenen Abgaben der Gemeinden durch Ertragsanteile und intragovernmentale Netto-Transfers in überwiegend ländlichen Gebieten von 274 € pro EW um 491 € pro EW auf 765 € pro EW aufgestockt. In moderat ländlich geprägten Gebieten werden sie von 321 € pro EW um 490 €auf 811 € pro EW, in überwiegend städtischen Gebieten von 496 € pro EW um 703 € pro EW auf 1.199 € pro EW aufgestockt (Tab. 7). Die absolute Aufstockung der Gemeindeeinnahmen aus eigenen Abgaben um die Ertragsanteile und Transfers bloß aus Sicht der empfangenden Gemeinden ist also in den überwiegend städtischen Gebieten größer als in den beiden ländlichen Gebietstypen.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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Tab. 7: Aufstockungseffekte des Finanzausgleichs im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen (und Regionstypen)

FA-Einnahmen (in Euro pro Einwohner) und

Aufstockungseffekte 2001 (in % der eigenen Abgaben)

Überwiegend ländliche Gebiete

Moderat ländlich gepr.

Gebiete

Überwiegend städtische Gebiete

Gesamt

Eigene Abgaben (Euro/EW) 274 321 496 345

Ertragsanteile (Euro/EW) 560 593 831 640

Aufstockungseffekt 1 (%) 204,4 184,7 167,5 185,5 Intragovernmentale Netto-Transfers (Euro/EW)

-69 -103 -128 -94

Aufstockungseffekt 2 (%) 179,2 152,6 141,7 158,3 Gesamteinnahmen aus dem Finanzausgleich

765 811 1.199 891

Quelle: StATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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EP SP OF M F GU GR

Abb. 8: Aufstockungseffekt 2, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen Quelle: StATISTIK AUSTRIA, 2002; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN,

2003. Wird alternativ dazu das Ausmaß der Veränderung der Ausgangssituation relativ zu dieser betrachtet, zeigt sich ein konträres Bild: Die eigenen Abgaben der Gemeinden werden durch die Ertragsanteile und Transfers in überwiegend ländlichen Gebieten um 179 %, in moderat ländlich geprägten Gebieten um 153 % und in überwiegend städtischen Gebieten um rund 142 % aufgestockt (siehe Tab. 7). Das relative Aufstockungsausmaß zeigt also eine Bevorzugung der beiden ländlichen gegenüber den städtischen Gebieten.

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Schönbäck und Bröthaler

22

Eine dritte mögliche Betrachtungsweise ist der Blick auf das abschließende Gesamtergebnis nach Aufteilung der finanziellen Mittel je Gebietstyp und der Vergleich mit der Ausgangssituation: Das Verhältnis zwischen den Einnahmen der Gemeinden aus eigenen Abgaben (als Ausgangsvariablen zu betrachten, siehe Kap. 4.1) in überwiegend ländlichen Gebieten zu jenen der Gemeinden in moderat ländlich geprägten Gebieten und zu jenen der Gemeinden in überwiegend städtischen Gebieten betrug 1 : 1,17 : 1,81. Nach Aufstockung der Einnahmen aus eigenen Abgaben durch die Ertragsanteile und intragovernmentalen Transfers (sie können als die beiden Instrumentenvariablen der Ausstattung mit finanziellen Mitteln angesehen werden) beträgt zwischen den entsprechenden Summen dieser drei Einnahmenarten je Gebietstyp (als Ergebnisvariablen betrachtbar) das analoge Verhältnis 1 : 1,06 : 1,57. Die originäre Ungleichheit zwischen „Stadt und Land“ auf Ebene der eigenen Gemeindeabgaben wird durch den Finanzausgleich also verringert. Alle drei Betrachtungsweisen sind insofern beschränkt, als sie lediglich die unterschiedliche Ergebnisse der regionalen Aufteilung der Finanzmittel aus gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Instrumentenvariablen) für sich genommen zeigen, aber die höchst relevante Frage nach der dieser Aufteilung inne wohnenden Umverteilung ausblenden. Diese Umverteilung kann nur identifiziert werden, wenn die Frage beantwortet wird, in welchen Gebieten die Mittel aufgebracht werden, die aufgeteilt werden 3. Die räumliche Verteilung der Aufbringung dieser Mittel durch die Abgabenpflichtigen ist bislang kaum erforscht. Jedoch ist die Annahme plausibel, dass sie der räumlichen Verteilung der eigenen Abgabeneinnahmen der Gemeinden (die mit der räumlichen Verteilung der Aufbringung dieser Mittel durch die Steuerpflichtigen praktisch identisch ist) viel mehr ähnelt als der Verteilung der Ertragsanteile. Es wird hier angenommen, dass die Aufbringung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben und der für die intragovernmentalen Transfers an Gemeinden erforderlichen

3 Erst dies wirft außerdem die allokationstheoretisch höchst relevante Frage nach

allfälligen Rückwirkungen dieser Umverteilung auf die Fähigkeit zur Aufbringung der aufzuteilenden Mittel auf.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

23

Finanzmittel in den drei Raumtypen proportional zu den Einnahmen der Gemeinden aus gemeindeeigenen Abgaben ist. Dies ist insofern plausibel, als sowohl die wichtigste gemeindeeigene Abgabe (die Kommunalsteuer) als auch die meisten gemeinschaftlichen Bundesabgaben einen direkten oder indirekten Zusammenhang zur Wirtschaftsleistung in den entsprechenden Regionen aufweisen. Unter dieser Annahme erhöht sich die Aussagekraft der Messgrößen, die im Rahmen der zweiten und dritten Betrachtungsweise verwendet werden, wesentlich: Es sind dann nämlich die Maße für die Veränderung der jeweiligen Ausgangssituation direkt proportional zum Ausmaß der Finanzmittel-Umverteilung, die der Aufteilung der Ertragsanteile und der Zuteilung der Transfers inne wohnen. Das heißt, bei der zweiten Betrachtungsweise ist die Differenz des Aufstockungseffekts 2 in einem Gebiet (z. B. überwiegend städtische Gebiete) im Vergleich zu dem in einem anderen Gebiet (z.B. überwiegend ländliche Gebiete) direkt proportional zur Umverteilung von Finanzmitteln durch Aufbringung der Mittel für die Ertragsanteile und Transfers und deren Aufteilung. Demnach sind die Gebiete mit dem höchsten Aufstockungseffekt 2 jene, die von der Umverteilung im Rahmen der Aufteilung der Ertragsanteile und intragovernmentalen Transfers am meisten profitieren, nämlich überwiegend ländliche und, etwas schwächer, moderat ländlich geprägte Gebiete.

5. Die freie Finanzspitze der Gemeinden

Der nach Abwicklung des Betriebshaushaltes der Gemeinden verbleibende laufende Finanzierungsrahmen für investive Zwecke („freie Finanzspitze“) ist der wichtigste Indikator für die finanzielle Lage eines Gemeindehaushalts. Er gibt an, wieviel durch die Gemeinde selbst erwirtschaftete Finanzmittel (d.h. ohne Investitionsbeteiligung und -förderungen durch Dritte und Fremdfinanzierung) nach Abwicklung des Betriebshaushalts und Schuldentilgung für investive Zwecke (d. h. Bildung von Sach- und Finanzkapital und Investitionsförderung) der Gemeinde verbleiben.

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Schönbäck und Bröthaler

24

Tab. 8: Freie Finanzspitze *) der Gemeinden (ohne Wien) in Österreich im Jahr 2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen

Regionstypen Überwiegend ländliche

Gebiete

Moderat ländlich gepr.

Gebiete

Überwiegend städtische Gebiete

Gesamt-Summe

EP Entwicklungsschwache Problemgebiete

112 107 - 111

SP Strukturschwache Problemgebiete

117 93 129 106

OF Nicht-Problemgebiete ohne dom. Fremdenverkehr

123 146 69 120

MF Nicht-Problemgebiete mit dom. Fremdenverkehr

162 97 - 136

GU Großstadt-Umgebungsregionen

99 169 182 159

GR Großstädte (ohne Wien) - - -50 -50

Gemeinden ohne Wien 118 133 29 99

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002a; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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EP SP O F M F G U G R

Abb. 9: Freie Finanzspitze *) der Gemeinden (ohne Wien) in Österreich im Jahr

2001, gegliedert nach Raumtypen und Regionstypen *) Freie Finanzspitze – Finanzierungsrahmen für investive Zwecke (Saldo der

laufenden Gebarung abzüglich Schuldentilgung).

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2002a; GEMBON, 2002; EIGENE BERECHNUNGEN, 2003.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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Die hauptsächlichen Befunde gemäß Tabelle8 und Abb. 9 sind: • Die Freie Finanzspitze der Gemeinden beträgt in überwiegend

ländlichen Gebieten 118 € pro EW, in moderat ländlich geprägten Gemeinden 133 € pro EW und in den überwiegend städtischen Gebieten 29 € pro EW. Demnach geht es den Gemeinden in den überwiegend städtischen Gebieten finanziell mit Abstand am schlechtesten.

• Der Befund über die vergleichsweise schlechte Finanzsituation der Gemeinden in den überwiegend städtischen Gebieten ist allerdings differenzierungsbedürftig: In den Großstadt-Umgebungsregionen zeigt die Freie Finanzspitze der Gemeinden in den überwiegend städtischen Gebieten mit über 180 € pro EW eine äußerst solide Finanzsituation. Die Freie Finanzspitze der Gemeinden in strukturschwachen Problemgebieten ist mit knapp 130 € pro EW überdurchschnittlich, jene in den Nicht-Problemgebieten ohne dominierenden Fremdenverkehr mit knapp 70 € pro EW unterdurchschnittlich. Hingegen sind die Großstädte die einzige Gebietstyp mit einem hohen negativen Wert der Freien Finanzspitze in Höhe von -50 € pro EW.

Nimmt man an, dass allfällige Verschwendungssucht, Korruption, Ineffizienz und anderer Arten des Staatsversagens regional etwa gleich verteilt sind, folgt daraus, dass die Großstädte als Zentren der Wertschöpfung durch die Umverteilung im Rahmen des Finanzausgleichs finanziell überbeansprucht werden – zugunsten sowohl der überwiegend städtischen Gebiete außerhalb der Großstädte als auch der moderat ländlich geprägten und der überwiegend ländlichen Gebiete einschließlich der Problemgebiete. Bei verschärfter internationaler Konkurrenz kann dies für die Großstädte bedrohlich werden.

6. Zusammenfassung

Die Bedeutung des Finanzausgleichs für die Gemeindehaushalte in überwiegend ländlichen Gebieten, in moderat ländlich geprägten Gebieten und in überwiegend städtischen Gebieten Österreichs im Jahr 2001 wird im Vergleich zueinander empirisch untersucht. Weiters wird diese Untersuchung für folgende Subregionen dieser Raumtypen

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Schönbäck und Bröthaler

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gesondert durchgeführt (falls jeweils vorhanden): entwicklungsschwache und strukturschwache Problemgebiete, Nicht-Problemgebiete ohne oder mit wirtschaftlich dominierendem Fremdenverkehr sowie Großstadt-Umgebungsregionen. Auf die Bedeutung des Bundes- und Landeshaushalts für diese Raumtypen wird nicht eingegangen. Die Gemeindeeinnahmen aus eigenen Abgaben pro Einwohner in den überwiegend ländlichen Gebieten lagen im Jahr 2001 bei 274 € pro EW. Das Verhältnis zwischen den Einnahmen der Gemeinden aus eigenen Abgaben in überwiegend ländlichen Gebieten zu jenen der Gemeinden in moderat ländlich geprägten Gebieten und zu jenen der Gemeinden in überwiegend städtischen Gebieten und schließlich zu jenen in Großstädten (ohne Wien) betrug 1 : 1,17 : 1,81 : 1,99. Es ist dies das Verhältnis zwischen den Einnahmen aus eigenen Abgaben als einer Art Ausgangsvariablen für die Wirkungsketten des Finanzausgleichs, die im Wesentlichen die privatwirtschaftliche Leistungskraft in den Gemeinden abbildet. Nach Aufstockung der Einnahmen aus eigenen Abgaben durch Ertragsanteile an gemeinschaftlichen Bundesabgaben und intragovernmentale Transfers (die als die beiden Gruppen der Instrumentenvariablen des Finanzausgleichs angesehen werden können) betrug die Summe der Einnahmen der Gemeinden in den überwiegend ländlichen Gebieten 765 € pro EW. Die entsprechenden Summen dieser drei Einnahmenarten je Gebietstyp (Ergebnisvariable) wiesen das Verhältnis 1 : 1,06 : 1,57 : 1,77 auf. Die originäre Ungleichheit zwischen Stadt und Land auf Ebene der Einnahmen aus eigenen Abgaben wird durch die Aufteilung der Ertragsanteile an gemeinschaftlichen Bundesabgaben und durch die Transaktionen des sekundären und tertiären Finanzausgleichs (intragovernmentale Transfers) also verringert. Diese Verteilungseffekte können mit gewissen Einschränkungen (wegen fehlender Daten über die regionale Verteilung des Aufkommens der Finanzmittel) als interregionale Umverteilungen insbesondere zu Lasten der Großstädte interpretiert werden.

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Bedeutung des Finanzausgleichs für den ländlichen Raum

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Literatur

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GEMBON (2002): Analyse- und Informationssystem zur Beurteilung der Bonität der österreichischen Gemeinden auf Basis der kommunalen Finanzstatistikdaten der Statistik Austria 1992-2001.

ÖSTERREICHISCHES INSTITUT FÜR RAUMPLANUNG (ÖIR) (1991): Das österreichische Raumordnungskonzept und regionalpolitische Anforderungen an öffentliche Haushalte. Endbericht. Wien: Eigenverlag.

SAMMER, G., MESCHIK, M., METH, M., WEBER, G., KOFLER, T. und WAGNER, H. (2002): MOVE - Mobilitäts- und Versorgungserfordernisse im strukturschwachen ländlichen Raum als Folge des Strukturwandels, 1. Zwischenbericht, Universität für Bodenkultur. Wien.

SCHINDEGGER, F. (1999): Raum, Planung, Politik - ein Handbuch zur Raumplanung in Österreich. Wien: Böhlau

SCHÖNBÄCK, W., BRÖTHALER, J. und SIEBER, L.(2002): Die Relevanz der Bevölkerungsentwicklung für den Finanzausgleich in Österreich. In: ROSSMANN, B. (Hrsg.) (2002): Finanzausgleich - Herausforderungen und Reformperspektiven. Wissenschaftliche Tagung der Arbeiterkammer Wien, Band 6. Wien: LexisNexis.

SIMFAG (2002): Simulationsmodell des österreichischen Finanzausgleichs, Version 3.2.

STATISTIK AUSTRIA (2002a): Kommunale Finanzstatistik 2001. Wien. STATISTIK AUSTRIA (2002b): Wohnbevölkerung gemäß Volkszählung vom 15. Mai

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1991 ISIS-Datenbank. Wien. STATISTIK AUSTRIA (2003): Gebarungsübersichten 2001, Wien: Eigenverlag.

Anschrift des Verfassers:

Wilfried Schönbäck

Johann Bröthaler

Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik Technische Universität Wien, Karlsgasse 11, A-1040 Wien

Email [email protected], Web http://www.ifip.tuwien.ac.at

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Was hält die Gesellschaft des ländlichen Raums

zusammen? What keeps rural societies together?

Markus GLATZ-SCHMALLEGGER

Zusammenfassung

Empirische Arbeiten zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaftswachstum auch soziale Integration erfordert. Wir erfahren heute, dass Desintegrationstendenzen durch Globalisierung oder Ambivalenzen sozialer Modernisierung radikalisiert werden. Zwei Indikatoren für „Integration“ werden hier untersucht: Gemeinsam geteilte Werte sowie Strukturen gesellschaftlicher Kooperation. Deshalb wird ein bestimmtes Konzept von Zivilgesellschaft diskutiert. Dieses muss Bindungen zwischen ressourcenstarken und –schwachen Gruppen anzielen. Und eine „Staat-Zivilgesellschafts-Synergie“, die als der entscheidende Faktor für nachhaltige Entwicklung identifiziert worden ist. Staatliche Stellen sollten als „Ermöglicher“ einer sozialorganisatorischen Reforminitiative im ländlichen Raum fungieren und sozial eingebettete lokale Ressourcen für Problemlösungen suchen. Der Wertekonsens ist aufgrund der Pluralisierung immer neu herzustellen. Konflikte haben integrierende Wirkung, wenn eine entsprechende Infrastruktur vorhanden ist. Mit einer Staats-Zivilgesellschafts-Synergie kann Heterogenität fruchtbar gemacht werden für eine der hochkomplexen Gesellschaft angemessene Problemlösung. Schlagworte: Integration, Werte, Zivilgesellschaft, Konflikt, Nachhaltigkeit

Summary

Empirical evidence shows that sustainable economic growth requires social integration. Nowadays we see that tendencies of disintegration are reinforced by globalisation and the ambivalence of social moderni-

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Markus Glatz-Schmallegger

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zation. Two indicators of integration are discussed here: Common values and structures of social co-operation, as to say: civil society. The concept of civil society must aim for “bridging social capital” and for a “state-civil society-synergy”, which has been identified as the crucial factor for sustainable development. “Corporate governance” therefore must facilitate a reform initiative in rural areas to acquire socially em-bedded conflict solutions. Common values have to be gained through creating infrastructure for conflict solution. A “state-civil society-synergy” can focus heterogeneity to solve the problems of our complex society. Keywords: integration, values, civil society, conflict, sustainability

1. Ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

Die Frage der Entwicklung des ländlichen Raums verlangt nach einem vielseitigen Ansatz. In der öffentlichen Debatte zu diesem Thema dominieren hingegen ökonomische Gesichtspunkte. Gegen eine derartige Einseitigkeit formuliert etwa SEN (2000, 156): „es besteht die Notwendigkeit, die Aufgabe der Regierungen so wie anderer politischer und sozialer Institutionen mit dem Mechanismus der Märkte in ein Gleichgewicht zu bringen“. Auch das Konzept der „umfassenden Entwicklungstheorie“ eines J. Wolfensohn von der Weltbank formuliert, dass jede Auffassung, die den Entwicklungsprozess von einem einzigen Punkt aus – etwa einer vorgängigen „Liberalisierung“ oder eines anderen übergreifenden Prozesses – vorantreiben möchte, abzulehnen sei. Dafür sprechen auch zentrale Aussagen der Katholischen Soziallehre (Sollicitudo rei socialis). Ihr zufolge soll die Wirtschaft nicht nur dem Ziel der wirtschaftlichen Effizienz (sachgerecht) entsprechend handeln, sondern gleichbedeutend sei es, menschengerecht und sozial gerecht zu wirtschaften. Zudem trifft der hier skizzierte generalisierte Ansatz die Frage des ländlichen Raums besser: Bei der einseitig ökonomisch angelegten Debatte geraten wichtige Aspekte ländlicher Entwicklung außer Sichtweite. Denn die Frage der Zukunft für den ländlichen Raum ist eingebettet in ein Generalthema, das alle angeht und verschiedene Politikbereiche umfasst: Welche Zukunft, welche Lebensqualität will

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Die Gesellschaft des ländlichen Raums

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unsere Gesellschaft? Wollen wir weiterhin die Vielfalt städtischer aber auch ländlicher Kulturen, eine Kleinräumigkeit und Vielfalt, die in der Geschichte Europas geradezu kennzeichnend geworden ist? Wollen wir an nachhaltigen Städten und Dörfern festhalten oder riskieren, dass sich Stadtkerne und ländliche Räume entleeren, und dass zwischen den Zentren lediglich durchraste und leblose Transitregionen übrig bleiben? Das einem neo-utilitaristischen Ökonomismus gegenläufige Konzept einer integrierten ökonomischen und sozialen Entwicklung ist in der ökonomischen Theorie selbst beheimatet (SEN, 2000 und STIGLITZ, 1998 ) und beeinflusste wesentlich den Human Development Index der UNO. Diesen Punkt zu vertiefen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Es sei aber darauf verwiesen, dass auch zahlreiche empirische Arbeiten (PUTNAM, 1993 und RODRIK, 1999) die These untermauern, dass ökonomische Nachhaltigkeit ebenso soziale Nachhaltigkeit und dass nachhaltiges Wirtschaften auch soziale Integration erfordert. Diese Grundannahme ist eine Voraussetzung für die folgenden Ausführungen. Die Frage „was hält die Gesellschaft zusammen?“ ist heute mindestens so aktuell wie in den Anfangszeiten der Soziologie. Dies thematisiert etwa Ralf Dahrendorf mit seiner Suche nach gesellschaftlichen „Ligaturen“. Diese Frage erhält neue Brisanz durch die Erfahrung, dass Tendenzen der Desintegration radikalisiert werden, etwa durch ökonomische Globalisierung, durch die Ambivalenzen sozialer Modernisierung oder durch unübersichtliche Folgen von Differenzierung und Individualisierung. Diese Entwicklung lässt sich nicht für den ländlichen Raum auf räumlicher Distanz halten. Die Vorstellung eines Karl Marx, der ländliche Raum werde im Verlauf der Geschichte ganz durch die Industriegesellschaft transformiert, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Er ist einerseits ein eigenständiger Raumtyp geblieben (natürlich in Interaktionen mit städtischen Zentren zu sehen), der nach wie vor mindestens drei gesamtgesellschaftliche Funktionen wahrnimmt: Die Erhaltung und Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen, Schaffung ökologischer aber auch sozialer Vielfalt sowie von Solidarität im Nahraum und Schaffung kultureller Werte.

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Markus Glatz-Schmallegger

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Aber der ländliche Raum ist gefährdet. Insbesondere durch eine bei politisch Verantwortlichen durchaus verbreitete Theorie der Entwicklung, die für den Vorteil im globalen Konkurrenzkampf einseitig auf das Zusammenschließen mehrerer Zentren in Form eines globalen Städtenetzes setzt. Mit dieser Theorie wird das „Land“ strukturell wegdefiniert – einschließlich der sozialen, kulturellen und ökologischen Voraussetzungen, die das Land für unser Wirtschaften bereitstellt. Angesichts dieser strukturellen Entwicklungen erhält die Frage „Was hält die Gesellschaft des ländlichen Raums zusammen?“ besondere Dringlichkeit.

2. Soziale Integration für nachhaltige Entwicklung

Der Begriff der sozialen Integration wird hier nicht reduziert auf Integration von Flüchtlingen, sondern der heutigen sozialwissenschaftlichen Debatte entsprechend als Bemühen um Integration der Gesamtgesellschaft verstanden (CASTELLS, 1997). Insbesondere zwei Indikatoren für „Integration“ werden in diesem Zusammenhang vertieft untersucht: Gemeinsam geteilte Werte sowie Strukturen gesellschaftlicher Kooperation gelten als wichtige Indizes für den Grad an Integration. Erstens: Eine gängige These ist, dass zu gesellschaftlicher Integration ein Mindestmass an geteilten Werten gehöre. Mit der Rede vom „Wertewandel“ wird oft eine Erosion dieser Wertebasis behauptet. Die entsprechende Forschung (KLAGES, 2001) referiert aber ein differenzierteres Bild. Zentral ist eher die Erfahrung der Pluralisierung von Werten. Es entstehen soziale Gruppen mit unterschiedlichen Wertkoalitionen und es findet eine Ausdifferenzierung in Milieus und verschiedene diese Milieus kennzeichnende Lebensstile (HRADIL, 1997) statt – eine Entwicklung, die sich auch zunehmend auf den ländlichen Raum auswirkt (vgl. HERRENKNECHT, 1992). Die objektive soziale Lage definiert eben nicht mehr allein, wie das eigene Leben subjektiv bewertet wird. Gesellschaftliche Gruppen unterscheiden sich auch durch den „Geschmack“ oder „Habitus“ (BOURDIEU, 1982), mit dem sie ihre Kapitalressourcen bewerten. Die Position in der Gesellschaft ergibt sich nicht mehr allein aus ökonomischem Kapital, sondern auch aus sozialem und kulturellem

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Die Gesellschaft des ländlichen Raums

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Kapital. Es findet also eine gewisse Entkoppelung von objektiver Lage und subjektivem Leben (HRADIL, 1997) statt. Ein weiterer zentraler Befund der Werteforschung: Richtig ist, dass Selbstentfaltungswerte an Bedeutung gewonnen haben im Gegensatz zu altruistischen oder Pflicht-Werten. Sieht man genauer hin, so zeigt sich, dass eine große Gruppe von Menschen sich aber weiterhin in Anliegen des Gemeinwesens engagieren will. Sie wollen sich damit zugleich selbst entwickeln und ihr Leben durch das Engagement bereichert wissen. Altruismus kann deshalb nicht gegen Selbstentfaltungsinteressen ausgespielt werden. Die Ergebnisse der Werteforschung sind nicht so zu interpretieren, dass sich unsere Gesellschaft vermeintlich selbstbewusster Individuen auflösen müsse, weil eine am Anderen uninteressierte „Vollkasko-Mentalität“ vorherrsche. Vielmehr ist heute ein Mit-Gestaltungswille verbreitet, in dem sowohl Altruismus als auch Selbstentfaltung beheimatet sind. Die neue Vielfalt von Werten, Lebensstilen und Milieus muss aber aufeinander bezogen werden. Gerade wenn es um Fragen der Verteilung gesellschaftlicher Güter geht, der „common goods“, die von allen genutzt werden. So wird durch die Pluralisierung von Werten auch die Frage nach Strukturen gesellschaftlicher Kooperation – also dem zweiten Indikator für Integration – verschärft. Wie können gesellschaftliche Konflikte um gemeinsame Güter und im Sinne des Gemeinwohls bearbeitet werden? WIESINGER (2000) arbeitet sehr klar heraus, dass Armut in Österreich in spezieller und beunruhigender Weise den ländlichen Raum trifft 1. Objektive Ungleichheiten wirken neben Veränderungen in der subjektiven Verarbeitung sozialer Konflikte also auch am Land weiter. Die Frage lautet aber: Wo sind die Orte und Räume auf dem Land, in denen der soziale Konflikt um Armut mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung bearbeitet werden kann?

1 WIESINGER, 2001, 62.

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3. Die Bedeutung der Zivilgesellschaft

Die Literatur zu dieser Frage ist spärlich. In mehreren Arbeitskreisen zu Armut im ländlichen Raum wurde die häufige Dominanz einer einzelnen Partei in Landgemeinden neben einigen wenigen und vom Auftrag her eher „unpolitischen“ Organisationen (Musikvereine oder Feuerwehr) als zu dünne soziale und politische Infrastruktur beklagt. Oder es wurde die Dominanz einer Person oder eines einzelnen Unternehmens in Entscheidungsprozessen beklagt. Insgesamt wurde also der Mangel an Räumen zur Konfliktbearbeitung in Landgemeinden und Kleinstädten problematisiert. Aus dieser Erfahrung wird in der Folge das Konzept der Zivilgesellschaft eingeführt. Es gilt, Zivilgesellschaft als einen wichtigen Baustein für nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum zur Diskussion zu stellen. Freilich muss bei der Diskussion um Zivilgesellschaft im ländlichen Raum zunächst ein historisches Problem angesprochen werden: das Ideal der Zivilgesellschaft war historisch direkt verknüpft mit der städtischen „Bourgeoisie“ und entsprechenden sozialen Gruppen, deren individuellen und ökonomischen Freiheiten gegen einen absolutistischen Staat durch das Konzept der Zivilgesellschaft behauptet wurden. Diese Konnotation der Zivilgesellschaft mit der städtischen Bourgeoisie muss erst allmählich überwunden werden (KEANE, 2001). Dennoch liegen in diesem Konzept, so lautet die These dieses Beitrags, erstaunliche Potentiale für Entwicklung speziell im ländlichen Raum. Beim Konzept der "Zivilgesellschaft" geht es letztlich um die Humanisierung sozialer Beziehungen und um die zivile Bearbeitung sozialer Konflikte. Als Funktionen zivilgesellschaftlicher Initiativen für nachhaltige Entwicklung können insbesondere folgende benannt werden (GLATZ-SCHMALLEGGER, 2001 und NOTHELLE-WILDFEUER, 1999): • Eine problemsensitive Funktion: zivilgesellschaftliche Initiativen

machen auf konkrete Armutslagen aufmerksam und aktivieren Einzelne, sich in Anliegen des Gemeinwesens zu engagieren,

• Eine demonstrative Funktion: sie stellen Öffentlichkeit her für überindividuelle Armutsursachen, um den Konflikt einer Bearbeitung zuzuführen (gesellschaftliches Frühwarnsystem),

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• Eine problemlösende Funktion: durch ihre besondere Kenntnis der lebensweltlichen Situation armutsgefährdeter Menschen und durch ihren örtlichen und sozialen Bezug können sie sozial eingebettete Problemlösungen entwickeln helfen,

• Eine kontrollierende Funktion: sie können mitwirken, die Auswirkungen politischer Maßnahmen zu überprüfen.

4. Formen zivilgesellschaftlichen Handelns der Kirchen

Mangels empirischer Arbeiten zu diesem Thema in Österreich können hier Forschungsarbeiten nicht zitiert sondern nur angeregt werden. Ein Ziel wissenschaftlicher Arbeiten wäre eine Typologie, mit der städtische von ländlichen Ausprägungs-Formen der Zivilgesellschaft unterschieden werden könnten. Für die Konkretisierung bisheriger Aussagen wird keine Typologie verwendet, sondern ein Beispiel für zivilgesellschaftliches Handeln gewählt, das Relevanz für den ländlichen Raum besitzt 2. In dieser Arbeit wurden zivilgesellschaftliche Einrichtungen der Kirchen in Österreich empirisch untersucht und es wurde eine Typologie erstellt, die die Fülle verschiedener Organisationsformen kirchlich-zivilgesellschaftlicher Initiativen verdeutlichen kann. Diese können anschaulich machen, wie die oben dargestellten zivilgesellschaftlichen Funktionen für Entwicklung auch im ländlichen Raum aussehen können. Relevant für den ländlichen Raum sind sie insofern, als gerade die Kirchen, in Österreich insbesondere die katholische Kirche, nicht zuletzt durch die Pfarreien und Wohlfahrtsverbände über eine bedeutende Infrastruktur im ländlichen Raum verfügen. Es lohnt sich daher, auf ihre Handlungsformen genauer zu schauen:

2 Es wird in den folgenden Ausführungen GLATZ-SCHMALLEGGER (2001)

zugrundegelegt.

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3

Die Typen im Überblick

TeamstrukturHierarch. Aufbau , Fre iräume durch Vernetzung

Hierarchischer Aufbau

pro fess. Geschäftsfü h-rung

E inbindung in Kirche

Hierarchischer Aufbau

Flacher u nd flexibler Aufbau

Mitglieder-finanzier t

Finanziert vo n Kirchenleitung, Kapitalanlagen

Finanziert von Kirchenleitung

Abhängig von öff entl. Stellen plus Finanzmanage-ment

Stark von öff entlichen Stellen abhängig

Finanziell unabhängig und prekär

Gemeinwe-senarbe it (Bezirk, Hausgemeinschaf t)

Finanzielle Unterstützung fü r So zialprojekte

Gru ndlagenarbeit u nd innerkirchlich-es Lo bbying

Viele Leistungsar-ten ko mbiniert

Beschränkt auf E inzelfa llhilfen

Konflikte öffentlich inszenieren

Com-munity

Stif-tung

Thinktank

M ultiServicestelle

Assozia-tion

Abb. 1: Typen kirchlich-zivilgesellschaftlichen Handelns nach Leistungsarten

Es finden sich also auch in den Kirchen neue, im engen Sinn zivilgesellschaftliche Organisationsformen. Als Assoziationen inszenieren sie soziale Konflikte pointiert und finanziell unabhängig und bringen sie auf die Agenda der öffentlichen Debatten. Als Servicestelle agieren sie am Markt der Dienstleister in der Einzelfallhilfe eher weniger „politisch“. Als „Community-Typ“ wirken sie in Gemeinwesen, zum Beispiel in einem Bezirk oder einem Integrationshaus, in dem Angehörige der Mittelschicht und Angehörige von Randgruppen zusammenleben. Als Multi-Typ versuchen sie mithilfe einer professionellen Geschäftsführung mehrere Leistungsarten zu kombinieren, sowohl Dienste zu leisten, als auch politisch zu argumentieren. Als Think tank versuchen sie Grundlagenreflexion zu organisieren, die in konkrete Problemlösungen Eingang finden kann. Strukturelle Armutsbekämpfung ist ein finanziell schwach ausgestattetes Feld. Stiftungen legen daher Geld am Kapitalmarkt an und helfen konkreten Sozialprojekten bei der Startfinanzierung. Die Kirchen ebenso wie andere zivilgesellschaftliche Organisationen agieren damit in einer Sphäre zwischen Einzelnen, Staat und Markt. Zivilgesellschaft wird so auf einer ersten, abstrakten Ebene auch als „intermediäre Instanz“ beschreibbar: Gleichzeitig sind sie deshalb

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nicht „unpolitisch“ oder außerhalb des Marktes (ANHEIER, 1998). Diesen Zwischenraum charakterisieren vielmehr geradezu seine vielfachen Interaktionen mit Einzelnen, Staat und Markt.

M ag. M arkus G la tz-Schm allegger, K a th. S oz ia lakademie Ö ste rre ichs

kirchliche Nonprofitorganisationen:

Anliegen des Gemeinwesens und öffentlich

Markt

Staat

E in ze ln e

K irchen als interm ediäre Instanzen

Abb. 2: Kirchen als intermediäre Instanzen.

Die untersuchten zivilgesellschaftlichen Organisationen aktivieren Einzelne für Engagement in Anliegen des politischen Gemeinwesens. Sie artikulieren Forderungen für politische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung gegenüber staatlichen Stellen. Sie müssen als Anbieter von Dienstleistungen oder auch im Gegenüber zu konkurrierenden gut organisierten Interessen Marktmechanismen beachten, um ihr Handeln auf Dauer halten zu können, ohne wirtschaftlichen Zwängen zu erliegen. Dies um nur einige der vielen Interaktionen der zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Einzelnen, Markt und Staat zu skizzieren.

5. Gruppenübergreifende Bindungen

Gefragt werden muss aber auf einer zweiten, konkreteren Ebene sehr genau, was unter der als Modebegriff oft unscharf verwendeten „Zivilgesellschaft“ genau verstanden wird. Zentral ist: Es darf nicht nur viel „Sozialkapital“ innerhalb einzelner Gruppen angezielt werden

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("bonding capital" entsprechend dem Putnam-Modell das auf Ingroups abzielt), sondern es muss insbesondere auf "bridging capital" geachtet werden, also auf gruppenübergreifende Bindungen (GRANOVETTER und

1992; NARAYAN, 1999) zwischen ressourcenstarken und schwachen Gruppen. Sonst wird das Ziel der nachhaltigen sozialen Kohäsion nicht erreicht, Konflikte zwischen starken und schwachen Gruppen wirken latent weiter. Solche gruppenübergreifenden Bindungen sind auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil in modernen liberalen Demokratien im Unterschied zur Säulengesellschaft vergangener Tage ein Minimum an Vertrauen zu anderen als der eigenen Gruppe essenziell ist. Zurück zum Beispiel der kirchlich-zivilgesellschaftlichen Einrich-tungen: Gerade in diesem Feld scheinen Kirchen strukturell geeignet. Ihre Mitglieder sind nicht a priori nach Herkunft oder Schicht strukturiert, sondern können aus den verschiedensten Gruppen kommen. Gruppenübergreifende Bindungen sind daher möglich. Zudem sehen sich Kirchen nach ihren sozialen Traditionen in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie betreiben nicht nur die Vertretung ihrer eigenen Interessen, sondern sollten gruppenübergreifende Bindungen aus ihrer „Option für die Armen“ (ROTTLÄNDER, 1993) oder ihrer Verantwortung für die Menschenrechte heraus aktiv gestalten. Freilich ist hier großer Handlungsbedarf festzustellen. Das Bewusstsein dieser zivilgesellschaftlichen Funktionen scheint in den Kirchen nicht sehr ausgeprägt und oft wird beispielsweise geklagt, dass „Arme“ im Leben der Gemeinden oder kirchlichen Organisationen nicht vorkommen. Es herrscht in den Kirchen mancherorts eine Komm-her-Mentalität vor, anstatt neue Geh-hin-Strukturen aufzubauen, die konkreten Lebenswelten verschiedener Gruppen selbst aufzusuchen. Das ändert nichts an der Vielfalt unterschiedlicher Aktionsformen und Anstrengungen der Kirchen in diesem Feld und am grundsätzlichen Potenzial, das den Kirchen für die Schaffung gruppenübergreifender Bindungen zukommt: „Zivilgesellschaftliche“ Potentiale der Kirchen • Lebensweltliches Wissen organisieren: durch ihren Kontakt mit

Betroffenen wissen solche Organisationen, die mit den von Armut

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Betroffenen Armut um die konkreten Notlagen und die Gesichter von Armut. Dieses lebensweltliche Wissen ist von Bedeutung für Problemlösungen.

• Sprachrohre in Öffentlichkeit und Politik für Anliegen Benachteiligter schaffen: Kirchen haben solche Sprachrohre und Know how im Umgang mit Medien. Sie können diese Ressourcen für die Anliegen Benachteiligter einsetzen.

• Foren für ethische Debatten bilden: Öffentliche Debatten wie die um die Zukunft des Sozialstaats gehören durch ethische Aspekte angereichert. Es genügt nicht, auf scheinbare „Sachzwänge“ zu reagieren, sondern in politischen Konzepten gehört auch bspw. die Frage diskutiert, wie wir als Gesellschaft leben wollen und was die Würde der Menschen verlangt.

• „Dichte“ Begründungen für Engagement: Aus Schrift und Tradition haben die Kirchen soziale Wirklichkeit gemeinschaftlich interpretieren gelernt.

• Nicht-monetäre Motivation vieler Mitglieder: Diese Motivationskraft ist sichtbar in einer Großzahl ehrenamtlich Engagierter. Die Kirchen haben aus ihrer Interpretation der Wirklichkeit Aufträge zum Handeln ihrer Mitglieder abgeleitet, ohne dass finanzielle Anreize zum Engagement vonnöten wären.

6. Staats-Zivilgesellschafts-Synergie

Weiters halte ich ein Konzept für wichtig, das Zivilgesellschaft in ihrem Verhältnis und ihren Interaktionen mit lokalen und zentralen staatlichen Institutionen reflektiert (vgl. ANHEIER, 1998). Dieses Verhältnis kann mit NARAYAN (1999) entweder als eines der Komplementarität zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen beschrieben werden oder als eines der Substitution. Im ersten Falle gibt es Strukturen der Zusammenarbeit, in denen die Potentiale beider Seiten optimal genutzt werden. Im zweiten Falle werden zivilgesellschaftliche Einrichtungen etwa im Sozialbereich überfordert, weil sie ohne entsprechende Ausstattung Leistungen erbringen müssen, die eigentlich staatliche Aufgaben sind. Auf diese Art können die strukturellen Probleme nicht nachhaltig gelöst werden.

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Crook (2001, 5) etwa spricht von einem „Janus-Gesicht“ der Zivilgesellschaft: Die Dichte und Vielfalt zivilgesellschaftlicher Gruppen spiegelt nicht nur plurale Machtquellen wider sondern auch die gesellschaftliche Ungleichheit. Die Zivilgesellschaft ist ein sehr heterogenes Gebilde unterschiedlich stark mit Ressourcen ausgestatteter Interessenvertretungen. Es gibt keine Verfahren des Ausgleichs zwischen starken und schwachen Gruppen und keine politische Legitimation im Unterschied zum formalen politischen System. Es gibt in der Zivilgesellschaft kein eingeschriebenes Gesetz einer Tendenz zum Equilibrium, der Konflikt ist vielmehr hier eingeschrieben! Jedes demokratische System befindet sich in der dauernden Spannung zwischen formaler Gleichheit der politischen Sphäre und der aktuellen Ungleichheit der Gesellschaft. Die Mobilisierung der zivilgesellschaft-lichen Organisationen kann daher die Macht von Gruppen mit hohem Status fördern und die Polarisierung entlang der gesellschaftlichen Konflikte noch verstärken. Dieses Janus-Gesicht der Zivilgesellschaft ist immer mitzubedenken. Empirische Arbeiten der Vertreter einer Konzeption von Zivilgesellschaft, die dieser Forderung nachzukommen versucht (CROOK, 2001; HARRISS, 2000 und EVANS, 1995) zeigen, dass im Vergleich mehrer Länder als der entscheidende Faktor für nachhaltige Entwicklung eine „Staat-Zivilgesellschafts-Synergie“ identifiziert worden ist. Lokale Gruppen brauchen ein über sie hinausgehendes Netz aus Werten und Interaktionen, Verbindungen mit externen Institutionen und Gruppen. Eine Konsequenz für uns in Österreich ist das Bemühen um reflexive und responsible staatliche Strukturen. Sie sollten um die unverzichtbaren Potentiale und Funktionen zivilgesellschaftlicher Einrichtungen wissen, wie sei oben dargelegt wurden. Staatliche Stellen sollten diese Potentiale nutzen und Kontakte suchen. Die jeweils eigenen Potentiale sollten durch eine reflektierte Zusammenarbeit genutzt werden. Dies zeigt auch der in dieser Hinsicht beispielhafte langjährige Prozess zur Förderung „bürgerschaftlichen Engagements“ des Landes Baden-Württemberg auf. In diesem Prozess werden Erfahrungen im Dialog zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Initiativen

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wissenschaftlich reflektiert 3. Es werden aber auch konkrete Projekte für derartige responsible staatliche Strukturen sowie Kooperationsformen mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen umgesetzt. Allerdings werden hier spezielle Gegebenheiten des ländlichen Raums kaum berücksichtigt. Eine weitere Konsequenz ist, dass sich staatliche Stellen in Österreich als „Ermöglicher“ und „Förderer“ einer sozialorganisatorischen Reform-initiative im ländlichen Raum weiter bemühen müssen. Zivilgesellschaft-liche Einrichtungen sollen unterstützt werden, ihre sozial eingebetteten und lokalen Ressourcen zu mobilisieren und wirklichkeitsnahe Lösungen anzustoßen. Der Begriff der „Staats-Zivilgesellschafts-Synergie“ bringt anhand empirischer Erfahrungen zum Ausdruck, was auch die Verschränkung von Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Katholischen Soziallehre meint. Für die Zuordnung der drei Ebenen der Solidarität – Einzelne, Gemeinschaft/Zivilgesellschaft, Staat – im Lichte des Gemeinwohls gilt prinzipiell auch, dass die übergeordnete Ebene der je untergeordneten dienen soll. Das wird überall dort übersehen, wo die beliebte Rede von der Subsidiarität oder Bürgergesellschaft als Hauptziel eine Abschlankung des Staates verfolgt.

7. Werte im Konflikt

Integrationswissenschafter betrachten den Konflikt als wichtigen gesellschaftlichen Modus angesichts der komplexen Lebenswirklichkeit (SANDER und HEITMEYER, 1997). Auch aus diesem Grund ist Zivilgesellschaft wichtig, weil in ihr der Umgang mit Konflikten durch Einzelne erprobt werden kann. Der Wertekonsens als Grundlage für Integration und soziale Kohäsion und damit als Grundlage für ökonomische Nachhaltigkeit ist aufgrund der Pluralisierung von Werten immer wieder neu herzustellen. Konflikte haben aber eine integrierende Wirkung, wenn eine entsprechende Infrastruktur vorhanden ist, wie auch ein Fundus an allgemein akzeptierten Regeln zu ihrer fairen Austragung. Diese Regeln werden wiederum im Zuge der Konfliktbearbeitung internalisiert. Im Rahmen

3 Siehe SOZIALMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (HRSG.), Schriftenreihe

Bürgerschaftliches Engagement, Stuttgart.

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einer Staats-Zivilgesellschafts-Synergie kann Heterogenität fruchtbar gemacht werden für eine gemeinsame und einer modernen hochkomplexen Gesellschaft angemessene Problemlösung. Es braucht Orte und Verfahren ziviler Konfliktbearbeitung. In diesen Konflikten entstehen und verfestigen sich Werte. Gefragt für Integration ist heute eine neue zivilgesellschaftliche Beweglichkeit. Leider gibt es zu zivilgesellschaftlichem Handeln für den ländlichen Raum und für nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums speziell noch keine empirischen Arbeiten für Österreich. Daher soll am Ende der Ausführungen noch einmal die Anregung stehen, die Forschung in diesem Feld zu aktivieren und nach Möglichkeit eigene Ressourcen für diese Fragestellung und eine entsprechende Praxis einzusetzen.

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Markus Glatz-Schmallegger

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Anschrift des Verfassers:

Mag. Markus Glatz-Schmallegger

Katholische Sozialakademie Österreichs

Schottenring 35 DG, 1010 Wien

Tel.: 0043/1/3105158, Fax: 0043/1/3106828

e-mail: [email protected].

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Ursachen und Wirkungszusammenhänge der

ländlichen Armut im Spannungsfeld des

sozialen Wandels

Causations and interrelations of rural poverty in the focus of social

transition

Georg WIESINGER

Zusammenfassung

Wodurch unterscheidet sich eigentlich ländliche Armut von städtischer Armut? Vielfach wird ins Treffen geführt, dass der ländliche Raum keine besondere Forschungskategorie darstelle, an welcher sich Armut festmachen ließe, denn am Land gäbe es Alters-, Frauen- und Kinderarmut etc. in gleichem Maße wie in der Stadt. Der ländliche Raum wäre eine horizontale Definitionseinheit für Armut und ländliche Armut daher eine Querschnittmaterie. Es ist zwar richtig, dass die einzelnen Kategorien von Armut sowohl am Land als auch in der Stadt anzutreffen sind, ihre konkreten Wirkungen, Folgen, Ursachen und Ausprägung sind jedoch oft sehr unterschiedlich. Viele armutsverursachende Faktoren spielen überwiegend oder ausschließlich in ländlichen Regionen eine Rolle.

Summary

Are there any differences between rural and urban poverty and social exclusion in terms of severity, causes, structure etc? Many social scien-tists argue that rural area does not appear to be an appropriate category to analyse poverty issues because there is incidence of poverty and social exclusion both in rural and urban regions. Elderly people, children or women can be poor in the same way all over the country. Anyway, it is obvious that reasons, results, manner and structure of poverty and social exclusion are different according to geographic regions and strongly rely on specific circumstances as well as particular social and livelihood pat-

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terns. To analyse these specific patterns of rural areas was the main ob-jective of this research project.

1. Einleitung

In Österreich lässt sich wie in allen entwickelten Industriestaaten ein rasanter sozialer und ökonomischer Wandel in den ländlichen Regionen feststellen. Ursächlich verbunden ist dies mit globalen Entwicklungen, aber auch nationalen und gesamtgesellschaftlichen Prozessen. Die Regional-, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben in diesem Zusammenhang ebenso eine Bedeutung wie reine agrarpolitische Maßnahmen. Darüber hinaus manifestieren sich gesellschaftliche Entwicklungen, die weit über die direkten politischen Einflusssphären hinausreichen, wie Prozesse des Wertewandels, Veränderung der Lebensstile etc. Die Gesellschaft allgemein zeigt sich immer fragmentierter: Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen sind Kennzeichen aller postmodernen Dienstleistungsgesellschaften. Traditionelle Solidargemeinschaften und soziale Sicherungsnetze werden brüchig. Diese Entwicklung greift mittlerweile auch in den peripheren ländlichen Regionen und benachteiligten Gebieten mit den unterschiedlichsten ökonomischen, sozialen und kulturellen Folgen. Es kommt zur Auflösung der Großfamilien und traditioneller Bindungen, gleichzeitig entstehen aber auch neue soziale Systeme mit neuen Orientierungen und Präferenzen. Aber nicht nur der soziale Rahmen im ländlichen Raum verändert sich sondern auch die Bedeutung der einzelnen Wirtschaftssektoren. Die Landwirtschaft verliert immer mehr an Gewicht. Die Zahl der hauptberuflich in der Landwirtschaft Beschäftigten geht immer weiter zurück. Die demographische Struktur, Erwerbssituation aber auch die soziale und kulturelle Funktionen der ländlichen Gemeinden ändern sich gleichfalls. Der Begriff Lokalität gewinnt einen neuen Charakter. Das Leben spielt sich immer weniger im engen Raum ab, währenddessen sich das Angebot an Dienstleistungen und Versorgungsaufgaben zunehmend in regionalen, z.T. auch überregionalen Zentren konzentriert. Arbeits- und Wohnort klaffen oft auseinander. Immer mehr Arbeitnehmer pendeln über immer größere

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Distanzen. Lokale Infrastrukturen (Nahversorgung, lokales Gewerbe, Volksschulen, Arztpraxen, Gendarmerie, Apotheker, Postämter, Bezirksgerichte etc.) gehen verloren. Alle diese Prozesse zeitige massive Auswirkungen auf die ländliche Bevölkerung. Diese Prozesse laufen aber nicht gleichförmig ab. Zwischen den einzelnen ländlichen Regionen lassen sich große Unterschiede feststellen. Während einige Regionen Zeichen des Niedergangs zeigen, weisen andere durchaus eine sehr dynamische Entwicklung auf, die über jener städtischer Industrieregionen liegen kann. Die beschriebenen Trends haben unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen und sozialen Gruppen. Wesentlich dabei ist, dass die ländliche Bevölkerung nicht als homogene Einheit gesehen werden darf. Für viele, v.a. für eine gut ausgebildete, unabhängige, jugendliche, vorwiegend männliche Bevölkerung, sind die gegenwärtigen Entwicklungen indifferent, mitunter sogar positiv zu werten, währenddessen andere Gefahr laufen, in Armut und sozialer Ausgrenzung zu geraten. Um zu einem besseren Verständnis der spezifischen Ursache-Wirkungszusammenhänge zu gelangen, wurde von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen eine umfangreiche Untersuchung zur Situation der ländlichen Armut in Österreich durchgeführt. Armut stellt ein sehr sensibles Thema dar, was eine valide direkte Befragung der Betroffenen kaum möglich macht. Vielfach ist die Armut in der Öffentlichkeit nicht sichtbar, die Probleme werden versteckt oder verdrängt, die Bereitschaft Auskunft über die eigene Situation zu erteilen, ist gering oder die getroffenen Aussagen haben wenig mit der tatsächlichen Situation zu tun. Daher musste für den empirischen Teil der Analyse ein komplexes Instrumentarium entwickelt werden, bestehend aus Einzel-, und Gruppengesprächen vorzüglich mit Menschen, die mit persönlichem Abstand darüber reden können und dennoch einen guten Einblick in die Situation haben, wie z.B. Sozialarbeiter, Lehrer, Pfarrer, Lokalpolitiker, MitarbeiterInnen der Caritas. Darüber hinaus wurden Workshops und verschiedene lokale Veranstaltungen zum Thema initiiert in Kooperation mit lokalen NGO’s, der Presse, Rundfunk und Fernsehen, mit der Zielsetzung, die Öffentlichkeit für Probleme der Armut und sozialen Ausgrenzung zu sensibilisieren.

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2. Armutsbegriff

Im wissenschaftlichen Diskurs lassen sich verschiedene Armutskonzepte und -definitionen unterscheiden, die im Folgenden kursorisch dargestellt werden sollen. Absolute Armut wird als Gefährdung des physischen Existenzminimums bzw. als Zustand einer unzureichenden Sicherung im Bereich der körperlichen Selbsterhaltung von einem normativen Standpunkt aus definiert. Seebohm Rowntree unternahm bereits um 1900 den Versuch mit einem absoluten Armutskonzept festzulegen, was ein Mensch zur physischen Subsistenz als Minimum benötigt. Die Indikatoren dafür waren u.a. der tägliche Kalorienbedarf, Obdach, Kleidung, Gesundheitspflege. Wird die Grenze der absoluten Armut längere Zeit unterschritten, kommt es letztlich zum Tod durch Verhungern, Erfrieren, Krankheit etc. Das absolute Armutskonzept beruht auf der Annahme, dass es ein wertneutrales, von der Zeit unabhängiges und weitgehend physiologisch bestimmtes Existenzminimum gebe und dass Armut entsprechend losgelöst vom allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung definiert werden könne (LEU et al. 1997, 10). In den entwickelten westeuropäischen Industriestaaten wäre es anachronistisch, bei einer Armutsdefinition absolute Armutsindikatoren heranzuziehen, da es nur wenige Personen von absolutem Elend betroffen sind. Eine Definition von Armut ausschließlich als absolute Armut wäre ein sehr eindimensionaler Ansatz mit wenig Aussagekraft über die relative Verteilung vorhandener Ressourcen oder über soziale Ausgrenzung. Daher besteht ein allgemeiner Konsens in der Wissenschaft mit relativen Armutsbegriffen zu operieren.

Absolute Armut Subjektive Armut Einkommensarmut Relative Armut Objektive Armut Ausgabenarmut Ausstattungsarmut

Sichtbare Armut Latente Armut Alte (Historische) Armut Versteckte Armut Bekämpfte Armut Neue Armut

Aktuelle Armut Materielle Armut Soziale Armut Potentielle Armut Ideelle Armut Geistige Armut

Kulturelle Armut

Abb. 1: Die verschiedenen Armutsbegriffe (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

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Unter relativer Armut wird ein relatives Phänomen gesellschaftlicher und sozialer Ungleichheit verstanden. Relative Armut bedeutet arm im Vergleich zu anderen im jeweiligen unmittelbaren Lebenskontext im Hinblick auf ein zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum. Die Diskussion um den relativen Armutsbegriff geht bereits auf Adam Smith (1776) zurück, welcher in seiner bannbrechenden Arbeit über den Ursprung des Wohlstands der Nationen bereits erkannte, dass Armut zeit- und ortsabhängig sei und dass mit steigendem allgemeinen Lebensstandard die Bedürfnisse zunehmen. In weiterer Folge stellten Sidney und Beatrice Webb 1912 fest, dass Armut keine absolute und eindeutig definierbare Größe ist. Armenfürsorge, heute würde man besser von Sozialpolitik sprechen, soll sich demnach nicht nur auf die Sicherung des körperlichen Mindeststandards beschränken, sondern auch im bestimmten Maße auf die Entfaltung und Entwicklung der individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse sowie auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ab den Sechziger und Siebziger Jahren wurde der relative Armutsbegriff immer mehr ausgeweitet. Ernährungsphysiologische Grundbedürfnisse als auch psychische und soziale Bedürfnisse wurden als Armutsfaktoren einbezogen. Peter Townsend (1979) definiert relative Armut als die Möglichkeit resp. den Ausschluss an der Teilnahme am alltäglichen Lebensstil der Mehrheit der Bevölkerung. Mit einem eigenen Deprivationsindex und einer Einkommensregression aus Ernährung, Kleidung, Haushalt, Bildung, Erholung, sozialen Kontakten, allgemeinen Konsummöglichkeiten, finanzielle Situation etc. sollte das Problem der relativen Armut dingbar gemacht werden. In einer Untersuchung des Sozialministeriums versuchte Peter Schneidewind (1985) in den Achtziger Jahren nach dem Modell von Townsend, einen Deprivationsindex für Österreich zu entwickeln. Dabei u.a. auch Richtwerte für soziale Kontakte und gesellschaftliche Teilnahme neben Wohnen, Konsum und Finanzen festgelegt. Dieser erste Versuch, ein objektives Maß für einen einheitlichen Mindeststandard zu definieren, wurde aber nicht mehr weiter verfolgt (SCHNEIDEWIND 1985, 155). Ein weiteres wichtiges Konzept stellt jenes der subjektiven Armut dar. Armut konstituiert sich aufgrund der subjektiven Wahrnehmung aller gesellschaftlichen Gruppen unter Einschluss der Betroffenen selber. Es

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geht dabei im Wesentlichen um die Frage, ob und unter welchen Umständen sich Personen selber bzw. andere als arm, im Stadium der Deprivation befindend oder sozial ausgeschlossen definieren. Die Weichen dafür, was subjektiv als arm empfunden bzw. was für eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich ist, werden dabei sehr früh im Leben gelegt. So kommt es, dass ältere Personen, deren Gewohnheiten in Zeiten geringen Wohlstands geprägt wurden, ein geringeres Aspirationsniveau aufweisen als jüngere. Dies zeigt auch die gruppenspezifische Akzeptanzgrenze für die Höhe der relativen Armutsschwelle. Älteren Personen ist es daher oft schwer ersichtlich, dass ein Lebensstandard, der ihnen ausreichend erscheint, für jüngere Generationen ein Leben in sozialer Ausgrenzung bedeuten würde. Objektive Armutskonzepte basisieren hingegen auf statistischen Ausstattungs- und Versorgungsdaten etwa aus Haushalts- und Konsumerhebungen. Dabei legen sie das Augenmerk weniger auf Verteilungsfragen als auf absolute materielle Armutsindikatoren. Einkommensarmut orientiert sich am verfügbaren monetären Einkommen. Dieser Armutsbegriff greift für viele zu kurz, da er nur wenig Aufschluss über die tatsächlichen Lebensumstände gibt. Gerade in Ländern mit wenig entwickelten kapitalistischen Wirtschaftssystemen ist Einkommensarmut nicht unbedingt mit Hunger und Entbehrung gleichzusetzen. Entscheidender ist der Stand der volkswirtschaftlichen Entwicklung, die Bedeutung der Geldwirtschaft sowie die soziale Integration. Auf Tausch- und Subsistenzwirtschaft ausgerichtete nicht-monetäre Märkte, der sgn. „informelle Sektor“ oder die „Schattenwirtschaft“, Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfeorganisation können trotz niedriger monetärer Einkommen wesentlich zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung beitragen. Weiters ergibt sich beim Konzept der Einkommensarmut das Problem, dass verschiedene Komponenten, wie Einkommen aus Besitz, Verpachtung, Vermietung, Transfers zwischen den Generationen, sonstige monetäre und nicht-monetäre Zuwendungen etc. nur schwer erfasst und quantifiziert werden können. Die Ausgabenarmut richtet sich nach dem Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel, während sich die Ausstattungsarmut an den sogenannten Wohlstandsindikatoren wie das Vorhandensein von

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bestimmten Konsumgütern, wie Kühlschrank, Telefon, Farbfernseher oder Videorekorder und ähnliches orientiert. Darüber hinaus lassen sich weitere Armutskonzepte wie eine neue, alte, temporäre, permanente, materielle, ideelle, soziale, geistige, kulturelle, sichtbare, versteckte, bekämpfte, latente, aktuelle und potentielle Armut usw. unterscheiden. Armut ist oft nur ein vorübergehendes Phänomen, wenn es in bestimmten Lebensepisoden, Not-, Krisen- und Mangelsituationen auftritt (z.B. Studium, Ausbildung, Schicksalsschläge), Armut kann durch Nachlässe und öffentliche Zuwendungen bekämpft werden oder sie kann sich latent äußern bei Personen, die zwar einen Anspruch auf Hilfsleistungen besitzen, diesen aber nicht oder verspätet einfordern. Armut wird durch verschiedenartigste Ursachen ausgelöst und sie kann zu dynamischen Wirkungen und Folgeprozesse führen. In der Frage Armutsdefinition zeigt sich in den letzten Jahren ein immer breiterer Konsens weg von einem restriktivem hin zu einem umfassenden und integralen Armutsbegriff. Heute wird an der Stelle von Armut immer häufiger der Begriff soziale Ausgrenzung verwendet, um besser beschreiben zu können, was Armut für die Betroffenen konkret bedeutet. Denn Armutsschwellen sind meist wenig geeignet auszudrücken, auf welche Weise Armut auch Hunger, Krankheit, gesellschaftliche Isolation, soziale Ächtung und letztlich Machtlosigkeit bedeutet. Das Konzept der sozialen Ausgrenzung berücksichtigt Veränderungen im Zeitverlauf und kombiniert monetäre Größen mit sozialen Indikatoren wie Wohnsituation, Gesundheit oder die Partizipation am sozialen Leben einer Gesellschaft. Armut bezeichnet ein statisches Ergebnis, während soziale Ausgrenzung einen dynamischen Prozess beschreibt (PHILIP/SHUCKSMITH 1999, 4). Ausgehend von diesen Annahmen stellt sich nun die Frage, wie viele Menschen tatsächlich von Armut betroffen sind. Anhand der unterschiedlichen Armutsbegriffe wurden für eine Quantifizierung der Betroffenheit von verschiedenen Institutionen Armutsschwellen festgelegt. Da alle diese Modelle auf unterschiedlichen Annahmen basieren, sind die gewonnenen Daten weder vergleichbar noch ist die Aussagekraft besonders groß. Die Weltbank definiert beispielsweise Armut als absolute materielle

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Einkommensarmut. Demnach gilt jemand als arm, der weniger als einen US-Dollar gemessen an Kaufkraftparitäten pro Tag zur Verfügung hat. Dieser an der Einkommensarmut orientierte Armutsbegriff greift zu kurz, da er nur wenig Aufschluss über die tatsächlichen Lebensumstände gibt. Gerade in Ländern mit wenig entwickelten kapitalistischen Wirtschaftssystemen ist Einkommensarmut nicht unbedingt mit Hunger und Entbehrung gleichzusetzen. Entscheidender ist der Stand der volkswirtschaftlichen Entwicklung, die Bedeutung der Geldwirtschaft sowie die soziale Integration. Auf Tausch- und Subsistenzwirtschaft ausgerichtete nicht-monetäre Märkte, der „informelle Sektor“ oder die „Schattenwirtschaft“, Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfeorganisation können trotz niedriger monetärer Einkommen wesentlich zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung beitragen. Weiters ergibt sich beim Konzept der Einkommensarmut das Problem, dass verschiedene Komponenten, wie Einkommen aus Besitz, Verpachtung, Vermietung, Transfers zwischen den Generationen, sonstige monetäre und nicht-monetäre Zuwendungen etc. nur schwer erfasst und quantifiziert werden können. Für aussagekräftigere Definitionskonzepte werden deshalb weitere Indikatoren menschlicher Grundbedürfnisse und Lebensqualität wie Lebenserwartung, Gesundheit und medizinische Versorgung, Bildung, Wohn- und Arbeitssituation, Umweltbelastungen, Zugang zu ausreichend und gesundem Trinkwasser- und Nahrungsmitteln, Mobilitätschancen, soziale Kontakte, Zeitverwendung, Freizeit- und Urlaubsgestaltung, soziale und finanzielle Absicherung, gesellschaftliche Ungleichheit einschließlich deren Akzeptanz etc. notwendig. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) entwickelte einen sgn. Entbehrungsindex (CPM - Capability Poverty Measure). Dieser berücksichtigt Parameter, die weit über den monetären Maßstab hinausreichen, wie die Unterernährung bei Kindern, den Anteil medizinisch nicht betreuter Geburten oder die Analphabetenrate insbesondere bei Frauen etc. Dieser Entbehrungsindex macht aber keinerlei Aussagen über soziale Ungleichheit, d.h. wie gerecht der Wohlstand innerhalb einer Gesellschaft, zwischen den Regionen eines Landes, sozialen Gruppen,

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Berufsgruppen, einzelnen ethnischen Gruppen oder den Geschlechtern verteilt ist. Gemäß der Definition des Ministerrates der Europäischen Union gelten jene Personen als arm, „die über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von einer Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsland, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist“ (EU-Ministerrat EU-Programm „Armut 3“ vom 19.12.1984). Damit ist nicht nur die materielle Armut gemeint, sondern auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und seinen Errungenschaften in den einzelnen Mitgliedsländern, was nicht nur das Lebensnotwendigste impliziert, sondern auch Gesundheit, Kultur und Zugang zu Bildung. Neben der alten Armut, deren Bilder noch stark in den Köpfen verbreitet sind und das Wesen dieses Begriffes in der öffentlichen Meinung bestimmen, existiert auch eine neue Armut. Die EU-Kommission definierte 1987 die neue Armut anhand mehrerer verschiedener Kriterien und wies dazu bestimmte Risikogruppen aus, wie Personen, die auf Sozialhilfe oder andere Formen von Transferleistungen und Unterhaltsunterstützung angewiesen sind, von Arbeitslosigkeit Betroffene, Alleinerziehende, Privatverschuldete und Obdachlose (KRANZ et al. 1988, 23). Die Problemgruppen der neuen Armut sind relativ inhomogen. Es zeigt sich aber, dass der Großteil der neuen Armen in der Gruppe der sozialhilfeberechtigten Nichtbezieher zu finden ist. Informationsmangel, Scham und Resignation sind dafür primär ausschlaggebend.

3. Ausmaß der Armutsgefährdung

Um überhaupt Aussagen über das Ausmaß der Armut bzw. Armutsgefährdung treffen zu können, sind neben der oben skizzierten begrifflichen Definitionen, Armutsschwellen erforderlich. In der OECD, der Europäischen Union und in Österreich finden unterschiedliche Armutsschwellen Verwendung, welche auf eine der drei folgenden Grundlagen basieren: (i) dem Einkommen anhand von 60% des arithmetischen Mittels der

Haushaltseinkommen je Erwachsenäquivalent als sgn. „Pro-Kopf-Einkommen“,

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(ii) den Verbrauchsausgaben anhand von 60% des arithmetischen Mittels der Haushaltseinkommen je Erwachsenäquivalent als sgn. „Pro-Kopf-Ausgaben“ bzw.

(iii) dem Fehlens einer bestimmten Anzahl von allgemein üblichen Ausstattungsindikatoren.

Mit dem Erwachsenenäquivalent sollen unterschiedlich große und zusammengesetzte Haushalte vergleichbar gemacht werden. Diese Festlegung erfolgt anhand von unterschiedlich gewichteten Äquivalentskalen. a) die OECD-Skala gewichtet den ersten Erwachsene mit dem Faktor

1,0, jeden weiteren mit 0,7 sowie Kinder mit 0,5. b) die EU-Skala ist eine etwas flachere Skala, da sie den ersten

Erwachsenen mit 1,0, jeden weiteren mit 0,5 und Kinder mit 0,3 gewichtet.

c) die ÖSTAT-Skala ist im wesentlichen mit der OECD-Skala identisch, der Faktor für Kinder wird jedoch exakter nach dem Alter differenziert, z.B. mit dem Faktor 0,33 für Kinder unter drei Jahre bzw. 0,7 für Kinder zwischen 16 und 18 Jahre usw.

Die steileren Skalen (OECD- und ÖSTAT-Skalen) betonen die Armutsgefährdung größerer, kinderreicher Haushalte stärker, während die flachere EU-Skala den Akzent auf Pensionistenhaushalte legt. Für Österreich stehen drei wichtige Informationsquellen zur Armut und Armutsgefährdung zur Verfügung, die leider alle nicht neueren Datums sind. Es sind dies das Europäische Haushaltspanel 1995 (ECHP) des statistischen Amts der EU (EUROSTAT), Ergebnisse des Mikrozensus zur Einkommenssituation von unselbständig Berufstätigen und Pensionistenhaushalten 1993 sowie die zuletzt 1993/94 durchgeführte Konsumerhebung des Österreichischen Statistischen Zentralamts (ÖSTAT, nunmehr Statistik Österreich). Nach dem Mikrozensus 1993 lag die Schwelle der Einkommensarmut (als Pro-Kopf-Einkommen) für einen Erwachsenen bei 6.100 Schilling (lt. ÖSTAT-Skala) bzw. 7.000 Schilling (lt. EU-Skala). Demnach waren 10,8% (lt. ÖSTAT-Skala) bzw. 11,5% (lt. EU-Skala) aller österreichischen Haushalte unterhalb der Armutsschwelle. 7,4% bzw. 11,0% der kinderlosen Haushalte waren armutsgefährdet. Mit der Anzahl der

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Kinder steigt die Armutsgefährdung. Laut ÖSTAT-Skala waren 36,2% aller Haushalte mit drei oder mehr Kindern arm (lt. EU-Skala 18,1% aufgrund der geringeren Gewichtung von Kindern). Die Konsumerhebung 1993/94 hat einen ausgabenorientierten Ansatz. Nach deren Definition gelten Haushalte als armutsgefährdete, deren Haushaltsausgaben pro Kopf unter 50% des arithmetischen Mittels der Haushaltsausgaben aller Haushalte liegen. Die Armutsschwelle der gewichteten Pro-Kopf-Ausgaben lag bei der ÖSTAT-Skala bei 6.190 Schilling, bei der EU-Skala bei 7.000 Schilling. Laut ÖSTAT-Skala waren etwa 500.000 Haushalte oder 16,5% aller Haushalte armutsgefährdet (lt. EU-Skala 473.000 oder 15,5%). Tab. 1: Armutsgefährdete Haushalte in Österreich laut letzter Konsumerhebung

1993/94 lt. ÖSTAT-Skala lt. EU-Skala Anzahl in % Anzahl in %

Erwerbstätige 245.900 48,8 187.400 39,6 darunter Selbständige

44.900 8,9 36.000 7,6

darunter Landwirte 26.400 5,2 22.300 4,7 darunter Unselbständige

200.000 39,7 150.700 31,9

darunter Arbeiter 121.100 24,0 96.500 20,4 Angestellte 40.600 8,0 29.900 6,3 Beamte 26.300 5,2 12.700 2,7 Pensionisten 213.400 42,3 246.500 51,2 davon ehem. Selbständige

28.800 5,7 34.100 7,2

Unselbständige 139.100 27,6 154.600 32,7 Arbeitslose 16.600 3,3 15.500 3,3

Quelle: ÖSTAT, BAUER/KRONSTEINER 1997, 848 Aus den Ergebnissen der Konsumerhebung geht hervor, dass die Armutsgefährdung umso größer ist, je niedriger die Schulbildung des Haushaltsvorstands. Das höchste Armutsrisiko weisen Haushalte mit einem arbeitslosen Haushaltsvorstand auf, gefolgt von bäuerlichen Haushalten und Haushalten mit nicht berufstätigen Hausfrauen. Armutsgefährdete Haushalte haben prozentuell deutlich höhere

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Verbrauchsausgaben zur Deckung der Grundbedürfnisse bei Ernährung und Wohnen, dagegen deutlich niedrigere für Bildung, Erholung, Freizeit, Sport, Verkehr und Telekommunikation. Interessante Aufschlüsse ergeben sich, wenn wir die Zusammensetzung des individuellen Warenkorbes betrachten. Arme und armutsgefährdete Haushalte schränken ihre Ausgaben v.a. in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Bildung, Erholung, Gesundheitspflege und Einrichtung ein. Bei den Ernährungsausgaben ergeben sich dagegen wesentlich weniger Einsparungsmöglichkeiten. Bei den Kürzungen der Verbrauchsausgaben werden zudem charakteristische Muster für die einzelnen sozialen Gruppen evident. Landwirte, Gewerbetreibende, Pensionisten sparen überproportional bei der Bekleidung, Arbeitslose und Pensionisten bei der Körperpflege sowie Bauern/Bäuerinnen und Arbeiter bei Heizung und Beleuchtung (LUTZ et al. 1993, 59). Nach dem letzten EU Haushaltspanel (ECHP) lebten 1995 in der Gemeinschaft mehr als 57 Millionen arme und armutsgefährdete Menschen. Beim EU-Ratstreffen in Nizza im Dezember 2000 ging man bereits von mehr als 60 Millionen von Armut bedrohten Menschen aus. Das sind etwa 18% der Gesamtbevölkerung. Österreich nahm 1995 erstmals am ECHP teil. Demnach galten lt. OECD Kriterien etwa 10% aller österreichischen Haushalte oder 1,14 Millionen Personen bzw. 13% der Gesamtbevölkerung als potentiell armutsgefährdet (lt. EU Kriterien 10,5% der Haushalte bzw. 887.000 Personen). Ausgewiesen wurden Haushalte mit einem gewichteten Pro-Kopf-Nettoeinkommen mit weniger als 7.500 Schilling (545 €) zwölf mal im Monat. Für 420.000 Personen (bzw. 5,2% der Bevölkerung) traf einer der drei folgenden Armutsindikatoren zu, nämlich entweder (i) schlechte Wohnverhältnisse, (ii) Zahlungsrückstände bei Miete, Heizung und Strom oder (iii) finanziell bedingte Einschränkungen bei grundlegenden Konsumgütern wie z.B. Kleidung und Nahrungsmitteln. In der Gruppe der armutsgefährdeten Haushalten waren 46% Haushalte von unselbtändig Erwerbstätigen, 19% von Pensionisten, 15% von Selbständigen, 10% von Arbeitslosen und 8% von Alleinerzieherinnen (alles lt. OECD Kriterien). Jeder dritte armutsgefährdete Haushalt befand sich in einer ländlichen Region, mehr als die Hälfte dieser Haushalt hatte Kinder. Einkommen unter

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der Armutsschwelle erzielten 31% der Arbeitslosenhaushalte, 30% der Haushalte von Kleinbauern und 20% jener von AlleinerzieherInnen. Bei den armutsgefährdeten unselbständig Erwerbstätigen waren es v.a. Haushalte von ungelernten Arbeitern und Hilfsarbeitern. Eine besonders hohe Armutsgefährdung hatten pensionierte Landwirte und Hilfsarbeiter sowie AlleinerzieherInnen. Tab. 2: Von Armut betroffene Personen nach Haushaltstypen Pro-Kopf-Nettoeinkommen unter 7.500 Schilling

(545 €; 12x Jahr)

Haushaltstyp Personenzahl in 1.000 Anteil an allen Armen

Haushalte mit ausschließlich älteren Menschen

50 12%

Single-Haushalte unter 60 20 5% Kinderlose Mehrpersonenhaushalte

70 17%

Alleinerzieherhaushalte 65 15% Haushalte mit einem Kind 65 15% Haushalte mit zwei Kindern 70 17%

Haushalte mit drei und mehr Kindern 80 19%

Gesamt 420 100% Quelle: EU - Haushaltspanel 1995, zt. nach BMAGS 1999, 19 Die Aussagekraft dieser statistischen Daten über Armut und Armutsgefährdung ist jedoch zu relativieren, da diese nicht nur von unterschiedlichen Annahme ausgehen, sondern auch relativ wenig über Ursache-Wirkungsverhältnisse als auch über die konkreten Umstände und Betroffenheit aussagen. Mit statistischen Zahlen lässt sich zwar politisch vielleicht leichter argumentieren, dem Problem in seiner Gesamtheit werden sie jedoch nicht gerecht. Dafür ist eine zusätzliche, vertiefende empirische Analyse notwendig.

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4. Die ländliche Armut

In sämtlichen statistischen Daten zeigt sich, dass Armut in ländlichen Regionen wesentlich stärker verbreitet ist als in Städten. So entfallen auf Österreichs Landgemeinden und Kleinstädte etwa 70% aller Einkommensarmen (STEINER/WOLF 1996, 25). Dennoch ist das Wissen über die ländliche Armut relativ gering. Daten und Studien über soziale Benachteiligung, Ausgrenzung und Armut in ländlichen Regionen sind viel dünner gesät jene über städtische Ballungsräume. Lowe (1994) versucht dies mit einem wesentlich höheren Interesse der Verwaltung, Politik und Wissenschaft an Fragestellungen der urbanen Armut als der Armut im ländlichen Raum zu erklären. Da Wissenschaft und Verwaltung hauptsächlich in den Städten stattfindet, rücke die ländliche Armut aus dem Interesse jener Menschen, welche sich überwiegend in den Städten aufhalten und wird folglich seltener zum Forschungsgegenstand. Ländliche Armut wird vielfach immer noch mit materieller bäuerlicher Armut gleichgesetzt. Die dabei zugrunde liegenden Bilder stammen aus einer längst vergangenen Zeit. Aus diesem Grund ist eine Dekonstruktion gängiger Klischeevorstellungen angebracht. Die alte ländliche Armut war hauptsächlich eine agrarische Armut, eine Armut der ländlichen Unterschichten, der Knechte, Mägde, Kleinhäusler, Inleute und Kotsassen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebte direkt in oder von der Landwirtschaft, die Schicht der landlosen Arbeiter und ländlichen Gewerbetreibenden blieb mancherorts bis weit über die Jahrhundertwende relativ klein. Erst seit dem Zweiten Weltkrieg machten sich die Folgen des strukturellen Wandels deutlich bemerkbar. Während 1951 der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Berufstätigen gemessen an der Zahl aller Berufstätigen in Österreich immer noch 30,3% betrug, fiel dieser Wert im Jahre 2000 auf 3,9% (GRÜNER BERICHT 2000, 228). Heute ist die ländliche Armut überwiegend eine nichtbäuerliche Armut. Natürlich gibt es auch noch eine bäuerliche Armut mit spezifischen Ursachen und Problemen.

4.1 Ontologie der neuen ländlichen Armut

Einleitend stellt sich die Frage, wodurch sich ländliche Armut eigentlich von städtischer Armut unterscheide. Ist es überhaupt

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angebracht, die territoriale Dimension des ländlichen Raumes als eine Analyseeinheit für Armut heranzuziehen oder sollte man das Augenmerk eher auf die einzelnen von Armut betroffenen Gruppen richten? Natürlich gibt es Alters-, Frauen- und Kinderarmut usw. sowohl am Land als auch in der Stadt. Die Wirkungen, Folgen, Ursachen und Ausprägungen sind jedoch oft sehr unterschiedlich. Viele armutsverursachende Faktoren spielen überwiegend oder ausschließlich in ländlichen Regionen eine Rolle. Insbesondere die Mobilität hat am Land dabei eine zentrale Bedeutung, aber auch das Vorhandensein von Infrastruktureinrichtungen (Verwaltung, Nahversorgung, Sozialwesen, Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung, Rechtsdienste, Bildung, Kultur usw.) in einer für ein konkretes Individuum erreichbaren näheren Umgebung spielen eine entscheidende Rolle. Darüber ist das Angebot an qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen meist schlechter als in den Ballungsräumen. Ein Faktor für die besondere Schärfe der ländlichen Armut liegt auch darin, dass Armut am Land stärker individualisiert wird. Oft fehlt eine entwickelte Zivilgesellschaft und gibt es weniger kritische politische Diskussion, was wiederum eher zu sozialer Ausgrenzung der Betroffenen führt. Es wird zwischen „schuldigen“ und „unschuldigen“ Armen unterschieden. Unschuldig ist jemand, der aus einem verzeihbaren Grund in eine Notsituation gerät. In diesem Fall ist Hilfsbereitschaft gegeben. Kann jemand aber nicht mit Geld umgehen, ist Alkoholiker, faul, sozial unangepasst, dann sind die Sanktionen der Dorfgemeinschaft in der Regel heftiger als in der Anonymität der Stadt. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand aus Armut zum Säufer wird, oder aufgrund des Alkoholismus verarmt. Für die von Armut Betroffen ist es unter diesen Rahmenbedingungen meist auch sehr schwierig, aus ihrer Notsituation herauszukommen und eine gesellschaftliche Reintegration zu erreichen. Im folgenden soll auf einige der wichtigsten Ursachen und Faktoren für Armut allgemein und deren besondere Ausprägung im ländlichen Raum etwas näher eingegangen werden.

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4.2 Faktorelle Ursachen und Wirkungszusammenhänge

Die Bedeutung des Dorfes hat sich im Zeitalter der Globalisierung für seine BewohnerInnen gewandelt. Aus einer Studie der Universität Hohenheim geht hervor, dass das Dorf nur noch einen Teillebensraum darstellt. Die sozialen Beziehungen erstrecken sich weit über den eigenen Ort hinaus, die lokalen Kontakte spielen – individuell unterschiedlich und abhängig von der jeweiligen Lebensphase – nur noch eine begrenzte Rolle innerhalb des persönlichen und sozialen Netzwerkes. Die Dorfbewohner sehen eine weitreichende räumliche Mobilität als Merkmal des Lebens im Dorf. Das eigene Auto gewinnt eine zentrale Bedeutung für die Attraktivität ländlicher Lebensverhältnisse (HAINZ 1999, 98). Über kein Auto verfügen heißt im ländlichen Raum meist fern sein von sozialer und wirtschaftlicher Infrastruktur, von Gesundheitsdiensten, Behörden, Arbeitsplatz, von Bildungs- und Einkaufmöglichkeiten. Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für eine Teilnahme an der modernen Konsum- und Dienstleitungsgesellschaft. Im ländlichen Raum wird nicht selten der Konsumstandard nur durch Erwerbsarbeit mehrerer Familienmitglieder erreicht bzw. aufrechterhalten. Dies bedingt oft den Besitz mehrerer privater Fahrzeuge pro Haushalt, wobei ein nicht unwesentlicher Teil des Einkommens wieder für die Kosten der Mobilität aufgewandt werden müssen. Das Problem liegt strukturell begründet in der örtlichen Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz, ineffizienten oder nicht auf die Bedürfnisse der Benutzer abgestimmten öffentlichen Verkehrsmitteln oder inadäquaten Arbeitszeitregelungen. Eine Kellnerin, die bis nach Mitternacht arbeitet, ist auf ihren PKW angewiesen, um nach Hause zu kommen. Die Teilnahme am Erwerbsleben ist aber nicht nur die Voraussetzung für ein eigenes Einkommen sondern auch für die Dispositionsfreiheit über die eigenen Mittel und letztlich gesellschaftliche Anerkennung. Mangelnde Mobilität verstärkt im ländlichen Raum die Barrieren zum Zugang zu gesellschaftlichen und sozialen Institutionen, wie aus einer Studie über Einsparungen im öffentlichen Transportwesen hervorgeht (NUTLEY/COLIN 1995, 24). Als in Nordirland etwa in den Achtziger Jahren das öffentliche Nahverkehrswesen praktisch völlig eingestellt wurde, verloren die ärmsten Bevölkerungsschichten ihre Mobilität. Der

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Besitz eines Autos ist für die Landbevölkerung heute unumgänglich. Gerade viele ältere Frauen besitzen keinen Führerschein und sind daher auf andere angewiesen. Auf sich alleine gestellt, ergeben sich nicht nur Probleme beim täglichen Einkauf, die Betroffenen verlieren oft auch die Möglichkeit einer Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben. Viele ältere Menschen ohne Fahrzeug oder Führerschein sind auf Nachbarschaftshilfe angewiesen. Das ist nicht nur oft unangenehm sondern beschränkt auch die Selbständigkeit. Älteren und gebrechlichen Menschen ist es oft nicht mehr oder nur mehr schwer möglich, ihre Einkäufe selber zu erledigen, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten, Freunde zu besuchen oder in die Kirche zu gelangen. Die Sicherstellung und Verbesserung der öffentlichen Mobilität ist daher eine notwendige Forderung zur Bekämpfung der Armut in ländlichen Regionen. Wohnen stellt ein primäres und existentielles Grundbedürfnis des Menschen dar, welches weder substituierbar noch auf Dauer ohne ärgste Konsequenzen ausgesetzt werden kann. Wohnen ist eine Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung von Sozialbeziehungen, der Gesundheit und auch für Erwerbsmöglichkeiten. Geregelter Wohnraum ist für eine normale Lebensführung und in der Regel auch für einen ordentlichen Erwerbsarbeitsplatz unabdingbar. Durch Wohnungsverlust können aber auch Nachbarschaftsbeziehungen und damit auch für das Individuum wichtige Informations- und Solidaritätssysteme verlustig gehen. Die Zahl der Obdachlosen wird in Österreich auf mehrere Tausend geschätzt. Der Großteil der Betroffenen ist zwar in den städtischen Ballungsräumen anzutreffen, die Ursachen reichen jedoch häufig auf ländliche Regionen zurück. Sehr viele Unterstands- und Obdachlose in den Städten stammen urprünglich aus ländlichen Regionen. Städte bieten Anonymität und Schutz vor unmittelbarer sozialer Ächtung. Viele hegen mit der Stadt Hoffnungen nach besseren Chancen bzw. nach einem Neuanfang oder versuchen einfach der Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung am Land zu entgehen. Ein weiteres Problem ist, dass es in ländlichen Regionen immer noch zuwenig leistbaren Wohnraum für Alleinstehende, sozial Schwache und Jugendliche gibt. Gerade in den ländlichen Regionen ist das Angebot an genossenschaftlichen bzw. kommunalen Wohnraum häufig sehr

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limitiert. Dies erschwert gerade Jugendlichen und Jungfamilien die Existenzgründung. Viele haben nicht das Glück von den Eltern ein Wohnhaus zu erben oder einen Baugrund zu bekommen. Auch sehen viele für sich kein geeignetes Konzept mit ihren Eltern bzw. Schwiegereltern auf Dauer in einem gemeinsamen Haushalt zu wohnen. Wohnungsprobleme haben neben den Jugendlichen und Jungfamilien vor allem AlleinerzieherInnen und soziale Randgruppen wie z.B. Haftentlassene. Aus dem Alltag der Schuldnerberatung ist festzustellen, dass die meisten Leute im Rahmen der Hausstandsgründung, der Einrichtung einer Wohnung, aber auch im Zusammenhang mit dem Bau eines Eigenheims in finanzielle Notsituationen kommen. Das System der ländlichen Hausbaukultur erweist sich dabei als äußerst fragil. Oft sind die Gehälter schon auf Jahre für die Rückzahlungen der Kredite verplant. Unvorhersehbare Ereignisse, wie Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Tod des Hauptverdieners lassen dann das Kartenhaus zusammenbrechen. Daneben ist Wohnen gerade am Land aber oft auch eine Prestigesache. Viele können sich nicht vorstellen, in einer „Wohnung“ zu leben. Das eigene Haus und der Garten sind eine Selbstverständlichkeit, konstituierend für den sozialen Rang und Stellung in der Dorfgemeinschaft. Dies führte zu eine Fetischisierung des Eigenheims und zu einer ausufernden Hausbautätigkeit, die oft nur unter massiven Einschränkungen und Entbehrungen aller Betroffenen, größtmöglicher Eigeninitiative, Nachbarschaftshilfe und Pfusch zu bewerkstelligen ist. Gebaut wird nicht nur für die eigenen Bedürfnisse sondern es werden gleich auch die Bedürfnisse der Kinder antizipiert. In der Realität erfüllen sich diese Erwartungen aber oft nicht. Die Kinder ziehen aus, sobald sie erwachsen geworden sind und lassen ihre Eltern in überdimensionierten Eigenheimen zurück. Ein weitere Ursache für Armut liegt ganz allgemein in finanziellen Problemen. Die Ursachen für Überschuldung können dabei sehr vielfältig sein. Die immer größere Komplexität auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene überfordert immer mehr Menschen. Der Konsum genießt in unserer Zeit einen hohen Stellenwert, die Wirtschaft suggeriert durch die Werbung das Postulat der raschen Befriedigung von Bedürfnissen und die Banken vergeben bereitwillig Kredite. Gerade

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Jugendliche sind dafür sehr anfällig. Viele haben es verlernt oder nie gelernt, auf Dinge vorläufig zu verzichten. Wer einmal in der Schuldenfalle tappt, findet den Weg nur mehr schwer heraus. Der Gang zur Schuldnerberatung unterbleibt oder erfolgt oft erst zu spät. Dies passiert aus Scham, Angst, Unsicherheit und purer Unwissenheit. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) führte eine Untersuchung bei Problemfällen unter Bankkrediten durch. Dabei stellte sich heraus, dass mit 89% die weitaus größte Zahl der Fälle Konsumkredite betrafen. Der höchste Verschuldungsgrad zeigte sich in der Altersgruppe zwischen 25 und 39 Jahren, also in der Zeit der Familien- und Haushaltsgründung. Weitere Hauptursachen für eine Verschuldung waren Trennung vom Partner sowie Einkommensausfall wegen Arbeitslosigkeit (MOOSLECHNER/ BRANDNER 1992, 52). Zur Einkommensarmut kommt es v.a. dann, wenn daneben hohe Fixkostenbelastungen z.B. aus Wohnungs- oder Betriebskosten gegeben sind. Überschuldung stellt gerade im ländlichen Raum ein großes Problem dar. Die Hauptursachen liegen dabei bei den Krediten und Kosten für die Errichtung eines Eigenheims, plötzlicher Krankheit, Tod der Haupterwerbsperson, Arbeitslosigkeit und schlechten Arbeitsplatzperspektiven. Eine ungünstige Wirtschaftsstruktur und ein unzureichendes Arbeitsplatzangebot beeinträchtigen die Wirtschaftsleistung in den benachteiligten ländlichen Regionen. Dies verursacht die tendenzielle Abwanderung der jüngeren, aktiven Bevölkerung, wodurch sich die demographische Struktur weiter verschlechtert. Zurück bleiben die weniger Flexiblen, Alten und Schwachen. Nicht-Tagespendler, das sind jene, die nicht täglich nach Hause zurückkehren, gehen für die Wirtschaftsleistung einer Region weitgehend verloren. Sie erwirtschaften ihr Einkommen nicht nur außerhalb der Region, sie wenden ihre täglichen Konsumausgaben auch außerhalb der Region auf. Die Einkommen fließen nur teilweise aufs Land zurück und wenn, dann wiederum in einige wenige Branchen (z.B. Bausektor durch den Eigenheim- und Zweitwohnsitzbau). Unter der Woche findet der Konsum in der Stadt statt. Geschäfte und kleine Gewerbebetriebe auf dem Land können an der Wochenpendlersituation wirtschaftlich kaum profitieren.

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Viele ländliche Regionen hängen von einigen wenigen größeren Unternehmen und Wirtschaftsbetrieben ab. Gehen diese Betriebe zugrunde, so ist die ganze Region betroffen. Es kommt zu einem plötzlichen und massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, viele kleinere Zulieferbetriebe geraten in Schwierigkeiten und durch die allgemein gesunkene Wirtschaftskraft werden Krisenphänomene in alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens evident. Niedriglohnbranchen, wie beispielsweise die Nahrungs-, Genussmittel-, Textil- oder Lederindustrie, siedeln sich bevorzugt in strukturschwachen ländlichen Regionen an, da die Kostenstruktur dort günstiger ist. Entsprechend niedrige Löhne sind vielfach erst möglich, weil die Beschäftigten vergleichsweise geringere Konsumausgaben haben und sie sich teilweise selber alimentieren können (d.h. von einer kleinen Landwirtschaft, Hausgarten etc.). Außerdem haben sie häufig wesentlich niedrigere bis keine Aufwendungen für Wohnungsmieten. Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation in den strukturschwachen Regionen ist die Bereitschaft der Beschäftigten, zu relativ ungünstigen Konditionen zu arbeiten, zudem hoch. Langandauernde Erwerbslosigkeit ist einer der wesentlichsten Faktoren für Armutsgefährdung und das nicht nur in strukturschwachen ländlichen Regionen. Die Ursachen sind häufig geringe Ausbildung und Qualifikation, aber auch Krankheit und insbesondere Alter. Ältere Arbeitslose haben viel geringere Chancen, wieder in den Erwerbsarbeitsprozess einzusteigen. Generell gilt, desto älter die Person und desto geringer die Ausbildung, desto länger ist die Dauer einer Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit stellt einen entscheidenden Einschnitt im Leben und in der Lebensplanung dar. Vielfach können Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden und die Betroffenen geraten in die Armutsspirale. Erwerbslose müssen daneben mit dem großen psychischen und sozialen Druck fertig werden. Neue Beschäftigungsmodelle wie Teilzeitarbeit, geringfügig Beschäftigte, freie Dienstnehmer, neue Selbständige etc., von denen hauptsächlich Frauen betroffen sind, haben nicht immer nur positive Auswirkungen. Flexible Arbeitszeit und Gleitzeit können zwar unter Umständen auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen eingehen, Arbeit auf Abruf und Nacharbeit stellen aber andererseits für viele

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beinahe unlösbare Probleme dar, v.a. wenn es um Fragen der Kinderbetreuung oder Mobilität geht. Viele Haushalte verfügen über nur ein Auto, welches dann oft hauptsächlich der Mann verwendet. Frauen können bei ungünstigen Arbeitszeiten am Land oft keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen oder sie leben so abseits, dass sie auf einen Privat PKW angewiesen sind. Überspitzt formuliert verhindert hier die unzureichende Mobilität die Erwerbsarbeit oder sie arbeiten, um ihr Auto zu erhalten. Fehlende oder unzureichende Kinderbetreuungseinrichtungen auf allen Ebenen, d.h. von Krippenplätzen bis zum Schulhort, erschweren die Erwerbstätigkeit insbesondere für AlleinerzieherInnen. Die Armutsgefährdungsquote bei AlleinerzieherInnen ist doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Kinder und Beruf sind meistens nur schwer vereinbar. In vielen ländlichen Regionen fehlen immer noch auf die konkreten Bedürfnisse angepasste Kinderbetreuungseinrichtungen. Knapp mehr als 38% aller öffentlichen und privaten Kindertagesheime werden nur halbtags, mit Unterbrechung zu Mittag oder überhaupt nur saisonal geführt. Bei den Öffnungszeiten der Kindergärten zeigt sich ein deutliches Ost-West Gefälle (Hirschmann, 1998, 10). Alleinerziehende Frauen werden durch ungünstige Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen an der Ausübung ihres Berufes und damit an einem eigenständigen Einkommen gehindert. Ein unzureichendes Beschäftigungsangebot, eine mangelnde oder wenig gefragte berufliche Qualifikation gepaart mit Kinderbetreuungs- und Pflegeaufgaben führen bei nicht wenigen Frauen in ländlichen Regionen zu gescheiterten Berufskarieren und später zu einer schlechten materiellen Absicherung im Alter. Persönliche Schicksalsschläge verschärfen unter Umständen die Situation weiter. Oft kommen Frauen im Alter zur bitteren Erkenntnis, dass sie immer für andere gearbeitet und auf ihre persönlichen Interessen systematisch verzichtet haben. Kinder und Jugendliche sind besonders häufig von Armut betroffen, v.a. in kinderreichen Familien. Sie profitieren nur im geringen Ausmaß von Sozialleistungen und Beihilfen. In Österreich leben ca. 1,5 Mio. Kinder unter 15 Jahre. Man schätzt, dass ca. 20% aller Kinder, das sind 300.000, in Haushalten an oder unter der Armutsschwelle leben. Kinderreichtum ist ein wesentlicher Faktor für Armutsgefährdung.

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Laut der letzten ÖSTAT Konsumerhebung gilt ein Drittel aller Kinder aus kinderreichen Familien mit drei und mehr Kindern als arm (BMAGS, 1999). Kinder sind besonders gefährdet, da sie allgemein noch immer als Anhängsel der Familien und Erwachsenen gelten und selbst keinen Zugang zu finanziellen Ressourcen haben. Kinder können sich nicht wehren und leiden oft besonders unter der Armut ihrer Eltern. Das Schicksal der Kinder ist eng verknüpft mit der Situation der Familie oder der Erziehungsberechtigten. Triste soziale Verhältnisse und Gewalt in den Familien, Zerrüttung der Ehen und Lebensgemeinschaften, Verwahrlosung durch Alkohol, Spielsucht, Arbeitslosigkeit etc. stellen äußerst ungünstige Voraussetzungen für die Entwicklung der Kinder dar. Milieubedingte Armut wird meist auf die Kinder vererbt. Speziell in ländlichen Regionen werden zuwenig bis keine Mittel für präventive Jugendarbeit ausgegeben. Kinderarmut äußerst sich laut Ergebnisse einige unter Lehrern durchgeführten Umfragen in schlechter Kleidung und Schuhwerk, in einem schlechten Gesundheitszustand der Kinder, ärmlichen Wohnverhältnissen, wenigen Spielsachen und einer Nicht-Teilnahme an Ausflügen und Schulveranstaltungen. Die Hausaufgaben werden oft nicht gemacht, das Verhalten ist der Kinder ist entweder beschämt, zurückgezogen oder aggressiv. Kinder armer Eltern stehen häufig unter einem enormen sozialen Druck. Sie und ihre Eltern haben Angst in der Gruppe diskriminiert zu werden, wenn sie nicht über die entsprechenden Statussymbole und Markenartikel verfügen. Dies führt nicht selten dazu, dass die Eltern ihre eigenen Bedürfnisse zurückstecken, nur damit ihre Kinder mithalten können bzw. nicht zum Gespött ihrer Alterskollegen werden. Jugendliche sind mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, wie Ausbildung, Lehrplatz, eine eigene Wohnung, eigenes Einkommen, gesellschaftliche Akzeptanz etc. Der Anteil der Jugendlichen, die unmittelbar nach der Schulpflicht keine weitere Ausbildung beginnen liegt in Österreich bei rund 9% bis 10% (Haider 1997, zt. nach Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte 1999, 114). Schwierig erweist sich die Situation auch für jene, die keinen Hauptschulabschluss erreicht haben oder die Lehre abbrachen. Vor allem in ländlichen Regionen haben es Jugendliche schwer, einen Lehrplatz zu finden. Das

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Angebot ist meist klein und die Auswahl nicht gegeben. Jugendliche sind oft bereit, eine schlechte Arbeitssituation auf sich zu nehmen oder Rechte und Ansprüche hintanzustellen, nur damit sie in ihrer Umgebung bleiben können. Die fehlende Anonymität am Land erweist sich bei der Suche eines Ausbildungsplatzes als ein zweischneidiges Schwert. Einerseits finden manche Jugendliche gerade deswegen einen Lehrplatz, weil sie und ihre Familie bekannt sind, andererseits erweist sich Bekanntheit als soziale Bürde, wenn ein bestimmter Jugendliche oder seine Familie in der gesellschaftlichen Hierarchie der Dorfgemeinschaft ganz unten ist. Die soziale Stellung ist entscheidend für den beruflichen Aufstieg. Jedenfalls ist das Angebot an Lehrplatzsuchenden so groß, dass sich die Lehrherren meistens den Lehrling aus vielen aussuchen kann. Eine besondere Problemgruppe stellen Lehrabbrecher dar. In peripheren ländlichen Regionen sind die Bildungs- und Arbeitschancen generell schlechter. Vergleicht man den höchsten erreichten Bildungsabschluss, so zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Eine unzureichende berufliche Ausbildung ist oft mit Ursache für spätere Armut. Ein weiterer Faktor ist die geringe Attraktivität des Lebensraumes gerade für die Jugend aufgrund fehlender Ausbildungs-, Freizeit- und Kommunikationsmöglichkeiten. Als besonders schwerwiegend erweist sich in ländlichen Regionen das Phänomen der „versteckten“ oder „verschämten Armut“. Vielen fällt es schwer, ihre Recht auf Unterstützung in prekären Lebenssituationen in Form einer Sozialhilfe zu beantragen, v.a. auch deshalb weil dies am Gemeindeamt zu erfolgen hat. Der schlechte Ruf, welcher der Sozialhilfe anhaftet und die Angst, in der Dorfgemeinschaft in Verruf zu geraten, führt dazu, dass die Barrieren am Land wesentlich höher liegen als in der Stadt. Aufgrund der fehlendenden Anonymität und der Angst vor Stigmatisierung gibt es gerade in ländlichen Regionen viele arme Menschen, welche trotz Erfüllung der Anspruchskriterien vor einem Sozialhilfeantrag zurückscheuen. An der Sozialhilfe haftet das Bittsteller- und Almosenempfängerimage. Dies führt zu materieller, pflegerischer und psycho-sozialer Deprivation der Betroffenen. Wer möchte sich schon gerne vor dem Gemeindesekretär, der vielleicht ein Nachbar oder ehemaliger Schulkollege ist, in seiner Hilflosigkeit offenbaren müssen. Abgesehen davon besteht bei der Sozialhilfe ein Regressanspruch, d.h. sie

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muss später wieder zurückgezahlt werden, sofern sich die Lebensumstände gebessert haben. Leu zitiert eine von Hartmann (1981) in Deutschland durchgeführte Studie, wonach 48% der Anspruchsberechtigten die Sozialhilfe nicht beziehen. Die Gründe dafür lassen sich auf drei Ebenen fassen, auf der instrumentellen, administrativen und persönlichen Ebene (LEU et al. 1997, 184). Die Komplexität und Unklarheit der Regelungen, welche Ermessensspielräume beinhalten und als Bezugsbarrieren wirken, sehr bürokratische Verfahrensabläufe auf administrativer Ebene, geringe Höhe der Leistungen, Missbrauchskontrollen, Regressansprüche, schlechte Information und letztendlich die Angst vor einer erniedrigenden Behandlung und gesellschaftlichen Ächtung, wirken sich als Bezugsbarrieren aus. In Österreich ist die Situation ähnlich gelagert. Die Caritas geht davon aus, dass in ländlichen Regionen etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten wegen der angeführten Gründe freiwillig auf einen Sozialhilfeantrag verzichtet.

5. Bäuerliche Armut

Ländliche Armut ist nicht gleich bäuerliche Armut, aber sie ist auch bäuerliche Armut. Gesunkene Agrarpreise, niedrige Pensionen, unzureichende, ineffizient eingesetzte oder ungerecht verteilte Fördermittel sowie fehlende berufliche Perspektiven für die Zukunft erweisen sich hauptursächlich für Armut. Die Landwirtschaft war in den letzten Jahren und Jahrzehnten einem massiven strukturellen Wandel unterworfen und erlitt dabei einen stetigen Bedeutungsverlust, sowohl was ihren Anteil an der gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftsleistung als auch ihre Position im ländlichen Wirtschafts- und Sozialsystem betrifft. Dies gilt jedoch nicht unbedingt nur für die Landwirtschaft. Eine ganz ähnliche Situation lässt sich für das dörfliche Kleingewerbe feststellen, dessen Bedeutung im Lauf der letzten Jahrzehnte ebenfalls deutlich abgenommen hat. In den Ergebnissen einer von der Gesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie Bonn veröffentlichten Studie der Universität Hohenheim kommt der Wandel des Verhältnisses zwischen Dorf und Landwirtschaft klar zum Ausdruck. Beide Bereiche können heutzutage nicht mehr, wie dies früher in der Regel getan wurde, gleichgesetzt

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werden. Sie haben sich vielmehr voneinander gelöst. Es ist zu einem Neben-, oftmals sogar zu einem Gegeneinander zwischen ihnen gekommen. Die Wohn- und Freizeitfunktion dominiert das Dorfleben. Bäuerliches wird oft höchstens noch als idealisierte Chiffre für Romantik und Ländlichkeit bejaht, nicht aber als reale, gegebenenfalls lärmende und stinkende Landbewirtschaftung. Dadurch können sich Konflikte zwischen Dorfbewohnern und Landwirten aufbauen, die Landwirte fühlen sich vielfach in der dörflichen Gemeinschaft schon an den Rand gedrängt (Hainz 1999). Landwirte sind in besonderem Maße von Armut bedroht. Geht man von der ÖSTAT Konsumerhebung aus, so gelten 30,6% aller bäuerlichen Haushalte in Österreich als armutsgefährdet. Dieser Prozentsatz liegt damit unter Anwendung der OECD Skala im internationalen Vergleich deutlich höher als etwa in Frankreich (20,3%), Deutschland (10,0%) oder Großbritannien (3,9%) (LUTZ et al. 1993, 48). Ausschlaggebend dafür ist in erster Linie die überwiegend klein- und mittelgroße Struktur der österreichischen Landwirtschaft. Die Lebenssituation in den bäuerlichen Familien und Haushalten ist im Wesentlichen einmal vom erwirtschafteten landwirtschaftlichen Einkommen abhängig. Das Einkommen könnte mit außerlandwirtschaftlichen Referenzeinkommen verglichen werden, um die Stellung der in der Landwirtschaft Beschäftigten im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen zu verdeutlichen. Dabei ergeben sich aber Schwierigkeiten aufgrund der großen Heterogenität der landwirtschaftlichen Betriebe. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind nicht nur ungleich groß, sie haben auch unterschiedliche Betriebs- und Produktionsformen sowie klimatische und naturräumliche Standortvoraussetzungen. In den Ungunstlagen können landwirtschaftliche Betriebe oft nur noch mit öffentlichen Subventionen und Direktzahlungen überleben. In den letzten Jahren, vor allem aber seit dem EU-Beitritt, gewinnen direkte Einkommenstransfers für die österreichische Landwirtschaft eine immer größere Bedeutung. Diese öffentlichen Fördermittel werden etwa als Ausgleichszahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, Ausgleichszulage für Betriebe in Berggebieten und benachteiligten Gebieten oder im Rahmen des österreichischen Umweltprogramms

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(ÖPUL) für eine umweltgerechte und nachhaltige Bewirtschaftung gewährt. Überschuldung ist gerade in der Landwirtschaft ein weit verbreitetes Problem. Ursächlich hängt dies einerseits zusammen mit den sinkenden Agrarpreisen und dem geänderten Förderungssystem im Zuge des EU-Beitritts, aber auch mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. Die Hauptgründe für Überschuldung liegen zumeist in Fehlinvestitionen, falschen wirtschaftliche Erwartungen und Hypothekarkredite. Banken gewähren oft sehr lange Hypothekarkredite aufgrund der Sicherstellung durch Eigentum an Grund und Boden. Die Betroffenen erkennen oft sehr lange nicht das Problem oder sie hoffen auf eine plötzliche Besserung ihrer Situation. Viele Betriebe geraten auf diese Weise immer tiefer in die Schuldenfalle. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass eine Überschuldung trotz allen strukturell bedingten Ursachen sehr oft auch auf ein individuelles Fehlverhalten zurückzuführen ist. Aus falschen Erwartungshaltungen heraus, bloßem Prestigedenken oder aus Mangel an Information werden häufig falsche Entscheidungen getroffen. Es fehlt den Betriebsleitern vielfach an ausreichenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und an Beratung bzw. die Beratungsangebote werden nicht entsprechend in Anspruch genommen. Häufig sind gerade jene Betriebe mit den modernsten Ställen, den teuersten Maschinen und den größten Auszeichnungen jene, die als erste unter den Hammer kommen. Die konkrete Rolle des Landesprodukten- oder des Landmaschinenhandels im Zusammenhang mit Fehlinvestitionen ist dabei ebenfalls zu berücksichtigen, denn auch die Handelsvertreter müssen schließlich von ihren Provisionen leben. Landwirtschaftsberatung und Schuldnerberatungsstellen werden oft erst dann konsultiert, wenn es bereits zu spät ist. In Zeiten zunehmender Erwerbskombination und gegenseitiger Verschränkungen von Wirtschaftssektoren zeitigt die allgemeine wirtschaftliche Lage auch immer stärkere Auswirkungen auf die bäuerliche Armut. Gerade Nebenerwerbslandwirte verlieren nicht selten ihren Arbeitsplatz mit dem Hinweis, sie hätten ja zuhause ohnehin noch eine Existenzgrundlage. Viele, v.a. ältere Bauern verfügen leider noch immer noch über keine entsprechende Qualifikation und Ausbildung, die es ihnen ermöglichen würde, einen

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außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatz, der über eine reine ungelernte Hilfstätigkeit hinausgeht zu ergreifen. Dies behindert naturgemäß die außerlandwirtschaftlichen Erwerbsperspektiven. In den letzten Jahrzehnten konnten aber gerade in diesem Bereich vom landwirtschaftlichen Bildungswesen große Erfolge erzielt werden. Jüngere Landwirte haben heute nicht selten eine sehr gute Qualifikation, die ihnen auch im außerlandwirtschaftlichen Bereich interessante berufliche Perspektiven eröffnet. Als armutsrelevant erweist sich auch der Bereich der bäuerlichen Alterssicherung. In der Pensionsversicherung der Bauern gibt es 2002 etwas mehr als 55.000 Ausgleichszulagenbezieher, das sind mehr als 30% aller Bauernpensionisten, bei denen die Alterspension unter dem Ausgleichzulagenrichtsatz (2002: 630,92 € für Alleinstehende, 900,13 € für Ehepaare) liegt. Damit hält die Pensionsversicherung der Bauern mit Abstand den höchsten Anteil bei den Ausgleichszulagenbeziehern. Ursache für diese niedrigen Pensionen ist die niedrige Bemessungsgrundlage. Bei Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes wird das „fiktive Ausgedinge“ in Form einer Pauschalanrechnung der betrieblichen Ausgedingeleistungen, d.h. ohne Rücksicht auf die tatsächliche Art bzw. Ausmaß der ausbedungenen Leistungen oder eine etwaige Betriebsaufgabe vom Ausgleichszulagenrichtsatz abgezogen. Durch den Abzug des fiktiven Ausgedinges kommt es oft zu einem sehr niedrigen Auszahlungsbetrag. Probleme ergeben sich außerdem, wenn aus diversen Gründen kein tatsächliches Ausgedinge geleistet wird. In diesen Fällen besteht zwar seit 1989 eine Härtefallregelung, die jedoch in der Praxis sehr restriktiv gehandhabt wird. Mit 1.1.2002 wurde das fiktive Ausgedinge mit höchstens 27% des Ausgleichszulagenrichtsatzes begrenzt. Es bestehen Überlegungen das fiktive Ausgedinge bis 2009 auf 20% abzusenken, was jedoch eine erhebliche Belastung des Bundeshaushaltes darstellen würde. Bäuerinnen sind von Armut wesentlich häufiger betroffen als Bauern. Bei der Bäuerinnenarmut hat die Frage der konkreten Verfügungsmacht über den Betrieb und die finanziellen Einnahmen eine zentrale Bedeutung. In vielen Betrieben hat der Bauer immer noch die alleinige Kompetenz bei betrieblichen Entscheidungen und alleinigen Zugang zum Betriebskonto. Lange Zeit erlangten Bäuerinnen in

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Vollerwerbsbetrieben keinen eigenen Pensionsanspruch. Erst 1992 konnte eine vollwertige und eigenständige Bäuerinnenpension erreicht werden. Trotzdem haben viele Bäuerinnen immer noch keinen Anspruch auf eine eigene Pension, v.a. dann wenn sie (i) aufgrund ihres Alters und der geringen Versicherungszeiten

keine eigene Anwartschaft auf eine Bäuerinnenpension mehr erwerben können. Diese Gruppe von älteren Bäuerinnen hatte zwar die Möglichkeit, durch einen Antrag auf eine Pensionsversicherung zu verzichten und sich somit die Pflichtbeiträge zu ersparen, dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie trotz eines langen Arbeitslebens keine eigene Pension erhalten können.

(ii) durch einen sgn. „Ausstattungsbeitrag“ anlässlich der Einheirat in den landwirtschaftlichen Betrieb auf frühere, aufgrund einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit erworbene Versicherungszeiten verzichtet hatten. Der Ausstattungsbeitrag stellte quasi eine Abfindung auf Versicherungszeiten für ehemalige außerlandwirtschaftlich berufstätige Frauen dar, die als Bäuerin, in einer Zeit als es noch keine Bäuerinnenpension gab, keine Chance mehr auf eine eigene Pension hatten. Diese Zeiten müssen nun teuer nachgekauft werden.

(iii) oder bei einer Scheidung auf Unterhaltsrechte verzichtet haben (v.a. bei Pensionsteilungen).

Sofern Bäuerinnen keine eigene Pension erhalten, sind sie immer noch auf eine niedrige Hinterbliebenenpension oder auf Sozialhilfe angewiesen. Sozialhilfeleistungen sind ohne Rechtsanspruch und müssen in den meisten Bundesländern bei späterem Vermögen oder Einkommen wieder zurückgezahlt werden. Aus diesem Grund entfallen Sozialhilfeleis48tungen vielfach, wenn bei Hofübergabeverträgen Ausgedingeleistungen festgeschrieben werden.

6. Resümee

Armut wirkt sich am Land für die Betroffenen oftmals wesentlich krasser aus als im städtischen Umfeld. Nicht nur, dass die Armutsfaktoren spezifischer wirken, sie sind auch kumulierend und verstärken sich gegenseitig. Die Armutsspirale dreht sich dann oft rascher und

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unbarmherziger. Möglicherweise läuft am Land jemand seltener Gefahr zu verarmen, sofern man relativ intakte soziale Dorfstrukturen voraussetzt, was man auch immer genau darunter zu verstehen vermag. Doch ist einmal jemand aus dem sozialen Sicherheitsnetz der Dorfgesellschaft herausgefallen, dann sind die Konsequenzen meist wesentlich härter. Eine negativ konnotierte Armut führt zu Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung. Wird Armut nicht als strukturelles sondern als individuelles Problem gesehen, so wirkt sie auch als Strafe. Armut wird von den Betroffenen selber als Peinlichkeit erlebt, zugedeckt und versteckt. Eine Hauptaufgabe ist es daher, Einsicht und Verständnis für die Situation und Problemlagen der ländlichen Armut und sozialen Ausgrenzung am Land zu wecken und damit zu deren effektiven Bekämpfung beizutragen. Effektive Maßnahmen zur Bekämpfung der ländlichen Armut und sozialen Ausgrenzung setzen zunächst einmal ein Grundverständnis über deren strukturelle Ursachen und Wirkungen sowie einen Grundkonsens über die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen überhaupt voraus. Die herrschenden politischen Paradigmen müssten sich wieder mehr vom Konkurrenzdenken wegbegeben und auf eine verstärkte soziale Verantwortlichkeit und Solidarität rückbesinnen. Denn erst dann, wenn der politische Wille gegeben und die gesellschaftlichen Ausgrenzungs- und Stigmatisierungsmechanismen beseitigt sind, kann es gelingen, die ländliche Armut wirksam und nachhaltig zu beseitigen. Dies würde einerseits Strukturen und politische Rahmenbedingungen von oben und andererseits eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung von unten, getragen von den lokalen und regionalen Wohlstandsverbänden, Sozialinitiativen, Kirchen, örtlichen Vereinen, Betroffenen und sonstigen Engagierten, voraussetzen. Dirigistische Maßnahmen von oben sind alleine genauso wenig geeignet wie von einander isolierte lokale Initiativen ohne entsprechende Einflussmöglichkeiten. Erst ein Zusammenwirken von „top-down“ und „bottom-up“ kann die notwendige Dynamik entwickeln und erfolgversprechende Maßnahmen setzen. Ein Bürgermeister, der einmal im Jahr zu Weihnachten die Armen in seiner Gemeinde besucht, stellt sich wahrscheinlich selber mehr ins Rampenlicht als er tatsächlich hilft. Sinnvoller wären nachhaltige

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politische Maßnahmen, die natürlich manchmal auch mit Konzessionen und persönlichen Opfern verbunden sind. Wohlgemerkt, diese Kritik ist nicht an jene gerichtet, welche sich in selbstloser und aufopfernder Weise für die Armen und sozial Schwachen einsetzen und die viel Positives bewirken. So gesehen ist eine wirksame Bekämpfung der Armut, insbesondere der ländlichen Armut, nur in Form einer integrativen Regional- und Sozialpolitik unter Zusammenwirkung der verschiedenen Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen möglich. Von sektoralen Betrachtungsweisen sollte abgegangen werden. Ziel ist ein integratives Vorgehen bei Vernetzung aller Sektoren und Handlungsträger. Die entsprechenden Maßnahmen sollten in den unterschiedlichsten Bereichen wie der Sozial-, Beschäftigungs-, Gesundheits-, Bildungs-, Familien-, Frauen-, Kinder-, Wohnbau-, Fiskalpolitik und der Regionalentwicklung gesetzt werden, jedoch nicht isoliert und auf sich bezogen sondern übergreifend. Die staatlichen Steuerungsinstrumente können nur dann effizient wirken, wenn sie gleichzeitig von den Akteuren auf lokaler Ebene mit voller Unterstützung getragen werden. Für die erfolgreiche Durchführung von Maßnahmen muss ein Grundkonsens der wesentlichen Akteure über das Ziel einer Bekämpfung der ländlichen Armut und sozialen Ausgrenzung bestehen. Darüber hinaus müssen sich die Akteure v.a. aber die lokale Bevölkerung und die Betroffenen mit den Zielen und Maßnahmen identifizieren können. Den Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich muss ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Denn eine fehlende oder gar negative wirtschaftliche Dynamik hat oft fatale Auswirkungen auf den Sozialbereich und wirkt bei bestimmten Segmenten der Bevölkerung armutsverursachend oder armutsverstärkend. Bei der Umsetzung von Maßnahmen ist zu beachten, dass dies nicht nur in Österreich, d.h. auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene geschehen kann. Es gilt die Forderung nach einer verbindlichen EU-Sozialcharter, einer sozial verträglichen EU – Wirtschafts-, Agrar-, Strutur- und Regionalpolitik und nach einer Demokratisierung der EU-Entscheidungsstrukturen allgemein.

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Nicht zuletzt setzen Maßnahmen einer Armutsbekämpfung auch ein umfassendes Demokratieverständnis voraus. Es reicht nicht, Menschen mit den lebensnotwendigsten Dingen zu versorgen, es müssen auch wirksame Lösungen gegen soziale Benachteiligung und ein besseres Problemverständnis in der Bevölkerung gefunden werden. Denn ein gesellschaftliches und politisches Mitspracherecht, Chancengleichheit beim Zugang zu Beruf, Gesundheit und Bildung etc. dürfen in einer entwickelten Demokratie nicht von der materiellen Situation abhängigen. Dies setzt ein humanes Verständnis voraus, sei es nun politisch oder religiös motiviert.

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Anschrift des Verfassers

Dr. Georg Wiesinger

Bundesanstalt für Bergbauernfragen

A-1030 Wien Marxergasse 2 Tel. +431.504.88.69.20, FAX +431.504.88.69.39

e-mail: [email protected]

http://www.babf.gv.at

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Kultureller Reichtum im ländlichen Raum: Zum

Schutz historischer Ortsbilder in der Steiermark Cultural Riches in Rural Areas: the Preservation of Historic Centers in Styria/Austria

Walter ZSILINCSAR

Zusammenfassung

Armut und Reichtum im ländlichen Raum sind kein ausschließlich materielles Phänomen wie beispielsweise das Angebot an (qualifizierten) Arbeitsplätzen, an technisch-kommunaler Infrastruktur, an Kultur- und Bildungsinstitutionen, an quantitativ und qualitativ ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheits- und Wohlfahrtseinrichtungen. Beide Begriffe werden zudem gewöhnlich statistisch untermauert, wie z.B. mittels der Steuerkopfquote von Gemeinden, der Arbeitslosenrate, der Höhe der Kapitalinvestitionen oder der Kommunalschulden. Wesentlich seltener dienen dagegen schwer oder nicht quantifizierbare Parameter wie kultureller Reichtum, Ästhetik des Raumes oder der genius loci als Bestimmungsgrößen. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, welchen Stellenwert Armut und Reichtum in einem regionalen Kontext einnehmen, wenn ihnen ein immaterieller Wert zugrunde gelegt wird, nämlich der des kulturellen Reichtums gemessen an hervorragenden Beispielen des baukulturellen Erbes historischer Ortsbilder. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage, ob und wie der kulturelle Reichtum einer städtischen Siedlung in einem ruralen Umfeld definiert werden kann. Im Jahre 1977 hat die Steiermärkische Landesregierung erstmals ein umfassendes Ortsbildgesetz erlassen, um der kontinuierlichen Zerstörung intakter Ortsbilder primär als Folge des ungebremsten Wirtschaftswachstums der Nachkriegszeit entgegenzuwirken. Dieses Bestreben sah sich allerdings mit einer gewissen Ignoranz gegenüber

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kulturellen Anliegen unter Teilen der zuständigen Kommunalpolitiker und der Bevölkerung konfrontiert. Gesetze alleine vermögen jedoch nichts zu verändern. Um die nötige Unterstützung für baukulturelle Anliegen bei Politikern, Bürgern und Wirtschaftstreibenden zu erzielen, bedarf es ständiger Information und großer Überzeugungskraft. Eine wichtige Hilfestellung beim Schutz historischer Ortsbilder im ländlichen Raum kann dadurch erzielt werden, dass Verantwortungsträger und Bürger davon überzeugt werden, dass kultureller Reichtum sich auch ökonomisch rechnet. In der Steiermark haben 66 von insgesamt 543 Gemeinden eine verordnete Ortsbildschutzzone. Sie drücken damit nicht nur ihren Respekt vor dem historischen Erbe aus, sondern vielmehr ihre Bereitschaft, dieses auch unter dem Aspekt seines ökonomischen Wertes zu pflegen und der Nachwelt zu erhalten. Schlagworte: Gesellschaft-Raum-Beziehung, Armut, Reichtum,

Schutzgüter, Baukultur, Kulturlandschaft, Ortsbildschutz

Summary

Poverty and wealth in rural areas are not only a manifestation of mate-rial features like the number and availability of (qualified) jobs, of technical-communal infrastructure, of institutions for cultural and educational activity, of quantitatively and qualitatively sufficient shopping possibilities, health and welfare services. People are used to load these terms with statistical figures like taxable capacity of com-munities, number of the unemployed, capital investment activities, amount of communal indeptedness, etc. Hardly ever uncountable units of measurements like cultural wealth, aesthetic value, or genius of a place are being taken into consideration. The paper discusses how to evaluate the poverty and wealth problem as to its regional aspect by the example of an immaterial good: cultural wealth concentrating in excellent works of architectonic heritage as it has been delivered in many of the country`s historic centers. The basic question to be answered in this context is how to define cultural wealth of an urban settlement within a rural environment. In 1977 for the first time the Styrian provincial government has passed a law for the pro-tection of historic centers in the country facing severe and continuous

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Kultureller Reichtum im ländlichen Raum

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signs of their distruction as consequence of post-war economic recov-ery which, in many cases, was accompanied by the spread of cultural neglect among (local) politicians as well as critizens. It has shown, however, that passing a law by itself does not guarantee the improvements desired. Constant information and explanatory work regarding the role and importance of our architectonic heritage for cultural self-identification in the past, presence, and future are nec-essary for gaining support by politicians, the local population, and economy. Indicating ways and possibilities to generate economic ad-vantages from cultural activities like the preservation of historic centers in rural areas can be an important clue to the success of the idea. Meanwhile altogether 66 out of 543 Styrian communities have issued decrees for the protection of their historic centers. By this measurement they do not only express respect on behalf of their cultural heritage but also demonstrate readiness to its further development for the benefit of economic prosperity also. Keywords: Society-space relation, poverty, riches, protective cul-

tural value, building culture, cultural landscape, protec-tion of historic centers

1. Einleitung und Problemstellung

Armut und Reichtum stehen in ihrer tiefgreifenden sozioökonomischen, soziopolitischen und soziokulturellen Bedeutung im Kontext der allgemeinen Gesellschaft-Raum-Beziehung. Siedlungs- und Kulturflächen sind sichtbarer Ausdruck dieser Interaktion. Der Mensch als sozialer Akteur i.w.S. ist eingebunden in das Spannungsfeld überlebensstrategischer, kulturhistorischer, ökonomischer, politischer und anderer Interessen, die seinen Umgang mit der gebauten Umwelt im besonderen beeinflussen. Da letztere in ihrer Funktion als historisches Erbe nicht nur in ideeller, sondern auch in materieller Hinsicht Zeichen des kulturellen Reichtums einer Region oder eines ganzen Landes ist, scheint es angebracht, sich mit den Problemen ihrer Erhaltung, Pflege und Weiterentwicklung nicht primär aus der Sicht des Baudenkmales auseinander zu setzen, sondern sie als lebenden Organismus anzusehen.

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Wenn wir von Armut und Reichtum im ländlichen Raum sprechen, so denken wir in erster Linie an den materiellen Aspekt dieser Begriffe bzw. an die daraus für die Bevölkerung resultierenden Konsequenzen, also an das Fehlen oder (reichliche) Vorhandensein von (qualifizierten) Arbeitsplätzen, von technisch-kommunaler Infrastruktur, von Kultur- und Bildungseinrichtungen, von quantitativ und qualitativ ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten, Sozial- und Gesundheitsdiensten, usw. Wir bewerten ländliche Räume hinsichtlich der Qualität ihrer Erreichbarkeit, nach land- und forstwirtschaftlichen Ertragsbedingungen, nach den Möglichkeiten der touristischen Erschließung oder der Schaffung von nicht- agrarischen Arbeitsplätzen, um Abwanderung (= „Armut“) zu verhindern bzw. neue Einkünfte für die Kommunen und ihre Bürger (= „Reichtum“) zu sichern. In der Regional- und Kommunalpolitik werden Armut und Reichtum nach der Höhe der Steuerkraftkopfquote bemessen. Alle Gemeinden, die in ihrer Größengruppe die Landesdurchschnittskopfquote überschreiten, gelten als finanzstarke, d.h. in gewissem Sinne als reiche Gemeinden (STEIERMÄRKISCHER GEMEINDEBUND, 2001). Im Rechnungsjahr 2000 bewegten sich die Steuerkraftkopfquoten in steirischen Gemeinden zwischen 416,16 EUR in der Gemeinde Breitenfeld im Bezirk Leibnitz und 1683,40 EUR in der Gemeinde Raaba im Bezirk Graz-Umgebung. Der Einnahmenerfolg an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben betrug im gesamten Bundesgebiet im Jahre 2000 pro Einwohner 5529,20 EUR. Von dem den Gemeinden einschließlich Wien durchschnittlich pro Einwohner zur Verfügung stehenden Anteil aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für das Jahr 2000 in Höhe von 732,94 EUR entfielen länderweise auf einen Wiener 987,33 EUR, auf einen Burgenländer jedoch bloß 539,21 EUR (STEIERMÄRKISCHER

GEMEINDEBUND, 2002). Da Steuern und Abgaben zu den wesentlichen Gemeindeeinnahmen gehören, sind Steuerkraftkopfquoten ohne Zweifel ein wichtiger Indikator für die Finanzkraft einer Gemeinde. Dennoch hängen Armut und Reichtum nicht nur von der Menge eines zur Verfügung

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stehenden materiellen Gutes (z.B. Geld, Aktien, Immobilien, Sachgüter) ab, sondern wohl auch davon, wie damit umgegangen, d.h. gewirtschaftet wird. Gibt es folglich schon genug Schwierigkeiten, Armut und Reichtum nach rein materiell-quantitativen Kriterien definieren zu wollen und dies noch dazu auf Räume bzw. Landschaften unterschiedlicher Größe, physischer Ausstattung, Lage, Ressourcengrundlagen und historischer Entwicklung umzulegen, so wird ein solches Unterfangen unter Einbeziehung ideell-qualitativer Parameter vollends zum Glücksspiel.

2. Armut und Reichtum als gesellschaftsrelevante Parameter

Es soll in diesem Rahmen keinesfalls eine semantische Diskussion über die Begriffe Armut und Reichtum losgetreten werden, schon allein deshalb nicht, um in keine Endlosdebatte einzutreten. Wenn man jedoch zu diesem Thema im ländlichen Raum Stellung beziehen will, ist es unerlässlich, beiden Begriffen einen bestimmten (persönlichen) Stellenwert zuzumessen. Darüber hinaus macht die allgemeine Auseinandersetzung mit dem Wohlstandsbegriff auch und gerade dann Sinn, wenn es um die Frage des kulturellen Reichtums geht bzw. um die Rolle, die historischen Ortsbilder in diesem Zusammenhang spielen. Immerhin wissen wir, dass sich, von Zeugnissen der Hochkultur abgesehen, historisch wertvolle, geschlossene Ortsbilder gerade dort, wenn auch mit bautechnischem Substanzverlust, erhalten haben, wo eingeengte polit-ideologische Denkweisen verbunden mit mangelnden bzw. anderwertig prioritär eingesetzten materiellen Ressourcen „Flächensanierungen sprich -demolierungen“ verhinderten bzw. verzögerten. Die Wenderegime im ehemaligen kommunistischen Ost-Mitteleuropa haben diesen kulturellen Reichtum erkannt und sind entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten bemüht, ihr bauhistorisches Erbe nicht nur deshalb neu zu bewerten und zu pflegen, weil sie es als nationales Identitätsmerkmal wieder entdeckten, sondern weil sie im kulturellen Reichtum auch eine Möglichkeit sehen, den betroffenen Siedlungen und Regionen zu neuem Wohlstand zu verhelfen (z.B. durch neue Aufgaben für das Bau- und Baunebengewerbe, Ankurbelung des Tourismus, allgemeine Wirtschaftsbelebung, Schaffung neuer Arbeitsplätze, usw.).

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Andererseits hat der Wohlstand im westlichen Europa aus rein ökonomischen Gründen vieles von jener historischen Substanz zerstört oder verunstaltet, was die beiden großen Kriege überdauert hat. Man kann durchaus von einer unwiederbringlichen baukulturellen Verarmung sprechen, die zahlreiche Städte, Märkte und Dörfer auch in unserem Land im Zuge der Wiederaufbaueuphorie nach dem II. Weltkrieg geprägt hat. Nach den Jahren des „Wirtschaftswunders“, das Rückbesinnung auf die Vergangenheit, auf „bleibende Werte“, auf bewahren gerne als wertkonservativ, rückschrittlich, innovations- und fortschrittshemmend ansah, verschrieben sich im Sog der neuen Umweltschutzbewegung der Siebzigerjahre des abgelaufenen Jahrhunderts einzelne Kunsthistoriker, Architekten, Denkmalpfleger, Journalisten und Kulturpolitiker der Idee, die architektonisch wertvollen Zentren unseres Landes in ihrem weiteren Bestand als kulturellen Reichtum zu sichern. Die nötige legistische Basis dafür schuf das Steiermärkische Ortsbildgesetz vom 28. Juni 1977 (STEIERMÄRKISCHER LANDTAG, 1977). Es fällt auf, dass der Begriff Armut in Lexika und Enzyklopädien viel häufiger behandelt wird als der Begriff Reichtum. Dabei wird grundsätzlich die Schwierigkeit, um nicht zu sagen Unmöglichkeit, einer allgemein gültigen Definition beider Begriffe unterstrichen. Armut und Reichtum sind ein Phänomen mit vielen Dimensionen, zumindest aber können sie unter einem absoluten und einem relativen Aspekt betrachtet werden. Während ein personen- oder gruppenbezogener Armutsbegriff noch verhältnismäßig einfach zu umschreiben ist, fällt das beim Begriff Reichtum ungleich schwerer. Die Definition eines absoluten Armutsbegriffes setzt ein quantitativ definierbares Bezugslevel voraus, etwa die Benennung eines täglichen, monatlichen oder jährlichen Mindesteinkommens, welches Gesellschaft und Politik als Armutsgrenze festlegen. Man geht dabei davon aus, dass Armut dort beginnt, wo gerade noch die absolut notwendigen Grundbedürfnisse des Lebens, bestimmte Konsumbedürfnisse jedoch nicht mehr befriedigt werden können. Das sind in der Regel auch die Mindeststandards, welche für die Gewährung von Sozialhilfe Anwendung finden.

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Zu geringes Einkommen allein reicht freilich als Maß für menschliche Entbehrungen nicht aus. Dies bringt auch die Armutsdefinition der United Nations zum Ausdruck, wenn sie Armut als Vorenthaltung von Chancen und Wahlmöglichkeiten sieht, die für die menschenwürdige Entwicklung grundlegend sind. Menschliche Armut bedeutet demzufolge den Verzicht auf ein langes, gesundes, kreatives Leben, das Vorenthalten von Bildung, Würde, Selbstachtung, aber auch von Achtung durch andere (vgl. BRUNOTTE, et al. 1, 2001; THE CANADIAN

ENCYCLOPEDIA, 1985). Noch weit schwieriger als bei der Armut ist es, den Begriff Reichtum zu objektivieren. Er hat viele Bedeutungsebenen, je nach dem, ob man ihm eine subjektiv-individuelle, eine objektiv-generelle oder eine materielle bzw. ideelle, eine absolute oder relative Sichtweise unterlegt. Zudem scheint es in unserer heutigen westlichen Konsum- und Leistungsgesellschaft weit weniger opportun zu sein über Reichtum als über Armut zu sprechen, frei nach dem Motto: „Geld hat man, aber über Geld spricht man nicht“. Reichtum in seiner primären Bedeutung ist ein kollektiver Begriff. Er lässt sich als materieller Parameter in zweifacher Weise messen: einmal mittels bestimmter Maßeinheiten wie Quadratmeter (z. B. bei Wohnungs- und Grundstücksgrößen), Barrel (beim Erdöl), Tonnen (in der Primärproduktion) u.v.m. und zum anderen in Geldmengen. Geld selbst ist kein Synonym für Reichtum, es kann diesen jedoch begründen oder definieren. In Verbindung mit territorialen Einheiten gebracht ist es üblich, den Wohlstand oder die Armut der Bewohner eines Landesteiles oder einer ganzen Nation mittels des Bruttonational- oder Bruttosozialproduktes bzw. anderer volkswirtschaftlicher Kennzahlen wie der Höhe der Staatsschulden, Inflationsraten, Arbeitsmarktdaten, Konjunkturverlauf, Handelsbilanzen, Investitionstätigkeit, usw. auszudrücken. Will man dagegen den Reichtum des einzelnen Individuums ergründen, dann zeigt sich noch viel deutlicher und gewichtiger als bei territorialen Verbünden die Bedeutung ideeller Indikatoren wie persönliche Freiheiten in Anspruch nehmen zu können, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das uneingeschränkte Wahlrecht, das Recht auf freie Wahl des Wohnortes, der Inanspruchnahme von Gesundheits-

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und Bildungseinrichtungen, u.v.m. zu besitzen. Zum individuellen wie auch zum gesellschaftlichen Reichtum zählen aber auch die persönlichen Fähigkeiten, Begabungen, Talente, bzw. der Wille und die Möglichkeit, diese zum eigenen Nutzen oder dem des Gemeinwohles „gewinnbringend“ einzusetzen.

3. Armut und Reichtum als raumrelevante Parameter

Hat der knappe Diskurs über die semantische Bedeutung der Begriffe Armut und Reichtum in den Sozial-, Wirtschafts- und Raumwissenschaften für Einzelindividuen und Gruppen bereits schier unüberwindbare Schwierigkeiten aufgezeigt, so werden diese bei einer Umlegung auf den Raum noch größer. Dabei ist davon auszugehen, dass die Begriffe Kultur, ländlicher Raum oder historisches Ortsbild ebenso weit gefasst und breit diskutiert werden können wie dies bei Armut und Reichtum der Fall ist. Das liegt aber nicht im Sinne dieses Beitrages. Wohl stellt sich jedoch die Frage, in wieweit neben ökonomischen, demographischen oder sozialpolitischen Kenndaten auch solche der kulturellen Vielfalt oder Einmaligkeit der Leistungen des historischen Erbes wie jener der Gegenwart, der Achtung vor dem qualitätsvollen Bewährten wie der Aufgeschlossenheit gegenüber dem guten Neuen Ausdruck (kulturellen) Reichtums sind. Da Landschaften per se weder arm noch reich, liebenswert oder eintönig, wertvoll oder wertlos sind, sondern es sich dabei ausschließlich um menschenbezogene Wertigkeiten handelt, mittels derer Landschaften, Räume einer Nützlichkeitsprüfung i.w.S. unterzogen werden können, ist die Kulturlandschaft Gegenstand der Prüfung. Der Dimension dieses Begriffes eingedenk soll in der Folge das Augenmerk auf die historischen Ortsbilder konzentriert werden. Die grundsätzliche Frage ist wohl die, was denn den kulturellen Reichtum der ländlichen Ortsbilder ausmacht. Eine allseits befriedigende Antwort darauf gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Kulturlandschaften, zu verschieden werden die in ihnen enthaltenen kulturellen Reichtümer einerseits von der authochtonen Bevölkerung, anderseits von Außenstehenden gesehen. Geradezu unmöglich ist es, die jeweiligen Bewertungsgrundlagen und

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Entscheidungskriterien des/der Raumbeobachtenden einer quantifizierbaren Analyse zu unterziehen. Dabei sind uns wertende Beschreibungen von Kulturlandschaften als stereotype Ansagen durchaus vertraut. All diese meist allzu leichtfertig dahingesprochenen Deskriptionsfloskeln für durch den Menschen geprägte Landschaften machen uns darauf aufmerksam, dass Räume, seien sie ländlich oder städtisch geprägt, hinsichtlich ihrer Wertigkeit auch stark zeitgeistgebundenen Kriterien unterliegen. Bodenschutzverordnungen, Wasserrecht, Luftreinhalteverordnungen, u.a.m. sollten einen Beitrag zum Erhalt der natürlichen Schutzgüter (Boden, Wasser, Luft) und naturnaher Landschaften leisten. Natur- und Landschaftsschutzgebiete wurden zum Schutz und zur Pflege von besiedelter und unbesiedelter Natur als Lebensgrundlage für die Menschen und ihre Erholung eingerichtet (WEGMANN, 1990). Alle diese Maßnahmen machen deutlich, dass der Mensch auch die von ihm (noch) weitgehend unberührten Landschaften als ein schützenswertes Gut betrachtet, als Teil seines Lebens- und Wirtschaftsraumes, mit dessen sorgsamen oder sorglosen Umgang er seine kulturelle und zivilisatorische Position bekräftigt. Mit der globalen Ausbreitung der menschlichen Zivilisation ist das Gleichgewicht des Naturhaushaltes aus den Fugen geraten, sind natürliche oder naturnahe Räume auf wenige Residualgebiete eingeengt worden, die zumindest ansatzweise unter besondere Obsorge gestellt wurden (s. die in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommenen Landschaften), um sie vor (weiterer) Zerstörung zu schützen. Innerhalb der als Lebens- und Wirtschaftsraum beanspruchten Flächen, also der Kulturlandschaften, haben zunächst nur die herausragenden Leistungen menschlicher Genialität in Architektur, Bildhauerei und Technik Anlass gegeben, sich für einen Erhalt als Zeugnisse kulturellen Reichtums einzusetzen. Ein bundesweiter Denkmalschutz wurde erstmals im Jahre 1923 in Österreich institutionalisiert. Seine Aufgabe beschränkt sich freilich in erster Linie auf den Erhalt von künstlerisch, architektonisch und bauhistorisch

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wertvollen Einzelobjekten. Der Ensembleschutz ist/war eher die Ausnahme. Beide Anliegen, der Schutz natürlicher Lebensräume und der Erhalt der baukulturellen Glanzleistungen unserer Vorfahren wurzeln in der technisch-industriellen Revolution des 19. Jh. Der Mensch als Maß aller Dinge, der im protagoräischen Sinne seit dem 5. Jh. v. Chr. im Handwerk, in der Baukunst, im täglichen Leben die Grundlage der Maßstäblichkeit war, hatte ausgespielt. Technik und Wissenschaft sprengten alle bisher bekannten Grenzen des menschlichen Geistes. Ja noch mehr, am Beginn des 21. Jh. fordert der Mensch selbst das Patent auf Leben ein. Wen wundert es da, dass sich Skepsis und Widerstand gegenüber der menschlichen Hybris regten, um der drohenden (Selbst)Zerstörung der überlieferten kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften Einhalt zu gebieten. Die aus der industriellen Revolution hervorgegangene Industriegesellschaft führte zu einer Neubewertung des „Natur“-Begriffes. Im Sinnes des Selbstverständnisses der Naturwissenschaften ist Natur im Gegensatz zur Kultur empirisch geprägt. Die Menschheit begann, unter Berufung auf ein missinterpretiertes Bibelzitat, sich die Erde untertan zu machen. Die Antithese zu dieser Entwicklung kann freilich nicht J.J. Rousseaus Aufruf „zurück zur Natur“ sein. Vielmehr kommt es darauf an, den für unsere kulturelle und ökonomische Weiterentwicklung notwendigen technologisch-wissenschaftlichen Fortschritt in Einklang mit den Erfordernissen für eine ökologisch intakte Umwelt zu bringen. Der ländliche Raum eignet sich in besonderer Weise dazu, diese These zu stützten. Die rasante agro-technologische Entwicklung in der Tier- und Pflanzenproduktion hat schon in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts revolutionäre Veränderungen im Gefüge des ländlichen Raumes bewirkt. Doch diese sind nicht Gegenstand unserer Betrachtungen, wiewohl heute die ländliche Kulturlandschaft an sich zum Schutzgegenstand geworden ist. Deagrarisierungsprozesse, Flurbereinigungen, Straßen- und Wegebau, Gewässerbegradigungen, Meliorierungen, maschinengerechte Parzellengefüge, Monokulturen, usw. haben vielenorts ausgeräumte Landschaften, Kultursteppen

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zurückgelassen. Die rücksichtslose Ausbeutung und Zerstörung anthropogener Ökosysteme, die als Streuwiesen, heckenbestandene Lesesteinwälle oder Feldraine zur sichtbaren Markierung von Parzellen- bzw. Besitzgrenzen, als kleinteilige Gewannfluren, als bachufersäumende Galeriewäldchen, als Wölbackerfluren auf feuchten Talböden, als mit traditionellen Weidezäunen begrenzte Almen Zeugnisse für eine alte überaus reichhaltige bäuerliche Arbeitskultur abgeben, hat zum allmählichen Umdenken beigetragen, Heute ist die Frage nicht mehr, ob auch die ländliche Kulturlandschaft ein erhaltenswertes Schutzgut darstellt, sondern, wie, in welchem Umfang und wo sich dieser Schutz manifestieren soll. Welcher Zustand der ländlichen Kulturlandschaft soll- vielleicht sogar als Rekonstrukt- der Nachwelt tradiert werden? „Österreichs alte Kulturlandschaften sterben aus“ titelt eine Schulbuchüberschrift schon 1991 (Erde-Mensch-Umwelt, 7. Kl. AHS, 1991) und bezieht sich auf das Verschwinden klassischer Almen, Hutweiden, Blumenwiesen, Blockheiden und Heckenlandschaften mit ihrem Artenreichtum in Flora und Fauna. Diese Landschaftsformen könne man durchaus als „Kulturdenkmäler“ bezeichnen, werden die Schüler informiert. Ihr Fehlen oder Vorhandensein nimmt somit Einfluss auf die kulturelle Wertigkeit einer Landschaft. Da kultureller Reichtum bzw. kulturelle Armut keineswegs nur von ideeller Bedeutung sind, sondern angesichts eines sich ständig ausbreitenden und daher auch entsprechend beworbenen Kulturtourismus zu einer immer wichtigeren ökonomischen Bezugsgröße werden, ist es wohl angebracht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie dieser Reichtum zu bewahren bzw. einer (bau-) kulturellen Verarmung entgegenzuwirken sei. Die anhaltende Zerstörung organisch gewachsener bzw. nach einem Gesamtkonzept geplanter Ortsbilder durch Abriss, Um-, Zu- oder maßstabs- und einfühlungslose Neubauten hält leider an. Sie hat verständlicherweise bei vielen Menschen ein starkes Nostalgiebewusstsein ausgelöst, das kritiklos alles Alte wertvoll erscheinen lässt. Auch Drittklassiges wird bisweilen zum kulturellen Erbe hochstilisiert und verstellt den Blick für Qualität, die kein Privileg der Vergangenheit ist (vgl. ARGE ALPEN-ADRIA, 1985).

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Die Entwicklung unserer gebauten Umwelt war und ist vom Wechselspiel von Beharrung und Bewegung geprägt. Allerdings verlief der stete Prozess von Werden und Vergehen im ländlichen Kulturraum langsamer als in urbanen Gebieten, so dass die Veränderung von den jeweiligen Zeitgenossen kaum wahrgenommen wurden. Erst die Globalisierungstendenzen der Gegenwart haben zu einer Annäherung der Entwicklung in städtischen und ländlichen Räumen geführt. In Österreich war der Einfluss behördlicher Bevormundung im Bauwesen nach dem II. Weltkrieg in qualitativer und quantitativer Hinsicht unterschiedlich. In Gebieten mit einer höher entwickelten Agrarstruktur und geringerer Abhängigkeit von Regierungs- und Kammerdienststellen kam es zu architektonisch besseren Lösungen als in ökonomisch und sozial rückständigen Regionen bzw. in solchen mit stärkerem obrigkeitlichem Reglementierungsdruck (PÖTTLER, 1994). Die architektonischen Erscheinungsbilder der Städte und Märkte sind folglich auch gesellschaftliche Spiegelbilder des zeitgeistigen Hintergrundes der jeweiligen bauhistorischen Entwicklungsepochen. Armut und Reichtum ihrer Bewohner lassen sich nicht nur an der Baukultur der Vergangenheit ablesen, sondern auch anhand des Umganges damit im heutigen Ortsbild. Mit dem Ortsbildgesetz des Jahres 1977 hat der Steiermärkische Landtag diesem Umstand Rechnung getragen und mit den Worten des szt. Kulturlandesrates Kurt JUNGWIRTH der Unkultur den Kampf angesagt, die vielfach echt barbarische Züge angenommen und mit dazu beigetragen hat, dass viele wertvolle Substanz in dem, was wir als gebaute Kultur bezeichnen, verloren gegangen ist (AXMANN, 1994). Die Unterkommission für die historischen Zentren der ARGE Alpen-Adria hat 1984 ihren ersten, 1994 den zweiten gemeinsamen Bericht vorgelegt, in dem es ebenfalls um die Erhaltung wertvoller Ortsbilder im Alpen-Adria-Raum geht. Als historische Zentren gelten die verdichteten Siedlungen oder Siedlungsteile, die unabhängig vom Urteil über die Quantität oder Qualität der Bausubstanz noch heute Spuren der alten Strukturen und Hinweise auf die einstige wirtschaftliche, politische, kulturelle, religiöse und soziale Bedeutung aufweisen (ARGE ALPEN-ADRIA, 1994).

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Der Schutz historischer Ortsbilder im ländlichen Raum nimmt Bezug auf ihr Erscheinungsbild als Ausdruck eines gewachsenen Lebensbereiches, dessen Erhaltung aus siedlungsgeschichtlichen, landschaftsästhetischen, soziokulturellen und durchaus ökonomischen Gründen im öffentlichen Interesse liegt. Nahezu alle der insgesamt 66 steirischen Ortbildschutzgemeinden verfolgen mit der Unterschutzstellung ihrer historischen Zentren nicht bloß denkmalpflegerische und baukulturelle, sondern durchaus handfeste wirtschaftliche Ziele. Ein attraktives Ortsbild bedarf ständiger Pflege, Innovationen und Investitionen. Es kann das lokale wie regionale Image und Selbstwertgefühl fördern, Ortsgebundenheit festigen, die Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort steigern, den Tourismus beleben, dem Bau- und Baunebengewerbe durch Baukörpersanierungen, die Umsetzung von Fassadenfärbelungsplänen und Ortverschönerungsmaßnahmen zusätzliche Impulse verleihen (vgl. GARTLER 1994). Die ländliche Siedlung in ihrer vorgegebenen Geschichte und durch die Tätigkeit ihrer Bewohner geformten Umgebung wurde als kulturelle Leistung lange Zeit tendenziell unterbewertet. Das mag daran liegen, dass nur wenige Marktorte und Landstädte über in ihrer Geschlossenheit spektakuläre Ortsbilder wie etwa Frohnleiten, Oberwölz, Murau, Eisenerz, Bad Radkersburg, Hartberg oder über imposante Solitärbauten verfügen wie beispielsweise Vorau, Mariazell, Seckau, St. Lambrecht, Pöllau, Admont u.a.m. Mehr als an den großen urbanen Zentren kann man aber gerade an ihnen die Verzahnung und vielfältige Interaktion zwischen naturräumlichen Vorgaben und ihrer kulturräumlichen Inwertsetzung sowie den raumgestaltenden Einfluss wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Entwicklungen ablesen. Die gestalterische Gesamtkonzeption von Ortsbild und Landschaft, die viele mittelalterliche Stadtansichten prägt, ist mit dem Sprengen der wehrhaften Stadtkorsette und den der industriellen Revolution folgenden flächenhaften Wachstumsschüben vielenorts verloren gegangen. Wenn wir uns dazu bekennen, dass die Kulturlandschaft auch die gesamte gebaute Umwelt mit einschließt, dann ist Ortsbildschutz

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zugleich auch Landschaftsschutz und im weitesten Sinne Umweltschutz (ZSILINCSAR, 1985).

4. Ortsbildpflege in der Steiermark als gesellschaftspoli-tische und ökonomische Aufgabe

Die ARGE Alpen-Adria setzte sich in ihrem zweiten gemeinsamen Bericht über die historischen Zentren auch mit den Entwicklungen auseinander, die das ökonomische, politische, soziale und kulturelle Leben in den ländlichen Gemeinden beeinflussen (vgl. ARGE ALPEN-ADRIA, 1994). Sie decken sich weitgehend mit den Erfahrungen aus 25 Jahren Ortsbildschutz in der Steiermark. Mangels an Standortattraktivität und Entwicklungsalternativen kommt es vor allem in strukturschwachen und peripheren Räumen zur Abwanderung der erwerbsfähigen Bevölkerung. Damit wird den Kommunen ein wesentlicher Teil ihres Wachstumspotenzials entzogen. Mit sinkender Nachfrage verschwindet die traditionelle Nahversorgung. Geschäfte und Häuser stehen leer, in alte Dorfgaststätten ziehen Chinarestaurants, Kebabstuben oder Nachtclubs ein. Historische Gebäude und Fassaden verfallen und viele Gemeinbedarfseinrichtungen (Schulen, Postämter, Gendarmerieposten, Bezirksgerichte, Kindergärten, öffentliche Verkehrseinrichtungen, usw.) verschwinden oder werden in ihrem Bestand reduziert. Hoffnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit und Resignation sind aber keine gesunde Basis für Fortschritt und Entwicklung. Daher verschließt sich der Ortsbildschutzgedanke nicht der Innovation, dem guten Neuen. Das Bewusstsein um die Notwendigkeit der Erhaltung unseres baulichen Erbes darf jedoch nicht mit dem Verzicht auf Originalität und gestalterische Kreativität erkauft werden. Neues Bauen in alter Umgebung verlangt Rücksichtnahme auf den historischen Bestand, erfordert Demut, Einsicht, Anpassungsfähigkeit und vor allem die Bereitschaft, Bewährtes und Vergangenes in den Dienst der Gegenwart zu stellen (vgl. LOHNER, 1976). Die Bewohner eines Ortsbildschutzgebietes sollen dieses als Privileg, als Auszeichnung, als Chance für die Zukunft wahrnehmen und nicht den Eindruck haben, in einem Freilichtmuseum leben zu müssen, das

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sich jeder Veränderung verschließt. Es war u.a. letztere Befürchtung, die viele Bürgermeister und Gemeinderäte davon abhielt, einen Schutzgebietsantrag zu stellen. Jede Maßnahme, die einen breiten Teil der Öffentlichkeit erfasst, ist immer auch ein Kind ihrer Zeit. So fand auch der Ortsbildschutzgedanke in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts im Soge der damaligen Aufbruchsstimmung der allgemeinen Umweltschutzbewegung einen entsprechenden Nährboden. Für den einen oder anderen Gemeindemandatar mag es auch opportun und trendy gewesen sein, den Schutz des baulichen Erbes zu vertreten, ohne sich der legistischen, administrativen und kommunalpolitischen Tragweite einer solchen Festlegung voll bewusst zu sein. Unzählige Verfahrensgespräche im Zuge von Ortsbildkommissionierungen erhärten diese Vermutung. So mag das Freiwilligkeitsprinzip bei der Verwirklichung des Ortsbildschutzgedankens in der Steiermark als Nachteil gesehen werden, weil es leider nicht gelungen ist, alle schutzwürdigen Ortsbilder in der Steiermark, darunter einige mit überregionaler Bedeutung bzw. mit weitgehend unversehrter Bausubstanz oder solche mit einem hohen Bedrohungspotential als Folge wirtschaftlichen Drucks in die Idee einzubeziehen (z.B. Schladming, Weißkirchen bei Judenburg, Friedberg, Voitsberg, Kirchbach, Kirchberg a. d. Raab, u.a.m.). Andererseits zeigte es sich, dass ohne persönliches Engagement und innere Überzeugung der kommunalen Entscheidungsträger, welche Grundvoraussetzung für die notwendige Motivation der Ortsbevölkerung und insbesondere der dortigen Wirtschaftstreibenden ist, alle Schutzbemühungen letztlich scheitern. Von den gegenwärtig 66 steirischen Ortsbildschutzgemeinden wurden allein 47 Schutzzonen in den ersten zehn Jahren nach Inkrafttreten des Ortsbildgesetzes 1977 verordnet, in den letzten zehn Jahren seit 1992 dagegen nur noch eine. Ein durchaus signifikantes Beispiel gibt die Stadt Hartberg ab, wo es erst 2002 nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit dem Gemeinderat gelungen ist, den vor allem von der Wirtschaft ausgehenden Widerstand gegen eine Schutzzonenverordnung zu brechen. Pikantes Detail am Rande: der

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Hartberger Bürgermeister ist als Vertreter des Gemeindebundes Mitglied der Ortsbildkommission des Landes. Das in Österreich besonders stark ausgeprägte föderale Prinzip ist gerade auf dem Gebiet der Gemeindeautonomie bei der Umsetzung von Maßnahmen mit überlokaler Tragweite nicht immer förderlich. Die Verfolgung des Ortsbildschutzgedankens stellte sich allzu oft als Lippenbekenntnis heraus, teils nur getragen vom Gedanken „dabei zu sein“, teils aus einer Anfangseuphorie heraus, ohne den Nachhaltigkeitsaspekt in den Konsequenzen der getroffenen Entscheidung zu bedenken, teils wohl auch als Folge überzogener Erwartungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in Verbindung mit dem Ortsbildschutz. So ist in vielen Gemeinden der anfängliche Elan mit dem Abschluss der für die Schutzzonenanweisung nötigen Vorarbeiten durch den Ortsbildsachverständigen und der daraufhin erfolgten Schutzszenenverordnung durch die Landesregierung verpufft. Ein Grund dafür war auch darin gelegen, dass die Erstfassung des Gesetzes nach Inkrafttreten der Ortsbildschutzzone keine weitere übergeordnete Kontrollmöglichkeit hinsichtlich Einhaltung der Schutzbestimmungen vorsah. Erst nach mehrjährigem zähen Ringen gelang es der weisungsungebundenen Ortsbildkommission, den Gesetzgeber von der Notwenigkeit einer kontinuierlichen Betreuung der Gemeinden und der Kontrollmöglichkeiten der für Schutzzonen geltenden Auflagen zu überzeugen. Bei der Novellierung des Ortsbildgesetzes 1977 vom 28. 4. 1998 (!) wurde daher im § 10a(1) festgeschrieben, dass „in höchstens fünfjährigen Abständen nach Inkrafttreten einer Verordnung... die Gemeinde unter Beiziehung des [von der Gemeinde aus einer beim Land aufliegenden und mit der Architektenkammer für Steiermark und Kärnten akkordierten Liste von befugten Architekten und Ziviltechnikern ausgewählten] Ortsbildsachverständigen und der Ortsbildkommission, eine Besichtigung des Schutzgebietes vorzunehmen hat... Allfällige Beeinträchtigungen sind in einem Mängelkatalog festzuhalten.“ Im Zuge der unter obigem Titel möglich gewordenen Kontrolltätigkeit stellte sich heraus, dass zahlreiche Gemeinden bei der Umsetzung der

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von ihnen freiwillig übernommenen Auflagen säumig waren, d.h. Bescheide, soweit sie Schutzgebiete betrafen, nicht dem Ortsbildsachverständigen zur Kenntnis brachten, unliebsame Sachverständige auswechselten, bzw. die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Ortsbildkonzepte nicht erstellten. Wie im Umweltschutz bedarf es auch bei der Verbreitung des Ortsbildschutzgedankens einer oft mühsamen und langwierigen Überzeugungsarbeit. Dabei spielen ökonomische Anreize (finanzielle Förderungsmöglichkeiten für schutzzonenbedingte Auflagen bei Baumaßnahmen von Liegenschaftseigentümern oder Gemeinden) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auf lange Sicht viel wichtiger bleibt freilich die Überzeugungsarbeit bei Gemeindemandataren und Bürgern, dass Ortsbildschutz letztlich der Sicherung wertvollen Kulturgutes dient und damit dazu beiträgt, kulturellen Reichtum auch ökonomisch nutzbar zu machen.

Literatur

ARGE ALPEN-ADRIA (Hrsg.) (1985): Erster gemeinsamer Bericht über die historischen Zentren. Ljubljana.

ARGE ALPEN-ADRIA (Hrsg.) (1994): Zweiter gemeinsamer Bericht über die historischen Zentren. Ljubljana.

AXMANN, G. (1994): Der steirische Weg zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern. In: AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDESREGIERUNG: Ortsbildschutz Steiermark. (Hrsg.). Graz, S. 17-21.

BRUNOTTE, E. et. al. (2001): Lexikon der Geographie. Bd. 1 Heidelberg-Berlin, S. 52. GARTLER, K. (1994): Ortsbild Steirische Beispiele. In: AMT DER STEIERMÄRKISCHEN

LANDESREGIERUNG: Ortsbildschutz Steiermark., (Hrsg.). Graz, S. 14-16. LOHNER, H. (1976): Ortsbildpflege – eine raumplanerische Aufgabe. In: DISP Nr. 43,

Zürich, S. 43-48. PÖTTLER, V.H. (1994): Natur, Technik und Dirigismus: Elemente der gebauten

Umwelt. In: Ortsbildschutz Steiermark. Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Landesbaudirektion (Hrsg.). Graz, S. 5-13.

STEIERMÄRKISCHER GEMEINDEBUND (Hrsg.). (2002):Gemeinschaftliche Bundesausgaben 2000. In: Steirische Gemeindenachriten, 55. Jg. Nr. 6, Graz.

STEIERMÄRKISCHER GEMEINDEBUND (Hrsg.). (2001): Steuerkraftkopfquoten 2000. In: Steirische Gemeindenachriten, 54. Jg. Nr. 10, Graz.

STEIERMÄRKISCHER LANDTAG (Hrsg.) (1977): Ortsbildgesetz vom 28. Juni 1977: Landesgesetzblatt Nr. 54, Graz.

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STEIERMÄRKISCHER LANDTAG (Hrsg.) (1998): Ortsbildgesetz 1977 unter Einbeziehung der in der Sitzung des Steiermärkischen Landtages vom 28.4.1998 beschlossen Änderungen. Landesgesetzblatt Nr. 73/1998. Graz.

THE CANADIAN ENCYCLOPEDIA (Hurtig Publishers, Hrsg.) (1985): Vol III, Edmonton, S. 1462-1463.

WEGMANN, K. (1990): Naturschutz, Landschaftsschutz. In: Humboldt Umwelt Lexikon. München.

ZSILINCSAR, W. (1985):Ortsbild ohne Landschaft. In: 1. Steirischer Ortsbildtag. Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Landesbauamt, FA Ia., Schriften Nr. 5. Graz, S. 12-17.

Anschrift des Verfassers:

Univ.Prof.Dr.Walter Zsilincsar

Institut für Geographie und Raumforschung

8010 Graz, Heinrichstraße 36

Tel.: +43/316/380 5138

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Arbeitsmarktsituation und Sozialpolitik in der

Tschechischen Republik The Contemporary Social Policy in the Czech Republic in the Context of Labor Market

Ivana FALTOVÁ LEITMANOVÁ

Zusammenfassung

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stellt ein effizientes Konzept der Armutsbekämpfung dar. Arbeitslose sind nicht nur von Armut, sondern auch von Ausgrenzung bedroht. Gefährdet sind ferner die weniger gebildeten Leute mit niedrigem Einkommen oder schlechtem Gesundheitszustand, Wohnen, usw. Deshalb empfehlen sich nicht nur Instrumente und Maßnahmen im Rahmen der Sozialpolitik, sondern auch der Einsatz der Arbeitsmarktpolitik, der Bildungspolitik, der Wohnungspolitik, der Gesundheitspolitik und der Familienpolitik. Schlagworte: Arbeitsmarkt, Armut, Ausgliederung, Sozialpolitik.

Summary

The struggle against the unemployment can be considered as the most effective way to reduce poverty. A person without a job is endangered not only by poverty itself, but also by exclusion. Not only those people with lack of money are threatened, but also those, having insufficient education, low incomes, health difficulties, habitation difficulties etc. Therefore, it is convenient to use implements and measures not only within the labor market policy, but also within the social policy, educa-tion policy, housing policy, health policy and family policy. Keywords: Labor Market, Poverty, Exclusion, Social policy.

1. Problemstellung

Eine der aktuellsten Aufgaben der gegenwärtigen Gesellschaft stellt die Armutsbekämpfung dar, weil noch immer ein gewisser Teil der

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Faltová Leitmanová

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Bevölkerung von Armut bedroht ist. Dies bedeutet, dass nicht alle ihre Grundbedürfnisse (nicht nur materielle) befriedigt sind. Damit entsteht einerseits zumindest Unzufriedenheit und anderseits die Gefahr der Ausgrenzung Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stellt eines der effizientesten Konzepte der Armutsbekämpfung dar. Wer keine Arbeit hat, leidet häufiger unter Geldmangel, ähnlich wie jene, die unzulänglich ausgebildet sind, deren Gesundheitszustand schlecht ist oder die in ungünstigen Wohnverhältnissen leben. Die Lösung dieser Situation impliziert weitreichende volkswirtschaftliche Konsequenzen, welche es zu beachten gilt. Eine Hauptursache der Probleme im ökonomischen, und folglich auch im sozialen Bereich dürfte die niedrige Wirtschaftsleistung und der Druck zu schnellerem Lohn als Arbeitsproduktivitätswachstum sein. Überproportionale Lohnsteigerungen führen zu Preissteigerungen, teuere Produktion beschränkt die Nachfrage, niedrige Verkäufe beeinflussen die Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit. Das Ziel dieses Artikels ist, nicht erschöpfend die Armut zu definieren, aber wenigstens einige Zusammenhänge vor allem mit der Arbeitslosigkeit zu zeigen und zu diskutieren. Solches Vorgehen hat zumindest zwei Gründe. Zunächst existiert keine universale Definition der Armut. Zur Verfügung stehen nur mehr oder weniger politische Konstruktionen, die sich bemühen, die Armut politisch günstig abzugrenzen. Zum Zweiten sind trotzdem in der Tschechischen Republik ein paar nicht nur objektive sondern auch subjektive Kriterien der Armut gebräuchlich. Es gibt die gesetzlich definierte Armut (ihr zufolge gelten als Arme diejenigen Personen bzw. Haushalte, die unter der gesetzlichen Armutsgrenze leben), die nach der EU-Methodik bestimmte Armut (wonach Haushalte arm sind deren Einkommen weniger als die Hälfte der Durchschnittseinkommen ausmacht), die subjektive Grenze der Armut (die sich an Aussagen der Haushalte über der Höhe des Einkommens, das zur Bedarfsdeckung nötig ist) und das individuelle Armutsgefühl (die Haushalte, die einfach das Gefühl haben, dass sie arm sind).

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Derzeitige Sozialpolitik in der Tschechischen Republik

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2. Material und Methode

Die Daten, die für den Artikel zur Verfügung stehen, stammen vor allem aus offiziellen periodischen und nichtperiodischen statistischen Erhebungen des Tschechischen Statistischen Amtes (www.czso.cz), aus Erhebungen einer Meinungsforschungsagentur (HUK, 2001), Untersuchungen der Forschungsanstalt für Arbeit und soziale Angelegenheit (MAREŠ-VYHLÍDAL-SIROVÁTKA, 2002, TRBOLA-SIROVÁTKA, 2002) und anderer Institutionen (VECERNÍK, 2001). Informationen des Ministeriums für Arbeit (www.mpsv.cz) ergänzen diese empirischen Unterlagen. Aufbauend auf theoretische Zusammenhänge zwischen Armut, Sozialpolitik und Arbeitsmarkt (BRDEK-JÍROVÁ, 1998, LEA-TARPY-WEBLEY, 1994, LEITMANOVÁ, 1999) wurde die aktuelle Beschäftigungssituation und die Arbeitslosigkeit festgestellt. Im weiteren wurden mögliche Perspektiven zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit beurteilt.

3. Ergebnisse

Etwa drei Viertel der befragten Tschechen meint, dass Lebenserfolg mit (bezahlter) Arbeit verbunden ist. Im Jahr 2001 gab es insgesamt 4,75 Millionen Beschäftigte (www.czso.cz), davon 2,08 Millionen Männer und 2,06 Millionen Frauen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Gesamtzahl der Beschäftigten höher um 186.000 Personen. Dabei ist die Anzahl jener in befristeten Arbeitsverhältnissen um 99.000 gesunken. Die Erwerbsquote erreichte in diesem Jahr 60,0 % (nach EU-Methodik 71,1 %).Sie ist infolge Überalterung der Bevölkerung kontinuierlich zurückgegangen. Die höchste Erwerbsquote ergibt sich in der Altersgruppe der 30-44-jährigen Männer bzw. Frauen (in dieser Gruppe sind nicht erwerbstätig nur 3,0 % der Männer und 14,9 % Frauen). Die Beschäftigungsquote ist während der Transformation zurückgegangen. Zu diesem Rückgang trug die Verlängerung der Pflichtgrundausbildung bei, welche den Berufseinstieg verzögert. Der Rückgang der Beschäftigung im I. Sektor und der Zuwachs im II. und III. Sektor haben sich fortgesetzt, (im Jahr 2001 lagen die Werte bei

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4,8%, 40% und 55,2%). Der Anteil des tertiären Sektors blieb im Vergleich zu EU-Ländern zurück. Teilzeitverträge haben 4,8% aller Beschäftigten. Mehr als drei Viertel dieser Verträge betreffen Frauen. Im Jahr 2001 betrug der Durchschnittslohn 14.642 CZK, wobei in Firmen mit weniger als 20 Arbeitnehmern nur 10.687 CZK erreichte. Immer größere Unterschiede entstehen zwischen Zweigen und Regionen und nach einer Schätzung ist der für Frauen um ein Drittel niedriger als der Männer. Gut bezahlte Arbeit bringt einerseits ein günstiges Arbeitseinkommen, anderseits setzt sie ein gutes Qualifikationsniveau voraus. Das Wachstum der Arbeitseinkommen vermindert die Anzahl der Empfänger von Sozialleistungen, bzw. Sozialbeiträgen. Dabei ermöglicht der Motivationskomponente der Löhne dem Arbeitnehmer sein Einkommen wesentlich zu erhöhen. Eine gute Entlohnung ist mit einer hohen Arbeitsleistung verknüpft und mit einer Bereitwilligkeit, neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu gewinnen (LEA ET AL., 1994, 238). Dazu ist die passende Qualifikation ein Ausgangspunkt. In der Zukunft bringt sie der hochqualifizierten Arbeitskraft ein vier oder fünfmal höheres Einkommen. Die Bildung der Jugend muss forciert werden, ältere und wenig qualifizierte Arbeitskräfte müssen an Maßnahmen des lebenslangen Lernens teilnehmen. Die Bildungssituation stellt sich gemäß Volkszählung (www.czso.cz) 2001 wie folgt dar: 23% der Bevölkerung über 15 Jahren verfügen nur über einen Grundschulabschluß und 8,9% über eine Hochschul- und Universitätsausbildung der Rest hat einen Sekundarabschluß. Einen höheren Bildungsstand der Bevölkerung zu erreichen, bedeutet, verschiedene Bildungsformen und Bildungsprogramme anzubieten. Formales und informelles Lernen müsse ein dauernder Bestandteil des Lebens werden. Derzeit gewinnen Fort-, Weiterbildungs- und verschiedenste Schulungsmaßnahmen in den Unternehmen an Bedeutung. Nach Arbeitskostenanalysen entfielen im Jahr 2000 auf solche Aktivitäten 1,24% der gesamten Personalkosten. Eines der effizienten Instrumente, mit vorbeugendem Effekt in der Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, ist das lebenslange Lernen. So ist Bildung sehr eng mit der Arbeitsmarktpolitik verknüpft,

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weil man eine höhere Beschäftigung erreichen kann, wenn hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Problematisch erscheint, dass Anteil an Kindern, die eine niedrigere Ausbildung als ihre Eltern haben gewachsen ist, was hoffentlich diese nur ein vorübergehendes Phänomen darstellt. Die Zahl der Arbeitslosen (www.mpsv.cz) sank im Jahr 2001, aber im Jahr 2002 erhöhte sich deren Zahl die Arbeitslosenquote. Derzeit sind in der Tschechischen Republik mehr als 450.000 Personen ohne Arbeit (davon ein Drittel länger als zwölf Monate.) Sehr ungünstig ist Situation für besonders gefährdete Gruppen: behinderte Personen, Personen über 50 Jahre und Eltern mit Kleinkindern (LEITMANOVÁ, 1999, 127). Trotzdem gibt es auch ein positives Ergebnis: Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen nahm leicht ab, ihr Anteil erreicht 37,1%. Dagegen steigt die durchschnittliche Vermittlungsdauer, lag sie im Jahr 1998 bei 9,5 Monaten, im Jahr 2001 betrug sie 15,3 Monate. Die Dauer der Arbeitslosigkeit hängt mit der Ausbildung zusammen. Der Anteil länger als 12 Monate Arbeitslosen, lag bei Personen mit Grund- oder Sekundarschulabschluss bei 68,1%, bei Leuten mit höherer Ausbildung bei 44,6% und bei Hochschulabsolventen bei 14,3%. Altersmäßig haben jüngere Menschen (unter 25 Jahren) die größten Probleme. Es gilt zu beachten, dass diese Arbeitslosenzahlen etwa um 50.000 höher lägen, wenn es keine Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestandes gäbe. Zum anderen üben manche eine nicht angemeldete Erwerbstätigkeit aus. Zu ihnen gehören nicht nur Arbeitslose, sondern auch Einwanderer, Studenten und bisweilen gerade Frühpensionisten. Es treten auch große regionale Unterschiede auf: die Arbeitslosenquote für die Tschechische Republik Ende 2001 betrug 8.9%, in 17 Bezirken aber überstieg sie 12%. Trotz der hohen Arbeitslosenzahl existiert anderseits eine nicht unwesentliche Zahl freier Arbeitsplätze, die nicht nur für hoch-, sondern auch für gering qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Zur Lösung dieser Situation trägt die Arbeitsmarktpolitik bei, die im Jahr 2000 mehr als 9 Milliarden CZK (www.mpsv.cz) aufgewendet

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wurden, wobei ein Drittel auf die aktive und zwei Drittel auf die passive Arbeitsmarktpolitik entfallen. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik setzt verschiedene Maßnahmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, zur Schulung und Weiterbildung sowie Erneuerung zur Beschäftigung gefährdeter Gruppen usw. Eine passive Arbeitsmarktpolitik ist auf monetäre Zuwendungen an Arbeitslose gerichtet. Die Höhe des Arbeitslosengelds reduzierte sich von 60-90% des letzten Nettolohnes im Jahr 1990 auf 40-60% im Jahr 2002. Zugleich wurde auch der Zeitraum für die Gewährung des Arbeitslosengeldes von 12 auf 6 Monate verkürzt. Einer Untersuchung zufolge (MAREŠ ET AL., 2002, 26) sind der soziale Abstieg vorher durch Arbeitslosigkeit nicht sehr bedeutend. Etwa eine Hälfte der Arbeitslosen (ohne Unterschied, ob sie schon einmal arbeitslos waren) gab an, dass sie der Verlust des Arbeitsplatzes nur sehr wenig berührt hat. Akademiker erweisen sich als widerstandsfähiger (üblicherweise geht es um die erste Arbeitslosigkeit, sie verfügen über bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und größeres Selbstvertrauen). Mit dem Alter nimmt der Anteil derjenigen zu, die der Arbeitsplatzverlust traumatisiert, (30% der Personen zwischen 20-35 Jahre gegenüber 70% bei den über 50jährigen). Manche Stellensuchende haben kein tatsächliches Interesse zu arbeiten. Wenn sie Sozialleistungen, bzw. Sozialbeiträge beziehen wollen, müssen sie in einer Arbeitsamtsevidenz aufscheinen. Wer lange Zeit ohne Arbeit ist, ist besonders von einer Ausgliederung bedroht. Langzeitarbeitslose erhalten kein Arbeitslosengeld mehr. Bedroht sind nicht nur jene, die unter Geldmangel leiden, sondern auch die, mit unzulänglicher Bildung, niedrigem Einkommen, schlechtem Gesundheitszustand, ungünstiger Wohnsituation, usw. Eine wirksame Sozialpolitik soll dagegen passiven Schutz bieten und auch als aktiver Ansporn wirken. (BRDEK UND JÍROVÁ, 1998, 287). Falls eine Familie weniger Einkommen als deren Existenzminimum bezieht oder unter einer gewissen genau bestimmten Grenze entspricht, bekommt sie verschiedene soziale Transferzahlungen und Sozialleistungen (siehe Tabelle 1). Das gilt auch für Familien, die nicht

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durch Arbeitslosigkeit bedroht sind, und dennoch unterste Einkommensgrenze bleiben.

Tab. 1: Empfänger von Sozialbeiträge in der Tschechischen Republik, im Jahr 2000 Anzahl der -

Empfänger Durchschnittlic

he Höhe (CZK)

Kindergeld 2078431 514 Soziale Unterstützung 534055 1088 Verkehrszuzahlung 455487 258 Wohnbeihilfen 375428 667 Mietezuzahlung 91958 59 Elternzuzahlung 263936 2411 Versorgungsbeiträge 937 1271 Insgesamt 3825554 725

Quelle: www.czso.cz, www.mpsv.cz

Das Sozialsystem in der Tschechischen Republik beruht auf drei Säulen: Sozialversicherung, staatlicher Sozialunterstützung und Sozialhilfe. Die Sozialversicherung deckt sgn. standardisierte Risiken ab: Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit. Sie funktioniert nach dem Versicherungsprinzip, was bedeutet, dass man sich mehr oder weniger freiwillig bzw. verpflichtend auf Situationen, die mit dem Ausfall vor allem des Arbeitseinkommens verknüpft sind, vorbereiten kann. Jedoch, funktioniert die Sozialversicherung nur teilweise nach Marktprinzipien, und andernteils nach dem Solidaritätsprinzip, zumindest aus dem Blickwinkel von Versicherten mit überdurchschnittlichem Einkommen, (etwa ein Drittel der Arbeitnehmer). Für die Berechnung der Leistungen gilt nämlich eine obere Einkommensgrenze, für die Zahlung der Versicherungsbeiträge existiert keine solche Obergrenze. Der umfassende Bestandteil dieser Säule ist die Rentenversicherung. Fast ausschließlich auf dem Solidaritätsprinzip beruht die staatliche soziale Unterstützung. Angeblich kommt das Solidaritätsprinzip (fraglich ob tatsächlich) in der tschechischen Gesellschaft immer mehr zum Tragen. Die Zahl der Menschen in sozialer Not hat zugenommen, trotzdem nahmen die ausbezahlten Beiträge im Jahr 2001 ein wenig ab.

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Nach den Daten des Ministeriums für Arbeit und soziale Angelegenheiten (www.mpsv.cz) ist die Kategorie der Sozialbedürftigten um mehr als ein Drittel erhöht. Die Zahl der armen Familien in der Tschechischen Republik schätzt sich zwischen 3-5%. Das bedeutet, dass etwa 114000-190000 Familien unter dem Existenzminimum leben. Eine Analyse (TRBOLA UND SIROVÁTKA, 2002, 29) der Empfänger von Beiträgen im Rahmen staatlicher sozialer Unterstützungen zeigt, dass in diese Gruppe zwei Drittel der Familien ohne Kinder und ein Fünftel der Familien gehören. Etwa die Hälfte der Leistungsempfänger ist jünger als 35 Jahre. In 87% der Fälle leben Arbeitslose in der Familie. Trotzdem befinden sich unter den Leistungsempfängern etwa 6% der Arbeitskräfte. Dabei gibt es eine sehr enge Korrelation mit der Arbeitslosenrate der Region. Ein sehr unterschiedliches Bild liefert die Betrachtung der Einkommen pro Person. Das monatliche pro Kopf-Durchschnitteinkommen (www.mpsv.cz) beläuft sich in Haushalten von Arbeitnehmern auf 7.801 CZK, bei Landwirten auf 6.635 CZK, bei Selbstständigern auf 7.693 CZK, bei Rentner 6.772 CZK und in Haushalten mit Kindern und Minimaleinkommen auf 3.405 CZK. In einer noch schlimmeren Situation als Arbeitslose steht ein bedeutender Teil der Familien mit 3 und mehr Kindern bis 18 Jahren (VEČERNÍK, 2001, 8). Der Lebensstandard eines Haushaltes mit Kindern bewegt sich auf dem Niveau des 1,1fachen usw. eines Arbeitslosenshaushaltes beim 1,3fachen des Existenzminimums. Dabei leben etwa 37% Familien mit Kindern unter dem Existenzminimum. Anderseits ist der Anteil an Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen allmählich der zurückgegangen, die Zahl der Bedürftigten, die ihre Bedürfnisse ohne Sozialunterstützung kaum decken können, hat hingegen zugenommen. Nach einer Erhebung der Agentur STEM (HUK, 2001, 20) können wir auf die Frage antworten, ob die Anzahl der Armen zunimmt. Als der Ausgangspunkt dienen die Antworten auf folgende Fragen: Wie gehen Haushalte mit dem Einkommen aus?, Wie hoch ist das gesamte monatliche Nettoeinkommen? Fühlen Sie subjektiv, dass ihr Haushalt arm ist? und Hat ihr Haushalt genug Geld für elementare Bedürfnisse

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zur Verfügung? Die Antworten zeigen, dass sich die Situation der tschechischen Familien in den letzten Jahren kaum verändert. Der Anteil der Familien, deren Mitglieder angewiesen sind und die arm oder eher arm sind, bewegt sich um 40%. Bis zum Jahr 1995 nahm der Anteil dieser Familien ab, im Jahr 1997 nahm zu und seitdem schwankt nur mäßig.

4. Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sollte ihre Mitglieder dazu motivieren, aus eigenem Antrieb das Leben zu verbessern. Wenn dies aus verschiedensten, vor allem familiären oder gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, soll die Gesellschaft helfen. Dazu eignen sich Instrumente und Maßnahmen im Rahmen z.B. der Bildungs-, Wohnungs-, Verkehrs-, Arbeitsmarkt, Gesundheits-, Familien- und der Sozialpolitik. Spezifische Lebensbedingungen haben die Einwohner im ländlichen Raum. In Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern ist die Anzahl der Personen, die unter dem Existenzminimum leben, doppelt so hoch wie im Durchschnitt der ganzen Tschechischen Republik, wobei in der Tschechischen Republik fast drei Viertel der Bevölkerung gerade in diesen Gebieten leben. Allgemeine kann man sagen, dass derzeit um die Lösung vor allem der relativen Armut sich handelt, zumindest deswegen, weil der Lebensstandard der Familie nicht nur von ihrem Lohn oder Gehalt bestimmt wird. Sie kann ein niedriges Arbeitseinkommen durch andere Einkünfte kompensieren und ergänzen. Das Gesamteinkommen eines Haushaltes umfasst die Einkünfte aus unselbständiger und selbstständiger Arbeit, das Einkommen aus dem Vermögen und Transferseinkommen aus den Umverteilungsprozessen. Nicht nur deswegen ist die Polarisierung der Gesellschaft deutlich und die Unterschiede werden immer markanter sein. Die Anforderungen an die Umverteilung werden dann auch dringender sein. Es gilt, dass im Land mit einem niedrigeren Durchschnittseinkommen größere Einkommensungleichheiten existieren. Aber Umverteilungsprozesse brauchen erstens politische Wille und soziales Zusammenhalt,

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zweitens eine zunehmende Arbeitsproduktivität, eine bessere Teilnahme am Außenhandel, intensivere Zugänge der ausländischen Investoren und günstige Unternehmersumfeld.

Literatur

BRDEK, J. und JÍROVÁ, H. (1998): Sociální politika v zemích EU a CR. Praha: Codex Bohemia.

HUK, J. (2001): Chudoba v zrcadle názoru obcanu. Sociální politika, 27, 3, S. 19-20. LEA, S.E.G., TARPY, R.M. und WEBLEY, P. (1994): Psychologie ekonomického chování.

Praha: Grada. LEITMANOVÁ, I. (1999): Trh práce zemí EU a CR: stav a vývoj. Ceské Budejovice:

Datapartner. MAREŠ, P., VYHLÍDAL, J. und SIROVÁTKA, T. (2002): Nezamestnaní na trhu práce

(dopady nezaměstnanosti, hledání zamestnání, faktory marginalizace a úspechu na trhu práce). Brno: VÚPSV.

TRBOLA, R. und SIROVÁTKA, T. (2002): Príjemci dávek sociální péce z titulu sociální potrebnosti: jejich pocty, struktura, príjmy (evidence z dat sociálních referátu). Brno: VÚPSV.

VECERNÍK, J.: Chudoba u nás a ve svete. Sociální politika, 27, 4, S. 7-9. www.czso.cz www.mpsv.cz

Anschrift des Verfassers:

Doz. Ing.Ivana Faltová Leitmanová, CSc.

Lehrstuhl der Ökonomik, Südböhmische Universität in České Budějovice

370 05 České Budějovice, Studentská 13, Tschechische Republik

tel. 00 420 38 777 2501 e-mail: [email protected]

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Lebensrealitäten von Frauen in ländlichen

Regionen – zwischen Marginialisierung und

lebbarer Vielfalt Life realities of rural women – between marginalization and diversity of life

Theresia OEDL-WIESER

Zusammenfassung

Die Konstituierung von räumlichen und gesellschaftlichen Strukturen ist ein wechselseitiger Prozess, in dem Frauen aufgrund ihrer benachteiligten gesellschaftlichen Position weniger Möglichkeiten und Macht haben, gestaltend mitzuwirken. Ihr Zugang zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Ressourcen ist im Vergleich zu den Männern eingeschränkter. Dies hat entscheidende Auswirkungen auf die individuelle Lebensgestaltung und –bewältigung von Frauen. Um Mädchen und Frauen in ländlichen Regionen vermehrt selbstbestimmte Lebensperspektiven zu ermöglichen, ist es erforderlich, die „persönlichen“ Ressourcen mit den „äußeren“ Ressourcen einer Region zu verbinden. Durch die Öffnung des regionalen Klimas und eine geschlechtersensible Regionalpolitik soll längerfristig eine angemessene Partizipation von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen ländlicher Regionen erreicht werden und die Demokratisierung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern vorangetrieben werden.

Schlagworte: Frauen im ländlichen Raum, geschlechtersensible Regionalpolitik, Zugang zu Ressourcen, Geschlechterdemokratie.

Summary

The constitution of spatial and social structures is a mutual process. Women can not participate to the same extent in this process as men because of their discriminated position in many spheres of our society. They have less access to economic, social and cultural resources than

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men. This has great impact on the possibilities to manage the own life. To ensure women in rural areas a more autonomous life it is necessary to combine their personal resources with the resources of the region. An open regional climate and a gender-sensible regional policy should enhance at longer term an adequate participation of women in all rele-vant spheres of rural areas und should lead to a democratisation of the life of women and men. Keywords: rural women, gender-sensible regional policy, gender de-mocracy.

1. Einleitung

Der ländliche Raum ist durch Vielfalt und Unterschiedlichkeiten geprägt. Dies zeigt sich in der Differenz von (i) räumlichen Formen, von (ii) räumlichen Dynamiken und von (iii) räumlichen Ausgangspotenzialen. Räume bzw. die Gestaltung von Räumen müssen in ihrem gesellschaftlichen Funktions- und Entwicklungszusammenhang gesehen werden. Dabei sind die gesellschaftlichen „Kräfte“, die die Raumstrukturen formen und gestalten, mit einzubeziehen (LÄPPLE 1993, 43). Räumliche Strukturen können folglich nicht losgelöst vom Handeln betrachtet werden, sondern bilden zusammen mit den politischen, ökonomischen, rechtlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen die gesellschaftliche Struktur (LÖW 2001, 166ff). Die Konstituierung von räumlichen und gesellschaftlichen Strukturen ist als ein wechselseitiger Prozess und daher auch als veränderbar zu verstehen. LÖW (2001, 213) argumentiert ähnlich wie Bourdieu 1, dass sich aufgrund ungleicher Verteilungen von Ressourcen und Zugangschancen für verschiedene soziale Gruppen ungleiche Möglichkeiten ergeben, an der Konstitution, Gestaltung oder Veränderung von Räumen mitzuwirken. Finanzielle Mittel, gesellschaftliche Positionen und Wissen bilden für Individuen

1 Pierre Bourdieu entwickelte über den Umgang verschiedener sozialer Schichten

und Ethnien mit Raum drei Kapitalien: (i) ökonomisches (Besitz an Grund und Boden, Mobilität, marktfähige Qualifikationen), (ii) kulturelles (Wissen, Habitus) und (iii) soziales (gesellschaftliche Position, Status und Beziehungen) Kapital (DÖRHÖFER und TERLINDEN, 1998, 25).

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Lebensrealitäten von Frauen in ländlichen Regionen

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die dafür ausschlaggebenden Ressourcen. Aufgrund der geschlechterhierarchischen Struktur unserer Gesellschaft ist davon auszugehen, dass Männer im Vergleich zu Frauen über bessere Zugangsmöglichkeiten zu den genannten Ressourcen verfügen und daher stärker in die Gestaltung von Räumen eingebunden sind (TOVEY 2001). Im folgenden Beitrag soll neben der Analyse der spezifischen Armutsfaktoren für Frauen in ländlichen Regionen der Frage nachgegangen werden, ob und auf welche Weise räumliche Strukturen sowie das Handeln der gesellschaftlichen Akteure im Rahmen der Regionalpolitik die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern re-/produzieren. Dabei sollen Ermöglichungs- bzw. Verhinderungsstruk festgemacht werden (LÖW, 2001, 166), die die lebbare Vielfalt von Frauen- und Männerleben in ländlichen Regionen beeinflussen. Abschließend sollen Ansatzpunkte präsentiert werden, die eine Demokratisierung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern im regionalen Kontext vorantreiben.

2. Armutsgefährdung als Lebensrealität von Frauen in ländlichen Regionen

Wie in der Aktionsplattform von Beijing, die 1995 im Rahmen der Vierten Weltfrauenkonferenz verabschiedet wurde, sehr drastisch vor Augen geführt wird, hat seit Mitte der 1980er Jahre die Zahl der in Armut lebenden Frauen, insbesondere in den Entwicklungsländern aber auch in den Transformationsländern, im Vergleich zu den Männern überproportional zugenommen (UNO, 1995, 16, Ziffer 48). Im Zuge dieser Entwicklung wird von einer Feminisierung der Armut gesprochen. Schätzungen gehen davon aus, dass 70 % der absolut Armen dieser Welt Frauen sind (RUPPERT, 2001, 10).

Armut muss als ein komplexes, mehrdimensionales Problem gesehen werden, dessen strukturelle Ursprünge im einzelstaatlichen wie auch im internationalen Bereich zu suchen sind. Die Armut von Frauen hängt weltweit mit dem Fehlen wirtschaftlicher Chancen und ökonomischer Selbstständigkeit, dem mangelnden Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen – einschließlich Darlehen, Grundbesitz und Erbschaften – sowie zu Bildung und mit ihrer minimalen

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Beteiligung an den Entscheidungsprozessen zusammen. In Ländern, in denen die Sozialversicherungssysteme auf dem Grundsatz ununterbrochener Erwerbstätigkeit beruhen, erhöht sich das Risiko für Frauen im Vergleich zu Männern, vor allem im Alter unter die Armutsgrenze zu fallen (UNO, 1995, 17, Ziffer 51f). Wenngleich sich die Lebensverhältnisse und -chancen von Frauen in den verschiedenen Regionen der Welt sehr deutlich voneinander unterscheiden mögen, gibt es doch Gemeinsamkeiten, die für alle Frauen wirksam sind: sie leben überwiegend in geschlechterhierarchischen Gesellschaften, die für Frauen Benachteiligungen in den meisten Lebenssphären implizieren (OEDL-WIESER, 2000a, 20).

Für die Begrifflichkeit von „Armut“ gibt es viele Definitionen und Deutungen. Im österreichischen „Bericht über die soziale Lage 1999“ wird zwischen Armutsgefährdung 2 und akuter Armut 3 unterschieden. In Österreich sind demnach 40 % der armutsgefährdeten Bevölkerung (340.000 Personen) von akuter Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Als die bedeutendsten Risikofaktoren für Armut werden (i) Erwerbstätigkeit, (ii) Geschlecht, (iii) Familiensituation und (iv) Staatsbürgerschaft angesehen (BMSG 2001, 19).

Armut bzw. Armutsgefährdung ist sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen zu finden, allerdings mit zum Teil anderen Ausprägungen und Intensitäten. WIESINGER (2000, 92) sieht folgende Armutsrisikofaktoren spezifisch in ländlichen/peripheren Regionen: (i) mangelnde individuelle Mobilität, (ii) Langzeitarbeitslosigkeit, (iii) geringe Erwerbschancen, (iv) ungünstige Wirtschaftsstruktur mit vielen Niedriglohnbranchen, (v) schlechtes Angebot an kommunalem Wohnraum, (vi) unzureichende Altersversorgung bestimmter

2 Armutsgefährdung wird ausschließlich über Einkommensrisiken definiert:

gewichtetes pro-Kopf-Einkommen unter einem Schwellenwert von 60 % des Medians des Pro-Kopf-Einkommens. 1997 waren rund 11 % der österreichischen Bevölkerung von Armutsgefährdung betroffen (BMSG 2001, 19).

3 Akute Armut liegt vor, wenn zu den beschränkten finanziellen Verhältnissen auch spürbare Einschränkungen zur Abdeckung grundlegender Lebensbedürfnisse treten (BMSG 2001, 19).

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Berufsgruppen, (vii) unzureichende Betreuungs-, Pflege- und Bildungseinrichtungen, (viii) fehlende Gleichberechtigung der Frauen und (ix) ungenügende Infrastruktureinrichtungen. Aufgrund des weiblichen Lebenszusammenhanges 4, der sich in einer kollektiven Betroffenheit der Frauen durch die ihnen aufgebürdete Versorgungsarbeit ausdrückt und der mit bestimmten alltagsweltlichen Rollenerwartungen und Zuschreibungen korrespondiert, scheinen diese Armutsrisikofaktoren auf Frauen in ländlichen Regionen verstärkt zuzutreffen.

„Frausein bzw. Mannsein ist eine irreduzible Determinante für den Zugang zu ungleich verteilten Lebenschancen“ (CYBA, 2000, 63). Dies bedeutet, dass die individuelle Lebensgestaltung von Frauen und Männern nicht unabhängig von äußeren Einflüssen erfolgt, sondern dass sie in die sozial-räumlichen Bedingungen des jeweiligen Lebensumfeldes eingebettet ist. Dies darf nicht auf einzelne Lebensbereiche beschränkt gesehen werden, sondern wirkt hinsichtlich der Erwerbsarbeit, der sozialen Beziehungen oder der politischen Teilhabe. In jeder Gesellschaft beeinflusst der Umstand, Mann oder Frau zu sein, die Lebensform oder das, was man aus seinem Leben machen kann, d.h. es gibt überall zwei Normen für das menschliche Leben. Die Geschlechterzugehörigkeit kann beispielsweise die Realisierung gewisser Lebensmöglichkeiten völlig verhindern oder erschweren; stets aber bestimmt das Geschlecht die Optionen des Lebens als Ganzes (ANNAS 1996, 251). Beginnend mit der Sozialisation als Mädchen und Buben erfolgen geschlechterspezifische Zuweisungen, die sich im Laufe des Lebens weiter fortsetzen. Frauen und Männer entscheiden sich für andere Ausbildungen, wählen andere Berufe und entwickeln unterschiedliche Vorstellungen über ihre Lebensplanung. Diese Handlungsweisen differenzieren dabei auch in Abhängigkeit von den regionalen Bezugsorten, in denen Frauen und Männer aufwachsen und leben. All diese Faktoren beeinflussen die

4 Dieser ist durch besondere Gemeinsamkeiten bei gleichzeitigen Differenzen der

Frauen gekennzeichnet, denn Frauenleben differenzieren voneinander durch Bildungsabschlüsse, Erwerbskarrieren, Zusammenlebensformen, Denkformen etc. (AUFHAUSER ET. AL. 2002, 53f).

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Gestaltbarkeit des Lebens in den ländlichen Regionen (STAUBER, 1996, 76).

Folgende Faktoren scheinen wesentlich dazu beizutragen, dass die Chancen von Frauen in ländlichen Regionen für den Aufbau einer eigenständigen Existenz, sowie vielfältige und selbstbestimmte Lebensperspektiven zu entwickeln, geringer sind als jene für Männer (AUFHAUSER et al., 2002, 71ff; PRENNER et al., 2000):

• Schulische und berufliche Ausbildung von Mädchen erfolgt in sehr traditionellen Segmenten,

• Mädchen wählen eher berufsbildende Schulen als eine Lehre, • Eingeschränktes Angebot an Arbeitsplätzen für gut ausgebildete

Frauen und Mädchen, • Geringes Angebot an Arbeitsplätzen, niedrige Frauenlöhne

• Stark segmentierter Arbeitsmarkt für Frauen und Männer – sowohl horizontal als auch vertikal,

• Einstellungspraxis der Betriebe, • Niedrige Qualifizierung vor allem bei älteren Frauen gepaart mit

unzureichender Alterssicherung, • Geringe Teilnahme von Frauen an beruflicher Weiterbildung, • Ressentiments gegen Erwerbsarbeit von Frauen, • Ungleiche Verteilung der Versorgungsarbeit, • Versteckte Arbeitslosigkeit, • Unzureichende Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen, • Geringe Mobilität, • Geringes Angebot an günstigen Wohnmöglichkeiten. Wie eingangs dargelegt, stellt ein unzureichendes Einkommen das größte Armutsrisiko dar. Die Notwendigkeit eigenständiger wirtschaftlicher Absicherung wird in Zeiten ausgeprägter Individualisierung immer dringlicher (BIFFL, 1998). Durch den spezifischen weiblichen Lebenszusammenhang ist dies allerdings in vielen Fällen – vor allem auch in ländlichen Regionen – für Frauen schwerer umzusetzen als für Männer. Im Folgenden sollen einzelne Faktoren näher erläutert werden, die für die Marginalisierung von Frauen vor allem am Erwerbsarbeitsmarkt verantwortlich sind.

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Lebensrealitäten von Frauen in ländlichen Regionen

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2.1 Geschlechterspezifische Segregation der Ausbildung und des Arbeitsmarktes

In Österreich besteht nach wie vor eine starke Segmentation der Ausbildung bzw. Qualifikation nach dem Geschlecht – sowohl beruflich als auch schulisch – und zählt damit zu den OECD-Ländern mit den größten Unterschieden (BIFFL, 1998, 6). Diese erkennbaren Segregationstendenzen stimmen weitgehend mit jenen des Arbeitsmarktes überein. Die Konzentration der Frauen auf traditionelle Berufe im industriell-gewerblichen Bereich, auf Verkaufstätigkeiten und personenbezogene Dienstleistungen ist für Frauen als ungünstig einzuschätzen (PRENNER et al. 2000). Problematisch ist, dass Frauen in den produktionsorientierten Dienstleistungen mit technischem Qualifikationsbedarf nur schwach vertreten sind. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Existenzsicherung von Frauen. Die anhaltenden Produktivitätssteigerungen in diesen Sektoren ermöglichen eine Erhöhung der Löhne, ohne den Gewinn zu beeinträchtigen. Im Gegensatz dazu ist im Bereich der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen (Kinder- und Altenbetreuung, Pflege und sonstigen sozialen Dienste) der betriebswirtschaftliche Produktivitätsbegriff kaum anwendbar. Lohnsteigerungen analog zu anderen marktwirtschaftlichen Tätigkeiten sind nur mit einer Steigerung der Kosten (Preise) für diese Dienstleistungen aufzufangen (BIFFL, 1998, 7).

2.2 Beteiligung von Frauen und Männern am österreichischen Arbeitsmarkt

Die Erwerbsquote von Frauen belief sich im Jahr 1998 auf 62,2 %. Frauen arbeiten jedoch überproportional häufig in Niedriglohnbranchen oder atypischen Beschäftigungsverhältnissen. 1998 verdienten sie im Schnitt um 28 % weniger als ihre männlichen Kollegen und wird der Zeitfaktor ins Treffen geführt, so zeigt sich, dass eine Frau im Schnitt 51 Stunden arbeiten muss, um auf das 40 Stunden-Einkommen eines Mannes zu kommen. Wird auch die unbezahlte Arbeit gleich gewichtet wie die bezahlte Arbeit, dann verändert sich das „Arbeitszeiteinkommen“ noch deutlich zuungunsten von Frauen (HEITZMAN, 2002, 131). Frauen weisen eine

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höhere Arbeitslosenquote auf als Männer und sind auch vermehrt versteckt arbeitslos, da sie oftmals keine Ansprüche geltend machen können (PRENNER et al., 2000). Hinsichtlich der Gründe für eine Nichterwerbstätigkeit von Frauen müssen sowohl Arbeitsmarkt- als auch familiäre Faktoren in Betracht gezogen werden. Dabei zeigt sich, dass die Nichterwerbstätigkeit von Frauen u.a. in (i) Westösterreich höher ist als in Ostösterreich, (ii) mit der Anzahl der Kinder und einem hohen Ausmaß an Zuständigkeit für Versorgungsarbeit steigt, (iii) mit dem Alter tendenziell ansteigt, (iv) mit steigender Gemeindegröße sinkt und (v) ebenfalls mit höherer Ausbildung sinkt (KREIMER und LEITNER, 2002, 13).

2.3 Ungleiche Verteilung der Versorgungsarbeit

Die Verantwortung für die Versorgungsarbeit liegt in unserer Gesellschaft zum überwiegenden Teil bei den Frauen. Das Einkommen der Frau wird vielfach nur als Zusatzverdienst angesehen, wodurch der „male breadwinner“ auch implizit die Kontrolle über die Ressourcen hat. Die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Haushalts- und Erwerbsarbeit nach Geschlecht trägt zur längerfristigen Perpetuierung der Berufs- und Erwerbsmuster nach Geschlecht bei (BIFFL, 1998, 8). Dies wirkt sich längerfristig auf die Altersversorgung der Frauen aus, da das Sozialversicherungssystem „hohe Leistungen“ wie hohes Arbeitseinkommen und ununterbrochene, sichere Beschäftigung belohnt. Frauen entsprechen jedoch durch familiäre bedingte Unterbrechungen kaum dieser Norm (HEITZMANN, 2002, 123).

2.4 Unzureichende Kinderbetreuungseinrichtungen

Wie bereits ausgeführt wurde, beeinflussen familiäre Verpflichtungen die Erwerbsentscheidung von Frauen wesentlich stärker als jene von Männern (LUTZ, 2000, 349). Die oft unzureichende Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen5 und deren unflexible Öffnungszeiten vor allem in ländlichen Regionen stellt ein zentrales Problem bzw.

5 So gibt es im gesamten Bundesland Vorarlberg nur 2 Kinderkrippen und

weniger als 10 % der Kindergärten werden ganztags geführt.

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Hindernis für die Erwerbsbeteiligung von Frauen dar (STATISTIK

AUSTRIA, 2002, 105ff). Da die öffentliche Kinderbetreuung in Landesgesetzen geregelt wird, kommt es zu sehr unterschiedlichen Praktiken in Österreich. So ist in Vorarlberg eine Kinderbetreuung erst ab dem 4. Lebensjahr möglich und diese auch meist nur vormittags. Die meisten Kindergärten schließen dort um 11.30 Uhr und damit wird selbst eine Halbtagsbeschäftigung für Frauen unmöglich gemacht 6. Diese Problematik setzt sich im zum Teil sehr unflexiblen Schulsystem hinsichtlich Unterrichtszeiten und Ferienregelungen fort (BIFFL, 1998, 8).

2.5 Ressentiments gegen weibliche Erwerbsarbeit

In ländlichen Regionen bestehen oftmals verstärkt Vorurteile gegenüber arbeitenden Frauen und es gibt daher auch mangelnde Unterstützung für die Frauenerwerbstätigkeit seitens der Familie und der kommunalen/regionalen politischen Öffentlichkeit. Gesellschaftliche Leitbilder und traditionelles Rollendenken, wie im konkreten Fall das Leitbild „Gute Mutter, Ehefrau, Hausfrau sein“, haben einen großen Einfluss hinsichtlich des Ausübens einer Erwerbstätigkeit oder einer Nichterwerbstätigkeit von Frauen (KREIMER und LEITNER, 2002, 6; OEDL-WIESE, 2002a).

Daher ist die Vorstellung der erwerbstätigen Frau, wie sie auf Ebene der EU als ein für die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft unabdingbare Notwendigkeit gehandelt wird, mit kulturellen und sozialen Vorstellungen vor Ort oft schwer vereinbar (AUFHAUSER et al., 2002; PRENNER et al., 2000). Die von Seiten der EU angestrebte und geforderte Erhöhung der Frauenerwerbsquote wird wohl nur unter Einbeziehung beider Einflussbereiche – Arbeitsmarkt und Familie - verwirklichbar sein. Es braucht daher besondere Unterstützung, die familiäre Arbeitsteilung in Richtung einer geschlechteregalitären Aufteilung zu verändern – sozusagen vom Leitbild „Eine gute Mutter

6 Aussage beim ExpertInnen-Workshop „Strategien zur Umsetzung von

Gleichstellungsorientierung in der österreichischen Regionalpolitik“ am 11. Juli 2002 in Wien.

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sein“ zum Leitbild „Gute Eltern sein“ (KREIMER und LEITNER, 2002, 23f; LUTZ, 2000, 349). Es muss also die Möglichkeit zur verändernden Gestaltung bestehen und zwar zugunsten beider Geschlechter.

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass es in ländlichen Regionen eine Vielzahl von Lebensmodellen von Frauen gibt – auch solche jenseits einer Erwerbsarbeitsmarktorientierung. Gerade in der Verbindung der unterschiedlichen Arbeitsbereiche von Frauen – produktive Arbeit, Versorgungsarbeit bzw. Subsistenzarbeit, ehrenamtliche Arbeit – wird die Vielfalt an Frauenleben in ländlichen/peripheren Regionen sichtbar (OEDL-WIESER, 2000a, 15). In welchem Ausmaß die Lebensgestaltung der Frauen selbstgewählt ist und/oder von den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen determiniert ist, ist von der individuellen Lebenslage und dem regionalen Kontext abhängig. Frauen sollten jedoch das Recht auf Wahlmöglichkeiten bezüglich ihrer Lebensperspektive haben und als handelnde Subjekte mit eigener Entscheidungsfreiheit und Handlungsfähigkeit agieren können (MOSER, 2002, 28).

3. Regionalpolitik und ihr Beitrag zur Armuts(-gefährdung) von Frauen in ländlichen Regionen

Die Regionalpolitik und die damit in enger oder weiter Verbindung stehenden Sektoralpolitiken 7 werden in ihren Wirkungen meist als „geschlechterneutral“ wahrgenommen. Aufgrund der unterschiedlichen Lebenszusammenhänge von Frauen und Männern wirken sich regionalpolitische Maßnahmen und Instrumente jedoch auch unterschiedlich auf sie aus (AUFHAUSER et al., 2002, 41f). In den diversen, für unterschiedliche räumliche Ebenen formulierten, Raumkonzepten, Regionalentwicklungskonzepten und Förderprogrammen sowie in der regionalpolitischen Maßnahmengestaltung wird manifest, wie eine Gesellschaft den ihr zur Verfügung stehenden Raum nutzt, welche sozialen Gruppen in

7 Struktur-, Innovations- und Technologie-, Infrastruktur-, Verkehrs-, Agrar-,

Beschäftigungs-, Sozialpolitik etc.

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welchem Ausmaß an Ressourcen teilhaben sollen und wie sie räumliche Entwicklung definiert.

Der Beitritt zur EU stellte in der österreichischen Regionalpolitik eine einschneidende Zäsur dar. Durch die finanziellen Mittel der EU-Strukturfonds kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Fördervolumens in der österreichischen Regionalpolitik (STEINER, 2003). Neben weiteren positiven Effekten wie der Aufwertung der Regionalpolitik und –förderung in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit und der Professionalisierung und Qualitätssteigerung von Regionalpolitik infolge der EU-Programmplanung, wurde auch die Förderung und Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in den EU-Strukturfondsprogrammen – im Sinne von Gender Mainstreaming 8 – zur Vorgabe und Herausforderung für die österreichische Regionalpolitik 9. Die regionalpolitischen AkteurInnen sind demnach explizit aufgefordert, ihren Beitrag zur Gleichstellung zu leisten. Fragen der Gleichstellung in die Regionalpolitik zu integrieren bedeutet, Frauen und Männer in das Blickfeld zu rücken: ihre Bedürfnisse, Fähigkeiten, Potenziale, ihr Verhältnis zueinander, aber auch die Benachteiligungen, mit denen sie als Angehörige einer Geschlechtergruppe konfrontiert sind. Es herrscht jedoch derzeit noch große Unklarheit darüber, wie Gleichstellung von Frauen und Männern im regionalpolitischen Handlungsfeld umgesetzt werden kann/soll (OEDL-WIESER, 2002b).

EU-weite und nationale Erfahrungen haben gezeigt, dass die Einbindung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in struktur- und regionalpolitische Politikfelder, Programme und Projekte sehr stark von Personen abhängig ist, die die Chancengleichheit für

8 Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über

die Strukturfonds, ABl. L 161 vom 26.6.1999 9 In der ersten österreichischen Programmplanungsperiode der EU-Struktur-

fondsförderung (1995 – 1999) wurden in den regionalen Programmen (Ziel 1, Ziel 2 und Ziel 5b) trotz der Thematisierung der Probleme von Frauen hinsichtlich ihrer schlechten Position am Arbeitsmarkt und oft unzureichender Kinder- und Altenbetreuungseinrichtungen nur vereinzelt Mittel für eine explizite Frauenförderung veranschlagt (OEDL-WIESER 2000b, 82ff).

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wichtig erachten, weiter tragen und vorantreiben wollen (BRAITHWAITE, 1999 und 2000). Dieses Thema ist vielfach stark emotionalisiert, da die Berücksichtigung der Chancengleichheit der Geschlechter gesellschaftliche Veränderungen impliziert, die Männer in stärkerem Ausmaß betreffen als Frauen. Von Seiten der EU besteht zwar die politische Absicht zum Gender Mainstreaming 10, es sind jedoch kaum finanzielle und personelle Ressourcen für deren Vermittlung und Umsetzung veranschlagt und auch keine Sanktionsmöglichkeiten bei Nicht-Berücksichtigung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen. Aber nicht nur in Hinblick auf die Ausweitung der regionalen Wirtschaftsförderung brachte der EU-Beitritt Veränderungen. Es wurden darüber hinaus neue institutionelle Einrichtungen wie z.B. Regionalmanagementstellen in den Regionen geschaffen, die in Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen AkteurInnen die regionale Entwicklung vorantreiben und unterstützen sollen. Die politische Praxis zeigt, dass eine Kooperation und Kommunikation auf regionaler Ebene – etwa zwischen den Kommunen – immer öfter notwendig wird. Die regionale Ebene gewinnt somit mehr politisches Gewicht (STEINER, 2003). Aufgrund dieser Veränderungen ist zu fragen, wie die Repräsentation der Frauen auf der regionalen Ebene und in den neu errichteten Institutionen aussieht bzw. wie die Allokation der nunmehr beträchtlichen struktur- und regionalpolitischen Ressourcen aussieht. Nahezu alle Regionen Österreichs verfügen nunmehr über eine Regionalmanagement-Stelle. In den überwiegenden Fällen werden diese von Männern geleitet. Es arbeiten allerdings bereits sehr viele Frauen im Projektmanagement in den unterschiedlichsten und vielfältigsten Aufgabenfeldern. Die Entscheidungs- und Beratungsgremien dieser Regionalmanagements sind jedoch in überwiegendem Maße mit Männern besetzt, da sie als 10 Gender Mainstreaming ist die systematische Einbeziehung der jeweiligen

Situation, der Prioritäten und der Bedürfnisse von Frauen und Männern in alle Politikfelder, wobei mit Blick auf die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen an diesem Ziel ausgerichtet werden und bereits in der Planungsphase wie auch bei der Durchführung, Begleitung und Bewertung der betreffenden Maßnahmen deren Auswirkungen auf Frauen und Männer berücksichtigt werden (GD X 1998, 15).

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gewählte Bürgermeister die Mitgliedsgemeinden im Regionalverband vertreten. Aber auch sonst werden nur vereinzelt Frauen für diese Gremien nominiert, dies gilt sowohl für die politischen Parteien als auch für die Sozialpartner auf lokaler und regionaler Ebene. Da hier und auf kommunaler Ebene sehr oft Entscheidungen getroffen werden, die weitreichende Folgen für die Lebensqualität von Frauen und die Aufenthaltsqualität in einer Region haben, ist es notwendig, Frauen verstärkt in diese lokalen/regionalen Entscheidungsgremien einzubinden. Durch eine entsprechend angemessene Zahl – eine kritische Masse von etwa 30 % – von weiblichen Repräsentanten in diesen Gremien würde die Chancen erhöhen werden, dass die Forderungen und Anliegen der Frauen im regionalen Kontext verstärkt thematisiert werden und Berücksichtigung finden. Diese Entwicklung erscheint auch aus demokratiepolitischer Sicht erforderlich.

Derzeit stellt sich die Situation noch so dar, dass zwar schon vereinzelt Gleichstellungs- oder Gender Mainstreaming-Beauftragte in regionalpolitische Gremien eingebunden werden, diese allerdings mit einigen gravierenden Problemen zu kämpfen haben. Denn ihre weibliche Stimme steht einer Überzahl von männlichen gegenüber, ihre Stimme muss die ganze Vielfalt an Fraueninteressen in einer Region abdecken und ihre Stimme hat oft wenig Gewicht, weil sie meist nicht zu den Geld gebenden Stellen gehören (AUFHAUSER und HAFNER, 2003). So gibt es beispielsweise in OÖ Regionalmanagerinnen für „Arbeit und Soziales“ und im Pinzgau und Lungau jeweils eine „Projektmanagerin für Chancengleichheit“. Die finanzielle und personelle Ausstattung dieser Stellen ist jedoch äußert niedrig und die Akzeptanz von Seiten der etablierten lokalen/regionalen Institutionen und Akteure war für längere Zeit nicht gegeben. Dies äußerte sich beispielsweise darin, dass die Projektmanagerin für Chancengleichheit im Pinzgau zu wichtigen Sitzungen einfach nicht eingeladen wurde 11.

Wie bereits dargelegt wurde, ist die geschlechterspezifische Verteilungswirkung von regionalen Fördermitteln noch viel zu wenig 11 Aussage beim ExpertInnen-Workshop „Strategien zur Umsetzung von

Gleichstellungsorientierung in der österreichischen Regionalpolitik“ am 11. Juli 2002 in Wien.

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ins Bewusstsein der regionalen Akteure gedrungen. Es fehlen nach wie vor Analysen und zahlenmäßige Darstellungen der Wirkungsweisen so genannter „geschlechterneutraler“ oder „geschlechterlosen“ Politik (MESEKE, 2002, 106). Das EPPD Ziel 2 Niederösterreich beispielsweise weist eine betont technologie- und innovationsorientierte regionalpolitische Strategie auf, die sich auch in der Maßnahmengestaltung widerspiegelt. Dies macht es auf den ersten Blick schwierig zu erkennen, wo angesetzt werden kann, um Frauen spezifisch und aktiv zu fördern bzw. sie gleichberechtigt an den Förderungen teilhaben zu lassen. Im Allgemeinen sind Technologie und Innovation männlich konnotierte Begriffe, das Politikfeld wird allerdings weitgehend als „geschlechterlos“ konzipiert und präsentiert. Diese scheinbar geschlechterlose Politik zeigt jedoch bei näherer Betrachtung enorme geschlechterspezifische Auswirkungen (DÖGE, 2001). Beispielsweise hinsichtlich (i) des Zugangs zu Arbeitsplätzen bei gleichwertiger Qualifikation, (ii) Einstellungsbarrieren für Frauen, (iii) Arbeitsplatzgestaltung und –infrastruktur – Versorgungseinrichtungen in der Umgebung, (iv) Projektfinanzierung – Frauen benötigen oftmals andere Beratungs- und Finanzierungsdienstleistungen.

Auf einer Veranstaltung der EU-Kommission im Juni 2002 in Santander (Spanien) stand zur Diskussion, wie die Chancengleichheit von Frauen und Männern in den EU-Strukturfondsprogrammen der einzelnen Mitgliedstaaten bis jetzt umgesetzt wird. Das ernüchternde Ergebnis lautete, dass fast ausschließlich nur im ESF Maßnahmen zur Erhöhung der Chancengleichheit von Frauen und Männern formuliert wurden, jedoch kaum welche in den, von der finanziellen Dotierung her gesehen, viel bedeutenderen EFRE und EAGFL (EU-KOMMISSION, 2002).

In dieser knappen Darstellung wird offenbar, dass Regionalpolitik sehr wohl die Armut(sgefährdung) von Frauen in ländlichen Regionen verstärken kann, als beispielsweise bei regionalen Investitionen und bei der Fördervergabe kaum auf geschlechterspezifische Auswirkungen Bedacht genommen wird. So kann eine innovationsorientierte Regionalförderung zwar hochqualifizierte Arbeitsplätze in einer Region schaffen. Wenn dabei jedoch nicht darauf hingewirkt wird, dass auch Frauen durch aktive Förderung verstärkte

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Chancen haben, in diese qualifizierten und gutbezahlten Arbeitsplätze einsteigen zu können, kommt diese Förderung fast ausschließlich männlichen Arbeitnehmern zu gute.

Im folgenden Zitat von REEVES (2002, 199) wird deutlich, welche Folgen die Nichtberücksichtigung der unterschiedlichen Lebenszusammenhänge von Frauen und Männern in der Regionalpolitik hat: „A lack of a gender perspective may mean that policies unwittingly reinforce gender roles without providing choice. Policies that “treat everyone the same”, in other words “gender neutral” or “gender blind” policies, may simply fail to meet the specific needs of women and men and in doing so fail to bring about an end to inequalities in income, housing, jobs and mobility. … Strategic policies with a spatial planning dimension are impor-tant to gender equality because they provide a framework for the allocation of resources and play an increasingly important indirect and direct role in re-source distribution.”

4. Von der Marginalisierung zur Vielfalt von Frauenleben in ländlichen Regionen

Um die Lebenslagen von Frauen und Mädchen in ländlichen Regionen zu verbessern bzw. ihnen vermehrt selbstbestimmte Lebensperspektiven zu ermöglichen, ist es neben der Öffnung des Horizonts ländlicher Regionen in Hinblick auf die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Weiterentwicklung nach wie vor dringend erforderlich, eine Umschichtung und eine gezielte Zuweisung von Mitteln der öffentlichen Hand zur Förderung der wirtschaftlichen Chancen der Frauen vorzunehmen. Denn erst ein gleichberechtigter Zugang zu den ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen, insbesondere von in Armut lebenden Frauen, und eine angemessene politische Partizipation und Repräsentation von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen und Entscheidungsprozessen in ländlichen Regionen schafft ein Gleichgewicht, das zur Stärkung einer geschlechterdemokratischen Gesellschaft führt. Um von der Marginalisierung zu einer Vielfalt von Frauenleben in ländlichen Regionen zu kommen, ist von gesellschaftlicher und politischer Seite zu fordern, die Gestaltbarkeit weiblichen Lebens in ländlichen

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Regionen zu fördern, dabei die Diversität von Frauenleben wahrzunehmen und als eine regionale Qualität und Chance zu sehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Mitgestaltung bei regionalpolitischen Vorhaben und Entscheidungen von Frauen und Männern aus der Region das kreative Potenzial in der Region fördert und damit die regionale Identität und Standortqualität erhöht wird.

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Anschrift der Verfasserin:

Dr. Mag. Dipl.-Ing. Theresia Oedl-Wieser

Bundesanstalt für Bergbauernfragen

1030 Wien, Marxergasse 2/Mezz.

Tel.: +43 1 504 88 69 - 18 eMail: [email protected]

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Marginal farmers, agricultural practices, and ru-

ral poverty in Nepal Kleinbauern, landwirtschaftliche Praktiken und ländliche Armut in Nepal

Manish TIWARY

Summary This paper discusses the situation of poor farmers in three ecological zones in Nepal - mountains, hills, and terai (plains) - each with unique agricultural practices linked to soil quality, crop calendar, yields, crop diversity, and different cultural environments. The marginal farmers are divided into three subgroups: sharecroppers and landless agricul-tural labourers, marginal farmers of western districts with <0.5 h. land, and marginal farmers of central and eastern districts with <0.5 ha land. For each subgroup, the paper discusses the main characteristics of the livelihood strategies pursued, and the sources of poverty and food insecurity. It is argued that, although all marginal farmers suffer from unsustainably small landholdings, the marginal farmers in western regions are worse off than those in the east and those in the mountains (north) worse off than those in the southern plains. The paper identifies areas of opportunities for marginal farmers, and makes a few policy recommendations. Keywords: Nepal, marginal farmers, agricultural practices, east to west gradient, off-farm opportunities.

Zusammenfassung

Der Beitrag bespricht die Situation armer Bauern in drei ökologischen Zonen Nepals – Bergland , Hügelland und den Terai (Ebenen) – jedes mit auf Bodenqualität, Anbaumöglichkeiten, Erträgen, Vielfalt an Ackerfrüchten und kulturellen Gegebenheiten angepaßten landwirtschaftlichen Praktiken. Die Kleinbauern werden in drei Untergruppen geteilt: Pächter und landlose Landarbeiter, Kleinbauern im westliche Gebiete mit weniger als 0,5 ha Land und Kleinbauern in den Zentral und Ostgebieten mit weniger als 0,5 ha Land. Für jede

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Untergruppe werden die Hauptmerkmale der Lebensstrategien, und die Ursachen von Armut und der unsicheren Nahrungsversorgung diskutiert. Es wird argumentiert, daß, obwohl alle Kleinbauern am unhaltbar kleinen Grundbesitz leiden, die Kleinbauern in den westlichen Gebieten schlechter dran sind als jene im Osten und jene in den Bergen (Norden) schlechter dran sind als jene in den südlichen Ebenen. Für die Kleinbauern werden Alternativgebiete identifiziert sowie Empfehlungen für die Politik gegeben. Schlagwörter: Nepal, Kleinbauern, landwirtschaftliche Praktiken, Ost-West-Gradient.

1. Geography and Demography of Nepal

1.1 Geography

Except for a small strip of flat land in the south, the topography of Nepal is mountainous. The Himalayan range in Nepal’s north has the world’s highest mountain peaks, which then progressively taper to the plains, or terai at 100 metres or so above sea level. Consequently, Nepal contains three distinct ecological zones, the mountains, the hills, and the terai (plains). Each administrative district of the country is identi-fied as a mountain, hill, or terai district, in accordance with the ecolo-goical zone where it is located. For administrative convenience, each ecological zone has been demarcated on the map as a strip running from east to west, with the mountains in the north, the hills in the middle, and the plains in the south (sees Map 1 and 2).1 However, the topography is not uniform within each zone. Thus, in what are admin-istratively hill and mountain districts of the country, there may be both low lying valleys and mountain peaks of high altitudes. Also, the northern part of the terai swells up to meet the hills, with characterstics more similar to those of the middle highlands, than of the southern plains. In the terai, the northern uplands and the flat plains of the

1 This paper when refering to the mountains, hills, and terai refers to the 3 adminis-

trative strips of same name, and which only roughly match the physical ecologi-cal zones.

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south are roughly divided by the highway that runs from east to west, and are sometimes referred to as northern, or inner terai and southern terai. The mountain and hill districts experience a range of climate types, from subtropical through temperate to alpine climates, with a wide variation in temperature and precipitation. The north-western valleys of the country are rain shadow areas, where only minimal pre-cipitation takes place, and mostly in the form of snow. However, mon-soon rains are characteristic of the eastern hills and the terai.

Map 1: Administrative map of Nepal. [The three ecological zones are delineated by the black lines running east to west (mountains on the top, followed by the hills, and the plains, or terai, at the bottom. The national capital, Kathmandu, is seen as the large dot).] Source: ESAF/ FAO. 2002.

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Map 2: Districts by ecological zone, in eastern and western Nepal (also see Table 1)

Source: ESAF/ FAO. 2002

1.2 Demography

Nepal is home to two major races, Indo-Aryans who speak languages of the Indo-European family and follow caste-Hindu religious prac-tices, and Tibeto-Burman of Mongloid ethnic origins, who speak lan-guages of the Tibeto-Burman family, and practice Tibetan Buddhism.2 Only 7% of Nepal’s total population live in the mountain districts (CBS, 1991). The population of the hill districts, on the other hand, is ap-proximately 10 million - nearly 43 % of Nepal’s total population (CBS, 1991). The terai accounts for 23% of the country’s total area, and hosts around 50% of the population. Thus, among the three ecological zones,

2 The communites who speak Tibeto-Burman languages include, among others,

Tamang, Gurung, Sherpa, Thakali, Rai, Limbu, Bhote, Newar. People speaking Indo-European languages include, among others, Bhrahmin and Chhetries among the upper castes, and Kami, Damai and Sarki, among lower castes.

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the population density is the highest in terai.3 However, the hills have the highest population density with respect to cultivated area, whereas the number of people per unit of cultivated land in terai is the lowest in the country (CBS, 1991). As a result, the terai has continued to attract migrants from the mountains and hills who wish to practice settled agriculture under more favorable conditions. There has long been movement of the population from highland areas for permanent settlement elsewhere in Nepal. Earlier there was emi-gration of highlands people from the arid west to the humid east. For better prospects, Nepali farmers would then emigrate along the hill corridors with mountains to the north and malaria-infested terai to the south. However, since the early 1960s, with the control of malaria, Nepal has seen a 'lowland convergence' (GURUNG, 2001). In 1952, the mountain and hill districts accounted for 65% of total population. In 1991, this share was down to a mere 48% (ibid.). This population growth in the lowlands is due mainly to migration from the highlands for permanent settlements in the terai.

2. Land Use Patterns and Farming Systems in Nepal

2.1 Land Use Patterns

The majority of land use in Nepal is for agrarian and pastoral pur-poses. Compared to other ecological zones, only a small area of the mountains is put under farming. The total cultivated area in the moun-tain districts is 275,945 hectares, only 5.3 % of its total area. The soil is of arid type, and the precipitation in several districts is low. Within the mountain districts, the productivity is highest in the east, and drops sharply in the western districts. The lands and other natural resources in the mountain districts are also used for livestock rearing, forestry and tourism. The hill districts too are predominantly rural. The agrarian economy accounts for more than 90% of the economic activity, with livestock

3 The population density is higher in eastern terai than in the western terai.

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accounting for 32% and horticulture 14%. As noted earlier, the popula-tion density for each unit of cultivated area is the highest in the hills, and has reached a saturation point. In the terai, agriculture and forests account for most of the land use. Most of the terai was put under cultivation only in the past fifty years, and consequently, the land is relatively fertile. However, the terai has failed to achieve a green revolution so far.4

2.2 Farming Systems

The farming systems in Nepal vary sharply from the higher altitude north to the lower south, and from the wet east to the arid west. In the mountains, potatoes, millets and maize constitute the staple food crops. A variety of vegetables, and fruits (apples and citrus fruits, for exam-ple) have been successfully introduced in many mountain communities that earlier did not eat many greens and fruits. However, in rain shadow trans-Himalayan areas and at altitudes above 3000 m, only monoculture farming is practiced (the fewer number of crops is due to low temperatures, and leached out, poor, soil quality). Wheat or barley is typically sown in November and harvested in June/ July the follow-ing year. This means that on a typical farm, one crop of the staple crop variety, such as wheat, oat, barley, buckwheat, is grown, and beans and vegetables are harvested as intercrops. The major cereal crops grown in the hills are rice, maize, and millet. The growing of paddy is practised up to an altitude of 2,000 meters. Pulses and potato are found everywhere in the hills. There are also some location-specific commercial crops such as tea and cardamom in the east, coffee in central hills, and ginger in the west, that produce important cash income. In the terai, paddy, wheat, and maize are the main cereal crops. The farmers in the eastern terai can grow two crops of paddy in a year. Typical intercropping patterns practised in the

4 The term ‘Green Revolution’ is a general one that is applied to the use of successful

agricultural experiments in many developing countries. India is one of the coun-tries where it was most successful where it was taken up most intensely in the pe-riod between 1968 to 1978. There were three basic elements in the method of the green revolution: continuing expansion of farming areas, double-cropping in the existing farmland, and using seeds with improved genetics.

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eastern districts could be paddy-wheat-paddy; paddy-maize-paddy; paddy-vegetable-paddy; paddy-potato-paddy; or paddy-oilseed-paddy. The western terai allows fewer crops, with the following com-binations: paddy-wheat-fallow; paddy-mustard and lentil; paddy-mustard-fallow; maize-mustard and lentil-fallow; maize-wheat-fallow; or millet-mustard and lentil-fallow. However, as noted earlier, the agricultural productivity in Nepal’s terai remains lower than its under-stood potential. Generally speaking, the agricultural land owned by marginal farmers is typically less productive because of the steep to-pography (in uplands), lack of irrigation, and less amount of manure due to small number of animals that they can maintain.

3. Food Production, Availability and Security

Despite the fact that Nepal depends predominantly on agriculture for its gross domestic product (GDP), the country continues to face acute food shortages. The productivity of major crops in Nepal during the early 1960s was higher than that of other South Asian countries. How-ever, by the early 1990s, Nepal’s agricultural productivity lagged be-hind that of other South Asian neighbours. A number of reasons have contributed to this situation, including a population growth that has outmatched the growth in agricultural productivity. Indeed the agri-cultural productivity is far below the potential level: farming in Nepal has remained subsistence-oriented and use of high-payoff inputs such as fertilizer, improved seeds, and year-round irrigation is low. Also, commercialization of agriculture is yet to take place. Most of its 55 highland (hill and mountain) districts are food deficit, and several of the districts depend on regular external support involving food im-ports and subsidies provided through the state’s food distribution systems. Currently, all sixteen mountain districts suffer from food defi-cit. However, the eastern districts, on the whole, yield more variety, and tonnage of crops than the districts in the west. The local food pro-duction in the western districts is meagre, the transport networks are rudimentary. As a result, people may lack access to food despite hav-ing the money to purchase it. The state’s food distribution systems, managed by the Food Corporation of Nepal (FCN) and the World Food Program (WFP) have been supplying food in crisis areas for several

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years, particularly, in the mid- and far western mountain districts. Indeed, higher agricultural yields, cash earning capacity and better markets (with infrastructure) are needed if the western population is to have relief from food scarcity. Many hill districts do produce crops that are sufficient for the resident population. However, a fair number of hill districts remain food deficit, with food balance running a deficit of 448,540 metric tones in 1999. In 1997, terai, on the whole, had produced surplus food grains, i.e., the production of food grains exceeded the food requirements of terai resi-dents. Generally speaking, farmers in the eastern part of terai are able to grow a greater variety of crops, and the cultivation period lasts lon-ger. The region also grows more cash crops, is better connected with markets, and possesses a better infrastructure. However, currently, several districts in terai suffer from food deficits. The food that marginal farmers produce is sufficient only for 3-8 months, depending on location, type and size of land, and seasonal factors (secondary assets, off-farm earning opportunities and remit-tances from family member working abroad are regularly used to tide the food scarce periods).5 Locally grown farm crops, livestock, and forest products are the traditional sources of food for most of Nepal. A typical diet for marginal farmers consists mostly of maize, finger millet, and buckwheat. Rice, however, is the preferred food and is eaten with vegetables and lentil soup, when available. The animal proteins come mainly from milk and meat; the latter, however, is eaten infrequently. The diet is monotonous, carbohydrate-rich, and protein-poor. The lo-cally made liquor, from millet, rakshi is popular particularly with men. There are several food practices – particularly those that relate to meat and alcohol - that are linked to the community to which one belongs. The leanest months for food availability are the periods before the har-vest of crops. In periods of food crises, dhido and aato prepared from millet and maize flour respectively are commonly eaten. Livestock and its products provide a crucial alternative to crop agriculture. The number of livestock is largest in the west. There is a sizable number of 5 For example, the farmers in the arid midwestern districts Mustaing and Manang

enjoy large secondary incomes from tourism and remittances from migration which serve as key insurances against chronic food insecurity.

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sheep, goats and chauri that provide considerable income, as well as supplementing the diet. The number of livestock (particularly a pair of bullock) possessed by a family is taken as an indicator of well being of the family. It is commonly held that those who own a pair of bullocks will not go hungry. For example, the decision to marry a daughter to a farmer is often based on whether the household has enough able-bodied men, house (that is, well repaired), land, and livestock. In the western districts, yet another sign of prosperity, at least until the recent past, was the collection of fuelwood on the roof of the houses. The older the wood, better the sign that the household has not had to dip into its ‘reserves’ for survival (with the introduction of electricity, this feature has become increasingly irrelevant). Forest products also complement the household food needs either on a regular basis or during food stress periods.

4. Marginal Farmers and their Subgroups

Marginal farmers (taken here as those who have landholdings less than 0.5 ha) are vulnerable to food insecurity due to the poor productivity of land that gets coupled with their small or negligible landholdings. For each subgroup, the situation varies according to where people are located -- in the mountains, the hills, and or the terai. (Table 1 divides each ecological zone in eastern and western districts, also see Map 2 for the location of districts. Table 2 shows the population for each sub-group of marginal farmers, by agroecological zone, and for the country as a whole). This paper further emphasises the difference between those marginal farmers who are located in the west from those in the east. In addition, it discusses the sharecropping and agricultural labor arrangement in Nepal. The sharecroppers and agricultural laborers are concentrated in the terai, and fare worst in terms of food security status.

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Table 1: Districts by ecological zone, in eastern and western Nepal Ecological

zones Western Nepal Eastern Nepal

Mountain districts

Dolpa, Mugu, Jumla, Manang, Mustang, Kalikot, Bajura, Humla, Bajhang, Darchula

Rasuwa, Sindhupal-chowk, Dolakha, Solukhumbu, Sank-huwasabha, Taplejung

Hills districts Gorkha. Lamjung, Tanahun, Syangja, Kaski, Myagdi, Parbat, Baglung, Gulmi, Palpa, Arghakanchi, Pyuthan, Rolpa, Rukum, Salyan, Surkhet, Dailekh, Ja-jarkot, Achham, Doti, Dadeldhura, Baitadi

Ilam, Panchthar, Ter-hathum, Dhankuta, Bhojpur, Udaypur, Khotang, Okhald-hunga, Ramechap, Sindhuli, Kabhre, La-litpur, Bhaktpur, Kath-mandu, Nuwakot, Dhading, Makwanpur

Terai districts Nawalparasi, Ru-pandehi, Kapilbastu, Dang, Banke, Bardiya, Kailai, Kanchanpur

Jhapa, Morang, Sunsa-ri, Saptari, Siraha, Dhanusha, Sarlahi, Mahottari, Rautahat, Bara, Parsa, Chitawan

The majority of the mountain population are counted as farmers in the census. Of the total mountain population, nearly 45% are marginal farmers and landless agricultural laborers and sharecroppers. In the hills, approximately 35% of the population are marginal farmers. In the terai, 65% of the population is involved in farming, and approximately 48% of all farm households in the terai are marginal farmers and agri-cultural laborers (also see Table 2).6 The marginal farmers cultivate only 7 % of the total cultivated area in the terai. Although the cut-off for marginal farmers for this paper is taken as 0.5 ha, the average land-holding of a typical marginal farmer is much lower at 0.21 ha (but the average size of the holding for all farm households in the terai on the whole is 1.23 hectare). Therefore, although the cultivated land is less saturated than the Hills (see above), farmers in the terai till a smaller

6 The number of farmers in the eastern districts is higher than in the western districts

(see Table 2). The marginal farming group (including sharecroppers and agricul-tural laborers) make up nearly 30% of Nepal’s total population, of nearly 23 mil-lion people (CBS 1991).

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amount of land. However, this is compensated by the better quality of the land and shorter agricultural calendar in the southern plains.

Table 2: Composition of subgroups among marginal farmers Subgroups of Marginal Farmers

Mountains Hills Terai Total

Sharecroppers and landless agricultural la-borers

19,481 159,060 467,027 645,568

Marginal farm-ers of western districts with <0.5 ha land

337,725 190,5837 65,4936 2,898,498

Marginal farm-ers of central and eastern districts with <0.5 ha land

333,902 1,350,756 1,522,085 3,206,743

Source: CBS, 1991

5. Marginal Farmers: The East-West Divide

There is a gradient regarding the food security situation in Nepal. Farmers who do not have their own land and practise sharecropping and/or provide agricultural labor are considered as those who are most food-insecure. The marginal farmers in the western region are the next most food-insecure. Due to poor land quality, lack of precipita-tion, the farmers in the western parts are considered as worse off than the marginal farmers of the eastern regions (see Table 1). The latter have relatively better economic opportunities due to the existence of a more vibrant market economy, infrastructure, and proximity to Indian markets. In the east, the soil is of better quality, monsoons are timelier, and there are fewer shocks to the farming system (droughts, for exam-ple). In the mountains, the eastern districts not only have longer growing seasons for staple crops but also the cash crops grown in the area (car-damom and tea) find accessible markets in the neigboring India (it has

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been argued that the marginal farmers are, however, not the prime beneficiaries of this trade). To cope with drier and less productive land, the farmers in the western districts have built up large livestock bases. However, because of lack of roads, and access to markets, they are deprived of sustainable trade in livestock and livestock products. In the higher reaches of the Hills districts, the situation is similar to the mountain districts. On the other hand, for the farmlands located at lower altitudes, the farmers in the west suffer a higher proportion of fragmented landownership, a drier climate, and lower productive land. Within the terai, there is a notable difference in agriculture patterns between the eastern and the western districts, and between the north-ern highlands and the southern plains. For one, the rainfall pattern in eastern terai is different from the west. The monsoon comes earlier in the east and is more regular than in the west. The west gets less rain, and a significant part of this is in the winter months.7 In the terai, the eastern part is better off in terms of infrastructure and market access. Generally speaking, due to small size of the agricultural land, marginal farmers are often underemployed, and the crop yield from their own land is insufficient to make them food secure for the whole year. Resul-tantly, they seek cash-income from working as agricultural labourers, and, in nonfarming seasons as porters, in caste-based occupations, or as petty goods traders (in fruits, and nontimber forest products). How-ever, with the same landholding size, a typical household in the east may be food sufficient for up to 8 months, compared to 6 months in the west (and less than 3 months for agricultural laborers and sharecrop-pers [discussed below]). In lean months, marginal farmers also rely on livestock and fruit products (mainly citrus fruits), and other income sources such remittances from family members in India, to maintain food consumption levels. However, during winters in households where young men are away working, women, children and older peo-ple are vulnerable to any shock that can harm their stock of food. Compared to the eastern districts, the farmers in the western Nepal

7 Within the terai, the southern parts of terai have better ground water reserves than

the hilly north.

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have poorer access to markets, and off-farm jobs. The farmers in east-ern districts face the problems of increased population pressure, pro-gressive fragmentation of land assets, and progressive loss of soil fertil-ity.

5.1 Special Marginal Farming Groups

There are two special farming groups spread across the terai, who de-serve mention. These are the Chepang community who had tradition-ally derived the majority of their food from forests and common prop-erty resources and have now begun to practise settled agriculture, and the hill migrants who migrated from highlands to permanently settle in the terai region. Both groups do not have clear titles to the land they till. There are approximately 15,000 Chepang households and 40,000 mi-grant farmers from the hills and mountains. They live mostly at the edge of forests (areas that have recently been cleared) and do not have land titles. Compared to the regular terai farmers, these two subgroups are worse-off in terms of food security. They could settle only on mar-ginal lands, and the land entitlement is insecure. The forest and other common property resources that were food sources to these communi-ties have become scarce in many areas, and the access is heavily regu-lated by the government.

6. Sharecroppers and Landless Agricultural Laborers

This subgroup is comprised of agricultural laborers and sharecroppers with no agricultural land of their own. The sharecroppers and agricul-tural labourers earn part of their living by working for a landlord, with responsibilities of sowing, ploughing, and harvesting in exchange for wages. The wages are mostly in kind, usually a share of the crop pro-duced at harvest, (50% is common8). The crop share from sharecrop-

8 As noted before, the sharecropping households are seldom food secure for more

than 3 months. Hence, the 50% share that the sharecroppers receive from the landlords is not only indicative of an exploitative agricultural labor condition, but also that the land that is usually rented out to sharecroppers is of small size, and the quality of land is too poor to sustain sharecropping households for the whole year.

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ping and agricultural labour is able to feed families for up to three months. For the rest of the year, these farmers earn wages from carry-ing loads and taking up caste-associated works (many of the share-cropping and agricultural labouring households belong to traditional occupational castes such as Kami [blacksmiths], Damai [tailors], and Sarki [leather-workers]). Another source of income for these families, especially in mountain districts, is the collection and sale of fuelwood, mushrooms, and some medicinal herbs. Women contribute by work-ing at the landlords’ households. A few men go to India for seasonal work. The number of seasonal migrants is, however, small, as such practice requires networking and initial expenses (for travel, and stay), which are often not available to the sharecroppers. The majority of Nepal’s agricultural labor force is found in the terai (see Table 2). The agricultural labor arrangement in the terai is complex and has evolved over centuries. This includes several informal systems of contract formation, payment, and patron-client relationships that have been in place for generations. Three features mark the agricultural situation in terai: the agricultural laborers usually come from lower caste groups who have little or no agricultural landholding, labor con-tracts are informal and made orally, and currently, there are important changes underway in the agriculture sector in Nepal (only recently the bonded labor arrangement has been dismantled, for example). The agricultural laborers in the terai are of two types, bonded laborers who until recently used to be locked in long-term contractual relationships with rich farmers, and regular agricultural laborers not tied up in long-term contractual arrangements with the landlords.

6.1 Kamaiya bonded laborers

These laborers are mostly of Tharu community and are called Kamaiya, meaning a hard-working person.9 Over time, however, the term Kamaiya has come to mean the bonded agricultural labor system of

9 Tharus are indigenous to terai. 97 % of this community in Nepal lives in terai, more

in the west, and Tharu are one of the few mountain ethnic groups who battled and survived the southern, malaria-infested terai.

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Nepal. The Kamaiya system was practiced in the far western districts in the terai, Dang, Banke, Bardiya, Kailali, and Kanchanpur, and, to a lesser extent, in the adjacent western districts, Kapilbastu, Rupandehi, and Nawalparasi (see Map 2). Apart from Tharu community, poor households of a few other caste/ethnic backgrounds had also become part of such labor arrangements. The employers, the farm-owning households, on the other hand, are usually richer farmers of hill origin. Under the Kamaiya system, an agricultural laborer makes a contract with his landlord to work for a specific period of time. However, if a Kamaiya owes money to the landlord, he cannot leave until he is free of debt. In practice, Kamaiyas are kept in debt, and they remain bonded with the landlord household for years, if not life. Landlords can ‘sell’ any excess Kamaiyas to other employers, who in turn pay off the debt that the Kamaiya might owe and acquire a cheap labor force. Under this arrangement, a landless and homeless household moves with his fam-ily to live on a property leased out by his landlord. Indeed, in such a case, the whole family of a Kamaiya becomes bonded with the landlord. The men are responsible for carrying out regular agricultural work. Women, on the other hand, do domestic work in the landlords’ house-holds, and children work as animal herders for the landlords. On July 16, 2000, the government of Nepal freed the Kamaiyas from their contractual obligation, and made the Kamaiya arrangement illegal. The government has been trying to resettle the Kamaiya since then. Since being librated Kamaiya have moved to other labor sectors, such as bricklayers and rickshaw pullers. Women have been supported by rural development banks with promise of collateral-free loans. Several Kamaiya households complain that their economic conditions have worsened since being freed. There is no security of livelihood; the relief programs have been slow, insufficient, and have not covered everyone. Indeed, although the liberation provided this group prospects of better livelihood options and social status, these have yet to be realised.

6.2 Regular agricultural laborers in the terai

This subgroup is comprised of daily wageworkers who perform vari-ous agricultural tasks such as sowing, harvesting, manuring, and col-lection of agricultural goods. Most people in this subgroup are either

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landless or have only small plots of land. Some of them own a few animals. An important income source is labor wages earned as sea-sonal migrants to India and nonfarm work in other parts of Nepal. Migration for other livelihood opportunities has been on the rise. The majority are paid on a daily basis, for example with 5 kg paddy or wheat per person per day. They are also given food, and a daytime snack. In addition, they can cultivate about 0.1 ha of land and keep the produce for themselves. On the other hand, in other areas the laborers can instead get paid in cash or kind on a monthly, quarterly, or even on an annual basis. As an incentive, landlords often give these laborers a small piece of land (about 0.1 ha) for cultivation.

7. Social Capital as a Livelihood Asset

The intra- and intercommunity relationships are put to important use by poor farmers to secure livelihoods and ease food stress periods. The household members take turns looking after community livestock, for example. Also, the intracommunity networks help finding jobs in in-formal economy sectors (portering, petty trading, etc.). Landless share-croppers and agricultural laborers help each other with labour loans called, ‘aicho-paicho’, and during stress periods, the households ex-change credits, in cash or kind. Exchange of gifts between households during times of food scarcity is also common. There exists a strong base of social capital among the poorest of the marginal groups, the former Kamaiyas, or the bonded laborers. The Kamaiyas come from tightly knit Tharu communities. Tharu household heads, called ghardhuriya, elect for each village a community leader, called Badghar, or Mahato, carried out in a public assembly called, Khel. Although, the Ghardhuriya decide how things run in households, the Badghar or Mahato look after village affairs, including mobilization of labor for employment, community work, and, religious activities. The leaders also help resolve conflicts among community members. The public gatherings provide an opportunity for community members to exchange ideas and develop cohesiveness. Patriarchy is the common practise in Nepal. Men dominate decision-making, and are the main income-earners. Among relatively better-off families, women are discouraged from working for others. In Hindu-

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caste groups, women eat last, once men and children have eaten, and during pregnancy women often do not get sufficient nutrition care. The caste practises are particularly apparent in the terai, with inequity be-ing higher in the west. Owing to highland influences, caste differences are lower among the residents of inner, or northern terai than in south-ern terai. Marginal farming communities from lower castes and ethnic groups, in general, practice a less conservative culture than what is standard in rest of Nepal, and there is better gender equity in household decision making. In Tibetan communities, the equity between men and women is better. For example, women of Rai, Limbu, Sherpa communities in the eastern high mountain regions have better access to decision-making in a household. However, men usually make most of the live-lihood decisions. They alone migrate to the lower hills, plains, and foreign countries looking for jobs. Women from certain communities (Thakalis, for example), however, have shown exemplary entrepre-neurship in running hotels and petty businesses and can work inde-pendently of menfolk. On the other hand, some communities practise polyandry, where a woman gets married to two or more men, usually brothers in the same household. The practise is on the decline, and arguably, had helped landholding and other assets to remain within one household, and not be split. The farming community, in general, is not well represented in the mainstream national politics. Marginal farmers are poor both in socio-economic and political milieus. There is little representation in govern-ance in local and national polity. Field reports indicate that those few from these marginal communities who receive a senior government post tend to behave like other castes and do not tend to the dalit issues.

8. Infrastructure: Education, Health, Roads, and Communica-tions

Many parts of Nepal, and particularly the highlands are characterized by inaccessibility and marginality in terms of markets, mainstream politics, education, skills, diversification, and growth. In fact, most of

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the line agencies are present in the district headquarters only. Accessi-bility to an already scarce infrastructure is particularly difficult in mountain districts. Fortunately, primary education has become increasingly common among marginal farming households. However, children are often employed for labour once they are 12 or more years of age. They often migrate out with the men, and each year their education must suffer this disruption. Illiteracy is very high in the far west. Also, the percent-age of girls aged 6 to 15 attending school is very low in the western and central Hills. This number is far higher in the eastern districts. There are health posts, but they are poorly equipped, in service staff, expertise, medicines, and equipment. Farmers have to fall back on the services by traditional healer methods called dhami-jhankri, or village herbalists, etc. Apart from common illnesses, the highlanders suffer from depressed psychological conditions due to isolation among fam-ily members left behind during long winters, while the able-bodied men are away to work for long periods. However, an earlier affliction, goitre, is on the wane since the replacement of iodine-lacking salt from Tibet with cheaper and iodized salt from India. In the terai the primary schools, hospitals, health centres, and health posts are located within a few hours of walking distances (except in some hilly parts in the north). However, many parts of the hills and mountains do not have roads, and there is no easy accessibility. Roads, if present, reach only the district headquarters, connecting them to other district, and some major villages. Generally speaking, the road and telecommunications access is greater in the east than in the west in all three ecolgocial zones.

9. Common Problems Faced by the Marginal Farmers

The common difficulties facing marginal farmers are the low value of their assets, exposure to natural hazards (particularly in highlands), few opportunities to diversify in agriculture and other businesses (or profit from existing diversification), and poor clout in the mainstream politics.

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Marginal farmers, agricultural practices and rural poverty in Nepal

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9.1 Natural Hazards

The arid condition of the land and lack of irrigation facilities allow farmers only inadequate production from their farms. In addition, shocks such as heavy snowfalls and hailstorms damage standing crops. Similarly, frequent earthquake tremors, floods, and landslides take away their cultivable land, and progressively cause soil structure deg-radation. The growing season is very long in the upper parts of the highlands; as a result, fewer crops can be grown. As noted earlier, the dry west is poor in both precipitation and soil. In the past, there have been several instances of a late monsoon and prolonged drought also affecting the eastern regions. At several places, there has been marked degradation in the quality of natural resources, particularly forests. Communities such as Chepangs who still draw a high proportion of food items from forests are liable to suffer from this trend.

9.2 Dearth of Nonfarm Job Opportunities

There is a dearth of job opportunities during the off-season within the farming districts. Tourism is in its infancy. The seasonal migration of men that is common has resulted in the ‘feminzation’ of agriculture, and psychological problems for those who are left behind.10

9.3 Infrastructure

The absence of roads creates crop losses, and hampers production of fruits, e.g. apples, that rot due to lack of access to markets. Lack of modern inputs, improved seeds and technology are additional reasons for poor production and poor income. Remoteness from markets does not give farmers information in time to cushion them from price fluc-tuations. Many household sell their crop produce at very cheap prices to local merchants, because competitive markets are far away.

10 The term feminization of agriculture has been used elsewhere, for example by the

Asian Development Bank. It means women tending to those aspects of agriculture that traditionally were seen as the responsibility of men.

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9.4 Indebtedness

Marginal farmers’ own produce seldom covers their annual food re-quirements. They need to resort to loans to tide through difficult peri-ods. However, farmers are unable to obtain formal credit since they do not have lands that are acceptable for banks as collateral against loans. Informal credit that comes mostly from moneylenders is their only option. The household constantly borrows money at high interest rate, which ranges from 36% to 60% per annum. The farmers cannot get loans from the formal system due to a lack of security required for bank loans. The excessive interest rates further aggravate the poverty situation. The banks usually do not provide loans without trustworthy collateral, but marginal farmers do not have trustworthy collateral to pledge. Such a system excludes marginal farmers from benefiting from loan facilities, pushing them into exploitative relationship with local moneylenders and into perpetual indebtedness.11

9.5 Armed Insurgency in Nepal

Since 1996, Nepal has suffered the Maoist guerrilla insurgency or ‘Peo-ple’s War’ that was launched to destroy the constitutional monarchy and with an aim to establish a ‘Maoist people’s democracy’. Since June 2001, the Maoist uprising in Nepal has intensified, and the country was put under Emergency in November. The clashes continue between the military and the rebels, mostly in the countryside. The armed insur-gency has affected the plight of marginal farmers. Many districts are acutely affected. Reportedly, many of the poorer sections (and argua-bly, marginal farmers) are not only made to play hosts to insurgents but are recruited (including women) into the insurgent groups. The insurgency has left several areas without farming activities, and many forests that served as food and fuel sources for the insurgents have been made off limits by the government.

11 The banking situation in terai is better than in the highlands. Formal sources of

credit include Agricultural Development Bank, Rural Development Banks, and Co-operatives. The farmers have also formed savings and credit groups, such as the Small Farmers Development Program (SFDP), and Production Credit for Ru-ral Women (PCRW).

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10. Coping Mechanisms

To get bigger yields, sharecroppers and agricultural labourers work on new lands once they have finished their regular contracts. During the stress months when there is little farming activity, many farming households (particularly women members) collect forest products such as fuelwood, edibles, and nontimber forest products (mushrooms, medicinal herbs) for supplementing their household food sources and to earn petty cash in local markets. As noted earlier, taking loans at high interest rates (3-5 rupees per 100 rupees per month) is often resorted to. In more severe circumstance, change in food habits to less preferred food such as forest roots, tarul, bhyakur, gittha and or flour soups, dhindo and khole, eating less, and skipping meals are reported. In severe shortages, the farming house-holds may mortgage or even sell land, livestock, and homesteads to raise money or resources for food. Seasonal migration is on the rise (usually by men) to India and other foreign countries to earn cash, usually from selling labour.

11. Areas of Opportunities for the Marginal Farmers

11.1 Use of Forests, Pasturelands, and Water Towers to Better the Lot of Farmers

Nepal has an abundance of pasturelands that is present also in the western districts. Several communities have long traditions of manag-ing large numbers of livestock, such as sheep, goats, cattle (including yaks and dzos). However, there are few markets for livestock and products. Similarly, forests offer a potential source of food and income, especially for those communities who have a history of dependence on forest resources, and can reliably manage their local forests, for exam-ple through participatory community forestry committees. The moun-tains’ water sources could also be put to better use to serve the irriga-tion and electricity needs of the rural households.

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11.2 Livelihood Diversification

Both the eastern and the western mountain districts in Nepal have potential for cash crops such as vegetables and fruits. However, it will be important that marginal farmers are able to grow them (during nonfarming seasons for staple crops, for example) and market them for profit. There is also a need to create nonfarm employment opportuni-ties. One possible area is to process and market nontimber forest pro-ducts (NTFPs). These are currently harvested in an unorganized manner and sent away without processing. Marginal farmers who are involved in collection of NTFPs get lower prices than the actual market price. Both community-based infrastructure to process the collected NTFPs before they are sold to the middlemen and better information on markets will be helpful.

11.3 Agricultural Productivity Improvement in Terai

The terai has the potential to benefit from improved agricultural tech-nologies that would increase the productivity of smaller pieces of land that are typically owned by small and marginal farmers. Land produc-tivity can be increased by increasing cropping intensity through better management of water, increasing the use of improved technologies for increasing yields, and growing high-value crops. Also, a greater diver-sification of farming systems is needed.

11.4 Employment Opportunities in India

The proximity of Nepal to India offers employment opportunities for wage laborers. The relatively recent liberalization on the Indian side has served as an impetus for cheap Nepalese labour to work in India and at the same time has helped create market for goods from India in Nepal. The goods that poorer citizens in Nepal buy seldom, however, use cash that is generated from their primary occupations in the coun-try, instead they are often cash earned in India, or remittances from abroad. An equitable trade relationship with India is urgently needed. The 1950 peace and friendship treaty between India and Nepal asks for 'equal' treatment for both the countries. Although this makes Nepal an open

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free market for Indian goods, thereby gainfully serving the Indian in-terest, it provides no formal platform to articulate Nepal’s needs. Addi-tionally, Nepali do not enjoy rights that, for example, a province in India has, where the Indian government is obliged to aid in develop-ment on a par with investments elsewhere. Nepal's traditional occupa-tions have been highly undermined by cheaper Indian products and trade practices.

12. Possibilities for Reducing Poverty and Enhancing Food Security

12.1 Infrastructure Development

As noted earlier, transport systems are most primitive in the moun-tains. Several ‘east to west’ roads have now been constructed in the country. However, it is still difficult and expensive to carry goods from the southern regions upward into the mountains. More roads that run north-south need to be developed. The government should try to have service posts equipped with medicines and personnel to attend the cases of epidemics and/ or provide regular medical treatment to both humans and livestock. Similarly, the tourism infrastructure is still in an infancy stage in Nepal. More peaks, and destinations could be opened to cover a larger area. However, the tourism-design should aid the earning power of marginal farmers. There is also a need to address the indebtedness of farmers. Formal financial institutions could support the needy farmers by providing credit facilities (low interest, timely delivery of loans that are given against minimum collaterals).

12.2 Capacity building

The areas of intervention may also include training marginal farmers in advanced farming techniques, in processing of select crops, and in marketing of both subsistence and cash crops. This, added to the impe-tus of literacy and general vocational training, should be made popu-larly available. The literacy rate among women members in marginal farmer households is currently very low.

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13. Conclusion

Approximately 30% of the Nepal’s total population are marginal farm-ers, sharecroppers, and agricultural laborers. Most of these live below the poverty line. The marginal farmers work unproductive and unirri-gated landholdings that are unsustainably small. They usually own only a few head of livestock and obtain only small earnings from other sources. Lack of awareness, and a high rate of illiteracy preclude these farmers from opportunities that require information and skills. Also, the low social capital that many marginal household have, due to lo-wer caste status, for example, prohibits certain economic activities and their representation in mainstream politics. On the other hand, com-munity relationships are regularly used by poor farmers to share assets for farming and cope during food stress periods. However, the value of their asset is not able to earn them fair loans, which they perpetually need. Consequently, they take out loans from local lenders at very high interest rates. Nonetheless, the eastern part of Nepal has benefited from better agri-cultural potential, relatively better infrastructure network and closer marketing and labour relations with neighboring India. The eastern region also has more units of services (health, education) than in the west, since the density of population per square km is much higher. Road networks are denser and closer to hamlets than in the western region. The advantages of the terai, such as better markets, roads, cash crops, etc., on the other hand, have often failed to benefit the small farmers there. Several well-meaning policies and welfare programmes for marginal farmers have had limited impact, if any at all. This paper recommends higher crop production, equitable use of natural re-sources, welfare and empowerment for farmers, a better agricultural trade arrangement with India, and welfare policies and programs that are handled sensitively and sustainably.

References

GURUNG, H. (2001): Demography and Social Expression. New Era, Nepal. CENTRAL BUREAU OF STATISTICS (CBS) (1991): Census Report His Majesty’s Govern-

ment, Nepal.

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CENTRAL BUREAU OF STATISTICS (CBS) (1998): District Profiles. His Majesty’s Gov-ernment, Nepal.

Affiliation

Dr. Manish Tiwary12 The paper was prepared while the author was employed as a consultant with the

Food and Agriculture Organization of the United Nations Rome, Italy

Email: [email protected]

12 The author wishes to thank Barbara Huddleston for reviewing the paper and

several editorial suggestions. Also acknowledged is the assistance received from Kinlay Dorjee and Luca Fed’Ostiani.

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Die Quantifizierung von Marktrisiken in der

Tierproduktion mittels Value-at-Risk und

Extreme-Value-Theory Quantification of market risk in livestock production using Value-at-Risk and Extreme Value Theory

Martin ODENING und Jan HINRICHS

Zusammenfassung

Die Zielsetzung des Beitrages besteht darin, verschiedene Schätzverfahren für das Risikomaß Value-at-Risk (VaR) am Beispiel der Schweineproduktion vergleichend gegenüber zu stellen. Einführend werden traditionelle VaR-Methoden, konkret die Varianz-Kovarianz-Methode (VKM) und die Historische Simulation (HS), vorgestellt. Dabei wird insbesondere auf Probleme eingegangen, die bei Vorliegen leptokurtischer Verteilungen sowie bei längerfristigen VaR-Prognosen auftreten können. Anschließend wird auf die Extreme-Value-Theory zurück gegriffen, um die angesprochenen Probleme besser handhaben zu können. Schließlich werden die genannten Methoden herangezogen, um VaR-Prognosen in der Schweineproduktion, basierend auf deutschen Marktdaten, zu erstellen. Dabei werden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Schätzverfahren deutlich. Schlagworte: Value-at-Risk, Extreme-Value-Theory, Risiko in der Schweineproduktion

Summary

This paper investigates the performance of different Value-at-Risk (VaR) models in the context of risk assessment in hog production. The paper starts with a description of traditional VaR models, i.e. Variance-Covariance-Method (VCM) and Historical Simulation (HS). We ad-dress two well known problems, namely the fat tailedness of return distributions and the time aggregation of VaR forecasts. Next, Extreme

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Value Theory (EVT) is introduced in order to overcome these prob-lems. Finally, the previously described methods are used to calculate the VaR of the hog production under German market conditions. It turns out that EVT, VCM, and HS lead to different VaR forecasts if the return distributions are fat tailed and if the forecast horizon is long. Keywords: Value-at-Risk, Extreme Value Theory, Risk in Hog Produc-tion

1. Einleitung

Die jüngste BSE-Krise und die fast zeitgleich aufgetretene Maul- und Klauenseuche haben Ende 2000 zu erheblichen Turbulenzen auf den deutschen und europäischen Rinder- und Schweinemärkten geführt. Diese Ereignisse in Verbindung mit der Einschätzung, dass durch die zu erwartende Deregulierung der Agrarmärkte in der Europäischen Union die Erzeugerpreisschwankungen tendenziell zunehmen werden, erwecken den Wunsch nach geeigneten Indikatoren zur Quantifizierung von Marktrisiken. Während die Analyse und die Steuerung von Produktionsrisiken im landwirtschaftlichen Bereich traditionell einen agrarökonomischen Forschungsschwerpunkt bilden, wurde der Quantifizierung und Prognose von Marktrisiken – zumindest aus einzelbetrieblicher Perspektive – bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Demgegenüber hat sich im Finanzbereich das Konzept des Value-at-Risk (VaR) als Standardverfahren in diesem Zusammenhang etabliert (JORION 1997). Es liegen auch bereits Überlegungen zur Übertragung dieses Konzeptes auf den Nichtfinanzbereich vor (DIGGELMANN 1999), und MANFREDO und LEUTHOLD (2001) weisen speziell auf seine Anwendungsmöglichkeiten im Agribusiness hin. Bei der Anwendung von VaR treten eine Reihe von Spezifikationsfragen und methodischen Problemen auf, von denen einige in diesem Beitrag diskutiert werden sollen. Der Fokus liegt – motiviert durch die einleitend erwähnten extremen Ereignisse auf den europäischen Viehmärkten – auf der Frage, inwieweit die Prognose besonders ungünstiger Marktkonstellationen durch die Anwendung der sogenannten Extreme-Value-Theory (EVT) im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren der VaR-Schätzung verbessert werden kann. Auf das

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 153

Potenzial der EVT ist in diesem Zusammenhang in jüngster Zeit mehrfach hingewiesen worden (DANIELSSON und DE VRIES 2000, DIEBOLD et al. 1998). Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Abschnitt 2 beinhaltet eine Definition von VaR und eine kurze Beschreibung traditioneller Schätzverfahren. Abschnitt 3 stellt Grundlagen der Extreme-Value-Theory dar und erläutert, wie dieses Konzept zur VaR-Schätzung herangezogen werden kann. In Abschnitt 4 wird die zuvor dargestellte Methodik eingesetzt, um das Marktrisiko in der Schweineproduktion für deutsche Marktverhältnisse zu quantifizieren. Der Beitrag endet mit Schlussfolgerungen für Methodenwahl und Spezifikation von VaR-Modellen im landwirtschaftlichen Kontext.

2. Value-at-Risk

2.1 Definition

Kurz gefasst drückt VaR den maximalen Vermögensverlust aus, den ein Unternehmen innerhalb eines definierten Zeitraumes mit einer bestimmten Irrtumswahrscheinlichkeit in Folge von Marktpreisschwankungen erleiden kann. Sei W der Wert einer Vermögensposition und V die zufallsbehaftete Wertänderung dieses Vermögens innerhalb eines Zeitraumes 01 ttth −== ∆ , dann ist VaR wie folgt definiert:

*V)V(E −=VaR (1) mit E(V) dem Erwartungswert der Wertänderung und V* derjenigen Wertänderung, für die gilt:

p*)V(Vdv)v(f*V

=≤=∫∞−

Prob (2)

Unter Verwendung der Definitionsgleichung XWV t ⋅=0

mit )WWln(X tt 01

= lässt sich VaR auch als Funktion der kritischen Rendite X* ausdrücken:

*)X)X(E(Wt −=0

VaR (3)

wobei E(X) und X* analog zu E(V) und V* definiert sind. Aus (2) wird deutlich, dass die Berechnung von VaR dem Auffinden eines speziellen

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154 Odening und Hinrichs

Quantils der Verteilung der Wertänderung, d.h. der Gewinne bzw. Verluste, gleichkommt. Man spricht auch von der „Profit-and-Loss-Distribution“ (P&L-Distribution).

2.2 Traditionelle Methoden der VaR-Berechnung

In der Literatur werden unter anderem die Varianz-Kovarianz-Methode (VKM) und die historische Simulation (HS) als Verfahren zur Berechnung von VaR genannt, die im Folgenden kurz angesprochen werden sollen. Ausführlichere Beschreibungen finden sich bei JORION (1997). Die Varianz-Kovarianz-Methode (VKM), auch als parametrische, analytische oder Delta-Normal-Methode bezeichnet, bestimmt VaR direkt als Funktion der Standardabweichung der Portfoliorendite σ. Unterstellt man für die Rendite eine Normalverteilung, so gilt

hcWt ⋅⋅⋅= σ0

VaR . (4)

Dabei bezeichnet c das zu p gehörende Quantil der Standardnormalverteilung, und h passt den gewünschten Prognosezeitraum (Holding Period) an den Bezugszeitraum der Volatilität σ an. Diese wird aus den Varianzen und Kovarianzen der verschiedenen Portfoliokomponenten und Marktfaktoren ijσ berechnet:

50

1 1

.n

i

n

jijjip ww

⋅⋅= ∑∑

= =

σσ (5)

Darin sind w die Gewichte der Portfoliobestandteile i und j. Als Vorteile der VKM werden der geringe Rechenaufwand, und die Möglichkeit Wenn-Dann-Analysen durchzuführen, genannt. Im Zusammenhang mit der Prognose extremer Ereignisse wird insbesondere die oben angesprochene Normalverteilungsannahme kritisiert, die zu einer Unterschätzung des VaR führt, wenn die Profit-and-Loss-Distribution leptokurtisch ist, d.h. "Fat Tails" aufweist. Letzteres ist in Bezug auf finanzwirtschaftliche Daten häufig der Fall. Die Historische Simulation (HS) bestimmt die Profit-and-Loss-Distribution als empirische Verteilungsfunktion direkt aus den Vergangenheitsdaten. Somit ist keine explizite Verteilungsannahme

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 155

notwendig, und die diesbezügliche Kritik an der VKM greift hier nicht. Allerdings wird implizit von einer Verteilungskonstanz ausgegangen. Als problematisch erweist sich, dass die empirische Verteilungsfunktion zwar um den Mittelwert relativ glatt verläuft, jedoch angesichts der geringen Anzahl von extremen Stichprobenwerten an den Rändern diskrete Sprünge aufweist. Je größer bzw. kleiner die gewünschte Wahrscheinlichkeit ist, umso unsicherer wird die Schätzung des zugehörigen Quantils, und entsprechend empfindlich reagiert sie auf Veränderungen des Datensamples. Über Ereignisse, die schlechter sind als das Stichprobenminimum kann per definitionem nichts ausgesagt werden. Möglichkeiten, diese Probleme zu umgehen, bietet die Extreme-Value-Theory, die in Abschnitt 3 beschrieben wird.

2.3 Zeitaggregation von VaR-Prognosen

Aus der Sicht landwirtschaftlicher Unternehmen besteht Bedarf, VaR-Prognosen zu erstellen, deren Horizont größer ist als das Messintervall der zugrunde liegenden Daten, etwa auf der Basis wöchentlicher Daten das VaR für drei oder sechs Monate zu bestimmen. Es existieren grundsätzlich zwei Möglichkeiten, VaR-Prognosen für eine längere „Holding-Period“ zu erstellen: Entweder man misst die Wertveränderungen über den Zeitraum, den es zu prognostizieren gilt, d.h. man schätzt das VaR auf der Basis drei- oder sechsmonatiger Renditen, oder man rechnet eine kürzerfristige (z.B. wöchentliche) VaR-Schätzung auf den gewünschten Zeitraum hoch. Das erstgenannte Vorgehen ist unabhängig von der Renditeverteilung möglich; es weist allerdings den gravierenden Nachteil auf, dass sich die Zahl der Beobachtungen stark reduziert. Stehen beispielsweise wöchentliche Daten über einen Zeitraum von 10 Jahren zur Verfügung und soll ein Halbjahres-VaR berechnet werden, so kann sich die Schätzung nur auf 20 Beobachtungen stützen. Für die zweite Vorgehensweise, die Hochrechnung von VaR-Schätzungen (Time-Scaling, Time-Aggregation), wird häufig die Square-Root-Regel herangezogen:

h)((h) ⋅= 1VaRVaR (6) Darin ist VaR(1) das Ein-Perioden-VaR und VaR(h) entsprechend das h-Perioden-VaR. DIEBOLD et al. (1998) zeigen, dass eine fehlerfreie

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Umrechnung mittels (6) an verschiedene Bedingungen geknüpft ist. Erstens, darf sich die Struktur des betrachteten Portfolios im Zeitablauf natürlich nicht ändern. Zweitens, müssen die Renditen identisch und unabhängig verteilt sein (iid Annahme), und drittens, müssen sie normalverteilt sein. Von der Strukturkonstanz des Portfolios soll im Weiteren ausgegangen werden. Wie (6) zu modifizieren ist, falls die iid-Annahme erfüllt ist, jedoch keine Normalverteilung, sondern eine Fat-Tail-Distribution vorliegt, wird in Abschnitt 3 diskutiert.

3. Extreme-Value-Theory

3.1 Grundlegende Konzepte

In Abschnitt 2 wurden traditionelle Verfahren zur VaR-Schätzung beschrieben. Bezüglich der Prognose sehr seltener Ereignisse wurden sowohl bei der VKM als auch bei der HS Nachteile deutlich. Einen Ansatz zur Verbesserung der Schätzgüte extremer Quantile bietet die Extreme-Value-Theory (EVT). Sie liefert spezielle statistische Grundlagen für die Schätzung der Ränder von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, von denen einige nachstehend kurz angesprochen werden sollen. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei EMBRECHTS et al. (1997). Zentrales Anliegen der EVT ist es, Aussagen über Stichprobenextrema (Maxima oder Minima) zu treffen. Genauer gesagt wird gefragt, gegen welche Verteilung Stichprobenextremwerte streben. EMBRECHTS et al. (1997, S. 131) zeigen, dass die Stichprobenmaxima einer Verteilung F, die "Fat Tails" aufweist, gegen die Frechet-Verteilung ( )αΦ xexp)x( = konvergiert, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

( )xLx)x(F α−=−1 (7) (7) entspricht der Forderung, dass der Rand der Verteilung F gemäß einer Potenzfunktion ausläuft. Darin ist L(x) eine langsam variierende Funktion, die häufig als Konstante gewählt wird, und α ist der Tail-Index der Verteilung. Je kleiner α ist, umso größeres Gewicht haben die Ränder der Verteilung F. Für das weitere Vorgehen lässt sich schlussfolgern, dass sich Wahrscheinlichkeiten bzw. Quantile für den äußer-sten Rand einer nicht notwendigerweise bekannten Verteilung F

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 157

mit "Fat Tails" bestimmen lassen, indem der Tail Index α auf geeignete Weise geschätzt wird (siehe unten). Die Erkenntnisse der EVT haben auch Implikationen für das oben diskutierte Problem der Konversion kurzfristiger in längerfristige VaR-Prognosen. Angenommen, für eine Ein-Perioden-Rendite X gilt

( ) α−=> CxxXP , dann folgt auf Grund der näherungsweise linearen Additivität der Ränder von Fat-Tail-Verteilungen (DANIELSSON und DE

VRIES 2000): ( ) α−=>+++ hCxxXXXP hL21 (8)

Das bedeutet, die Hochrechnung der Einperioden-VaR-Prognose für h Perioden erfolgt bei fat-tailed Renditen unter der iid-Annahme mittels:

α11VaRVaR h)((h) ⋅= (9) Weisen die Renditen endliche Varianzen auf, impliziert dies 2>α und somit einen kleineren Skalierungsfaktor als von der Square-Root-Regel postuliert (DANIELSSON et al. 1998).

3.2 Schätzung des Tail-Index

Um den Rand der Fat-Tail-Verteilung F(x) aus empirischen Daten zu schätzen und Quantile dieser Verteilung zu bestimmen, kann auf verschiedene Schätzverfahren zurückgegriffen werden. Ein verbreitetes Verfahren ist der Hill-Schätzer, von dem gezeigt werden kann, dass er konsistent und asymptotisch normalverteilt ist (DIEBOLD et al. 1998). Dazu sind die beobachteten Verluste X der Größe nach zu ordnen: nk XXXX LL >>>> 21 . Der Tail-Index α kann dann wie folgt geschätzt werden:

( )1

11

1−

+=

−= ∑ k

k

ii XlnXln

kkα) (10)

Die Funktion L(x) in (7) wird durch eine Konstante C approximiert. Deren Schätzer lautet (EMBRECHTS et al. 1997, S. 334):

α))1+= kk X

n

kC (11)

Aus (10) und (11) lassen sich Schätzfunktionen für den Rand der Verteilung F(x) und das p-Quantil xp ableiten. Die Durchführung der Schätzung setzt die Festlegung des Grenzwertes kX bzw. die Anzahl

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158 Odening und Hinrichs

der Stichprobenwerte k voraus, die in die Schätzung einbezogen werden. Unglücklicherweise kann das Schätzergebnis stark durch diese Wahl beeinflusst werden. Zudem besteht ein Trade-Off: Je mehr Daten man für die Schätzung des Tail-Index α verwendet, um so geringer wird die Varianz des Schätzers; allerdings erhöht sich gleichzeitig der Bias, denn die unterstellte Potenzfunktion (12) gilt eben nur für den Rand der Verteilung. Um dieses Problem zu lösen, entwickeln DANIELSSON et al. (2001) ein Bootstrap-Verfahren zur Bestimmung des Stichprobenanteils k/n, das den asymptotischen mittleren quadratischen Schätzfehler minimiert. Auf dieses Verfahren wird auch in der nachfolgenden Anwendung zurückgegriffen.

4. Anwendung „Tierproduktion“

4.1 Modell und Daten

In Anlehnung an MANFREDO und LEUTHOLD (2001), die die Marktrisiken in der US-amerikanischen Bullenmast mit Hilfe von VaR untersuchen, soll dieses Konzept nun herangezogen werden, um das Marktrisiko in der Schweineproduktion für europäische Marktverhältnisse zu quantifizieren. Ziel ist die Bestimmung des VaR für einen Zeithorizont von 12 Wochen. Dabei werden drei Sichtweisen eingenommen: Erstens, die eines Ferkelproduzenten, zweitens, die eines Verbundbetriebes, der selbsterzeugte Ferkel mästet und drittens, die eines spezialisierten Schweinemästers, der Ferkel zukauft. Ferkel und Schweine werden nicht über Vertragsproduktion zu vorab definierten Preisen, sondern zu aktuellen Marktpreisen gekauft bzw. verkauft. Der Geldüberschuss (Veredlungsmarge) CFt zu einem Zeitpunkt t bezogen auf ein Ferkel bzw. Schwein lautet

it

K

iitt ZbPaCF ∑

=

−⋅=1

(12)

und kann dann wie ein Portfolio betrachtet werden, das sich aus einer Long-Position (dem Produktpreis P) und mehreren Short-Positionen (den Faktorpreisen Zi) zusammensetzt. Damit lässt sich (5) unmittelbar übertragen, wobei die Portfoliogewichte a und bi die Bedeutung von produktionstechnischen Koeffizienten (Schlachtgewicht,

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 159

Futterverbrauch etc.) haben. Empirische Untersuchungen von ODENING und MUßHOFF (2002) zeigen, dass das Marktrisiko in der Schweineproduktion fast ausschließlich durch die Ferkel- und Schweinepreise hervorgerufen wird. Andere Aufwandspositionen, wie z.B. Futterkosten, beeinflussen zwar das Niveau der Produktionsmarge, unterliegen in Deutschland aber nur geringen Schwankungen. Für die Berechnung des VaR spielen sie daher praktisch keine Rolle. Aus diesem Grund wird im Folgenden das VaR vereinfachend für drei Zeitreihen ausgewiesen: Für die Erzeugerpreise von Ferkeln (Sichtweise des Ferkelerzeugers), für die Erzeugerpreise für Schlachtschweine (Sichtweise des Verbundbetriebes) und die Differenz aus Erlösen und Ferkelpreisen (Sichtweise des spezialisierten Mastbetriebes), wobei ein Schlachtgewicht von 80 kg angenommen wird. Es ist hervorzuheben, dass es sich hier nicht um eine Anwendung des VaR-Konzeptes im engeren Sinne handelt, sondern vielmehr ein Cash-Flow-at-Risk (CFaR)1 berechnet wird (DOWD 1998, S. 239 f.). Trotz der formalen Analogie ist auf Unterschiede in der Interpretation beider Größen hinzuweisen: Während VaR den Wertverlust einer Vermögensposition quantifiziert, bezieht sich CFaR auf eine Stromgröße, eben den Cash Flow. Der informatorische Wert des CFaR dürfte daher vor allem für eine risikoorientierte mittelfristige Finanzplanung gegeben sein. Die Preiszeitreihen wurden von der Zentralen Markt und Preisberichtstelle Berlin (ZMP) zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um wöchentliche Notierungen im Zeitraum von Januar 1994 bis Oktober 2001 für die fünf neuen Bundesländer. Die Ferkelpreise in Euro je kg Lebendgewicht beziehen sich auf Ringferkel von handelsüblicher Qualität. Bei den Schweinepreisen wurde ein Durchschnittspreis in Euro je kg Schlachtgewicht über die Handelsklassen E bis P gebildet. Gegenstand der Betrachtung sind nicht die Preiszeitreihen selbst, sondern die wöchentlichen Veränderungen der Preise.

1 Dessen ungeachtet wird bei der Diskussion der Ergebnisse im Folgenden weiter von VaR (im weiteren Sinne) gesprochen.

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160 Odening und Hinrichs

4.2 Empirische Ergebnisse

Entsprechend den Ausführungen in Abschnitt 2 ist zunächst zu klären, welche Verteilungen der Marktfaktoren der Berechnung des VaR zugrunde zu legen sind. Dabei geht es erstens um die Frage „bedingt oder unbedingt“ und zweitens um die Entscheidung „fat tailed oder thin tailed“. Ausschlaggebend für die Entscheidung zwischen bedingten und unbedingten Vorhersagen ist der angestrebte Prognosezeitraum. Während bedingte Modelle für kurzfristige Prognosen überlegen sind, nimmt ihr Wert mit zunehmendem Zeithorizont ab. Die jüngere Vergangenheit der Datenreihe sagt wenig über die Wahrscheinlichkeit weit in der Zukunft liegender Ereignisse aus (CHRISTOFFERSON und DIEBOLD 2000). Dies gilt insbesondere für die Prognose extremer Ereignisse, von denen angenommen werden kann, dass sie stochastisch unabhängig sind. Aus diesem Grund empfehlen DANIELSSON und DE VRIES (2000) Aussagen über extreme Ereignisse aus unbedingten Verteilungen abzuleiten. Wir folgen im weiteren dieser Argumentation. Es bleibt die Frage zu klären, ob die betrachteten Zeitreihen fat tailed sind oder nicht. Zu diesem Zweck wird ein Kolmogorov-Smirnoff-Anpassungstest durchgeführt. Es zeigt sich, dass die Nullhypothese normal verteilter Zufallsvariablen bei einem Signifikanzniveau von 5 % für alle drei Verteilungen abzulehnen ist. Bei den Veränderungen der Ferkelpreise überschreitet der Prüfquotient mit 0,086 auch den kritischen Wert von 0,081 für das 1% Signifikanzniveau. Ein ebenfalls durchgeführter Jarque-Bera-Test, der Abweichungen von der Normalverteilung in Bezug auf Schiefe und Wölbung zusammenfasst, bestätigt die Ablehnung dieser Verteilung für die drei betrachteten Zufallsvariablen. Der kritische Wert der Teststatistik beträgt auf dem 1% Signifikanzniveau 9,2 und wird durch die entsprechenden empirischen Werte der Ferkelpreise (55,4), der Schweinepreise (55,1) und der Marge (23,5) überschritten. Die Testergebnisse stützen die Hypothese des Vorhandenseins von "Fat Tails". Diesem Befund entsprechend soll im nächsten Schritt eine EVT-Schätzung durchgeführt werden. Abb. 1 stellt das Ergebnis grafisch beispielhaft für die Schweinepreise dar. Zum Vergleich sind auch die mittels VKM und HS bestimmten Verteilungen abgebildet.

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 161

0

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,08

0,09

0,1

0,050,10,150,20,250,30,350,4

wöchentliche Differenzen der Schweinepreise (Euro/kg)

Wa

hrs

ch

ein

lic

hk

eit

Normalverteilung

Ex tremwertverteilung

empirische Verteilung

Abb. 1: Vergleich von Extremwertverteilung, Normalverteilung und empirischer

Verteilung

Die geschätzten Tail-Indices der Extremwertverteilungen für die 1-Wochen-Differenzen der Ferkelpreise bzw. der Schweinepreise lauten 5,37 bzw. 4,08. Auf Grund der positiven Korrelation der Veränderung der Schlachtschweine- und Ferkelpreise sind die Schwankungen der Veredlungsmarge weniger extrem als die der beiden Preisreihen selbst. Dies drückt sich in einem vergleichsweise großen Tail-Index von 7,23 aus. Um das angestrebte Ziel – die Bestimmung des 12-Wochen-VaRs – zu erreichen, müssen die 1-Wochen-VaRs in einem zweiten Schritt hochgerechnet werden. Für die mittels HS und VKM berechneten VaRs geschieht dies mit der Square-Root-Regel, d.h. durch Multiplikation mit dem Faktor 3,464. Die zu der Extremwertverteilung gehörigen Quantile werden dagegen mit der Alpha-Root-Regel, d.h. unter Verwendung des jeweiligen Tail-Indexes α, hochgerechnet. Tab. 1 enthält die so ermittelten VaRs für verschiedene Konfidenzniveaus. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden in Tab. 1 für die EVT-Schätzung auch für das Konfidenzniveau von 95 % die Werte der Extremwertfunktion ausgewiesen, obwohl diese bereits „rechts“ von dem durch das Bootstrap-Verfahren bestimmten Grenzwertes 1+kX liegen.

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162 Odening und Hinrichs

Tab. 1: 1- und 12-Wochen-VaRs für die drei Zeitreihen und für verschiedene Kon-fidenzniveaus (95%, 99%, 99,9%)

Ferkelpreis Schweinepreis Marge Konfi-denz- niveau

95,0%

99,0%

Eu-ro

99,9%

95,0%

99,0%

Eu-ro

99,9%

95,0%

99,0%

Eu-ro

99,9%

EVT 1 Woche 0,13

0 0,17

6 0,27

0 0,08

8 0,13

1 0,23

0 6,78

6 8,47

6 11,6

53 SE 0,01

2 0,00

5 0,08

5 0,00

6 0,00

9 0,05

8 1,03

4 0,20

3 1,86

2 12 Wochen

0,207

0,280

0,429

0,162

0,240

0,422

9,567

11,950

16,429

HS 1 Woche 0,10

4 0,18

2 - 0,07

7 0,12

8 - 5,35

8 8,30

3 -

SE 0,439

1,001

- 0,877

0,995

- 0,366

0,501

-

12 Wochen

0,361

0,631

- 0,266

0,443

- 18,562

28,764

-

VKM 1 Woche 0,10

5 0,14

8 0,19

7 0,08

1 0,11

5 0,15

3 5,60

7 7,94

7 10,5

71 SE 0,00

4 0,00

5 0,00

7 0,00

3 0,00

4 0,00

5 0,19

9 0,28

1 0,37

3 12 Wochen

0,362

0,514

0,684

0,282

0,400

0,532

19,422

27,531

36,620

SE = asymptotischer Standardfehler Im Vergleich zur EVT weist die VKM für eine kurzfristige Ein-Wochen-Prognose eine Unterschätzung auf. Diese Unterschätzung durch die VKM nimmt mit einem steigenden Konfidenzniveau zu. Das Ein-Wochen-VaR der VKM für die Ferkelpreise (Schweinepreise und Marge) ist auf dem 99,9% Niveau mit 0,197 Euro (0,153 und 10,571), bei einem durchschnittlichen Preis von 1,938 Euro (1,399 und 73,192) deutlich geringer als das der EVT mit 0,27 Euro (0,230 und 11,653). Die zunehmende Unterschätzung ist durch die Annahme der Normalverteilung bei der VKM zu erklären, die, wie oben gesehen, im Widerspruch zu den beobachteten "Fat Tails" der Verteilungen steht.

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 163

Der Vergleich von HS und EVT zeigt für eine Wahrscheinlichkeit von 99 % nur geringe Unterschiede, d.h. Verteilungsfunktionen der EVT und der HS schneiden sich in diesem Bereich (siehe Abb. 1). Für die Ferkelpreise ist das VaR der HS mit 0,182 Euro sogar höher als das der EVT mit 0,176 Euro. Für das 99,9 % Niveau können die Quantile mit HS nicht bestimmt werden, da sie außerhalb der in den Preiszeitreihen enthaltenen extremen Preisschwankungen liegen. Dieser eingangs angesprochene Nachteil der HS wird hier offenkundig. Im Gegensatz zur tendenziellen Unterschätzung beim Ein-Wochen-VaR, ist mittelfristig eine Überschätzung der VaRs bei der HS und der VKM im Vergleich zur EVT zu beobachten. Das mittels EVT bestimmte 95-Prozent-Quantil für die Ferkelpreise (Schweinepreise und Marge) ist mit 0,207 Euro (0,162 und 9,567) geringer gegenüber der VKM mit 0,362 Euro (0,282 und 19,422), als auch gegenüber der HS mit 0,361 Euro (0,266 und 18,562). Die kurzfristige Unterschätzung des VaRs durch die HS und die VKM wird, abhängig von der Länge des Prognosehorizonts, durch eine zu konservative Hochrechnung mit der Square-Root-Regel überkompensiert2. In Bezug auf den (asymptotischen) Standardfehler (SE) der verschiedenen Schätzer ist Folgendes festzustellen3: Die VKM weist in Tab. 1 scheinbar den geringsten Schätzfehler auf. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Annahme der Normalverteilung als Bedingung für die hier vorgenommene Berechnung des SE der VKM nicht erfüllt ist. Der bereits angesprochene Nachteil der HS, der in relativ großen Schätzfehlern besteht, zeigt sich bei dem hier vorliegenden Stichprobenumfang von 405 Beobachtungen deutlich. Die EVT stellt diesbezüglich eine bessere Alternative dar. Eine Ausnahme

2 MC NEIL und FREY (2000) kritisieren die hier angewendete Hochrechnung mit α1h und favorisieren ein zweistufiges Verfahren, das in einer ersten Stufe

bedingte Heteroskedastizität via GARCH-Schätzung berücksichtigt und in einer zweiten Stufe die EVT auf die Residuen des bedingten Schätzmodels anwendet.

3 Der asymptotische Standardfehler für die VKM lautet pc)n()(SE/

px̂ 212

−= σ mit px̂ , dem geschätzten p-Quantil und pc , dem p-Quantil der Standardnormalverteilung. Die Standardfehler für die HS wurden nach JORION (1998 S. 99) und die der EVT nach DANIELSSON und DE VRIES (1997) berechnet.

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164 Odening und Hinrichs

bildet die Veredlungsmarge, deren Tailschätzung sich lediglich auf drei Extremwerte stützt. Üblicherweise schließt sich an die VaR-Schätzung eine Validierung der Ergebnisse an. Dies geschieht meist in Form einer Quasi-Exante Prognose (Backtesting, Out-of-Sample-Prediction). Dazu wird der Beobachtungszeitraum in einen Schätzzeitraum und in einen Prognosezeitraum unterteilt. Durch Vergleich der theoretisch erwarteten und der tatsächlich beobachteten VaR-Überschreitungen im Prognosezeitraum kann die Plausibilität der verschiedenen Modelle getestet werden. Eine solche Validierung ist auf Grund des relativ kurzen Beobachtungszeitraums der Preisreihen in dieser Anwendung nicht möglich. So würde beispielsweise die Überschreitung eines 99 %-VaR nur einmal während 100 Perioden auftreten; im vorliegenden Fall wären dies 100∗12 Wochen, also alle 23 Jahre. Dies stellt eine grundsätzliche Schwierigkeit dar, wenn der traditionell kurzfristige Prognosehorizont des VaR-Konzeptes deutlich erweitert werden soll. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass die EVT-Schätzung sehr datenaufwändig ist, so dass eine Validierung hier besonders schwer fällt.

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die in diesem Beitrag vorgenommene exemplarische Anwendung verdeutlicht zunächst, dass das Konzept der EVT grundsätzlich auf Problemstellungen im Agribusiness übertragbar ist, was im Grunde nicht überrascht. Im Hinblick auf den Informationsgewinn durch Anwendung der EVT sind in der vorliegenden Untersuchung drei Punkte zu erkennen: 1. Bei kurzfristiger Betrachtung wird das VaR im Fall leptokurtischer

Verteilungen für extreme Wahrscheinlichkeiten durch die Varianz-Kovarianz-Methode aber auch durch die Historische Simulation unterschätzt.

2. Bei mittelfristiger Betrachtung fällt der Unterschied zwischen Square-Root-Regel und Alpha-Root-Regel besonders ins Gewicht und überwiegt den erstgenannten Effekt.

3. Gegenüber der Historischen Simulation kann die Schätzgenauigkeit (gemessen als Standardfehler) erhöht werden.

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 165

Die Belastbarkeit der ersten beiden Aussagen wird allerdings dadurch gemindert, dass die Ergebnisse nicht durch eine Quasi-Exante-Prognose abgesichert werden können. Um den Nutzen einer EVT-gestützten VaR-Prognose würdigen zu können, ist weiterhin nach der Notwendigkeit der Prognose extremer Ereignisse zu fragen, denn dort (und nur dort) liegen deren Vorzüge. Während in Finanzinstituten auf Grund des Basel-Akkords eine unmittelbare Verknüpfung zwischen VaR und der erforderlichen Mindesteigenkapitalausstattung hergestellt wird, sind derartige Implikationen für Unternehmen des Agribusiness nicht gegeben. Die Motivation liegt hier in der Identifikation von Situationen, die ruinöse Auswirkungen auf das Unternehmen haben können und in der Ableitung geeigneter Gegenmaßnahmen. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf den bereits angesprochenen Unterschied zwischen VaR und CFaR hinzuweisen. Um von einem hohen CFaR auf eine finanzielle Gefährdung des Unternehmens schließen zu können, muss zum einen das Ausgangsniveau berücksichtigt werden und zum anderen bekannt sein, wie lange der Cash Flow auf dem ausgewiesenen niedrigen Niveau verharrt. Die Erfahrung zeigt, dass Ferkelerzeuger und Schweinemäster durchaus operative Verluste verkraften können, sofern diese Phase nicht zu lange andauert und vorher oder anschließend durch entsprechende Gewinne kompensiert wird. Die Einbeziehung dieser Informationen dürfte wesentlicher sein, als der Übergang von einem 99 % - Quantil zu einem 99,9 % - Quantil. Ein weiterer Einwand, der sich allerdings eher gegen VaR im Allgemeinen als gegen dessen Schätzung mittels EVT richtet, ist die Beschränkung auf Marktrisiken. Die extremen Risiken, die von MKS oder BSE für einen individuellen Produzenten ausgehen können, sind produktionstechnischer Natur und drücken sich nicht allein in aggregierten Marktpreisen aus. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass sich das VaR-Konzept im Agribusiness langsamer und selektiver verbreiten wird, als dies im Finanzbereich der Fall ist. Damit lässt sich folgendes Fazit ziehen: Ob eine Ausweisung extremer Quantile notwendig erscheint, hängt von der Anwendungssituation ab. Hier unterscheidet sich die Sichtweise eines Schweinemästers oder Ferkelproduzenten von der eines Traders, der mit Terminkontrakten

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166 Odening und Hinrichs

auf Schweine handelt oder von der eines Versicherungsunternehmens, das Tierseuchen versichert. Wenn eine Ausweisung extremer Quantile (z.B. 99 % oder höher) wünschenswert erscheint, dann sollten diese im Fall leptokurtischer Verteilungen ergänzend mit EVT geschätzt werden. Der zusätzliche Rechenaufwand wird durch die höhere Schätzgenauigkeit im äußeren Rand der Verteilung sowie durch markante Unterschiede bei der zeitlichen Aggregation der VaR-Prognosen gerechtfertigt.

Literatur

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 167

der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, Band 37 (im Druck).

Anschrift der Verfasser

Martin Odening und Jan Hinrichs, Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus,

Humboldt-Universität zu Berlin,

D-10099 Berlin, Luisenstraße 56

Tel.: +49 030 2093 6487

eMail: [email protected]

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Ertragsrisiko im Ackerbau – Nützen

Versicherungen auf Basis des

Regionalertrages? Yield Risk in Crop Farming – May Area-Yield Insurances Help?

Gunnar BREUSTEDT

Zusammenfassung

Es wird die mögliche Risikoreduktion von Regionalertragsversicherungen für norddeutsche Ackerbauern mit Fruchtfolge untersucht. In der Literatur werden bisher nur Ergebnisse für Landwirte mit Monokulturen dargestellt. Bei Fruchtfolgelandwirten ist jedoch die komplette Varianz-Kovarianz-Struktur zwischen den Erträgen zu berücksichtigen, um das Ausmaß einer Risikoreduktion durch solche Versicherungen bestimmen zu können. Es beträgt fast 50 % für die untersuchten Betriebe und liegt damit über den Ergebnissen der Literatur für Monokulturbetriebe. Dennoch sollten Versicherungen und Politiker dieses Ergebnis nicht überbewerten, weil Fruchtfolgebetriebe ein vergleichsweise geringes Ertragsrisiko haben und weil durch Diversifikation der Fruchtfolge im Mittel der Betriebe eine höhere Reduktion des Ertragsrisikos erreicht werden kann als durch Versichern und Beibehalten der Monokulturen. Schlagworte: Diversifikation, Ertragsschwankungen, Ertragsversicherung.

Summary

The potential risk reduction of area yield crop insurances is analysed for multiple crop farmers in northern Germany. Until now, this has been reported only for one-crop farmers in the literature. For multiple crop farmers, the complete variance-covariance structure among yields has to be taken into account in order to evaluate the risk reduction potential of insurances. On average, insurances can reduce the three-crops farmers’ risk by nearly fifty percent which is higher than previ-

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170 Odening und Hinrichs

ous results in the literature for one-crop farmers. However, insurance companies and policy makers should be aware of overrating this result because multiple crop farmers face only low initial, uninsured risk and because the risk reduction of insuring one-crop-planting on average is lower than the diversification effect of crop rotation. Keywords: crop insurance, diversification, yield risk.

1. Introduction

Crop insurance is a well known risk management tool in many coun-tries. In particular, it is highly relevant for the agricultural sector in the United States where it is used as an important policy instrument. In Europe, political discussion started some years ago and is still ongoing (MEUWISSEN et al., 2000). First research for the EU Commission was carried out by MEUWISSEN et al. (1999). Among other results, they found that crop yield insurance can provide risk reduction for many farmers in many European regions. Yield insurances provide protec-tion against low physical yields of crops. The insurer pays an indem-nity, if the actual yield falls below a strike yield. The payment is the difference between strike and actual yield times a fixed price per crop unit times the coverage level. Since this kind of insurance faces prob-lems in terms of asymmetric information if the yield component is measured on the farm level, insurance schemes based on regional yields were suggested. However, research about this type of crop in-surance was not provided by MEUWISSEN et. al. (1999) The EU-commission itself published a working paper on agricultural insur-ances in 2001 that also mentioned the advantages of area-based crop insurances. They pointed out the crucial condition of sufficient correla-tion between farm and regional yields. In the academic literature, MIRANDA (1991) analysed the case of soybean producers in Kentucky, MAHUL and VERMERSCH (2000) followed recently with an extensive study for French wheat producers. The novelty of this paper is an investigation of multiple crop farmers. Growing various crops can be risk reducing as it allows for portfolio diversification. Therefore, the potential for risk reduction by purchas-ing insurances depends on the situation if a farmer grows one or vari-ous crops. In this setting, the models used by MIRANDA(1991) or MA-

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 171

HUL and VERMERSCH (2000) have to be extended to appropriately reflect the more complex variance-covariance structure among yields. Our work adds results about area yield crop insurances and their risk re-ducing potential for a region (Schleswig-Holstein, Germany) and in addition to wheat for two other crops (barley, rapeseed) for which no previous results are available. Hence, this work provides new insights into the question whether and how crop insurance can increase the welfare of European farmers. This paper continues with a description of the theoretical model for risk reduction which is then applied to single and multiple-crop farm-ers. The presentation of data and estimation results follow. Afterwards conclusions for farmers, policy makers, and insurers are drawn. Sug-gestions for further research finalise the paper.

2. Theoretical Model

The applied model is an extension and synthesis of MIRANDA’s and MAHUL and VERMERSCH’s models. In our model various insurances are offered to farmers which are each based upon the county yields of different crops. A county yield reflects the average yield of a crop’s total acreage in a county. The farmer receives an indemnity payment for an insurance if the yield of the underlying crop in his county falls below a strike yield. The payment is the difference between the strike yield and the county yield times the crop’s price which is fixed before purchasing the insurance contract. Purchasing such an insurance is like buying a put option (shown by MAHUL and VERMERSCH, 2000). The farm yields are random and the farmer’s profit π is the revenue on the cash market plus indemnity payments minus insurance premium and production costs c. Production costs, total acreage, prices and planted acres for each crop are determined exogenously.1 The coverage is posi-tive when the corresponding insurance is purchased or zero otherwise.

1 This model does not analyse the possibility of changing the production shares for crops without facing a higher risk level. Purchasing crop insurances may offer this possibility to obtain a higher certainty equivalent. This issue was recently ad-dressed by BERG (2000) using modeled farms and linear optimising.

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172 Odening und Hinrichs

(1) ( )1 1 1

EI J J

i i i j j j j j ji j j

s p y p i p i cπ φ φ= = =

= ∗ ∗ + ∗ ∗ − ∗ ∗ −∑ ∑ ∑

with π = profit per hectare, I = number of planted crops, si = share of planted area for crop i, pi (j) = price for crop i (j), yi = farm yield of crop i, J = number of available insurances,

jφ = coverage level of insurance j, E(.) = expectation operator, max( , 0)j ji k a= − = short fall of area yield,

k = strike yield, aj = county yield of crop j. We consider a two-period problem. In the first period all decisions about the coverage levels are made, and in the second all uncertainties about yields are resolved. We assume that the farmer’s utility is only influenced by the mean and the variance of profit and that purchasing insurances does not change the mean of profit.2 Thus, the premium has to be actuarially fair and there are no transaction costs for the farmer incurred by purchasing an insurance. To maximise utility the farmer chooses coverage levels such that the profit’s variance var(π) is mini-mised. It is only affected by the random farm yields and the random indemnity payments. The remaining terms in equation (1) are constant over time. The profit π minus these constants is denoted π* . We aban-don premium payments and costs to obtain (2).

(2) *

1 1

I J

i i i j ji j

s p y p iπ φ= =

= ∗ ∗ + ∗ ∗∑ ∑

with *π = ( )

1

EJ

j j jj

p i cπ φ=

− ∗ ∗ −∑

2 A mean-variance analysis of such an insurance or option model is in general not consistent with expected utility (LAPAN et. al., 1991). From a theoretical point of view, a mean-variance model with three insurance contracts is more consistent with expected utility than the expected utility model used by MAHUL and VERMERSCH (2000) with only one insurance contract in contrast to MIRANDA’s (1991) mean-variance analysis.

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 173

Consequently, its variance var(π*) equals var(π). To minimise var(π*) we use the OLS-procedure which minimises the variance of the distur-bance term of a linear combination of variables. π* is a linear combina-tion of the cash revenues and the indemnity payments that are a func-tion of the coverage levels. We can choose the variance-minimising coverage levels like determining regressors in the OLS. Consequently, the variance of profit π would be minimised if (3) holds.

(3) 0

1 1

ˆ ˆ ˆ I J

i i i j j ji j

s p y p i uβ β= =

∗ ∗ = − ∗ ∗ +∑ ∑

with û = profit such that var(π) is minimised (disturbance term in

the OLS),

β̂ J(0) = least squares estimators. The variance of the disturbance û is the minimum of the profit’s vari-ance. Thus β̂ J is the optimal coverage level for insurance j and the co-variance between û and iJ amounts to zero. This corresponds to the common assumption of regressability between a cash product and a hedging tool (for common hedging theory see JOHNSON, 1959/60; BEN-

NINGA, et al, 1984for crop-yield risk MIRANDA, 1991 and MAHUL, VERMERSCH, 2000). So, we obtain the optimal coverage levels by regressing the cash reve-nue on the indemnity payments. The expected value of the county yield is assumed as strike yield and the cash prices equal the crop prices for the indemnity payment fixed before purchasing the insur-ance. The variance reduction is measured in relation to the variance of an uninsured farmer.

3. Data

The farm data are obtained from the German Farm Accountancy Data Network. All farms are located in the state of Schleswig-Holstein in northern Germany between the North and the Baltic Sea. All farms are included that produced wheat, barley and rapeseed in each year as from 1986 to 1995 (=22 farms). The variances of the different crop yields and the covariances among different crop yields of a farm and

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174 Odening und Hinrichs

among these crop yields and the area yields are observed. The means of the farm yields are 77 quintals per hectare for wheat and 70.2 for barley and 33.8 for rapeseed, respectively. Yields were linear detrended and means are 1995 equivalent. The price relations are set for barley / wheat at 0.9 and for rapeseed / wheat at 2.0. Then, the initial revenue variances with a wheat price of 100 €/t but without insurances are 7200 €²/ha², 8300 €²/ha², 13900 €²/ha² on average among farms for wheat, barley and rapeseed pro-duction, respectively. Planting all three crops, each on one third of the arable land (s1 = s2 = s3 = 1/3 in (3)) amounts to an average variance of 4300 €²/ha². Even in comparison to the crop with the lowest variance, wheat, the variances are reduced by 25 % due to the diversification ef-fect. Regional yields are obtained from the Statistical Bureau of Schleswig-Holstein for the period of 1970-2000. They were linear and quadratic detrended to account for the long time period. The average county yields are taken as strike yields. In the estimation the trend residuals from 1986-1995 are used. Insurance premia were measured as expected indemnity payments in percentage of total insurer liability. They refer to area yield. We can get the farm-specific premia by multiplying the premium with the individual coverage level of the corresponding crop. The premia for county insurances of wheat vary around 2%, the premia for barley are in a range between 2.1 % and 3.6 %. The premia for rape-seed are highest in a range from 2.5 % to 4.6 %. The variation among counties is smaller than the variability between crops. The fair premia for wheat confirm MAHUL and VERMERSCH’s (2000) results for regional insurance.3 MIRANDA`s, (1991) fair premium of 1.6 % is not comparable because of the empirical design of his work.

4. Variance reduction through insurance

We evaluate the variance reduction for different settings. Firstly, plant-ing only one crop (wheat, barley, or rapeseed) and insuring it with the

3 They present farm-specific premia but they can be recalculated to be comparable with our work.

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 175

corresponding area yield (1 crop, 1 insurance – model; I=J=1 in (3)).4 Farms are assumed to grow only one crop and to purchase only the corresponding area yield insurance. We estimate three 1,1-models for each farm. Planting and insuring wheat solely, then barley solely and rapeseed solely. In a second specification farmers can purchase three insurances while planting only one crop (I=1, J=3). We estimate three 1,3-models for each farm. In the last settings each farmer plants all three crops, each on one third of his arable land (s1 = s2 = s3 = 1/3), and is offered the three corresponding insurances (I=J=3; 3,3-model) or only one insurance, respectively (I=3, J=1; 3,1-models). For each farm one 3,3-model and three 3,1 models are estimated. Equation (3) is estimated with the expected county yields as strike yields to obtain the optimal coverage levels. Thus, independence among (co-)variances and acreage shares of the crops is implicitly assumed. Only positive coverage levels are allowed. The estimation results on average for the one-crop settings are shown in Table 1. The variance can be reduced on average by one third for rapeseed and one fourth for barley, respectively. The average variance reduction for wheat planting and solely insuring is less than 20 %. All means are similar to the medians. By definition of equation (3), the availability of three insurances can only increase the variance reduction compared with only one insurance. The increase amounts to somewhat 10 %-points comparing the average variance reductions. The results of the diversified farms can be found in Table 2. The average variance reduction is highest with 45 % when three insurances can be pur-chased. There are only small differences in the variance reduction be-tween the one-crop-only farming and the diversified cropping when only one insurance is available.

4 The variance reduction for insuring one-crop-only production with an area-yield of a different crop is considerably low. Results are available upon request from the author.

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176 Odening und Hinrichs

Table 1: Variance reduction in % for one-crop-only farming (1,1- and 1,3 models)

s p e c i f i c a t i o n

p l a n t e d c r o p , p u r c h a s e d i n s u r a n c e

w h e a t b a r l e y r a p e s e e d

a v e r a g e 1 8 2 5 3 2

v a r i a n c e 3 6 0 4 0 8 5 8 1

s p e c i f i c a t i o n

p l a n t e d c r o p w h e a t b a r l e y r a p e s e e d

a v e r a g e 2 8 3 5 4 0

v a r i a n c e 5 0 0 4 8 6 5 7 9

v a r i a n c e r e d u c t i o n i n %

1 c r o p , c o r r e s p o n d i n g i n s u r a n c e

1 c r o p , 3 i n s u r a n c e s

Table 2. variance reduction in % for diversified cropping (3,1- and 3,3-models)

specification 3,3 modelpurchased insurance

wheat barley rapeseed all

average 15 22 33 45variance 125 373 478 587

variance reduction in %

3 crops, 1 insurance

Table 3 shows farm-individual data. The potential of risk reduction varies in a wide range among individual farms. The optimal coverage levels among farms also differ in a wide range. They represent the amount of insurance contracts a farmer should purchase per hectare arable land if the insurance contracts refer to one hectare regional yield. The average optimal coverage level including the non-insured farmers is 1.3 and 1.2 for a farmer who only grows and insures rape-seed or barley and 0.9 for producing and insuring wheat solely (1,1-models). The coverage levels in the 3,3-model are less because they refer to the total arable land. The total coverage level (0.47+0.26+0.57=1.3) does not change considerably. Five of the 22 farms purchase only two insurances, four only one and two cannot realise any variance reduction in the multiple-crop-multiple-insurance setting. The highest absolute reduction can be achieved by insuring the pro-duction of rapeseed. The average variance of insuring single-crop

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 177

farming is always higher than the uninsured initial variance of the diversified farmer. Table 3. Optimal positive coverage levels, variance reducion

3,3- 1,1- 3,3- 1,1- 3,3- 1,1- 3,3-model

farms wheat barley rapeseed 3 crops53-1 0,2 0,9 0,2 1,0 0,3 0,6 25 22 8 1653-2 0,1 0,9 0,3 1,2 0,9 1,4 28 21 46 6753-3 0,0 0,0 0,1 0,4 0,7 1,8 0 17 66 6653-4 0,5 1,4 0,2 0,8 0,4 1,1 39 20 15 3053-5 0,2 1,0 0,2 0,9 0,3 0,6 42 23 14 4153-6 1,2 0,5 0,5 2,9 0,6 2,6 4 50 77 5453-7 0,0 0,7 0,3 0,8 0,5 0,4 5 13 9 3355-1 0,0 0,0 0,0 0,8 0,6 1,3 0 7 42 3857-1 0,0 0,6 0,0 0,5 1,0 2,7 4 7 64 7257-2 0,1 1,2 0,0 0,5 0,9 1,8 31 3 30 4457-3 0,0 0,0 0,0 0,0 0,5 0,9 0 0 21 2257-4 0,0 1,0 0,0 0,3 0,0 0,0 10 1 0 058-1 2,3 2,0 0,3 2,0 0,4 2,0 39 52 23 8259-1 0,0 0,0 0,3 0,0 1,7 3,2 0 0 41 4959-2 1,1 3,9 0,0 1,6 0,1 0,8 69 69 5 1959-3 0,8 0,1 1,4 1,9 0,8 0,3 <1 32 1 8360-1 0,7 0,3 0,6 1,6 0,3 1,0 2 18 32 3760-2 1,5 1,2 0,3 2,6 0,9 2,4 7 46 44 5860-3 0,6 1,3 0,6 1,2 0,2 1,4 19 16 54 5461-1 1,0 0,8 0,5 1,3 0,5 1,8 10 43 60 7062-1 0,0 1,4 0,0 1,1 0,9 1,4 29 26 58 6262-2 0,0 1,2 0,0 2,6 0,0 0,0 36 59 0 0

mean 0,47 0,93 0,26 1,18 0,57 1,34 19 25 32 45variance 0,39 0,73 0,10 0,69 0,16 0,80 361 408 581 590

1,1-model

Variance reduction at optimal coverage (%)

wheat barley rapeseed

model model model

optimal coverage level

Farms are presented in the first column. The first two figures show the county of the farm and the figure behind “-“ counts the farms of the same county.

5. Conclusions

We find that a farmer using crop rotation with three crops can substan-tially reduce his revenue variance in relation to his initial variance by purchasing insurances. The variance reduction of specialised produc-tion and insuring with the corresponding area-yield insurance contract is highest for rapeseed with 32 % on average. It amounts to 25 % for barley and 19 % for wheat, respectively. The relative risk reduction for

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178 Odening und Hinrichs

three-crop farmers reaches 45 % on average and is higher than the results in the literature for specialised production of wheat or soy-beans. Furthermore, the reduction in this case is considerably higher than the relative risk reduction for single crops, thus reflecting the special situation of the three-crop farms. The estimated risk reduction for specialised rapeseed production does not reach the average vari-ance reduction of 39 % found by MIRANDA (1991) for soybeans, keeping in mind that in his study, the risk reduction is probably overestimated because the average yield of the used data panel serves as a proxy for the regional yield. MAHUL and VERMERSCH (2000) do not present aver-age variance reductions among farms. They present 20 out of their 124 farms but these seem not to be randomly chosen if one looks to their numbering. If these farms are representative their risk reduction for wheat is twice as high as in our findings. But it is similar to our find-ings for rapeseed. Looking to the absolute changes of revenue variance, the highest reduc-tion can be achieved by insuring the production of rapeseed. Hence, in terms of risk reduction diversification is on average a better strategy for the investigated farmers since the variance of one-crop-only farming cannot be lowered to the level of diversified production due to purchas-ing area-yield insurances. However, a general recommendation to the farmers has to take into account the profits of the different crops and their interdependencies and the farmers’ risk preferences. The high po-tential for risk reduction in rapeseed production indicates that the high-est potential insurance demand might exist for rapeseed insurance. Fur-thermore, insurance can reduce diversified farmers’ yield variance by one half. But it is debatable, if we can conclude that they are interested in crop insurance since their initial, uninsured risk is low.Insurance com-panies and policy makers should be aware of overestimating the will-ingness to pay of multiple crop farmers for area yield insurances. Con-sequently, it is not sufficient to estimate only the single correlation between farm and area yield of the same crop as it had been done in the literature so far to evaluate the demand potential of area-yield insurances. The effects of different crop insurance contracts on the systemic risk for the insurer and the question of the optimal aggregation level of area-

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Quantifizierung von Marktrisiken in der Tierproduktion 179

yields, e.g. state-based or nation-wide yields versus county yields are probably issues for fruitful further research.

References

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Anschrift des Verfassers:

Gunnar Breustedt

Department of Agricultural Economics, Kiel University

Germany, 24118 Kiel, Olshausenstr. 40

Tel.: +49 431 880 4438 email: [email protected]

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Rural Tourism as an Alternative Income Source

for Rural Areas along the Hortobágy Der ländliche Tourismus als alternative Einkommensmöglichkeit auf dem Lande bei Hortobágy

Bernadett SZABÓ

Summary

I have been doing research in four rural settlements along the Hor-tobágy, where agriculture played an important part in the income sources before the change of regime. At present, however, it has lost its population maintaining power. Alternative income sources besides agriculture, such as bio-farming, herb producing, rural tourism have had greater and greater importance for rural areas. I have made a sur-vey among rural hosts along the Hortobágy aiming to consider their qualifications, services, prices and costs. On the basis of these data I constructed a model, which is suitable for reflecting the cost-yield-profit and recovering relations of rural tourism by examining three types of services and seven investment conceptions. Keywords: agriculture, rural settlements, rural tourism

Zusammenfassung

Meine Forschungen führe ich in vier ländlichen Siedlungen am Hortobágy durch, wo die Landwirtschaft eine grosse Rolle in dem Einkommen der auf dem Lande lebenden Menschen gespielt hat. Sie hat aber bis heute ihre Rolle, die Bevölkerung auf dem Lande zu erhalten, verloren. Auf dem Lande kann deswegen den alternativen Einkommensformen - wie zum Beispeil dem ländlicher Tourismus, der biologischen Landwirtschaft oder dem Heilpflanzenbau - eine immer grössere Bedeutung beigemessen werden. Ich habe eine Befragung unter den Gastwirten der von mir untersuchten vier Siedlungen vorgenommen. Auf Basis dieser Angaben habe ich die Einkommenswirksamtkeit des ländlichen Tourismus bei

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Szabó

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Hortobágy analysiert. Dabei werden 3 Dienstleistungstypen und 7 Investitionskonzeptionen untersucht. Schlagworte: Landwirtschaft, ländlicher Raum, ländlicher Tourismus

1. Introduction

Although there are 22 communities along the Hortobágy, I demon-strate their economic, ecological and social conditions, the role of agri-culture and alternative income sources by studying four of them, namely Balmazújváros, Hortobágy, Egyek and Tiszacsege. They situate in the county of Hajdú-Bihar, form one statistical subregion and have strong relationships with the Hortobágy National Park. As the role of agriculture has decreased, alternative activities, such as rural tourism may have greater importance in the future. My goals were to study the situations of rural hosts along the Hortobágy by a survey, and to show the profitability of this activity by constructing a model.

2. Meaning of Rural Tourism in Hungary

Rural tourism in Hungary, in classical meaning, is a kind of touristical activity, which provides supplementary income for those who have other main occupations (e.g. agriculture, industry) by taking their un-used accommodation into the service of tourism. The atmosphere and the environment of the village remains in its original conditions (CSIZ-

MADIA, 1992). According to KÖNYVES (2002) rural tourism takes place in rural areas, which means providing accommodation from the point of view of the host, and active holiday for the guest and contributes to cultural heri-tage, alternative income source for families by utilising local resources and the attraction of rural areas.

3. Situation of Agriculture along the Hortobágy

Agricultural co-operatives and the state farm used to have a relevant role in ensuring local employment and restraining people from leaving in the communities examined. Privatisation and transformation of co-operatives and the state farm resulted in a decreasing number of agricultural workers:

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Rural Tourism as an Alternative Income Source

183

they dropped into 10 to 25% of the situation of 1985 in 2000. The income mass from agriculture has also dropped to its 5 to 10 %, and the income projected to one agricultural worker to its one third in average. In this way it is relevant to ensure livelihood for people getting out from the sector, and to find other alternative income sources for agricultural workers. The closeness of the Hortobágy National Park, the unique natural con-ditions, the National Agricultural Environmental Programme and the imminent EU-transition make the extensive farming and alternative income sources of agriculture, such as bio-farming, herb production and rural tourism, necessary in this area.

4. Positive and Negative Factors for Rural Tourism

I have studied the economic, ecological and social conditions suitable for rural tourism in these settlements that have real facilities in joining and developing rural tourism. Intensive tourism may not be realised due to the closeness of the national park, which has been the part of the World Heritage since 1999 and strict environmental regulations coming from this fact. The eco-tourism, however, saves the natural, cultural heritage and the landscape and shows them in their reality. Further-more, the Hortobágy National Park takes part in founding rural tour-ism and supplementing the income of rural hosts. There are already 64 rural hosts in these settlements. The settlements examined may count on natural values such as the closeness of Hortobágy National Park, the River Tisza and thermal water, they have traditions and history, architectural and monumental values, as well as already existing accommodation places. On the other hand the level of infrastructure and the qualification of people should be improved and even utilisation of the existing capacity is very small.

5. Survey among the rural hosts along the Hortobágy

I have made a survey in April of 2002 in the four examined communi-ties and interviewed 35 of the 65 hosts of rural tourism. I studied their qualification and foreign language knowledge, asked for their opinions about their aims, and for the characteristics of the accommodation, services, prices and costs, and any investments made.

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Near half of the rural hosts are between 41 and 60 years of age, and 43% of them are above 60. In this way it is for supplementing income for those who are in their middle ages and for pensioners. Examining the distribution of rural hosts according to their main occupations (Figure 1) it can be seen that it is attached to the third sector and not to the agriculture as in classical meaning.

Figure 1: The Main Occupations of Rural Hosts along the Hortobágy Source: OWN SURVEY (2002)

Gardening and animal keeping around the house should have signifi-cance at these rural hosts, which may serve as programmes for the guests, such as harvesting vegetable and fruit, and animal feeding, but small plots and bad soil conditions make it difficult for them. Rural tourism is a very new-born activity in these areas, which is shown by the fact that these host started rural tourism during the last 5 to 10 years. To carry out their activities on a high quality and to have an appropri-ate knowledge relating to new information of rural tourism it is neces-sary to enrol for a rural tourism course before starting their business. Only 40% of the asked rural hosts completed such a course. Due to the closeness of the Hortobágy National Park significant number of foreign tourists visit these settlements. In this way it would be important that these rural hosts should speak foreign languages. More than half of the

agriculture

3%unemployed9%

industry3%

service26%

education6%

pensioner53%

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Rural Tourism as an Alternative Income Source

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asked, however, do not speak any foreign language, 40% of them speak German and 6% speak Russian on basic level. Studying the organisa-tions of the work of rural hosts, 80% of them belong to an association of rural tourism. As Figure 2 shows, near half of the asked rural hosts started this activ-ity because of the supplementing income sources and one third of them chose this form of tourism as they have had unused capacity especially by older host where the young have already moved away or to another settlement.

Figure 2.: Reasons for Starting business as a host Source: OWN SURVEY (2002)

There are only few of them who built their houses originally for rural tourism. 80% of them did not regret to start rural tourism, the others think that it is a great burden for them, realising a small amount of income and these hosts do not trust in the guests. The hosts try to provide high quality service, that is 84% of them have 3 and 4 “sunflower”-qualified accommodations. I show the number of places, guests and guest nights in Table 1, which reflects also the county, regional and national averages.

income supplement

49%

necessity3% has future

5%

planned10%

given capacity33%

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Table 1: Data of rural tourism along the Hortobágy in comparison with the aver-ages in Hungary

(6) (7) (8) (9) Places 242 474 3262 33502 Hosts 35 92 541 6109 Guests 1680 1323 9451 109832 - foreign 566 461 966 40658 Guest nights 4307 2777 36707 518488 - foreign 1425 982 4135 221126 (1) 6,9 5,2 6,0 5,5 (2) 2,6 2,1 3,9 4,7 (3) 123,1 30,2 67,9 84,9 (4) 22264 43608 300104 3082184 (5) 19,3 6,4 12,2 16,8

Source: DATA GATHERING (6), REGIONAL STATISTICAL YEARBOOK (2000) (7-9) Note: (1) – number of places at one rural host, (2) – average staying time, (3) – aver-age number of tourism nights at one rural host, (4) - potential number of tourism nights during summer, (5) - efficiency of using capacity, (6) - the average of the four communities examined, (7) - County of Hajdú-Bihar, (8) – Region of North Plain, (9) – Hungary

The number of places at one rural host along the Hortobágy is higher than the averages of the county, the region and the country. The aver-age staying time is very low in Balmazújváros and Hortobágy, which is the result of the one-sided touristical supply. Furthermore, this low staying time may result in increasing costs. The average number of tourism nights at one host is high in Balmazújváros due to the high number of guests, who look for the natural values in the Puszta and have a rest in the thermal bath, and have opportunity to ride. This number is high even in Tiszacsege, where the average staying time is also longer. Thermal bath and the River Tisza have significance in the tourism of the settlement, which make the development of thermal, water and angling tourism possible besides rural tourism. Besides Bal-mazújváros utilising capacity in the researched villages regarding three summer months is lower than the national average. The difference between rural tourism and “Zimmer frei” is that besides providing accommodation, serving meals and programmes have great importance in introducing local traditions and the settlement itself.

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Only 54% of the asked rural hosts serve meals and just 40% of them organise programmes for the guests, such as harvesting, animal feed-ing, cooking traditional meals, or trips. One third of the rural hosts did not make any renovation for rural tour-ism, 54% of the others separated the economic yard and the garden, 22% of them renovated their bathrooms and other 22% built a totally new room to increase the quality level of the house. More than half of them is not willing to do any renovations in the future because of fi-nancial problems. According to them, the main helping factor for rural tourism is the closeness of the Hortobágy National Park (HNP) (Figure 3.). The HNP, however, draws away potential tourists from small set-tlements, such as Egyek. These settlements have to create own images, and should be seen as a supplement of the touristical supply of Hor-tobágy.

Figure 3.: Factors Helping Rural Tourism Source: OWN SURVEY (2002)

There was a question in the survey relating to the fixed and variable costs of rural tourism. The fixed costs included membership fees, and the cost of qualifying the house for rural tourism. I could not get an exact answer in connection with variable costs. If they do not know these costs, one cannot calculate the income of their activities. In this way rural tourism in these settlements seems to be ad hoc, which is not based on financial plans. It is important to make rural tourism con-

monuments8%

qualification11%

restaurants13%

accommod.14%

forests4%

river12%

HNP21%

thermal water17%

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scious, which needs economic calculations to shows its result. That is why I have made a model for starting rural tourism, which show the net and gross income of the activity by examining three types of ser-vices and seven investment conceptions.

6. Model for Starting Rural Tourism

The capital need of the would-be activity depends on the standard and whether the already existing capacity will be used or whether it is nec-essary to renovate or build a new room. In this way the following in-vestment conceptions can be outlined: • by using the already existing capacity (without any additional in-

vestment), • by renovating the guest room, • by renovating the bathroom, • by renovating both a guest room and a bathroom, • by building a new guest room, • by building a new bathroom, • by building both a new guest room and a bathroom. I showed the efficiency of these investment conceptions: • by providing only accommodation, • by providing accommodation and breakfast, • by providing accommodation, breakfast and dinner. I divided the costs incurring due to rural tourism into fixed and vari-able costs. Fixed costs include membership fees, insurance, and costs of advertisement, amortisation and improvement. Variable costs include the costs of raw materials for breakfast and dinner, energy, water, washing powder and detergents, own wage for net income and tour-ism tax. Revenue of rural tourism comes from providing accommoda-tion and the accidentally eating service. Regarding own wage, net in-come can be calculated, which can be seen in Table 2. in comparison with gross income both projected to one guest night.

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Table 2: Net Income and Gross Income Projected to One Guest Night in EURO Net Income Gross Income 1. 2. 3. 1. 2. 3.

Already Existing Capacity 1,4 2,0 3,6 1,7 2,5 4,2 Room 1,1 1,8 3,3 1,4 2,2 3,9 Bath-room

1,1 1,8 3,3 1,4 2,2 4,0 Renovation

Both 0,3 0,9 2,5 0,6 1,3 3,1 Room 0,0 0,6 2,2 -0,6 1,0 2,8 Bath-room

1,5 2,2 3,8 1,8 2,6 4,4 Building

Both 0,1 1,2 3,5 1,0 1,8 3,6 Source: OWN CALCULATIONS (2002)

Note: 1. Accommodation, 2. Accommodation with breakfast, 3. Accommodation with breakfast and dinner If 100 tourism nights are calculated, it is clear that this income is not for subsistence, and it incurs mainly in the summer months. On the other hand, it is suitable for supplementing income from other sources, moreover, the costs of rural tourism have good efficiency. Regardless the amortisation the reachable income may increase by 60 % in average. If the cost of advertisement is not calculated, as membership in an association of rural tourism means automatically advertisements in the catalogue of the association, the income may increase by further 20 %. If the cost of improvement is corrected according to investment conceptions (after renovation or building less improvement cost is expected than without any additional investment) the income may grow by 60 to 80 %. Table 3. shows the ratio of income projected to total costs.

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Table 3: Ratio of Income Projected to Total Costs (%) Rate of Net In-

come Rate of Gross In-

come 1. 2. 3. 1. 2. 3.

Already Existing Capacity 38 40 53 49 51 67 Room 29 33 47 39 44 60 Bath-room

29 33 47 39 44 60 Renovation

Total 10 17 33 17 25 44 Room 4 12 26 9 18 35 Bath-room

33 36 48 42 46 61 Building

Total 5 16 34 18 25 41 Source: OWN CALCULATIONS (2002)

Note: 1. Accommodation, 2. Accommodation with breakfast, 3. Accommodation with breakfast and dinner

When analysing these investment conceptions by discounted recovering time and net present value and planning 15 years of working, the follow-ing can be seen (Table 4). A positive mark show the conceptions, which will be recovered during the planned working time, and the negative mark reflects the non-refundable choices.

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Table 4: Analysing of the Investment Conceptions Discounted Re-

covering Time (year)

Net Present Value

1. 2. 3. 1. 2. 3. Already Existing Capacity 3,4 2,3 1,4 + + +

Room 9,6 6,6 4 + + + Bath-room

7,3 5,2 3,3 + + + Renovation

Total 16,4

11 6,4 -/+ + +

Room 36,7

29,5

20,5

- - -/+

Bath-room

13,2

10,8

7,7 + + +

Building

Total 25,7

21,9

16,6

- - -/+

Source: OWN CALCULATIONS (2002) Note: 1. Accommodation, 2. Accommodation with breakfast, 3. Accommodation with breakfast and dinner

Using the already existing capacities, renovating a room or a bathroom will be recovered under all of the service conditions. Renovating both a room and a bathroom will only be refunded in only accommodation service, if the rise of the prices of inputs for rural tourism will be lower than the prices of the service. When providing only accommodation, building a room and building both a room and a bathroom will not be recovered while building a bathroom will be refunded during the planned working period. The situation is the same when providing ac-commodation and breakfast. When the service is supplemented with even dinner, building a bathroom will be refunded. Building both a room and a bathroom, however, will only be recovered if positive future is supposed.

7. Conclusions

• Rural tourism in these settlements is not working in a classical mean-ing: it is not attached to agriculture and the hosts hardly provide eat-

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ing facilities and programmes, although cost efficiency is much better when providing breakfast and even dinner.

• Hosts cannot market their own products to the guests, as there are small plots around the houses, mainly in the village of Hortobágy, with bad condition of soil, which is not suitable enough for garden-ing and animal keeping. That is why they hardly provide such pro-grammes like animal feeding, harvesting.

• Human capital for rural tourism needs development. Courses relat-ing to rural tourism and foreign languages supported by local gov-ernments and existing relationships with similar foreign communities may inspire to know other foreign languages.

• Rural tourism is based on natural conditions and already existing accommodations, but its economic conditions, such as the infrastruc-tural background, should be improved.

• Their activities are organised by several association of rural tourism, but are not based on financial plans. They cannot calculate the in-come from rural tourism.

• According to my calculation the most income may be reached by utilising the already existing capacity and providing eating facilities besides accommodation.

• Building a new room or building both a room and a bathroom needs to plan longer the working time for recovering. On the other hand these conceptions may increase the quality level of the house, which may result in higher revenue and income and shorter recovering time. Good advertising facility, creating own programmes may con-tribute to increasing the number of guests and the average staying time and decreasing costs relating to guests, which also cause higher income for rural hosts.

All in all rural tourism may create working facilities, decrease unem-ployment, provide alternative income and improve the state level of the guesthouse. It is a cheap travel form for the guest who can get to know the traditions, histories of rural settlements and nature. Rural tourism may help rural settlements in restraining people from leaving through increasing income for rural people and indirectly may contribute to so-cial and economic development of rural areas.

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References

CSIZMADIA, L. (1992): Falusi turizmus - környezetbarát turizmus oktatási összefüg-gései. Bp. Kereskedelmi és Idegenforgalmi Továbbképző , 62.p.

KÖNYVES, E. (2002): A falusi turizmus szerepe Jász-Nagykun Szolnok megye vidékfe-jlesztésében. Doktori disszertáció. Debreceni Egyetem, Agrártudományi Cen-trum, Agrárgazdasági és Vidékfejlesztési Intézet, Vállalatgazdaságtani Tanszék.

Affiliation

Bernadett Szabó, Ph.D. Student

University of Debrecen, Centre for Agricultural Sciences,

Faculty of Agribusiness and Rural Development, Department of Farm Business Management

4032 Debrecen, Böszörményi St. 138. Hungary

Tel.: 00-36-52-526-922

e-Mail: [email protected]

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

im mittleren Wienerwald

Julia NEUWIRTH und Marianne PENKER

Zusammenfassung

Der mittlere Wienerwald, eine nahe der Millionenstadt Wien gelegene, stark ländlich geprägte Region, verzeichnete in den letzten Jahren eine starke Zunahme an Pferdehaltern und Pferden. Als Entscheidungsgrundlage für gemeindeübergreifende Aktivitäten initiierte das Regionalmanagement „Wien-Umland“ eine Diplomarbeit zur Erfassung der regionalökonomischen Effekte der Pferdehaltung. Mittels postalischer Befragungen wurden die durch Pferdehalter und Reiter induzierten Ausgabenströme für Güter und Leistungen erhoben, wobei die regional wirksame Nachfrage getrennt abgefragt wurde. Insgesamt wurden direkt in der Untersuchungsregion im Jahr 2000 3,1 Mio. Euro für Pferde (für Futter, Einstreu, Tierarzt, Hufschmied etc.) und Reiter (für Pferdekauf, Reitausrüstung, Reitbekleidung, -unterricht, Gaststätten, regionale Veranstaltungen und Geschäfte etc.) ausgegeben. Daraus resultiert eine regionale Wertschöpfung von 1,6 Mio. Euro, die 48 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und 20 im Dienstleistungssektor sichert. Weiters ergeben sich wertvolle landschaftsökologische Effekte durch den Erhalt von Wiesenflächen und der Kulturlandschaft. Die Fahrten der Pferdebesitzer zum und vom Stall induzieren ein zusätzliches Verkehrsaufkommen von etwa 550 Autofahrten/Tag. An die 90 Veranstaltungen rund um das Pferd beleben das wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen im mittleren Wienerwald. Schlagworte: regionalökonomische Effekte, Pferdehaltung, mittlerer Wienerwald

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Neuwirth und Penker

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Summary

The Austrian Region “mittlerer Wienerwald”, situated in the surround-ing of the capital city of Vienna, is rural and has, in the last few years seen a strong increase in the number of horses and horse-holders. Therefore and as a base of decisions for trans-communal activities the regional-management “Wien-Umland” initiated a study to analyse the regional-economic and socio-economic effects of horse-keeping. Postal interviews appraised horse-owners’ and –holders’ expenses for goods and services inside and outside the region. In 2000 the sum of expenses amounted to 3,1 millions Euro by horse-holders (for feed, bedding, veterinary, farrier… ) and by horse-owners (for purchase of horses, riding equipment, clothing, riding lessons, restaurants, regional events and shops… ). This represents a regional value added of 1,6 millions Euro, sustaining 48 jobs in agriculture and 20 in service. Also, valuable scenic and ecological effects were registered as well as an enrichment of regional quality of life due to 90 events around horses. The analysis showed that horse-keeping is an important contribution to the eco-nomic and social life in this region. Keywords: regional economics, horses, rural areas, Lower Austria

1. Problemstellung

Der mittlere Wienerwald bietet sich nicht zuletzt wegen seiner räumlichen Nähe zur Großstadt Wien als Standort für Pferdehalter an. Tatsächlich sind in den letzten Jahren die Zahlen der Pferde und Pferdehalter stark gestiegen. Aufgrund dieser dynamischen Entwicklung interessierten sich Entscheidungsträger des Regionalmanagements für jene regionalökonomischen Effekte, die von den Aktivitäten der Pferdehalter und Reiter ausgehen. Eine systematische Darstellung dieser Effekte war Ziel einer empirischen Studie, die im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführt wurde (vgl. NEUWIRTH, 2002). Die Ergebnisse dienen als Entscheidungsgrundlage und Argumentationshilfe für gemeindenübergreifende Projekte, wie etwa die Planung eines Reitwegenetzes, die Positionierung als Reitregion sowie einschlägige Marketingstrategien.

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

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2. Material und Methode

2.1 Auswahl eines nachfrageorientierten Ansatzes

Dem zeitlichen, finanziellen und personellen Rahmen einer Diplomarbeit entsprechend galt es einen pragmatischen Zugang zu wählen. Trotz geringem Erhebungsaufwand sollte die Untersuchung einen ersten Quantifizierungsversuch der regionalökonomischen Effekte der Pferdehaltung ermöglichen. Die Wahl fiel auf einen nachfrageorientierten Ansatz (vgl. SCHÄTZL 2000, 97 ff., MAIER und TÖDTLING 1996, 37 ff., CLERMONT 1997, 34 ff.). In dessen Mittelpunkt steht die Nachfrage der Pferdehalter und Reiter nach Dienstleistungen und Gütern, wobei zwischen jenen Ausgaben unterschieden wurde, die außerhalb der Untersuchungsregion getätigt wurden und jenen die regional wirksam sind. Die Kategorisierung der Güter und Leistungen erfolgte anlog der amtlichen Statistik (gemäß Input-Output-Tabelle 1990 nach NACE/CPA, vgl. ÖSTAT, 1999). Da davon ausgegangen wurde, dass eine direkte Abfrage der exakten Ausgaben zur vermehrten Antwortverweigerung führen könnte, wurden die vorgegebenen Antwortkategorien als Ausgabenintervalle vorgegeben. Einschlägige Daten der Statistik Austria, von Gemeinden und Reitverbänden ergänzten die Datengrundlage. Die Ergebnisse wurden auf die Gesamtregion extrapoliert. Erhebung betriebsbezogener Ausgaben Das österreichische Recht unterscheidet vier Formen der Pferdehaltung: Pferdehaltung im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen, eines gewerblichen Betriebes, eines Reitvereines und aus Liebhaberei. Die Betriebsleiter können neben Pferdezucht und Pferdehandel auch Pensionspferdehaltung oder eine Reitschule betreiben. Die Betriebsleiterbefragung zielte auf eine Bestandsaufnahme der betriebsbezogenen Ausgabenströme in Zusammenhang mit der Pferdehaltung ab. Als betriebsbezogene Ausgaben gelten • Ausgaben für bauliche Anlagen (Stallungen, Reithalle, Longierplatz,

Reitviereck, Springplatz, Reiterstüberl usw.),

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• Ausgaben für Fahrzeuge und Maschinen (Pferdeanhänger, Hallenplaner, Futterautomaten, Führmaschine),

• Personalausgaben für Reitlehrer und sonstige Mitarbeiter, • sonstige Ausgaben (Marketing). Die betriebsbezogenen Ausgaben für Güter und Leistungen wurden räumlich differenziert (innerhalb und außerhalb der Region) für das Jahr 2000 erhoben. Erhebung pferdebezogener Ausgaben Sowohl Betriebsleiter als auch Reiter wurden nach pferdespezifischen Ausgaben befragt. Dazu zählen neben den Anschaffungskosten des Pferdes selbst v.a. Ausgaben für • Futtermittel, • Einstreu, • Tierarztleistungen, • Hufschmiedleistungen, • Ausrüstung des Pferdes (Zaumzeug, Sattel, Putzzeug), • Beritt oder Korrektur des Pferdes. Erhebung reiterbezogener Ausgaben Bei den Reitern ist zwischen Pferdebesitzern, Schulreitern und Mitreitern zu unterscheiden. Die Pferdebesitzer können ihr Pferd entweder im eigenen Stall halten oder als Pensionspferd bei einem fremden Pferdehalter einstellen. Im Fragebogen für die Reiter folgen auf allgemeine Fragen zur Person des Reiters Fragen zu Wohnort, Reithäufigkeit, Anzahl der Pferde und Reiter im Stall, Art der Anreise, Fragen zu den reiterbezogenen Ausgaben (Reitausrüstung, Reitunterricht, Konsumationen im Reitstall), zu Turnieren, Kursen, Veranstaltungen und Reiturlauben sowie zu sonstigen Ausgaben im Zuge des Reitbesuchs in der Region. Ausgaben für Güter (z.B. Reitbekleidung) und Leistungen (z.B. Gastronomie und Beherbergung, Reitunterreicht) wurden ebenfalls in Ausgabenintervallen abgefragt.

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2.2 Durchführung der postalischen Befragung

Die Erhebung der Ausgabenströme basierte auf einer postalischen Befragung von Pferdehaltern und Reitern in der Untersuchungsregion. Für eine Bestandsaufnahme der Pferdehalter im mittleren Wienerwald wurden Informationen des Bundesfachverbandes für Reiten und Fahren in Österreich, des Österreichischen Zuchtverbandes für Ponys, Kleinpferde und Spezialrassen, der Landwirtschaftskammer und der einzelnen Gemeinden herangezogen. Trotz intensiver Bemühungen konnten auf diese Art und Weise die Adressen von lediglich 57 der 131 Pferdehalter (das sind 44 %) eruiert werden. Ausgeklammert blieben insbesondere Privatpersonen, die Pferde aus Liebhaberei halten. An 25 Pferdehalter wurden jeweils drei Reiter-Fragebögen geschickt, an weitere 25 Pferdehaltungsbetriebe ein Betriebsleiter-Fragebogen. Die Auswahl erfolgte nach dem Zufallsprinzip sowie nach dem Urnenmodell, d.h., dass ein bereits für die Reiterbefragung ausgewählter Pferdehalter nicht mehr für die Befragung des Betriebsleiters zur Verfügung stand. Von den im Dezember 2001 an insgesamt 25 pferdehaltende Betriebe verschickten 75 Reiterfragebögen sandten 9 Betriebsleiter insgesamt 19 vollständig ausgefüllte Fragebögen zurück. Obwohl die Rücklaufquote mit 36 % der Betriebe bzw. 25 % der Reiter für eine postalische Befragung als gut zu beurteilen ist, bleibt dennoch darauf hinzuweisen, dass auf diese Weise nur ein kleiner Teil der Reiter in der Untersuchung Berücksichtigung findet. Da kein Schulreiter und nur zwei Mitreiter einen Fragebogen retournierten, finden diese beiden Gruppen in der Hochrechnung auf die Gesamtregion keine Berücksichtigung. Die Betriebsleiter-Fragebögen wurden im Jänner 2002 abgeschickt. Nach einer im Fragebogen bekannt gegebenen zweiwöchigen Frist wurden jene Betriebe kontaktiert, die keine Fragebögen zurückgesandt hatten. Von den versendeten Betriebsfragebögen wurden fünf retourniert, das sind 20% der ausgeschickten Fragebögen bzw. 4% der Pferdehalter in der Region. Da die Angaben zu den betriebsbezogenen Ausgaben sehr lückenhaft waren, konnten diese in der Hochrechnung auf die Gesamtregion nicht weiter berücksichtigt werden.

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2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse und Hochrechnung für die Gesamtregion

Die in der Reiter- und Pferdehalterbefragung erhobenen regionalwirksamen Ausgaben wurden auf die Gesamtanzahl der Reitpferde und Pferdebesitzer in der Region hochgerechnet. Die Hochrechnung basierte auf folgenden Ausgangsgrößen und Angaben: • Die Anzahl der Reitpferde in der Untersuchungsregion beträgt 1.255

(Gesamtpferdezahl laut Viehzählung 1999 ohne Fohlen und Jungtiere, vgl. STATISTIK AUSTRIA, 1999).

• In der Untersuchungsregion wird von einer Zahl von 973 Pferdebesitzern ausgegangen (basierend auf der Betriebsleiter- und Reiterbefragung ergab sich eine durchschnittliche Anzahl von 1,5 Pferden pro Pferdebesitzer).

• Es gilt die Annahme, dass die für Reiter und Pferde erhobenen Ausgaben dem Regionsdurchschnitt entsprechen und daher auf die Gesamtanzahl der 973 Pferdebesitzer und 1.255 Pferde des mittleren Wienerwaldes hochgerechnet werden können.

Da die Input-Output-Tabellen nur für ganz Österreich, nicht aber für einzelne Regionen zur Verfügung stehen, ist eine analoge Ermittlung von regionalen Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekten nicht möglich. Wir behalfen uns mit Wertschöpfungsquoten aus der Literatur, um aus den regional wirksamen Nettoausgaben die regionalen Wertschöpfungseffekte 1. Stufe (d.h. ohne Multiplikatoreffekte) abzuschätzen (vgl. Abb. 1). Multiplikatoreffekte durch die wiederholte Ausgabe dieser in Landwirtschaft, Industrie und produzierendes Gewerbe, Dienstleistungssektor und Gemeindekassen fließenden Gelder wurden aufgrund der geringen Größe der Untersuchungsregion als vernachlässigbar eingeschätzt und daher nicht berücksichtigt (vgl. ARMSTRONG und TAYLOR, 2000, 9ff). Die Beschäftigungseffekte wurden über Sekundärdaten geschätzt (LBG 2001, 44f).

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

201

Abb.1: Vorgehensweise bei der Berechnung der regionalen Wertschöpfung Neben den Effekten auf Wertschöpfung, Beschäftigung und Gemeindehaushalt wurden auch Auswirkungen auf die Kulturlandschaft über die durch die Pferdehaltung nachgefragte landwirtschaftliche Nutzfläche, Auswirkungen auf das regionale Veranstaltungsangebot und das Verkehrsaufkommen beschrieben.

3. Das Untersuchungsgebiet mittlerer Wienerwald

Der „mittlere Wienerwald“ umfasst folgende elf Gemeinden (vgl. Abb. 2): • Alland, • Altenmarkt an der Triesting, • Breitenfurt bei Wien, • Gaaden, • Gießhübl, • Heiligenkreuz, • Hinterbrühl, • Kaltenleutgeben, • Klausen-Leopoldsdorf, • Laab im Walde und • Wienerwald.

REGIONAL WIRKSAME NETTOAUSGABEN

BRUTTOAUSGABEN AUSSERHALB DER REGION

BRUTTOAUSGABEN IN DER REGION

REGIONALE WERTSCHÖPFUNG

GESAMTEN BRUTTOAUSGABEN

UMSATZ-STEUER

VOR-LEISTUNGEN

Umsatzsteuersatz

Befragungsergebnisse

Wertschöpfungsquoten

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Neuwirth und Penker

202

Abb. 2: Lage und Bevölkerungsdichte der Gemeinden im mittleren Wienerwald Quelle: ÖSTAT, 1994

Die Region umfasst ein Gebiet von 367 km² und ist Wohngebiet von etwa 26.100 Menschen. Die elf ausgewählten Gemeinden ähneln sich nicht nur in ihrem naturräumlichen Gepräge, sondern auch in ihren sozio-ökonomischen Charakteristika: • Rückgang der Arbeitsplätze, insbesondere in der Landwirtschaft, bei

gleichzeitigem Bevölkerungsanstieg; mehr als die Hälfte der Beschäftigten pendeln aus (vgl. NÖ Landesregierung, 2000);

• Gestiegenes Interesse an der Erhaltung der Wienerwaldwiesen für Tourismus und Naturschutz (vgl. HOLZNER,1996; ÖKL, 1997);

• Zunahme der Pferde- und Pferdehalterzahlen (vgl. Abb. 3 und Abb. 4);

• Konflikte zwischen Reitern, Jägern, Forstwirten, Bauern und Touristen um die Wegebenützung (vgl. HACKER 2002).

Abb. 3 zeigt den rasanten Anstieg der Pferdezahlen: seit 1983 nahm die Anzahl der Pferde im mittleren Wienerwald um das 2,5-fache zu. Im gleichen Zeitraum verdoppelten sich die Pferdehalterzahlen: (vgl. Abb. 3).

Klausen-Leopoldsdorf

Altenmarkt a.d. Triesting

Alland

Wienerwald

Breitenfurt

Kaltenleut-geben

Heiligen-kreuz

Gaaden

WIEN

Hinterbrühl

Gießhübl 100-200

200-300

300-400

400-500

1-100

Einwohner pro km²

Laab im Walde

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

203

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1983 1987 1991 1995 1999

Jahr

An

zah

l

Pferde

Pferdehalter

Abb. 3: Entwicklung der Pferde- und Pferdehalteranzahl im mittleren Wienerwald

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2001 1983 hielt jeder Pferdehalter durchschnittlich 7 Pferde, 1999 waren es knapp 10 Tiere. Im Vergleich dazu liegt der österreichische Durchschnitt bei etwa 4 Tieren je Halter. Die Altersverteilung der Pferde zeigt, dass der Wienerwald prädestiniert ist für die Haltung von Reitpferden: der Anteil der Fohlen und Jungpferde beträgt lediglich 14%. Da die Studie Jungtiere nicht berücksichtigt, ergeben sich 1.255 Reitpferde im mittleren Wienerwald.

4. Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung im mittleren Wienerwald

4.1 Durch die Pferdehaltung induzierte Bruttoausgaben im Jahr 2000

Die Hochrechnung ergibt Ausgaben von cirka 2.600,- Euro je Reitpferd bzw. eine Gesamtsumme von 3,2 Mio. Euro (vgl. Tab. 1).

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Neuwirth und Penker

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Tab. 1: Pferdebezogene Bruttoausgaben im mittleren Wienerwald im Jahr 2000 Ausgabenposten Ausgaben je

Reitpferd in Euro Gesamtausgaben in

Euro Ausrüstung 320,- 401.600,- Zusätzliche Futtermittel

180,- 225.900,-

Beritt 50,- 62.750,- Tierarzt 200,- 251.000,- Hufschmied 225,- 282.380,- Summe 975,- 1.223.630,- Einstellgebühr 760,- 953.800,- Rauhfutter 360,- 451.800,- Kraftfutter 170,- 213.350,- Einstreu 225,- 282.380,- Haftpflichtversicherung

70,- 87.850,-

Pferdeanhänger 20,- 25.100,- Pferdemistentsorgung

5,- 6.280,-

Summe 1.610,- 2.020.560,- Gesamt 2.585,- 3.244.190,-

Quelle : eigene Erhebung und FEILMAYR et al, 2000, 81 ff. Die reiterbezogenen Bruttoausgaben beliefen sich auf etwa 2.550,- Euro pro Person bzw. auf 2,5 Mio. Euro gesamt (vgl. Tab. 2).

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

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Tab. 2: Bruttoausgaben der Pferdebesitzer des mittleren Wienerwaldes im Jahr 2000

Ausgabenposten Ausgaben je Pferde-besitzer in Euro

Gesamtausgaben in Euro

Pferdekauf 1.025,- 997.325,- Reitbekleidung 276,- 268.550,- Reitunterricht 371,- 360.980,- Speisen, Getränke im Reitbetrieb

29,- 28.220,-

Reiturlaub 145,- 141.090,- Reitturniere 12,- 11.680,- Reitkurse 33,- 32.110,- Reitveranstaltungen 58,- 56.430,- Gaststätten 233,- 226.710,- Sonstige regionale Veranstaltungen

189,- 183.900,-

Geschäfte 182,- 177.090,- Summe 2.553,- 2.484.085,-

Quelle: eigene Erhebung

4.2 Regional wirksame Wertschöpfungseffekte der Pferdehaltung

Summa summarum verausgabten die Pferdebesitzer und –halter des mittleren Wienerwaldes insgesamt 5,7 Mio. Euro im Jahr 2000 für den Pferdesport. Davon gelangten 56 % direkt in die Region. Mit Wertschöpfungsquoten für die unterschiedlichen Ausgabenkategorien lässt sich aus den regional wirksamen Nettoausgaben die regionale Wertschöpfung kalkulieren (vgl. Tab. 3).

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Tab. 3: Regional wirksame Nettowertschöpfung und Wertschöpfungseffekte für einzelne Ausgabenkategorien

Ausgaben-kategorie

Regional wirksame

Nettoausgaben in Euro

Wertschöpfungsquotient in

%

Wertschöpfung in Euro

Beherbergung und Gaststätten

468.800 41 192.210

Einzelhandel 528.800 26 137.490 Futtermittel 332.300 80 265.840 Hufschmied 111.820 50 55.910 Tierarzt 174.420 50 87.210 Einstellgebühren

791.850 50 395.930

Pferdekauf 242.270 * 50 121.140 Einstreu 127.220 80 101.780 Div. landwirtschaftl. Dienstleistungen

325.900 70 228.130

Summe 3.082.080 1.585.640 Quelle: Berechnungen der regionalen Wertschöpfung mit

Wertschöpfungsquoten gem. FEILMAYR et al. 2000, 103f; * eigene Annahme Die Ermittlung von aus Wertschöpfungseffekten resultierenden Arbeitsplätzen in der Region beruht bei FEILMAYR et al. (2000) auf der Annahme, „daß ca. 24.710,- Euro Wertschöpfung einem induzierten Arbeitsplatz entspricht“. Gemäß dieser Vorgehensweise ergäben sich 64 Arbeitsplätze, jedoch nicht nach Sektoren differenziert. Aus diesem Grund wurde für die Erfassung der Beschäftigungseffekte ein differenzierterer Ansatz gewählt (siehe folgendes Kapitel).

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

207

4.3 Regionale Beschäftigungseffekte der Pferdehaltung für einzelne Wirtschaftssektoren

Die Land- und Forstwirtschaft profitiert von der Pferdehaltung durch die Nachfrage nach Pferden, Futter, Einstreu und diversen Dienstleistungen (z.B. Einstellen und Ausmisten der Tiere). 1,1 Mio. Euro flossen im Jahr 2000 der regionalen Landwirtschaft als Nettoausgaben der Pferdehalter und -besitzer direkt zu. Um die davon abhängige Anzahl der Arbeitsplätze ableiten zu können, wurden als Basis die Buchführungsergebnisse aus der österreichischen Landwirtschaft im Jahr 2000 (LBG, 2001) herangezogen. Anhand dieser Daten berechnete sich, dass ein Betrieb Umsätze aus Land- und Forstwirtschaft in der Höhe von etwa 24.550,- Euro für die Beschäftigung einer Vollarbeitskraft bzw. 21.965,- Euro für eine Familienarbeitskraft erwirtschaften muss. Daraus resultiert eine Anzahl von 45 Voll- bzw. 51 Familienarbeitskräften oder 27 Betrieben, die unmittelbar von der Nachfrage der Pferdehaltung leben können. Dies entspricht etwa 9 % der Gesamtanzahl an land- und forstwirtschaftlichen Arbeitsplätzen im mittleren Wienerwald. Die regionalen Ausgaben- und Beschäftigungseffekte der Pferdehaltung auf Industrie und produzierendes Gewerbe konnten, wie bereits erwähnt, nicht errechnet werden. Jedoch wären insbesondere für den Hoch- und Tiefbau durch den Bau von Stallungen und Reitanlagen weitreichende Ausgaben- und Beschäftigungseffekte zu erwarten. Im Dienstleistungssektor profitieren vor allem der Einzelhandel und das Gaststätten- und Beherbergungswesen von den Reitern. Aus den durchschnittlichen Umsatzerlösen zum Erhalt eines Arbeitsplatzes, basierend auf der Leistungs- und Strukturerhebung für Produktion und Dienstleistungen 1999 der Statistik Austria ergaben sich 4 Arbeitsplätze im Einzelhandel und 11 im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Zusätzlich können noch die Arbeitsplätze von 1-2 hauptberuflichen Hufschmieden und 3-4 Tierärzten im mittleren Wienerwald gesichert werden. In Summe errechnen sich etwa 68 von den direkten Nettoausgaben der Pferdebesitzer und –halter abhängige Arbeitsplätze. Da Multiplikatoreffekte, betriebsbezogene Ausgaben (Bauwirtschaft,

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Neuwirth und Penker

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Versicherungen, Personalaufwendungen) sowie die Ausgaben der Schul- und Mitreiter unberücksichtigt blieben, sind die ermittelten Werte als Mindestwerte zu verstehen.

4.4 Weitere regionale Effekte der Pferdehaltung im mittleren Wienerwald

Die Pferdehaltung wirkt sich nicht nur in ökonomischer Weise auf den mittleren Wienerwald aus, sondern auch durch ihren Flächenbedarf für die Produktion von Futter und Einstreu sowie durch die Beweidung mit Pferden. Erst durch die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen kann die „typische“ Kulturlandschaft des mittleren Wienerwaldes entstehen. Diese landschaftserhaltenden Effekte der Pferdehaltung für Tourismus, Naherholung und Naturschutz sind monetär kaum abschätzbar. Der Flächenbedarf zur Nachfragedeckung an Futter übersteigt vor allem bei Hafer und Mais bei weitem die derzeit bewirtschafteten Flächen. Wenn das benötigte Futter ausschließlich aus der Region bezogen würde, wären 16% des gesamten Ackerlandes im mittleren Wienerwald dafür erforderlich. Beim Rauhfutter ergibt sich ein ähnliches Bild: die regionsansässigen Reitpferde benötigen 12% der gesamten Heuernte des Untersuchungsgebietes. Ein negativer Aspekt, der sich aus der Pferdehaltung im mittleren Wienerwald ergibt, ist das zusätzliche Verkehrsaufkommen durch die Autofahrten der Pferdebesitzer zum und vom Reitstall. In Summe ergibt sich eine zusätzliche Verkehrsbelastung von etwa 550 Autofahrten pro Tag, die negative Auswirkungen auf die Umwelt mit sich bringen. Öffentliche Verkehrsmittel sind derzeit in dieser Region keine Alternative, v.a. durch die niedrige Fahrfrequenz. Zusätzlich liegt in der Pferdehaltung ein sozio-kulturelles Potential, das durch etwa 90 Aktivitäten (z.B. Brauchtumsritte, Reitturniere, Jagden) jährlich den regionalen Veranstaltungskalender belebt. Gesteigerte Lebensqualität und Identifikation mit der Heimatregion und andererseits gesteigerter Bekanntheitsgrad der Region für Besucher gehen mit diesen Veranstaltungen einher.

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Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung

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5. Diskussion und Schlussfolgerungen

Diese Studie stellt einen pragmatischen Ansatz dar, der erste quantitative Einschätzungen der regionalökonomischen Effekte zulässt. Für eine exaktere Bestimmung der Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte wäre es notwendig, wesentlich mehr Betriebsleiter und Reiter zu befragen. Dadurch könnten auch die Ausgabenströme in den Bausektor quantifiziert sowie die Ausgaben der Schul- und Mitreiter mit berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen sind die hier ermittelten 1,6 Mio. Euro Wertschöpfung und 68 Arbeitsplätze in der Region als Mindestwerte anzusehen. Die hier ermittelten Ergebnisse sollen als Entscheidungsgrundlage für gemeindeübergreifende Investitionen und als Argumentationshilfen zum Interessenausgleich zwischen Reitern, Pferdehaltern und anderen Nutzergruppen dienen.

Literatur

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CLERMONT, CH. (1997): Regionalwirtschaftliche Effekte von Wissenschaftseinrichtungen: Theorien, Messkonzepte und Ergebnisse für Hamburg. Europäische Hochschulschriften: 5/2.180. Frankfurt a.M. et al.: Europäischer Verlag der Wissenschaften.

FEILMAYR, W.; MANN, A.; WAGNER, G. und STANEK, C. (2000): Wirtschaftsfaktor Pferd in Niederösterreich – Studie im Auftrag von „Pferd im Weinviertel“. Wien: Vet.med. Universität, Techn. Universität.

HACKER, A. (2002): Mündliche Auskunft von DI Andreas Hacker, Regionalmanager „Wien-Umland“, Reg. Entwicklungsverband Industrieviertel, 3/2002.

HIESS, P. und SINGER, H. (1995): Wienerwald – Natur und Kultur, praktische Tips; 30 Wanderungen und Spaziergänge. Köln: DuMont.

HOLZNER, W. (1996): Der Wienerwald braucht Wiesen. Ländlicher Raum, 1996, Nr. 1, S. 19-22.

LBG Wirtschaftstreuhand (2001): Die Buchführungsergebnisse aus der österreichischen Landwirtschaft im Jahr 2000 – Betriebswirtschaftlicher Bericht an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Wien.

MAIER, G. und TÖDTLING, F. (1996): Regional- und Stadtökonomik – 2 Regional-entwicklung und Regionalpolitik. Wien, New York: Springer.

NEUWIRTH, J. (2002): Regionalökonomische Effekte der Pferdehaltung im mittleren Wienerwald. Dipl.-Arbeit an der Universität für Bodenkultur Wien.

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Neuwirth und Penker

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NÖ LANDESREGIERUNG (2000): Statistiken über Niederösterreichs Gemeinden. http://www.noel.gv.at/RegionalesGemeinden/RegionalesGemeinden.htm, 2/2000.

ÖKL (1997): Heubörse im Wienerwald. Eine Projektbeschreibung. http://www.oekl.at/projekte/heu_noe.htm, 7/2002.

ÖSTAT – Österreichisches Statistisches Zentralamt (1994): Arbeitsstättenzählung 1991 Hauptergebnisse Niederösterreich. Beiträge zur Österreichischen Statistik Heft 1.050/3. Wien.

ÖSTAT – Österreichisches Statistisches Zentralamt (1999): Input-Output-Tabelle 1990 nach NACE/CPA, Input-Output-Statistik Vorberichte Heft 12. Wien.

SCHÄTZL, L. (2000): Wirtschaftsgeographie – 2 Empirie. 3. Auflage, Paderborn et al.: Verlag Ferdinand Schöningh.

STATISTIK AUSTRIA (2001): Laufende Ergebnisse der Viehzählungen auf Gemeindebasis. Auswertungen der Statistik Austria.

STATISTIK AUSTRIA (2001): Leistungs- und Strukturerhebung für Produktion und Dienstleistungen 1999. Auswertungen der Statistik Austria.

Anschrift der Verfasserinnen

DI Julia Neuwirth und Dr. Marianne Penker

Institut für Agrarökonomik

Peter Jordan-Str. 82

1190 Wien Tel: 01 47654 - 3556; - 35 80

e-Mail: [email protected], [email protected]

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Die Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unter-

nehmen in der tschechisch-österreichischen

Grenzregion vor dem EU-Beitritt The Cooperation of SMEs in the Czech-Austrian Boarderregion before the EU-Accession

Dagmar BEDNAROVA

Zusammenfassung

In den „Westgrenzregionen“ ehemaliger mitteleuropäische Ostblockländer und in deren heutiger EU-Nachbarschaft hat es bis 1990 jahrzehntelange sozialwirtschaftliche Stagnation und entwicklungspolitische Aushungerung gegeben. Seit dem politischen Umsturz sind nun viele dieser Regionen im Aufbruch begriffen, der durch nationale und internationale Förderprogramme unterstützt wird. Dennoch ist insbesondere bei den Unternehmen noch große Zurückhaltung spürbar, wenn es um die Wahrnehmung neuer Zukunftschancen geht, die Mut zu Investitionen und vor allem auch zu grenzüberschreitenden Aktionen erfordern würden. Der Beitrag erörtert die in diesem Zusammenhang bestehenden (neuen) Rahmenbedingungen, stellt die erforderlichen Voraussetzungen für eine fruchtbare internationale Kooperation vor und listet die Möglichkeiten für eine gemeinsame Ausnutzung von transnational einsetzbaren Förderinstrumenten für kleine und mittlere Betriebe auf. Schlagworte: Grenzgebiete, Tschechische Republik, Österreich, Grenzüberschreitende Kooperation, Klein- und Mittelbetriebe

Summary

Before 1990 in „Western border regions“ of former Comecon states and their vicinity (actually part of the European Union) socio-economic stagnation and starvation in terms of regional policy existed. Since the political change many of these regions are undergoing considerable

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changes supported by national and international programmes. But especially enterprises until now exercise restraints in adopting new chances are not sufficiently incouraged to invest and not enough inter-ested in cross-border co-operation. The author reviews the actual po-litical framework for borderland development, explains the pre-requisites for fruitful co-operation and lists possibilities for joint use of regional support instruments for small and medium enterprises. Keywords: Borderlands, Czech Republik, Austria, Cross-border Co-operation, Small and Medium Enterprises.

1. Problemstellung

Für tschechisch-österreichische Grenzregionen ist ein Übergewicht an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) charakteristisch (DVORAK, 2002). Die technologische Ausstattung bietet in den meisten Fällen nur wenig Möglichkeiten für die weitere Entwicklung bzw. auch für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Es ist nötig, diesen Betrieben bei ihren Bemühungen jene Unterstützung zu bieten, die sie brauchen, um alle Gelegenheiten zur Überwindung der Probleme, die mit der Grenzeröffnung verbunden sind, zu ergreifen(Österreichisches Institut für Gewerbe-und Handelsforschung, 2001). Neben der Restrukturierung der Betriebe ist dazu insbesondere nötig, die Entwicklung moderner Kommunikationsformen zu fördern und auch die Entstehung tragfähiger Formen – Netzwerke – der Zusammenarbeit und allenfalls auch der organisatorischen Zusammenbindung von Unternehmen (BEDNÁROVÁ, LESTINA, 2001).

2. Material und Methode

Der vorliegende Beitrag ist auf die Regionen Mühlviertel und Südböhmischer Bezirk, in der Tschechischen Republik also hauptsächlich auf die Kreise České Budějovice, Český Krumlov und Prachatice, die direkt an die Region Mühlviertel grenzen, bezogen. Das Ausgangsmaterial für die Bearbeitung der Fragestellung bilden Analysen der ökonomischen, sozial- und kulturellen Lage zu den beiden Seiten der Grenze. Es wurden auch einige Erfahrungen

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Zusammenarbeit in der tschechisch-österreichischen Grenzregion

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miteinbezogen, die in Rahmen der Zusammenarbeit der Wirtschaftskammern und anderer für diese Fragen zuständiger Institutionen in den beiden Regionen gewonnen wurden.

3. Institutionelle Grundlagen für die Zusammenarbeit

3.1 Schaffung allgemein günstiger Bedingungen

Die Grenzen, die in Europa in den letzten drei Jahrhunderten entstanden sind, trennen sehr oft Regionen und die ethnische Gruppen voneinander, die der historischen Entwicklung nach eigentlich zusammengehören. Es geht also um unnatürliche Grenzen, die im letzten halben Jahrhundert mit der Angst vor einer gegenseitigen Militärintervention belastet waren. Diese regionale Wirklichkeit hat zur Herausbildung vieler schwach besiedelter Grenzgebiete geführt. Politische Ideologien und Anstrengungen von Mitgliedstaaten des „östlichen“ Militärblocks haben dazu geführt, dass lange Abschnitte dieser Staatgrenzen nach dem Jahre 1945 in „undurchlässige Grenzen“ mit einem sogenannten „Eisernen Vorhang“ umgewandelt wurden. Die unterschiedliche Politik auf beiden Seiten der Grenze, vor allem im Bereich der Rechtssysteme, der Wirtschaft, der Kultur und Sozialangelegenheiten hat die Änderung der Staatgrenze zu einer wirklichen und nachdrücklich spürbaren Barriere zwischen den Staaten unterstützt. Auch die Einwohner der Grenzgebiete, die selber am stärksten mit den Folgen der historischen Konflikte konfrontiert waren, haben untereinander gegenseitiges Mißtrauen und Angst aufgebaut. Diese Verhältnisse haben vor allem auch die Bereitschaft der Leute zur Zusammenarbeit negativ beeinflusst und machten auch die Knüpfung von Kontakten oft unendlich schwer. Die Integration Europas braucht nun – nach der Festigung der neuen geopolitischen Situation in Europa – ganz besonders eine spezielle Politik zu einer besseren Entwicklung der Grenzregionen mit dem Ziel, alle Probleme an diesen Grenzen, die der gemeinsamen europäischen Integration im Wege stehen, zu beseitigen. Gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben gerade die Regionen Oberösterreich und Südböhmen mit einer Zusammenarbeit

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begonnen, die alle Aspekte des Zusammenlebens der Regionen, der Gemeinden und der Menschen ins Auge fasst. Das Ziel ist, alle ökonomischen, sozialen und sonstigen Unterschiede, die zwischen den Regionen bestehen, zu vermindern bzw. nach Möglichkeit zu beseitigen.

3.2 Die Rolle der EUREGIOS

Zur Verfolgung dieses Ziels, Probleme zu bearbeiten und Struktur-unterschiede abzubauen, spielt die Entstehung der sogenannten EUREGIOS eine bedeutende Rolle. Im Jahre 1994 wurde die EUREGIO „Bayerischer Wald-Böhmerwald“ gegründet. Es geht hier um die grenzüberscheitende Entwicklung im Bereich der Städte und Gemeinden in Oberösterreich, Niederbayern und Südböhmen.

Im Mai des Jahres 2002 wurde der Vertrag über die Gründung der EUREGIO „Silva Nordica“ unterschrieben. Diese EUREGIO ist an der Kontaktlinie zwischen Südböhmen und Niederösterreich angesiedelt und zur Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in diesem Raum wichtig.

Zu den Tätigkeiten der EUREGIOS gehören unter anderem: • Unterstützung der grenzüberschreitenden Kontakte und

Kooperationen, • Planung und Realisierung gemeinsamer sozialer und kultureller

Aktionen, • Hilfe bei der Realisierung von grenzübergreifenden Projekten und

Aktivitäten, • gemeinsame grenzübergreifende Planung und Entwicklungspolitik.

3.3 Die Bedeutung des Programms „Phare-CBC“

Für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen in den Grenzgebieten ist das Programm „Phare-CBC“ und im speziellen ganz besonders der „Gemeinsame Fonds für kleine Projekte“ sehr wichtig. Seine Einrichtung im Jahre 1996 trägt bedeutend zur Verstärkerung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei. Er ermöglicht ein relativ flexibiles und schnelles Reagieren auf die lokalen Bedürfnisse in

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Zusammenarbeit in der tschechisch-österreichischen Grenzregion

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diesem Gebiet. In Rahmen dieses Fonds gibt es drei Formen von Projekten:

• „People to people“ – es geht hierbei um Projekte, die eine Verknüpfung der Kontakte unter den Menschen fördern, die kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und Bildungsentwicklung heben und auch die Lebensbedingungen generell verbessern sollen.

• Projekte zur Unterstützung des Fremdenverkehrs – denn der Fremdenverkehr ist außerordentlich wichtig für die Entwicklung der Regionalwirtschaft und damit für die Entstehung von neuen Arbeitsplätzen.

• Kleine infrastrukturelle Projekte – sie sind von größter Wichtigkeit für die Verbesserung der technischen Infrastruktur der Gebiete an der Grenze. Vor allem diese „kleinen Projekte“ schaffen oftmals eine gute Basis für die Durchführung von größeren Vorhaben der grenzübergreifenden Zusammenarbeit.

Dass für diese Projekte entsprechendes Interesse besteht, bezeugt die Beteiligung: Allein im Jahr 2002, dem Jahr der Einrichtung der Projektlinie, wurden bereits zum ersten Aufruf 203 Projekte vorgelegt. Von den eingereichten Vorhaben wurden 69 Projekte angenommen, wovon 45 auf „People to people“ und 13 auf Vorhaben im Fremdenverkehrssektor entfallen. Weitere 11 Einreichungen betreffen Kleine infrastrukturelle Projekte.

Die Entstehung der EUREGIOS und das Programm Phare-CBC unterstützen die kleinen und mittleren Unternehmen nicht direkt, aber sie schaffen gute Bedingungen für die weitere Entwicklung dieser Unternehmen und für die grenzübergreifende Zusammenarbeit unter ihnen. Mit der Unterstützung durch das Programm Phare-CBC wurden z. B. etwa 30 regionale Beratungs- und Informationszentren ausgebaut, die den kleinen und mittleren Betrieben vergünstigte Beratungsdienstleistungen anbieten können.

4. Die Lage der Grenzgebiete unmittelbar vor dem EU-Beitritt

Für die ökonomische Struktur und die Entwicklung der Wirtschaft in den tschechisch-österreichischen Grenzregionen sind die Unterschiede im Lebensstandard charakteristisch. Diese Unterschiede sind einerseits in einer Disparität zwischen den Städten und dem ländlichen Raum

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gegeben, anderseits aber auch im ungleichen Lebensstandard der Bewohner in den nationalen Teilgebieten der tschechisch-österreichischen Grenzregion. Trotz dieser Unterschiede zeigt die ökonomische Struktur aber auch gewisse Gemeinsamkeiten. Zu beiden Seiten der Grenze ist die Wirtschaft in viel stärkerem Maß auf die Landwirtschaft ausgerichtet als in anderen Regionen der beiden Länder. Auch die traditionellen Industriezweige, wie z. B. die Nahrungsmittelindustrie, die Textilindustrie, Produktion und Bearbeitung von Leder, Glasindustrie und Holzindustrie – zusammengefasst unter dem historischen Wirtschaftsbegriff der „Waldgewerbe“ – überwiegen ebenfalls zu beiden Seiten der Grenze. Die Industrie ist in einer kleinen Zahl standortbegünstigter Zentren konzentriert, die aber relativ weit von den Wirtschaftmetropolen beider Länder entfernt sind. Der tertiale Sektor ist – mit Ausnahme der städtischen Gebiete – trotz der beachtlichen Entwicklungsfortschritte der letzten Jahren noch ziemlich schwach entwickelt. Bezüglich der kleinen und mittleren Unternehmen ist es jedoch unabdingbar, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einschliesslich der vielfältigen Dienstleistungen für die regionale Wirtschaft zügig weiterentwickelt wird. Es müssen technologische Netzwerke eingerichtet werden, Innovations- und Industriezentren sind aufzubauen und die Infrastruktur für den ökonomischen Sektor ist zu verbessern, insbesondere auf der tschechischen Seite der Grenzgebiete. Dabei sollen folgende Ziele verfolgt werden: • eine allseitige Kräftigung der Wirtschaftstruktur in den

Grenzgebieten, • die Entwicklung und Stabilisierung von Schlüsselaktivitäten und

Qualifikationen, • die Intensivierung der Kooperation zwischen den Betrieben im

Grenzgebiet und • die Hebung der Konkurrenzfähigkeit der entwicklungsfähigen

Betriebe.

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Zusammenarbeit in der tschechisch-österreichischen Grenzregion

217

4.1 Institutionen und ihre Tätigkeit zur Unterstützung der KMU

Zur Unterstützung aller dieser Aktivitäten, die die Verbesserung der Wirtschaftstruktur der Grenzregionen und speziell die Verbesserung der Lage der KMU zum Ziele haben, wurde das Entwicklungsprojekt „Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen“ für die Südböhmische Region ausgearbeitet, das in fünf Subprojekte unterteilt ist. Der Hauptträger dieses Projektes ist das Kreisamt in Zusammenarbeit mit der Südböhmischen Wirtschaftskammer, der Südböhmischen Universität und weiteren Institutionen, zu denen auch die Tschechisch-Mährische Garantie- und Entwicklungsbank gehört, die sich hauptsächlich an der Realisierung von Projekten zur Förderung von Klein- und Mittelbetrieben beteiligt. In Rahmen der Projekte und Subprojekte, die von „Projektteams“ durchgeführt werden, wird auch die Möglichkeit der grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit den Grenzregionen Oberösterreichs, Niederösterreichs und Bayerns angestrebt. In den Projektteams arbeiten Fachleute und Vertreter der Südböhmischen Wirtschaftskammer, des Kreisamtes, der Südböhmischen Universität und anderen Institutionen zusammen. Eine sehr wichtige Rolle in Rahmen der Unterstützung der KMU spielt die Südböhmische Wirtschaftskammer. Ihre Haupttätigkeit ist die Unterstützung der Entwicklung des Umfeldes der Unternehmen sowie die Durchsetzung der spezifischen Interessen der Unternehmer. Sie sammelt alle Informationen für die Unternehmer. Sie schafft gute Bedingungen für die Kontaktnahme der Betriebe untereinander und ist zugleich auch Berater für die KMU, und offeriert ihre verschiedenen Dienstleistungen (Kontaktförderung, Datenermittlung, Schulungen etc.) speziell für Unternehmen bis 250 Beschäftigte zu begünstigten Konditionen. Von besonderer Bedeutung ist die Zusammenarbeit der Südböhmischen Wirtschaftskammer mit den Wirtschaftskammern in Österreich und Deutschland. So organisieren diese Institutionen gemeinsame Workshops und Seminare, bei denen die Möglichkeiten der betrieblichen Zusammenarbeit besprochen werden kann. Sehr eng arbeitet die Wirtschaftskammer auch mit der Südböhmischen

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Regionalentwicklungsagentur (RERA) sowie mit der Tschechisch-Mährischen Garantie- und Entwicklungsbank (ČMZRB) zusammen. Die Tschechisch-Mährische Garantie- und Entwicklungsbank ist bei der Realisierung von fast allen Programmen, die von der Regierung der Tschechischen Republik genehmigt wurden, beteiligt. Dabei geht es in erster Linie um Programme mit Gültigkeit für ganze Republik, wie z. B. ZÁRUKA, KREDIT, TRH, START, SPECIAL usw. Dazu kommen noch weitere, wie etwa die regionalen Entwicklungsprogramme für ausgewählte Regionen, darunter z. B. REGION, VESNICE oder POHRANIČÍ. Die Tschechisch-Mährische Garantie- und Entwicklungsbank hat seit Anfang des Jahres 2002 auch in Budweis eine Vertretung. Aus der nachstehenden Tabelle kann man ersehen, daß die Summe der Unterstützungen im Jahr 2002 um einiges niedriger war als im Jahr zuvor, doch ist die Anzahl der gewährten Unterstützungen gestiegen. Tab. 1: Ausnützung der Programme zur Unterstützung der KMU, die von der

Tschechisch-Mährischen Garantie- und Entwicklungsbank GmbH gewährt werden

Aktivitäten der ČMZRB, a.s.

1. Halbjahr 2001 1. Halbjahr 2001

Anzahl der Unterstützungen

38 49

Umfang (in 1000 CZK)

84.747 77.163

davon für „Kredit“ 16.700 5.200 „Regenerace“ 520 602 „Region“ 2.470 2.738 „Start“ 0 950 „Trh“ (Markt) 4.053 8.436 „Vesnice“ (Dorf) 4.732 7.167

„Záruka“ und „Regiozáruka“ (Garantie)

56.272

52.070

Quelle: REGIONALABTEILUNG ČB, ČMZRB,A.S., 2002

Alle diese Programme helfen den Unternehmern hauptsächlich dabei, mit ihren wirtschaftlichen Vorhaben und Aktivitäten beginnen zu

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Zusammenarbeit in der tschechisch-österreichischen Grenzregion

219

können, aber auch dabei, die unternehmerischen Strukturen zu modernisieren, die Firmen mit Innovationen zu beleben oder mit neuen oder zusätzlichen wirtschaftlichen Zielen zu verbreitern.

5. Diskussion und Schlussfolgerungen

Zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter den KMU in Grenzregionen ist vor allem wichtig, von einem breiteren Entwicklungs- und Förderstandpunkt auszugehen und so insbesondere jenen Problemen vorzubeugen, die aufgrund ungenügender Informationen, wegen fehlender Sprachkenntnisse oder aufgrund eines Mangels an gerade in diesen Gebieten dringend benötigter Erfahrung entstehen können. Die Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit sind:

• Kommunikationsbereitschaft und umfassende gegenseitige Information,

• entsprechende Ausbildung aller Partnern und die Möglichkeit weiterer Ausbildung,

• Intensivierung der Zusammenarbeit unter der Institutionen, • Schaffung eines Angebots an Ausbildungskursen, die auf die

Qualifikation potentieller Unternehmer und die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Umsetzung abzielen,

• Schaffung günstiger Bedingungen für die Entwicklung und Entstehung neuer Betriebe.

Die Analyse der gegebenen Situation zeigt folgende Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Rahmen der KMU-Förderungen:

• mehr Beratung für kleine und mittlere Unternehmen, • bessere Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Marketings und der

Werbung, • Schaffung von Kooperationsnetzwerken der Betriebe untereinander

mit dem Ziel der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, • Abstimmung von Normen- und Rechtsystemen, ohne die eine

weitere Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von KMU illusorisch wäre, sowie schließlich

• verstärkte Zusammenarbeit in Rahmen der Programme Phare-CBC und INTERREG.

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Bednářová

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Literatur

BEDNÁŘOVÁ, D. und J. LEŠTINA (2001): Přeshraniční spolupráce – příležitost pro rozvoj regionů, JU v Českých Budějovicích. 39 S. ISBN 80-7040-528-7.

DVOŘÁK, M.: Příhraniční spolupráce vybraných regionů. Diplomová práce, 2002. 81 S.

ÖSTERREICHISCHES INSTITUT FÜR GEWERBE-UND HANDELSFORSCHUNG (2001): Untersuchung der branchen- und regionalbezogenen Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die oberösterreichische Wirtschaft, 183 S.

VEDENÍ JIHOČESKÉHO KRAJE und RERA (2000): Program zozvoje územního obvodu Jihočeského kraje.

WIRTSCHAFTSKAMMER LINZ (2001): Interní materiály. EUREGIO FREISTADT (2001): Interní materiály.

REGIONALABTEILUNG ČB, ČMZRB,A.S. 2002

Anschrift der Verfasserin

Dipl.-Ing. Dagmar Bednářová, CSc.

Jihočeská univerzita v Českých Budějovicích

Zemědělská fakulta

(Südböhmische Universität, Landwirtschaftliche Fakultät)

CZ-370 05 České Budějovice, Studentská 13

Tel.: +420 387 772 490 eMail: [email protected]

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf in der

österreichischen Landwirtschaft Standardised working time requirement of the Austrian agriculture

Markus STADLER, Martin GREIMEL, Franz HANDLER und Emil BLUMAUER

Zusammenfassung

Das Ziel dieser Arbeitszeitstudie war die Entwicklung eines Modells zur Errechnung des standardisierten Arbeitszeitbedarfes1 landwirt-schaftlicher Betriebe und die Ermittlung des Arbeitszeitbedarfes für die österreichische Landwirtschaft. Grundlage der Berechnungen waren die Invekos-Daten des Jahres 2001, der Berghöfekataster 2000/2001, sowie die auf Standardarbeitsverfahren und Standardmechanisierun-gen beruhenden Standardarbeitszeiten. Auf Grund fehlender Stan-dardarbeitszeiten konnten die Bereiche Obst-, Wein- und Gemüsebau, Forst sowie Restarbeitszeit nicht berücksichtigt werden. Der standardisierte Arbeitszeitbedarf für die österreichische Landwirt-schaft beträgt rund 200 Mio. Arbeitskraftstunden, wovon ¾ auf die Innenwirtschaft inkl. Weidewirtschaft und ¼ auf die Außenwirtschaft entfallen. Schlagworte: Arbeitszeitbedarf, Standardarbeitsverfahren, Standard-mechanisierung

Summary

The aim of the project was the development of a model for calculating the farm specific standardised working time requirement of the Aus-trian agriculture. Farm size and animal data were given by Invekos, data of the slope inclination of the fields were given by the Austrian

1 Begriff aus der Arbeitswissenschaft, der mit Soll-Zeit gleichbedeutend ist. Unter

Arbeitsaufwand versteht man die tatsächlich verbrauchte Menge an Arbeit für eine bestimmte Aufgabe (vgl. AUERNHAMMER, 1986).

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Stadler, Greimel, Handler und Blumauer

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„Berghöfekataster”. Standard working procedures, standard mechani-sation and buildings for all relevant Austrian farm types and sizes were modelled. Standard work load did not include labour for vine, fruit and vegetable growing, working hours for forest work and addi-tionally working hours. Almost 200 million standard working hours per year are spent in the Austrian agriculture within the branches considered. More than three quarter of the working hours fall to indoor operations including graz-ing management and only one quarter falls on the outdoor labour. Keywords: working time requirement, standard working procedures, standard mechanisation.

1. Einleitung

Im Jahr 1998 übermittelte die §7 Kommission eine Empfehlung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft betreffend Erfassung und Darstellung des Arbeitseinsatzes in der Land- und Forstwirtschaft. Daraufhin wurde vom Bundesministerium eine Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitern der Bundesanstalt für Landtechnik Wieselburg, Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft Gumpenstein, Bundesanstalt für Agrarwirtschaft, des BMLFUW, sowie je nach Notwendigkeit einberufenen Fachexperten eingesetzt. Ziel dieser Grundlagenstudie war es, ein Modell zur Errechnung des standardisierten Arbeitszeitbedarfes landwirtschaftlicher Betriebe und für die österreichische Landwirtschaft zu entwickeln. Die nun vorliegende Studie zeigt erstmals eine Berechnung des Arbeitszeitbedarfes für die österreichische Landwirtschaft auf Grund der Standardarbeitszeiten von GREIMEL, HANDLER und BLUMAUER (2002) sowie einzelbetrieblicher Daten der Invekos-Erhebung des Jahres 2001 (BMLFUW, 2001a) und des Berghöfekatasters (BMLFUW, 2001b).

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf

223

2. Methode

2.1 Arbeitszeitbedarf

Die in der Landwirtschaft anfallenden Arbeiten können nach dem in Abbildung 1 dargestelltem Schema zusammengefasst werden.

FeldarbeitFeldarbeit TierhaltungTierhaltung

ng

un

gD

ün

gu

ng

•Betriebsleitung•Weiterbildung

•Allg. Hofarbeiten•Wartung u. Rep.

von Gebäuden, Wegen,

Maschinen •Transporte vom

und zum Hof•Überstellungs-

fahrten

Restarbeit•Betriebsleitung•Weiterbildung

•Allg. Hofarbeiten•Wartung u. Rep.

von Gebäuden, Wegen,

Maschinen •Transporte vom

und zum Hof•Überstellungs-

fahrten

Restarbeit

Wertve

rmeh

ren

de

Arb

eiten

Um- und Neubauten sowie wertvermehrendeReparaturen bei Gebäuden, Wegen,Maschinen und Meliorationen

Wertve

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Arb

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Um- und Neubauten sowie wertvermehrendeReparaturen bei Gebäuden, Wegen,Maschinen und Meliorationen

ZusätzlicheArbeiten

Arbeiten für DritteDirektvermarktung

FremdenverkehrAltenbetreuung

WaldÖffentliches Amt

Haushalt

ZusätzlicheArbeiten

Arbeiten für DritteDirektvermarktung

FremdenverkehrAltenbetreuung

WaldÖffentliches Amt

Haushalt

Abb. 1: Gliederung der anfallenden Arbeit in der Landwirtschaft Für die Bereiche Feldarbeit, Düngung und Tierhaltung wurden Standardverfahren mit einer entsprechenden Standardmechanisierung festgelegt. Den Standardverfahren wurden für jeden einzelnen Arbeitsschritt entsprechende Arbeitszeiten zugeordnet. Durch Aufsummierung der Arbeitszeiten der einzelnen Arbeitsschritte wurden dann die Standardarbeitszeiten je ha und Jahr bzw. Standardarbeitszeiten je Standplatz und Jahr berechnet. Diese Standardarbeitszeiten können zur Ermittlung des Standardarbeitszeitbedarfes je Betrieb und schlussendlich für den Standardarbeitszeitbedarf der österreichischen Landwirtschaft herangezogen werden. Bei der Festlegung der Standardverfahren und Standardmechanisierungen mussten häufig Kompromisse eingegangen werden. Diese waren notwendig, da für österreichische Verhältnisse keine entsprechenden Arbeitszeitdaten vorhanden waren. Für den sehr arbeitsintensiven Obst-, Wein- und Gemüsebau, sowie für verschiedene

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Stadler, Greimel, Handler und Blumauer

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Sonderkulturen fehlen Standardarbeitszeiten. Auch die Standardarbeitszeiten für Schafe, Ziegen, Einhufer und dem Biolandbau müssen in weiteren Projekten genauer, speziell für österreichische Verhältnisse erhoben werden. Die für die Bereiche Feldarbeit, Düngung und Tierhaltung erhobenen Standardarbeitszeiten wurden auf 25 Modellbetrieben mittels Arbeitszeiterhebungen über 1 Jahr überprüft. Abbildung 2 zeigt für 25 Modellbetriebe den Zusammenhang zwischen erhobenem Arbeitszeitaufwand und Standardarbeitszeitbedarf. Die Arbeitszeiten für die Bereiche Feldarbeit, Tierhaltung, Düngung und Restarbeitszeit wurden zur Gesamtarbeitszeit zusammengefasst. Die Bereiche wertvermehrende Arbeiten und zusätzliche Arbeiten wurden bei den Modellbetrieben nicht berücksichtigt.

22

10

23 7

3

1519

8

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6

9

25

12

1

21

4

14

5

11

20

13

18

2

17 16

y = 0,75x + 567,52

R2 = 0,73

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000

Arbeitszeitaufwand Erhebung [APh]

Arb

eit

sze

itb

ed

arf

Sta

nd

ard

[A

Kh

]

Abb. 2: Vergleich der Gesamtarbeitszeit aus der Erhebung und den Standard-

verfahren Quelle: Eigene Berechnungen

2.2 Standardverfahren und Standardmechanisierung in der Außenwirtschaft

In der Grünlandwirtschaft wurden die Standardverfahren nach den Hangneigungen differenziert, da die Mechanisierung stark von der Hangneigungsstufe abhängig ist. Entsprechend des Berghöfekatasters

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf

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wurde daher in Verfahren für Flächen bis 24,9 %, 25 bis 34,9 %, 35 bis 49,9 % und für Flächen ab 50 % Hangneigung unterschieden. Zusätzlich wurden die Standardverfahren nach der Betriebsgröße (Mähfläche je Betrieb), Schnittfrequenz und dem Konservierungsverfahren differenziert. Die Standardmechanisierung für die festgelegten Größenklassen entspricht nicht der österreichischen einzelbetrieblichen Durchschnittsmechanisierung, sondern berücksichtigt im verstärkten Ausmaß die von den Maschinenringen eingesetzten Maschinen. Für den Ackerbau wurden eigene Standardverfahren und -mechanisierungen für die in Österreich am häufigsten angebauten Getreide-, Öl-, Hack- und Zwischenfrüchte sowie für Feldfutter und Körnerleguminosen definiert. Auch im Ackerbau erfolgte eine Abstufung nach der Betriebsgröße und den Hangneigungsstufen. Die Ausbringung von Mineral- und Wirtschaftsdüngern wurde als eigener Bereich ausgewertet. Der Arbeitszeitbedarf für die Mineraldüngerausbringung wurde nur bei konventionellen Betrieben berücksichtigt und entsprechend des GVE-Besatzes reduziert.

2.3 Standardverfahren und Standardmechanisierung in der Innenwirtschaft

In der Innenwirtschaft wurde auf eine Differenzierung in Berg- und Talbetriebe verzichtet und stattdessen bei den kleineren Betriebsgrößen verstärkt auf die Verhältnisse von Bergbetrieben eingegangen. Auch der Arbeitszeitbedarf für den Weidebetrieb wurde der Innenwirtschaft zugerechnet. In der Rinderwirtschaft wurde zwischen den Betriebszweigen Milchviehhaltung, Kälberaufzucht, Kalbinnenaufzucht, Mutterkuhhaltung, extensive Ochsen- und Kalbinnenmast und intensive Stiermast unterschieden. In ähnlicher Weise wurden auch Standardverfahren für die Schweinemast und -zucht, die Geflügelmast und Legehennenhaltung, die Milchschaf und –ziegenhaltung, die Fleischschaf und –ziegenhaltung und die von Einhufernhaltung festgelegt. Bei jenen Tierhaltungsformen, bei denen die Tiere nicht das ganze Jahr über im Betrieb gehalten werden (unterjährige Verfahren, z. B.

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Stadler, Greimel, Handler und Blumauer

226

Mastgeflügel, Mastschweine, Kälber), geht aus den Invekos Daten nicht immer eindeutig hervor, ob es sich um Stichtags- oder Jahresdurchschnittsbestände handelt. In der vorliegenden Berechnung wurde unterstellt, dass die im Mehrfachantrag und in den Tierlisten angegebenen Daten einem Jahresdurchschnittsbestand entsprechen. Gibt ein Betrieb also in der Tierliste einen Bestand von 6 Mastschweinen an, so wird in der Berechnung der Standardarbeitszeit unterstellt, dass dieser Betrieb das ganze Jahr hindurch 6 Standplätze mit Mastschweinen besetzt hat. Der mittlere Arbeitszeitbedarf/ha und der Arbeitszeitbedarf/Stand-platz wurden als arithmetisches und nicht als gewogenes Mittel berechnet.

3. Standardisierter Arbeitszeitbedarf in der österreichischen Landwirtschaft

Auf Basis des Datenbestandes aus dem Invekos 2001 wurde für 156.167 Betriebe, davon 119.413 tierhaltend, der Arbeitszeitbedarf mit Hilfe von Standardarbeitszeiten ermittelt. Die Anzahl der Standplätze in der Tierhaltung ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Aus den Mehrfachanträgen geht ebenfalls hervor, dass auf 129.780 Betrieben in Summe 793.185 ha Dauergrünland und 137.184 ha Ackergrünland genutzt werden. Des weiteren werden auf 107.961 Betrieben 1.357.394 ha Ackerflächen bewirtschaftet. Nicht in der Arbeitszeitbedarfsrechnung berücksichtigt wurden sämtliche ausgewiesenen Wein-, Obst-, Gemüse-, Zierpflanzen-, und Forstflächen. Bei den Tierbeständen fehlt der Arbeitszeitbedarf für im Mehrfachantrag angegebene Kaninchen, Wildtiere, Lamas und Strauße. Ebenfalls unberücksichtigt blieb der betriebsindividuell sehr stark schwankende Arbeitszeitbedarf für die Restarbeit.

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf

227

Tab. 1: Standplätze in der Tierhaltung Tierart Standplätze

Rinder 2.141.009

Schweine 1.907.833

Schafe 225.422

Ziegen 37.303

Einhufer 58.919

Geflügel 10.487.904

Quelle: BMLFUW, 2001a In der österreichischen Landwirtschaft liegt der jährliche Arbeitszeitbedarf (siehe Tabelle 2) bei ca. 200 Millionen Arbeitskraftstunden (AKh). Bei einer, lt. Statistik Austria für die Landwirtschaft unterstellten durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 2.160 AKh, entspricht dies einer fiktiven Vollbeschäftigung von ca. 93.000 Personen allein in den für diese Berechnung berücksichtigten Betriebszweigen. Laut Grünem Bericht betrug im Jahr 2001 die Anzahl der familieneigenen und familienfremden Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft 183.078 (BMLFUW, 2002). Mehr als ¾ der Arbeitzeit entfällt auf die Innenwirtschaft. Da in der Praxis, die in dieser Studie verwendeten Standards der Innenwirtschaft häufig nicht erreicht werden, die Standards der Außenwirtschaft jedoch schon, dürfte der Anteil der in der Innenwirtschaft anfallenden Arbeitszeit im Vergleich zur Außenwirtschaft noch größer sein als hier berechnet. Investitionen in die Verbesserung der Innenwirtschaft würden sich daher viel stärker auf die Verringerung der Arbeitszeit, besonders von Nebenerwerbsbetrieben auswirken als Investitionen in die Außenwirtschaft. Trotzdem wurden im Jahr 2000 mehr als 45 % des gesamten Investitionsvolumens der Land- und Forstwirtschaft in den Kauf von Maschinen- und Geräten für die Außenwirtschaft verwendet (BMLFUW, 2002).

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Tab. 2: Österreichweiter Standardarbeitszeitbedarf pro Jahr (ohne Restarbeiten) und fiktive Anzahl an Arbeitskräften

Arbeitsbereich Arbeitszeitbedarf

(ohne Restarbeit)

fiktive

Arbeitskr

äfte

[AKh/Jahr] [%] [AKh/ha] [Anzahl]

Außenwirtschaft 47.478.980 24 21.981

Acker- u. Dauergrünland (ohne

Weidewirtschaft) 22.231.754 11 23,9 10.293

Ackerbau inkl. Strohbergung 20.601.886 10 15,2 9.538

Düngung (mineralische und

organische) 4.645.340 2 2.151

Innenwirtschaft inkl.

Weidewirtschaft 153.238.182 76

[AKh/

Standplatz] 70.944

Rinder inkl. Weidewirtschaft 122.303.162 61 57,1 56.622

Schweine 15.281.476 8 8,0 7.075

Schafe inkl. Weidewirtschaft 3.920.344 2 17,4 1.815

Ziegen inkl. Weidewirtschaft 953.530 0 25,6 441

Einhufer 6.807.890 3 115,5 3.152

Geflügel 3.971.780 2 0,38 1.839

Gesamt 200.717.162 100 92.925

Quelle: Eigene Berechnungen

3.1 Außenwirtschaft

Ohne die Weidewirtschaft, deren Standardarbeitszeitbedarf in der Betreuung der Wiederkäuer (siehe Innenwirtschaft) berücksichtigt wurde und ohne die Düngungsarbeit (extra ausgewiesen), verursacht das Grünland mit etwas mehr als 22 Millionen AKh den höchsten Arbeitszeitbedarf in der Außenwirtschaft. Im Mittel beträgt der Arbeitszeitbedarf bei durchschnittlicher Betriebsgröße 23,9 AKh/ha und Jahr. Dieser schwankt jedoch von 6,8 AKh für einmähdige, ebene Flächen bzw. 21,5 AKh für mehrmähdige, ebene Flächen bis zu 60,7 AKh für mehrmähdige Grünlandflächen in Hanglagen mit mehr als 50 % Hangneigung. Die den Berechnungen unterstellte Standardmechanisierung ist auf Grund der Kleinstrukturiertheit der österreichischen Grünlandbetriebe nicht sehr schlagkräftig. Durch die

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf

229

überbetriebliche Nutzung von schlagkräftigen Maschinen und arbeitszeitsparenden Konservierungsverfahren könnte der durchschnittliche Arbeitszeitbedarf für ebene Mähflächen auf etwa die Hälfte reduziert werden. Eine Verbesserung der Mechanisierung für steile Mähflächen verringert hingegen den Arbeitszeitbedarf nur um ca. ein Viertel, da bei Hangneigungen über 50 % der technisch mögliche Maschineneinsatz beschränkt ist. Wollen Betriebe mit einem großen Anteil an Steilflächen ihren Arbeitszeitbedarf in der Außenwirtschaft verringern, so steht ihnen nur die Verminderung der Schnitthäufigkeit bis hin zur Aufgabe der Steilmahd als Maßnahme zur Arbeitseinsparung zur Verfügung. Die Mähfläche von Nebenerwerbsbetrieben ist meist viel kleiner als jene der Haupterwerbsbetriebe und daher ist der Arbeitszeitbedarf je ha um mehr als 2 AKh höher. Die Bewirtschaftung mittels gut mechanisierter Maschinenringe lohnt sich daher für Nebenerwerbsbetriebe besonders. Für den österreichischen Ackerbau wurde ein Arbeitszeitbedarf (ohne Restarbeiten) von insgesamt 20,6 Millionen AKh/Jahr ermittelt. Im Durchschnitt benötigt der Landwirt bei mittlerer Betriebsgröße 15,2 AKh/ha und Jahr für die Bewirtschaftung eines Hektars Ackerlandes. Auch diese Durchschnittsarbeitszeit schwankt in Abhängigkeit von der angebauten Ackerfrucht und der jeweiligen mittleren Anbaufläche zwischen 11,0 (Winterweichweizen) und 96,0 AKh/ha und Jahr (Futterrüben). Durch Einsatz von schlagkräftigeren - als in der Standardmechanisierung unterstellten – überbetrieblich genutzten Maschinen, sowie arbeitsextensiveren Arbeitsverfahren (z. B. Kombisaat, Minimalbodenbearbeitung) lässt sich der Feldarbeitszeitbe-darf des Durchschnittsbetriebes im Ackerbau um ca. 60 % reduzieren. Insgesamt nimmt die Düngerausbringung beinahe 10 % der Arbeitszeit in der Außenwirtschaft in Anspruch, wobei der überwiegende Teil (mehr als 77 %) auf die arbeitsintensive Ausbringung der auf den Betrieben anfallenden 25,5 Millionen m³ Gülle bzw. Jauche und 2,4 Millionen Tonnen Mist entfällt. Die erforderliche Arbeitszeit für die Mineraldüngerausbringung ist verhältnismäßig gering.

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Stadler, Greimel, Handler und Blumauer

230

3.2 Innenwirtschaft

Knapp 80 % der Arbeit in der Innenwirtschaft entfällt auf die Rinderhaltung und die damit verbundene Weidewirtschaft (die Ausbringung des im Stall anfallenden Mistes und der Gülle bzw. Jauche auf die Felder wurde als eigener Bereich ausgewertet). Der durchschnittliche rinderhaltende Betrieb wendet 57,1 AKh/Rinderstandplatz und Jahr für die Betreuung auf, wobei der geringste Arbeitszeitbedarf mit 27,7 AKh in der Mast bzw. Aufzucht von 1 bis 2-jährigen Jungvieh und der höchste Arbeitszeitbedarf in der Milchkuhhaltung (121,4 AKh/Jahr) anfällt. Die Standardverfahren für kleine Milchviehbetriebe sind in Österreich noch sehr arbeitsintensiv. Der Einsatz arbeitsextensiver Verfahren (z. B.: große Melkstände, TMR-Mischwagen, etc.) bringt erst ab einer bestimmten Betriebsgröße Zeitvorteile und ist erst dann ökonomisch sinnvoll. Dennoch bleibt Spielraum für arbeitserleichternde Maßnahmen.

Bei der Mutterkuhhaltung handelt es sich um einen arbeitsextensiven Betriebszweig, wo im Durchschnitt 31,7 Akh pro Standplatz und Jahr aufgewendet werden. Deren Standardmechanisierung ist im Vergleich zu kleinen Milchviehbetrieben bereits effektiver, da auch kleine Betriebe bei der Umstellung auf den in Österreich relativ jungen Betriebszweig Mutterkuhhaltung auf moderne effiziente Verfahren Wert legten. Die Aufzucht von Kälbern (bis 6 Monate) ist nach der Milchkuhhaltung der arbeitsintensivste Betriebszweig in der Rinderhaltung.

Zwar ist der Arbeitszeitbedarf für die Mast bzw. Aufzucht ähnlich, jedoch werden erst ab der Erfassung 2002 die männlichen und weiblichen Jungrinder getrennt erhoben. Dadurch war in dieser Berechnung eine exakte Trennung und damit Zuordnung zur Mast- oder Aufzuchtskategorie noch nicht möglich. Die Problematik der Kleinstrukturiertheit schränkt auch in diesen Betriebszweigen den Spielraum für Arbeitszeiteinsparungen ein. Auch hier gilt, wie in der Milchkuhhaltung, dass der Großteil der kleinen Betriebe noch stark veraltete Verfahren anwendet.

Neben der Rinderhaltung werden in der österreichischen Schweinehaltung die meisten Arbeitsstunden geleistet, wobei in die Aufzucht und in die Haltung von Zuchtsauen doppelt so viel Arbeit investiert wird, wie in die Schweinemast. Auf einen Standplatz

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Standardisierter Arbeitszeitbedarf

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bezogen, erfordert die Schweinezucht sogar einen 9-fach höheren Arbeitszeitbedarf als die Schweinemast. In jenen Regionen, in denen die Schweinehaltung mehr oder minder der Selbstversorgung dient und daher die Bestände pro Betrieb sehr klein sind (z. B. im Hochalpengebiet), ist der Arbeitszeitbedarf je Mastplatz fast dreimal so hoch wie in den spezialisierten Schweinemastbetrieben (z. B. im Alpenvorland), die im Durchschnitt über 70 Mastplätze verfügen.

Die Schafhaltung wird in Österreich überwiegend auf Neben-erwerbsbetrieben im benachteiligten Gebiet ausgeübt. Die Ziegenhaltung hat gemessen am Arbeitszeitbedarf der österreichischen Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle.

Die Pferde werden zum Großteil zur Ausübung des Reitsportes gehalten und dementsprechend hoch wurde der Arbeitszeitbedarf pro Standplatz angesetzt.

Die österreichische Geflügelhaltung benötigt in etwa die gleiche Arbeitszeit wie die Schafhaltung. 85 % der Arbeitszeit der Geflügelhaltung fallen in der Legehennenhaltung an.

4. Schlussfolgerungen

• Es ist mit vertretbarem Aufwand und mit ausreichender Genauigkeit möglich, Standardverfahren und Standardarbeitszeiten für alle in Österreich gängigen Betriebszweige und Betriebsgrößen festzulegen.

• Es ist möglich, für jeden Betrieb in Österreich auf Basis der vorhandenen Invekos-Daten einen Standardarbeitszeitbedarf zu errechnen.

• 75 % des gesamten Arbeitszeitbedarfes (ohne Restarbeit) fallen in der Innenwirtschaft an. Arbeitserleichternde Investitionen sollten, unter Beachtung ökonomischer Grundsätze, verstärkt in diesem Bereich gefördert werden.

• 80 % der in der Innenwirtschaft geleisteten Arbeit fallen in der Rinderhaltung und davon wiederum ca. 66 % in der Milchviehhaltung an. Arbeitsmäßig besonders belastete Nebenerwerbsbetriebe sollten verstärkt über arbeitsextensivere Alternativen beraten werden.

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Stadler, Greimel, Handler und Blumauer

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• Der Arbeitszeitbedarf je Hektar ebener Fläche kann durch gezielten Einsatz von Maschinengemeinschaften, Maschinenringen usw. im Vergleich zu den Standardarbeitszeitbedarfswerten um 50 bis 60 % gesenkt werden.

• Betriebe mit hohem Anteil an Flächen über 50 % Hangneigung haben einen fast dreifach höheren Arbeitszeitbedarf und doppelt so hohe Maschinenkosten, ein halb so hohes Arbeitszeiteinsparungspotential, ein arbeitsbedingt stark begrenztes Wachstumspotential, und arbeitsbedingt beschränkte flächen- bzw. tierbezogene Direktzahlungen.

Literatur- und Quellenverzeichnis

AUERNHAMMER, H. (1986): Landwirtschaftliche Arbeitslehre. Vorlesungsunterlagen, Institut für Landtechnik der TU-München, Weihenstephan.

BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT- UND

WASSERWIRTSCHAFT (2001a): Invekos-Erhebung 2001. BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT- UND

WASSERWIRTSCHAFT (2001b): Berghöfekataster 2000/2001. BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT- UND

WASSERWIRTSCHAFT (2002): Grüner Bericht 2001. Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001. Eigenverlag. Wien.

GREIMEL, M., HANDLER F. und BLUMAUER E. (2002): Arbeitszeitbedarf in der österreichischen Landwirtschaft. Abschlussbericht. Irdning. www.gumpenstein.at/arbeitszeit.

Anschrift der Verfasser:

Martin Greimel und Markus Stadler

Abteilung für Betriebswirtschaft, Statistik und Informationstechnik Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft, Gumpenstein

A – 8952 Irdning, Altirdning 11

Tel.: ++43 3682 / 22451 - 0

eMail: [email protected]

Franz Handler und Emil Blumauer Abteilung Verfahrenstechnik

Bundesanstalt für Landtechnik, Wieselburg

A – 3250 Wieselburg, Rottenhauserstraße 1

Tel.: ++43 7416 / 52175 - 0

eMail: [email protected] und [email protected]

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Bio + Region = Bioregion? The concept of eco-regions in Austria

Markus SCHERMER

Zusammenfassung

Das Konzept der Bioregionen als Verbindung biologischer Landwirtschaft und regionaler Entwicklung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schlagwort entwickelt. Der Beitrag versucht nicht nur die verschiedenen Ausprägungen von Bioregionen darzustellen, sondern auch die Rahmenbedingungen zu deren Entstehung mittels Fallstudien zu analysieren. Neben der regionalen Stärke der Biobewegun, stellen auch deren einheitliches Auftreten und das Vorhandensein von regionalen Marken begrenzende Faktoren für die Entwicklung dar. Erst durch die Vernetzung von Bioinitiativen untereinander und mit regionalen Vermarktungsbemühungen können sich starke Bioregionen entwickeln. Die bloße Summe aus „Bio + Region“ macht also noch keine Bioregion. Sie entseht erst durch das Produkt einer Vernetzung von regionalen Bioinitiativen untereinander und mit anderen regionalen Initiativen. Schlagworte: Regionalentwicklung, biologischer Landbau, Biovermarktung, Akteur-Netzwerk

Summary

The concept of “Eco-regions” (or “Bioregionen” in German) has en-tered the discussion on rural development in Austria several years ago. Broadly this expression means the combination of organic farming and the marketing of their produce with regional development programs. The paper analyses the different modes of eco-regions as well as the boundary conditions for their development. Besides the regional strength of the organic farming movement, the united approach of the organic movement and the power of regional images are identified as important factors. Only the networking of organic marketing initiatives

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Markus Schermer

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within and with regional initiatives can build up effective eco-regions. They are thus not the sum of eco-farming plus regional development but rather a product of the two elements. Keywords: regional develpoment, organic farming, regional market-ing, Actor-Network

1. Hintergrund der Bioregionen in Österreich

Die Idee der „Bioregion“ taucht in den vergangenen Jahren vermehrt als Konzept, sowohl der Regionalentwicklung wie auch der Bioentwicklung auf. Sie wird vielfach als eine wichtige Chance für den biologischen Landbau, aber auch für die Regionalentwicklung besonders im Berggebiet angesehen (u.a. GROIER 1998). Biolandwirtschaft wird dabei häufig als eine der wenigen möglichen Entwicklungsrichtungen für Regionen gesehen, die im Wettbewerb über Kostenführerschaft nicht bestehen können. Der Konnex mit einer Region soll helfen, dem, auch im Biobereich zu erwartenden, Konkurrenzkampf, zwischen Produkten aus dem Berggebiet und den Gunstlagen zu entgehen. Auch international zeigt sich ein Trend zur Verknüpfung von Bioprodukten mit regionalen Charakteristiken. Zu diesem Schluss kommt auch eine, im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsprojektes „Organic Marketing Initiatives and Rural Development (OMIaRD)“ durchgeführte, europaweite Expertenumfrage. Besonders in europäischen Ländern mit entwickeltem Biomarkt (neben Österreich auch Dänemark, Frankreich, Deutschland, Schweiz und Großbritannien) erhalten sowohl direktere Verkaufswege wie auch die Regionalität einen neuen Stellenwert. Der Trend zur Zusammenführung von „Bio“ und „Region“ kommt also von verschiedenen Seiten: • Biobauern versuchen damit die Austauschbarkeit ihrer Produkte zu

verringern und mehr Marktmacht zu erlangen bzw. zu erhalten. • Der Lebensmittelhandel will damit das Vertrauen in seine

Produkte erhöhen und eine langfristige Kundenbindung erzielen. • Konsumentenschützer sehen in regionalen, ökologischen

Herkünften eine Erhöhung der Lebensmittelsicherheit.

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Bioregionen

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• Vertreter der Landwirtschaft wollen verhindern, dass Landschaftspflege von der Produktion abgekoppelt wird. („Nur eine Landschaft die ihre Produkte vermarkten kann wird überleben“).

• Umweltorganisationen wollen durch die Förderung einer umweltgerechten Produktion in regionalen Kreisläufen die Verkehrsbelastung verringern.

• Regionalentwickler erhoffen eine erhöhte regionale Wertschöpfung und eine Stärkung der regionalen Identität.

• Regionsmanager wollen ihre Region im „Wettbewerb der Regionen“ besser profilieren und vor allem für den Tourismus neue Programme erschließen.

Der Beitrag versucht die Entstehung von „Bioregionen“ näher zu beleuchten. Über die vergleichende Untersuchung von Vermarktungsinitiativen im biologischen Landbau werden die Voraussetzungen für die Entwicklung von „Bioregionen“ analysiert.

2. Material und Methode

Die Datenerhebung wurde in Zusammenhang mit dem EU-Forschungsprojekt OMIaRD (Organic Marketing Initiatives and Rural Development) durchgeführt. Die Auswahl der Regionen hatte zum Ziel, eine möglichst große Variationsbreite von regionalen Faktoren sowie unterschiedlichen Vermarktungsinitiativen zu erfassen. Eine Selbstdeklaration als „Bioregion“ spielte dabei keine Rolle. Auf Grund einer Erhebung von Biovermarktungsinitiativen und verschiedenen regionalen Charakteristiken (Größe, Benachteiligung, institutionelles Umfeld, Bioentwicklung, Regionalentwicklung) wurden das Marchfeld mit Wien, das Mühlviertel und Vorarlberg als Fallstudienregionen ausgewählt. In diesen drei Regionen wurden jeweils zumindest vier regionale Biovermarktungsinitiativen und zumindest drei externe Experten mittels standardisierten Fragebögen befragt. Zusätzlich wurden über verschiedene Informationsquellen (Internet, regionale Zeitschriften, Artikel in Fachzeitschriften) weitere Daten gesammelt, um den regionalen und institutionellen Hintergrund besser auszuleuchten.

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Markus Schermer

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Während das OMIaRD-Projekt zum Ziel hatte, aus den Erhebungen Erfolgsfaktoren für die Initiativen abzuleiten, werden hier die Beziehungen zwischen der Entwicklung des biologischen Landbaues und der regionalen Entwicklung aufgezeigt. Die Daten werden zunächst für jede Region einzeln analysiert und anschließend verglichen. Dabei wird untersucht, wer bei der Entstehung einer Bioregion als Akteur auftritt, mit welchen Mitteln die Idee verbreitet wird und in welcher Ausprägung sich die Idee der „Bioregion“ zu manifestieren beginnt. Zur Darstellung der Handlungsmuster und der Entwicklungsdynamik wird auf die Terminologie der Akteur–Network Theorie (ANT) zurückgegriffen (u.a. CALLON 1986, LATOUR

1987, LAW 1992). Dieses Konzept entstand in der französischen Techniksoziologie der 80er Jahre und wurde im englischsprachigen Raum auch zur Analyse von Prozessen der ländlichen Entwicklung relativ breit rezipiert. In der deutschsprachigen Literatur fand dieser Ansatz allerdings bisher so gut wie keine Erwähnung. Im Gegensatz zur konventionellen sozialen Netzwerkanalyse, untersucht die ANT nicht die Beziehungen zwischen Akteuren, sondern den Prozess der Veränderung von Beziehungen. Sie wendet sich der Dynamik zu und geht den Abläufen nach, über die Modelle und Ideen Akzeptanz und normative Kraft erlangen. Die ANT definiert Aktion als „die Errichtung von Verbindungen in Netzwerken“ (MURDOCH 1998). Wesentlich für die Stärke dieser Verbindungsglieder sind die Strategien der Übertragung („translation“) von Ideen und Einfluss auf andere Akteur-Netzwerke. Die Übertragung läuft als ein Prozess ab, bei dem ein Akteur eine Problemlösung vorschlägt, die von anderen Akteuren übernommen wird. Nach dem Beitritt zum Netzwerk erfolgt die Mobilisierung, wodurch das Netzwerk zielgerichtet agiert. Wesentlich dafür ist ein „obligatorischer Durchgangspunkt (ODP)“, den ein starker Makroakteur bewusst setzt, um seinen Einfluss zu vergrößern. Für die Ausprägungen der Bioregion wird, angelehnt an die, von RAY

(2001) für die Regionalentwicklung beschriebenen, Ausprägungen, eine vorläufige Typologie verwendet ( SCHERMER 2002):

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Bioregionen

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• Bioregion als Herkunftsregion. Zielsetzung ist über eine Verbindung von Region und Produkt eine stärkere wirtschaftliche Stellung zu erhalten.

• Bioregion als regionales Leitbild. Damit soll die Region besser vermarktet werden.

• Bioregion als sektorales Leitbild. Die Umstellung auf Biolandwirtschaft wird dabei teilweise auch als Einstieg in eine generelle Ausrichtung der Wirtschaft auf nachhaltige Entwicklung gesehen.

• Die konkrete Entwicklungsstrategie innerhalb dieser drei Ausprägungen, kann die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die regionale Subsistenz oder ein differenziertes Bündel von Nischenstrategien zum Ziel haben.

3. Ergebnisse

3.1 Die Region Marchfeld/Wien

In dieser landwirtschaftlichen Intensivregion nördöstlich von Wien werden hauptsächlich Getreide, Kartoffeln und Feldgemüse produziert. Das im Marchfeld produzierte Gemüse wird vor allem für die Belieferung der im Südosten von Wien gelegenen Nahrungsmittelindustrie verwendet. Zum Großteil erfolgt die Verarbeitung in Konserven, aber aufgrund des immer stärkeren Preisdruckes wird in der industriellen Verarbeitung vermehrt versucht, auf Tiefkühlgemüse und Convenienceprodukte umzustellen. Das Frischgemüse für die Metropole Wien kommt hingegen überwiegend aus den Gebieten südlich und östlich von Wien. Der biologische Landbau spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Biologisch angebaut werden hauptsächlich Getreide (auch für Saatzucht und Saatgutvermehrung), Kartoffeln, und vor allem Gemüse (Zwiebel, Karotten, Kraut, Salat). Im Gegensatz zum konventionellen Produkt erfolgt der Absatz von biologischen Produkten entweder überregional durch Ökoland (v.a. Getreide und Saatgut) oder in der Region über Direktvermarktung (Hofläden, Biobauernmarkt,

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Zustellservice, Abo-Kisten), Belieferung des Naturkostfachhandels, sowie die Belieferung von Großküchen. Durch den geringen Anteil an Biobauern geht von ihnen kein starker Einfluss auf die Entwicklung der Region aus. Die Entwicklung des biologischen Landbaues im Marchfeld wird wesentlich von Wien aus dominiert. Dies zeigt sich auch daran, dass der Biobauernmarkt auf der Freyung die Kontakte und die Zusammenarbeit der Initiativen untereinander fördert. Vor allem aber beschloss die Gemeinde Wien im November 1999 die Zielvorgabe, dass bis 2005 in öffentlichen Großküchen ein Bioanteil am Umsatz von 30 % erreicht werden soll und ebenso der Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche bis 2005 auf 30 % ausgedehnt werden soll (GEMEINDE WIEN, 1999). Die Stadt selbst ging dabei mit gutem Beispiel voran und stellte bereits die stadteigenen Landwirtschaftsbetriebe teilweise um. Diese Vorgaben haben auch Einfluss auf die Biolandwirtschaft im Marchfeld. So erschlossen sich für Produzenten (z.B. Biohof Adamah) neue Absatzmärkte, teilweise mit veränderten Ansprüchen an das Produkt, die teilweise Synergieeffekte mit anderen Absatzkanälen ermöglichten. So wurde das Angebot an haltbareren Produkten, die sich auch in Naturkostläden besser absetzen lassen, ausgeweitet. Auch neue Geschäftsbereiche wurden erschlossen (z.B: Lieferlogistik über die Firma Biogast), die Kombinationen mit der Belieferung anderer Absatzkanäle (Naturkostläden) erlauben. Damit wird die Entwicklung des biologischen Landbaues im Marchfeld wesentlich von außen vorgegeben. Einerseits setzen Akteure von außerhalb der Region Aktivitäten (z.B. Stadt Wien), gleichzeitig kommen die wesentlichen Einflüsse auch von außerhalb der Landwirtschaft (u.a. von Interessensvertretern der Konsumenten). Als Makroakteur tritt somit die Gemeinde Wien in Erscheinung, die als obligatorischen Durchgangspunkt beschlossen hat, bis zum Jahr 2005 einen Anteil von 30 % Bioprodukte in öffentlichen Großküchen einzusetzen. Die Idee zur Bioregion kommt damit weder aus der Landwirtschaft noch aus der Region, ist aber für das Marchfeld wirksam. In landwirtschaftlichen Intensivgebieten ist die Rationalisierung und das Nützen von Größendegressionen als Entwicklungsrichtung

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Bioregionen

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vorgegeben, ökologische Grenzen werden dabei relativ rasch überschritten. Daher erfolgt hier die Problematisierung eher ökologisch als ökonomisch. So rücken auch die Bioinitiativen (Adamah, Biogast) ökologische Argumente bei ihren Zielsetzungen in den Vordergrund. Aber auch die NGOs (Klimabündnis, Umweltverbände, Agenda 21) und Gebietskörperschaften, die über gesetzliche Regulative den Markt beeinflusse, argumentieren in dieser Linie. So kam der Beschluss der Gemeinde Wien, das Beschaffungswesen der öffentlichen Großküchen zu ökologisieren, im Rahmen des Klimaschutzprogramms zustande. Die Übertragung im Bereich Landwirtschaft erfolgte bisher stärker in der Integration bereits bestehender Biobetriebe und hatte wenig Einfluss auf die generelle Entwicklung der Landwirtschaft. Gerade in landwirtschaftlichen Gunstlagen ist die Bereitschaft auf Bio umzustellen gering. In Wien wird, zumindest von der Umweltstadträtin, eine „Biostadt“ (NEUE KRONENZEITUNG, 13.4.2002) als sektoraler Ansatz verfolgt, der Bio als Leitfunktion für die regionale Landwirtschaft anstrebt (Umstellung von 75 % der stadteigenen Güter, 30 % aller landwirtschaftlichen Flächen). Die zugrundeliegende Strategie versucht Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Bioprodukte mit konventioneller Produktion auf den Hauptabsatzmärkten konkurrieren können. Dies betrifft sowohl die Vermarktung über Ökoland in den mehrstufigen Handel (z.B. Gut der Stadt Wien) als auch die Großküchenbelieferung. Die notwendige Logistik dafür bietet als Spezialist die Firma Biogast an. Mittlerweile haben allerdings auch eine Reihe der etablierten Caterer eine Biolinie aufgenommen.

3.2 Die Region Mühlviertel

Das Mühlviertel ist eine der klassischen benachteiligten Regionen Österreichs. Die Lage entlang des früheren „eisernen Vorhangs“ mit eher rauhem Klima und ungünstigen Bodenverhältnissen, führte schon früh dazu, dass die Region als benachteiligt eingestuft wurde. Das wichtigste Absatzzentrum für landwirtschaftliche Produkte liegt in der Landeshauptstadt Linz, am Rand der Region. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind meist gemischt, mit Ackerbau und Viehzucht sowie

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einem hohem Anteil an Forstwirtschaft. In der Biolandwirtschaft spielt, neben den Hauptabsatzkanälen für Fleisch und Getreide über die Firma Ökoland, die Belieferung von Naturkostläden eine gewisse Rolle. In der Region versuchen die Bauern mit den wenigen, noch relativ unabhängigen, kleinen Lebensmittelketten in Lieferbeziehung zu treten. Auch Ab-Hofverkauf spielt (zumindest im Hinterland von Linz) eine gewisse Rolle. Das Konzept der eigenständigen Regionalentwicklung hat seit über 20 Jahren in der Region Tradition, ebenso der Biologische Landbau. Teilweise gibt es zwischen den beiden Bewegungen intensive Berührungspunkte. So wurde bereits in den 80er Jahren die biologisch wirtschaftende Bergkräutergenossenschaft, wie auch die ökologisch orientierte Erzeuger-Verbrauchergenossenschaft „Müli“ von Regionalbetreuern unterstützt. Eine Bildungsveranstaltung der Regionalentwicklungsträger, der 1987 in Neufelden abgehaltene Kongress „Erdsegen - Begegnung mit der Agrikultur“, war ein wichtiger Impulse für die Biobewegung und trug wesentlich zur Gründung des Biobauernverbandes „Erde und Saat“ bei. Diese Vereinigung und die Dachorganisation „Österreichische Interessensgemeinschaft für Biologischen Landbau (ÖIG)“ haben im Mühlviertel eine relativ starke Position. Die ÖIG versucht ein Netz von Naturkostläden aufzubauen, um ein Gegengewicht zur Marktmacht der Supermärkte zu erzeugen. Dabei wird vor allem mit der regionalen Wertschöpfung argumentiert. Eine weitere Gruppe, die sich einer regionalen Ausprägung der Bioregion verschrieben hat, stellt die „Mühlviertler Urkraft“ dar. Diese Gruppe, mit ca. 150 Mitgliedern, die unterschiedlichen Bioverbänden angehören, entstand im Gebiet der Mühlviertler Alm aus einem Leaderprojekt. Während anfänglich die Zielsetzung darin bestand, die Produkte über gewerbliche Verarbeiter (besonders Bäckereien) und Lebensmittelhändler in der Region zu verkaufen, versucht die Initiative nun vermehrt im Raum Linz zu vermarkten. Die „Ökoregion Mühlviertel“ hingegen will das Mühlviertel als Herkunftsregion profilieren. Gegründet wurde sie auf Initiative des Ernteverbandes, der mit seiner Tochterfirma Ökoland eine funktionierende Schiene für die Belieferung der Lebensmittelketten

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Bioregionen

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aufgebaut hat. Über die Verbindung zur Region hofft man die Austauschbarkeit im Supermarkt zu verringern und die eigene Marktposition zu stärken. Vor allem die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Hauptakteure im Biobereich (Ernte und ÖIG) behindern ein geschlossenes Auftreten der Bioszene. Auf der operativen Ebene arbeiten die Projekte zwar häufig über die Verbandsgrenzen zusammen, in der regional strategischen Ausrichtung gibt es aber beträchtliche Auffassungsunterschiede. Beiden Organisationen ist es bisher nicht gelungen einen obligatorischen Durchgangspunkt zu setzen, der die Interessen der Biobauern der Region in eine Richtung lenkt. Somit konnte sich bisher kein Makroakteur herausbilden. Die Regionalentwicklung wurde in den vergangenen Jahren wesentlich von den Förderungsprogrammen des EU Strukturfonds bestimmt. Als Makroakteur agiert daher am ehesten das Regionalmanagement „Euregio“. Somit setzt die Förderungsverwaltung über die Vergabe von finanzieller Unterstützung einen „obligatorischen Durchgangspunkt“. Eine Reihe von Interviewpartnern bestätigte, dass ohne Förderungsmittel nur sehr wenige landwirtschaftliche Projekte überlebensfähig seien. Im Gegensatz zum Marchfeld wird im Mühlviertel die Landwirtschaft eher extensiv betrieben. Aufgrund der wirtschaftlichen Randlage erfolgt die Problematisierung stärker ökonomisch. Diese Argumentationslinie findet sich sowohl bei den regionalpolitischen wie auch bei den landwirtschaftlichen Proponenten. Sie gilt sowohl für die konventionelle Landwirtschaft, wie auch besonders für die biologische Landwirtschaft. Die bestehenden Initiativen zur Errichtung einer Bioregion (wie Ökoregion Mühlviertel oder Mühlviertler Urkraft) sind damit zwar auf dem Papier mitgliedsstark, aber ihre Mobilisationskraft bleibt gering. Auch die Vernetzung bleibt, sowohl untereinander, wie auch mit anderen Sektoren in der Region, gering. Da jedoch die Förderungsstelle nicht spezifisch den biologischen Landbau fördert, liegt es an den lokalen Aktionsgruppen, entsprechende Projekte zu entwickeln. Diese wiederum setzen sich zu einem Großteil aus Repräsentanten der Gemeindeverwaltungen

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zusammen. Damit ist eine breite regionale Akzeptanz der Projekte für ihre Förderung ausschlaggebend. Bemühungen zur Etablierung einer Bioregion finden sich damit sowohl in produktorientierter Hinsicht (Herkunftsregion) wie auch in regionsorientierter Ausprägung. So verfolgt die „Ökoregion Mühlviertel“ eine Bioregion als Herkunftsregion mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit auf den Hauptabsatzmärkten zu erhöhen. Die „Mühlviertler Urkraft“ und die Initiativen der ÖIG setzen hingegen auf die Vermarktung in der Region, um eine Erhöhung der regionalen Wertschöpfung zu erreichen. Die fehlende Einigkeit der Verbände in der strategischen Ausrichtung hat sicher auch dazu beigetragen, dass die biologische Wirtschaftsweise trotz einer relativ hohen Dichte an Biobauern noch nicht als allgemeines Leitbild für die regionale Landwirtschaftsentwicklung akzeptiert wird.

3.3 Die Region Vorarlberg

Die Wirtschaftsdaten Vorarlbergs sind zwar insgesamt sehr positiv, innerhalb des Landes gibt es aber ausgeprägte Unterschiede. Industrie und Handel konzentrieren sich auf das Rheintal, während sich die touristischen Hochburgen in den alpinen Gebieten um Arlberg und Silvretta befinden. Die Gebiete dazwischen sind großteils noch ländlich und landwirtschaftlich strukturiert. Obwohl eine Kleinbetriebstruktur vorherrscht, ist der Anteil an Vollerwerbslandwirten überdurchschnittlich. Es überwiegt Grünlandwirtschaft mit Rinderzucht und Milchwirtschaft. Die landwirtschaftliche Entwicklung zeigt zwei gegenläufige Trends: Intensivierung in den Gunstlagen im Rheintal und den angrenzenden Gebieten und Extensivierung in den Berggebieten. Es wird erwartet, dass die Marktentwicklung einen beschleunigten Konzentrationsprozess, besonders in der Milchverarbeitung, erzwingen wird. Der direkte Wettbewerb mit den benachbarten Gebieten im süddeutschen Raum verstärkt diesen Druck weiterhin. Für das Hauptprodukt Bergkäseist der regionale Absatz bei weitem nicht ausreichend, daher wird ein großer Teil in andere Regionen Österreichs und in zunehmendem Maße auch nach Deutschland vermarktet.

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Bioregionen

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Auf Landesebene wurde die Ausrichtung des Biosektors erst 2001 durch eine gemeinsame Vermarktungsgenossenschaft gebündelt, nachdem eine von der Vorarlberger Vereinigung KOPRA gegründete Genossenschaft wirtschaftlich gescheitert war. Die neugegründete „Bio-Vorarlberg“ ist nicht nur dazu da, Vermarktungsprojekte selbst durchzuführen, sondern auch die Biobauern bei der Entwicklung und Abwicklung von Projekten zu beraten. Ihr gehören sämtliche Vereinigungen der Biovermarktung und natürlich auch die beiden Produzentenvereinigungen an. Bis dahin herrschte zwischen der KOPRA und der Landesgruppe des Ernteverbandes eine starke Diskrepanz in den Strategien und die Kooperation war sehr schwach. Über die „Bio-Vorarlberg“ tritt der biologische Landbau gemeinsam auf. Regional konzentriert sich die Untersuchung auf zwei Gebiete: den Bregenzerwald und das Große Walsertal. Beide Gebiete haben nur sehr begrenzte Arbeitsplatzangebote und viele Bewohner pendeln entweder ins Rheintal oder in die benachbarten Gebiete von Deutschland, Lichtenstein und der Schweiz. Die Regionalentwicklung wird hauptsächlich über freiwillige Gemeindezusammenschlüsse, die REGIOs, gesteuert. Im Bregenzerwald bestanden bereits Ende der 80er Jahre erste Versuche, Landwirtschaft und Gastronomie zusammenzuführen. Besonders die Tourismuswirtschaft war daran interessiert, über die regionale Landwirtschaft und die von ihr geprägte Kulturlandschaft, verkörpert im Bergkäse, ein positives Image vermarkten zu können. Die Landwirtschaft erhoffte sich dadurch einen verstärkten regionalen Absatz. Dies wurde besonders Anfang der 90er Jahre wichtig, als das bis dahin starre Ausgleichssystem der Milchwirtschaft im Zuge der Vorbereitungen zum EU-Beitritt aufgelöst wurde. Daraus entstand die Idee der „Bregenzerwälder Käsestraße“. Sie verbindet Bauern, Sennereien, Restaurants, Almen etc. zu einer regionalen Interessensgemeinschaft. Darauf aufbauend wurde versucht, ein gemeinsames, regionales Entwicklungsleitbild zu erstellen, das aber nach wie vor vage blieb. Ebenso erfüllten sich die Absatzhoffnungen der Bauern nur zum Teil. Nach wie vor werden lediglich ca. 5 - 10 % der Produktion in der Region abgesetzt. Eine gemeinsame Marke existiert zwar, die Markendisziplin ist aber gering. Die einzige

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Biosennerei der Region ist zwar Mitglied des Vereins, sieht jedoch wenig Vorteile für die Vermarktung. Der biologische Landbau spielt in der Werbung praktisch keine Rolle, es dominiert aber die Botschaft von der naturgemäßen Landwirtschaft. Allerdings wurden in letzter Zeit auf Veranstaltungen der Käsestraße, wie dem Käseforum, verstärkt ökologische Inhalte thematisiert. Derzeit nimmt eine weitere Sennerei in unmittelbarer Nähe zur bisherigen Biosennerei die Verarbeitung von Biomilch auf. Im Großen Walsertal begann bereits Ende der 80er Jahre die Konsumenten-Produzentenorganisation KOPRA den biologischen Landbau zu fördern. Derzeit sind ungefähr die Hälfte der 400 Vorarlberger Biobauern Mitglied der KOPRA, während die andere Hälfte überwiegend dem Ernteverband angehören. Noch immer hat die KOPRA ihr Kerngebiet im Walsertal. Als dort die REGIO vor drei Jahren begann, die Idee vom Biosphärenpark zu entwickeln, war der hohe Anteil an Biobauern ein positiver Faktor. Der Obmann der REGIO ist selbst Biobauer und versucht vorsichtig, die biologische Landwirtschaft zu forcieren, obwohl bei der Erstellung des Leitbildes eine Umstellung der Landwirtschaft auf biologischen Landbau nicht als explizite Zielsetzung genannt wurde. Misstrauen gegenüber der biologischen Landwirtschaft besteht vor allem unter den Braunviehzüchtern, da die Hochleistungszucht eine intensivere Wirtschaftweise mit hohem Zukauf von Kraftfutter erfordert. Die sechs Sennereien des Tales produzieren unter der gemeinsamen Marke „Walserstolz“. Zu den Mitgliedern zählt auch eine kleine Biosennerei, die allerdings versucht, einen Teil direkt zu vermarkten, da Bio innerhalb der Marke Walserstolz, trotz getrennter Deklarierung, unterzugehen droht. Der Konzentrationsdruck hatte bereits die Schließung einer Kleinsennerei zur Folge. Eine der verbleibenden Sennereien überlegt eine zweite Linie mit Biomilchverarbeitung aufzunehmen. In beiden regionalen Projekten treten die REGIOs als Makroakteure auf, die die Entwicklung bestimmen. Sie stellen, auch aus Gründen der breiten Akzeptanz, stärker regionale als ökologische Aspekte in den Vordergrund. Die Problematisierung erfolgt überwiegend ökonomisch. Die Einrichtung des Biosphärenparks im Großen Walsertal wirkte

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Bioregionen

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wesentlich stärker als obligatorischer Durchgangspunkt für regionale Interessen als die Bregenzerwälder Käsestraße. Über die Erstellung eines Managementplanes wurde ein konkretes Leitbild erzwungen. Die ökologische Ausrichtung des Konzeptes Biosphärenpark als Naturschutzkategorie ist zudem der Idee der Bioregion näher. Auf Landesebene hat die Landesregierung über eine vorrangig ökonomische Problematisierung einen obligatorischen Durchgangspunkt für die Bioszene geschaffen. Diese einheitliche Ausrichtung ermöglicht auch ein stärkeres Auftreten gegenüber der konventionellen Landwirtschaft. Dabei wird eine deutlichere Abgrenzung in der Darstellung der regionalen konventionellen Landwirtschaft von Bildern, die mit biologischer Landwirtschaft verbunden werden, verlangt. Langfristig kann dies auch dazu beitragen, dass über diese Auseinandersetzung auch bei den Regionalinitiativen eine stärkere Forcierung des biologischen Landbaues erfolgt. Gegen eine stärkere Ökologisierung steht insbesonders die starke Stellung der Braunviehzucht, die eine eher intensivere Wirtschaftweise mit hohem Zukauf von Kraftfutter erfordert. Daher bleibt die Mobilisierung begrenzt. Obwohl die beiden in Vorarlberg betrachteten Regionen nicht den Anspruch erheben, Bioregionen zu sein, zeigen sich Tendenzen in diese Richtung. Die Käsestrasse wirkt stärker als Tourismusprojekt nach außen und hat bei der Identifikation der Mitgliedsbetriebe immer wieder Probleme, wie die Markendisziplin zeigt. Der Biosphärenpark wirkt auch nach innen und versucht, über den Managementplan ein kohärentes Entwicklungsleitbild zu forcieren. Somit sind zwar in den beiden Regionen in Ansätzen unterschiedliche Ausprägungen einer Bioregion vorhanden. In beiden überwiegt der regionale Aspekt den ökologischen.

4. Zusammenschau und Schlussfolgerung

Es zeigt sich deutlich, dass unterschiedliche Interessenslagen zu unterschiedlichen Ausprägungen der Bioregion führen. Ebenso entstehen aus den jeweiligen regionalen Problemlagen verschieden starke Vernetzungen innerhalb der Biolandwirtschaft, wie auch mit regionalen Akteuren.

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Als Voraussetzung für die Entstehung einer Bioregion ist zunächst eine gewisse regionale Bedeutung des biologischen Landbaues notwendig, um überhaupt als Kraft in Erscheinung treten zu können. Ist dies nicht der Fall, wird die Entwicklung, wie im Marchfeld, von Akteuren außerhalb der Landwirtschaft und/oder außerhalb der Region bestimmt. Innerhalb des Biosektors erschweren teilweise unterschiedliche Strategien zwischen verschiedenen Verbänden ein einheitliches Auftreten. Die Uneinigkeit innerhalb der Biobewegung behindert auch bei einem relativ hohen Anteil an Biobauern, wie im Mühlviertel, die Umsetzung der Idee. Selbst wenn aber der Biosektor eine gemeinsame Strategie entwickelt, wie in Vorarlberg, hängt die Durchsetzungskraft von der Akzeptanz der Idee innerhalb des landwirtschaftlichen Sektors und der Region ab. Dies vor allem deshalb, da sich die Träger der Regionalentwicklung meist aus Vertretern der Gemeinden zusammensetzen. Dies ist in den untersuchten Regionen sowohl im Falle der „lokalen Aktionsgruppen (LAGs)“ in LEADER-Gebieten, wie auch in den REGIOs in Vorarlberg der Fall. Die Ergebnisse lassen weiterhin den Schluss zu, dass in der Landwirtschaft (auch im biologischen Landbau) noch immer stärker sektoral als regional gedacht wird. Bei integrativen territorialen Ansätzen, die häufig von nichtlandwirtschaftlicher Seite (Tourismus- oder Naturschutzkreise) kommen, setzt sich der Regionalaspekt häufig stärker durch als der biologische Landbau. Wo eine regionale Identität bereits stark ausgeprägt ist, ist es umso schwieriger eine „biologische Regionalität“ zu entwickeln. Bei den bestehenden Ansätzen zur Vernetzung der Bioinitiativen wurde ein starker Einfluss von Politik und Verwaltung festgestellt. Während für die Entwicklung im Marchfeld die Bestimmungen für den Einsatz biologischer Produkte in Wiener Großküchen ausschlaggebend sind, war es in Vorarlberg die, von der Landesregierung erzwungene, Gründung einer einheitlichen Biogenossenschaft. Im Mühlviertel fehlt derzeit ein vergleichbarer regulativer Einfluss. Dort wirken sich die Förderungsmöglichkeiten im Rahmen der EU- Strukturfonds stärker aus.

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Bioregionen

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Nicht die Summe aus „Bio plus Region“ macht daher eine Bioregion, sondern erst das Produkt einer Vernetzung von regionalen Bioinitiativen untereinander sowie mit anderen regionalen Initiativen und Akteuren.

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Anschrift des Verfassers:

Dipl. Ing. Markus Schermer

Universität Innsbruck

Zentrum für Berglandwirtschaft

6020 Innsbruck, Technikerstr 13

Tel +43 512 507 5690

eMail: [email protected]

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Organic farming: An approach to make

agriculture more sustainable? Ökologischer Landbau: Ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft?

Ruth KRATOCHVIL

Zusammenfassung

In vorliegendem Beitrag wird der Frage nachgegangen, was der ökologische Landbau zu einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft leisten kann. Aus theoretischer Sicht zeigt sich, dass die Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft eine hohe Kompatibilität mit jenen der „strong sustainability“ aufweisen. Die empirische Überprüfung der festgestellten theoretischen Übereinstimmung kommt zu differenzierten Ergebnissen: Zahlreiche Forschungsergebnisse bestätigen die Vorzüglichkeit des ökologischen Landbaus in den Nachhaltigkeitsdimensionen Natur, Ökonomie und Gesellschaft. Allerdings trägt die aktuelle Dynamik in Agrarpolitik und Markt zu einer vermehrt kurzfristig ökonomischen Orientierung der landwirtschaftlichen Produktion auch auf Biobetrieben bei. Dies gefährdet zumindest mittelfristig betriebswirtschaftliche Rentabilität, Sozialverträglichkeit sowie ökologische Leistungen des Biolandbaus. Die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung wird stark von gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflusst; Verbesserungen erfordern eine umfassende Palette an Maßnahmen. Schlagworte: ökologischer Landbau, nachhaltige Entwicklung

Summary

This paper discusses the potential contribution of organic farming to a sustainable agricultural development. From a theoretical point of view there exists a high compatibility of the principles of organic farming and the “strong sustainability” paradigm. Empirical results show a

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differentiated image: Various scientific studies confirm the positive effects of organic farming regarding the sustainability dimensions na-ture, economy and society. Though, current political and market-driven dynamics bear the risk of steering organic farming in the direc-tion of technologically oriented and short-term economically efficient farming systems. Subsequently, this endangers the ecological perform-ance, economic profitability and social aspects of organic farming. Thus, the realization and improvement of sustainability within the organic sector is strongly determined by social, political and economic conditions. Keywords: organic farming, sustainable development

1. Introduction: Principles of organic farming and sustain-able development

Organic farming (synonymous with ecological farming) is determined in EU regulation EWG No. 2092/91. Considering the actual farming practices in Central Europe, organic farming is regarded as the produc-tion system with the highest degree of ecological compatibility (BMLF, 1999a). This statement is based on the principles of organic farming (EICHENBERGER and VOGTMANN, 1981, LINDENTHAL et al., 1996), which are to a great extent corresponding with the criteria for a (ecologically strong) sustainable development as stated by DALY (1991). Moreover, in its basic standards IFOAM (2000) formulates also some principle social and economic aims of organic farming. “As such, the objective of sustainability lies at the heart of organic farming” (LAMPKIN, 1994) and its comprehension of sustainability corresponds with the one described by the “egg of sustainability” (see fig. 1): There exists a certain kind of hierarchy between the different dimensions of sustainable develop-ment; nature forms the limits for the development of all other aspects 1. Naturally, dimensions are interrelated and dependent and possess - as

1 This hierarchy is valid concerning the framework and limitations for the sustain-able realization of the different dimensions. It does not imply a discrimination of a particular dimension regarding its meaning for sustainable development in general.

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Organic farming: An approach to make agriculture more sustainable?

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well as the whole system – a dynamic character (in fig. 1 indicated by arrows).

economy society nature

Fig. 1: The „egg of sustainability“2 Quelle: BIRKMANN, 2000, 166 following BUSCH-LÜTY, 1995, 118, adapted

Some authors suggest that the agricultural sector offers better opportu-nities to realize sustainability strategies than other sectors: Agriculture is the econcomic sector with the closest relations to nature, food has the broadest „effect of diffusion“ into society and there is evident need for political action because of agricultural surplus (STEINMÜLLER, 1993). Of course agriculture is - as well as other industries - exposed to general political conditions which restrict the ability to act sustainable (HOFREI-

THER and SINABELL, 1994). Nevertheless, there could be some scope to put sustainability strategies into action by combining the models of sustainable development and organic farming.

2. Targets reached on organic farming’s way to sustainable development

While the congruence between the aims and principles of sustainable development and organic farming is high, the ability of organic farm-ing to reach these objectives has to be further analysed. Instead of try-ing to find another - necessarily incomplete – definition of sustainable

2 In this description other dimensions of sustainable development like technical or institutional aspects are included in the nature or social dimension respectively.

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agriculture we will base our analysis on a number of different aspects contributing to an agricultural sustainable development.

2.1 Environmental aspects

Most empirical evidence is available for the nature and environmental aspects of organic farming respectively, which constitute an important starting point for the organic movement and are the most significant and consistent claims made by advocates of ecological agriculture up to today. In fact, vast empirical evidence concerning groundwater qual-ity 3, soil 4, energy use 5 and biodiversity 6 prove that organic farming contributes to ecological improvements more than other farming sys-tems.

2.2 Economic aspects

As socio-economic factors had less importance for the pioneers of the organic farming movement, these aspects were given attention to at a later stager. Some authors conclude that organic farming disregards and even neglects the socio-economic aspects of sustainable develop-ment (THOMAS, 1999; HOFFMANN, 2001). Nevertheless, various studies from Austria as well as other countries of the European Union show, that organic farming is not only an interesting alternative from an eco-logical but also from a farm economic point of view: On the one side, natural yields are often lower 7 and fixed costs as well as labour costs are often higher on organic farms. On the other side, the frequently lower variable costs 8, higher prices and subsidies contribute to higher total profits on organic farms 9. Further, profits per family labour unit of organic farms often exceed those of conventional holdings 10. More-

3 DALGAARD et al. (1998), DRINKWATER et al. (1998) 4 FRIEDEL et al. (2001), MÄDER et al. (2002) 5 LANDBAUFORSCHUNG VÖLKENRODE (2000), WECHSELBERGER (2000) 6 WACHENDORF and TAUBE (2001) 7 SCHULZE PALS and NIEBERG (1997) 8 KNICKEL (1995), OFFERMANN and NIEBERG (2000) 9 EDER (1997), OFFERMANN and NIEBERG (2000) 10

BMLF (1992-1999), BMLFUW (2000-2002)

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over, organic farms are more often run by full-time farmers than con-ventional ones (OFFERMANN and NIEBERG, 2000) and have therefore the potential to prevent unemployment in the agricultural sector. BATEMAN et al. (1993), SCHEELHAASE and HAKER (1999) tried to quantify possible effects of a large scale conversion to organic farming on agricultural up- and downstream sectors by using input-output-analysis. Summarizing the results, they found neutral to slightly positive influence of widespread organic farming on income and employment in the up- and downstream sectors. Losses in the fertilizer and pesticide industry were compensated by gains in the processing and marketing sectors. Moreover, KNICKEL and SCHRAMEK (2001) noticed indirect effects like an improved image of the region, the rise of other regional initiatives as well as the stabilisation of agricultural employment. 2.3 Social aspects

To sustain labour- and human capital it is necessary to make use of skills, talents and knowledge of local citizens (FLORA, 2000). For agri-culturalists in the industrialized countries of the world, there has been a progressive de-skilling of the production process as it has become more industrialized. Organic farming contributes to maintain produc-tion skills, involving an understanding of the local ecosystems and an ability to adapt to changes in nature (NEUNTEUFEL, 2000; VOS, 2000, 252; ALBERT et al., 2001). In addition, organic farmers are on average younger, have higher levels of formal education (PADEL, 2001, 44; BMLFUW, 2002, 138) and are more open to change (PUGLIESE, 2001, 119, 123) than conventional ones. SCHOON and TE GROTENHUIS (2000, 22) point out that conventional farmers experience the lack of societal ap-preciation for their works as painful, whereas organic farmers feel public support for their convictions about good agriculture. This esti-mation of public acceptance might strengthen farmer’s offensive or more guarded attitude towards factors like education, openess to change or positive faith in the future. HADATSCH and MILESTAD (2001) observed that especially organic farmers give high priority to educa-tion and training. Education activities do not take place by formal edu-cation only, but also by informal information transfer and networking among organic farmers (EGRI, 1999, 51, 62). These networks and the

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transfer of knowledge are important to build and keep the organic system’s capacity for self-organization and adaptability as well as the capacity to absorb change (MILESTAD and DARNHOFER, 2002).

3. Traps, fallacies and shortcomings on organic farming’s way to sustainable development

3.1 Current dynamics in organic farming

In the last few years the organic sector has changed fundamentally. In the EU, between 1986 and 1996 the organically cultivated land grew annualy by 30 %, the market for organic food (which is - amounting to 1,5 % of the total food market - still small) shows yearly growth rates from 5 - 10 % to 30 - 40 % in different EU countries (WILLER and YUSSEFI, 2000). Pioneering achieved by the organic farmers association and early organic farmers as well as governmental subsidies and the improved market power through new organic brands offered by big food chains at a later stage encouraged a considerable number of farm-ers to convert to organic farming. In contrast to the “traditional” or-ganic producers, who identified themselves closely with the principles of organic farming, a high number of the newly converting farmers were mainly motivated by “extrinsic” factors (SCHOON and TE GROTEN-

HUIS, 2000; RIGBY and CÁCERES, 2001; SCHERMER, 2001). Subsequently, the supply of certain organic produce like milk and beef exeeded the (Austrian domestic) demand and for market crops export markets were made accesible. As a result, under recent market condi-tions in the German speaking countries especially arable farms are able to achieve higher profits. On the other hand, nowadays dairy-farms frequently suffer from low or non-existant premium prices and are therefore not necessarily able to gain higher profits in comparison to conventional farms (KIRNER, 2001). Looking at profit development during the last few years, e.g. Swiss organic farms experienced a de-crease of profits in relation to conventional ones (OFFERMANN and NIE-

BERG, 2000). Prices are not only a result of market dynamics but also of political and institutional factors like agri-political influenced price schemes: A simi-lar development of organic prices as conventional prices under the

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Agenda 2000 price regime would cause large decreases in organic farm’s profits and would bring them close to the conventional level (EDER, 1999). Beside premium prices, subsidies play an important role concerning the ability to gain higher profits: During the last few years Austrian organic arable farms got about 40 % more financial support per year than their conventional counterparts (BMLF, 1993-1995, BMLF, 1998-1999, BMLFUW, 2000-2002) 11. However, most organic farms are forage-growing and located in less favoured and/or moun-tainous areas, which are underprivileged by the current subsidy scheme (HOVORKA, 1996; WAGNER, 1996; EDER et al., 1999). Well established food processing facilities and marketing channels for organic produce are further requirements for a stable socio-economic development in the organic sector. In Tyrol (Austria) the lack of or-ganic dairies constitutes a strong impediment for a further increase of organic farming (SCHERMER, 2001a). Though the mere existence of such facilities is not necessarily sufficient to sustain the economic develop-ment of organic farms, the composition of different distribution chan-nels seems to be important too: In general, the organic food sector shows a much more diversified structure of market channels than the conventional one (e.g. direct marketing: 11 % of turnover in the organic sector, less than 1 % in the conventional (BMLFUW, 2001, 135)). Never-theless the marketing via food chains is by far the most important (about 73 % of organic food is sold by this distribution channel (SCHÖPPL, 2001, cit. in FREYER et al., 2001)). Austria’s highest degree of concentration in the food retail trade in Europe (BMLF and CULINAR, 1997) increases the food chains’ power in the organic food market. Thus, the role of supermarket chains is a crucial one: One the one hand their entrance into the organic market has been important for increas-ing consumers consciousness for environmentally friendly products in general, the reputation and consumption of organic foods as well as the demand at the farm level. On the other hand they profit economically from pioneering and organizational structures built up by the organic farmers associoation while at the same time potentially reducing the

11 Its important to note that this figure is, depending on the year, based on only 17 to 51 pairs of conventional respectively organic farms compared.

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diversity of associations and diminishing their power. Moreover, they have the potential to put smaller natural food stores and coops out of business (KLONSKY, 2000, 241) and “… lead to an organic agriculture that increasingly resembles the conventional food industry” (KLONSKY, 2000, 233).

3.2 Consequences

The outlined current dynamics in the organic sector bear the risk of steering organic farming in the direction of technologically oriented and (short-term) economically efficient farming systems (ALLEN and KOVACH, 2000): Farmers have a strengthened economic incentive to increase their profits at the risk of ecological soundness. This leads to practices dominated by the “input substitution approach” (ROSSET and ALTIERI, 1997): The main focus within this type of farming is to substi-tute less noxious inputs for agrochemicals. This approach is a highly technological one and denies agroecological causalities. Organic farm-ing practices fall notably short of agroecological ideals, although they remain within the letter of organic rules and regulations (GUTHMAN, 2000, 265). According to ALLEN and KOVACH (2000) the nature of or-ganic standards as well as the existing economic system tend to favour the input substitution approach above the original holistic paradigm also in organic farming. Moreover the chance to meet “key needs” for agricultural sustainability, which are also evident challenges within organic farming, decreases (e.g. the lack of landscape structures and the use of fossil energy (HADATSCH et al., 2000; NEUNTEUFEL, 2000; RIGBY and CÁCERES, 2001)). It is also important to mention that beside the ecological risks there are also social consequences of enhanced economic pressure: working conditions on organic farms get worse, especially on those engaged in labour-intensive cropping or direct marketing. Furthermore, the pres-sures outlined can threaten the ability of organic farms to realize their resilience building potential, e.g. their buffer capacity, capacity for self-organization and adaptability (MILESTAD and DARNHOFER, 2002, 8). The outlined traps, fallacies and shortcomings show that even in the organic system the boundaries of the economy within the “egg of sus-tainability” (see Fig. 1) tend to expand at the expense of nature and

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society. So, under current conditions the possibilities for the organic farming system to act sustainable seem to be strongly restricted. More-over, it can be concluded that there is only limited scope for one single sector of the economy to become more sustainable, when its surround-ings respectively the other sectors remain unsustainable (SZERENCSITS et al., s.t.). This fact can be theorized by applying NORGAARD’s coevolu-tionary perspective of development, interpreting organic farming as a subsystem of the whole society: If one subsystem evolves or innovates, it affects – because of the interrelatedness of (sub-)systems – not only itself but also the other subsystems and therefore the whole (NOR-

GAARD and SIKOR, 1995, 25). Whether new components and relations introduced by innovation, changes or discoveries are maintained in the whole system depends on whether they prove fit with respect to the other subsystems (NORGAARD, 1992, 81).

4. Conclusions: Challenges and necessities to ensure or-ganic farming’s way to sustainable development

To enable organic farming to keep its environmental, social and eco-nomic advantages and sustain its development, it is therefore neces-sary to improve several factors not only concerning the organic farm-ing system but also society as a whole. Moreover, it is important to mention that a solid development requires all-embracing changes (LYNGGAARD, 2001, 107) and that social complexity demands rather a mix of political instruments than single and isolated measures (HINTERBERGER et al. 1996, 292). We suggest the following measures (HADATSCH et al., 2000; ALBERT et al., 2001, complemented, using the systematics of LYNGGAARD, 2001, 90, adapted): General political framework: 1. introduction of ecopolitical instruments to internalize (e.g. ecologi-

cal tax reform) 2. modification of the world market’s terms of trade towards ecologi-

cal criteria (for details see WOHLMEYER & QUENDLER, 2001) Agricultural policy: 3. clear up agricultural policy from inconsistencies (world market

oriented price policy versus subsidies for agri-environmental pro-

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grammes and less favoured areas, subsidies for energy saving tech-nologies and subsidies for low fuel prices at the same time)

4. re-design of the system for (agricultural) subsidies (closer connec-tion between ecological and socio-economic benefits of farming methods and the amount of subsidies, labour instead of acreage and/or livestock as base for the distribution of subsidies, expansion of innovation funds to stimulate technological and socio-economic innovations for rural areas)

5. raise policy makers’ awareness of organic farming Farming community: 6. especially in the case of “extrinsic” motivation for the conversion to

organic farming, it is necessary to encourage and develop farmers’ “intrinsic” motivation (SCHERMER, 2001)

7. strengthen relationships and communication beween (organic) farmers to improve community initiatives, develop mutual trust, and shared vision and ensure the transfer of (traditional) ecological knowledge (FLORA, 2000)

8. improvement of extension and training facilities Food market: 9. raise consumers consciousness for agriculture and its vast functions

in general and for organic produce in particular 10. further diversification of market channels, promotion of local and

regional distribution channels. 11. intensify cooperation between regional (organic) agriculture and

other sectors of the economy to increase regional added value and employment

In spite of the manifold traps, fallacies and to-do’s sketched above there are some promising facts indicating a renewal of the organic sector using the scope left for a sustainable development: In some Aus-trian (KRATOCHVIL et al., 2001) and Italian regions (PUGLIESE, 2001, 121, 123f) a new endogenous regional development movement is taking place recently, which has the target to build „Bioregions“. Networks of organic farmers constitute important pressure groups for these „Biore-gions“ and try to establish organic agriculture as an integrative, driv-ing force of the regional economy. This initiatives are in line with ob-servations made by CAMPELL and LIEPINS (2001, 35) in the case of New

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Zealand. CAMPELL and LIEPINS (2001, 36) conclude that “the organic industry seems to be unable to be disentangled from the organic social movement [… and] will continue to act as a counterpoint, moment of contestation, or site of dialogue with the globalizing food system”. Despite current dynamics, traps, fallacies and shortcomings these ob-servations are promising concerning organic farming’s future way to sustainable development.

Acknowledgements

The author would like to thank Prof. J. Minsch for fruitful discussion as well as Prof. B. Freyer, O. Kaliski, T. Lindenthal and R. Milestad for comments on this manuscript.

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Kratochvil

264

Anschrift der Verfasserin

Dipl. Ing. Ruth Kratochvil

Institut für Ökologischen Landbau, Universität für Bodenkultur

A-1180 Wien, Gregor Mendelstr. 33

Tel.: +43 1 47654 3763

eMail: [email protected]

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Forschungsmarketing und Wissenstransfer in

der Kulturlandschaftsforschung – Ergebnisse

einer Expertenbefragung Marketing for Scientific Results and Knowledge Transfer in the Cultural Landscape Research – Results of an Expert Survey

Rainer HAAS und Oliver MEIXNER

Zusammenfassung

Der folgende Beitrag untersucht die Erkenntnisse zum Wissenstransfer im österreichischen Forschungsprogramm zur Kulturlandschaftsforschung „KLF1“. Es wird gezeigt, inwieweit die Generierung der Forschungsfragen/Problemstellungen sowie die Anwendungs-/Grundlagenorientierung der Forschung einen Einfluss auf die unmittelbare Verwertbarkeit von Projektergebnissen im Sinne von Produkten hat. Weiters werden die Chancen und Risiken bzw. die hemmenden bzw. fördernden Faktoren für den Wissenstransfer in der Kulturlandschaftsforschung aufgezeigt. Schlagworte: Aktionsforschung, Wissenstransfer, Entscheidungsunterstützung, Analytischer Hierarchieprozess, Kulturlandschaft.

Summary

The following paper presents the results concerning knowledge trans-fer within the Austrian Cultural Landscape Program „KLF1“. The Au-thors show the influence of generating the re-search question/problem definition and the influence of applied vs. fundamental research in view of utilisation of project results as concrete products. Furthermore, they will present basic results concerning opportunities and threats of knowledge transfer and of promoting and de-bilitating factors for the knowledge transfer within the framework of the cultural landscape research.

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Haas und Meixner

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Keywords: Action Research, Knowledge Transfer, Decision Support System, Analytic Hierarchy Process, Cultural Landscape.

1. Kulturlandschaftsforschung und „KL-Marketing“

Die Kulturlandschaftsforschung (KLF) geht auf eine Initiative des österreichischen Wissenschaftsministeriums gemeinsam mit weiteren Fachministerien und den Bundesländern zurück. Bis dato sind rund 500 österreichische Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus über 40 Disziplinen in das Forschungsprogramm involviert. Hierzu wurde ein Gesamtbudget von rund 17 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Anlass des Forschungsprogramms kann in sozioökonomischen und ökologischen Problemen wie der Zersiedelung, der Abwanderung der Bevölkerung aus benachteiligten Regionen, dem steigenden Verkehrsaufkommen, den konkurrierenden Nutzungsinteressen auf engem Raum verbunden mit Umweltproblemen wie Boden- und Grundwasserbelastung, dem Aussterben von Pflanzen- und Tierarten usw. gesehen werden. Die Behandlung dieser Probleme in einer umfassenden Sichtweise in einem eigenen Forschungspool kann als Hauptziel der Kulturlandschaftsforschung gesehen werden (vgl. http://www.klf.at). Im Rahmen der KLF suchen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Interaktion mit den betroffenen Menschen in den Regionen nach Lösungsansätzen für eine sozial- und naturverträgliche Landschaftsnutzung. Mit einer Vielfalt von teilweise sehr innovativen Forschungsansätzen und Methoden verfolgen die Wissenschaftler in interdisziplinären Projektpaketen, sog. Modulen, folgende Forschungsziele: • Darstellung und Sicherung sozialer und ökologischer Funktionen • Evaluation und Entwicklung von Strategien zur Bewältigung von

Nutzungskonflikten • Sicherung der Existenzgrundlage sowie der Lebensqualität der

ansässigen Bevölkerung auf Basis der Prinzipien der Umwelt- und Sozialverträglichkeit (d. h. Probleme, Bedürfnisse, Wünsche und Prioritäten der ansässigen Bevölkerung sollen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen)

• Sicherung und Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit/Multi-funktionalität der Kulturlandschaft

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

267

• Sicherung biotischer und abiotischer Ressourcen (u. a. optimale Nutzung erneuerbarer Ressourcen) sowie landschaftsökologisch oder kulturgenetisch bedeutsamer Flächen und Elemente

• Einführung bzw. Stärkung von Planungsinstrumenten für den Freiraum

• Besondere Berücksichtigung von Grenzregionen (Binnen- und Außengrenzen der EU)

• Umsetzung und Entwicklungssteuerung • Gewährleistung einer hohen Umsetzbarkeit der Forschungs-

ergebnisse insbesondere für die Bereiche Forschung, Politik, Planung und Bildung

• Wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung i. S. von Begleit- und Aktionsforschung (entspricht der englischen Forschungsrichtung „action research“)

• Verwendbarkeit der Forschungsergebnisse für Legistik und Administration, sowie für Aktivierung von eigenständigen Steuerungs- und Entwicklungsmöglichkeiten

Die Rahmenbedingungen für die KLF sind durch nachfolgende programmatische Ziele definiert (vgl. BMWFK, 1995): wesentliche Reduzierung der anthropogen verursachten Stoffströme; Sicherung der Grundlagen der Biodiversität und Lebensqualität; Lösung der Konflikte, die sich aus diesen beiden Zielen ergeben; Förderung einer Vielfalt von Lebens- und Entwicklungsoptionen innerhalb der Landschaftsdynamik. Diese programmatischen Ziele geben eine Aufgabenstellung vor, die sich aus dem Spannungsfeld der beiden zentralen Werte „Lebensqualität“ 1 und „Biodiversität“ 2 ergibt.

1 Unter Lebensqualität wird die Summe der individuellen aber auch kollektiven Bewertungen und ästhetischen Erfahrungen zur unmittelbaren Lebenssituation in den Bereichen Umwelt, Arbeit, Freizeit, Wohnen, Familie verstanden.

2 Biodiversität wird im Sinne des „Übereinkommens über die biologische Vielfalt“ verstanden: die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die gerechte und ausgewogene Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, unter anderem durch angemessenen Zugang zu genetischen Ressourcen und angemessene Weitergabe der einschlägigen Technologien unter Berücksichtigung aller Rechte an diesen Ressourcen und Technologien sowie durch angemessene Finanzierung.

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Haas und Meixner

268

Der Start von KLF1 ist mit Beginn 1997 anzusetzen. Vor diesem Zeitpunkt wurden allerdings schon einige Pilotprojekte realisiert (ab 1995). Offizielles Ende von KLF1 war 1999, ab diesem Zeitpunkt wurde KLF2 gestartet, bei dem bereits einige Erkenntnisse des Begleitmoduls „KL-Marketing“3 berücksichtigt werden konnten (z.B. frühzeitige Integration des Forschungsmarketing in den Projektablauf) (siehe Abb. 1).

1995 1997 1999

KLF1

KLF2

KL-Marketing

SyntheseprojekteSyntheseprojekte

Begleitprojekte

Pilotprojekte

Abb. 1: Zeitschiene KLF und KL-Marketing Nach Fertigstellung von KLF1 konnten zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse von den beteiligten KLF-Forschern generiert werden. Die zentrale Fragestellung zu diesem Zeitpunkt war, wie diese Ergebnisse in praxistaugliche Anwendungen zur Lösung von bestehenden Problemstellungen transferiert werden können. Im Prinzip geht es daher darum, wissenschaftliche Erkenntnisse in marktfähige Produkte zu transferieren, wobei natürlich die Definition von „Produkt“ und „Markt“ eher im Sinne einer gesellschaftspolitisch relevanten Problemlösung zu sehen ist (vgl. KOTLER und ROBERTO, 1991, 42f.) als in der klassischen Produktdefinition der Marketingliteratur. Hierzu wurde KL-Marketing als Begleitmodul zur eigentlichen Forschungstätigkeit ins Leben gerufen, das sich explizit dem

3 KL steht für „Kulturlandschaft“. Unter KL-Marketing ist das Marketing für die Forschungsergebnisse des Kulturlandschaftsforschungsprogramms KLF1 zu verstehen.

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

269

Wissentransfer im Sinne von Forschungsmarketing widmete. Aus wissenschaftlicher Anwendungs- und Grundlagenforschung sollten demnach tangible Produkte und/oder Dienstleistungen abgeleitet werden. Derartige Produkte könnten z.B. Planungssoftware/-instrumente, Verfahren zur Bürgerbeteiligung, Computersimulationen/-modelle, Landschaftskarten, Expertensysteme, Lernsoftware usw. sein. Wissenstransfer über Forschungsmarketing ist in diesem Sinne nicht nur ein Prozess der zielgruppenorientierten Vermittlung von Forschungsergebnissen, sondern dient der strategischen Positionierung der Kulturlandschaftsforschung im nationalen und internationalen Innovationssystem. Durch kontinuierliche Kommunikation mit den wesentlichen Akteuren des Innovationssystems (wie z.B. Politik, Wirtschaft, Finanzsektor) sollte es gelingen, mit dem relativ geringen Budget der umweltorientierten Auftragsforschung weitaus größere Finanz- bzw. Personalressourcen sowie die entscheidenden Umsetzungspotentiale zu erschließen und im Sinne der Programmstrategie auszurichten (Katalysatorwirkung des Forschungsprogramms; vgl. BMWV, 1998).

2. Ablauf von KL-Marketing

Traditionell funktioniert der Wissenstransfer in einem linearen Ablaufschema. Wissensproduzenten, d.h. Forscher, generieren wissenschaftliche Erkenntnisse auf Basis einer mehr oder weniger problembezogenen Forschungsfrage und geben diese an Wissensvermittler weiter (beispielsweise an wissenschaftliche Publikationsorgane, Tagungsveranstalter, Wissenschaftsagenturen usw.). Über diese gelangt das generierte Wissen zu den Anwender bzw. Betroffenen und hilft ihnen, bestehende Fragestellungen bzw. Probleme zu lösen. Dieser Prozess läuft eingebettet in die nationale bzw. internationale Wissenschaftspolitik ab und ist u.a. auch von dieser abhängig. Es stellt sich dabei die Frage, ob dieser sequentielle Zugang zum Wissenstransfer noch zeitgemäß ist, oder ob es nicht besser wäre, einen „Wissensdialog“ zu initiieren, bei dem Anwender, Wissensvermittler und Wissensproduzenten in einem interaktiven Dialog stehen – vor, während und nach der eigentlichen

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Haas und Meixner

270

Forschungstätigkeit, wie in untenstehender Abbildung dargestellt. „Die Wissensentwicklung … ist kein linearer Prozess, sondern bedingt intensiven Austausch zwischen ganz unterschiedlichen Akteuren“ (ROUX, 1997, 35f.). Dies entspricht den Zielen der Kulturlandschaftsforschung, die einen „Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis über Nachhaltigkeit“ initiieren will (vgl. http://www.klf.at). Der dargestellte Wissensdialog geht sehr stark in Richtung der sog. „Action Research“, die sich mit Problemen des täglichen Lebens, mit gemeinsamer Wissensproduktion und Problemlösungsfähigkeit generierten Wissens auseinandersetzt. „Ac-tion research focuses on solving context-bound real life problems. Knowledge production cannot be done without taking into account the wholeness of a situation“ (LEVIN und GREENWOOD, 2001, 105). In erster Linie geht es bei „Action Research“ darum, praxisrelevantes Wissen hervorzubringen. Dies kann allerdings nur dann funktionieren, wenn der Betroffene/der Anwender partizipatorisch in die Wissensproduktion integriert wird (vgl. REASON und BRADBURY, 2001, 2ff.). Das hier verwendete, der Anschaulichkeit halber sehr einfach gehaltene Modell des Wissensdialogs geht im Prinzip auf das sog. „Cogenerative Action Research Model“ zurück (vgl. LEVIN und GREEN-WOOD, 1998, 116). Dieses Modell war in der Folge auch Basis des unten vorgestellten Untersuchungsdesigns dieser Studie (siehe Abb. 2 und 3).

Linearer Wissenstransfer

Wissens-produzenten

Anwender /Betroffene

Wissens-vermittler

Wissenschaftspolitik

Wissensdialog

Wissens-produzenten

Anwender /Betroffene

Wissens-vermittler

Wissenschafts-politik

Abb. 2: Wissenstransfer und Wissensdialog

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

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Ein Kernelement von KL-Marketing ist die Untersuchung des Wissenstransfers in der KLF. Die Vorgehensweise von KL-Marketing gestaltete sich dabei nach dem folgenden Ablaufschema: Nach einem eingehenden Screening der Forschungsergebnisse über Experten–interviews mit den betroffenen Modulverantwortlichen/-koordi-natoren wurde eine Verdichtung der wissenschaftlichen Ergebnisse zu potentiellen „KL-Produkten“ vorgenommen. Aus der Vielzahl der möglichen Produkte wurden sodann über eine Gruppenentscheidung und anhand eines vorgegebenen Bewertungsrasters Produktfavoriten ausgewählt. Aus diesem reduzierten Produktpool wurden in einem finalem Bewertungsvorgang mittels eines spezifischen Entscheidungsunterstützungssystems drei konkrete Produkte ausgewählt, für die ein Marketingkonzept erstellt wurde, damit die Umsetzung, d.h. der Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse in praxistaugliche Produkte auf Basis ökonomischer Kriterien durchgeführt werden kann. Aus diesem Ablauf wird ersichtlich, dass diese Vorgehensweise damit prinzipiell dem suboptimalen, traditionellen Zugang zum Wissenstransfer entspricht, indem das Modul KL-Marketing als Wissensvermittler in den Prozess integriert wurde, um aus der Vielzahl der wissenschaftlichen Erkenntnisse anwendungsorientierte Problemlösungen abzuleiten.

Screening der Forschungsergebnisse Experteninterviews

Verdichtung zu potentiellen “KL-Produkten”

Produktauswahl: Produktfavoriten

Marketingkonzepte für 3 Produkte

Umsetzung

Screening der Forschungsergebnisse Experteninterviews

Verdichtung zu potentiellen “KL-Produkten”

Produktauswahl: Produktfavoriten

Marketingkonzepte für 3 Produkte

Umsetzung Abb. 3: Vorgehensweise von KL-Marketing

3. Wissenstransfer in der KLF

Ein erstes Ergebnis von KL-Marketing, das schon bei der Ausschreibung von KLF2 berücksichtigt wurde, schlägt im Rahmen

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Haas und Meixner

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des sog. „Forschungsleitfadens für Forschungsmarketing“ (vgl. HAAS und MEIXNER, 2002, 2ff.) vor, den Wissenstransfer schon frühzeitig in den Projektablauf zu integrieren. Entsprechend den Erkenntnissen der Marketingliteratur (vgl. KOTLER, 1999, 21ff.) wird daher vorgeschlagen, weg von einer Produktionsorientierung zu gelangen – im Extremfall werden die Ergebnisse aufgrund einer persönlichen Neigung des Forschers generiert und erst danach wird nach möglichen Anwendungen gesucht. „In der Marketingsprache würde man eine solche Denkhaltung als Produkt- oder Verkaufsorientierung bezeichnen … Eine solche Strategie funktioniert aber nur in Zeiten extremer Angebotsknappheit“ (HAAS und MEIXNER, 2002, 3). Vorteilhafter ist es, schon von Anfang an den potentiellen Nutzer der Erkenntnisse in die Projektgestaltung einzubeziehen und in diesem Sinne die Marketingorientierung in der Wissensproduktion zu forcieren. Überträgt man den Grundgedanken des Marketing–konzeptes, „daß der Schlüssel zur Erreichung unternehmerischer Ziele darin liegt, die Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes zu ermitteln und diese dann wirksamer und wirtschaftlicher zufrieden zu stellen als die Wettbewerber“ (KOTLER, 1999, 44) auf den Bereich der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, so sollte auch hier der potentielle Anwender (i.e. der Zielmarkt der Wissenschaft) schon frühzeitig in den Erkenntnisprozess integriert werden. Dies sollte naturgemäß vor allem dann berücksichtigt werden, wenn anwendungs- und weniger grundlagenorientiert geforscht wird.

4. Untersuchungsdesign und Expertenbefragung

Damit die Fülle der generierten Erkenntnisse überblickt werden konnte, war es notwendig, mit den Modulverantwortlichen/-koordinatoren ein ausführliches Expertengespräch zu führen. Dabei wurde nicht nur danach gefragt, welche möglichen Produkte aus der Sicht der beteiligten Forscher aus dem jeweiligen Modul abgeleitet werden könnten, sondern die Forschungstätigkeit wurde in ihrer Gesamtheit betrachtet. Es wurden die persönliche Motivation der Forscher, die Fähigkeiten (Skills), der Zeitaufwand, die Anwender, die Öffentlichkeit usw. in die Expertenbefragung integriert. Grundsätzlich

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

273

orientiert sich das Untersuchungsdesign an einem zweiteiligen Schema (siehe Abb. 4): (1) der/die Forscher/in (2) die Umwelt, in der sich der/die Forscher/in bewegt Als Überschneidungsbereich wurden die Ergebnisse/Produkte sowie deren Übertragbarkeit in das Untersuchungsdesign integriert. Prinzipiell wurde in diesem Untersuchungsdesign der Wissensdialog berücksichtigt, indem die Anwender, die Generierung der Forschungsfragen/der Problemstellung (= Wissensproduktion) als auch die Produkte (= Wissensvermittlung) berücksichtigt wurden. Schematisch kann demnach über den „Forschungsraum“ in Abb. 4 der Wissensdialog gelegt werden, wobei sich zwei zentrale Fragestellungen zur Hypothesengenerierung ergeben: 1. Wurde die Fragestellung extrinsisch (d.h. vom Anwender

ausgehend) oder intrinsisch (vom Forscher ausgehend) generiert? 2. Erfolgte die Forschungstätigkeit eher anwendungsorientiert (d.h. im

Hinblick auf eine konkrete Anwendung) oder grundlagenorientiert?

Forscher

Persönliche Motivation

Generierung derForschungsfragen/

Problemstellung

Skills

Zeitaufwand für Projekt

Hemmende/förd. Faktoren

Übertrag-barkeit

ErgebnisseProdukte

Übertrag-barkeit

ErgebnisseProdukte

UmweltAnwender

Scientific Community

Gate Keeper- Opinion Leader- Stakeholder- Politik

Öffentlichkeit

Chancen/Risiken

Abb. 4: Untersuchungsdesign – Inhalte der Expertenbefragung Die Forschungshypothese von KL-Marketing lautet demnach:

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Haas und Meixner

274

• Es besteht ein Zusammenhang zwischen extrinsischer/intrinsischer Generierung der Forschungsfragen bzw. zwischen der Anwendungs-/Grundlagenorientierung der Forschungstätigkeit

• und der Verwertbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse i.S. von marktfähigen Produkten.

Es wird also vermutet, dass der Wissenstransfer abhängig davon ist, inwieweit die Generierung der Forschungsfragen in Kooperation mit dem Anwender erfolgt oder diese überhaupt vom Anwender kommt bzw. wie anwendungsorientiert das jeweilige Forschungsvorhaben ist. Damit diese Hypothese geprüft werden konnte, wurden annähernd alle Modulverantwortlichen/-koordinatoren befragt. Die Ergebnisse, die sich daraus ableiten lassen, sind Gegenstand der folgenden Ausführungen. Im Rahmen der KLF1 wurden folgende Module bearbeitet: 1. Indikatoren der Nachhaltigkeit (IN2, IN4, IN5) 2. Sicherung der Biodiversität und Lebensqualität (BD1, LQ1) 3. Genese, Wandel und Wahrnehmung der Kulturlandschaft (KK1,

KG2) 4. Multifunktionalität und Nutzungskonflikte (MU2, MU4_P1,

MU4_P2, MU7, MU11) 5. Überregionale und regionale Steuerung und Umsetzung (SU1,

SU2, SU11, ÖR7, Regionswettbewerb, Filmmodul) + Pilotprojekte, Begleitprojekte, Syntheseprojekte Die Bezeichnung der jeweiligen Module orientiert sich an der Zugehörigkeit zu einem der 5 Themenschwerpunkte (IN für Indikatoren, BD für Biodiversität usw.). Bis auf die Module IN2, MU4_P2 und dem Filmmodul konnten alle Forschungsmodule in die Expertenbefragung einbezogen werden. Naturgemäß nicht einbezogen wurden die Begleitmodule von KLF1 (unter die auch KL-Marketing zu zählen ist) sowie die Syntheseprojekte (die zeitlich nachgelagert sind). Insgesamt wurden 15 Expertengespräche mit Modulverantwortlichen sowie eines mit einem Verantwortlichen eines Pilotprojekts geführt, von denen jedes zwischen 1,5 und 2 Stunden in Anspruch genommen hat. Der Zeitraum der Befragung erstreckte sich von April bis zum November 1999.

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

275

ForscherUmwelt

Persönliche Motivation

Generierung derForschungsfragen/

Problemstellung

Skills

Zeitaufwand für Projekt

Hemmende/förd. Faktoren

Chancen/Risiken

Übertrag-barkeit

ErgebnisseProdukte

Anwender

Scientific Community

Gate Keeper- Opinion Leader- Stakeholder- Politik

Öffentlichkeit

Chancen/Risiken

extrinsisch vs. intrinsisch

Anwendungvs.

Grundlagen

Abb. 5: Wissensdialog im Untersuchungsdesign von KL-Marketing

5. Ergebnisse der Expertenbefragung

5.1 Produkte – Gruppenentscheidung mittels Beurteilungsraster

Aufgrund der Vielzahl der wissenschaftlichen Publikationen und Berichtsbände, war es in einem ersten Schritt notwendig zu analysieren, welche dieser Ergebnisse überhaupt taugliche Produkte hervorgebracht haben könnten. Hierzu wurde in einer Gruppenentscheidung, an der alle KL-Marketing-Projektmitarbeiter, das Bundesministerium sowie die KLF-Koordinationsstelle beteiligt waren, mithilfe eines einfachen Bewertungsrasters 32 potentielle Produkte und aus diesen wiederum 8 konkrete Produktfavoriten herausgefiltert. Der Bewertungsraster bediente sich dabei der Kriterien (1) Produktreife, (2) Umsetzbarkeit und (3) eindeutige Identifikation der Zielgruppe.

5.2 Produktfavoriten – Gruppenentscheidung mittels Entscheidungsunterstützungssystem (AHP)

In einem letzten Schritt erfolte die Auswahl von drei konkreten Projektergebnissen, für die ein Marketingkonzept erstellt wurde. Damit

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Haas und Meixner

276

hierbei nur die wirklich besten Projekte berücksichtigt wurden, verwendete KL-Marketing einen relativ komplexen Bewertungsvorgang, den sog. Analytischen Hierarchieprozess. Der AHP kommt insbesondere bei mehrkriteriellen Entscheidungen zur Anwendung (wie im vorliegenden Fall; vgl. WEBER, 1993). „The Ana-lytic Hierarchy Process (AHP) is a theory of measurement for dealing with quantitative and/or intangible criteria“ (VARGAS, 1990, 2). Vereinfacht gesagt, wird beim AHP stets eine Entscheidungshierarchie aufgestellt, anhand der die darin enthaltenen Kriterien zur Beurteilung von gegebenen Alternativen herangezogen werden kann (vgl. SAATY, 1994, 427ff.). Letztere sind die nach dem letzten Evaluierungsprozess verbleibenden 8 KLF-Produktfavoriten. Die Entscheidungshierarchie zur Bewertung dieser Alternativen hatte das folgende Aussehen:

Zielgruppe Kosten *) PR-Wirksamkeit Produktreife USP Lebensdauer

internet seminar sim-klf info-sys gem-pros exp-sys röb plan-sof

Produktauswahl

Abb. 6: AHP-Schema zur KLF-Produktauswahl *) Aufgrund der geringen Gewichtung der Kosten wurde die anfängliche Trennung in laufende Kosten/Produktentwicklungskosten wieder aufgegeben. Quelle: HAAS et al. (1999)

Aus der Gruppenentscheidung, bei der diese Entscheidungshierarchie evaluiert wurde, konnten schließlich drei konkrete KLF-Produkte abgeleitet werden, für die jeweils ein Marketingkonzept erstellt wurde (vgl. HAAS und MEIXNER, 2002, 9ff.; HAAS et al., 1999): eine KLF-Lernsoftware, eine KLF-Seminarreihe sowie ein Expertensystem zur Risiko-Evaluierung alpiner Flächen.

5.3 Hypothesenprüfung

Systematisiert man die Ergebnisse aus der dargestellten Expertenbe-fragung hinsichtlich der Kriterien • extrinsische vs. intrinsische Generierung der Forschungsfragen • Anwendungsorientierung der Forschung vs. Grundlagenorien–

tierung der Forschung

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

277

• Berücksichtigung von Forschungsergebnissen als Produktfavorit(en) vs. Nichtberücksichtigung

• Anzahl der abgeleiteten Produkte so ergibt sich daraus untenstehende Tabelle. Tab. 1: Aggregierte Ergebnisse von KL-Marketing IN1 IN2 IN3 BD1 BD2 KG1 KG2 MU1 MU2 MU3 MU4 SU1 SU2 SU3 SU4 SU5 Pilot

Interviews ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü

Anwendung

Grundlagen

A (A) A A

G

G

G

A A A

G

A A A A

G

A

Extrinsisch

Intrinsisch

Ex (Ex)

In

In

In

In

In

Ex Ex Ex Ex Ex

In

Ex Ex Ex Ex

Abgeleitete

Produkte a

1 2 1 2 1 0 1 2 3 2 1 5 2 2 3 3 1

Favoriten b ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü (A) (Ex) … Annahme von KL-Marketing aufgrund der publizierten Forschungsergebnisse a Gruppenentscheidung mittels Beurteilungsraster b Gruppenentscheidung mittels Entscheidungsunterstützungssystem (AHP); z.T.

wurden verschiedene Projektergebnisse zu einem Produkt aggregiert, weshalb zwar 8 Produktfavoriten ermittelt aber 10 Module berücksichtigt wurden.

Quelle: HAAS und MEIXNER, 2002, 9ff.

Die Zuordnung zu den jeweiligen Ausprägungen gründet sich einerseits auf die Aussagen der befragten Modulverantwortlichen/-koordinatoren und andererseits auf einer Zuordnung durch KL-Marketing auf Basis der Antworten der Probanden im Vergleich zu den erzielten Forschungsergebnissen. Eine eindeutige Zurechnung zu der einen oder anderen Ausprägung ist nicht immer einfach, häufig könnte sowohl anwendungs- als auch grundlagenorientiert, sowohl extrinsisch als auch intrinsisch klassifiziert werden. Die Zuordnung ist daher so zu verstehen, dass das jeweils überwiegende Element gewählt wurde. Aggregiert man diese Tabelle im Hinblick auf die Anzahl der ermittelten Produkte, so zeigt sich, dass deutlich mehr potentielle Produkte abgeleitet werden konnten, wenn die Kombination extrinsische Generierung der Forschungsfrage + Anwendungsorientierung gegeben war (21 von 32 denkbaren Produkten).

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Haas und Meixner

278

17

12anwendungsorientiert

5grundlagenorientiert

12anwendungsorientiert

5grundlagenorientiert

9extrinsisch

3intrinsisch

2extrinsisch

3intrinsisch

9extrinsisch

3intrinsisch

2extrinsisch

3intrinsisch

… 21 Produkte

… 5 Produkte

… 4 Produkte

… 2 Produkte

32 Produkte

… 21 Produkte

… 5 Produkte

… 4 Produkte

… 2 Produkte

… 21 Produkte

… 5 Produkte

… 4 Produkte

… 2 Produkte

32 Produkte Abb. 7: Aggregierte Ergebnisse und KLF-Produkte Dies deutet auf eine Bestätigung der in obiger Forschungshypothese geäußerten Vermutung hin, dass die Grundausrichtung der Forschungstätigkeit und die Generierung der Forschungsfragen ursächlich im Zusammenhang stehen mit der späteren Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse. Damit diese Vermutung auch ihren Niederschlag in einer fundierten statistischen Betrachtung findet, wurde im Folgenden untersucht, inwieweit der Zusammenhang zwischen • der Auswahl als Produktfavorit = Operationalisierung der

Variablen „Verwertbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse i.S. von marktfähigen Produkten“ in obiger Hypothese

• und extrinsisch/intrinsisch = Operationalisierung der Variablen „extrinsische vs. intrinsische Generierung der Forschungsfragen“ in obiger Hypothese

• und Anwendungs- vs. Grundlagenorientierung = Operationalisierung der Variablen „Anwendungs- vs. Grundlagenorientierung der Forschungstätigkeit“ in obiger Hypothese

nachgewiesen werden kann. Die hierzu durchgeführte Kontingenzanalyse leidet zwar unter der Schwäche der geringen Fallzahl (diese ist aber

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

279

insofern unproblematisch da praktisch eine Vollerhebung durchgeführt wurde und daher kein Repräsentanzschluss notwendig ist), gibt aber recht gute Hinweis darauf, inwieweit die vermuteten Zusammenhänge statistisch gesichert sind. Die Kreuztabelle für die Variablen „extrinsisch/intrinsisch“ und „Produktfavorit“ zeigt deutliche Unterschiede zwischen der festgestellten Zellenbesetzung und der aufgrund der Gesamtverteilung zu erwartetenden Zellenbesetzung. Diese Unterschiede sind statistisch signifikant, was durch den in Abb. 8 dargestellten Chi-Quadrat-Test bestätigt wird. Der Chi-Quadrat Test nach Pearson und die Likelihood-Statistik liefert für unsere Zielsetzung die aussagekräftigsten Koeffizienten, da nominalskalierte Daten analysiert wurden (vgl. BACKHAUS et al., 2000, 246). Beide Koeffizienten lassen die Ablehnung der Nullhypothese, dass kein Zusammenhang zwischen den betrachteten Variablen bestehe, zu. Ein für die Variablen „Auswahl als Produktfavorit“ und „Anwendungs- vs. Grundlagenorientierung“ simultan durchgeführte Kontingenzanalyse lässt die Ablehnung der Nullhypothese hingegen nicht zu, womit davon auszugehen ist, dass die Anwendungs- bzw. Grundlagenorientierung mit der Zuordnung als Produktfavorit nicht im Zusammenhang steht. Dieses Ergebnis ist einerseits überraschend, da ursprünglich von der Vermutung ausgegangen wurde, dass auch die Grundausrichtung der Forschungstätigkeit mit der „Marktorientierung“ der wissenschaftlichen Ergebnisse in Zusammenhang steht. Andererseits zeigt sich damit aber – zumindest für den Bereich der Kulturlandschaftsforschung – wie wichtig im Prinzip die Generierung der Forschungsfrage ist, sofern der Wissenstransfer als vorrangiges Ziel des Forschungsprogramms zu interpretieren ist.

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Haas und Meixner

280

Chi-Quadrat-Tests

6,804b

1 ,009

4,380 1 ,036

7,197 1 ,007

,035 ,018

6,403 1 ,011

17

Chi-Quadrat nachPearson

Kontinuitätskorrektur a

Likelihood-Quotient

Exakter Test nach Fisher

Zusammenhanglinear-mit-linear

Anzahl der gültigen Fälle

Wert df

AsymptotischeSignifikanz(2-seitig)

ExakteSignifikanz(2-seitig)

ExakteSignifikanz(1-seitig)

Wird nur für eine 2x2-Tabelle berechneta.

3 Zellen (75,0%) haben eine erwartete Häufigkeit kleiner 5. Die minimale erwarteteHäufigkeit ist 2,47.

b.

Kreuztabelle

9 2 11

6,5 4,5 11,0

1 5 6

3,5 2,5 6,0

10 7 17

10,0 7,0 17,0

Anzahl

Erwartete Anzahl

Anzahl

Erwartete Anzahl

Anzahl

Erwartete Anzahl

extrinsisch

intrinisch

extrinsisch vs.intrinsisch

Gesamt

Produktfavoritkein

Produktfavorit

Produktfavoriten

Gesamt

Abb. 8: Kontingenzanalyse Quelle: SPSS-Output Je mehr und je früher der potentielle Anwender in die Formulierung der Forschungsfrage eingebunden ist, umso eher ist zu erwarten, dass am Ende des Forschungsprozesses ein vermarktbares Produkt steht. Dass dies nicht immer das Hauptziel einer jeden Forschungstätigkeit sein muss, ist unbestritten, da die Ausrichtung der Forschung in Richtung vermarktbarer Produkte nicht nur Chancen sondern auch Risiken in sich birgt. Auch treten weitere Faktoren zutage, die sich sowohl fördernd als auch hemmend auf den Wissenstransfer auswirken können. Die damit im Zusammenhang stehenden Sachverhalte bilden den Abschluss der hierin vorgestellten Untersuchungsergebnisse.

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

281

5.4 Chancen vs. Risiken und fördernde vs. hemmende Faktoren des Wissenstransfers

Im Sinne einer klassischen Situationsanalyse eines Systems betrachtet man zunächst die Untersuchungseinheit selbst (hier der Forscher) und analysiert deren Stärken und Schwächen (i.e. Ressourcenanalyse) und sodann die Umwelt der Untersuchungseinheit und analysiert diese hinsichtlich Chancen und Risiken (i.e. Chancen-/Risikenanalyse; vgl. MEFFERT, 1991, 56ff.). Dieser Zugang des klassischen Marketings wurde auch im Rahmen dieser Untersuchung gewählt. Die aggregierten Ergebnisse wurden im genannten „Forschungsleitfaden für Forschungsmarketing“ (vgl. HAAS und MEIXNER, 2002, 2ff.) zusammengefasst. Einerseits können damit in der betrachteten Untersuchungseinheit Stärken oder Schwächen festgestellt werden, die sich fördernd bzw. hemmend auf den Wissenstransfer auswirken können. Meist steht einem hemmenden Faktor, z.B. das sprachliche Problem, auch ein fördernder Faktor gegenüber: wurde eine gemeinsame Sprache gefunden, wirkt sich dies positiv auf den Wissenstransfer aus.

Öffentlichkeit

ForscherUmweltPersönliche Motivation

Generierung derForschungsfragen/

Problemstellung

Skills

Zeitaufwand für Projekt

Übertrag-barkeit

ErgebnisseProdukte

Anwender

ScientificCommunity

Gate Keeper- Opinion Leader- Stakeholder- Politik

Hemmende/förd. Faktoren Chancen/Risiken

Abb. 9: Situationsanalyse KLF und Wissenstransfer

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Haas und Meixner

282

Andererseits werden damit in der betrachteten Untersuchungseinheit Stärken oder Schwächen festgestellt, die sich fördernd bzw. hemmend auf den Wissenstransfer auswirken können. Meist steht einem hemmenden Faktor, z.B. das sprachliche Problem, auch ein fördernder Faktor gegenüber: wurde eine gemeinsame Sprache gefunden, wirkt sich dies positiv auf den Wissenstransfer aus. Tab. 2: Ressourcenanalyse Fördernde Faktoren / Stärken Hemmende Faktoren / Schwächen Entwicklung gemeinsamer Sprache sprachliches Problem Mut zur Lücke und zur Komplex-Reduktion unterschiedliche Genauigkeitsansprüche,

Spezialistentum ausreichende zeitliche & finanzielle Ressourcen, möglichst frühe Implementierung

Zeit-, Personal- und Geldmangel

Unterstützung durch externe Dienstleister (Forschungsmarketing)

mangelndes Know-how, mangelnder Nutzen für den Forscher

Generierung Forschungsfragen mit Anwendern mangelnder Dialog mit der Praxis Berücksichtigung in der Evaluierung Karriereerfordernisse in der Forschung politische Hemmnisse

Quelle: HAAS und MEIXNER, 2002, 5f.

Tab. 3: Chancen-/Risikenanalyse Chancen Risiken mehr Publicity, Evaluierung Ergebnisse in der Praxis

Banalisierung der Forschungsergebnisse, Beschränkung auf öffentlichkeitswirksame Inhalte

mehr Akzeptanz für Forschung zu hohe Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit

höhere Anwendungsorientierung weniger Mittel für Grundlagenforschung höhere Kooperationsbereitschaft Forschung – Praxis

negative Selektion

Erschließung Finanzierungsquellen, Synergieeffekte (vergleichbare Forschungsprojekte)

Schwerpunktverschiebung Forschung → Administration

Feedback von Außen, Anregung Diskussionsprozess

Freiheit der Wissenschaft

höhere Transparenz der eigenen Forschung

Einschränkung der Flexibilität in der Forschung

Quelle: HAAS und MEIXNER, 2002, 6f.

Den in Tab. 2 aufgeführten Stärken und Schwächen stehen Chancen und Risiken auf Seiten der Umwelt gegenüber (siehe Tab. 3). Trifft ein

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

283

fördernder Faktor, z.B. die persönliche Bereitschaft des Forschers, wissenschaftliche Erkenntnisse komplex-reduziert aufzubereiten auf eine Chance in der Unternehmensumwelt (z.B. Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen aus der Industrie), so wirkt sich dies auf den Wissenstransfer äußerst positiv aus. Umgekehrt birgt natürlich die Kombination „hemmender Faktor“ + „Risiko“ negative Konsequenzen für den Wissenstransfer. Welche Seite letztendlich überwiegt, hängt einerseits stark von der persönlichen Disposition des Forschers ab und dürfte andererseits auch mit der nationalen und internationalen Forschungspolitik im Zusammenhang stehen, womit wir wieder bei den eingangs gemachten Ausführungen zum Wissenstransfer wären. Letztlich hängt es auch vom Willen und den Zielen der Forschungspolitik ab, inwieweit ein effizienter Wissenstransfer gewollt ist.

6. Fazit

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden: 1. Der Wissenstransfer birgt bestimmte Chancen und Risiken für die

Forschung. Die Abwägung, inwieweit die Chancen die Risiken überlagern, hängt nicht zuletzt von der Forschungspolitik und von den Stärken und Schwächen der beteiligten Forscher ab.

2. Je mehr der Anwender in die Problemstellung involviert wird, umso mehr praxisrelevante Ergebnisse sind zu erwarten. Die extrinsisch motivierte Forschung wirkt sich daher positiv für den Wissenstransfer aus.

Zusätzlich zu den dargestellten Erkenntnissen muss festgehalten werden, dass die Zeit eine relevante Komponente des Wissenstransfers ist. Je früher die Erkenntnisverwertung in den Forschungsablauf integriert wird, umso eher gelingt der Wissensdialog. Forschungsmarketing kann hierbei wichtige Hilfestellungen leisten, indem klassische Marketinginstrumente auch in den Forschungsablauf integriert werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass gerade schwer erklärbare Forschungsprogramme eines effektiven Forschungsmarketings i.S.e. Wissensdialogs bedürfen, damit die breite Öffentlichkeit von ihnen Notiz nimmt. Letztlich haben die Erkenntnisse von KL-Marketing dazu beigetragen, dass bei KLF2 das

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Haas und Meixner

284

Forschungsmarketing schon bei Projektstart Berücksichtigung fand. Dies stellt sicher, dass der Wissensdialog auch tatsächlich realisiert werden kann.

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KLF- Forschungsmarketing und Wissenstransfer

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Anschrift der Verfasser:

Dr. Rainer Haas, Dr. Oliver Meixner

Universität für Bodenkultur Wien

Institut für Agrarökonomik A-1190 Wien, Peter Jordan Str. 82

[email protected], [email protected]

Tel +43 1 47654-3560

Fax +43 1 47654-3562

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On farm fruit processing – an alternative for im-

proving income situation on Slovene fruit farms Obstverarbeitung am Bauernhof - eine Alternative zur Einkommensverbesserung bei Obstbauern

Darja MAJKOVIČ, Črtomir ROZMAN und Jernej TURK

Zusammenfassung

Die Verarbeitung der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse verbessert das Einkommen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Erzeugung der verschiedenen Eigenprodukte (Schnaps, Apfelsaft und Apfelessig) öffnet eine neue Möglichkeit und trägt zur Existenzsicherung der Bauernhöfe bei. In dem Artikel werden zwei traditionelle Obstprodukte analysiert: Apfelsaft und Apfelessig. Mit der Anwendung eines Simulationsmodels wurden ökonomische Indikatoren der beiden Produktionen berechnet. Die Resultate zeigen, dass die Alternative der Verarbeitung des Obstes bessere finanzielle Resultate bringt als der Verkauf an die Verarbeitungsindustrie. Trotzdem gibt es in der Praxis viele Hindernisse und Probleme für die Obstbauer: hoher Administrationsaufwand, lange, legislative Prozeduren und eine sich ständig ändernde Rechtslage. Schlagworte: Obstverarbeitung, Simulationmodels, SWOT Analyse

Summary

Supplementary activities contribute to the improvement of agricultural income and consequently of better working conditions and higher living standards. They ensure a continued agricultural land use and thereby contribute to the maintenance of a viable rural community. The home fruit processing as a supplementary on-farm activity is dis-cussed here as a tool for improving income on Slovene fruit farms. Two types of fruit products are introduced – apple vinegar and apple juice. Economic indicators, derived by simulation modelling, show that home fruit processing is more profitable than simply selling fruits to

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Majkovič, Rozman, Turk

288

fruit processing industry. In practice, however, Slovene farmers meet many obstacles, such as long-lasting procedures, a bulk of administra-tive work and constant changes in legislation referring to this field. Keywords: supplementary activities, on farm fruit processing, simula-tion models, SWOT analysis

1. Introduction

Fruit production in Slovenia contributes merely 3.5 % to Gross Agricul-tural Output (GAO), but nevertheless it is one of most prosperous pro-duction orientation in Slovenian agriculture. Furthermore, the fruit production is one of the few agricultural branches where no income decline after EU accession is expected. On the other hand, unfavour-able size and production structure of private farms in Slovenia hinders fruit growers to achieve sufficient income levels. Likewise, each season due to inability to meet quality requirements a considerable share of fresh fruits cannot be sold in the market. These fruits can either be sold to fruit processing industry or can be processed directly on the farm (e.g., on-farm supplementary activity). Prices achieved for home made fruit products such as brandy, dry fruits, vinegar and cider are much higher than prices of fruits sold to the fruit processing industry. Several supplementary activities on fruit farms; most notably home fruit proc-essing are being encouraged by Slovene agricultural policy makers. However, the vague and insufficient legislation hinders a further effi-cient development of home fruit processing. The main objective of this paper is to examine possibilities for home fruit processing and its eco-nomic impact on the performance of individual fruit farms. Two types of home fruit processing (apple juice and apple vinegar) are discussed here.

2. Overview of on-farm supplementary activities in Slovenia

In terms of Gross Domestic Product (2.9 percent in year 2000), em-ployment (5.6 percent in year 2000) and export earnings, agriculture has a relatively modest place in the Slovenian economy. However it has a fundamental role as an economic and social stabilizer, meaning that the sector as a whole is of a great strategic importance.

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On farm fruit processing

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According to data of the Census of Agriculture, carried out in June 2000, there are 96669 individual agricultural holdings and 132 agricul-tural enterprises in Slovenia. The average size of utilised agricultural area (UAA) of private farms and agricultural enterprises is 4.8 and 220.7 hectares, respectively. The most common size of agricultural holdings is between 1 and 4 hectares UAA. The number of agricultural holdings with more than 10 hectares of UAA is increasing. Agricul-tural holdings use 517932 hectares of agricultural area, which is 3.5% more than at the 1999 Sample Survey of Areas Sown. According to data of the 2000 Census of Agriculture, there are more orchard plantations (by 16.3%), permanent grassland (by 5.4%), vineyards (by 4.2%) and arable land (by 0.9%) than in 1999 (SURS, 2002). In Slovenia almost 5000 agricultural holdings are engaged in intensive fruit growing. They grow various varieties of fruit trees on slightly less than 5250 ha of land. 72.8% of the area of orchard plantations is culti-vated and maintained by family farms, with the average size of the orchard plantation of 0.7 ha per farm. The structure of fruit varieties in orchard plantations in Slovenia is rather one-sided. As regards total and fertile area, and even more as regards total and fertile trees, apple trees absolutely predominate (1,8 million fertile apple trees), followed by peaches, olives and pears, while the shares of other varieties are almost negligible (SURS, 2002). Just under 6% of the Slovene family farms are engaged in some sort of supplementary activities. Among them, three activities predominate: services with agricultural machinery, food processing and wood proc-essing. Relatively widely developed are also farm tourism and cottage industry. Predominant types of supplementary activities differ significantly be-tween regions. The difference can probably be attributed to specific local conditions for development of individual activities (natural re-sources, spatial characteristics, proximity of markets). The share of family farms with supplementary activities rises with the size of the farm. Nevertheless, more than a half (54%) of family farms engaged in supplementary activities are farms with 1 - 5 ha of UAA. Additional 25% of supplementary activities take place on family farms with 5 – 10 ha of UAA. The probability that a family farm will decide for engage-

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ment in a supplementary activity grows with additional labour force input on the family farm. However, also in this case most supplemen-tary activities are registered on family farms with 1 to 2 annual work units (AWU), which represents 81% of all family farms engaged in supplementary activities (SURS, 2002). One of the most typical problems of Slovene agricultural sector appears also here – insufficient farmers education, which is in most cases pre-requisite for using the available sources of financing. As far the level of school education is concerned, holders of family farms differ consid-erably from the average of the labor force in Slovenia. According to SURS (2002), 38% of holders have vocational or upper secondary edu-cation and 59% have elementary education or are without formal edu-cation. Deriving from the criterion of formal agricultural education achieved, the situation as regards professional qualification of holders is even less favorable. Only 15% of them have finished at least one of the programs of agricultural education. The development of supplementary activities is recognized as a neces-sity for the long-term viability and survival of farm business in Slove-nia. The core of this kind of development are innovative ideas sug-gested by entrepreneurial farmers. Local specifics of rural regions are incorporated within existing on-farm activities in Slovenia – cottage industry like pottery-making, farm tourism and food processing. Sup-plementary activities can be described as a tool for improving income in one way and they emphasize on employment-opportunity creation on the other way. Unfortunately, there is no statistical data available about economic impacts of these activities in rural areas on farm busi-ness and consequently their prospects for sustainable growth. Like-wise, evaluation of local/regional institutions and legislation impact have not been studied yet. Economical and social security for small farmers can be achieved by employment outside agricultural sector or by implementing supplementary activities. In last few years, some self-employment projects in rural areas have been going on in Slovenia. The field of home processing and marketing of food products was recognized as an important job-creation opportunity. Activities were organized to support development of supplementary activities and support services on farms.

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2.1 The impact of legislation necessary for fully implementing the home fruit processing

Slovenia started to implement its own agricultural policy in 1991. Most policy measures are compatible to the EU measures and harmonized with “the IV. Pillar of agricultural policy reform” - with emphasis on the multifunctional role of agriculture. In the program called “Rural development” - the main goals are measures for achieving the eco-nomical diversification in rural areas with supports for alternative sources of income, added value of products and innovative programs for economic development and landscape management. To strengthen the role of the countryside, “Rural Development Pro-gram (CRPOV)” was introduced in nineties and has greatly contrib-uted to the systematic approach to development issues in the country-side. By implementing the “Law of agriculture” in year 2000, bases for legislation of on-farm supplementary activities were created and de-fined. Activity holders are not necessarily just owners or leaseholders of the farms, but also the family members living and working on the farm. The extent of these activities is limited by the income, which can reach 1.5 and in less-favoured areas maximum 3 average salaries per employee in Slovenia. For fruit processing there are some specific de-mands defined by special regulations. For performing food processing the peasant must assure minimum 50% of his own yield and in case of especially high loss in the unfavorable season at least 20% of own yield. Regulations also define hygienic and sanitary conditions for perform-ing activities and required education of individual activity holders. Until 1999, Slovenia has been one of few countries with no taxes im-posed for home produced strong alcoholic beverages. In 1999, how-ever, the excise duty amounts for brandy produced by small producers were determined. Since then every owner of distilling equipment of volume 40 litres and more has been compelled to report annual brandy production to the tax collector. There exists a considerable interest on the part of peasant farmers to achieve parity income through home-fruit processing. Nonetheless, farmers emphasize long-lasting procedures, a lot of administrative work and constant changes in legislation which all inhibit their will-ingness to act in this field.

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2.2 The financing of supplementary on-farm activities

The financing and investments when starting supplementary activities are high, and exposed to specific risks in agricultural sector (e.g. cli-matic variations and price risks) but they lead to improvement and rationalization of processing and marketing of agricultural products and thereby contribute to increasing competitiveness and added value of such products. Complementary on-farm activities are financed from different sources: • Partly by the Ministry of Agriculture, Forestry and Food. Its budget

contains an expenditure item called “Supports for economic diversifi-cation of rural areas – alternative income sources”, with the aim of creating new job opportunities for rural inhabitants and development of supplementary activities, especially farm tourism. Supports can reach up to 50 per cent of evaluated investment. Expected budget for this specific item may increase by 10 percent from year 2002 to 2003. The other expenditure item, referring directly to supplementary on-farm activities is called “Supports for restructuring and renovation of agricultural production” where the budget is also expected to rise by 7% in 2003 as compared to 2002 (SURS, 2002).

• partly by Ministry of Economic Affairs , • contributions from local institutions, • funds from the program SAPARD (Special Accession Program for

Agriculture and Rural Development), which contains presumption of co-financing of on-farm supplementary activities. AAMRD (Agency for Agricultural Markets and Rural Development) has been accred-ited as the SAPARD Agency, which will be responsible for imple-menting rural development measures for Slovene agricultural sector. Individual farmers, local communities and institutions are eligible to apply for SAPARD funds.

In our opinion, Slovene institutions give financial preferences to farm tourism and domestic craft, whereas neglect many other also important types of supplementary activities (food processing, wood processing, etc.).

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3. Methods

3.1 Simulation modeling

In order to estimate costs and returns of different types of fruit process-ing on farms the data on technical parameters must be either compiled or calculated. Since technical parameters vary on different fruit farms, the simple production technologic economic models were used in or-der to derive enterprise budgets of different types of home fruit proc-essing. The simulation modelling is often used in farm management analysis especially when there is no reliable data on analysed produc-tion. The model is, in brief, a simplified image of real system (in this case agricultural production – home fruit processing). Models can be divided into scale models and mathematical models. The farm man-agement scientists tend to employ mathematical models rather than scale models. The origin of simulation modelling comes from the sys-tem analysis. The system here is a process of home fruit processing (i.e., apple vinegar production). The method consists of extracting mathematical equation between elements of a system in order to calculate system outputs. The outputs would be quantities of home fruit products and production costs. However, the method of simulation modelling consists of following steps: • Problem formulation and definition of the goals of empirical analysis The key model development objective in farm management is usually the estimation of costs and returns. In order to do that the farm man-agement researcher needs technical data of a production (inputs used, working time used). This particular type of simulation is referred to as a technologic economic simulation. Alongside the cost analysis other analyses can also be conducted using simulation modelling (for in-stance biological simulation: calculation of expected yield according to weather conditions, fertilisation, pest management, etc.). Both types of simulation can also be combined. • System analysis of the problem under scrutiny In order to express relationships in the system and express them with mathematical equations the complex analysis of a system is needed.

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System analysis of apple vinegar production: Fruit picking à melting à pressing àalcoholic fermentationà vinegar acid fermentation à filling the vinegar into bottles à marketing System analysis of apple juice production: Fruit picking à melting à pressing àpasterisation à filling the juice into bottles à marketing • Formulation of the mathematical model In this stage the relationships between system elements are expressed with mathematical equations. For the farm management analysis the amount of input used (material and working time) must be calculated (technological model) in order to calculate costs in next stage (multi-plying results of technological models with input prices). The basis for the calculation of time working are capacities, technological working normatives and special equations in order to estimate product quantity out of basic raw material (in this case fruits). The direct result of such a model is a calculation of operative production costs that represents the basic information for deriving the enterprise budget (calculation of operative production costs can easily be upgraded with corresponding fixed costs). • Calculation of the model on a computer/computer simulation A farm management simulation model usually consists of a series of equations. “Hand calculation” of those would be time consuming, therefore, an appropriate computer tool must be applied. In our case, the spreadsheet models were applied. • Model experimentation In this stage the actual simulation is going on. Sensitivity analysis is often employed in order to carry out model analysis. • Result analysis and model verification In the last stage the model results are compared with “the real world situation”.

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3.2 The SWOT analysis

The SWOT analysis represents a tool for auditing internal (strengths and weaknesses) and external (opportunities and threats) factors. After the SWOT analysis is completed, strengths must be built (encouraged), weaknesses resolved, opportunities exploited and threats avoided.

4. Results

4.1 Simulation models

Our model results suggest that higher profits can be earned with home fruit processing than simply selling fruits to the fruit processing indus-try (see table 1 and 2). Supplementary activities contribute to the im-provement of agricultural income and consequently of higher living standards and improved working conditions. They ensure continued agricultural land use and thereby contribute to the maintenance of a viable rural community. Slovene agricultural sector will have to adapt to new realities and further changes in market policy, trade develop-ments and consumer demands. These changes will affect not only agri-cultural markets but also local economies in rural areas, and one way of successfully resolving this situation would be the implementation of supplementary activities. The issue of supplementary activities on farms and also their impact on farm income does not represent a new phenomena in Slovenia, but a new flourishing wave is to be seen in the last decade in the area of its diversification and extent. But in practice farmers face many obstacles which hinder their successful performance in agricultural market and do not allow them to achieve sufficient in-come levels. By assuming that expected prices would be achieved in both cases (vinegar, juice), profits were higher than when simply selling product to fruit processing industry (the financial result for this alternative was calculated as product of expected fruit price and yield intended for fruit processing). It must also be stressed out here that there is a small difference between processing farm using its own fruits or fruits pur-chased by other farmers - as a result of the fact that considerable amount of home labor is used when processing farm own fruits.

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Table 1: Economic indicators of apple vinegar production

1. Farm fruits (own yield)

SIT EURO Expected price of the product /l 150 0,66 Total revenue 750000 3298,30 Break even price /l 144 0,63 Financial result 30940 136,06 Financial result when selling to fruit processing industry

-10833 -47,6

Sensitivity analysis Different prices Financial result 120 -119060 -524 150 30940 136 180 180940 796 200 280940 1235 2. Purchased fruits SIT EURO Expected price of the product /l 150 0,66 Total revenue 750000 3298,30 Break even price /l 145 0,64 Financial result 26773 117,74 Sensitivity analysis Different prices Financial result 120 -123227 -542 150 26773 118 180 176773 777 200 276773 1217

Source: ROZMAN and MAJKOVIČ, own computations, 2002.

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Table 2: Economic indicators of apple juice production 1. Farm fruits (own yield) SIT EURO Expected price of the product/l 220 0,97 Total revenue 1100000 4837,5 Break even price/l 180 0,80 Financial result 197788 869,8 Gross margin 654974 2880,4 Financial result when selling to fruit processing industry

-10833 -47,6

Sensitivity analysis Different prices Financial result 150 -152212 -669 170 -52212 -230 190 47788 210 210 147788 650

Source: ROZMAN and MAJKOVIČ, own computations, 2002.

4.2 SWOT analysis

The SWOT analysis was applied to evaluate feasible benefits and drawbacks of farm fruit processing as a on-farm supplementary activ-ity. Strengths: • The peasants awareness of the possibilities offered by implementing

supplementary activities,

2. Purchased fruits SIT EURO Expected price of the product/l 220 0,97 Total revenue 1100000 4837,5 Break even price/l 181 0,8 Financial result 193622 851,5 Gross margin 504974 2220,7 Sensitivity analysis Different prices Financial result 150 -156378 -688 170 -56378 -248 190 43622 192 210 143622 632

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• positive experiences by on-farm supplementary activities holders, • existing food-processing infrastructure, • starting of common approach to marketing, • existing knowledge of traditional skills (i.e., domestic craft), • available labour force, • existing machinery on farms, • existing food trade marks (“Biodar”, “Pohorje beef”, “Dobrote izpod

Pece”), • existing farm tourism, • increasing government investment in rural development. Weaknesses: • Long-lasting procedures of registration for supplementary activities, • high initial investments, • lack of producers’ market knowledge, • lack of cooperation at all levels in the product chain, • limited local markets, • high costs of distribution – long distances from centers, • low educational level of peasants, • there is no tradition of transferring farms to younger generation and

early retirement schemes, • unfavourable average size of farms, aggravated working conditions, • there is no unified data base about agricultural and forestry activities, • shortage of efficient marketing service from farm gate to market end-

user. Opportunities: • Establishment of regional centres for education and qualifying of

rural inhabitants, • farmers introduction to computer skills, • collaboration of various rural regions in establishing common proc-

essing units, marketing approach and services, • establishment of institutions/organizations for developing and mar-

keting of new agricultural products, • linking, supplementing and upgrading the various financial instru-

ments from different levels, • integrating farmers into rural development programs, • development and integration of existing data bases,

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• growth in market demand for home-made produced food. Threats: • Constantly changing legislation and regulations considering on-farm

supplementary activities, • restrictive conditions for performing supplementary activities, • ensuring peasants’ own funds.

5. Conclusions

Both types of home food processing (apple vinegar, apple juice) appear to be economically viable, providing that these products are sold by (expected) market prices. Thus, favorable economic results coming out of home fruit processing are closely interrelated with the appropriate (effective) marketing approach. An interesting finding of this research is that current legislation inhibits the full implementation of home fruit processing in Slovene circumstances. In future, an efficient data system must be established. The other im-portant issue which is necessary for achieving positive results, is to set up an effective monitoring system. Also the improvement of peasants’ educational level is necessary. Supplementary on-farm activities are recognized as the self-employment opportunity for rural inhabitants. To achieve this goal effectively, production and marketing network among farmers should be established. Marketing of farm products can be seen as one of the major problems mainly due to the small-scale production on private farms. To overcome these obstacles, development of a brand mark for all food products in specific areas and marketing services, including the facility for packaging and quality control, should be made. Slovenia has a long tradition of extension services in agriculture and forestry. These two services should set up contacts with other public services, which is really “a must be condition” for an efficient regional devel-opment policy.

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Affiliation

Majkovič Darja, B. Sc., Faculty of Agriculture, Vrbanska 30, Maribor, Slovenia.

Tel.: 00386 2 25 05 848, Fax +386 2 29 60 71. eMail: [email protected]

Rozman Črtomir, M. Sc., Faculty of Agriculture, Vrbanska 30, Maribor, Slovenia.Tel.: 00386

2 25 05 848, Fax +386 2 29 60 71. eMail: [email protected]

Turk Jernej, Ph. D., Assoc. Prof., Faculty of Agriculture, Vrbanska 30, Maribor, Slovenia.

Tel.: 00386 2 25 05 831, Fax +386 2 29 60 71. eMail: [email protected]

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Chancen für die Vermarktung von Bio-Produ-

kten aus dem ländlichen Raum – eine produkt-

spezifische Verbraucheranalyse im Elbetal Opportunities for Organic Products from Rural Areas – a Product-specific Consumer Analysis in the Elbe-Valley (Germany)

Antje WIRTHGEN

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund zunehmender politischer Bedeutung des Bio-Landbaus und noch unausgeschöpfter Marktpotenziale für Bio-Produkte wurden in den vorliegenden Beitrag die Vermarktungschancen für Bio-Produkte aus dem Elbetal produktspezifisch analysiert. Schwerpunkte bilden zum einen Einstellungsmessungen mit dem Ziel das Verbraucherverhaltens bei ausgewählten Bio-Produkten zu erklären und zum anderen ein Präferenztest. Mit Hilfe des Präferenztests wurde der Einfluss von Substituten aus anderen umweltschonenden Produktionsweisen mit relativ niedrigen Preisen auf die Präferenz von Bio-Produkten bewertet und das relative Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal abgeschätzt. Die Ergebnisse zeigen ein durchaus vielversprechendes Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal sowie produktspezifische Ansätze zur Verbesserung des Marketings von Bio-Produkten, um somit die Erschließung des Marktpotenzials zu erleichtern. Schlagworte: Bio-Produkte, Verbraucherverhalten, produktspezifische Analyse, Einstellungsmessungen, Regressionsanalyse

Summary

Considering the background of increasing political importance of or-ganic farming combined with market potential for organic food, this article looks product-specific at market opportunities for organic prod-

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Antje Wirthgen

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ucts from the Elbe-Valley. It is based on a consumer survey with the focus on preference testing and attitude measuring. The objective is to explain consumers purchase behaviour when buying selected organic food as well as to examine the market potential for organic food from the Elbe-Valley. The findings show a promising market potential for organic food from the Elbe-Valley as well as product-specific ap-proaches to improve marketing for organic food, in order to facilitate to tap the full market potential. Keywords: Organic food, consumer behaviour, product-specific analy-sis, attitude measuring, regression-analysis

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

In den letzten Jahren sind sowohl die politische Bedeutung des Bio-Landbaus, und zwar insbesondere im Rahmen der ländlichen Entwicklung, als auch die Nachfrage nach Bio-Produkten in Deutschland deutlich gestiegen. Dennoch ist der Marktanteil von Bio-Produkten derzeit noch weit von den politischen Zielen entfernt und das Nachfragepotential für Bio-Produkte noch nicht ausgeschöpft. Das vorliegende Marktpotenzial wird insbesondere bei Gelegenheitskäufern gesehen, die ihre Bio-Produkte im konventionellen Handel kaufen (vgl. u.a. GFK, 2002; NABU und DVL, 2002, 8; ZMP, 2002, 33). Der konventionelle Handel hat zwar sein Bio-Sortiment seit den 90er Jahren – wenn auch mit drastischen Einbrüchen während des Nitrofen-Skandals (IFAV, 2002, 6) – deutlich ausgeweitet. Dennoch wird sein Engagement noch immer als zurückhaltend eingeschätzt (u.a. IFAV, 2002, 8 u. ZMP, 2000, 14). Dies zeigt sich u.a. u.a. in seinem überwiegend produktübergreifendem Marketing für Bio-Produkte (IFAV, 2002, 8). Beispielsweise fehlen oftmals preisstrategisch differenzierende Marketingansätze für einzelne Produktgruppen (SPILLER, 2001, 455f.). Dies ist insofern ein Manko, zeigen doch Konsumenten in empirischen Untersuchungen je nach Produkt unterschiedliche Zahlungsbereitschaften und Präferenzen (u.a. IFAV, 2001, 28 u. SPILLER, 2001, 456), die unterschiedliche Beweggründe für den Kauf von Bio-Produkten vermuten lassen und

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Chancen für die Vermarktung von Bio-Produkten

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sicherlich durch gezieltere produktspezifische Maßnahmen besser ausgenutzt werden könnten (vgl. KUHNERT et al., 2002, 11 u. SPILLER, 2001, 456). Auf diese Weise könnte das vorliegende Marktpotenzial besser erschlossen werden als bisher. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, zunächst das Kaufverhalten bei Bio-Produkten eingehend produktspezfisch zu analysieren und dabei Unterschiede herauszuarbeiten. Zudem soll das Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal im Vergleich zu anderen umweltschonenen Produktionsverfahren abgeschätzt werden. Abschließend werden Ansätze für ein produktspezifisches Marketing für Bio-Produkte aufgezeigt, die helfen können, die benannten Defizite im Marketing für Bio-Produkte abzubauen und das bestehende Marktpotential besser zu erschließen.

1.2 Methodik und Vorgehensweise

Zur Analyse des Kaufverhaltens von Bio-Produkten in Hinblick auf die oben genannte Zielsetzung wurde 1999 eine theoretisch und methodisch fundierte Konsumentenbefragung vor Einkaufsstätten des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels vorgenommen. Es wurden an 3 Befragungsstandorten, dem Elbetal1 und nahegelegenen städtischen Zentren Hamburg und Lüneburg, je 200 Verbraucher mit Hilfe von Face-to-Face-Interviews befragt2.

1 Es handelt sich dabei um das niedersächsische Elbetal, das für diese Untersuchung

als Elbetal zwischen Dannenberg und Lauenberg definiert wurde. 2 Die Befragung wurde unter Berücksichtigung der Zielsetzung auf die

Haupteinkäufer der Haushalte beschränkt. Daher wurde auch von vornherein ein Frauenanteil von 70 % festgelegt, da immer noch davon auszugehen ist, dass der Lebensmitteleinkauf privater Haushalte überwiegend von Frauen getätigt wird (SIRIEIX und SCHAER, 2000, 453). Schließlich wurde mit einer Altersquotierung, orientiert an den amtlichen Statistiken der Befragungsregionen, versucht, die Repräsentativität der Befragung zu erhöhen. Ein Vergleich verschiedener Kriterien (u.a. Einkommen, Beruf, Haushaltsgröße) zeigt, dass insgesamt auch eine zufriedenstellende Repräsentativität der Stichprobe im Vergleich zur Bevölkerungsstruktur erreicht wurde. Der Begriff Stichprobe wurde hier nicht im wahrscheinlichkeitstheoretischen Sinne verwendet, sondern als Synonym für alle Befragten.

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Inhaltliche und methodische Schwerpunkte der Befragung bildeten die produktspezifische Abfrage der Kaufintensitäten von ausgewählten Bio-Produkten einschließlich verschiedener Erklärungsvariablen. Dazu gehören sozio-demographische Angaben (Wohnort, Einkommen, Haushaltsgröße und Alter der Befragten) und eine Statementbatterie als Grundlage für Einstellungsmessungen. Als Besonderheit wurde zudem ein Präferenztest am Fallbeispiel Kartoffeln aus dem Elbetal und verschiedenen Produktionsweisen vorgenommen. Mit dem Präferenztest wurden die Wirkung von Substituten auf die Präferenz von Bio-Produkten vertiefend untersucht sowie die Kaufrelevanz und das Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal ermittelt. Die erhobenen Daten wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS ausgewertet. Neben Kreuztabellierungen und Mittelwertsberechnungen wurden verschiedene multivariate Analysemethoden (Faktoren- und Regressionsanalysen) angewendet. Zunächst wurden rein deskriptiv der bekundete Käuferanteil und die geäußerten Kaufintensitäten für ausgewählte Bio-Produkte ausgezählt. Darauffolgend wurde mit Hilfe der linearen Regressionsanalyse einerseits versucht, das Kaufverhalten bei Bio-Produkten produktübergreifend mit Hilfe von sozio-demographischen Variablen und zu Faktoren verdichteten Einstellungen zu erklären. Als abhängige Variable wurde dabei ein mit Hilfe der Faktorenanalyse gebildeter produktübergreifender Index für die Kaufintensität der ausgewählten Bio-Produkte verwendet3. Andererseits wurde erstmalig der Versuch unternommen, produktspezifische Unterschiede in den geäußerten Kaufintensitäten auf eine unterschiedlich hohe Bedeutung der untersuchten Einstellungen und sozio-demographischen Variablen zurückzuführen. Dabei wurden als abhängige Variablen die jeweils geäußerten Kaufintensitäten verwendet. Danach wurde die Analyse der Hemmfaktoren für den Kauf von Bio-Produkten anhand der

3 Der Index beruht dabei auf produktspezifisch geäußerten Kaufintensitäten (Bio-

Kaufanteile zwischen 0-20 % und 100 %, codiert in einer 5er Skala (Aufteilung s. Fragestellung Abb. 1)) für ausgewählte Bio-Produkte (s. Abb. 1), die mit Hilfe der Faktorenanalyse aggregiert und zu einem produktübergreifenden Faktor verdichtet wurden.

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Ergebnisse des Präferenztests vertieft und das Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal abgeschätzt. Um für die Erfassung von Käuferzahlen und Kaufintensitäten ausgewählter Bio-Produkte eine einheitliche Begriffsbasis für Bio-Produkte zu schaffen, wurde der Begriff für alle Befragten einheitlich und allgemein verständlich (stark vereinfacht und mit der Bezeichnung „Öko“ versehen) wie folgt definiert: „Mit Öko-Produkten sind Lebensmittel – einschließlich Fleisch – gemeint, die ohne Einsatz von chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln erzeugt werden.“ Weitere methodische Hinweise werden auf Grund des besseren Verständnisses direkt bei der Ergebnisdarstellung gegeben.

2. Ergebnisse

2.1 Käuferanteile und Kaufintensitäten von Bio-Produkten

Insgesamt gaben im Juni 1999 etwa 40 % aller Befragten an, Bio-Produkte zumindest gelegentlich bewusst zu kaufen. Dagegen sind dies etwa 70 % in der – im gleichen Jahr gelaufenen – Untersuchung von Bruhn (2001, 13) in Hannover und Emsland sowie etwa 30 % in den ein Jahr bzw. zwei Jahre später durchgeführten nationalen Untersuchungen der ZMP (ZMP, 2001, 7f.) und der GfK (2002). Die Befragungsergebnisse hinsichtlich dieses Aspektes streuen stark und dürften alle aus Prestigegründen u.ä. überzeichnet sein (vgl. u.a. Hamm, 2000, 277 u. ZMP, 2001, 5). Zudem ist von regionalen Unterschieden auszugehen. Der bekundete Käuferanteil liegt in der vorliegenden Untersuchung je nach Produkt zwischen 15-33 % der Befragten, wobei die meisten Probanden in absteigender Reihenfolge Bio-Gemüse, -Obst, -Eier und -Kartoffeln nachfragen und lediglich ein geringer Anteil der Befragten Bio-Brot, -Frischmilch/Milchfrischprodukte und -Käse kauft (siehe Abb. 1). Diese Nachfragestruktur stimmt tendenziell mit den späteren Ergebnissen anderer Studien überein (u.a. GFK, 2002 u. ZMP, 2001, 15). Die von den Befragten geäußerten Kaufintensitäten erscheinen erheblich zu hoch. Die Kaufintensitäten bezeichnen den von den Befragten geschätzten Bio-Anteil am Gesamteinkauf des jeweiligen Produktes. Auch hier ist wieder von sogenannten Lippenbekenntnissen aus

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Prestigegründen, aber auch Kaufüberschätzungen auszugehen. Die Ergebnisse sind daher mit Vorsicht zu interpretieren. Die höchsten geäußerten durchschnittlichen Kaufintensitäten weisen Bio-Eier (78 % Bio-Anteil), gefolgt von -Kartoffeln (65 %), -Brot (53 %) sowie -Fleisch- und Wurstwaren (50 %) auf. Der produktübergreifende Durchschnitt liegt bei knapp 50 %. Die geringsten genannten durchschnittlichen Kaufintensitäten liegen mit etwas über 30 % bei Bio-Frischmilch und –Milchfrischprodukten sowie -Käse. Der deutlich höchste durchschnittliche Bio-Kaufanteil bei Eiern muss allerdings sehr kritisch betrachtet werden, da vermutlich etliche der Befragten nicht zwischen Bio- und Freilandeiern differenzierten (vgl. ZMP, 2001, 5). Ein direkter Vergleich dieser Werte mit Marktanteilen der einzelnen Bio-Produktgruppen ist nicht sinnvoll, denn die genannten produktspezifischen durchschnittlichen Kaufintensitäten beziehen sich lediglich auf die jeweilige Käufergruppe und darüber hinaus ist im Bio-Markt von regionalen Unterschieden und deutlichen Kaufüberschätzungen der Befragten auszugehen (s.o.).

Abb. 1: Käuferanteil und Kaufintensität für ausgewählte Bio-Produkte nKäuferanteil =600; ndurchschnittliche Kaufintensität = Käuferzahl je nach Produktgruppe Frage: a) Können Sie mir sagen, ob Sie diese Produkte bewusst kaufen? b) Produktspezifische Abfrage: Z.B.: Kaufen Sie bewusst ökologisch

erzeugtes Obst? Wenn ja – sind dies bezogen auf die Menge – mehr als 20, 40, 60, 80 oder 100 % von Ihrem gesamten Obsteinkauf?

Quelle: Eigene Erhebung – Konsumentenbefragung, 1999

19

3024

43

32 31

78

5053

32 3328

1520

39

65

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

ObstGemüse

Kartoffeln Käse

Frischmilch- u. Milchfrischprod. Eier

Fleisch/ Wurst

Brot/ Backwaren

Käuferanteil in % Kaufintensität in %

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2.2 Gründe für den Kauf von Bio-Produkten

Zur Erklärung des Kaufverhaltens bei Bio-Produkten mit Hilfe von Einstellungen und sozio-demographischen Variablen wurde in Anlehnung an die einschlägige Literatur eine Vielzahl von Daten erhoben. Die erhobenen Einstellungen (Statementbatterie) wurden unter Anwendung der Faktorenanalyse zu Einstellungsfaktoren verdichtet. Dabei wurden verschiedene Faktorenanalysen gerechnet und nach formal-statistischen und inhaltlichen Aspekten die „beste“ Lösung ausgewählt4. Es wurde das Hauptkomponentenverfahren verwendet und im Anschluss die Interpretation der Faktoren durch eine Rotation verbessert. Auf diese Weise konnten sieben inhaltlich plausible Faktoren identifiziert werden (siehe Tab. A1; Erklärungsanteil der extrahierten sieben Faktoren ≈ 65 % der Varianz der Einstellungsmessung). Aufbauend auf der Faktorenanalyse wurden die extrahierten sieben Faktoren und die sozio-demogra-phischen Variablen (Einkommen, Haushaltsgröße und Alter) mit Hilfe der linearen Regressionsanalyse auf ihre Relevanz für den Einkauf von Bio-Produkten (Kaufintensität als erklärende Variable) hin zunächst produktübergreifend untersucht. Von den 10 untersuchten Variablen im Grundmodell (7 Faktoren, 3 sozio-demographische Variablen) waren bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 1 % sechs Einfluss-variablen statistisch signifikant (siehe Tab. A2). Die übrigen Erklärungsvariablen waren selbst bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % nicht signifikant. Die sechs signifikanten Variablen im reduzierten endgültigen Modell können fast 30 % (R2=0,28) der vorliegenden Varianz der Kaufintensität von Bio-Produkten erklären. Dies ist ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis, da es sich um eine Kaufverhaltensanalyse auf Grundlage von Einstellungsmessungen handelt (vgl. TROMMSDORFF, 1993, 146), der Entscheidungsprozesses komplex ist und Verbraucher sich zunehmend hybrid verhalten5. 4 Formal-statistische Kriterien: Höchste Eigenwerte der Faktoren, höchstes Kaiser-

Meyer-Olkin-Kriterium (0,85) und signifikanter Bartlett-Test (p<0,01). 5 Im Zusammenhang mit Einstellungsmessungen und Verhaltensrelevanz von

Einstellungen wird an dieser Stelle auf die oftmals beobachtete Diskrepanz zwischen vorliegenden positiven Einstellungen und dem dennoch häufig eher „trägen“ Verhalten hingewiesen.

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Die Ergebnisse sind zudem auch ökonomisch plausibel (siehe Tab. A2). Die höchste Bedeutung kommt, gemessen an den Regressionskoeffizienten, die hier wegen der standardisierten Datenreihen mit den Beta zur Abschätzung der relativen Bedeutung der Faktoren für die Kaufintensität ökologischer Produkte nahezu identisch sind, dem Preisbewusstsein zu. Des Weiteren erwiesen sich ein positives Image, die Begriffsunsicherheit gegenüber verschiedenen umweltschonenden Produktionsweisen, das Vertrauen in konventionelle Produkte, ein mangelndes Umweltbewusstsein und das Ernährungsbewusstsein der Befragten als kaufrelevant. Die Regressionskoeffizienten sind dabei lediglich als Indikatoren für den relativen Einfluss der Variablen zu bewerten. Die erwarteten Einflussrichtungen der Faktoren wurden bestätigt. Es konnte allerdings kein Einfluss des Faktors „aufwändiger Einkauf“ oder sozio-demographischer Variablen nachgewiesen werden.

Modell: Schätzgleichung: y=0-0,36x1+0,24x2-0,22x3-0,19x4-0,16x5+0,15x6 Zu erklärende Variable (y): Kaufintensität von Bio-Produkten Erklärende Variablen (x): verhaltensrelevante Einstellungen: x1: Preisbewusstsein, x2: Positives Image von Bio-Produkten, x3: Begriffsunsicherheit, x4: Vertrauen in konventionelle Nahrungsmittel, x5: Geringes Umweltbewusstsein, x6: Ernährungsbewusstsein

Die Ergebnisse bestätigen größtenteils bereits vorliegende Untersuchungsergebnisse zu Kaufgründen und Barrieren für den Kauf von Bio-Produkten. So wird z.B. auch in anderen Untersuchungen das positive Image von Bio-Produkten zumeist als die wichtigste fördernde Einstellung, dagegen das Umweltbewusstsein sowie das Misstrauen in die konventionelle Landwirtschaft und ihre Erzeugnisse zwar als signifikant, aber eben von untergeordneter Bedeutung herausgestellt (vgl. u.a. BRUHN, 2001, 18 u. 25 u. ZMP, 2002, 30). Einheitlich, allerdings i.d.R. direkt abgefragt, wird auch die Wirkung der Begriffsunsicherheit

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der Verbraucher als Kaufbarriere genannt (u.a. JUNG, 1998, 115 u. ZMP, 2001, 30)6. Differenziert werden dagegen der Einfluss des Preisbewusstseins, des Ernährungsbewusstseins und des vergleichsweise aufwändigeren Einkaufs von Bio-Produkten bewertet. Dabei bestehen über den Preiseinfluss als einem der wichtigsten hemmenden Faktoren (vgl. u.a. HAMM, 1998, 48, IMUG, 2001 u. JUNG, 1998, 115) und dem Ernährungsbewusstsein als fördernder Einstellung (vgl. u.a. BRUHN, 2001, 25, JUNG, 1998, 111ff. u. RICHTER, 2001, 121 – siehe Fußnote 6) überwiegend keine Zweifel. Lediglich in einer aktuellen ZMP-Studie (2002, 30) wird der Preis von Bio-Produkten von den Verbrauchern nicht als zu hoch eingeschätzt. Es wird in diesem Zusammenhang vielmehr nur das Einkommen als hemmender Faktor identifiziert. Gemäß eben dieser Studie spielen auch Gesundheitsaspekte beim Kauf von Bio-Produkten keine Rolle. Schließlich konnte für den Faktor „aufwändiger Einkauf“ als Kaufbarriere in dem vorliegenden Beitrag kein signifikanter Einfluss nachgewiesen werden, während verschiedene Literaturstellen, wenngleich auch nicht im Rahmen von Einstellungsmessungen, sondern lediglich direkt abgefragt, „weite Wege“ sowie „schlechte Verfügbarkeit“ als Nichtkaufgründe nennen (u.a. JUNG, 1998, 115, RICHTER, 2001, 123 u. ZMP, 2001, 30). Die bisher dargestellten Ergebnisse zur Erklärung des Kaufverhaltens bei Bio-Produkten versuchen in einem ersten Schritt, den Einkauf produktübergreifend zu erklären. Auf Grund der bereits herausgestellten produktspezifischen Unterschiede in der Präferenz und Zahlungsbereitschaft für verschiedene Bio-Produkte (siehe Abb. 1; vgl. z.B. IFAV, 2001, 28 u. SPILLER, 2001, 456) sind indessen keine einheitlichen Einflüsse (Faktoren) oder zumindest keine einheitliche Stärke der Einflüsse beim Einkauf verschiedener Bio-Produkte zu erwarten. Vielmehr dürften die in einem zweiten Schritt vorgenommenen produktspezifischen Regressionsanalysen auch

6 In einigen Literaturstellen wurden die Kaufgründe und –barrieren lediglich direkt

abgefragt und nicht indirekt mit Hilfe von Einstellungsmessungen auf Basis einer Statementbatterie: u.a. JUNG, 1998, RICHTER, 2001 und ZMP, 2001.

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unterschiedliche Bedingungskomplexe aufzeigen. Dazu liegen allerdings in der Literatur noch keine konkreten Informationen vor. Die produktspezifischen Analysen bezogen in die Grundmodelle für die untersuchten Produkte jeweils zunächst alle für den Einkauf von Bio-Produkten möglicherweise kaufrelevanten Erklärungsvariablen (Faktoren und sozio-demographischen Variablen) ein. Die Grundmodelle wurden schrittweise auf die signifikanten Erklärungsvariablen im Endmodell reduziert. Für diese Regressionen ist insgesamt festzuhalten, dass die Ergebnisse mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p≤0,05 statistisch gesichert sind, die signifikanten Erklärungsvariablen je nach Produkt jedoch nur zwischen 10 und 25 % der Varianz der Kaufintensität erklären können (siehe Tab. A3). Auf die Diskussion der produktspezifischen Regressionsanalysen mit ganz niedrigen Bestimmtheitsmaßen (Gemüse, Frischmilch und Milchfrischprodukte sowie Käse) wurde bewusst verzichtet. Die übrigen Ergebnisse der Einzelanalysen dürfen nicht überinterpretiert werden. Sie erscheinen im Ganzen insofern ökonomisch plausibel, als sie nicht grundsätzlich von den produktübergreifenden Werten abweichen (siehe Tab. A2 u. Tab. A3). Dabei konnten überwiegend die gleichen Erklärungsvariablen mit signifikantem Einfluss nachgewiesen. Auch kommt, gemessen an den Regressionskoeffizienten, zumeist dem Preiseinfluss, und zwar wie erwartet als Hemmfaktor, die größte Bedeutung zu. Ähnlich ist auch der Faktor positives Image oftmals die wichtigste kauffördernde Einstellung. Alle weiteren Faktoren unterscheiden sich je nach Produkt in ihrer relativen Bedeutung. Die produktspezifischen Unterschiede in den Einzelanalysen der ausgewählten Produkte werden im Folgenden herausgearbeitet und diskutiert, um schließlich – mit gebotener Vorsicht – in den Schlussfolgerungen Empfehlungen für ein produktspezifisches Handelsmarketing abzuleiten. Dabei wurde die Reihenfolge und Struktur der Einzelanalysen nach zu erwartenden ähnlichen Ver-haltensmustern und Bedingungskomplexen von bestimmten Produktgruppen gewählt. Zunächst wird auf die pflanzlichen, unverarbeiteten Frischeprodukte, also den Obst- und Kartoffeleinkauf, eingegangen. Danach folgen die oftmals be- und verarbeiteten Produkte, strukturiert nach tierischen und am stärksten

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risikobehafteten Produkten wie Eier, Fleisch- und Wurstwaren sowie den weiterverarbeiteten pflanzlichen Produkten wie Brot- und Backwaren. Beim Einkauf von Bio-Obst sind im Vergleich zu den anderen Produkten vor allem der Preis, aber auch das Ernährungsbewusstsein und das Vertrauen in konventionelle Produkte besonders bedeutend. Der hohe Einfluss des Preisbewusstseins könnte durch den im Vergleich zu anderen Bio-Produkten relativ hohen Preisaufschlag gegenüber dem Preis für konventionell erzeugtes Obst erklärt werden (ZMP, 2000, 26). Dieser dürfte zudem dadurch verstärkt werden, dass Bio-Obst noch relativ selten und überwiegend in einer schmalen Produktpalette, in der z.B. Saisonprodukte nur spärlich vertreten sind, in Supermärkten, also Einkaufsstätten mit relativ niedrigem Preisniveau im Vergleich mit Naturkostläden oder Wochenmärkten, angeboten wird (IFAV, 2002, 14 u. ZMP, 2000, 14f.). Die hohe Bedeutung des Ernährungsbewusstseins könnte darauf zurückgeführt werden, dass Obst als besonders gesundes Nahrungsmittel gilt, oftmals roh verzehrt wird und daher bevorzugt möglichst unbehandelt gekauft wird. Schließlich spricht die relativ hohe Bedeutung des Vertrauens in konventionell erzeugte Produkte beim Obsteinkauf auf Seiten der Nichtkäufer von Bio-Produkten für nur geringfügig wahrgenommene Qualitätsunterschiede zwischen Bio-Obst und konventionellem Obst. Darüber hinaus kommt der Begriffsunsicherheit beim Bio-Obst eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Eine naheliegende Erklärung ist wiederum der besonders häufige Einkauf dieser Produkte im Naturkostladen oder auf dem Wochenmarkt, also Absatzwegen, denen Verbraucher relativ hohes Vertrauen entgegen bringen. Der Einkauf von Bio-Kartoffeln wird hingegen wiederum vor allem durch den Preisfaktor gehemmt, der hier eine überragende Rolle spielt. Dies kann vermutlich, wie auch beim Einkauf von Bio-Obst, auf den erheblich höheren Preis im Vergleich zu konventionellen Kartoffeln zurückgeführt werden. Neben dem Preisfaktor wird auch das Vertrauen in konventionelle Produkte als Hemmfaktor für den Bio-Kartoffeleinkauf besonders hoch gewichtet. Wie auch bei Bio-Obst lässt sich daraus schließen, dass bei Kartoffeln aus konventioneller oder ökologischer Produktion zumindest von Nichtkäufern von Bio-

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Produkten keine großen Qualitätsunterschiede wahrgenommen werden. Insbesondere beim Einkauf von Bio-Eiern, aber auch beim Einkauf von Bio-Fleisch/Wurst gewinnt im Unterschied zu den übrigen Produkten, abgesehen von Bio-Obst, das Ernährungsbewusstsein relativ an Bedeutung. Ein Grund dafür könnte sein, dass diese Produkte relativ häufig mit Lebensmittelskandalen (z.B. BSE, Schweinepest, EHEC-Bakterien, Salmonellen etc.) belastet sind. Bei Eiern kommt noch hinzu, dass die Hennenhaltungsbedingungen und dabei insbesondere die Käfighaltung, aus der bisher noch ein Großteil der Eierproduktion stammt, vielfacher Kritik ausgesetzt sind. Im Gegensatz zum Einkauf von insbesondere Bio-Fleisch- und -Wurstwaren, aber auch den anderen weiterverarbeiteten Produkten, spielt der Faktor Be-griffsunsicherheit v.a. für den Kauf von Bio-Eiern eine relativ geringe Rolle. Beim Bio-Eiereinkauf ist die Rückverfolgbarkeit relativ leicht und zudem die Kennzeichnung der Produktionsweise für den Verbraucher gut nachvollziehbar (neben ökologisch v.a. Bodenhaltung und Freilandhaltung), wenngleich auch viele Verbraucher vermutlich nicht zwischen der ökologischen Hennenhaltung und der Freilandhaltung differenzieren können (siehe Abschnitt 2.1). Der besonders hohe Stellenwert des Faktors Begriffsunsicherheit beim Bio-Fleisch- und -Wursteinkauf dürfte darauf zurückzuführen sein, dass zum Einen das Bio-Fleischangebot im Supermarkt relativ gering ausfällt (IFAV, 2002, 21) und die begriffliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher nicht gegeben ist (neben ökologisch gibt es art- und tiergerecht, naturschutzgerecht sowie aus extensiver Haltung, aus kontrollierter Aufzucht (CMA) oder aus kontrollierter alternativer Tierhaltung (KAT)) und zum Anderen die ökologische Tierhaltung erst seit 1999 gesetzlich festgeschrieben und im August 2000 in Kraft getreten ist. Der Einkauf von Bio-Brot- und -Backwaren unterscheidet sich von den anderen Einzelanalysen vor allem dadurch, dass kein signifikanter Einfluss des Umweltbewusstseins nachgewiesen werden konnte. Dafür gibt es allerdings keine naheliegende Erklärung. Überraschend ist auch die schon erwähnte relativ starke Hemmwirkung der Begriffsunsicherheit der Verbraucher auf die Kaufintensität für Bio-Brot- und -Backwaren. Diese könnte vermutlich auch hier neben der

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erschwerten Rückverfolgbarkeit durch die Weiterverarbeitung auf die Begriffsvielfalt für umweltschonend erzeugtes Getreide zurückzufüh-ren sein. Hier wird oftmals schon im Markennamen (z.B. Urkorn) auf eine natürliche Produktionsweise hingewiesen. Ansonsten werden im Getreidebereich auch unterschiedliche Ausprägungen des integrierten Anbaus als auch die Herkunft aus einem Wasserschutzgebiet herausgestellt. Die bisher dargestellten Ergebnisse unter Anwendung von Regressionsanalysen zur Erklärung des Kaufverhaltens bei Bio-Produkten liefern eine Fülle von Informationen zur Ableitung von Ansätzen für ein produktspezifisches Handelsmarketing. Bevor Schlussfolgerungen gezogen werden, wird im folgenden Abschnitt am Beispiel Kartoffeln, einem im Vergleich zum konventionellen Erzeugnis hochpreisigen Bio-Produkt, das Marktpotenzial für Bio-Kartoffeln aus dem Elbetal im Vergleich zu Kartoffeln aus anderen Produktionsweisen und Herkünften abgeschätzt.

2.3 Präferenzen für Kartoffeln aus dem Elbetal und verschiedenen Produktionsweisen

Im Rahmen des Präferenztests wurden die Befragten gebeten, verschiedene Produktstimuli der Präferenz nach in eine Rangfolge zu bringen. Die Produktstimuli wurden den Befragten auf Fotokärtchen mit Informationen über die Herkunft, die Produktionsweise und den Preis präsentiert. Der Preis wurde dabei in Anlehnung an ZMP-Marktdaten des Monats Mai 1999 festgelegt (siehe Tab. 1). Im Folgenden werden lediglich hier relevante Teilergebnisse zur Kaufrelevanz und Präferenz von Produkten aus dem Elbetal und verschiedenen Produktionsweisen dargestellt (siehe Tab. 1)7. Eine reelle Marktpotenzialabschätzung ist jedoch auf der Basis des vorgenommenen Präferenztests keinesfalls möglich. Dies ist vor allem auf folgende Aspekte zurückzuführen: Zunächst handelt es sich um eine Befragungssituation und daher ist aus Prestigegründen mit

7 Der Präferenztest wurde im Rahmen eines BMBF-Forschungsprojektes als Basis

für eine Conjoint-Analyse durchgeführt. Für die Gesamtergebnisse siehe WIRTHGEN (2003).

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sogenannten „Lippenbekenntnissen“ zu rechnen. Zudem sind Bio-Kartoffeln nicht überall erhältlich, und wenn sie in einer Einkaufsstätte verfügbar sind, so ist zu berücksichtigen, dass die Produktauswahl an Kartoffeln verschiedener Produktionsweisen in üblichen Einkaufs-stätten zumeist geringer ausfällt als im vorliegenden Präferenztest. Schließlich ist noch zu beachten, dass Verbraucher in einer realen Kaufsituation neben den im Präferenztest gegebenen Informationen noch weitere Informationen bzw. Produktmerkmale in ihre Kaufentscheidung einbeziehen (bei Kartoffeln z.B. die Sorte). Die Angaben in der folgenden Tabelle sind daher vielmehr relativ zueinander anstatt als absolute Marktpotenzialabschätzung zu interpretieren. Zur Ermittlung der Kaufrelevanz von Bio-Kartoffeln wurde die sogenannte Limitcard8 und zur Abschätzung des Marktpotenzials der First-Choice-Ansatz herangezogen. Im First-Choice-Ansatz wird das Marktpotenzial auf Basis der Nennungen mit erster Präferenz abgeschätzt (vgl. HILDEBRANDT, 1994, 20f.). Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Es handelt sich dabei einerseits allgemein um die Kaufrelevanz der Produktstimuli aus dem Elbetal und andererseits um den Anteil der Befragten, der diese Produkte mit erster Präferenz (im Vergleich zu den anderen Teststimuli) kaufen würde.

8 Die Befragten wurden gebeten, neben der Präferenzordnung zudem noch

anzugeben, welche der Kartoffeln für sie überhaupt kaufrelevant sind. Die Kartoffelkärtchen wurden zunächst sortiert und danach wurde hinter das letzte kaufrelevante Produktstimuli die sogenannte Limitcard gelegt.

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Tab. 1: Kaufrelevanz und Präferenzen für Kartoffeln aus dem Elbetal und ver-schiedenen Produktionsweisen – Angaben in Prozent der Befragten (n=159) –

Produktstimuli

2,5 kg Kartoffeln aus dem Elbetal und ...

Kaufrelevanz Präferenz Platz 1

… herkömmlicher Erzeugung für 3,29 DM 68 22

… kontrolliert umweltschonender Erzeugung für 4,29 DM 76 32

… naturschutzgerechter Erzeugung für 4,29 DM 80 27

… ökologischer Erzeugung für 6,29 DM 57 19

Lesebeispiel für Elbe-Bio-Kartoffeln: Für 57 % der Befragten mit Präferenzen für Kartoffeln aus dem Elbetal sind ökologisch erzeugte Kartoffeln kaufrelevant und für 19 % die erste Präferenz. Quelle: Eigene Erhebung – Konsumentenbefragung, 1999

Aus Tabelle 1 wird ersichtlich, dass Bio-Kartoffeln aus dem Elbetal bei einem Preisaufschlag von 100 % (im Vergleich zu konventionell erzeugten Kartoffeln) für knapp 60 % der Befragten mit Präferenzen für Produkte aus dem Elbetal kaufrelevant sind. Allerdings sind Bio-Kartoffeln aus dem Elbetal unter den genannten Informationen für lediglich 19 % aller Befragten im Präferenztest die erste Präferenz. Diese Ergebnisse weisen deutlich auf durchaus gute Marktchancen für Bio-Produkte aus dem Elbetal hin, wenn auch der Wettbewerbsdruck durch Produkte aus anderen umweltschonenden Produktionsweisen nicht zu unterschätzen ist. Es ist also auch von durchaus guten Marktchancen für Produkte aus anderen umweltschonenden Produk-tionsweisen auszugehen. Bemerkenswert ist dabei die überraschenderweise höchste Präferenz für kontrolliert umweltschonend erzeugte Kartoffeln. Diese hohe Präferenz könnte allerdings auf den Zusatz kontrolliert zurückzuführen sein, der vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion um die Bedeutung von Lebensmittelkontrollen zur Sicherstellung der Lebensmittelqualität beim Verbraucher positiv belegt sein dürfte und bei der Einkaufsentscheidung eine wichtige Rolle spielt (vgl. u.a. HÖRMANN und LIPS, 1996, 560). Dieses Ergebnis kann daher nur unter großem Vorbehalt so eingeordnet werden. Das ermittelte Marktpotential für Bio-Kartoffeln aus dem Elbetal liegt deutlich unterhalb der in dieser Untersuchung ermittelten Käuferzahl

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von Bio-Kartoffeln, was u.a. auf folgende Aspekte zurückgeführt werden dürfte: • der saisonbedingte Preisaufschlag für Bio-Kartoffeln ist relativ hoch, • die Verfügbarkeit von Substituten aus anderen umweltschonenden

Produktionsweisen ist in den Einkaufsstätten geringer als in dieser Untersuchung,

• nicht für alle befragten Bio-Käufer ist die Herkunft „aus dem Elbtal“ ein Kaufentscheidungskriterium,

• durch die indirekte Methode ist von weniger Lippenbekenntnissen und daher realistischeren Ergebnissen auszugehen.

3. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

In dem vorliegenden Beitrag wurden auf Basis einer Konsumentenbefragung im Elbetal und nahegelegenen städtischen Zentren die Vermarktungschancen für Bio-Produkte aus dem Elbetal produktspezifisch analysiert. Schwerpunkte bildeten dabei eine Einstellungsmessung zur Erklärung des produktspezifischen Kaufverhaltens bei ausgewählten Bio-Produkten sowie ein Präferenztest am Fallbeispiel Kartoffeln. Ziel der Untersuchung war es, mit Hilfe des Präferenztests das Marktpotenzial für ökologisch erzeugte Produkte aus dem Elbetal im Vergleich zu Substituten aus anderen Produktionsweisen abzuschätzen und auf Basis produktspezifischer Analysen Ansätze zur Verbesserung des Marketings für Bio-Produkte im konventionellen Handel zu liefern, um somit die Erschließung des Marktpotenzials zu erleichtern. Die Auswertung der 600 standardisierten Verbraucherinterviews erfolgte mit Hilfe von Häufigkeitstabellen sowie multivariater Analysemethoden wie der Faktoren- und Regressionsanalyse. Die Analyse ergab, dass sich die Käuferanteile und Kaufintensitäten sowie die erklärenden Faktoren auf Basis von Einstellungen von Produkt zu Produkt unterscheiden. Aus den Ergebnissen im Einzelnen lassen sich beispielhaft folgende Hinweise für ein produktspezifisches Handelsmarketing ableiten: • Preisdifferenzierungen, d.h. beispielsweise bei relativ preissensiblen

Produkten wie Bio-Obst und Kartoffeln geringere Aufschläge anzusetzen als bei weniger preissensiblen Produkten,

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• Verdeutlichung der Qualitätsunterschiede zwischen konventionellen Produkten und Bio-Produkten, v.a. bei Obst und Kartoffeln,

• Ausweitung des saisonalen Bio-Obst-Angebots im konventionellen Handel und somit Ausweitung relativ preisgünstiger Angebote und erhöhte Verfügbarkeit,

• Verbesserung der Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit der Herkunft und Verarbeitungsweise von Bio-Produkten,

• verstärkte Information über die unterschiedlichen Tierhaltungsformen bei der Fleischproduktion und verschiedenen Produktionsweisen von Getreide als Folge der vorliegenden Begriffsunsicherheit und bei den tierischen Produkten zudem zur klareren Auslobung der ethischen und qualitativen Vorteile (gezielt das hohe Ernährungsbewusstsein ansprechen).

Neben den produktspezfischen Hinweisen zur besseren Ausschöpfung des bestehenden Marktpotenzials für Bio-Produkte im Allgemeinen liefert dieser Beitrag Informationen über das Marktpotenzial für Bio-Produkte aus dem Elbetal. Der vorgenommene Präferenztest zeigt, dass durchaus vielversprechende Marktchancen für Bio-Produkte aus dem Elbetal bestehen, wenngleich auch die Konkurrenz von anderen umweltschonend erzeugten Produkten zu relativ moderaten Preisen das Marktpotenzial von Bio-Produkten aus dem Elbetal einschränken könnte. Der Bio-Landbau, aber auch andere umweltschonende Produktionsverfahren stellen demnach in strukturschwachen Regionen wie dem Elbetal durchaus eine Chance für die Entwicklung ländlicher Räume dar.

Literatur

BACKHAUS, K., ERICHSON, B., PLINKE, W. und WEIBER, R. (2000): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung, Berlin, 9. Aufl.

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Antje Wirthgen

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Chancen für die Vermarktung von Bio-Produkten

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ZMP (Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH) (Hrsg.) (2002): Wie viel Bio wollen die Deutschen? Bonn

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Antje Wirthgen

Institut für Gartenbauökonomie

30 419 Hannover, Herrenhäuser Str. 2

Tel.: +49 511 – 762-5488 eMail: [email protected]

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Antje Wirthgen

320

Anhang

Tab. A1: Ausgewählte 7-Faktorenlösung zum Einkauf von Bio-Produkten Faktorladun

g Mittelwerte1)

Faktor 1: Preisbewusstsein (erklärte Varianz: 27 %) Ich kaufe keine Bio-Produkte, da sie mir zu teuer sind 0,75 2,99

Ich suche beim Einkauf immer nach dem preiswertesten Angebot.

0,62 3,15

Faktor 2: Image von Bio-Produkten (gesund - erklärte Varianz: 8 %)

Ich halte Bio-Produkte für viel gesünder als andere Lebensmittel.

0,88 3,15

Umweltfreundlich produzierte Lebensmittel – egal ob öko oder nicht, sind immer gesünder als herkömmlich erzeugte.

0,80 3,74

Wenn ich umweltfreundlich erzeugte Lebensmittel kaufe, dann nur öko, weil ich sicher bin, dass diese nach gesetzlich festgelegten Kriterien produziert werden.

0,50 2,88

Faktor 3: Vertrauen in konventionelle Lebensmittel (erklärte Varianz: 7 %)

Ich habe volles Vertrauen in das normalerweise erhältliche Lebensmittelangebot.

0,73 2,72

Durch das Gerede über Rückstände in Nahrungsmitteln wird den Verbrauchern nur unnötig Angst gemacht.

0,62 2,78

Auf chemische Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger kann man in der Landwirtschaft einfach nicht verzichten.

0,60 2,55

Faktor 4: Mangelndes Umweltbewusstsein (erklärte Varianz: 6 %)

Durch den Kauf von umweltfreundlich erzeugten Produkten kann ich als Einzelne(r) auch nicht viel zur Erhaltung der Umwelt beitragen.

0,70 2,53

Naturschutzgerecht erzeugte Produkte sind auch nicht besser als herkömmlich erzeugte

0,57 2,53

Faktor 5: Ernährungsbewusstsein (erklärte Varianz: 6 %)

Gesunde Ernährung ist ein Thema, mit dem ich mich intensiv auseinandersetze.

0,79 3,70

Beim Lebensmitteleinkauf mach ich mir nie viele Gedanken, da ich schnell fertig sein will.

-0,72 2,11

Faktor 6: Begriffsunsicherheit (erklärte Varianz: 6 %)

Ich sehe keinen Unterschied zwischen Produkten mit der Kennzeichnung „aus kontrolliert umweltschonender Produktion“ und „Lebensmitteln aus ökologischer Erzeugung“.

0,84 3,33

Ich sehe überhaupt keinen Unterschied zwischen naturschutzgerecht und ökologisch erzeugten Produkten.

0,66 3,21

Faktor 7: Aufwändiger Einkauf (erklärte Varianz: 5 %)

Bequemlichkeit spielt beim Einkauf für mich überhaupt keine Rolle.

0,88 3,07

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Chancen für die Vermarktung von Bio-Produkten

321

1) Mittelwerte aus der Einstellungsmessung - Skalierung von 1 = „lehne voll ab“ bis 5 = „stimme voll zu“ Gütekriterien: KMO=0,864; Bartlett-Test p<0,01; kleinster Eigenwert: 0,85; erklärte Varianz 65 %

Quelle: Eigene Erhebung – Konsumentenbefragung, 1999

Schätzgleichung: y=a+b1x1+b2x2+b3x3+b4x4+b5x5+b6x6 Zu erklärende Variable (y): Kaufintensität von Bio-Produkten Erklärende Variablen (x): verhaltensrelevante Einstellungen: x1: Preisbewusstsein, x2: Positives Image von Bio-Produkten, x3: Begriffsunsicherheit, x4: Vertrauen in konventionelle Nahrungsmittel, x5: Geringes Umweltbewusstsein, x6: Ernährungsbewusstsein

Tab. A2: Erklärung der Kaufintensität von Bio-Produkten - Gesamtergebnisse einer produktübergreifenden Regressionsanalyse (n=462)

Schätzparameter und zugehörige Prüfmaße1) Prüfmaße der a x1 x2 x3 x4 x5 x6 Schätzgleichung2)

0,006 (0,04) 1,60

-0,361 (0,04) 8,63*

0,236 (0,04) 5,62*

-0,216 (0,04) 5,04*

-0,188 (0,04) 4,49*

-0,157 (0,04) 3,74*

0,150 (0,04) 3,60*

R2=0,28 F=29* SE=0,90 Df=455

1) 1. Zeile: Regressionskoeffizienten, die hier wegen der standardisierten Datenreihen mit den Beta zur Abschätzung der relativen Bedeutung der Faktoren für die Kaufintensität regionaler Lebensmittel nahezu identisch sind. Es sind keine hohen Korrelationen der signifikanten Regressionskoeffizienten untereinander gegeben (≤0,25). Die vorliegenden Toleranzwerte der unabhängigen Variablen lassen auch keine ernsthafte Multikollinarität vermuten (>0,86). 2. Zeile: Standardfehler der Regressionskoeffizienten (Zahlen in Klammern), 3. Zeile: empirischer absoluter t-Wert

2) R2: Bestimmtheitsmaß, SE: Standardfehler des Schätzers, Df: Freiheitsgrade, F: em-pirischer F-Wert, die Hypothes der Normalverteilung kann nicht abgelehnt werden (Kolmogorov-Smirnov-Test und Goldfeld-Quandt-Test)

*: Signifikanzniveau p≤0,01 Quelle: Eigene Erhebung – Konsumentenbefragung, 1999

Schätzgleichung: y=a+b1x1+b2x2+b3x3+b4x4+b5x5+b6x6 Zu erklärende Variable (y): Kaufintensität von Bio-Produkten Erklärende Variablen (x): verhaltensrelevante Einstellungen: x1: Preisbewusstsein, x2: Positives Image von Bio-Produkten, x3: Begriffsunsicherheit, x4: Vertrauen in konventionelle Nahrungsmittel, x5: Geringes Umweltbewusstsein, x6: Ernährungsbewusstsein

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Antje Wirthgen

322

Tab. A3: Erklärung der Kaufintensität von ausgewählten Bio-Produkten - Gesamtergebnisse produktspezifischer Regressionsanalysen (n=462)

Schätzparameter und zugehörige Prüfmaße1)

Modell a x1 x2 x3 x4 x5 x6

Prüfmaße der Schätzgleichun

g2)

Obst 0,054

(0,04)

1,29

-0,335

(0,04)

8,00**

0,218

(0,04)

5,19**

-0,165

(0,04)

3,88**

-0,184

(0,40)

4,40**

-0,145

(0,40)

3,48**

0,178

(0,04)

4,28**

R2=0,25

SE=0,90

F=25*

*

Df=455

Kar-toffeln

0,048

(0,04)

1,11

-0,300

(0,04)

7,22**

0,237

(0,04)

5,69**

-0,130

(0,04)

2,92**

-0,195

(0,04)

4,48**

-0,102

(0,04)

2,35*

0,120

(0,04)

2,77**

R2=0,21

SE=0,93

F=27*

*

Df=455

Eier -0,078

(0,04)

1,74

-0,297

(0,04)

6,78**

0,174

(0,04)

3,96**

-0,155

(0,04)

3,47**

-0,160

(0,04)

3,66**

-0,159

(0,04)

3,63**

0,167

(0,04)

3,84**

R2=0,20

SE=0,94

F=19*

*

Df=455

Fleisch und Wurst

0,051

(0,05)

1,11

-0,243

(0,05)

5,30**

0,149

(0,05)

3,25**

-0,190

(0,05)

4,07**

-0,127

(0,05)

2,78**

-0,111

(0,05)

2,44*

0,138

(0,05)

3,05**

R2=0,14

SE=0,98

F=13*

*

Df=455

Brot-/ Back-waren

0,042

(0,05)

0,48

-0,268

(0,05)

5,88**

0,147

(0,05)

3,22**

-0,215

(0,05)

4,65**

-0,118

(0,05)

2,57**

0,106

(0,05)

2,31*

R2=0,16

SE=0,98

F=14*

*

Df=456

1) 1. Zeile: Regressionskoeffizienten, die hier wegen der standardisierten Datenreihen mit den Beta zur Abschätzung der relativen Bedeutung der Faktoren für die Kaufintensität regionaler Lebensmittel nahezu identisch sind. Es sind keine hohen Korrelationen der signifikanten Regressionskoeffizienten untereinander gegeben (≤0,25). Die vorliegenden Toleranzwerte der unabhängigen Variablen lassen auch keine ernsthafte Multikollinarität vermuten (>0,86). 2. Zeile: Standardfehler der Regressionskoeffizienten (Zahlen in Klammern), 3. Zeile: empirischer absoluter t-Wert

2) R2: Bestimmtheitsmaß, SE: Standardfehler des Schätzers, Df: Freiheitsgrade, F: em-pirischer F-Wert, die Hypothes der Normalverteilung kann nicht abgelehnt werden (Kolmogorov-Smirnov-Test und Goldfeld-Quandt-Test) *: Signifikanzniveau p≤0,05, **: Signifikanzniveau p≤0,01 –: nicht vorhanden, bzw. nicht im Modell enthalten, da nicht signifikant Quelle: Eigene Erhebung – Konsumentenbefragung, 1999

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Auswirkungen durch die Einführung von

Qualitätsmanagement in der

Ernährungswirtschaft Implementation of quality management and its effects in the food industry

Siegfried PÖCHTRAGER

Zusammenfassung

Die wichtigsten Gründe für die Einführung von Qualitätsmanagement in einem Unternehmen der Ernährungswirtschaft ist das Erkennen und dauerhafte Vermeiden von Fehlern, die bessere Strukturierung der Arbeitsabläufe und des Informationsflusses sowie die Optimierung des Produktionsprozesses. Dies legt den Schluss nahe, dass in diesen Bereichen durch die Einführung von Qualitätsmanagement ISO 9000ff die größten Einsparungen bei den Unternehmern zu erreichen sind. Im Rahmen dieser Studie konnte bei den Auswirkungen durch die Einführung des Qualitätsmanagements beispielsweise ermittelt werden, dass die untersuchten Unternehmen Umsatzsteigerungen bis zu mehr als 26 % verzeichneten, die Lagerumschlaghäufigkeit um bis zu mehr als 30 % stieg, der Ausschuss um mehr als 62 % abnahm und die Anzahl der Beschwerden sich um mehr als 60 % reduzierte. Schlagworte: Qualitätsmanagement, Ernährungswirtschaft, ISO 9001 : 2000, Marketing

Summary

The most important reasons for implementing quality management in an enterprise which operates in the food and fodder production and trade, are the recognition of errors and their permanent avoidence, the improvement of work flow structuring and the information flow, as well as the optimization of the production process. This leads to the conclusion that entrepeneurs may reach maximum savings by imple-menting quality management ISO 9000ff in the areas as mentioned. The

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Pöchträger

324

study also shows that once quality management was implemented, enterprises reported a turnover growth by more than 26%, the stock turnover frequency rose by 30%, and a reduction of waste goods by more than 62% was achieved, and also the amounts of complaints de-creased by more than 60%. Keywords: Quality Management, Food Industry, ISO 9001 : 2000, Mar-keting

1. Einleitung

Aufgrund starker Veränderung der Märkte und deren Produkte in den vergangenen Jahren ist der Erfolg eines Unternehmens entscheidend vom Qualitätsmanagement abhängig. Viele Unternehmen in der öster-reichischen Ernährungswirtschaft haben das Qualitätsmanagement-system nach der Norm ISO 9000ff eingeführt. Nach wie vor stehen Unternehmen vor der Entscheidung, ob sie Ihre Produktionsabläufe, Entwicklung etc. nach den Anforderungen der ISO 9000ff dokumentieren sollen. Um nicht zertifizierten Unternehmen die Entscheidung zu erleichtern, wurden in einer Studie 53 Unternehmen in der Ernährungswirtschaft nach den Gründen, Auswirkungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement im Unternehmen, sowie nach den Verbesserungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement befragt. Damit die Veränderungen auch messbar gemacht werden konnten, wurden Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn, Zahl der Beschwerden etc. ermittelt.

2. Definition Qualitätsmanagement

Unter dem Begriff Qualität ist nach CROSBY (1979) die „Übereinstimmung mit den Anforderungen“ zu verstehen. Die Anforderungen werden dabei naturgemäß von den Abnehmern der eigenen Produkte festgelegt und nicht vom Produzenten selbst. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage, die den Schutz des Verbrauchers an oberster Stelle sieht, ist jedes Unternehmen in der Lebensmittelkette gezwungen, sich rechtlich und fachlich hinsichtlich der Einhaltung der vorgegebenen Standards abzusichern. Der Landwirt, der als Urproduzent an erster Stelle in dieser Kette steht,

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

325

unterliegt nicht nur dem nationalen Regelwerk bzw. den EU-Anforderungen (Produkthaftung, Lebensmittelhygiene etc.) und den internationalen Bestimmungen (bei Exporten z.B. Antikörper nach der Impfung, Keimbesatz), sondern auch den Anforderungen und Auflagen, die von den von ihm belieferten Unternehmen vorgegeben werden. Hinter dem Begriff „Qualitätsmanagement“ verbirgt sich das systematische Planen, Umsetzen und Dokumentieren von Tätigkeiten, die bei der Herstellung eines Produktes Einfluss auf die Qualität haben. Das Unternehmen selbst legt den Umfang und die Tiefe des QM-Systems fest. Ein QM-System umfasst deshalb grundsätzlich all jene Bereiche eines Unternehmens, die für die Qualität mitbestimmend sind. Nicht die Endkontrolle eines Produktes sollte im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die stetige Qualitätskontrolle im Verlauf der Produktentstehung bzw. Leistungserbringung. Die ÖNORM EN ISO 9001 : 2000 bietet das Gerüst für ein derartiges, funktionsfähiges QM-System. Dabei muss hervorgehoben werden, dass ein wirksames QM-System in der Ernährungswirtschaft so ausgelegt sein muss, dass es nicht nur die Erfordernisse und Erwartungen der Kunden erfüllt, sondern gleichzeitig die Interessen und Erwartungen der Unternehmen in der Ernährungswirtschaft wahrt. Die äquivalente internationale Normenreihe ISO 9000 ist in den 80er Jahren entstanden und hat Branchen übergreifend für den Bereich Qualitätsmanagement weltweite Gültigkeit. In über 70 Ländern wird diese Norm zur Zeit unverändert angewendet. Da es in jedem Land ein eigenes Normungsinstitut gibt, ist die Bezeichnung je nach Land unterschiedlich. Für Österreich gilt folgende Bezeichnung (die Buchstaben stehen dabei für die entsprechenden Organisationen): • in Österreich

(Österreichisches Normungsinstitut) ÖNORM • in der EU • (Europäische Norm) EN • und weltweit

(International Standard Organization) ISO • Die Normenreihe ISO 9000 wurde im Jahr 2000 überarbeitet und

gliedert sich wie folgt:

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Pöchträger

326

• ISO 9000 : 2000QM-Systeme – Grundlagen und Begriffe • ISO 9001 : 2000QM-Systeme – Anforderungen • ISO 9004 : 2000QM-Systeme – Leitfaden zur Leistungsverbesserung Ein prozessorientiertes oder ablauforientiertes QM-System unterstützt alle wesentlichen betrieblichen Prozesse und durchleuchtet sie. Dies führt auch bei guten Unternehmen zu Optimierungsmöglichkeiten. Führungsprozesse sowie die Aufgaben der unterstützenden Prozesse (Kommunikation, Dokumentenlenkung, Vertragswesen, etc.) werden ausdrücklich mit einbezogen. Ein zertifiziertes Unternehmen muss für alle Funktionen innerhalb des Produktionsprozesses festlegen: • Formulierung der zu erfüllenden Aufgaben, • Definition der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie der

Schnittstellen, • Bereitstellung der zur Leistungserfüllung erforderlichen Mittel, • Überwachung der Durchführung der Prozesse und Bewertung des

Erfolges, • Systematische Identifikation und Umsetzung von

Verbesserungsmöglichkeiten. Ausgangspunkt für ein prozessorientiertes QM-System sind stets die Kundenanforderungen. Unter den Kunden sind dabei die Abnehmer der hergestellten Produkte zu verstehen. Dies können demnach Konsumenten, verarbeitende Betriebe oder auch der Lebensmittelhandel sein. Erst wenn die Anforderungen, die diese Kunden an das Produkt stellen, bekannt sind, ist es sinnvoll, sich über deren Realisierung und Umsetzung Gedanken zu machen. Damit ist z.B. ein bestimmter Stärkegehalt bei Getreide oder die Lagerfähigkeit bei Paradeisern angesprochen. Der Gesamtprozess ist eingebettet in Verbesserungsschleifen, die alle Bereiche und Prozesse umfassen. Wichtig sind dabei vor allem zwei Fragen: • Haben wir das Richtige gemacht, d. h. entsprechen die Produkte

bzw. Dienstleistungen dem, was der Markt/der Kunde braucht? • Haben wir es richtig gemacht, d. h. entsprechen die fertigen

Produkte bzw. Dienstleistungen dem vorgegebenen Anforderungen/Spezifikationen?

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

327

Aus dem Input, d. h. den Informationen über die Kundenanforderungen werden die notwendigen Prozessschritte zur Produktrealisierung abgeleitet, wobei ein überprüfendes System (Messung/Analy-se/Verbesserung, Verantwortung der Leitung, Management der Mittel) integraler Bestandteil eines funktionierenden QM-Systems sein muss. Der Produktrealisierungsprozess sollte zu Produkten führen, die den Anforderungen der Kunden vollkommen entsprechen und so zu einer hohen Kundenzufriedenheit führen. Letztlich sollten durch die Einführung eines adäquaten QM-Systems permanente Leistungsverbesserungen möglich sein, in dem Sinne, dass beispielsweise bei entsprechendem Bedarf neue Produkte entwickelt werden, Produktmodifikationen durchgeführt werden usw. – stets unter Berücksichtigung der vorgegebenen gelenkten Kriterien des QM-Systems.

Kundenzu-friedenheit

Kundenan-forderungen

QM-System

Input OutputProduktrealisierung

Verantwortungder Leitung

Managementder Mittel

Messung,Analyse und

Verbesserung

Permanente Verbesserungendurch QM-System

ProduktInforma-tion

Abb. 1: Struktur eines prozessorientierten QM-Systems

Quelle: PÖCHTRAGER, 2001, 55

3. Die Bedeutung eines QM-Systems

Das Qualitätsmanagement verfolgt grundsätzlich zwei Ziele: (a) Ziele innerhalb des Betriebes • Aufdecken von Rationalisierungsreserven • Aufdecken von Schwachstellen

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Pöchträger

328

• Optimieren der Produktionsprozesse • Reduzieren der Qualitätskosten (b) Ziele außerhalb des Betriebes • Sichern der Absatzchancen, durch Vertrauensbildung beim Abnehmer • Verbessern des Images durch Kundenorientierung • Erhöhen des Kundenvertrauens in die Produktqualität durch

durchgängige Dokumentation und damit Nachvollziehbarkeit • Erhöhen der Kundenzufriedenheit und der Kundenloyalität, d. h. der

emotionalen Verbundenheit des Kunden an das eigene Unternehmen.

Daher muss beim Aufbau eines solchen Systems vor allem erörtert werden, welche Innenvorteile bzw. welche Außenvorteile erzielt werden können. Durch eine konsequente Dokumentation aller Produktionsvorgänge lassen sich über längere Zeit Fehlerursachen aufzeigen, die sonst nicht festgestellt werden. Eine systematische Durchleuchtung aller qualitätsrelevanten Tätigkeiten und das mögliche Feststellen von Fehlern führen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der unternehmensinternen Produktrealisierung, die ansonsten wohl kaum stattfinden würde. Ein wichtiger Vorteil des Qualitätsmanagements besteht darin, dass Vertrauen zum Abnehmer aufgebaut wird und dadurch der Absatz gesichert bzw. gefördert werden kann. Durch die rechtzeitige Einbindung der Kundenwünsche in die Produktionsplanung ist eine wichtige Voraussetzung für hohe Kundenzufriedenheit erfüllt. Dadurch findet eine Marktausrichtung der Produktion und eine Differenzierung der Produkte statt, was besonders in gesättigten Märkten immer mehr an Bedeutung gewinnt. In der nachfolgenden Abbildung werden die Möglichkeiten für positive und negative Erfahrung der Kunden dargestellt (vgl. FREHR, 1999, 32f).

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

329

Service-Besuch

Waren-Benutzung

Gebrauchsanweisung Rechnung

Verpackungen

Lieferzeit

SonstigerSchriftverkehr

Telex

Telefon-Gespräch

Angebot

PreislisteProdukt-Präsentation

Verkaufs-Kontakte

Datenblatt

Prospekt

Anzeigen

Kunde

Abb. 2: Die „Erlebniswelt“ des Kunden. Möglichkeiten für positive und negative

Erfahrungen Quelle: MASING, 1999, 33

An diesem Beispiel soll gezeigt werden, warum eine Beschränkung der Qualitätsbemühungen auf die Produkte eines Unternehmens alleine nicht ausreicht. Das Produkt steht in Abbildung 2, nur an einer einzigen Stelle „Waren-Benutzung“. Alle anderen Einflüsse haben nur indirekt mit dem Produkt zu tun, haben aber bei der Kaufentscheidung einen wichtigen Einfluss auf den Kunden (vgl. FREHR, 1999, 33). Ein Kunde kann dabei jeder sein, der mit einem Produkt oder Prozess in einem Unternehmen etwas zu tun hat. Es kann zwischen einem internen und externen Kunden unterschieden werden. • Interne Kunden haben mit dem Produkt in ihrer Eigenschaft als

Mitarbeiter des herstellenden Unternehmens zu tun. In diesem Sinne sind sie zwar keine Käufer aber dennoch Empfänger eines Produktes oder einer Produktvorstufe (vgl. KAMISKE und BRAUER, 1996, 44).

• Der externe Kunde hat etwas mit dem Produkt zu tun, gehört aber nicht dem herstellenden Unternehmen an. Dies schließt also nicht

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Pöchträger

330

nur den speziellen Käuferkreis ein, sondern kann sich auf die gesamte Gesellschaft, den Staat und die Öffentlichkeit beziehen (vgl. KAMISKE und BRAUER, 1996, 44).

Es wird damit jedes Ergebnis eines Verarbeitungsschrittes zum Eingangsmaterial für den nächsten Schritt. Jeder Mitarbeiter ist demnach interner Kunde des im Herstellungsprozess vor ihm liegenden Mitarbeiters und zugleich Anbieter seines Arbeitsergebnisses an den nachfolgenden Mitarbeiter (Next Operation as Customer, NOAC). Voraussetzung ist, dass jedem Mitarbeiter die Erwartungen seines unmittelbaren Kunden bekannt sind. Es kann damit die gesamte Wertschöpfungskette, die das Unternehmen durchzieht und noch darüber hinausgeht, als Verknüpfung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen betrachtet werden, die nachfolgend auch graphisch abgebildet sind. Diese Graphik gilt sowohl für den internen als auch externen Kunden in einem Unternehmen.

A BLieferant KundeKunde Lieferant

Anforderungen

Rückmeldung

Dienste

Waren

Abb. 3: TQM-Grundmodell: Kunden-Lieferanten-Beziehung. Jeder ist Kunde und

Lieferant Quelle: PÖCHTRAGER, 2001, 65

Letztlich ist nur mit einer langfristig gesicherten Zufriedenheit der eigenen Kunden auch eine höhere Kundenloyalität verbunden, was zukünftigen Absatz und Cash-flow sichern hilft.

4. Gründe für die Einführung von Qualitätsmanagement

Auf die Frage: „Warum betreibt Ihr Unternehmen Qualitätsmanagement?“ wurden bei den betroffenen Unternehmen folgende Aussagen gemacht (gereiht nach Häufigkeit): • Strukturierung der Arbeitsabläufe, bessere Nachvollziehbarkeit

und Kontrolle (22), • Kundenzufriedenheit (14),

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

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• Kundenforderung (13), • Verbessung der Qualität der Produkte und der internen

Arbeitsabläufe (11), • Marketingvorteil (Werbevorteil) (6), • Existenzsicherung (4), Diese Ergebnisse bestätigen prinzipiell die Erkenntnisse einer Studie der ÖPWZ aus dem Jahre 1995, auch wenn hierin nicht dieselbe Gewichtung über die Nennungen der Qualitätsmanager abgeleitet werden kann.

Kunden- forderung

16%

Forderung Eigentümer

13%Absicherung

Qualität20%

Senkung Fehlerkosten

16%

Marketing- vorteile

19%

Sonstiges16%

Abb. 4: Einführungsgründe für ISO 9000

Quelle: ÖPWZ, 1995

Die Absicherung der Qualität durch verbesserte Arbeitsabläufe etc. steht im Mittelpunkt der Betrachtung. Marketing und Kundenorientierung wird auch von den interviewten Qualitätsmanagern als äußerst wichtig angesehen. Erst an letzter Stelle werden hier wie dort die Forderungen der Eigentümer (Existenzsicherung) genannt.

5. Veränderungen durch Qualitätsmanagement

Welche Veränderungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement in den Unternehmen umgesetzt worden sind, wird anhand der nachfolgenden Tabelle aufgezeigt.

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Pöchträger

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Tab. 1: Veränderungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement --- -- - + ++ +++ Gesam t

Anzahl Anzahl Anzah l Anzah l Anzahl Anzahl Anzah l Mittelwert

Vermeiden v. Feh lern 5 20 28 53 5,4

bessere Nutzung Lieferantenpot. 1 1 11 13 18 9 53 4,4

erkennen Kundenbedürfnisse. 2 5 10 14 13 9 53 4,1

Umsetzung Kundenbedürfnisse. 2 5 7 17 14 8 53 4,1

Produktionsoptimierung 1 3 15 15 19 53 4,9

erfül len Kundenforderungen 1 2 15 18 17 53 4,9

erfül len Behördenforderungen 3 2 6 12 8 22 53 4,6

Quelle: Pöchtrager, 2001, 185 Aggregiert ergibt dies untenstehende Abbildung (Mittelwert).

trifft nicht zu trifft voll und ganz zu 6 5 4 3 2 1

Vermeiden v. Fehlern

bessere Nutzung Lieferantenpot.

erkennen Kundenbedürfnisse

Umsetzung Kundenbedürfnisse

Produktionsoptimierung

erfüllen Kundenforderungen

erfüllen Behördenforderungen

Abb. 5: Veränderungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement

Quelle: PÖCHTRAGER, 2001, 185

Es konnte festgestellt werden, dass es durch die Einführung von Qualitätsmanagement bei fast allen Befragten zu einer Erkennung und dauerhaften Vermeidung von erkannten Fehlern kam. Bei über 90 % der befragten Qualitätsmanager kam es zu einer besseren Erfüllung der Kundenforderungen sowie zu einer Optimierung der Produktionsprozesse. Bei über 67 % der Befragten konnten eine bessere

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

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Nutzung der Potentiale der Lieferanten, ein frühzeitiges Erkennen von Bedürfnissen der Kunden, eine Umsetzung der Kundenbedürfnisse in innovative Produkte sowie eine bessere Erfüllung von Behördenforderungen festgestellt werden.

Für die Qualitätsmanager sind bei der Einführung von der Norm ISO 9000ff auch Problembereiche aufgetreten, die bis jetzt nicht behoben werden konnten. Zu diesen Problembereichen zählen: • Durch den erhöhten Preisdruck durch andere Firmen werden die

Unternehmen immer mehr gezwungen, den Bereich der Distri-bution an andere Firmen zu vergeben, was eine lückenlose Kontrolle und Verbesserung schwieriger macht für den Auftraggeber.

• Ebenso ist ein immer kürzerer Produktlebenszyklus bei den Produkten zu verzeichnen, was eine erhöhte Flexibilität der Mitarbeiter erfordert und dadurch die Weiterbildung der Mitarbeiter notwendig macht. Dies stößt jedoch bei den Mitarbeitern z.T. auf eher geringes Interesse.

• In einigen Unternehmen fehlen finanzielle und zeitliche Ressourcen, um sich über die vorbeugenden Korrekturmaßnahmen Gedanken zu machen.

6. Auswirkungen von Qualitätsmanagement

Inwieweit durch die Umsetzung von Qualitätsmanagement tatsächlich Verbesserungen in den Unternehmen erreicht werden konnten, soll anhand der nächsten Tabelle gezeigt werden.

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Pöchträger

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Tab. 2: Verbesserungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement --- -- - + ++ +++ Gesamt Mittelwert

Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl

Strukturierung Infofluss 2 9 27 15 53 5,0

Strukturierung Arbeitsabläufe 1 8 24 20 53 5,2

Einsparung Produktion 3 5 7 18 13 6 52 4,0

Einsparung F&E 13 5 11 9 8 3 49 3,0

Einsparung Beschaffung 4 4 6 16 14 8 52 4,1

Einsparung Logistik 7 5 5 18 10 7 52 3,8

Einsparung Auftragsabwicklung 1 5 10 17 13 6 52 4,0

Quelle: Pöchtrager, 2001, 182 Aus der folgenden Abbildung wird ersichtlich, dass sowohl eine verbesserte Strukturierung der Abläufe (z.B. Zuständigkeit der jeweiligen Mitarbeiter und deren Befugnisse) sowie eine verbesserte Strukturierung des Informationsflusses (z.B. interne und exteren Kommunikation im Unternehmen) durch die Einführung des Qualitätsmanagements erreicht worden ist.

trifft nicht zu trifft voll und ganz zu 6 5 4 3 2 1

Strukturierung

Strukturierung Arbeitsabläufe

Einsparung Produktion

Einsparung F&E

Einsparung Beschaffung

Einsparung Logistik

Einsparung Auftragsabwicklung

Abb. 6: Verbesserungen durch die Einführung von Qualitätsmanagement

Quelle: PÖCHTRAGER, 2001, 183

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

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Finanzielle Einsparungen in der Produktion, in der Beschaffung und in der Auftragsabwicklung konnten nur zu 66 % durch die Einführung von Qualitätsmanagement realisiert werden (Antwortkategorien von „trifft voll und ganz zu“ [+++] bis „trifft eher zu“ [+]). Die geringsten Einsparungen konnten im Bereich der Forschung und Entwicklung durchgeführt werden. Da dies ein sehr innovativer Bereich in Unternehmen ist, ist es auch nicht das Ziel das Qualitätsmanagements dort die größten Kosteneinsparungen zu erreichen. Zu zusätzlichen Kosteneinsparungen durch die Einführung des Qualitätsmanagements ist es in folgenden Bereichen gekommen: • Mitarbeitermotivation – Reduktion der Personalkosten • Verwaltung • Abwasserentsorgung • Versicherungen • Prüfungs-, Kontroll- und Reklamationskosten

7. Kennzahlen nach der Qualitätsmanagementeinführung

Wie sich die Einführung von Qualitätsmanagement auf Kennzahlen in den Unternehmen ausgewirkt hat, soll anhand der nächsten Tabelle gezeigt werden.

Tab. 3: Auswirkungen auf Kennzahlen

gestiegen gleich geblieben gesunken unbekannt Gesamt

Umsatz 14 11 28 53

Gewinn 10 13 2 28 53

ROI 11 11 31 53

Verschuldungsgrad 12 12 29 53

Lagerumschlagshäufigkeit 16 14 1 22 53

Lagerdauer 1 15 18 19 53

Personalkosten 7 15 10 21 53

Ausschuss 3 5 33 12 53

Kundenloyalität 27 14 12 53

Zahl der Aufträge 16 18 19 53

Zahl der Beschwerden 3 10 32 8 53

Quelle: PÖCHTRAGER, 2001, 184

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Pöchträger

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Bei der Ermittlung der Kennzahlen musste festgestellt werden, dass viele Qualitätsmanager, an die diese Befragung gerichtet wurde, keine Auskunft geben konnten. In weiterer Folge wird nur mehr auf jene Unternehmen eingegangen, bei denen die Qualitätsmanager Angaben zu den Kennzahlen machen konnten. Positive Ergebnisse konnten durch die Einführung von Qualitätsmanagement in den folgenden Bereichen festgestellt werden: • Umsatzsteigerungen um mehr als 26 % • Verbesserung des Gewinnes um mehr als 18 % • Verbesserung des Return on Investment um mehr als 20 % • Reduktion des Verschuldungsgrades um mehr als 22 % • Steigerung der Lagerumschlaghäufigkeit um mehr als 30 % • Bei den Personalkosten wurden Einsparungen um mehr als 18 %

erreicht, jedoch ist auch festzuhalten, dass bei 13 % der Befragten die Personalkosten gestiegen sind

• Reduktion des Ausschusses um mehr als 62 % • Steigerung der Kundenloyalität um mehr als 50 % • Steigerung der Aufträge um mehr als 30 % • Reduktion der Beschwerden um mehr als 60 %

8. Beispiel aus der Praxis

Die Bauernerdäpfel Verkaufs GmbH Hollabrunn (Erzeugergemeinschaft für Erdäpfel - EZG) hat sich im August 2002 nach der ÖNORM EN ISO 9001 : 2000 zertifizieren lassen und hat das externe Audit bestanden. Ihre Qualitätspolitik wurde wie folgt definiert:

„Die Kunden unserer Kunden sind unsere Kunden“

Kurz gefasst können als Leitlinien der Arbeit der EZG genannt werden: • Qualität vor Quantität • Rückverfolgbarkeit vom POS (Verkaufsort) bis zum Feld des

jeweiligen Landwirtes • Kooperation horizontal und vertikal • Ständige Verbesserung ist angesagt • Transparenz im System • Kontinuität in der Vermarktung

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

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• Produktion im Einklang mit der Natur und Umwelt Da für die Erzeugergemeinschaft nicht die Endkontrolle im Vordergrund steht, sondern eine prozessorientierte Kontrolle durchgeführt wird, soll anhand einer Tabelle gezeigt werden, dass die erzeugten Erdäpfel in mehreren Schritten diverse Kontrollen durchlaufen müssen, ehe sie beim Konsumenten landen.

Tab. 4: Kontrolle Bauernerdäpfel Verkaufs GmbH Prozess Tätigkeit Dokument

Planung Machbarkeitsprüfung Liefervertrag LW, Fax Handel Beschaffung Angebotsprüfung Spezifikation - Angebote Produktion und Ernte Kontrolle beim Landwirt Stichprobenweise Kontrolle der

Ackerschlagkartei, org. Saatgutrechnungen, Feldkontrolle, Vegetationsbericht, Kistenbeschriftung, Erntemeldung, Erntemuster, Bonitierung

Lagerung Kontrolle beim Landwirt (LW) Kontrolle beim Dienstleister (DL)

Lagerprotokoll, bei Bedarf Abholkontrolle, Bonitierung - Stichproben, Temperaturhandbuch,

Sortierung und Aufbereitung

Qualitätskontrolle beim Dienstleister laut Richtlinien

Kontrollformular DL

Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit

Produktflusskontrolle Org. Saatgutrechnung, Ackerschlagkartei, Feldkontrolle LW, Kistenzettel, Lagerprotokoll LW, Begleitdokument LW, Wiegeschein, Erntemuster DL, Lagerprotokoll DL, Visitationsbericht im LEH

Auslieferung Sackkontrolle (Name, Sorte, Qualität laut Richtlinien)

Lieferschein/Abrechnung vom Dienstleister an EZG

Kontrolle im Geschäft Produktqualität Visitationsbericht Internes/externes Audit feststellen von möglichen

Verbesserungspotentialen Auditbericht

Kontrolle der Mitarbeiter

Aufzeichnungskontrolle: (Wochenbericht, Formulare)

Stellenbeschreibungscheckliste

Kontrolle der Messmittel

Kontrolle und Standardisierung der Messinstrumente (Temperatur und Probekocher)

Tätigkeitsbericht

Quelle: PÖCHTRAGER und MEIXNER, 2002, 25

Vereinfacht können die Kontrollen sowie die Wertschöpfung innerhalb der Erzeugergemeinschaft in der nachfolgenden Grafik zusammengefasst werden:

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Pöchträger

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Abb. 7: Wertschöpfungskette inkl. Kontrollen bei der EZG

Quelle: PÖCHTRAGER und MEIXNER, 2002, 25

Die Gründung der EZG geht auf die Initiative von 11 Landwirten zurück (11er Gruppe). Gemeinsam mit den restlichen 190 Landwirten (landwirtschaftlicher Verein und Landwirte der EOM) haben sie die EZG ins Leben gerufen. Um den Anforderungen der Richtlinien der Bauernerdäpfel Verkaufs GmbH Hollabrunn gerecht zu werden, muss jeder einzelne Landwirt eine genaue Dokumentation über die Kulturführung der Speiseerdäpfel, deren Lagerung etc. durchführen. Nach einer qualitativen Kontrolle gehen die Produkte an die diversen Dienstleister (Verpackung, Sortierung etc.). Die fertigen Produkte werden, ehe sie an die Handelsketten ausgeliefert werden, erneut kontrolliert. Schließlich werden die Erdäpfel auch noch am Point of Sale (POS) überprüft (i.e. Visitationsbericht). Die Bauernerdäpfel Verkaufs GmbH Hollabrunn ist die erste Erzeugergemeinschaft in Österreich, die ein durchgängiges QM-System aufgebaut hat. Bei diesem System sind die Erdäpfel vom Landwirt über die Dienstleister (Verpacker) bis zum POS im Handel in ein einheitliches Kontrollsystem eingebunden. Nicht nur die vertikale Durchgängigkeit des QM-Systems vom Landwirt bis zum Handel zeichnet die Erzeugergemeinschaft aus, sondern es wurde ihnen durch das externe Audit auch bestätigt, dass die ständige Qualitätsverbesserung sowie die klare Qualitätspolitik ein vorrangiges Anliegen der Arbeit der EZG ist. Das Hauptziel der EZG liegt somit in der Erreichung einer möglichst hohen Kundenzufriedenheit und nicht z.B. in der Erzielung größtmöglicher Erträge. Jeder Konsument, der die Erdäpfel der Bauernerdäpfel Verkaufs GmbH kauft, hat die

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Qualitätsmangement in der Ernährungwirtschaft

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Möglichkeit, den produzierenden Landwirt über den Sackanhänger bzw. deren Aufdruck zu identifizieren und bei Bedarf auch zu kontaktieren. Durch den Aufbau des QM-Systems hat die Erzeugergemeinschaft ein vollständig dokumentiertes, nachvollziehbares System über den Produktverlauf der Erdäpfel vom Landwirt bis zum Handel erarbeitet. Durch diese gelenkte Produktdifferenzierung ist es der Erzeugergemeinschaft gelungen, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das den speziellen Kundenanforderungen weitestgehend entspricht. Dabei muss aber festgehalten werden, dass die Umsetzung eines allgemeingültigen QM-Systems für die Landwirtschaft nur sehr schwer möglich ist. Vielmehr muss für den jeweiligen Fall ein eigenes QM-Modell aufgebaut und umgesetzt werden.

Literatur:

CROSBY, P. B. (1979): Quality is free, the art of making certain. New York: McGraw-Hill.

FREHR, H. U. (1999): Total-Quality-Management. In: MASING, W. (1999): Handbuch Qualitätsmanagement. 4., überarb. und erw. Aufl., München, Wien: Carl Hanser Verlag, 31-48.

KAMISKE, G. F. und BRAUER, J.-P. (1996): ABC des Qualitätsmanagements. Berlin, Hanser.

MASING, W. (1999): Handbuch Qualitätsmanagement. 4., überarb. und erw. Aufl., München, Wien: Carl Hanser Verlag.

ÖNORM EN ISO 9001 (2000): Qualitätsmanagementsystem Anforderungen. Wien: Österreichisches Normungsinstitut.

ÖPWZ-Studie (1995): Einführungsgründe für ISO 9000. In KERSCHBAUMER, K. (1999): Einführung des QM-Systems. Schulungsunterlage TGM Wien.

PÖCHTRAGER, S. (2001): Die Ermittlung der Bedeutung von Erfolgsfaktoren in Qualitätsmanagementsystemen mit Hilfe des Analytischen Hierarchieprozesses am Beispiel der österreichischen und Südtiroler Ernährungswirtschaft. Wien: Dissertation Universität für Bodenkultur Wien.

PÖCHTRAGER, S. und MEIXNER, O. (2002): Vorgehensweise bei der Einführung des Qualitätsmanagements und deren Konsequenzen für die Ernährungswirtschaft. Ländlicher Raum 5/2002, 24-25.

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Pöchträger

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Anschrift des Verfassers

Siegfried Pöchtrager

Universität für Bodenkultur Wien

Institut für Agrarökonomik

A-1190 Wien, Peter Jordan-Straße 82

Tel.: +43 1 47654 3566 eMail: poechtrager@ boku.ac.at

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Wettbewerbsfähigkeit österreichischer

Milchviehbetriebe im Rahmen des International

Farm Comparison Network (IFCN) Competitiveness of Austrian dairy farms within the framework of the Inter-national Farm Comparison Network (IFCN)

Leopold KIRNER

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag untersucht die Wettbewerbsfähigkeit von österreichischen Milchviehbetrieben im Rahmen des International Farm Comparison Network (kurz IFCN). Als Maßstab für den Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit dient die Höhe der Produktionskosten. In Österreich wurden im Jahr 2002 sechs typische Betriebe im Rahmen des IFCN modelliert und mit dem Modell TIPI-CAL berechnet. Als Ergebnis zeigte sich eine große Streubreite in den Produktionskosten der typischen Betriebe: je nach abgelieferter Milchmenge und natürlichen Standortbedingungen lagen sie zwischen 60 € und 140 € je 100 kg Fett korrigierte Milch (FCM). International betrachtet produzierten die österreichischen Betriebe zu hohen Kosten, beispielsweise lagen mittelgroße Betriebe in der EU bei etwa 40 € je 100 kg FCM. Andererseits sind die typischen Betriebe in Österreich weniger risikoanfällig, da sich die Faktoren Arbeit, Boden und Kapital zum Großteil im Eigenbesitz befinden. Aussagen zur künftigen Wettbewerbsstellung der österreichischen Milchproduktion lassen sich im Rahmen des IFCN nicht abschließend beantworten, dazu wären auch die Erfassungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungskosten, die Produktqualität der Molkereiprodukte sowie das zukünftige Kaufverhalten der KonsumentInnen einzubeziehen. Schlagworte: Wettbewerbsfähigkeit, IFCN, Milchproduktion, Produktionskosten.

Summary

The present study examines the competitiveness of Austrian dairy farms

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within the framework of the International Farm Comparison Network (IFCN). The indicator used for the comparison of competitiveness was production costs per unit. In Austria, six typical farms were modeled according to IFCN specifications in the year 2002 and calculated using the model TIPI-CAL. The results showed a considerable variation of production costs across these farms, with a range from 60 € to 140 € per 100 kg of fat corrected milk (FCM), depending on the quantity of milk delivered and the natural locational conditions at the farm. In an interna-tional context the Austrian farms produced at high costs relative to mod-erate-sized businesses in the EC, for example, which produced at ap-proximately 40 € per 100 kg FCM each. On the other hand, the typical farms in Austria can be rated stable: their susceptibility to risk is low because their factors of production (labor, land and capital) are mainly supplied by their operators. To draw final conclusion on the competitive position of the Austrian milk production in the future, the IFCN frame-work is not wholly sufficient. To do so would require to consider also the costs of collection, processing and marketing, the quality of dairy prod-ucts and the purchasing behavior of consumers in the future. Keywords: competitiveness, IFCN, milk production, production costs.

1. Einleitung und Problemstellung

Vor dem Hintergrund eines Abbaus des Agrarschutzes im Rahmen der Europäischen Agrarpolitik und der WTO-Vereinbarungen wird die Standortwahl der Agrarproduktion zunehmend durch die komparativen Vor- und Nachteile der Produktionsregionen bestimmt. Die Wettbewerbsfähigkeit von Agrarstandorten und –betrieben gewinnt somit an Bedeutung. So einfach lässt sich jedoch die Wettbewerbsfähigkeit nicht messen, außerdem waren bisher Vergleiche zwischen Betrieben in verschiedenen Regionen bzw. Staaten aufgrund von unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Methoden kaum möglich. In diesem Beitrag wird das International Farm Comparison Network (IFCN) vorgestellt, mit dessen Hilfe landwirtschaftliche Betriebe international verglichen werden können. Österreich – repräsentiert durch die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft - nimmt seit dem Jahr 2001 am IFCN teil. Anhand bestimmter Kennzahlen wird im Folgenden die Wettbewerbsfähigkeit von

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Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben

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österreichischen Milchviehbetrieben im internationalen Vergleich analysiert. Daraus lassen sich unter anderem Maßnahmen für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit von österreichischen Milchviehbetrieben ableiten.

2. Theoretische Überlegungen

2.1 Wettbewerbsfähigkeit

Die Wettbewerbsfähigkeit lässt sich allgemein schwer definieren, beurteilen und analysieren. Zu diesem Begriff gibt es weder ein klares Konzept noch ein Modell, aus dem dieser abzuleiten wäre (vgl. ABBOTT 1998, 518). ISERMEYER (1988) bezeichnet jemanden als wettbewerbsfähig, „der sich nachhaltig am Markt behauptet“. Eine weitere, später oft wiederholte, Definition lieferte ZEDDIES (1999): „Wettbewerbsfähigkeit ist die nachhaltige Fähigkeit eines Unternehmens bzw. eines Sektors, unter liberalisierten Marktbedingungen Marktanteile auf regionalen, nationalen und internationalen Märkten zu erlangen und zu erhalten“. Diese Definition schließt die Entwicklung von Marktanteilen ein, betont also den Wettbewerb als einen dynamischen Prozess, bei dem Unternehmen zu ständiger innovativer Anpassung gezwungen werden. Indes betont diese Definition, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Wirtschaftssektoren und auch von ganzen Volkswirtschaften ausgedrückt werden kann. Das würde bedeuten, dass für die Analyse der Milchproduktion neben den Kosten der Produktion auch die Erfassungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungskosten sowie die Produktqualität der Molkereiprodukte von Bedeutung sind. Die vorliegenden Daten reichen jedoch nicht aus, um daraus international vergleichbare Ergebnisse über Verarbeitungs- und Vermarktungskosten ableiten zu können. Diese Studie beschränkt sich daher auf die Urproduktion. Die Analyse der Marktanteile der Milchproduktion in der EU hat wegen der momentan existierenden Milchquotenregelung nur eingeschränkte Aussagekraft. Daher verbleibt die Auswertung von wirtschaftlichen Ergebnissen von Milchviehbetrieben anhand ihrer Leistungen und Kosten. Nach SCHMITT et al. (1996) sind

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Leopold Kirner

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landwirtschaftliche Betriebe dann wettbewerbsfähig, wenn sie die eingesetzten Faktoren entsprechend entlohnen können. D.h., wenn sie die eingesetzten Produktionsfaktoren in Höhe ihrer Marktpreise (Opportunitätskosten) entlohnen und eine (höchstmögliche) Grundrente zur Entlohnung des Bodens erreichen. Geprüft wird diese Forderung im Folgenden durch die Produktionskostenrechnung.

2.2 Produktionskostenrechnung

Die Produktionskostenrechnung stellt eine Vollkostenrechnung dar und bewertet alle eingesetzten Faktoren (auch kalkulatorische Größen wie Arbeitseinsatz nicht entlohnter Arbeitskräfte oder Verzinsung des Eigenkapitals). Gefragt wird nach der langfristigen Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Fixkosten und Opportunitätskosten für eigene Faktoren müssen bei Mehrproduktbetrieben den jeweiligen Betriebszweigen mittels Schlüssel zugeteilt werden. Daher merkt BRANDES (2000, 285) an, dass die Produktionskostenrechnung nur dann unproblematisch sei, wenn es sich um Aussagen über Einproduktbetriebe über einen längeren Zeitraum handelt. Kurz- und selbst mittelfristig können auch solche Betriebe weiterexistieren, deren Vollkosten nur teilweise gedeckt werden. In welchem Maße das Betriebseinkommen die Opportunitätskosten der Faktoren Arbeit, Boden, Kapital und Lieferrechte zu decken vermag, drückt die von der DLG vorgeschlagene relative Faktorentlohnung aus. Für die Überlebensfähigkeit und damit auch für die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben muss auch danach gefragt werden, ob die Produktionsfaktoren eine tatsächliche Entlohnung verlangen oder ob nur eine hypothetische Entlohnung angesetzt wird. POLLAK (1985, 593f) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bäuerliche Familienbetriebe, insbesondere wenn deren Pacht- und Fremdkapitalanteil gering ist, c.p. eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit besitzen als Großbetriebe mit hohem Pachtanteil.

3. Methoden

3.1 Einführung zum International Farm Comparison Network - IFCN

Das IFCN ist ein weltweites Netzwerk von Agrarwissenschaftern, Beratern sowie Landwirten und wird von der Bundesforschungsanstalt für

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Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben

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Landwirtschaft in Braunschweig (FAL) koordiniert. Auf Basis von wenigen typischen Betrieben soll ein Einblick in die Wettbewerbsfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben einer Region oder eines Landes vermittelt werden. Die Berechnungen für die typischen Betriebe werden für alle teilnehmenden Länder bzw. Regionen nach einem einheitlichen Schema durchgeführt und liefern die Höhe der Produktionskosten sowie die Ursachen für Wettbewerbsvor- bzw. –nachteile eines bestimmten Standortes. Mittels statistischer Daten und Gesprächen mit Beratern werden geeignete Regionen ausgewählt. Die Erhebung der Daten vor Ort sowie die Modellierung der regionstypischen Unternehmen erfolgt anhand eines standardisierten Fragebogens durch sogenannte Panels. Ein Panel besteht aus drei bis fünf Landwirten der jeweiligen Untersuchungsregion, einem Berater und einem Wissenschaftler. Die Berechnungen erfolgen mit dem Betriebsmodell TIPI-CAL 1.

3.2 Vorgehensweise in Österreich

Im Februar 2002 wurden vier Panels abgehalten, die als Basis für fünf typische Betriebe dienten (aus einem Panel wurden zwei typische Betriebe modelliert). Ein weiterer typischer Betrieb wurde von einem Panel aus dem Vorjahr fortgeschrieben. Somit ergeben sich sechs typische Betriebe für Österreich. Die Auswahl der Panels bzw. der typischen Betriebe orientierte sich an der Bedeutung der Milchproduktion in einer Region, an der Kooperationsbereitschaft der Berater vor Ort und an dem Ziel, unterschiedliche Produktionssysteme zu erfassen.

3.3 Methodik des Kostenvergleichs

Die Leistungen setzen sich aus dem Milcherlös, den Milchnebenerlösen (Altkühe, Kälber- und Kalbinnenerlöse) und den Direktzahlungen zusammen. Die Kosten werden unterteilt in die Kosten der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und in die Opportunitätskosten 2. Übersteigen die

1 TIPI-CAL = Technology Impact and Policy Impact Calculation Model. 2 In den Ergebnissen werden zudem die Quotenkosten (Abschreibung für gekaufte

Quoten) extra ausgewiesen.

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Leopold Kirner

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Leistungen die Kosten der GuV, wird ein betriebswirtschaftlicher Gewinn ausgewiesen (Unternehmensgewinn). Wenn die Leistungen zusätzlich auch die Opportunitätskosten übertreffen, kann ein Unternehmergewinn erzielt werden. Hier wären dann alle eingesetzten Faktoren entsprechend entlohnt und für den Unternehmer bleibt ein zusätzlicher Gewinn.

4. Beschreibung der typischen Betriebe in Österreich

In Tabelle 1 werden die wichtigsten produktionstechnischen Kennzahlen der typischen Betriebe vorgestellt, die Kurzbezeichnung (z.B. MV-22) gibt die Region und die Kuhzahl an und wird in der Ergebnisdarstellung zur Identifizierung der Betriebe verwendet. Tab. 1: Produktionstechnische Daten zu den typischen Betrieben in Österreich Bezeichnung Einheit MV-22 IV-25 IV-35 VB-23 PI-22-Bio MU-12Milchproduktion allgemein Anzahl Milchkühe St. 22 25 35 23 22 12 A-Milchquote kg 110.000 143.000 225.000 125.000 90.000 44.000 Molkereianlieferung kg 115.940 146.000 230.650 138.920 92.400 45.600 Milchproduktion gesamt kg FCM 138.226 171.031 261.157 160.623 116.974 63.336 Milkproduktion je Kuh kg FCM 6.283 6.841 7.462 6.984 5.317 5.278 Milchanlieferung je Kuh kg FCM 5.428 6.147 6.936 6.203 4.295 3.857Flächenausstattung Landw. Nutzfläche ha 27,0 30,0 33,5 24,5 25,0 25,0 Ackerland ha 10,0 18,0 18,0 8,5 0,0 0,0 Grünland ha 17,0 12,0 15,5 16,0 25,0 25,0 Fläche gepachtet ha 6,0 10,0 13,5 2,5 2,0 2,0Arbeitskräfte Arbeitskräfte am Betrieb AK 1,7 1,7 2,2 2,0 1,9 1,8 AKh für Milchproduktion AKh 3.754 3.468 5.280 4.080 4.013 3.888Fütterung Kraftfuttereinsatz kg/Kuh 1.507 1.738 1.829 1.740 965 1.122 MV=Mühlviertel, IV=Innviertel, VB=Vöcklabruck, PI=Pinzgau, MU=Murau; die Zahl daneben kennzeichnet die Kuhzahl. FCM=Fett korrigierte Milch. Die typischen Betriebe kennzeichnen Haupterwerbsbetriebe mit einer hohen Spezialisierung in der Milchproduktion. MV-22, PI-22 und MU-12 sind Bergbauernbetriebe mit 80, 62 bzw. 180 Berghöfekataster-Punkten. Der Betrieb aus dem Mühlviertel nimmt im Rahmen des ÖPUL am Verzicht auf ertragssteigernde Betriebsmittel im Grünland und an der Reduktion von ertragssteigernden Betriebsmitteln im Getreide und Mais teil. Der Betrieb aus dem Pinzgau beteiligt sich an der biologischen

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Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben

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Wirtschaftsweise, der Betrieb aus Murau an dem Verzicht auf ertragssteigernde Betriebsmittel im Grünland. Die anderen Betriebe nehmen an keinen Verzichts- oder Reduktionsmaßnahmen im ÖPUL teil.

5. Ergebnisse der Modellrechnungen für die typischen Betriebe in Österreich

Die Leistungen je 100 kg FCM 3 schwankten zwischen 83,9€ und 49,4€. Insbesondere die Direktzahlungen sind für die große Streubreite in den Leistungen verantwortlich (vgl. Tabelle 2). Tab. 2: Leistungen je 100 kg FCM gegliedert nach Milcherlös, Milchnebenerlöse

und Direktzahlungen Bezeichnung MV-22 IV-25 IV-35 VB-23 PI-22-Bio MU-12Leistungen 57,6 52,0 49,4 52,4 77,6 83,9 Milcherlös 36,1 37,3 37,3 37,3 42,2 36,0 Milchnebenerlöse 10,0 9,2 7,9 8,7 9,1 11,8 Direktzahlungen 11,5 5,5 4,2 6,3 26,2 36,1 In Tabelle 3 sind die Kosten laut Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die Opportunitätskosten und die Quotenkosten aufgelistet. Die Kosten laut GuV nahmen zwischen 37 % (MU-12) und 50 % (IV-25) der Produktionskosten ein. Die Gemeinkosten (z.B. Unterhaltung von Maschinen und Gebäuden, Versicherungen) und die Abschreibungen waren die wichtigsten Kostenpositionen in der GuV. Die Opportunitätskosten nahmen bei MU-12 und VB-23 mehr als die Hälfte der Produktionskosten ein (61 % bzw. 52 %). Den weitaus größten Anteil der Opportunitätskosten hatten die Arbeitskosten, ihr Anteil bewegte sich zwischen 79 % (IV-25) und 87 % (MU-12). Die Flächenkosten waren bis auf MV-22 höher als die Kapitalkosten. Die Quotenkosten schwankten zwischen 2,5 und 4,5 € je 100 kg FCM.

3 Fat corrected milk (Fett korrigierte Milch)

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Tab. 3: Produktionskosten je 100 kg FCM gegliedert nach Kosten laut GuV, Opportunitätskosten und Quotenkosten

Bezeichnung MV-22 IV-25 IV-35 VB-23 PI-22-Bio MU-12Kosten laut GuV 37,1 29,7 28,2 30,3 46,6 50,9 Bodennutzung 3,4 4,8 3,9 3,2 5,5 2,0 M ilchkuhhaltung 7,0 4,6 5,9 6,5 13,5 11,4 Gemeinkosten (o. Afa) 10,6 8,1 6,4 8,0 14,9 20,3 Pachtland 0,6 1,5 1,4 0,2 0,4 0,7 Schuldzinsen 1,3 0,8 1,0 1,3 1,4 1,4 Abschreibungen (Afa) 14,2 9,9 9,6 11,1 10,9 15,2 Opportunitätskosten 34,8 27,3 25,7 36,3 45,8 83,2 Arbeit 29,6 21,7 21,1 30,6 38,6 72,2 Kapital 2,9 2,1 2,1 2,5 2,6 3,2 Land 2,2 3,4 2,5 3,2 4,6 7,8 Quotenkosten 4,5 2,6 3,8 3,7 3,0 2,5 Produktionskosten 76,3 59,6 57,7 70,2 95,4 136,6 Abbildung 1 zeigt die Gegenüberstellung der Produktionskosten und der Leistungen. Die Leistungen sind in die einzelnen Positionen gegliedert (Milcherlös, Milcherlös und Rindererlöse, Milcherlös und Rindererlöse und Direktzahlungen). Damit wird veranschaulicht, wie viel die einzelnen Leistungen von den Produktionskosten abdeckten. Ein betriebswirtschaftlicher Gewinn wurde bei allen typischen Betrieben erzielt, die Summe der Leistungen übertraf bei allen die Kosten laut GuV. Der Unternehmergewinn war bei allen Betrieben negativ, mit –53 € je 100 kg FCM verzeichnete MU-12 den mit Abstand niedrigsten Unternehmergewinn. Der Milcherlös übertraf bei IV-25, IV-35 und VB-23 die Kosten laut GuV. Bei MU-12 betrug der Milcherlös nur ein Viertel der Produktionskosten. Milch- und Rindererlöse deckten bei letzterem nicht die Kosten laut GuV. Für die relative Faktorentlohnung 4 errechneten sich 46 % für MV-22, 72 % für IV-25, 68 % für IV-35, 51 % für VB-23, 61 % für PI-22 und 37 % für MU-12.

4 Betriebswirtschaftlicher Gewinn in Prozent der Opportunitätskosten

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Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben

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MV-22 IV-25 IV-35 VB-23 PI-22-Bio MU-12

Kosten laut GuV - Afa Abschreibung (Afa)Opportunitätskosten QuotenkostenMilchverkauf Milchverkauf + RindererlöseMilchverkauf + Rindererlöse + Direktzahlungen

Eu

ro j

e 1

00

kg

FC

M

Abb. 1: Gegenüberstellung der Leistungen und der Produktionskosten je 100 kg

FCM

6. Ergebnisse der Modellrechnungen für Betriebe anderer Länder

Abbildung 2 präsentiert die Leistungen und die Produktionskosten je 100 kg FCM von ausgewählten typischen Betrieben anderer Länder. Zum Unterschied von der Abbildung 1 beziehen sich die Ergebnisse auf das Jahr 2000 (nicht 2001) und Mehrwertsteuer ist keine enthalten. Die Länder sind so gewählt, dass ein breites Spektrum der Produktionskosten aufgezeigt werden kann: von etwa 75 € je 100 kg FCM in der Schweiz bis auf etwa 15 € in Neuseeland. Mit Ausnahme von PL-3 erreichten alle einen positiven betriebswirtschaftlichen Gewinn. Einen (geringfügigen) Unternehmergewinn erzielten die jeweils größeren Betriebe aus Deutschland, Polen und Neuseeland. Die Kosten laut GuV nahmen bei den größeren Milchviehbetrieben tendenziell zu, die Opportunitätskosten ab. Ein Indiz dafür, dass diese Betriebe zunehmend mit fremden Faktoren (vor allem Lohnarbeit) operierten. Die Direktzahlungen spielten in den Schweizer Betrieben eine wichtige Rolle, in den Betrieben aus Polen und Neuseeland hatten sie keine Bedeutung. Der Milchpreis war in Westeuropa im Jahr 2000

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mehr als doppelt so hoch wie in Neuseeland. Die relative Faktorentlohnung betrug etwa 40 % in den kleineren Betrieben der Schweiz und Dänemarks, 55 % im kleineren Betrieb Deutschlands und rund 60 % in den beiden schwedischen Betrieben. Mehr als 100 % erzielten die jeweils größeren Betriebe in Deutschland, Polen und Neuseeland.

0

10

20

30

40

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CH-28

CH-32

DE-35

DE-68

DE-650

DK-65

DK-200

SE-35

SE-160

PL-3

PL-20

PL-180

NZ-225

NZ-480

Kosten laut GuV - Afa Abschreibung (Afa)Opportunitätskosten QuotenkostenMilchverkauf Milchverkauf + RindererlöseMilchverkauf + Rindererlöse + Direktzahlungen

Eu

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00

kg

FC

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Mw

St)

D_

CH=Schweiz, DE=Deutschland, DK=Dänemark, SE=Schweden, PL=Polen, NZ=Neuseeland; die Zahl darunter kennzeichnet die Kuhzahl je Betrieb.

Abb. 2: Gegenüberstellung der Leistungen und Produktionskosten je 100 kg FCM von anderen Ländern

Quelle: IFCN Milch Team 2001

7. Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Modellrechnungen liefern keine repräsentativen Ergebnisse für Österreich, geben jedoch einen guten Einblick in die Höhe und die Zusammensetzung der Produktionskosten. Die ausgewählten Betriebe repräsentierten unterschiedliche Produktionssysteme, das Spektrum der Produktionskosten reichte von etwa 60 € bis knapp 140 € je 100 kg FCM. Trotz der geringen Betriebszahl zeigte sich die Tendenz, dass die Betriebsgröße – in Form der abgelieferten Milchmenge – und die

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Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben

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natürliche Erschwernis die Höhe der Produktionskosten wesentlich beeinflussten. Die ausgewählten typischen Betriebe anderer Länder produzierten zu deutlich niedrigeren Kosten. Die Produktionskosten der kostengünstigsten Betriebe in Österreich lagen gegenüber den Betrieben Westeuropas (Ausnahme Schweiz) um etwa 20 € bis 30 € je 100 kg FCM höher. Im Vergleich zu den Betrieben in Polen und Neuseeland war der Abstand viel größer. Groß war die Differenz in den Opportunitätskosten, insbesondere in den Arbeitskosten. Die abgelieferte Milchmenge je Arbeitskraft, die Arbeitsverfassung (eigene oder fremde Arbeitskräfte) sowie die Kosten je Arbeitskraftstunde sind dafür hauptsächlich verantwortlich. Hohe Milchpreise (vor allem im Jahr 2001) und hohe Direktzahlungen kompensierten zum Teil die hohen Kosten der österreichischen Betriebe. Nach der Höhe der Produktionskosten können österreichische Milchviehbetriebe als wenig wettbewerbsfähig eingestuft werden. Jedoch lag die relative Faktorentlohnung ähnlich hoch wie in den Familienbetrieben anderer Länder. Auch berücksichtigt die absolute Höhe der Produktionskosten nicht, dass die Fähigkeit von Unternehmen, Risiken abzufangen, d.h. auch ungünstige wirtschaftliche Phasen gesund zu überstehen, ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist. In diesem Sinne sind die hier untersuchten typischen Betriebe in Österreich als stabil einzustufen, denn die Belastung mit Fremdkapital war gering und die Fläche befand sich größtenteils im Eigenbesitz. Große Unternehmen mit Lohnarbeitskräften und/oder einem hohen Pachtanteil (z.B. in Osteuropa) sind hier risikoanfälliger. Österreichische Milchviehbetriebe können die Kosten durch betriebliches Wachstum und/oder die Steigerung der Herdenleistung innerhalb ökologischer und gesetzlicher Grenzen senken. Jedoch hat das betriebliche Wachstum auch seine Grenzen, da die Opportunitätskosten teilweise zu tatsächlichen Kosten werden (Fläche durch Zupachtung, Kapital durch Fremdkapitalaufnahme, Quote durch Quotenzukauf). Die Betriebsentwicklung in österreichischen Milchviehbetrieben muss neben der Rentabilität auch die Liquidität und die Stabilität für ein gesundes Wachstum einschließen.

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Obwohl in vielen Betrieben in Österreich die Kosten durch verschiedene Maßnahmen gesenkt werden können, werden Milchproduzenten hierzulande weiterhin höhere Milchpreise erzielen müssen als z.B. neuseeländische Farmer. Daher entscheidet für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Milchproduktion auch die Produktqualität der Molkereiprodukte und das Kaufverhalten der KonsumentInnen. Die bisherigen Erfahrungen in Österreich – und auch in anderen Ländern - zeigen, dass hochwertige Lebensmittel bei gutem Marketing ihren Absatz im In- und Ausland finden. Damit können höhere Preise erzielt und Marktanteile gehalten bzw. eventuell ausgebaut werden.

Literatur

ABBOT, P. (1998): Wettbewerbsfähigkeit. Kurzbericht des Vortrages im Rahmen des EAAE-Seminars vom 22.-24. April 1998 im Monatsbericht über die öster. Landwirtschaft 7/98 der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft.

BRANDES, W.. (2000): Wettbewerb in der Landwirtschaft aus Sicht der evolutorischen Ökonomik. Agrarwirtschaft 2000, 8.Jg., 279-290.

ISERMEYER, F. (1988): zitiert nach HEMME, T. (2000): Ein Konzept zur international vergleichenden Analyse von Politik- und Technikfolgen in der Landwirtschaft. Wissenschaftliche Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Sonderheft 215.

POLLAK, R.A. (1985): A Transaction Cost Approach to Families and Households. Journal of Economic Literature 23, 581-608.

SCHMITT, G.; HOCKMANN, H. und SCHULZ-GREVE, W. (1996): Zur Wettbewerbsfähigkeit der „Landwirtschaft“. Ber. Ldw. 74, 30-43.

ZEDDIES, J. (1999): Zitat in HEMME, T. (2000): Ein Konzept zur international vergleichenden Analyse von Politik- und Technikfolgen in der Landwirtschaft. Wissenschaftliche Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Sonderheft 215.

Anschrift des Verfassers:

Leopold Kirner

Bundesanstalt für Agrarwirtschaft A-1030 Wien, Marxergasse 2

Tel.: +43 1 8773651 7487

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