Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis - Reaktionen auf das geplante Anti-Doping-Gesetz

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„Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis!“ – Reaktionen auf das geplante Anti-Doping-Gesetz Veröffentlicht von Admin am März 16, 2015 Der Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes der Bundesregierung sieht erstmals vor, dass auch die dopenden Sportler selbst bestraft werden. Erklärte Dopinggegner wie der erfolgreiche Radprofi Marcel Kittel erhoffen sich von dieser Regelung einen weiteren Schritt zur Effektivierung des Anti-Doping-Kampfes. Der Stuttgarter Sportrechtler und Anti-Doping-Anwalt Marius Breucker sieht im Gesetz, wenn es denn in Kraft treten sollte, erhebliches Abschreckungspotential. Zugleich weist er auf die unterschiedlichen Beweismaßstäbe im staatlichen und sportrechtlichen Verfahren hin und schlägt die Ergänzung des Gesetzes um eine Kronzeugenregelung vor. Die ARD-Tagesthemen vom 11. November 2014 stellten den Gesetzesentwurf vor und sammelten erste Reaktionen aus Sport, Recht und Politik: „Deutschland zählt zwar zu den führenden Sportnationen der Welt, das ist klar, aber in einer Disziplin ist der deutsche Gesetzgeber bislang noch nicht aus den Startblöcken gekommen. Das Thema Doping wird hier zulande zwar ziemlich lautstark diskutiert, nach Meinung vieler aber die Nutzung illegaler Substanzen zu lasch verfolgt und vor allem zu wenig bestraft. So müssen sich Dopingsünder allenfalls vor Sportgerichten verantworten, nicht aber vor dem Strafrichter. Das soll sich jetzt ändern: Die Bundesregierung plant ein Gesetz, mit dem nicht mehr nur die Hintermänner der Dopingmafia bestraft werden, sondern auch die dopenden Spitzensportler selbst. Ein Bericht von Jochen Gräbert: Er raste von Sieg zu Sieg, Sprinter Marcel Kittel bei der Tour de France. Erfolgreich und garantiert nicht gedopt, sagt er. Denn Kittel gehört zur Generation junger Radprofis, die Doping offen bekämpfen. Entsprechend freut er sich über die Nachricht, dass Dopingsünder im Profisport künftig sogar mit Gefängnisstrafen rechnen müssen.

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„Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis!“ – Reaktionen auf das geplante Anti-Doping-Gesetz Veröffentlicht von Admin am März 16, 2015

Der Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes der Bundesregierung sieht erstmals vor, dass auch die dopenden

Sportler selbst bestraft werden. Erklärte Dopinggegner wie der erfolgreiche Radprofi Marcel Kittel erhoffen sich

von dieser Regelung einen weiteren Schritt zur Effektivierung des Anti-Doping-Kampfes. Der Stuttgarter

Sportrechtler und Anti-Doping-Anwalt Marius Breucker sieht im Gesetz, wenn es denn in Kraft treten sollte,

erhebliches Abschreckungspotential. Zugleich weist er auf die unterschiedlichen Beweismaßstäbe im staatlichen

und sportrechtlichen Verfahren hin und schlägt die Ergänzung des Gesetzes um eine Kronzeugenregelung vor.

Die ARD-Tagesthemen vom 11. November 2014 stellten den Gesetzesentwurf vor und sammelten erste

Reaktionen aus Sport, Recht und Politik: „Deutschland zählt zwar zu den führenden Sportnationen der Welt, das

ist klar, aber in einer Disziplin ist der deutsche Gesetzgeber bislang noch nicht aus den Startblöcken gekommen.

Das Thema Doping wird hier zulande zwar ziemlich lautstark diskutiert, nach Meinung vieler aber die Nutzung

illegaler Substanzen zu lasch verfolgt und vor allem zu wenig bestraft. So müssen sich Dopingsünder allenfalls

vor Sportgerichten verantworten, nicht aber vor dem Strafrichter. Das soll sich jetzt ändern: Die Bundesregierung

plant ein Gesetz, mit dem nicht mehr nur die Hintermänner der Dopingmafia bestraft werden, sondern auch die

dopenden Spitzensportler selbst. Ein Bericht von Jochen Gräbert:

Er raste von Sieg zu Sieg, Sprinter Marcel Kittel bei der Tour de France. Erfolgreich und garantiert nicht gedopt,

sagt er. Denn Kittel gehört zur Generation junger Radprofis, die Doping offen bekämpfen. Entsprechend freut er

sich über die Nachricht, dass Dopingsünder im Profisport künftig sogar mit Gefängnisstrafen rechnen müssen.

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Marcel Kittel: „Es geht darum, die sauberen Sportler zu schützen und diejenigen zu verfolgen, die den Sport am

Ende in ein schlechtes Licht rücken. Ein wichtiger Punkt ist auch, klar zu machen, dass Doping Betrug ist und

dementsprechend verfolgt werden kann.“ Bundesjustizminister Maas hat das Anti-Doping-Gesetz gemeinsam mit

Athleten und Verbänden entwickelt, war oft vor Ort, wie bei der Tour de France in Paris. Das Gesetz soll nicht nur

bestrafen.

Marius Breucker: „Es hilft schon allein aufgrund der Abschreckung: Auch Sportler wollen nicht ins Gefängnis! –

Und die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden steigt, wenn der Staat ermittelt“.

Doch lässt sich Doping überhaupt gerichtsfest beweisen? Sportgerichten reicht allein die Dopingprobe,

Strafrichtern nicht. Und um Ausreden waren Athleten selten verlegen. Beispiel: 5.000 Meter Champion Dieter

Baumann. Der vermutete, jemand habe ihm die Substanz in seine Zahnpastatube gespritzt. Oder Radprofi Jan

Ulrich: Der wollte nachts in der Disco eine Pille zugeworfen bekommen haben.

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Marius Breucker: „Im Strafrecht muss die Strafbarkeit mit einem strengen Beweismaßstab nachgewiesen

werden. Es kann also weiterhin sein, dass jemand im staatlichen Strafverfahren frei gesprochen wird, während er

im sportrechtlichen Verfahren verurteilt wird. Es gilt ein anderer Beweismaßstab.“

Während die Sportverbände das geplante Gesetz grundsätzlich begrüßen, kommt Kritik von den Grünen vor

allem daran, dass allein der Besitz von Dopingmitteln schon strafbar sein soll.

Renate Künast: „Die ganze nationale Drogenpolitik ist gescheitert damit, dass sie einfach den Besitz von jedem

einzelnen Gramm und jeder einzelner Pille strafbar macht. Hier wird das aber wiederholt. Also, es macht keinen

Sinn, einfach für alle Staatsanwälte die Türen zu öffnen und jedes Gramm schon im Besitz strafbar zu machen.

Wo ist denn da der Unrechtsgehalt?“

Besonders harte Strafen drohen Dopingärzten und anderen Hintermännern. Wer Gesundheitsschäden

insbesondere von minderjährigen Sportlern riskiert, dem drohen bis zu zehn Jahren Haft. Die Drogenmafia gilt als

Schweigekartell. Um das zu durchbrechen, braucht man Beteiligte, die auspacken. Experten fordern deshalb eine

Kronzeugenregelung.

Marius Breucker: „Es wäre meines Erachtens konsequent, wenn man auch im staatlichen Anti-Doping-Gesetz

eine solche Kronzeugenregelung aufnehmen würde. Denn nur über die Aussagen von Kronzeugen kommt man

letztlich in dieses abgeschottete System des Dopings – das haben ja die Aussagen von Kronzeugen in der

Vergangenheit schon gezeigt.“

Und nur dann würde der Traum von Marcel Kittel wohl wirklich in Erfüllung gehen: Siegen in einem sauberen

Sport, in dem alle die gleichen Chancen hätten.“

(Zitat-Quelle: ARD Tagesthemen vom 11. November 2014, Link: www.tagesthemen.de).

Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form der vorliegende Entwurf Gesetz wird. Noch stehen Stellungnahmen

von Verbänden und Expertenanhörungen aus. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat angekündigt,

Modifikationen vorzuschlagen. Vielfach angesprochen wurde auch eine Präzisierung der Regelungen zu

Schiedsvereinbarungen: § 11 des Entwurfs sieht vor, dass Athleten und Verbände Schiedsvereinbarungen treffen

können, wenn diese die Beteiligten „in Organisationen einbinden und die organisierte Sportausübung insgesamt

ermöglichen, fördern oder sichern.“ Darin liegt noch keine eindeutige Aussage über die Zulässigkeit von

Schiedsvereinbarungen als zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an Sportwettbewerben. Das

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Oberlandesgericht München hat im Schadensersatzprozess von Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-

Weltverband die Zulässigkeit solcher Schiedsvereinbarungen unter Verweis auf das Kartellrecht verneint. Es hat

ein entsprechendes Zwischenurteil erlassen und zugleich die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, damit

diese Frage geklärt werden kann. Unabhängig vom weiteren Verlauf des Verfahrens wäre eine eindeutige

Regelung des Gesetzgebers wünschenswert.

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