Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius...

20
Emanzipierende Wissenschaft – Teil 59 Wissenschaft in der beginnenden Neuzeit Auf dem Weg in die Neuzeit X Weitere Entdeckungen… Galileo Galilei (1564 - 1642)

Transcript of Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius...

Page 1: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Emanzipierende Wissenschaft – Teil 59

Wissenschaft in der beginnenden Neuzeit

Auf dem Weg in die Neuzeit X Weitere Entdeckungen…

Galileo Galilei (1564 - 1642)

Page 2: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Der Streit mit Simon Marius über die Jupitermonde…

Page 3: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“
Page 4: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

29. Dezember 1609 (jul.) - 8. Januar 1610: (greg.) Entdeckung der 4 Jupitermonde mit seinem kurz zuvor erworbenen „belgischen Perspicillum“

„Damals sah ich den Jupiter zum ersten Mal, der sich in Opposition zur Sonne befand; und ich entdeckte winzige Sternchen bald hinter, bald vor dem Jupiter, in gerader Linie mit dem Jupiter.“

Aus Dankbarkeit gegenüber den Brandenburg-Ansbacher Fürsten schlug Simon Marius vor, die neu entdeckten Monde Brandenburgische Gestirne zu nennen.

In der Folgezeit beobachtete Simon Marius systematisch die Jupitermonde und veröffentlichte seine Resultate 1614 in der Schrift „

Mundus Iovialis Anno M.DC.IX. Detectus Ope Perspicilli Belgici, Hoc est, Quatuor

Jovialium Planetarum, Cum Theoria, Tum Tabulæ, Propriis Observationibus Maxime Fundatæ, Ex Quibus situs illorum ad Iovem, ad quodvis tempus datum promptissimè & facilimè supputari potest. Inventore & Authore Simone Mario Guntzenhusano, Marchionum Brandenburgensium in Franconiâ Mathematico, puriorisque Medicinæ Studioso.

Page 5: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“
Page 6: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“
Page 7: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Marius' Darstellung der Jupitermonde von 1612 (links) und eine Berechnung über die Bewegung der Jupitermonde.

Simon Marius bestimmte die Umlaufperioden seiner „Branden- burgischen Sterne“ genauer als Galileo Galilei und entwickelte Tafeln zur Vorausberechnung ihrer relativen Positionen zu Jupiter.

1613 Treffen mit Johannes Kepler in Regensburg. Dort macht Kepler den Vorschlag, die vier Monde mit den Namen Ganymed, Europa, Kallisto und Io zu benennen:

Io, Europa, Ganymed atque Callisto lascivo nimium perplacuere Iovi.

Die unabhängige Entdeckung der Jupitermonde durch Simon Marius führte zu einem unerfreulichen Prioritätenstreit mit Galileo Galilei, der sein ganzes restliche Forscherleben überschattete.

Page 8: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Als Simon Marius noch in Padua Medizin studierte, gab er einem gewissen Balthasar Capra Privatunterricht. Dieser veröffentlichte später (als 1605 Simon Marius bereits wieder nach Deutschland abgereist war) ein Buch über den damals sehr populären „Proportionalitätszirkel“, dessen Erfindung (zu Unrecht) Galilei für sich beanspruchte. Es zeigte sich, dass das Buch von Capra zu einem gewichtigen Teil die lateinische Übersetzung des von Galilei in Italienisch verfassten Werkes war – also ein Plagiat. Galilei vermutete (wahrscheinlich zu Unrecht), dass Simon Marius ein nicht genannter Coautor der Schrift von Balthasar Capra war. Daraus entwickelte sich eine Art „Feindschaft“, die dann Jahre später im Prioritätenstreit um die Entdeckung der Jupitermonde ihren Höhepunkt erreichen sollte.

Galileo Galilei spricht in Bezug auf Balthasar Capra von „böswillige Ehrabschneider“, „giftspeiende Basilisken“, „gefrässige Geier, die sich auf das noch ungeborene Junge stürzen, um es in Stücke zu reissen“ und zu Simon Marius als ein „Erzieher, der die junge Frucht an seiner vergifteten Seele mit stinkendem Abfall nährt“

Page 9: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Beschreibung der Erstbeobachtung durch Simon Marius:

„… während der ersten von mir durchgeführten Beobachtungen, nämlich im Herbst des Jahres 1609, besonders aber gegen Ende desselben und zu Beginn des folgenden Jahres, veränderte sich von Tag zu Tag, nein, beinahe von Stunde zu Stunde ihre Stellung gegenüber dem Jupiter … Als aber der Jupiter schon um einige Grad zurückgelaufen war und ich ihn nichtsdestoweniger immer noch in Begleitung seiner Gestirne sah, erfasste mich höchste Verwunderung über dieses Phänomen und ich begann, die Beobachtungen zu notieren. Die erste darunter war die Beobachtung vom 29. Dezember des Jahres 1609. Am Abend dieses Tages sah ich um die fünfte Stunde drei Gestirne, die sich westlich des Jupiters, gleichsam auf einer geraden Linie mit ihm befanden. … war ich nun sicher, dass diese Gestirne den Jupiter als ihr Zentrum ansehen und um ihn herumwandern …“

Er bemerkt auch etwas für ihm Unverständliches:

„… bemerke ich, dass an bestimmten Stellen, die einen genügend langen Zwischenraum voneinander entfernt sind, die Berechnung recht genau übereinstimmt, dass sie aber an manchen Stellen um einen hinreichend wahrnehmbaren Unterschied von ihnen abweicht. Diese Tatsache verwirrte mich sehr.“

Page 10: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“ nannte… Einen besonders ehrabschneidenden Artikel über Marius hat er in seinem Werk „Die Goldwaage“ (Saggiatore) hinterlassen, die das Bild Simon Marius über die folgenden Jahrhunderte prägen sollte. Simon Marius selbst äußerte sich niemals abfällig über Galileo Galilei. Vielmehr schreibt er im Vorwort seines Jupiter-Werkes:

„Wenn aber dieses mein Buch zu Galilei nach Florenz gelangt, bitte ich ihn, dass er es in diesem Sinne nimmt, wie es von mir geschrieben worden ist. Es liegt mir nämlich fern, dass meinetwegen seine Autorität und Entdeckungen geschmälert werden.“

Page 11: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Weitere astronomische Entdeckungen von Simon Marius

Im Almanach von 1613 beschreibt Simon Marius zum ersten Mal den „Nebelfleck“ im Sternbild Andromeda, wie er ihn in seinem Fernrohr gesehen hat

Page 12: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Kometenbeobachtungen

Beobachtete die Kometen von 1596, 1604 und 1618

Page 13: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Sein „Erstlingswerk“ …

Enthält hauptsächlich astrologische Deutungen des Kometen von 1596 und Mutmaßungen über dessen Herkunft (Auftauchen im Sternbild „Krebs“, in dem ein Jahr zuvor eine Dreifach-Konjunktion stattgefunden hatte) Wissenschaftlich von Bedeutung sind nur die bestimmten Positionen, die den Weg des Kometen über den Himmel wiedergeben.

Page 14: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Komet von 1618

Verabschiedet sich hier vollständig vom aristotelischen Kometenbild und ordnet es als sublunare Erscheinung in sein Tychonisches Weltbild ein. In diesem Werk distanziert er sich explizit von seinem in seinem ersten Kometenwerk ausführlich begründeten astrologischen Ausdeutungen. Kometen sind jetzt für ihn echte Himmelskörper – der Schweif jedoch ein eher optisches Phänomen…

Page 15: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Die Entdeckung der Venusphasen und ihre Deutung

IISaggiatore, 1623

Page 16: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Die (richtige) Deutung der Venusphasen hängt entscheidend davon ab, ob a) die Venus ein selbstleuchtender Körper ist (wie damals allgemein angenommen) b) die Venus ihr Licht von der Sonne erhält (nur dann sin Phasen plausibel erklärlich)

Die Aussage von Galileo Galilei

„Das kopernikanische System sagt Venusphasen voraus. Deshalb ist es richtig“

ist genauso falsch wie die Aussage

„Kopernikus hat die Phasen der Venus vorhergesagt“

Geht man davon aus, dass die Venus (und jeder andere Planet auch) ihr Licht von der Sonne erhält und sie von der Gestalt her Kugeln sind, dann liefert JEDES Weltsystem Phasen – es kommt auf die Details an!

Die (Details) des Phasenwechsels der Venus erlaubt nur die Unterscheidung zwischen dem geozentrischen Ptolemäischen System einerseits und dem Tychonischen bzw. kopernikanischen System andererseits

Sichere und wichtige neue Folgerung: Die Venus muss jedenfalls eine undurchsichtige, reflektierende Kugel sein.

Page 17: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Unstimmigkeiten in der Entdeckungsgeschichte der Venusphasen durch Galileo Galilei

Zu dem Datum, an der Galileo glaubt eine „Sichel“ zu sehen, war diese nur sehr schwach ausgeprägt. Wie Versuche mit nachgebauten Galilei-Fernrohren zeigten (Rice University in Texas), konnte er aufgrund der gleißenden Helligkeit des Planeten gar keine Sichelform erkennen. Die Behauptung Galileis muss deshalb (zumindest für den Zeitpunkt der „Erstbeobachtung“) falsch sein.

Galilei hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die „Entdeckung“ vorweggenommen, um sich dessen Priorität zu sichern.

Benedetto Castelli (1577–1643), ein Schüler und Freund Galileis und Mathematikprofessor in Pisa. schreibt am 5. Dezember 1610 an Galilei:

„Da (wie ich glaube) die Position des Kopernikus richtig ist, dass Venus um die Sonne kreist, ist klar, dass sie von uns manchmal mit Hörnern und manchmal ohne gesehen würde … wenn nicht sowohl die Kleinheit der Hörner als auch die Effusion der Strahlen die Beobachtung dieses Unterschieds verhinderten.“

Page 18: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Am 11. Dezember 1610 schickt er eine verschlüsselte Nachricht an Kepler, ein Anagramm:

„Haec immatura a me iam frustra leguntur o.y.“ mit der direkten Bedeutung

„Dieses noch Unreife wird von mir bisher vergeblich vorgetragen“

Am Neujahrstag 1611 schickt Galilei die Auflösung an den toskanischen Gesandten in Prag:

„Cynthiae figuras aemulatur Mater Amorum“

„Die Mutter der Liebe (das heißt der Planet Venus) ahmt die Gestalten der Mondgöttin (das heißt die Mondphasen) nach.“

Kepler antwortet: „Deine Beobachtung war für mich in jeder Hinsicht unerwartet. Wegen ihrer großen Leuchtkraft hatte ich gedacht, dass Venus selbst auch leuchtet. Erstaunlich, schließlich ist die Venus ja golden, oder, wie ich in meinen Grundlagen der Astrologie gesagt habe, wie Bernstein.“

Page 19: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

• Galilei hat den Brief von Castelli vom 5. Dezember 1610 erhalten mit der Idee der Venusphasen,

• hat aber selber noch nie bewusst die Venus im Fernrohr angesehen, aber

• sofort den Brief mit dem Anagramm an Kepler geschickt (der die Vermutung enthält und ihm die Priorität sichert),

• ab jetzt beobachtet er und sieht eine Abweichung von der kreisförmigen Scheibe,

• er antwortet am 30. Dezember an Castelli, er habe Venus bereits seit September aus diesem Grund beobachtet,

• und am 1. Januar 1611 schickt er die Lösung an Kepler.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Galileo Galilei die Idee der Venusphasen von Castelli „geklaut“ und erst nachträglich, nachdem er sich die Priorität gesichert hat, die Phasengestalt beobachterisch verifiziert und bekanntgemacht.

Die Änderung der Scheibchengröße über einen Beobachtungszyklus weist eher auf die Gültigkeit des kopernikanischen Systems hin. Der Phasenwechsel allein lässt keine Unterscheidung zum Tychonischen System zu. (Größenänderung 1 zu 6)

Page 20: Auf dem Weg in die Neuzeit X · Galileo Galilei hat sich immer abfällig über Simon Marius geäußert, den er niemals in seinem latinisierten Namen, sondern immer nur „Mayr“

Venusphasen