Aufs Tier gekommen - Salut Salon...Ibert und Astor Piazzolla, dem Begr nder des T ango Nuevo. A uch...

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Freitag, 5. Februar 2016 SEITE 34 KULTUR Shortlist für Buchpreis steht LEIPZIG Gleich drei Bühnen- Autoren gehen mit Romanen ins Rennen um den Preis der Leipziger Buchmesse. Die Jury nominierte in der Kate- gorie Belletristik den Come- dian Heinz Strunk („Der gol- dene Handschuh“) sowie Nis- Momme Stockmann („Der Fuchs“) und Roland Schim- melpfennig („An einem kla- ren, eiskalten Januarmor- gen“). Zudem steht mit „Froh- burg“ von Guntram Vesper ein monumentaler Deutsch- land-Roman auf der Shortlist. Als einzige Frau wurde Mari- on Poschmann mit ihrem Ge- dichtband „Geliehene Land- schaften“ nominiert. Der Preis der Leipziger Buchmes- se ist mit 60 000 Euro dotiert und wird am ersten Tag der Buchmesse verliehen dpa Hamburg öffnet Fenster zu Picasso HAMBURG Unter dem Titel „Picasso. Fenster zur Welt“ zeigt das Bucerius Kunst Fo- rum in Hamburg vierzig Ge- mälde, Zeichnungen und druckgrafische Werke des be- rühmten Künstlers. Erstmals werde dabei das zentrale Mo- tiv des Fensters für das Werk von Pablo Picasso (1881-1973) in allen Schaffensphasen be- leuchtet, sagte die Direktorin des Ausstellungshauses, Or- trud Westheider. Die Ausstel- lung vereint Leihgaben inter- nationaler Sammlungen un- ter anderem aus Barcelona, Paris und New York. Rund fünfzig Aufnahmen Picassos von Fotografen wie Robert Doisneau und Edward Quinn ergänzen die Präsentation, die noch bis zum 16. Mai zu sehen ist. dpa Wasser auf den Mühlen D ass internationale Filmproduktionen mit deutschen Steuer- geldern finanziert werden, ist nicht unumstritten. Den Be- fürwortern, die gern wirt- schaftliche Gründe ins Feld führen, dürften daher Er- folgsmeldungen wie diese sehr gelegen kommen: Rund 4 700 Drehtage zählte das Me- dienboard Berlin-Branden- burg im vergangenen Jahr bei teilweise komplett ausge- buchten Studios und Film- crews. Vor allem die US-Serie „Homeland“ wirbelte Staub auf, denn Hollywoodstar Cla- re Danes weilte mit ihren Team fast fünf Monate in Ber- lin – und holte deutsche Schauspieler ins Boot. Wenn dann noch Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ einen Oscar holt – nominiert ist der in Ba- belsberg koproduzierte Strei- fen in sechs Kategorien – ist das Wasser auf den Mühlen hiesiger Filmförderer. CARSTEN MÜLLER Schriftstellerin Ruth Rehmann MÜNCHEN Die Schriftstelle- rin Ruth Rehmann ist mit 93 Jahren gestorben, wie der Carl Hanser Verlag in Mün- chen mitteilte. Rehmann war jahrelang in der Friedens- und Umweltbewegung aktiv gewesen. Mit dem Schreiben begann sie in den 50er Jah- ren. Aus ihrem ersten Roman „Illusionen“ (1959) las sie nach Angaben des Verlages auf 1958 auf der Tagung der Gruppe 47. Zu den bekann- testen Werken der Tochter ei- nes evangelischen Pastors zählen der autobiografische Romane „Der Mann auf der Kanzel“ (1979), sowie die Bü- cher „Abschied von der Meis- terklasse“ (1985) und „Die Schwaigerin“ (1987). dpa POTPOURRI RANDNOTIZ Vorzüglicher Improvisator und Interpret Fazil Say und Camerata Salzburg sorgen beim „Pro Arte“-Konzert in der Frankfurter Alten Oper für Begeisterungsstürme Von Axel Zibulski FRANKFURT Wolfgang Ama- deus Mozart folgte mit den türkischen Färbungen seiner Musik noch einer Mode, die sich in seiner Oper „Die Ent- führung aus dem Serail“ ebenso widerspiegelte wie im unverwüstlichen Klavier- Rondo „alla turca“. Fazil Say, wie einst Mozart Komponist und Pianist in Personalunion, ist das Türkische in seiner Musik mehr, nämlich min- destens eine starke Facette im polyglotten Umfeld. In sei- nem zweiten Klavierkonzert („Silkroad“) aus dem Jahr 1994 fuhr der heute 42-jähri- ge Künstler imaginär die Sei- denstraße ab, bezog neben indischen und tibetischen Klängen auch anatolische in das viertelstündige Werk ein. Bei den „Pro Arte“-Konzer- ten in der Alten Oper Frank- furt ist Fazil Say in der laufen- den Saison „Artist in Resi- dence“ und stellte nun, beim Auftritt mit der Camerata Salzburg, sein kaum viertel- stündiges zweites Klavierkon- zert op. 4 ans Ende des Pro- gramms, darin avantgardisti- sche Mittel zwanglos einset- zend: Das mit Gegenständen in den Saiten präparierte Kla- vier klingt bald wie eine exo- tische Laute, bald mit fernöst- lich kurzem Nachhall; ein Gong verbindet die vier Sät- ze. Fazil Say, der „Residenz- künstler“, wurde seinem Ruf, als zeitgenössischer Kompo- nist einen ganzen Saal zum Tosen zu bringen, vollends gerecht. Mit einem seiner neuesten Werke, nämlich der im ver- gangenen Jahr in Boston ur- aufgeführten Kammersinfo- nie für Streicher op. 62, hatte die ohne Dirigenten spielen- de Camerata Salzburg das Programm eröffnet, das ge- wiss stärker reflektierte, abs- traktere Werk Says, der sich außerdem einmal mehr als vorzüglicher Improvisator mit großer Vorliebe für ver- minderte Akkorde empfahl. Als Mozart-Interpret nahm er dessen Klavierkonzert A- Dur KV 414 erfreulich wört- lich, im Umgang mit dem No- tentext bei weitem nicht so frei, wie man es von früheren seiner Auftritte in Erinne- rung hat. Spannend war’s trotzdem – oder erst recht, weil der me- tallisch-harte Anschlag, den Fazil Say bevorzugte, durch seinen pulsierenden Drive eine frische, direkte Ver- spieltheit gewann. Die Came- rata Salzburg begleitete hier eher diskret und wählte für Mozarts Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201 einen anderen, näm- lich ganz auf Geschmeidig- keit, leise Töne und Feinar- beit vertrauenden Zugriff. Aufs Tier gekommen Das Quartett „Salut Salon“ gastiert mit seinem neuen Programm in der Alten Oper Von Julia Radgen FRANKFURT Vier Musikerinnen entstauben das klassische Re- pertoire: „Salut Salon“ hat mit dem unterhaltsamen Zugriff auf die sogenannte E-Musik be- trächtlichen Erfolg – und kommt mit einem neuen Album im Gepäck nach Frankfurt. Wenn bei „Salut Salon“ die Tiere Karneval feiern, befin- den sich Hühner, Schafe und sogar eine Leuchtqualle unter der Gästeschar. Mit seinem aktuellen Programm wagt sich das kammermusikali- sche Quartett erstmals an ei- nen programmatischen Abend – und kommt damit am Fastnachtsdienstag in die Alte Oper Frankfurt. An Karneval ist bekanntlich alles erlaubt. Nach diesem Motto haben auch „Salut Sa- lon“ ihr neuestes Programm erstellt. „Ein Karneval der Tiere und andere Phantasien“ nennen die vier Musikerin- nen aus Hamburg ihr Werk. „Wir hatten Lust auf etwas Neues und wollten uns aus- probieren“, sagt Mitbegrün- derin Angelika Bachmann. Und das merkt man: Treffen darin die Klassiker aus dem „Karneval der Tiere“ des fran- zösischen Komponisten Ca- mille Saint-Saëns wie der ma- jestätische Löwe, die Halb- Esel und die Schildkröten auf zeitgenössische Gefährten wie John Williams’ „Der wei- ße Hai“ und Schlange Kaa aus Disneys „Dschungelbuch“. Für den musikalischen Abend aus dem Tierreich kramten die Hamburgerin- nen in der Musikgeschichte und wurden fündig: bei Jo- hann Sebastian Bach, Jacques Ibert und Astor Piazzolla, dem Begründer des Tango Nuevo. Auch afrikanische und chinesische Musik inspi- rierte Bühnenprogramm und Album. „Das war die span- nendste Phase, erstmal war theoretisch alles möglich“, erinnert sich Bachmann. Die Arrangements und Mo- derationen für ihre Bühnen- show schreiben die vier selbst. So arrangierten sie auch Charles Aznavours „Les Deux Guitares“ neu. Neben Bachmann an der Geige und Iris Siegfried (Geige und Ge- sang), die das Ensemble 2002 gründeten, bilden heute Son- ja Lena Schmid am Cello und Anne-Monika von Twar- dowski Salut Salon. Sie alle musizieren seit Kindertagen, haben klassische Musikaus- bildungen und beeindru- ckende Lebensläufe. Die Klassik und sich selbst nehmen die vier Damen nicht ganz so ernst. Dafür sind „Salut Salon“ bekannt: Sie mischen Kammermusik mit Chanson, Pop, Tango und Filmmusik ohne Berührungs- ängste. Auf der Bühne präsen- tieren sie ihre Musik mit Wit- zen, Schauspieleinlagen und – passend zum Karneval – auch mal kostümiert oder lautmalerisch: Beim Danse Macabre hört man förmlich die Untoten aus den Särgen steigen, wenn eine Bogen- stange über die Geige kratzt. Die Musikerinnen haben sichtlich Spaß dabei, brechen auch mal spontan in Geläch- ter aus. Doch zum Klamauk verkommt ihr Konzert nie. Und den Spagat zwischen „U“ und „E“ schaffen sie gleich in mehrfacher Hinsicht. Auf ein ausgelassenes Stück folgt ein emotionaler, tief verinner- lichter Chanson. Unbedingt sehenswert sind auch die akrobatischen Einla- gen der Musikerinnen, die das Tempo bei Saint-Saëns’ Presto furioso derart heftig anziehen, dass dabei nicht selten eine Saite reißt. Beein- drucken lassen sie sich davon keineswegs. Mit routinierter Handbewegung wird die Sai- te abgezupft – und weiter geht die rasante Jagd. „Die Musik muss einfach Spaß ma- chen“, betont Bachmann. Und das weiß besonders ein Publikum zu schätzen, das sonst keine klassischen Kon- zerte besucht. Am Fastnachtsdienstag, 9. Februar, um 20 Uhr spielen Salut Salon in der Alten Oper Frank- furt. Karten ab 44,50 Euro unter 069/1340400, bereits am heuti- gen Freitag erscheint ihr neues Album „Carnival Fantasy“. Erschufen einen musikalischen Zoo: Angelika Bachmann, Iris Siegfried, Sonja Lena Schmid und Anne-Monika von Twardowski Foto: p Stunde Null im Angesicht des Weltkriegs Vor 100 Jahren entstand Dada-Bewegung Von Thomas Burmeister und Dorothea Hülsmeier ZÜRICH Was ist Dada? Bis heute lässt sich das nicht ein- deutig beantworten. Kein Wunder: Schon 1919 frotzel- te der deutsche Schriftsteller und Aktionskünstler Johan- nes Baader, einer der frühen Anhänger dieser Kunst- und Literaturbewegung: „Was Dada ist, wissen nicht einmal die Dadaisten, sondern nur der Ober-Dada, und der sagt es niemand.“ Egal, Anlass zum Feiern bie- tet Dada allemal. Aus der Tau- fe gehoben wurde die revolu- tionäre Kunstrichtung vor 100 Jahren im Cabaret Voltai- re in der Zürcher Spiegelgas- se 1. Mit dabei waren am 5. Februar 1916 die „Ur-Dadais- ten“ Hugo Ball, Tristan Tzara, Marcel Janco, Hans Arp, So- phie Taeuber-Arp, Emmy Hennings und Richard Huel- senbeck. Das Jubiläum wird in der Banken- und Kulturmetropo- le am Zürichsee ausgiebig ge- würdigt. Bis Ende des Jahres gibt es 165 Tage „zur Wieder- aufführung einer Legende und zum Ausleben der Obses- sion an Dada“, wie die Veran- stalter vom Verein „da- da100Zürich2016“ erklären. Warum genau 165? „Wir ha- ben lange recherchiert und Biografien sowie Daten zum Wirken von 165 führenden Dadaisten zusammenge- stellt“, sagt Projektspreche- rin Nora Hauswirth. „Jede und jeder von ihnen wird als Patin oder Pate eines der 165 Dada-Feiertage geehrt.“ Am Anfang jedes der Dada- Tage steht ein klösterliches Offizium, ein Stundengebet. So ist der 22. Februar 2016 zum Beispiel Hugo Ball ge- widmet. Es ist der 130. Ge- burtstag des aus Pirmasens stammenden deutschen Au- tors, Dada-Mitbegründers und Pioniers des Lautge- dichts. Dann werden seine „Karawane“ und sein „Eröff- nungs-Manifest“ erneut öf- fentlich vorgetragen. Erinnert wird auch an die Schweizer Künstlerin Sophie Taeuber-Arp, eine Meisterin des kubistischen Dada-Tan- zes. Und überall werden Ge- dichte des deutsch-französi- schen Malers und Lyrikers Hans Arp – einer der wich- tigsten Dadaisten und Surrea- listen – zu hören sein. Darun- ter sein verstörendes Werk „Die Schwalbenhode“. Kost- probe: „die edelfrau pumpt feierlich wolken in säcke aus leder und stein – lautlos win- den riesenkräne trillernde lerchen in den himmel – die sandtürme sind mit watte- puppen verstopft“. „Dada hat alle damals beste- henden Avantgardeströmun- gen wie den Expressionis- mus, den Futurismus und den Kubismus in sich aufge- nommen – und verdaut oder unverdaut wieder von sich gegeben“, sagt der Direktor des Cabaret Voltaire, Adrian Notz. Dazu gehörten Gedich- te in frei erfundenen „Laut- sprachen“, die niemand im eigentlichen Sinne verstehen konnte. Als Kunstwerk ging für Dadaisten allemal auch die Pissoir-Schüssel durch, die 1917 von Marcel Du- champ unter dem Namen „Fontäne“ als solches dekla- riert wurde. Warum Dada-Protagonisten die bisherige Kunst so radikal negierten und die absolute Freiheit bis hin zum völligen Irrationalismus proklamier- ten, lässt sich aus den histori- schen Umständen erklären. Es war die Zeit des Ersten Weltkrieges, der sich mit sei- nen Gemetzeln als total men- schenverachtende Vernich- tungsmaschinerie erwies. Die neutrale Insel Schweiz mit Zürich als Metropole war damals der einzige Ort Euro- pas, an dem sich Künstler von überall her zusammenfinden und unbehelligt nach Ant- worten auf die Katastrophe des Weltkriegs suchen konn- ten. Während übrigens gleich gegenüber vom Cabaret Vol- taire ein spitzbärtiger Revolu- tionär aus Russland, bekannt unter dem Namen Lenin, den Sturz des Zaren vorbereitete. Vom Cabaret Voltaire aus trat der Dadaismus zwar kei- nen „Siegeszug“ an, aber eine einflussreiche Tournee um die Welt. Inspiriert wurden Künstler in Berlin und Köln, in Paris, New York, Latein- amerika und Japan. Später griffen Schöpfer des Surrea- lismus, der Pop-Art und des Punk auf Dada zurück. dpa Marcel Duchamps „Fontäne“ (1917) schrieb Kunstgeschichte. Zu se- hen ist das Objekt im Landesmuseum Zürich. Foto: dpa Neutrale Schweiz war ein ideales Zentrum GESTORBEN

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Freitag, 5. Februar 2016SEITE 34 KULTUR

Shortlist fürBuchpreis steht

LEIPZIG � Gleich drei Bühnen-Autoren gehen mit Romanenins Rennen um den Preis derLeipziger Buchmesse. DieJury nominierte in der Kate-gorie Belletristik den Come-dian Heinz Strunk („Der gol-dene Handschuh“) sowie Nis-Momme Stockmann („DerFuchs“) und Roland Schim-melpfennig („An einem kla-ren, eiskalten Januarmor-gen“). Zudem steht mit „Froh-burg“ von Guntram Vesperein monumentaler Deutsch-land-Roman auf der Shortlist.Als einzige Frau wurde Mari-on Poschmann mit ihrem Ge-dichtband „Geliehene Land-schaften“ nominiert. DerPreis der Leipziger Buchmes-se ist mit 60000 Euro dotiertund wird am ersten Tag derBuchmesse verliehen � dpa

Hamburg öffnetFenster zu PicassoHAMBURG � Unter dem Titel„Picasso. Fenster zur Welt“zeigt das Bucerius Kunst Fo-rum in Hamburg vierzig Ge-mälde, Zeichnungen unddruckgrafische Werke des be-rühmten Künstlers. Erstmalswerde dabei das zentrale Mo-tiv des Fensters für das Werkvon Pablo Picasso (1881-1973)in allen Schaffensphasen be-leuchtet, sagte die Direktorindes Ausstellungshauses, Or-trud Westheider. Die Ausstel-lung vereint Leihgaben inter-nationaler Sammlungen un-ter anderem aus Barcelona,Paris und New York. Rundfünfzig Aufnahmen Picassosvon Fotografen wie RobertDoisneau und Edward Quinnergänzen die Präsentation,die noch bis zum 16. Mai zusehen ist. � dpa

Wasser aufden Mühlen

D ass internationaleFilmproduktionenmit deutschen Steuer-

geldern finanziert werden, istnicht unumstritten. Den Be-fürwortern, die gern wirt-schaftliche Gründe ins Feldführen, dürften daher Er-folgsmeldungen wie diesesehr gelegen kommen: Rund4700 Drehtage zählte das Me-dienboard Berlin-Branden-burg im vergangenen Jahr beiteilweise komplett ausge-buchten Studios und Film-crews. Vor allem die US-Serie„Homeland“ wirbelte Staubauf, denn Hollywoodstar Cla-re Danes weilte mit ihrenTeam fast fünf Monate in Ber-lin – und holte deutscheSchauspieler ins Boot. Wenndann noch Steven Spielbergs„Bridge of Spies“ einen Oscarholt – nominiert ist der in Ba-belsberg koproduzierte Strei-fen in sechs Kategorien – istdas Wasser auf den Mühlenhiesiger Filmförderer.

CARSTEN MÜLLER

SchriftstellerinRuth Rehmann

MÜNCHEN � Die Schriftstelle-rin Ruth Rehmann ist mit 93Jahren gestorben, wie derCarl Hanser Verlag in Mün-chen mitteilte. Rehmann warjahrelang in der Friedens-und Umweltbewegung aktivgewesen. Mit dem Schreibenbegann sie in den 50er Jah-ren. Aus ihrem ersten Roman„Illusionen“ (1959) las sienach Angaben des Verlagesauf 1958 auf der Tagung derGruppe 47. Zu den bekann-testen Werken der Tochter ei-nes evangelischen Pastorszählen der autobiografischeRomane „Der Mann auf derKanzel“ (1979), sowie die Bü-cher „Abschied von der Meis-terklasse“ (1985) und „DieSchwaigerin“ (1987). � dpa

POTPOURRI

RANDNOTIZ

Vorzüglicher Improvisator und InterpretFazil Say und Camerata Salzburg sorgen beim „Pro Arte“-Konzert in der Frankfurter Alten Oper für Begeisterungsstürme

Von Axel Zibulski

FRANKFURT � Wolfgang Ama-deus Mozart folgte mit dentürkischen Färbungen seinerMusik noch einer Mode, diesich in seiner Oper „Die Ent-führung aus dem Serail“ebenso widerspiegelte wie imunverwüstlichen Klavier-Rondo „alla turca“. Fazil Say,wie einst Mozart Komponistund Pianist in Personalunion,ist das Türkische in seiner

Musik mehr, nämlich min-destens eine starke Facetteim polyglotten Umfeld. In sei-nem zweiten Klavierkonzert(„Silkroad“) aus dem Jahr1994 fuhr der heute 42-jähri-ge Künstler imaginär die Sei-denstraße ab, bezog nebenindischen und tibetischenKlängen auch anatolische indas viertelstündige Werk ein.

Bei den „Pro Arte“-Konzer-ten in der Alten Oper Frank-furt ist Fazil Say in der laufen-

den Saison „Artist in Resi-dence“ und stellte nun, beimAuftritt mit der CamerataSalzburg, sein kaum viertel-stündiges zweites Klavierkon-zert op. 4 ans Ende des Pro-gramms, darin avantgardisti-sche Mittel zwanglos einset-zend: Das mit Gegenständenin den Saiten präparierte Kla-vier klingt bald wie eine exo-tische Laute, bald mit fernöst-lich kurzem Nachhall; einGong verbindet die vier Sät-

ze. Fazil Say, der „Residenz-künstler“, wurde seinem Ruf,als zeitgenössischer Kompo-nist einen ganzen Saal zumTosen zu bringen, vollendsgerecht.

Mit einem seiner neuestenWerke, nämlich der im ver-gangenen Jahr in Boston ur-aufgeführten Kammersinfo-nie für Streicher op. 62, hattedie ohne Dirigenten spielen-de Camerata Salzburg dasProgramm eröffnet, das ge-

wiss stärker reflektierte, abs-traktere Werk Says, der sichaußerdem einmal mehr alsvorzüglicher Improvisatormit großer Vorliebe für ver-minderte Akkorde empfahl.

Als Mozart-Interpret nahmer dessen Klavierkonzert A-Dur KV 414 erfreulich wört-lich, im Umgang mit dem No-tentext bei weitem nicht sofrei, wie man es von früherenseiner Auftritte in Erinne-rung hat.

Spannend war’s trotzdem –oder erst recht, weil der me-tallisch-harte Anschlag, denFazil Say bevorzugte, durchseinen pulsierenden Driveeine frische, direkte Ver-spieltheit gewann. Die Came-rata Salzburg begleitete hiereher diskret und wählte fürMozarts Sinfonie Nr. 29 A-DurKV 201 einen anderen, näm-lich ganz auf Geschmeidig-keit, leise Töne und Feinar-beit vertrauenden Zugriff.

Aufs Tier gekommenDas Quartett „Salut Salon“ gastiert mit seinem neuen Programm in der Alten Oper

Von Julia Radgen

FRANKFURT � Vier Musikerinnenentstauben das klassische Re-pertoire: „Salut Salon“ hat mitdem unterhaltsamen Zugriff aufdie sogenannte E-Musik be-trächtlichen Erfolg – und kommtmit einem neuen Album imGepäck nach Frankfurt.

Wenn bei „Salut Salon“ dieTiere Karneval feiern, befin-den sich Hühner, Schafe undsogar eine Leuchtqualle unterder Gästeschar. Mit seinemaktuellen Programm wagtsich das kammermusikali-sche Quartett erstmals an ei-nen programmatischenAbend – und kommt damitam Fastnachtsdienstag in dieAlte Oper Frankfurt.

An Karneval ist bekanntlichalles erlaubt. Nach diesemMotto haben auch „Salut Sa-lon“ ihr neuestes Programmerstellt. „Ein Karneval derTiere und andere Phantasien“nennen die vier Musikerin-nen aus Hamburg ihr Werk.„Wir hatten Lust auf etwasNeues und wollten uns aus-

probieren“, sagt Mitbegrün-derin Angelika Bachmann.Und das merkt man: Treffendarin die Klassiker aus dem„Karneval der Tiere“ des fran-zösischen Komponisten Ca-mille Saint-Saëns wie der ma-jestätische Löwe, die Halb-Esel und die Schildkröten aufzeitgenössische Gefährtenwie John Williams’ „Der wei-ße Hai“ und Schlange Kaa ausDisneys „Dschungelbuch“.

Für den musikalischenAbend aus dem Tierreichkramten die Hamburgerin-nen in der Musikgeschichteund wurden fündig: bei Jo-hann Sebastian Bach, JacquesIbert und Astor Piazzolla,dem Begründer des TangoNuevo. Auch afrikanischeund chinesische Musik inspi-rierte Bühnenprogramm undAlbum. „Das war die span-nendste Phase, erstmal wartheoretisch alles möglich“,erinnert sich Bachmann.

Die Arrangements und Mo-derationen für ihre Bühnen-show schreiben die vierselbst. So arrangierten sieauch Charles Aznavours „Les

Deux Guitares“ neu. NebenBachmann an der Geige undIris Siegfried (Geige und Ge-sang), die das Ensemble 2002gründeten, bilden heute Son-ja Lena Schmid am Cello undAnne-Monika von Twar-dowski Salut Salon. Sie allemusizieren seit Kindertagen,haben klassische Musikaus-bildungen und beeindru-ckende Lebensläufe.

Die Klassik und sich selbstnehmen die vier Damennicht ganz so ernst. Dafürsind „Salut Salon“ bekannt:Sie mischen Kammermusikmit Chanson, Pop, Tango undFilmmusik ohne Berührungs-ängste. Auf der Bühne präsen-tieren sie ihre Musik mit Wit-zen, Schauspieleinlagen und– passend zum Karneval –auch mal kostümiert oderlautmalerisch: Beim DanseMacabre hört man förmlichdie Untoten aus den Särgensteigen, wenn eine Bogen-stange über die Geige kratzt.

Die Musikerinnen habensichtlich Spaß dabei, brechenauch mal spontan in Geläch-ter aus. Doch zum Klamauk

verkommt ihr Konzert nie.Und den Spagat zwischen „U“und „E“ schaffen sie gleich inmehrfacher Hinsicht. Auf einausgelassenes Stück folgt einemotionaler, tief verinner-lichter Chanson.

Unbedingt sehenswert sindauch die akrobatischen Einla-gen der Musikerinnen, diedas Tempo bei Saint-Saëns’Presto furioso derart heftiganziehen, dass dabei nichtselten eine Saite reißt. Beein-drucken lassen sie sich davonkeineswegs. Mit routinierterHandbewegung wird die Sai-te abgezupft – und weitergeht die rasante Jagd. „DieMusik muss einfach Spaß ma-chen“, betont Bachmann.Und das weiß besonders einPublikum zu schätzen, dassonst keine klassischen Kon-zerte besucht.

➔ Am Fastnachtsdienstag, 9.Februar, um 20 Uhr spielen SalutSalon in der Alten Oper Frank-furt. Karten ab 44,50 Euro unter069/1340400, bereits am heuti-gen Freitag erscheint ihr neuesAlbum „Carnival Fantasy“.

Erschufen einen musikalischen Zoo: Angelika Bachmann, Iris Siegfried, Sonja Lena Schmid und Anne-Monika von Twardowski � Foto: p

Stunde Nullim Angesicht

des WeltkriegsVor 100 Jahren entstand Dada-BewegungVon Thomas Burmeisterund Dorothea Hülsmeier

ZÜRICH � Was ist Dada? Bisheute lässt sich das nicht ein-deutig beantworten. KeinWunder: Schon 1919 frotzel-te der deutsche Schriftstellerund Aktionskünstler Johan-nes Baader, einer der frühenAnhänger dieser Kunst- undLiteraturbewegung: „WasDada ist, wissen nicht einmaldie Dadaisten, sondern nurder Ober-Dada, und der sagtes niemand.“

Egal, Anlass zum Feiern bie-tet Dada allemal. Aus der Tau-fe gehoben wurde die revolu-tionäre Kunstrichtung vor100 Jahren im Cabaret Voltai-re in der Zürcher Spiegelgas-se 1. Mit dabei waren am 5.Februar 1916 die „Ur-Dadais-ten“ Hugo Ball, Tristan Tzara,Marcel Janco, Hans Arp, So-phie Taeuber-Arp, EmmyHennings und Richard Huel-senbeck.

Das Jubiläum wird in derBanken- und Kulturmetropo-le am Zürichsee ausgiebig ge-würdigt. Bis Ende des Jahresgibt es 165 Tage „zur Wieder-aufführung einer Legendeund zum Ausleben der Obses-sion an Dada“, wie die Veran-stalter vom Verein „da-da100Zürich2016“ erklären.

Warum genau 165? „Wir ha-ben lange recherchiert undBiografien sowie Daten zumWirken von 165 führendenDadaisten zusammenge-stellt“, sagt Projektspreche-rin Nora Hauswirth. „Jedeund jeder von ihnen wird alsPatin oder Pate eines der 165Dada-Feiertage geehrt.“

Am Anfang jedes der Dada-Tage steht ein klösterlichesOffizium, ein Stundengebet.So ist der 22. Februar 2016zum Beispiel Hugo Ball ge-widmet. Es ist der 130. Ge-burtstag des aus Pirmasensstammenden deutschen Au-tors, Dada-Mitbegründersund Pioniers des Lautge-dichts. Dann werden seine„Karawane“ und sein „Eröff-nungs-Manifest“ erneut öf-fentlich vorgetragen.

Erinnert wird auch an dieSchweizer Künstlerin SophieTaeuber-Arp, eine Meisterindes kubistischen Dada-Tan-zes. Und überall werden Ge-dichte des deutsch-französi-schen Malers und LyrikersHans Arp – einer der wich-tigsten Dadaisten und Surrea-

listen – zu hören sein. Darun-ter sein verstörendes Werk„Die Schwalbenhode“. Kost-probe: „die edelfrau pumptfeierlich wolken in säcke ausleder und stein – lautlos win-den riesenkräne trillerndelerchen in den himmel – diesandtürme sind mit watte-puppen verstopft“.

„Dada hat alle damals beste-henden Avantgardeströmun-gen wie den Expressionis-mus, den Futurismus undden Kubismus in sich aufge-nommen – und verdaut oderunverdaut wieder von sichgegeben“, sagt der Direktordes Cabaret Voltaire, AdrianNotz. Dazu gehörten Gedich-te in frei erfundenen „Laut-sprachen“, die niemand imeigentlichen Sinne verstehenkonnte. Als Kunstwerk gingfür Dadaisten allemal auchdie Pissoir-Schüssel durch,die 1917 von Marcel Du-champ unter dem Namen„Fontäne“ als solches dekla-riert wurde.

Warum Dada-Protagonistendie bisherige Kunst so radikalnegierten und die absoluteFreiheit bis hin zum völligenIrrationalismus proklamier-ten, lässt sich aus den histori-schen Umständen erklären.Es war die Zeit des ErstenWeltkrieges, der sich mit sei-nen Gemetzeln als total men-schenverachtende Vernich-tungsmaschinerie erwies.

Die neutrale Insel Schweizmit Zürich als Metropole wardamals der einzige Ort Euro-pas, an dem sich Künstler vonüberall her zusammenfindenund unbehelligt nach Ant-worten auf die Katastrophedes Weltkriegs suchen konn-ten. Während übrigens gleichgegenüber vom Cabaret Vol-taire ein spitzbärtiger Revolu-tionär aus Russland, bekanntunter dem Namen Lenin, denSturz des Zaren vorbereitete.

Vom Cabaret Voltaire austrat der Dadaismus zwar kei-nen „Siegeszug“ an, aber eineeinflussreiche Tournee umdie Welt. Inspiriert wurdenKünstler in Berlin und Köln,in Paris, New York, Latein-amerika und Japan. Spätergriffen Schöpfer des Surrea-lismus, der Pop-Art und desPunk auf Dada zurück. � dpa

Marcel Duchamps „Fontäne“ (1917) schrieb Kunstgeschichte. Zu se-hen ist das Objekt im Landesmuseum Zürich. � Foto: dpa

Neutrale Schweiz warein ideales Zentrum

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