August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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|ÜaUna Cagebud).

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piattm Cagftmd)-

1796 - 1825.

X;

Stuttgart mt& Mpbut$.

% © (Eotta'fdje* 93 er tag»

1860.

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S»tid)t>tucfem fcer % ®. (Sotta'fcfyen 33udjljant>hmg in ©tuttgart unb 2lug$fcurg.

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$ o r tt o x t

<5e\t *ßfoten$ £obe ftnb trienmb$wan$ig 3aljre öerftoffen. SSott

ben wofyftoottenben Begleitern feme$ unfroljen SebenötoegeS, wie

öon feinen leibenfd)aftlidjen SBtbcrfad&ern , ftnD bie meiften Ijin*

übergegangen. (Sin einfeitig menfd)lidi>ea Sntereffe, fety e$ in

freunblicfyem ober feinblid)em 6inne, werben bie nacfyfofgenben

stattet nur nod) bei SBenigen hervorrufen. 5)afur ^at f!d) $(aten$

Slnfe^en alö £>id)ter mit ben 3a§ren mefer unb me§r befeftigt, unb

wenn audj nod) Ijie unb ba ein ifritifer grollenb ober geringfd)d&tg

feiner gebenft: t)ie epigonen *ßoeten wiffen wa$ fte iljm üerbanfen,

toaö er iljnen unb ber beutfdjen 2)id)tfunft wertf) ift. tiefer 3e^*

punft ermöglicht bie Beröffentlidjung feiner tyinterlaffenen $agebü#er,

unb erflärt &ugleid) bie 2lrt ifyrer Bearbeitung. Sie rtiljrt »on

einem greunbe $(aten$> bem leiber nunmehr ebenfalls üerftorbenen

^rofejfor ßngelfyarbt in Erlangen, fjer. @r fyielt tfiebei bem ®e*

banfen feft, ba{j auö $latenö Tagebüchern afleS baöjemge au$*

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VI

gebogen werben muffe waS ferne 23ilbung &um 3)ict)ter $u erflären

geeignet ift , unb alles baS weggelaffen waS btefem ßwecfe mct)t btent.

(£S ift baburd? ber größere, unb für jenes publicum welchem

DorjugSweife baS 2lnefbotenf)afte sufagt, ber anu'eljenbere Sfyeil ber

Slufjetc^nungen »erloren gegangem £tefür bebarf eS M ben (Sin*

(tätigen feiner (Sntfcfculbigung 5 benn nur bem einen 3kk würbe

nacfygeftrebt: eine £ü(fe in ber ©efctjic^te ber beutfc^en $oefte auS*

§ufüllen, inbem baS auS ber bisherigen Verborgenheit gebogen würbe

waS über $latenS bidfyterifc^eS Leben 2luffct;luß gibt

2Bol)l wenige Sftenfdjen fyaben in ber tyit il)rer (Sntwtcflung ein fo

ausführliches Sagebuct; geführt wie $laten. 3n ber jefcigen ©eftalt

begann er basfelbe am 22. Dctbr. 1813, §wei Sage oor feinem 17ten

Geburtstage. 2)aS ®an$e umfaßt breiunbbreißig 23üct)er in acr)t§el)n

jum $f)eil ftarfen 23änben. £>ie breißig erften SBücfjer gel)en bis

$ur Wlittz beS 3al)reS 1825. 3)ie nacfyfolgenben jeJjn Lebensjahre,

bis jum 13. üftooember 1835, wo er in 6r/rafuS feine oier testen

Sagebucr/blätter fc^rieb, ftnb in brei 23üct)ern enthalten, diejenigen

welche einen (Sinblicf in btefeS umfangreiche Sßerf ^latenS getrau

fyaben, barunter ©Delling, gugger unb (Sngelfyaibt, würben in

gleichmäßiger 2lrt baoon bewegt unb gerührt. <5djon t>k SBett*

fdjweifigfett ber 2luSfül)rung mußte eigentfyümlicrje (Smpfmbungen

erregen. $laten fpracfy in gewöhnlicher (Stimmung fcf)r wenig.

(Staub ifym aud), wenn oon 9ftenfct>en ober ©egenftänben angeregte

in Weiterer unb leibenfcr)aftlicr;er Sprache bte einnefymenbfte SBereb*

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VII

famfett $u ®cbote , fo war ex bod) im gewöhnlichen Seben faft ftumm $

namentlich aber in ber S^d^e antt^at^tfc^er *ßerfönlidj>fetten »on einer

man barf it)of)I fagen beleibigenben ©cfyweigfamfeit. 6eine ©eftctytg*

jüge erfcfytenen bann ftarr unb tl)eilnal)mlo6 ; man fonnte glauben er

vernehme nichts von bem was um ifm oorgieng, Unb nun erfuhr

man auö feinem Sftacfylaffe ba$ er in breitefter 2Betfe bem Rapier

anvertraute, wa$ er bem münblic^en SSerfefyre fdjulbig bliebe baß

nic^tö 23ebeutenbe$ u)m entgteng, unb in ber ©title be£ ©tubier*

jtmmerS alleö burcfybadjt unb feftgeljalten würbe voa$ ben metften

im ©eräufcfye beS SageS vorüber, unb wof)l and) verloren ge^t

tiefer eine 3ug f^on mi$t barauf fyn ba$ ^laten ntcfyt $u ben

©ludliefen gehörte, 2Ber 3al)re lang ein Sagebucfy, nicfyt etm

bloß ber äußern Gegebenheiten, fonbern beS eigenen «£>erjen6 füfyrt,

wer jebe jfränfung, jeben 6c^merj, jebe Säufcfmng, jeben wtrfticfyen

ober eingebilbeten geiler mit ber gewtffenfyaften $reue eine3 (5l)romften

einregiftrirt; ber jetgt eben l)terburcfy ba$ ü)m ber ^eitere, unbefangene

®enuß beö 2)afetyn6 oerfagt ift 3n biefem ©inne tröftet hie Sßafyr*

nefymung t)a$ mit ber junefymenben $etfe beö £)id)ter$ bte 2luf*

Zeichnungen immer fparfamer werben, unb in ben fpäteren Slbfcfynttten

nur feiten von bem Sieuferen, £f)atfäcfyli$en ab in jene unfeligen

inneren Vertiefungen jurüeffe|)ren.

2luS ber $lrt wie $laten in ben früheren Gänben ju 2Berfe

gieng, ftefyt man baß er bie güfyrung beS £agebud)6 äl$ ein

SBübungSmittel , unb fomit alö eine *Pfiid)t anfaf), Engere Seit

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VUI

fyinburd? fyat er eö m fran§6fifdber unb englifd?er, $wifd)enfyinein aud?

in ttalienifc^er , fpanifcfcer unb portugieftfd)er €>pradj>e gcf($rtcbcn

;

btc 5htSfüljrung tjx gen?iffen^aft , unb mad?t manchmal fogar ben

©inbrucf einer (stylübung. «£>ieöon finbet ftd) üom Saljr 1825 an

feine <5pur me§r, unb fd?on mehrere Safere üorfyer fommen nur

nodj einzelne fRücffdtle in jene mefyr fdjriftftellerifdje Lanier t>or»

(Sinen befonberen 2ßertlj unb !Ret§ gewinnen biefe Befenntniffe unb

(Srlebniffe burd) baö ©eprdge ber läuterten 2Baljr!)aftigfeit, weldje

ßigenfdjaft überhaupt ju ben ©runbjügen feineö (iljarafterS gehört

2>em §erau6geber rühmte bte Butter be3 £id?terö wieberl)olt, baß

er »on Det erften 3ugenb an nie eine Süge gejagt fjabe. 2Ber u)n

ndfjer fannte, mußte ifm einer folgen aud) für burdjauö unfähig

galten. <5td? unb feine greunbe bemäntelte er mit rüdjid^tofer

3lufricbtigfeit; niemanb l)dtte ifm §u einem audi> nur conr>entionelten

£obe bewogen, wenn er eö nicfyt für gerechtfertigt fyielt dx rettete

in folgen gdllen feine 2Öai)rf)aftigfeit burd) ein unerfc^ütterlic^eö

Sdjweigen. €etne eigenen Srrtfyümer aud? nur ju befcfyönigen war

tl)m geraDeju unmöglich 2Bte wicfcttg wirb burd) biefe £f)atfacfce

alleö m$ er über ftd? mitgeteilt f?at ! 3$ l)offe Daß au6 (£ngelf)arbt$

Bearbeitung ein anberer 3ug be$ £id?terö eben fo beutlid) f)er»or*

leuchtet, wie au6 sielen Blattern beö SagebudjS. 3d) meine kirn

wafyre, nidjt erfyeucfcelte Befcfceibenfyeit §& fety mir Stattet biefe

l)ert)orjul)eben , weil e$ hergebracht i]t ifm einer übermäßigen (Sitel*

fett ju befcfydbigen. Sßtrflicfce (Sitelfeit war ifmt fd?on be^alb fremb

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IX

weil fte mit ber £üge fo na^e oerwanbt tfl Unebenbürtigen ober

(cic^tferttgen ©etftem gegenüber, aud) wenn fte oon ber ©unft ber

£age8laune emporgetragen waren, füllte er bte §ö§e feiner 33ega*

bung unb ben (Smft feines 6treben6 mit mwerljefyltem €>tol§e*

SBa^rem Sßerbienfte fjulbigte niemanb aufrichtiger atö er; ja bte

(iebeoottfte Eingabe an ^eroorragenbe ©eifter war für tön ein

wirflidjeö ^erjenSbebürfniß* SBenn er oon feinem SBert^e , befonberö

in ben Sugenbwerfen , meljr fpridjt aß nötfyig unb angenefym, fo

rüfyrt bieg $u einem Sljeit Don feiner 23efd?afttgung mit ben orien*

talifdj>en £)id)tern §er, benen fold)e8 fecfe <Selbftlob geläufig ift,

unb war infofern nur eine formale 9?acbaf)mung; jutn größten

Steile aber ijatte biefer gefyler in einer ber (Sitelfeit gerabe entge*

gengefe#ten (Stgenfcfyaft feinen ©runb — in einem ^leinmut^e,

ber atfee bi& bafyin ©eleiftete als nichtig erfreuten, unb ihn

oft genug an feinem Berufe i>er$weifeln ließ* 2>te reine , eble

Duette feiner $oejte, wie oft Ijiett er jte für öerftegt, wie oft

mürbe er an fetner SMcfyterbegabung irre, unb fcfywur ber üftufe ju

entfagen I £)ann legte er wofyl einstigen greunben feine legten

arbeiten mit fdjücfyterner €orge i>or, unb würbe erft wieber ruf)ig

wenn er ftd? be6 ungezügelten 23eifatt3 bevfelben fcerftcbert fyatte.

2Beld?er wafyre £ünftler wirb hierbei nidjt feine eigene ®efdjid?te ju

t>ernefjmen glauben! Stile biefe 2lu$erfefenen arbeiten nacb einem

inneren SSorbilbe, beffen äußere 2)arftellung fte bmi fproben Stoffe

im (Schweife u)re6 Slngeftd^ abringen; fte alle bebürfen unb oer*

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langen einen begeifterten 23eifafl, ber fte r>on ber 2Ingft befreit baß

fte gar ju mit hinter tfjrem 3beale §urütfgebu'eben fct;en* *ßlaten,

bem feine ßeit f° ^eni9 gerecht würbe, fämpfte mit jener Slngft

lange unb fc^merjlic^er als bie meiften feiner SDfttftrebenben. -ftur

bie gernefteßenben fonnten bie 2Borte mit benen er ftcfy felbft Sflutl)

jurief für einen Sluebrudj) Der ©elbftüberfyebung galten*

2BaS ba$ auf ere <5d)tcffal be6 £agebud)3 betrifft, fo ift barüber

fotgenbeS §u fagem *piaten vertraute e£ mir »er feiner legten Steife

naefy Italien §ur Aufbewahrung an* 2)er au6 €>r;rafu3 gefaxte

•jftacfylafj enthielt ben legten 23anb; fämmtlicfye Rapiere naijm ber

treue greunb beS Verdorbenen, ©raf griebridj gugger, an ftcfy,

welcher ba$ Sagebud? jwar ntc^t ^erauöjugeben , aber bod) ju einer

23iograpl)ie ju benuüen gebaute, darüber ftarb aud) er im £eibft

1838* (Sin feitener Sftenfd) , t>on ber tiefften unb breiteten SBübung*

%R\t ^laten t>on Sugenb auf »erbunben, fct)ien er wie gefebaffen $u

feiner (-Ergänzung, ©ct)on ber äußere ©egenfa§ war d)arafterifiifct>

^laten ffein, mager, »on zartem Körperbau, farg mit Porten unb

©eberbem gugger bagegen ftarffnocfyig , beleiht, lebhaft, mit*

ttyeilfam, Reiter unb wifctg* Unter ber etrr>a$ raupen, für tylantye

abftoßenben gorm lag aber ba3 jartefte SBerfiänbnijj unb bie

tieffte Verehrung für aüeS Siebte in 2eben unb ßunft, unb —t)iet>on unzertrennlich — ber eingeborne äßtberwtlle gegen bie ftcfy

aufbläfyenbe Unfäfyigfeit ebenfo wie gegen ba$ frtool mißbrauchte

Talent Qatte biefer gemeinfame 3^9 bie beiben Banner juerft

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XI

einanber genähert, fo mußten fte bann auf immer oerbunben bleiben

burd) bie ebelften @igenfd)aften be£ (&eifte§ unb öerjen^ S3eibe

treu unb offen, ofyne ^runf unb glttter, ftolj unb frei in ber

innerften 6eele, nur bem ©efefce ber 2Bal)rl)eit unb 6d)bnl)eit

untertt)am guggerS Urteile unterwarf ftd^> paten willig; t)atte er

bod) beffen liebevoller £l)eilnal)me, reifer (Sinftcfyt unb unbeftec^licfyem

gretmutl) unjäbligemal görberung unb Mäfjigung oerbanft* guggerS

erfrifcfyenber 3unif tyat unfern 2)icfyter oft genug aufgerichtet unb oben

erhalten, meint bie unfruchtbare Melancholie ftd) feiner bemächtigte*

Mand)e3, wa$ ben ©ebic^ten nidj>t mot)l anfielen mürbe, ift auf

feinen $atl) au$ ü)nen entfernt worDen. 3« vÜfafo fiebern fanb er in

feinem muftfaltfcfyen ©eifte bie paffenbe Melobie, mit melier er ben

3)id?ter erfreute* ^ictyt unmafyrfc^einlid? l)at ber tiefe 6cfymerj um

ben Verlornen, ber in bem feften Manne unerwartet l)eftig ftd)

äußerte, baju beigetragen ben in gugger fcfytummernben SobeSfeim

ju entwicfelm 3)er SBriefwecfyfel mit $laten (Seidig 1852) bezeugt

feinen wohltätigen (Sinfluß auf tiefen , unb e6 ift fel)r ju bebauern

Daß er bie meiften eigenen Briefe aus aü^ugro^er 33efc^eibenl)eit

unterbrächt fyaU Man mürbe auö il)nen erfefyen ba$ fein 93erl)ältnig

$u $laten oiel SlnalogeS mit bem oon £örner $u 6dn'ller bittet

Mit fielen l)at gugger »erfel)rt, Sßenige l)aben it)n gefannt, für

biefe ift er unoergefjlicfc.

2lu$ feinem $ad)laffe unb nad? feiner SBeftimmung famen bie

Sagebücfyer wieber in bie £änbe be$ gegenwärtigen £erau$geber&

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6ie blieben »tele %af)xe lang Detfcfcfoffen , bi$ ftet) in (Sngelljarbt

ein üor^ugöroeife geeigneter unfc) geneigter Bearbeiter fanb. tiefer

gab tljnen bie ©eftalt in welcher bau SBerf t)eute ben Rauben

beö $ublicumö übergeben wirb. 2Bie e$ jefct erfcfceint, ift e$

(SngelfyarbtS auSfcpefjtidje Arbeit 2)er Herausgeber fyat nichts

hinzugefügt al£ einige ©ebidjte beS $agebucr)S, bie in ber (samm*

lung fehlen, unb bie ir)m ber Aufbewahrung wertlj fdjeinem

2luö bem $orliegenben ift erftd}tlid) baf *piatenö (Sntwicfv

(ung in ber &it feineö (Srlanger Slufent^atteö ftd) in allerbingS

fonberbaren ©egenfä&en rafet) fcollenbete. 3n bem erften Saljre

beßfelben war er auf einem gefährlichen Abwege, faft bfö §ur

©eringfcbäfcung ber ©oetfye'fcben ^3oefte §erabgefommen. 2Öeldje

finiftren (Sinwirfungen bieg oerfct/ulbeten, fagt er in feinem (Sonette

an Sßincfelmann

:

„Senn td? ber grommler ©aufelet'n entnommen" ic.

9kcr) biefer furzen 93erirrung gewann er aber balb unter bem

unoeifemtbaren (ünfluffe oon Scr/ellmgS $erfon unb @ei\t jene fiebere

£of)e beö ®efcfymaa% bie er oon nun an nic^t mefyr »erlief. £a6

<5cbaufpiet „Sreue um Steue" fällt in biefe j^dt. 33ei ber Sluffüfjn

rung begfelben in Erlangen fyatte ber Dichter ben Sidjtblicf eined

nict)t lange täufd)enben $riumpl)$ genoffen, sugleict; aber feine faum

begonnene bramatifcr)e Saufbafyn beenbigt. sJRit biefem Slbfdjutffe

war er in t>a$ (Btabium ber männlicben Steife getreten, unb tk

33eatbeitung beö $agebud)3 tonnte fonacb tjier abbrechen. @$ ift

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XIII

»ollenbet, wenn man bie Eingangs geftelfte Slufgabe, bie dnu

nricflung *ßlaten$ alö 3)idjter auä feinem Sagebuctye flar ju machen,

im Sluge behält £)er Verausgabe beS legten 2lbfd?nittS , welcher

einer Bearbeitung faum bewarf/ fteijt übrigens nichts im 2Bege,

faüö bk Sfyeilnafyme beS $ublicumS ben völligen Slbfcfylujj beS

SBerfeS »erlangen feilte,

Leiber fyat ber $ob ben trefflichen Engelfjarbt geijmbert baS

Sagebud? 51t einer einläjjliefen Arbeit über $laten, welche er als

Einleitung »orauSaufcfyitfen gebaute; a« benüfcem Er sollte bk

»erfdn'ebenen EntwicfelungSperioben ausführlich barftellen. 3ebe biefer

gerieben fyat i^ren gan$ beftimmten Efyarafter unb ifyre befonbere

äßirfung auf bie Bübung beS 2)id?terS* 9?atürlid? liegt bk bictyterifcfye

Anlage ju ©runbe, bie aus ber Umgebung auffaßt waS ifjr $ufagt

2)er ©toff follte in folgenber 2Beife georbnet werben»

1) 3m 3Saterl)aufe: Ü)ie Sßorlefungen; bte Suft am Älange ber

93erfe; bie erften ^robuetionen j bk greube am Sljeaterj ber erfte

Embltcf in bie wette 2Belt; bk $lät)t eines §ofeS, $u beffen ©liebern

er in näheres SSer^älmig txitt; bk erften greunbej ber Eigenftnnj

bk 3urücfgesogenfyeit t>on ber übrigen gamilie; baS auSfd?lie{jltd)e

SBerfyältnifj $u ber Butter»

2) 3m äabettenfyaufe: £>te gteunbe; bie beftimmte SebenSorb*

nung; bk 2lbf)ärtung.

3) 3n ber $agerie: 2)ie $äf)e beS £ofee; tyofye *ßerfonlidfyfeitenj

£el)rer} greunbe :c.

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XIV

4) 2>m Oiegtmente : a. 3n ber ©arnifon fleißig aber unjufrieben;

b. im Urlaub auf Neffen ober m SlnSbad?; c. gelbjug i>on 1815»

5) 5lufber Uniöerfttät: a. SBür^burg — SBagner; b. Gelangen

— £*urfd)enfdjaft, Delling jc*; Reifen; i>otߧli$bk nad) Sßenebig*

(Sngelfyarbtö €>d?ema fyofoi ict) im SBorfyergeljenben ni#t ofme bie

Hoffnung mitgeteilt ba$ ein üerroanbter ®eift bem beutfcfyen $olfe

ben (SntroicflungSroeg etneS cblen 3)td?ter6 zeigen möge, ber für tiefe

Sirbett in feinem oben angeführten 23rieftt>ecfyfel unb bem l)ier bar*

gebotenen Sagebucfr ein auSgiebigeö unb juoerläfftgeS Material

{nnterfaffen fyat

mmttl, 5lpril 1860.

larl JDfeufer,

S>!.-

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® t tt *i> ff c t t

1796—1806.

•3c^ Bin am 24. Dctober 1796 in<

än$ha<fy geboren. Steine Familie

ftammt aus einem alten angefefyenen @efd)lecfyte ber 3nfel Sftügen. 2)ie

gräfliche SBürbe fam an biefelbe burcfy ^ranj (Srnft oon ^ßlaten, welker

am 20. OutiuS 1689 »on £eopotb I in ben $fteicfy3grafenftanb erhoben

tourbe^ nnb 1704 oon $urbraunfcfyn>eig bie (Sraffdjaft §allermunb ober

§aHermünbe, jebodj olme anbere Sftedjte, (ginfünfte nnb ^ertinentien biefer

®raffdjaft , als bie reid)3gräflicfye Unmittelbarfeit nnb ©tfc nnb (Stimme

in $fteid)3-, ®ret$* nnb anbern SBerfammlungen, erhielt.

9flein $ater, 2luguft 5ß$tfifl>, (am 22. 3uni 1748 geboren), toar

erft Lieutenant in fyannöoerfdjen SDienften, nnb batte afö folcfyer eine D?etfe

nacfy (gngtanb gemalt, n>o er ben bort ^fällig auf 23efudj anmefenben

Sftarfgrafen 2lleranber oon $ln3badj fennen lernte. SDiefe SSefamttfdjaft

gab SBeranlaffung, ba§ er nadj 2ln3badj tarn nnb bort als Dberforftmeifter

angefteHt iourbe. SDaburdj trat er in ein näheres 25erfyältniß ^u bem

marfgräflidjen Dberftallmeifter o. $to£enftein, beffen £ocfyter er fyeiratfyete.

5lu$ biefer erften (Sbe ftnb fec^ö $inber, ein @o^n nnb fünf £ödjter

hervorgegangen. SSter oon ben £öcfytem verheirateten ftdj, bie fünfte lebt

notfy unoerfyeiratfyet in 5ln3bacfy. Waty ber ©Reibung oon feiner erften

®emafyltn oeretyelidjte er fid) 1795 mit £ouife grieberife (£i)riftiane, geb.

greiin (girier oon 2lur% Softer be3 I. preufjifdjert ioirflicfyen @efyeimen-

ratt)S nnb marfgräflidj 2ln3bacfy'fcfyett DberfyofmarfdjallS (Silier oon 2turi£.

$ä) bin ba3 einige $inb aus biefer (Sfye; ein jüngerer SBruber ftarb,

bret -Saläre alt, in ©cfyioabad). 2)er ©ofyn au3 erfter (SI)e, 5lleranber,

jelm 3al)re älter aU idj, trat in bie 5lrmee, iourbe als batyerifdjer

$*aten§ Sagefcucty. 1

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cftarafterifirter Wtajox penfionirt, unb leBt tted) in StmBerg. 3n ber gelt,

ba icfy ned) ju §aufe toar, mar er gälmbricB in bem in 2Cn3fcadfy garnifont=

renben Sftegimente Xauen$ien. Sie oier Jocbter erfter (Sfye mürben toäljrenb

id? fyerantoud)§ allmählich oerfyeiratbet, id) fannte fie faum, unb lernte fie

aucfy fpater, ba icfy ba§ üäterlicBe §au£ früije oerlie§, nicfyt fennen.

Ücac^ einjährigem Aufenthalte in ScfytoaBacb, me^in er fcerfe£t toerben

mar, feljrte mein Vater mieber nad) 2ln§Bad) ^urücf, nnb fyier fiel id)

in eine langwierige $ranfi?eit, bie fetBft ber Berühmte (Srtanger 5Ir$t,

gnlteBranb, für unfyeitBar erftärte. £urcfy meine ©enefung Bemälnle ftdt)

baS alte (Strücftmert, ta$ Unfraut ni6t t-erberBe; id) mar fet)r Böfe, unb

nod) jelm 3aln*e nachher I?at midj mein Vorüber mit meinem bamatigen

öigenfüm aufgelegen.

9)ceine fcrperlidje (Srjielmng trar einfach unb clme Verzärtelung, man

lehrte mien, mie bie§ bamato in ftolge ber fran^öfifcften ^efcetution Bei

ben leeren (Stänben allgemein mürbe, }u meinen (Eltern Xu $u fagen,

unb ftetS freimütig unb offen gegen fie $u fetm. £a§ icfy ton 51bel feto,

bap ia) einem alten §au[e angeBcre, hat man mir nie gefagt.

2113 meine erften -Ougenbgefpieten erinnere ic§ miefy nur eines kirnen

£angenfcß unb -3eannet3 2lfünent, be3 (Selme3 eine§ franjcfifcBett <3prad)=

meifterS, unb ber jtoei älteren ©ölme beS £)Bera^eltatien§ratfye3 SieBesfinb,

fcon benen ber ältere fpäter in ba3 $abettenccr£§ fam.

3d) fam öfters aufs <2d)(cj3, um bert mit ber fleinen ^rinjeffin,

einer Redner beS $rin$en £ubmig fcon $reu§en, be§ 23ruber§ beS £önig3,

ju fielen. -31>re 9)cutter termäljlte ftdj nad) i^reö erften SftanneS £cb

mit bem dürften ücn (ictm§=23raunfel3, ber unter ben §ufaren in SlnSBacfy

ftanb ; meine junge Spielgefeltin t;etratr)ete einen $rin$en ten ^lu^alt^effau.

3)ie äftutter mar blonb, unb eine ber lange Btüfyenben (Schönheiten; tefy

faf> au* ifyre Beiben (Sdbfreftern, tk gürfttn 5Tt;erefe fcen £fyurn unb £ari3

unb bie Königin £ouife ton ^reupen.

£>a ber Vater oft genötigt mar ileine Reifen ju machen, um bie

gorften %a BefucBen, fo blieb icb mit cer Butter oiel allein. <Ste la§

mir oer, |uc6te mir früfje ©efe^maef für £ectüre emjuflc^ert, unb baö mit

bem Beften Grfolg. -5^ laö lieber r al§ ic^ foielte, oBgleicB eö mir nic^t

an (Spietfadjen fehlte. $&/ ^atte fie fcen allen Porten, unb fie oerme^rten

fiel) mit jebem 2£eitmaa}tStag unb @eBurt§tag Beträc^t(icf). ®d)on jiemlic^

frü^e fonnte ic^ lefen unb fcfyretBen. Xa$ erfte toa§ icfy fetBft laö, toar

Page 23: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

Söetße'S $inberfreunb, au3 bem idj mir befonberS bie flehten ^omöbien

fyeraugfudfyte ; beim tcfy üebte nidjt3 fo fdjr, als ba3 Stfyeater. @o oft id)

burfte, gieng td) in8 ©djauffciet, ftenn eine £rufcfce in 2ln§badj ffciefte.

SDftt meinen ^ameraben Riefte td) felbft faft nichts als ^omöbien. Steine

erften arbeiten, nnb aEeS, toaS tdj als ftnb fcfyrieb, toar bramatifdfy.

3cfy fyatte unter anberm in meinem fiebenten -Satire ein ©djäferfptet in

ungebunbener Sftebe getrieben, nnb einem ©cfytoabacfyer ^reunbe, @eorg

23enff>er, gefcfyicft.

(Sine§ meiner LiebtingSftücfe toar ba3 £)onaun)eibcfyen, toaö bamalS

fefyr im ©djtomtg toar. $Iucfy <Sd)ifterS SO^acbet^ fiel mir in bie §änbe;

icfy ta$ aber fc(o§ bie §erenfcenen.

On meinen fomöbien in £nitteloerfen wimmelte eS bon $een, §eren,

9?iren nnb 3<mfcerent. ©ie toaren fe^r furj, unb, begreiflich, ofyne allen

pan getrieben.

2öa$ meine ^fyantafie nocfy befonberS bereicherte, mar bie SJtytijotogte,

bie icfy fcfyon §iemtid) inne fjatte. £)ie Liebesabenteuer -SubiterS giengen

olme (Sinbrucf an mir vorüber. -3cfy t>tel± bie Liebe bamalS für nichts,

alö für einen tfyeatralifd)en Sfteffort.

(So biet icfy inbeffen auefy @efbenfter nnb Ruberer in meinen $omobien

erfreuten lieg, fo ioar icfy boefy nichts toeniger als abergtäubifefy , ober

»ielmefyr eben belegen. 9[ftan fyä'tte nüdj el)er ungläubig nennen bürfen.

21(3 einer meiner Lehrer mit mir oon ber §b'tle fbracfy, fagte td) ü)m: e3

gibt feine §ööe. (5r geriet!? barüber außer ftdj, icfy blatte aber unter §öKe

nur jene glammengrube oerftanben, in ber bie ©eeten gebraten toürben.

£>ie Butter 50g fid) ganj oon ber 2Mt jurürf, um fidj meiner

(Srjielmng mefyr toibmen ju fbnnen, unb ermunterte miefy in meinen

arbeiten. 3Iuf biefe arbeiten bitbete tdj mir niebt ftenig ein. (Sie lieg

midj frw)e ^Briefe f^reiben, unter anbern an eine junge (Snglänberin

meines alters, W%a Douglas, beren Butter, eine @djtoet$erm, mit ber

meinigen in Laufanne erjogen morben mar. 23eibe äftütter Ratten £bd?tercfyett

unb ©olm früfye für einanber beftimmt.

Page 24: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

Steine erfte D?etfe gieng nadj £ei^ig. Stortfym BegaB fidj bie 9#utter,

um eine (Snfelin meinet SBaterS, eilt gräulein o. ®emmingen, aB^olen,

bte ü)r ©tiefoater ba^tn Braute, uttb nafym mid) mit. 2£tr regten in

Begleitung be$ 2$ormunbS ber flehten (Carotine) ®emmhtgen, unb ber

ermahnen £od)ter biefe§ 2Sormunb§. 2)te D^etfe gieng ü&er ^ürnBerg

unb SBatyreutI). 2Son Stofyreutfy BlieBen mir bte (Eremitage unb bie gantafte

in teBfyafter (Erinnerung.

Qu Seidig, mof)in mir üBer §of, ©cfylei£, ®era unb 3z\% gelangten,

50g midj baS ©djaufptel »or allem an. 3dj fafy bort 3ne3 be (Eaftro.

$on Seidig giengen mir iiBer Steißen, mo bie ^orcellanfaBrtf Befugt

mürbe, nad? 2)re3ben, mo eine ^reunbin ber SDhttter, bie ©emafylin beS

fädjftfdjen 9ftinifter§ (trafen @enfft=pifad), lebte. üftod) erinnere icfy micfy,

mie mir bort in einer frönen @onbe( auf ber (SiBe fuhren, bie tanb^au^^

BeBauten ttfer tinH unb redjt§, unb bie Berühmte 23rücfe, unter melier

bie £ufifaljrt l)inburd)gieng. 2lud? ber ungeheure ©aal ber 23i(bergaHerie

Blieb mir im ©ebäcfytniß. -3m Sdjloffe fa^en mir ben (Elmrfürften mit

feiner ^anritte in bie 9Jleffe gelten. Stuf bem Sftütfmege Befallen mir in

greiBerg bie iöergmetfe.

Caroline 0. @emmingen BtieB Bei un€. 3d? leBte in ftetem Unfrieben

mit ifyr.

3$ fianb in meinem neunten -Safyre, als bie folgen beS Kriegs audj

tn meiner SBaterftabt ficfytBar mürben. 9?adfy ber UeBergaBe oon U(m

fußten flüchtige Mferlicfye, elenb unb in Sumpen, bie (Stabt. <Sie erhielten

Bei un8 oiete Unterftü^ung , unb icfy faßte ben erftett 2öibermilten gegen

bie gran^ofen, aU bie geinbe be§ beutfcfyen $olfg.

SBernabotte, ben icfy Bei feinem 3)urd>marfcfy burdj 2(n3Bad} 1806 fal),

ftel)t mir a(3 ein großer, ftarfer äftann, fonnengeBrannten @efidjt8 mit

fdjmarsen geringelten §aaren in ber (Erinnerung.

3$ jürnte üBer bie (Stiftung beS ^einBunbS, unb tdj fafy mit

©djmer^ baS (Snbe beS beutfdjen SfteicfyS, ben $ertuft ber D?ec^te be3

$Ret<$3abetS, ben gatt ^reußenS.

3m (Sommer 1806 tarn ber General SBernetf, (Efyef beS fabettem

cor^ö in iDfthtdjen, ein 3ugenbBefannter meines $ater§, nad; 2ln$Bad),

Page 25: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

unb fcfylug bemfetben bor, mid) ins £abettencorp§ nacfy äftüitdjert $u fdjitfen.

3)er $ater gteng auf ben 53orfc^Iag ein, unb id) reifte am 18. (September

1806 mit ber Butter über 2Beißenburg, ©dpbt unb 3ngotftabt nad>

9#ünd6en.

SBon 1806 Mö jum ©cptcmbcr 1810*

2)er ^Cbfd^teb bon ber Butter fiel ferner, id) backte mit SÖefymutfy

an ba§ £eben im väterlichen §aufe. £>te fteife £(etbung, bie fernere

$opfbebedung maren mir befcfymertid). 3)cc^ fanb id) mi<fy ba(b. £>er

Sftei^ ber 9?eu^eit mirfte; id) freute midj ber fielen jungen £eute, bie id)

traf, unb gemannte mid) balb an bie anfangt ungemolmte Sftafyrung.

£>er bon ßtit ju 3eit geftattete 23efud) be$ .©äfyaufyiefä,, bie oietfadjen

^Befestigungen, bie leine &tit jum 9?ad)benfen über bie neue £age ließen,

fyoben in rurjer ßtit über ba$ erfte TOißBe^agen fyinmeg. 3dj fanb ben

altern £iebe§finb mieber, ber bor mir ^abett gemorben mar. Steine

2lufnafym3prüfung fiel nid)t fonberlidj auS; idj tarn in bie unterfte (Haffe.

£)ennocf) erhielt id) am ©djtuß be3 erften 3afyre3 eine Prämie; man mar

in biefer geit außerorbentlicfy mit mir jufrieben, id? nicfyt mit mir felbft.

2)ie (SdjriftfteHerei mürbe oergeffen, ba mid) niemanb aufmunterte,

aud) bie freie 3eit fehlte. S)er £efyrgegenftänbe maren ju oiel ; idj oerterute

mel)r, a(3 ify lernte, meit icfy fdjon ju miffen glaubte, ma£ man mid) ju

§aufe gelehrt fyatte, unb id) fyatte äiemlid) biel für mein bitter getougt.

3)ie £ernbegierbe ertofcfy, ba id) mit ben £efyrftunben mid) Begnügen ju

lönnen glaubte, unb mid) bem 2Balme Eingab, ba§ e§ gar nid^t me^r bon

mir absenge, biel ober menig y

ön lernen. £en Religionsunterricht Ratten

bie proteftantifcfyen laberten mit ben Jatfyolifdfyen. 2)a§ \<fy auf bie $rage

:

2Bie biel gibt eS ©acramente, antmorten mußte: (Sieben, mollte mir ntdjt

besagen. 2)odj mürben mir ^roteftanten fonntäglid) in bie proteftantifcfye

Kapelle im ©cfyloß geführt, mo mir eine $rebigt l)örten, bon ber mir, auf

ber ©rufe unferer ^enntniffe, menig oerftanben. — 2113 bie gafyl bex

^roteftanten im (£orp3 fidb mehrte, erhielten mir eignen Religionsunterricht.

Page 26: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

(Sonntags Ratten toir bie (SrlauBnig, 23efuct)e $u machen. ®a fam

tdj öftere mit £ieBe3finb ju bem DBerappeHationSratfye o. (Stäben, ber

einen Neffen im (£orpS ^atte; jtoct £ödjter ber ^ran 0. ©cBaben auS

erfter (St)e toaren ungefähr in meinem Filter. 2ludt) ju ©cfyelling fam ict)

^Moetten, fo lange beffen erfte $rau lebte. SBet it)m traf tdj einmal

£>octor @all, ber aud) meinen ©ct)äbel Begriff, aber nichts ^id^tigeS

barüBer fagte.

2ltS §err o. ©djeele, ein $ertoanbter meiner Familie, toeftyl)älifdt)er

($efanbter in ÜDcüncfyen tourbe, Befuct)te ict) fein §auS alle (Sonntage;

anfangs aucfy ben ©eneral oon Söerrtecf, oon beffen Dritte, Fräulein o.

(SmmppenBerg, ein SBrubcr im (EorpS toar.

3)aS $abettencor£S Befanb ftdj in einem Steife beS ehemaligen

3efuitenflofterS. 3)a toaren im erften ©toefe meift ,3immer für bie $or~

ftanbe, ^rofefforen unb £>fficiere, neBft bem $t<fyU nnb £an^immer, in

einem üfteBengeBäube beSfelBen ©tocfS baS ^ranfen^immer. £>tefer Streit

beS §aufeS gieng anf bie ©tra§e; bie £el)rftuBen nnb ein großer ©aal

im jtoetten ©toef fafyen in ben §of. Qn biefem ©aale tourbe an langen

tafeln gearbeitet unb gegeffen; auefy bie ^reiftunben tourben bort jugeBracfyt.

(5r fyatte jtoei 9?eit)en $enfter ; in ben £et)rftuBen toaren £ifct)e nnb 33anfe

am 33oben feftgemact)t, im ©aale Heine fyarte ©tiifyte olme £el)nen.

(gg toaren üBer fyunbert Nabelten, bie ftcf> bort aufhielten. — @nnoct) größerer ©aal im brüten ©toefe toar ber ©cfylaffaal. £>ie Letten

ftanben in bereiten Sfteifyen auf Beiben ©etten. 2öäfcfye unb Kleiber

tourben aufgefyoBen unb an Beftimmten £agen ausgefeilt, ein Keiner

9?aum ioar für bie ©Triften unb 23üd)er ber £abetten Beftimmt. -3n

bie 33iBtiotr)ef famen bie ^abetten -mdjt, unb erhielten feiten 23üd)er auS

berfelBen.

SSon ben @efangriffen, toar baS eine fo eng, ba§ man faum aus*

geftreeft barm liegen formte, eS toar aBfolut finfter, £efen toar oerBoten;

baS anbere toar geräumiger, unb. mit einem $enfter oerfefyen.

3roei große §öfc am $eBäube toaren, ber eine jum £ummefyla£ unb

jur Anlegung Heiner ©arteten, unb ^u grunnaftifetjen UeBungen Beftimmt;

in bem anbern tourbe einmal eine ©cfyanje ju Bauen angefangen.

2>er erfte ber $orftäube beS fabettencorpS nact) bem ®eueral, ber

nadnnalige £)Berft £aufd), toolmte in einem ©eitentfmrme beS ©eBäubeS.

S)ie Nabelten tourben ununterBrocfyen Beaufficfytigt, in ben §örfä(en

Page 27: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

oon ben ^rofefforen, in ben greiftunben oon ben Officteren, in ben

©cfylaffälen oon ben Söebientem £)ie Offtciere galten bag Dfacfyt, ©trafen

ju oerfyängen, bie fte bann bem DBerften anzeigten, ©ner oon i^nen toar

jeben borgen Beim $lufftel)en, forgte, ba§ bie Nabelten ftd) fdmell anzogen

unb ioufdjen, nnb ließ ba3 äftorgengeBet oerridjten, ba3, tüte baS 9Jättag=

unb 3lBenbgeBet, aus beftimmten gormein mit angehängtem $ater nnfer

Beftano, unb ba8 ein $abett tant oorfprad). Wucfy Bei jebem ©tunben=

toecfyfel toar ber bienfttfyuenbe Dfftcier jugegen, eBen fo Beim grüfyftüd, ba$

auS einem ©tüd 23rob Beftanb, nnb in ber Sieget oon 9—10 Ufyr im §ofe

eingenommen tourbe. 2Bäl>renb be3 3ttittageffen§ nnb toafyrenb bie Nabelten

für ficfy arbeiteten, gteng ber auffefyenbe Dfficier im ©aale auf unb aB.

-3n ber Sftatfyemattf gaB ber nachmalige DBerft 23auer im ®eneratftaB

Unterricht, in ber (Geometrie ein alter 2lrtitleriefyau£tmann, im ^ßfanjetdjnen

9ftajor §erbegen, in @efcfytcfyte unb ®eograpl)ie ber burdj fyiftorifdje unb

geograpfyifcfye ©Triften Befannte ^ßrofeffor (Stfenmcmn, im beutfcfyen ©ttyt

$rofeffor Sfteinfyarbt, ein gutmütiger 9)cann, mit bem tdj aBer bemunge-

achtet oiet ©trett Tratte. Satein unb Religion lehrten oerfdn'ebene (Seiftticfye,

ba8 granjöfifcfye, worauf baS größte ®etmdjt gelegt nmrbe, ^rofeffor

§ermequin, ein (£migrirter aus Sotfyringen, gefpräcf>tg, munter, oerftä'nbig,

aBer in *ßottttJ unb in ben Urzeiten üBer bie Literatur feinet 35aterlanbe3

einfeitig. (§3 fehlte nicfyt an Unterricht im gelten unb £anjen, unb in

ber SJtoftf; fo §iemticf) alle -Snftrumente würben geteert.

$m ^ranfenjimmer toaren Befonbere $ranfen=$luffefyer.

5We§ gteng nad) ber Ufyr. @locfe ober Trommel ober trompete

gaben ba$ i^djen hn a^eit 23efd;äftigungen. 3)te ©pa^iergänge iourben

in jebem Söetter oorgenommen, Beinahe tägtid; gtt>et ©tunben lang. §anb=

fdnd)e ioaren oerBoten.

Qaft ify ®ebid>te maebte, ttmrbe mir oerargt unb »erfyottet £)ie

Seetüre unb ber SBricftoecfyfet ber Nabelten nmrbe aufs ftrengfte beauffidjtigt.

Unter ben Sefyrgegenftänben nafym bie äftatfyemattf bie erfte ©teile ein;

in ifyr tourben auefy bie meiften gortfdritte gemalt; um ben ©ttyt ju

erlernen, nmrben beutfcfye Sluffä^e aufgegeben, aBer eS fehlte an freien

^ebeüBungen unb an Hufficfyt auf bie 2lu$fyrad}e, im atigemeinen aber

unb cor aüem baran, an angeftrengteg unb ununterbrochenes 2lrBetten

getoöfmt ju Serben; man fprang fortioäfyrenb Oon einem ©egenftanb jum

anbern über, toenigfteng in ber erften (Slaffe.

Page 28: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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5im (Sube jebe$ 9ftonat3 mürben bie gletfje$* unb gortgcmgSnoteu

auSgefteßt. (Sie Reiften ftcf> in brei (£kffen, gute, mittlere unb fdjtedjte,

benen bann brei (Stoffen »on £ifdjen entfpradjen; auf ben guten nmrbe am

meiften, auf ben fdjtedfyten am loenigften (Sffen gereicht. -3dl) Ijabe miefy

immer auf ben mittleren gehalten.

Qn ben legten £agen be3 Stuguft mürben bie Prüfungen gehalten unb

bie greife oertfyeilt, ntd>t für einzelne £efyrgegenftänbe, fonbern nadfj einer

fummirten Bangorbnung. -3cfy erhielt mehrere, bod) nie ben erften.

£)er (September toar ber Ferienmonat. $Iud) mäfyrenb ber (Sdmtjeit

Würben ^Weiten tagetange Partien über £anb gemalt. 2ludfy ein Realer

fanb fid), baS bte fabelten gebaut Ratten. £>er Mangel an ©amen maebte

SBefdjränfung in ber Söafyl ber (Stüde nötfyig, bem ^Weiten einige oon

ben fabelten burdfy eigne Gtompofitionen nacfyr/alfen. — 3dfy fyabe nie eine

Bolle übernommen.

-3m §ofe unb im (Mrtdjen Würben angenehme (Stunben fymgebracf/t,

Die ^reiftunben nad) bem 9?ad^teffen mit (Spielen aufgefüllt.

(Strafen fyabe idfy manche ju ertragen gehabt: (Spaziergange olme «Säbel,

§auSarreft, fomobienarreft, (gntjie^ung be3 21benbeffen3.

-3m -Sa^re 1807 mad)te icfy in ben Serien mit anbern fabelten unb

mehreren SBorgefefsten eine ^ußpartie naefy £irol Btö -3nn3brud. 2öir

giengen über Slibting, Wo mir ber Sßorftellung eines £uftfpiel§ buref; eine

Wanbembe <Scb/aufpielertruppe betWolmten, befallen in Bofenfyeim bie 23äber,

in fufftein bie $eftung3Werfe, unb wanberten bann über ^Borget, Battenberg

unb <Sdm>a£ naefy 3un3brud. £>er frönen firmen bort unb ber 9#artinS=

wanb mit ifyrer Sölenbe erinnere id) mtdj ftetS mit Vergnügen. 2>ie tiroler

famen mir als gutmütige unb fyerjlidie £eute oor. Ueber $ierl un^

SDfttteuwalb am SBatlerfee unb am fodjelfee oorbei, bann über 23enebid>

beuern, Xot^ unb ^oljrircr/en mürbe ber Büdweg gemalt. 2Bir fabelten

fer/tiefen auf (Strofy, mürben aber gut genährt.

©3 War nur in biefem 3ar)re, baß id? als fabelt mit fameraben

eine Serienreife machte, alle fpäteren Herten oerlebte icfy im §aufe meiner

(Sttern, glüdlicf; in ber 9?äfye WofylWotlenber SDcenfcfyen, in Unabbängigfeit

unb äußerem Sßo^lbeljagen. SDftt SöiberWttten fefyrte idfj jebeSmat naefy

Sflüncfyen ^urüd. 3'dj feinte miefy barnadj, ba£ fabettenfyauS ju oertaffen.

Steine £age war brüdenber unb brüdenber geworben. -3dfy »erbettle mdjt,

mie feljr id) baS füllte, unb $og mir baburd) bie Un^ufrteben^ett beS

Page 29: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

SSorftanbeg im fyöcfyften @rabe ju. 3)iefer Unjufriebenfyeit fyiett mein £ro|3

baS ©fetdjgetotdjt. ©trafen folgten auf ©trafen.

SDaju fam nod) fctgenbe§. SKemfyarbt, ein Befonberer greunb oon

£ectamation§üBungen, brang aud) in mid), Bei benfetBen mitäuioirfen. 3d)

aber fyat t§ ungern; idj füllte, baß xdj fdjledjt unb monoton bectamirte.

3)ocfy ^abe tcfy in einem ber (goncerte, Bei benen aud) bectamirt tourbe,

einmal £iebge'3 (Elegie auf bem ©djladjtfetbe oon £uner3borf, ein anbreSmal

ben feiten Monolog au§ ©cbitterS Jungfrau oon Orleans vorgetragen.

TO nun einmal ber Äbntg felBft einem fotd)en (£oncerte Bettoofynen

sollte, fcf>rteB General SBernetf einen Prolog in $rofa. 3d) fa^> ben

Prolog, olme ^u ioiffen, ioer ifyn gefdjrieBen fyatte, unb nannte fljn ein

trocfeneS @etoäfd)e. (Sine ($efäugnigftrafe unb ber bauernbe UntoiUe be§

®eneral§ toaren bie folgen biefer UeBereitung.

(gg ioaren bieg nicfyt bie einigen 9?eiBungen, bie mir ben 5lufenthalt

im ^abettenfyaufe oerleibeten. $ty flieg aud? mit bem lutfyerifcfyen $Migion3=

leerer jufammen, gegen ben idj auö 2Biberfprucfy3geift ben £atfyolici3mu§

oertfyeibigte, unb ber mid) begfyatB als einen uncfyrtftlicfyen äftenfdjett oer!(agte.

— Man fyatte 9?edjt, meinen ftarren ©genftnn ju Beftrafen; allein e3 toar

tädjerlid), bie erften ©dfytoingüBnngen einer äUmalßfy flügge toerbenben

Vernunft für greibenlerei ju galten. — 2)er äftenfcfy mug burdj alle ©dmten.

2Ba8 mid) im fabettenfyaufe bnufte, iourbe burefy bie famerabfdjaft

erleidjteri — -Seber mochte unter ber äftaffe oon jungen beuten eine

gleicfygefttmmte ©ee(e aufftnben. £>ie ^reunbfdfyaft toar bie (Göttin biefer

SüngtingSfnaBen, unb unter bem augeren 3)rucf tourben fettere unb für

ein gan^eg £eben bauernbe Söanbe getuüpft.

-Sdfy nenne als meinen erften Vertrauten $rtebricfy ©dmi^lein au$

2lngBacfy. ©r tft oon benen, toetcr/en man gern oertraut; oerfef/totegen,

treu, juoertäffig. (Sr toar fo ^iemitcfy mit allen Belannt, toäfyrenb id) meinen

Umgang auf eine geringere ^aty Befd^ränfte. (gr la$ alle meine früheren

5lrBeiten, ja, id) fyaBe ü)m manches in bie $eber bictirt. $ür baS (Senti-

mentale in ber greunbfcfyaft ioar er nid)t.

3unäd)ft neBen @dmt£lem mug tefy unter meinen erften greunben

Subtoig o. £über nennen, Söeibe toaren ^ßroteftanten. 2Iud} £übern tourbe

mandjeS oon ben poetifdjen (Sr^eugniffen mitgeteilt. ($r toar mir in

^enntniffen oorauS, unb in einer fyöfyeren klaffe, too er immer ber erfte

unter feinen ättitfcfyülern toar.

Page 30: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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$on früfy an fanb er ©efcfymacf an ben SBtffenfcfyaften , unb fyatte,

Bei groger $larl>eit, ba§ SBcbürfntß ber 93ilbung; babei immer ftitl, folib,

ofyne ungeregelte Dceigungen.

2Btr fmb forttoäfyrenb trenoerbunbene ^reunbe geblieben. SBenn torr

ftritten, toar bie SBerfcfyiebenfyeit unferer politifdjen 2lnftd)ten bie alleinige

Urfadje be3 ©trctteS.

55on ben in meiner (Stoffe befinbtid^en Nabelten oerfefyrte id) biet mit

(Srnft SBiebefing, ©raf (Sprety , $afimir SBäumter, Äart ©a3, £ettenborn

unb ^ec^rec^ting ; unter ben (Schülern ber anbern (Waffen mit $art unb

2lteranber Selben, Ärajetfert, Söranb, $äfer, Hermann, SBilfyetm unb

3ofepfy ©umppenberg.

$or allen aber 50g mia) SOcar 0. ©ruber an, ber in meiner GElaffe

toar. Dfyne ausgezeichnete natürliche Anlagen, l>atte er fidj burcfy §fei§ unb

feften SBiUen balb mr erften ©teile aufgearbeitet; fein §au^tftubium toar

SDcatfyematif , aber er oernacfyläffigte leinen ber anbern ©egenftänbe; er

liebte bte ^ßoefie. $rei in SRebe unb Xi)at, toar er oon jeber Cnnfeitigfeit

be3 UrtfyeilS toeit entfernt; er toürbe $ottairen feinen 9Itl)ei3muS oerjie^en

fyaben, toenn er ifyn nicfyt fo oft toibermfen fy&tti, er tabelte feine oon

9ca£oteon§ fd)limmften Saaten, toenn fie nur nidjt fteinticfyt toaren, unb

in feiner Üfolle aU (gröberer lagen — er liebte eben alles ©ro§e unb gefte.

Üceben ©ruber, mit bem id) in forttoäljrenbem innigen SBerfefyr blieb,

Ijat ©uftao SacobS, ber brttte <3oIm beS ^ilotogen ^riebrtcfy Jacobs, meine

lebhafte Sfyeitnatnne erregt. -3dj falj ilm ^uerft bei SBtebefing. (Später

trat er felbft in3 fabeftencorpS. Offen, frei, unüberlegt, ein geinb atteS

©eregelten unb •ßebanttjcfyen, toar er nicfyt beliebt hä ben Obern, bem=

ungead^tet allezeit fröfylid), meine Lamentationen fcfyettenb, ein warmer

greunb ber Äunft. . Qsr juerft toedte in mir bie fcfylummernbe 2itf>e ju

ben SJcufen toieber, unb fytett oiel auf meine $oefien. Leiber l^abe id)

oon biefem ^reunbe bie monotone, fyeutenbe Slrt in ber Dfocitation oon

©ebicfyten angenommen, bie mir geblieben ift.

SBor^ügltd) geneigt toar icfy ben jtoei SBrübern ^riebridj unb -3ofepfy

gugger. Sofepfy, ber jüngere, tourbe oon allen feines fttHen, freunbttcfyen,

fanften GifyarafterS toegen geliebt; griebricfy toar ein groger greunb ber

beutfcfyen Literatur, ein entlmfiaftifcfyer 23eref>rer ©oetfye'S. 3cfy lernte

mehrere ©oetfye'fcfye (Schriften juerft burd) ilm fennen, nabm aber «ScfyilterS

Partei gegen (Soefye. $ngger fyielt ftd) befonberS an SBilfyefm ©um^toenberg.

Page 31: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Söetbe -Öüngünge »ereinigte bie gfeidfye £ieBe jur £ontunft, ir>te beim

ftugger audj einen Befonbern SBertfy auf ben 2Bofyfflang unb bie 9Mobie

ber SBorte fegte, unb baburd? aud) micfy barauf fyinwieS. — £>ie £ieBe

jur möglichen 3artfyeit in ber $oefie Ratten wir gemein, tote er benn

3. (S. bie £rinf(ieber ntdjt liebte.

£>ie järtftdjfte $reunbfcfyaft aber berBanb mid? mit 3ofe$ 3fyknber.^

Sßir waren brei 3afyre im ^afcettenfyaufe jufammen gewefen, o^ne un$

nä'Ber ju fennen. (Srft im Sftärj 1810 trat bieg ein, unb rotr fyaBen bann

Bi8 ju meinem Austritte im §erBft biefeö -Sa^reS ba3 ganje ©lücf einer -

faft fdfywärmerifdjen greunbfdjaft genoffen.

(Seit ber SBefanntfcfyaft mit 3acoB8 brängte e§ mtdj wieber $ur

^ßrobuction. 2öir tafen ©djttterS fyrifcfye ©ebi^te jufammen, bie mtdj

WunberBar Begeisterten. 3cfy füllte ein neues £eBen in meiner SBruft. (§3

friert mir, al$ befyne ficfy ein neues, unaBfeBlid)e§ £anb bor mir au$, ba^

idj mir BeBauen unb Befruchten foHe. ©0 Braute tdj benn juerft eine D?et^e

oon ttyrifcfyen $robuctionen §u Rapier, bon benen wenige ftdj erhalten

IjaBen. <5ie würben ganj totantoS Eingeworfen, oon ben 33erSma§en Ijatte

td) leinen Segriff, tdj wedelte fie oft, bocfy Bewahrte midfy mein gutes

(&tf)bx ttor häufigen geMertt.

Qdf wei§ nid)t, ift e3 £äufdmng ober Söafyrfyeit, aBer id) finbe in jenen

erften fyofyricBten ^robuctionen einen urfyrüngltcfyen gunfen oon poetifd?em

ÜTatent, ben id) in meinen fpätern unb gereiftem ®ebid^ten »ergeBeng fudje.

3dj fyaBe nichts mit ben Safyren gewonnen, bie Söefarattfdjaft mit aufbieten ?

Lüftern t;at nttd) berborBen. £) aü^uglMlidje ßtit, too idj unBefannt

mit ben (Sinfdjränfungen ber 9?egef, nocfy unBelümmert, in biefen ober jenen

gefyter ju fallen, biefen ober jenen ©äfyriftfteller nad^uafymen, forgtoS bie

erften grüßte einer jugenblic^en unb bürd) nichts gefeffeften $l)antafie

nieberfcfyrieB ! 3d? fdjrieB bamats fo jiemüc^ atteS/ Wobeien, $omöbien,

©d) auffiele. 2lud) bie fomtfdje SDhtfe unb bie alten $mtteloerfe würben

wieber fyeroorgefud)t. 3d) arbeitete an einer $arobie ber -Jungfrau bon

Orleans, bie einen $rteg ^rotfc^en ©dmeibem unb ©dntftern barfteftte.

3)iefe unb anbere (Satiren ^ogen mir bie $einbfd?aft mancher meiner

^ameraben 31t, weit icfy fie (ä'djerfid)- machte, oBgleid) e3 nid>t Böfe gemeint

unb id) ju unBefangen war, um e3 biet ju Beamten. 2ln 3tytanber würbe

eine ganje ^ei^e bon ©ebicfyten gerietet, bie er nie ju (efen be!am: (Ein

frü^ereö „an bie ^reunbfcfyaft" fieng an:

Page 32: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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§oibe gremtbföaft, ©ottöcrtoanbte,

S)ie fo füge, traute SBanbe

Um bie 3rb1

fd?ett fdßingt jc.

5lHe biefe genannten $ermcf/e würben fd/on im fabettenfyaufe »erntetet.

£)ie ©etoolmfyeit, • StuSjüge aus gelefenen ©djrtften, nnb Slbfcfyriften

von ($)ebid/ten, bie icfy nicf/t gebrudt befag, ^u machen, baue id) fcfyon im

fabettenfyaufe. 2lucr/ bajn veranlagte mid>-3acob3. (Smfl fyatte mir biefer,

ba bie £abetten ntcr/t§ $erfd)loffene§ Ratten, eine (Sammlung von Ityrifcfyen

©ebtdjten eigener (EomVofttion weggenommen, nnb fte allen feinen SBefatmtett

unb 23ent>anbten in ber (Stabt mitgeteilt. Unter anbern gab er fte SBauer,

ber Vergnügen baran fanb unb mtdj aufforberte in biefen arbeiten fort*

^ufafyren. 2lucf/ grau v. ©djabert erhielt biefe $erfud)e, lieg eine Sibfcfyrift

bavon mad>en unb fcr/kfte fie meiner Butter. 9Jcan lobte biefe ©ebicfyte

überall; ja ber berühmte Drgelfvieler W>be Sßogler, ben idj bei grau von

(Stäben traf, bot mir fogar an, eines ber lieber in 2)cuftf ju fefcen.

grau v. ©cr/aben gab mir SBielanbS £)beron jum £efen; biefe3 2ßerf

aber machte ba3 erftemal nur einen geringen (Sinbrud auf midj, befto

mefyr füllte tdj midfy von §omer angezogen unb fyingeriffen, ben mir 23auer

in einer fceutfdjett Ueberfe^ung lief). -3n eine anbere 2öeft, in bie retc^fte

unb fcf/önfte $eriobe ber gried)ifd)en gabel^eit falj id) mid) verfemt (Sine

9£eifye fo groger unb bod) fo meufd)licr/er §elbenbilber umgaben mtd>, $u

benen bie eblen (Söttergeftalten felbft vom DltymV fyerabfliegen, unb ba$

fd)öne ®anje rollte toniglid) auf ben ftoljen 2öogen be§ §erameter8 bafyin.

Singer mir befdjäfttgten ficfy mehrere meiner famerabeu mit ©d^reibem

-ÖacobS machte artige @ebid)te meift tomtfd)en 3nfyalt§ ; Söilfyelm @umVVen=

berg fdnieb eine Stenge von ©d)aufvtelen in fnitteiverfen leidjtfyin unb

oljne alle ffltyz; i^m l>alf ber ältere gugger, ber felbft, obioofyl feiten,

ltyrifcf/e ©ebtcfyte machte. ®umvvenberg, uacfybem er comvoniren gelernt

fyatte, fer/rieb Obern; gri£ 2Beect/ toar ofyne Sluf^bren mit ^itterromanen,

©cf/aufvielen unb (grjäl;lungen be[d;äftigt, bie er biötoeilen öffentlich vorlag

Slucfy Silier, mit bem icfy viel umgieng, fer/rieb 9?ittergefcfyid)ten.

SBcifyrenb toir Voetifcfye fabelten fo frieblid) unS übten, ttar baS 3al;r

1809 berangefommen; ber frieg mit Defterreicfy begann; viele fabelten

nmrben Dfficiere. 9?ie tuar in 23atyern bie £iebe $u ben gran^ofen fo

fyocfy geftiegen, als bamalS. ücavofeon n>ar ber Abgott ber Sttenge; bie

9cad)ricfytcn von ftegretd)en <Sd)lad)ten, freiere aud> bie SSatyern mitfocfyten,

Page 33: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fteigerten bett (SntfyuftaSmuS; im fabettencorbS toax er auf feinem ®ibfe(.

3dj meinerfeitg nmnfdjte bett öfterreicfyifcfyen Zttiptyn §etl unb (Segen,;-

mtb allen Söelfdjett ben Untergang. TO am anfange be8 Krieges bie

Defterreicfyer Sftüncfyen Befehlen, Befugten öfterreicfyifdje Dfficiere aud) ba$

$abettencorb3. -Öd) hütete micfy toofyl, mein ©efü^t $u oerratfyen. 2lucfy

üBer bie Sttroler, bie bamafö gegen bie UeBermacfyt SftaboleonS mefyr

fyelbenmütfyig ate glücfficfy fämbften, nmr meine Stnftdjt ber allgemeinen

entgegen.

gajt mel)r nodj afö biefe bolitifcfyen Differenzen Beilegten $Migton$=

ftreitigfetten bie §erjen ber laberten. Die ^ßroteftanten toaren in ber

Sftinberzafyt, aBer um fein §aar toleranter aU bie ^atfyofifen. -3cfy bietete

unter anbern eine §tmtne jutn £oBe £utfyer3, unb ein ftrafenbeS ($ebicfyt

an bie Königin ©ftrifttne fcon @d)n?eben.

2Ba§ im $abettenl)aufe »orgieng , mar nur ber SBieberfyaE be§ $ambfeS,

ber gan$ Sßafyern Belegte, ba ^atl^olüen unb £u%raner, jutn (Steine,

aU ©übbeutfcfye unb 9?orbbeutfd?e ftdj Bekämpften.

$n ber Magerte*

«Born <5eptemBer 1810 Bio jum 15, 2tyr{( 1815.

-3m (SebtemBer 1810 bertteg idj ba$ fabettencorbS, in bem icfy feter

-SaBre getoefen nmr unb toier ©(äffen burcfygemacfyt fyatte, unb imtrbe unter

bie $agen aufgenommen.

Sftocfy fehlte e$ meinem ©tubieren an (Srnft unb Slnfyaltfamtat. Die

matfyematifdjen DiSciblinen Ratten micfy am toentgften angeftorod)en, au$

fanget an matfyematifcfyer Anlage.

Der Drucf im ^abettencorbS fyatte mir eine SIBneigung fcor bem

(Botbatenftanbe eingeflößt, bie ftdj bocfy ffeäterfyin lieber verlor.

SSor bem (Eintritt in bie ^ßagerie oerteBte icfy tfx>ä Monate im elterlichen

§aufe. Der 2lBfcfyieb oon äfylanber war mir ferner geworben.

%{% icfy nacfy §aufe Jam, fyatte ftd> rawn eine D?et^e oon ^eftHcBfeiten

gefcfytoffen, bie bem ^ronbrin^en $u (Sfyren gefeiert mürben, ber fid) mit

ber $rinjefftn £fyerefe oon <pitbBurgfyaufen oermäfytte.

Page 34: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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3ch wurte rem meinem Söruter, ber ftcb tamal3 in DJcünchen auflieft,

meinem fünftigen Vcrftant rorgeftetlt unt in tie Magerte geführt. 3)er

erffe CEmtrutf aar nicht untwrt§ eilhaft, nur febien mir gerate ba§ Ijter

gebrechen m wollen, voaz mich im iratettencerp3 üher alles anbre getrottet

fyatte — ^rennte. %L§> fäben mich alle tiefe neuen dcllegen mit fpottifef/en

Singen an, tarn ee mir bot, ftfö Dürfe ich feinem trauen. £ie Vermittlung

übernahmen jrreiv

£agen, tie gleichfalls au? tem ÄatettencortoS tu bie

Magerte übergetreten waren, unter ifmen ©raf Jtünigl, mit beut icb früher

otel umgegangen aar, mit ter mir auch je|t hülfreieb an tie §ant gieng.

Xae folgere £ehen in terv

13agerie felbft unterfchiet fich auf ba§ angenebmfte

rem tem im tfatettenccrbS; Lehrer mit .^nfpectereit waren §cflidj unb

achtungSooll, eS r)errfcbte Üteinlicbfeit nnt ^Bequemlichkeit. Sie Reifen

frören gnt bereitet, reinlich unt mannigfaltig.

SDaS aufboren ter militarifchen jßfta!tlicbfeit , tie weite unt bequeme

Leitung tbaten mir wohl, tie ungezwungenen Spaziergänge nicht minber.

Aufnahmen bon ter finden Drbttung , engten auch für eine größere

ftremeit: ter Snfbector führte too^I auch m StunDen frieren, bie

niebt tafür beftimmt waren, iß tarn oer tag tie £ectienen an {ebenen

Scmmermcrgen im freien in einer £anbe Des englifeben ©artens genommen

murten. (SS tbat mir rrcbl, tag icb meine SÖafdje unt fonftige §abfetig=

feiten nun unter Selbftcerfchlug , tag ich meinen Schreibtifch , meinen

ÄleiDerichranf für mieb hatte, tag icb Gleiter wechfeln fonnte, wann es

mir beliebte. Xk ^immtx tocaxa eleganter eingerichtet, es war ben iöe=

Wermern geftattet, felbft m teren Verfcbbnerung beizutragen. Der Xienft

Bei §ofe brachte manche Abwechslung, tie Srfl ber $agen war nief/t fo

grrg, tag ftc fich gegenfeitig gehintert Ratten, man fennte immer ein

eignet brauner fjaben, wenn man ungeftbrt arbeiten wollte; es war geftattet,

ücb befentere Lehrer, ]. (§. Sprachlehrer, ^u halten, man fennte turcr/

oemünfttge Vcrfteümtgen ober bitten $u fernen ^weefen gelangen. 2)te

2ecrüre wurte nicht ftreng ccntrrlin; ecn claffifchen Werfen fonnte man

alles lefem

Ter Cberftftaltmeifter o. Stegling hatte tie Dberaufficht, ein feiner

^cfmann, ter felbft bei ten Verweifen, tie er $u erteilen fyatte, bie ümt

mr ^weiten dtatax gewertene Slrtigfeit nie aus Den Singen oerler. @r

r)tett biet auf äugerfichen Stnftant unD auf tie franjb'ftfcfce Sprache. £)er

^agenhefmeifter war Cberftlieutenant b. Stücfrab, ein Siehenjiger, at*

Page 35: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Militär accurat Bis ^ur debattierte, fonft ein äftann oon ©etft, ber

Latein, $ran$öftfcfy, @ngltfcf> unb Sfotfiemfdj oerftanb, felBft flehte ©ebicfyte

unb Sftltfyfel machte, bie er bett $agen aufeulöfen gaB.

©eine £age$orbnung toar auf8 ftrengfte eingerichtet, er befugte nur

fiebert §äuf£r in ber @tabt, jeben £ag ber Söocfye eine« — baBei toar er

äugerft fparfam.

Onfpectoren haaren bie Beiben ^rofefforen ©cfylett unb §afner. 3ener,

ber gugletct) ©efdu'cfyte unb @eograpfyte lehrte, toar ein reblicfyer 9D?ann,

unb oBgteict) immer migmuü)ig, Barfcfy unb launig, bod) burcfyauS gerabe

unb offen. (£r war gereist, fefyr geBilbet, unb oerftanb oiele (Sprachen,

baBei ein groger SJhtftfer, ber felBft componirte. (Sr §at unter anbern

ein Srauerfpiel, Ü£fyaffilo Oon Sßojarien, fyerauggegeBen.

§afner BeBerrfcfyte eigentlich ba§ -Snftitut, $orgefe£te unb Unter*

geBene; ftolj, gefcfymeibig, um ftd) greifenb, fleißig, unermüblicfy. (£r gaB

gtoeien (Slaffeti beutfcfye, griedu'fctye unb lateintfcfye ©tunben unb ÜMigion§=

Unterricht, lehrte aBer jutoetlen auefy anbre ©egenftättbe, ju benen er nicfyt

oerBunben toar.

grb'pifyer SluSgetoffen^eit, toBenben ©Rieten, g^mnaftifcfyen UeBungen

toar er entgegen — ftttlidj ftreng unb tolerant. DBgleicfy er fatfyolifcfyer

®eiftlicfyer toar, ^teng SutfyerS 23itb in feinem 3immer.

®er £efyrer ber fran$öfifd)en ©pracfye toar ein geBorner granjofe,

5lBBe 9?oger , ber fyäter toieber naefy $ranfreicfy jurürfgieng , unb eine

Pfarre Bei $ari3 erhielt, ü)m folgte ^rofeffor Spennequin au$ bem

fabettencorpS.

£)er Bekannte matfyematifcfye ©djrtftftetter ^ßränbel lehrte Sttatfyemattf,

^tyftf unb @efcfyäft3fttyl, er machte auefy $erfe. (5luf ilm fyaBe idj einmal

ein fattrtfäjeS ©ebid)t in jtoct ©efängen gemalt.)

(£laoier, Violine unb gtötc fonnte man unentgeltlich lernen, ben

Unterricht im 3eidmen, gelten unb SBoltigiren gaBen bie fytefür am

$abettencorp§ angeftellten £el?rer. ^Dreimal bie SBocfye gieng e$ auf bie

Sfteitfdmle, §u grogem Vergnügen ber $agen.

2)er S&tnjmeifter toar ein ad^tgjafyriger granjofe, £e ®ranb, ber

früher Söalletmeifter getoefen toar, unb nur feine alten Sänje, bie Gavotte

a la Vestris, bie Menuet a la reine tonnte.

S)tc $agen, fed^efyn Bio jtocmjtg an ber ßafy, verfielen in folcfye,

toelcfye ftubieren, unb in folcfye, toelcfye in bie Irmee eintreten tooltten.

Page 36: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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3dj gehörte anfangt ju ben erfteren. 2)te $orgerücfteren befugten btc

leeren (klaffen beS ©tymttafmmS, bie anbeten, unter benen i§, tourben

ju §aufe bon ben genannten £efyrern unterrichtet, bte audfy mit benen,

ioetcfye baS ©fymnaftum befugten, rebetirten. Viele ©tunben Ratten Beibe

klaffen (fotoofyl bte fiäj für ba3 Mittat, als bte, toetdje ftc^> für baS

(Stubium Beftimmten) gememfcfyafttitfy. 5Tm Religionsunterricht, ber fefyr

allgemein gehalten tourbe, nahmen aud) bte $roteftanten STfyetf; tcfy erlieft

fogar einmal einen $reiS barauS. 2lud) im beutfcfyen <5tyt gehörte icfy ju

ben SBefferert, machte im @ried)ifcfyett anfangt gortfdritte unb erhielt eine

Prämie, in @efdu^te unb @eograbli>ie jtoei

SBefonbern f^tetg toanbte icfy auf baS £ateinifd?e; eS tourbe (£äfar,

©attuft unb Dbtb gelefen, im ©riecfyifcfyen fonobfyon unb §omer. Von

@beciatgefd?id)te tourbe bie beutfcfye unb bie Bafyerifcfye vorgetragen. SDaS

Statientfcfye (ernte tcft, meift für mtdj , ba icfy toäfyrenb ber Serien in StnSbacfy

(Stunben barin genommen fyatte; baS (Sngtifcfye fieng tdj fnr^ bor meinem

austritt aus ber Magerte mit einigen anbern bei einem £ef)rer an. -3m

3etdmen unb (Habier tetftete tdj nichts.

21m (Snbe beS ©dmtjafyreS toaren gtoct (Sramina, ein flehtet, bei

meinem nur ber DBerftftaHmeifter unb einige $rembe nebft ben ^rofefforen

zugegen toaren, mtb toeld^eS über bie toiffenfcfyaftlicfyen ©egenftänbe unb

bie (ürrercitien abgehalten tourbe; eS Beburfte gute Vorbereitung; bann ein

großem, Bei bem jtdj biete eingelabene 3ufcfyauer einfanben, bor benen ftdj

bann nur ganzer, Huftier, ^ed)ter, SDedamatoren brobucirten. Witt

biefem ioar bie ^ßreifebertfyeiümg berbunben. 23ei biefen Prüfungen ^aBe tdj

einmal bie ürantcfye beS -SBfycuS, ein anbermat bie (Götter ©riedjentanbS,

ein britteSmat §ero unb £eanber borgetragen.

Unter meine eigenen arbeiten ber früheren ßtit gehörte eine £ragöbie

in -ÖamBen, bie SSartfyofomauSnacfyt , bie aber nie mefyr als brei Stete

enthielt unb berbrannt tourbe. £>ann fcfyrieB id) bie jtoei erften ©efänge

eines «petbengebicfytS, Slrtlmr bon ©abofyen, naeft bem VorBitb beS OBeron,

baS aud) nicfyt ermatten ift.

SDa^toifcfyen tourben biete Sättel unb (£lj>araben gemalt. Siucfy bie

®efcfyicfyte ber Charlotte (£orbab. gab mir (Stoff ju einigen bramattfdjen

<Scenen, bie audj bernicfytet tourben; baS @ujet tourbe fbäter toieber

Ijerborgefucfyt unb fotfte ein £rauerfbiet toerben.

£>ie Beften einzelnen ®ebicfyte jener ^3eriobe motten feint: „£)ie

Page 37: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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träume ber 3ugenb," „bie Prüfung," bie Sftomanje „SBergigmeinnidfyt,"

unb bie (Spiftet „(Sappfyo an p)aon," Wo^u tttdjt bte Doibifcfye §eroibe,

fonbem ^cpe'3 Heloisa to Abelard in ber ©ärgerten Ueberfe£ung 9Maggab. — £)ie SSaflaben aus jener 3ett waren 'gänjfidj migfungem

$faf mein fpätereS ©cfyttffal tft bie 35eftimntnng oon (Smffttfj geworben,

bag .ber ^P&ge, Wenn er als wirfticfyer (Sbetrnabe baS £>au$ oerlieg, im

%aU er ftubierte, fotange er auf- ber Unioerfttät war, jäfyrttdj 600 (Bulben

oom fönig erhielt

3nr 5tufrtatyme würben adfyt kirnen oon jeber &titt erforbert, bod)

begnügte man ftdj auefy juweiten mit toteren.

3)ie .äftonate (September unb £)ctober waren Serien.

'•3)a3 @ebet gefcfyafy immer taut unb' Öffentlich ; einer betete toor, nnb

gwar ntdjtö als baS SBaterunfer nnb baS 2toe Ataxia, beS 9Äorgen$ nnb

be$.9tbenbg fetemtfdj ^- ftoäter erlaubte §afner eS beutfdj §u beten —ber nnb. nad? ' bem (ürffen franjBftfc^ Ueber 3Ttfc^ burfte nnr fran3öftfcfy

cjeftorocfyen Werben, bie .^agen ' mngten in tooüftänbigem Stnjuge babei

erffeinen. (§:$ war ilmen verboten.ftdj ju bnjen. -@ie gewöhnten ftcfy

bafyer G*r ^n einanber ju fagen. . .

Wt brei Monate" reiften bie £efyrer -ftoten über ba$ $erfyalten ber

$agen ein; jebe fdfytecfyte üftöte tyatte einen SBerweiS toom §ofmeifter auf

feinem .äimmer $ur $olge, nnb ba3 einmalige Wegbleiben au$ bem Sweater.

(So-nft" gab e§ wenige (Strafen; bie gewöhnliche war, nicfyt jur £afet $u

bürfen. • (Sinftoerrungen banerten fyöd)ften8 $Wei ober brei ©tunben.

•' 3wr (Srfyolung. i)atte'man ben $agen einen (harten gemietet, in

bem fidt) mehrere £)bftbäume befanben, unb ben fie grögtentfyeits fetbft

htbaukn. Sn biefem Ratten bie $agen fetbft eine fegelbalm unb eine

©Raufet anlegen (äffen.

3um ©toa^terengefyen waren bie gan^e Söodfye nur $oä ©tunben

beftimmt, bodt) würbe biefe. S3eftimmung oft übertreten, befonberS wenn

bie. Seit be3 ©djfittfdjutjfoufenS tarn, ba3 tdt) batb mit Setbenfdjaft trieb.

©obatb ein $age in ben 2)ienft trat, ftettte ilm ber fönig, ber

bie ^a'gen i'n.ber Sfteget 2)u nannte,, ber Königin toor. 3fyr ^autotbienft

War bei ber £afet , bie um btei Ufyr anfieng unb um fünf Ufyr ober

fyatb • fedjs ܧr enbigte. <3ie beftanb gewöfynlidt) aus adjtjeljn U% oierunb-

jWan^ig ®ebe(fen, unb würbe intereffant,- wenn frembe ober fönft gebilbete

unb gef^räd^ige sperren baran S^eil nahmen.

Page 38: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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tarnen würben in 2Mncf»en gar SDtittagStafel nicht getaten; nur tie

Tanten ter Königin unt ber $ronrrin$efftn — wenn tiefe in Sftüncfren

toar — waren tabei. Sie v£agen betienten bie fönigticbe gamifie, trugen

aber feine Steifen auf, fentern überreizten nur, rca§ tie binter ilmen

ftebenten ©etienten ilmen gaben, ücacb ter Safel mußten fte in ben

(Salon ber Königin feigen, too ber Kaffee ferrirt Würbe. 23ei jeter

(Gelegenheit mußten fte bie Schleppe ter fürftlicben Tanten tragen. -3n

ben ^rirat$tmmern te§ £bmg$ Ratten fte nichts ju tljun; tenn er liebte

baS derementeü niebt. ©ei ten §cffeiten, t. f). ten §ofballen, ten

Scncerten unt 3üaternten tosten fte gegenwärtig ; aber nicfyt bei ten flehten

Srielrartien, bie ber Jtcnig gewbtmticb be§ 2lbent§ gab. 23ei allen tiefen

(Gelegenheiten mußten fte beut Könige mit langen fyaefetn »erfeudjten,

fewcbl über tie (Gänge, all tureb tie 3mtnter. 33ei ten Ätrdjencerentonten

batten tiejenigen, böten ber Sienft eblag, riel $u tlntn; fte mußten (eben

Sonntag in ber gofeapeffe erfebeinen, unb wäbrent bcS §ccbamteS zweimal

an ten £ccba(tar mit brennenben Jodeln beraultreten unb ü)re eingelernten

SRerereir5en ntacben. Siner ber §airptceremcnienrage war baS 9fttterfeft

rem St. ®eorg$orben, reffen (Grcßmeifter ter Zeitig tft. 3cf/ fal) unter

antern ten ^rtn^en $arl jum Dritter fcblagen. Sind) $u rerfebietenen

(Jeremcnien in anteren ^iveben mußten tie ^agen fahren unt ten ^ro=

ceffümen, borjngßn) ter an ftrenteiebnam , beiweimen. 2lua) bei ten

jäbrticben Scttenämtern für ten le§trerftcrbenen Äurfurften unt teffen

(Gemahlin garten fte ju t^un.

Sin (Gottesbienft maebte auf miefy immer befenbern ßinbruef, ter=

jenige welcber am s2lbente bot tem üceujafyrytage begangen würbe.

Sine riu)renbe geierlicbfeit, ter icb beireebnte, war tie Saufe te3

•Prinzen 2?car*). <&§ trug rief tarn Ui, tiefe Saufe eintruefScott #t

macben. 2£ar eS boeb ter ren tem 23ater felmlicbfi gewünfdue Sclm

ehteS rerefyrten $rin$en, tem unenttidje freute au§ ten Singen ftrafylte.

Sie üfttbrung erreichte ihren (Gipfel all tie gam5e 23erfammtung, tie

einen ter grenen &8fe teö Scblc-ffeS geträngt ausfüllte, auf tie $niee fanf.

SBä^rent be8 Scmmeraufent§atte3 be8 öofeS in 9ct/m}>l?enburg waren

tie ^ßagen wenig befebänigt, nur bei ten tert, aber fetten, gegebenen großen

(Jcncerten Ratten fte }u ferriren.

c

) Xe5 jeßt regierenden £cnig§.

Page 39: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

19

2)a3 £eBen am §ofe machte bodj einen großen (Sinbrucf auf mid).

<&o ffeinü'dj audj manches Bei näherer Betrachtung fet^n mag, fo ^at

bocft, atteS äußerlicfy ben ©cfyein beS (großen unb (Sorgenfreien. 2öie bie

3auBerfyiele eines @auto3 getüät)rt e3 einen erfreulichen Sfctfclttf, toenn

utan beut tnnern Sftabertoerf nidjt nad)fpürt. 3ft e$ bodj eine Büfyne,

bie oon mancher fyofyen ^önigSgeftatt Betreten toirb, unb bie man nur

genießen fann toenn man fetBft nicfyt mithielt, unb nidjt toa^mimmt toaS

fyinter ben douüffen Oorgefyt. £)a getoinnt alles ein 2lnfefyen oon 2Bicfytig=

feit; ba3 5luge toirb nie burcfy ben SlnBticf be3 Mangels, ber ^ürftigfeit,

ber SDftifyfettgfeit Beteibigt, ber äftonarcfy ftefyi getoölmtico, nur tä'cfyelnbe

@eftd)ter; toenn er nidjt in ben ©Riegel fiefyt.

3cfy loar nicfyt ungerne Bei §ofe, icfy ergö^te mid) an feinen Bunten

unb fadjenben garBen.

3)er $önig fyat bie ^er^enSgüte , bie ifyn anzeichnete, aud) gegen bie

$agen Betoiefen. TO einer berfetBen einmal erfranft toar, unb toegen

ber 9?äfye beS SeiBar^teS ein Büttwer im @cfyloß erhielt, Befugte tyn ber

$önig faft tägftcfy unb nafym manchmal aud) bie Königin mit.

£)iefe, majeftätifcfyen 3lnfefyen3 , eine treue Butter i^rer $inber, eine

Söofyltfyäterin ber Ernten, machte auf mid) einen großen ©nbruct ©ie

§eict)rtete oiet, fte KieBte bie £ectüre unb Befdfyäftigte ftcfy mit berfetBen oft

Bi§ tief in bie 9?ad)t Innein. 3)ie (Scfyb'nfyeit ber ^rin^efftn toalie, ber

nad)tna(igen $iceronigin, erinnerte micfy fpäter an bie Sßorte 2lrioft§:

Tal saria

Beltä, se avesse corpo o leggiadria.

-3n anberer Söeife intereffirte mid) ber fcmprinj ; *) er toürbe ein

ausgezeichneter 9#ann fet>n, aud? olme ^rin^ 3U feim. Vortrefflich erlogen,

ioiffenfcfyaftücfy geBitbet, gehört er ju ben 9ttenfdjen bereu Söertfy Bei

jeber näheren Betrachtung tc'&<fy$L <2id) ju einem großen unb oerbienft*

OoÜen Regenten §u Bitben, ift fein ganzes ©freBen; beßfyalB ioiH er baß

ü)m nichts fremb BleiBe, beß^alB oertangt er Oon allem genaue (Sinftcfyt,

baS ©eringfte ioie ba§ ©roßte intereffirt i!m. — (Sin Kenner ber neuem

(Sprachen, ftubiert er aud? bie alten; oft fyat man ilm in ©al^Burg,

ben §omer in ber <panb, bie Berge Befteigen fe^eu. gär bie (Smfyett

unb bie ©röße £)eutfd>tanb$ gtüfyenb, ift er ein geinb ber fran^öfifc^en

0 »ig Subtoig.

2*

Page 40: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

20

3toutc$errf<fyaft £ag er bie ÜJhtfen tieBt, bag er fetBft bietet, feilte

23egeifterung für bie Bitbenbe fömfi unb feine tiefe $enntni§ berfelBen

mußten mid? BefonberS angieBen.

3)tc £eutfetigfeit, bie ©utmütfytgfett, bie 9fatürßdjrett ber £ronprin=

geffut, tt)re 3ärt(id)feit für ben ^roitprmjen entgüdten mieft. 3fyr 2äc6e(n,

alle ifyre ©eBerben finb untoiberfteBIicB.

7 . -3m ^ringen $ar( trat mir ba§ S3ilb boüenbeter männlicher 3ugenb=

fdjönfyeit entgegen.

£)ie Bejahrte ©djtoägerm beS ÄömgS, bie SBitttoe be§ §er§ogö $art

bon 3toeiBrücfen , ift eine geBilbete unb äugerft gütige 2>ame.

5ln ber originellen ®efta(t ber benoitttoeten £urfürftin, an beren

bunftem £eint icfy bie (Spuren itatienifefter (SdjÖn^ett Bemerkte, interefftrte

mieft bie ooütommene '^reiBeit bon jeber 5tffcctatton , bie aBfotute Unge=

gtoungenfyeit.

53ei ber erften Sftteberftmft ber £ronprm§efftn fame'n beren Gütern,

ber §erjog unb bie §er$ogm bon ,£>i(bBurgfyaufen , nad> 9)cüncBen. 3n

bem §er$og erfamtte ieft, ben 2Infid)ten be§ gangen £>ofe§ entgegen, einen

aufgegärten nnb geBitbeten beutfeften dürften, befielt gurücffyattung , mit

toeldjer er ftdj an bem größeren §ofe Betrug, bon bieten für ©dnoädBe

beS $erftanbe3 gehalten tourbe •

2lucft ben (SrBpringen bon üftaffau, ben (Scfttoager ber Jh'otüprtn^efftn,

fafy id), einen -Öüngling bon bem etnne^menbfteu Beugern nnb $u ben

Beften Hoffnungen Bereditigenb.

(So fafy icfy and? ben ^ringen £eopotb oon Coburg. ' Sr berrietB ötel

SBerftanb, unb toar ein groger fyüBfcBer 2Jtorat.

3cfy getoann attmäfytid; greunbe, fc^tog.micB aber an feinen berfelBen fc

innig an, bag e3 oon ?eBen§einf(ug getoefen toäre. SDcirmir faft $u gleicher

3eit toaren £oui3 berget- , ein ©uttenBerg unb ein SBarcn SDcaffenBacfc, in

bie Magerte getreten. Xem (entern, einem guten unb Braoen Oünglmg,

feftlog id) mtdj' aftmäfylicfy mefyr an, unb bertraute ifym am meiften. 3)a§u

•lamen £eopolb SSMben unb $rauenf)ofen , Beibe ffeigig unb fotib; tt>id)tig

für meine Snüoidtung toar ein ©raf £obron* £aterano,~ bem tdy öfters

SBerfe macBte, bie bemfetBen im ©fymnaftum aufgegeben Sorben toaren,

unb ber mir guerji ©efynfucfyt naeft ber itatienijcBen ©pradje mtb tfyren

£id)tern einflögte, bie er taS; oon ®o§reft, ein (Stfäffer, fyiett mir ju

oiet auf bie granjofen, iefe fanb eS fonberBar, bag. er fict) etroag barauf

Page 41: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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einBilbete sJtapo(eonS 3)egen Berührt ju fyaBen. ^rtelma^er, ein Brauer

9ttenfcfy, ernft unb faft nur oon *ßoftttf fpredfyenb; bie ©rafen (Eajetan

SBetdfyemunb «Saporta, Beibe recfytfdjaffen unb fteigtg, BefonberS berichtete

mit tetbertfdjaftßcfyem (£ifer. ©raf ?)rfdj , in einem fran^Öftfcfyen -önftitut in

©tragBurg erlogen. SDftt einem §errn o. $ptttti£ Ia3 idfy bie «Sdn'tfer'fcfyett

gragöbien, BefonbetS 2BaHenftein, un^ligemale. Stttt 23aron Verglas,

einem Jüngling öon eifernem steige, fyielt \ö) micfy fpater in meinen

(Stubien Beftänbig jufammen.

3cfy ger)e fo in3 (gin^elne über meine Umgebungen, toeit icfy üBerjeugt

Bin bag eigentlidj Bei ben UmgeBungen bet Sttenfdfyen nichts unBebeutenb

fety, ba jebe, aucfy bie getingfte, ifyren £fyeit jur 33ilbung unb ^ormitung

beffen Beiträgt toaS fein Qfy ausmalt.

Steine begriffe Oon Religion in ber bamaligen 3eit toaren fd)toacfy,

unoollftänbtg , fleinlicfy. %lo<fy töat tdj für ein angeftrengteS (StreBen

nad) £ugenb ^u rmbtfdj, fromm ju fetm jmar fytett tdj für ettoaS $or*

trefflichem , bocfy !am eS mit faft unBequem oor, etnfte Gmtfdjfiiffe fehlten.

(Selten nur, unb nur in unangenehmen (Situationen, erfcfyien mit ein

BrünftigeS ©eBet aU tröftlid^ ; bod) oergag tcfy ba£ ©eBet nie ganj, jum

„plappern" ift eS mir nie getoorben. 9tteine (Konfirmation, bie am 9.

-3uniu8 1811 in ber proteftantifcfyen §ofcapeße oor jtdj gieng , toetfte oiete

$orfä£e unb SBünfcfye nad) grömmigfeit in mir.*)

(SBen im §erBft 1811 oettieg ©raf £obron bie ^ßagerie unb gieng

nadfy 9ttai(anb. S§ fyaBe längere $dt mit iBm correfponbirt. (Sinen nod)

grögeren SSerluft brofyte mit baS Safyc 1812. ©uftao -3acoB3 toar mit

ben Batyerifcfyen Stufen nacfy Sftugtanb gegangen, unb eS oetBteitete fidj

baS ungegrünbete, aber längere £ät geglauBte, ©etüdjt oon feinem ^obe.

•pafnet tfyat mand)e3 füt ba3 $etgnügen unb bie 23ifbung bet $agen.

(gr führte fie frieren, et gieng mit ilmen in bie ©emätbefammtung , in

bie <Säfya£fammer, in bie «Sammlungen bet ^abernte, et ia$ getne oor,

unb roenn ftcr> bie $agen ju 93ette legten, gab et ilmen nodj einige

(gelungen oot bem (Sinfcfytafen jum ißeften.

*) ©tömßtoorie 9k. 8.

Page 42: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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1812.

£er §erbft führte tmdj ju meinen Altern nact> Stobad?, idj retöte

mit SDtoffenfcadj unb £oui3 berget über £anb3lmt nnb RegenSburg, ö>o

bie Tonaufcrütfe einen großen Gshtbrucf auf mid? machte, über 2Imberg unb

Nürnberg. &te üaidtsege macbte tdj mit ©raf SBerdjem über 9cürnberg,

2£ei§enburg, X-onautoörtty unb 2Iug§burg, toetdfye festere (Stabt icfy ba

^unt erftenmale falj.

1813.

£>aS 3cu)r 1813 führte tmdj bann ju meinem Söerufe. 5a) entfdjfog

micb in bie 5lrmee einzutreten; uid)t toeil micfy eine beftimmte Neigung

$nm (Sotbatenftanbe trieb; e3 ftaren junädjji fcerfönticfye ©rünbe ber

Rätfyticbfeit, bie midj baju befthnmten, äußere, ba xm (£nütbienft toenig

StuöftAt war, innere, n>eit i<§ Reffte, baß td) al$ Dfftcier mefyr äftuße

fyake, baß icfy (Gelegenheit ftnben ftürbe bie SBett ju fefyen.

23or meinem Eintritt in bie 2trmee machte id? in ben •ßfingfttagen

nod) mit §afner unb ben $agen eine (Srcurftmt an ben ÜBürmfee. 2ßir

fetten im$ in SBerg auf, nmren in ©tarnberg unb matten biete SBaffer=

fahrten. §ier ^uerft embfanb idj inniges QBcfytbefyagen an ben Reihen

ber ytatax.

Xk Senate (September unb Dctober btefeS 3at)re8 braute icfy im

elterlichen £>aufe ju. ©ort mar meine §auptbefdüftignng ba3 Orienten

beg Statienifcben.

. -Sn biefer 3ett feilte id? bie atigemeinen ©efüfyte ber beutfcfyen $erjetu

9Jcan füllte, gürften unb SSöIfer fübtten, baß ber £ag ber Befreiung

unb Vergeltung gefemmen fety. ©an$ Xeutfdjlanb febttebte in freubigem

(Srftaunen, unb jeber fcrieS ftd) gtüdticb, noefy erlebt ju t>aben toa8 feiner

mefyr ju Reffen fragte. 2Iuf einmal maren alte 3tmgen gelebt, man burfte

lieber frei fpredjen unb Rubeln. (§& t>atte ben 2Infd)ein al$ toottten bie

Seutfcben lieber ein SSotf fterben.

G3 feilte mir vergönnt fetm fetbft nod) einen flehten £fyeit an bem

2öerf ber ^Befreiung ju nehmen. TO ein Vorfiel meines künftigen £eben3

erfdienen in ShtSbadj fcatyerifdje Regimenter, alte fcon ber öfterreicfyifcben

©ränje fommenb; e3 toaren biefetben bie batb barauf bie ©cfytadjt Bei

<panau febtugen. Xa fafy iäf mandien S3efannten üneber , gri§ gugger bor

Page 43: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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aflen, bann tunigt nnb 2Büfyetm ®umppenberg. 2luct) $rin§ SBatferfteht

30g mit jenen gruben, ben Bei §anau ein frühes (Snbe ereilte. —• -3d)

fe^rte in Begleitung fcon $ri{3 £)b'mberg über Ongofftabt unb (Sidjftäbt

nad? .Sftündjen ^urüci

£>in unb lieber quälten micfy bange ä^etfct an meiner poettfdjen

Anlage.

£)er @turj Napoleons toecfte mir eigne ©ebanfen.

SBerm bie SBclt unb ba§ ©dncffal gegen einen großen 9Jtan ber*

froren ftnb, tr>er anber§ mu§ nodj feine Partei ergreifen, als ber

2)id)ter? 3bm gebieten bie SJcufen bie SBürbigung jebe3 25erbienfte3. (Sr

muß ben Reiben ^u ben (Sternen ergeben; fein £ieb muß ifyn reinigen

toon ben Mängeln ber (Srbe. SDer Äatfer, bon ben ©einen berlaffen,

barf nun im Ungtücfe, toaS er im @tüde mct)t geburft, auf unfere Neigung

Sfafprudj machen.

3n biefer $tit lag tdj juerft ben £aofoon. 3mponirenb trat mir ba

£effing atö ber erfafyrenfte, belefenfte, ft^arffinnigfte $unftrid)ter entgegen.

2>en fetter in £iffabon fcon ©djröber gefefyen; Mannigfaltigkeit

ber <panblung, treffliche (Säuberung ber (Smpfinbungen , bie (Sdfyaufpieter

SÖofylbrücf unb SBagner befriebigten mid) gan^. (Selche ©tütfe tragen

tfyettö burd) ir)re trefflichen 2ßat)rr;ettert , tf)eit3 oft burcfy zufällige 5lefmficfy-

feiten ber Hfyaraftere unb §anbtungen ^ur Befferung ber ©emütfyer bei.

2>ie erften ©trogen einer ©popöe gefdnueben, beren ©egenftanb

@uftafc 5lbotpf) feim fott. 9fod) bin icfy über $orm unb 2Iu§füi)rung

nicfyt mit mir einig ; idj> finbe ba§ für bie moberne (^^o^i5e ber §erameter

inet t?on feinem ^ei^e verliert, baß bagegen bie £)ctat>en m'el jur 23er*

fd^cmemng unb ju einer anjieljenben £ebl)aftigfeit nicfyt foroor;t, aU §ur

2tnnefymtid)feit beitragen fonnen. 3)er große (Scfytüebenfönig fdjeint mir

in jeber §infidf)t ein n?ürbiger unb erhabener §etb eine3 epifcfyen @ebicfyte$.

3dj bebauerte, baß <5djttfer feinen 2$orfa£, ©uftao 2lbofyfy in einem

epifcfyen ©ebicfyte ju fcerfyerrtid^en, nid)t au^gefüfyrt fyat. 3)a nüirbe er

feinen fyofyen (Seift, feine poeitfd^e glitte, feine feltene ®ahe auf3 soft*

fommenfte fyaben entnncfetn fönnen. (Sr toürbe unfer £affo geworben

fetm, biefetbe Jhraft, biefetbe 2Bürbe, biefetbe ,3artf)eit. (Sin mobemeS

§e(oengebidt)t im ©efdnnacf beS SDcäoniben, ba3 fyeißt, in tt>etd)em ftdj

ba$ je£tge raffinirte £eben tm'e ba£ einfache ber £>cmerifcfyen §e(ben

enmncfefte , in n>e(d)em ficfy ber neuere 3^itgeift abriegelte, toäre bie t;oc^fte

Page 44: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Aufgabe eme$ ®ict)ter$ unferer £age. 9?td;tö ift rüt)mtict)er, als ben

§omer nact^uafymen , mentt bie 9?acfyat)mung gelungert ift.

Carotine Pefler entlieft mict). 2Benn ein Vornan in §inftct)t auf

3nt)alt , 2Iu§für)rung , äftorafttä't unb £)arfteßung gerühmt ju • toerben

»erbient, fo ift es STgat^oftc«. ®er ©tut $at alle Vorzüge. £)ie #er=

fafferin roeig un§ noct) befonberS baburd) Jan ba$ 3ntereffe it)re3 §etben

ju feffeln, ba'g bie ©röge jener £t)at nod) burä) bie folgen ert)öt)t mirb,

bereu rt)ot)ttt)ätige Söirfung gteicfyfam noct) auf un§ übergebt. SDie einfach

richtige (Sntroicftung be3 SebenS ber Sitten, bie ©egenüberfteHung jroeter

toeibücfyer (£t)araftere mit fo »ief ^eint)eit unb Sftenfcfyenfenntnig gewidmet,

unb bie reine cfyriftficfye Wlcxal, bie ba3 ©anje burcbjiefyt, finb groge

$or^üge biefe§ 23uct)eS. £>ie Briefform roirb für ben Vornan immer bie

befte bleiben, ba fte un£ in ba3 ^nnerfte ber §erjen fet)en lägt, unb

rotr bie t)anbe(nben (£fyara¥tere beffer ernennen aU in ber roeittäuftigften

(£ct)itberung be§ erjär/lenben ®tyl$.

Siebge'3 Urania ift ba3 2Berf einer roat)rt)aft göttlichen 9ttufe. (SS

ift bie reinfte Floxal mit bem innerften Seben ber ^ßoefte unzertrennbar

oertoebt. £iebge r)at eine ausgezeichnete @bract)e »er allen anbern beutfct)en

$oeten, bie it)n nie »erfaßt, (Sitte 9tteta»t)er brängt bie anbre. £>a3

®an^e ift tüte ein reicher ©arten, ben roir mit Suft burct)toanbe(n, unb

roo roir ba3 utile bem dulei oereint finben. ®er oierte ©efang »on ber

Unfterbftcfyfeit ift mir ber fiebfte. 2Ba3 mir, obgteict) 9?ebenfact)e, immer

ein geroiffeg SDftgbefyagen jurücHieg, roaren bie ibealen tarnen §et)ra,

9tta(i, §otbty, beren (grfinbung mir nict)t geglucft fdjeint.

2öenn ict) mict) einem Xi)dt ber ^ßoefie befonberS roibmen möchte, fo

roäre e$ bie (5»o»be unb §eroibe, beibe in 3)eutfct)fanb noct) roenig bearbeitet.

%bzx ict) bringe tttdjtS ju ©taube; jebeS $er8mag roiberjter)t mir. 3n

©tftidjen, roorin £)»ib feine (Sbtfteln fcfyrieb, roürbe fiel) bie neue §eroibe

fct)tect)t ausnehmen, bie £rod)äen finb mir in ben £ob juroiber. 2)er

9Iteranbriner ift ju »errufen , boct) glaubte ict) buret) ben Sfteim ju getoimten.

-3dj fann niemanb um 9?atl) fragen, ict) t)abe niemanb, mit bem ict) mict)

über meinen £teb(ingg»(an unterhatten könnte.

£)er 3nbienfat;rer »on Slrrefto ift ein fäüäftä ©tfitf. 3)ie §anb(ung

t)at feine SBcrtoidlung , unb ba8 ©ujet ift ^iemtict) abgenützt: ©ne £oct)ter,

bie au§ Siebe ^u ifyrem unreb(ict)en iBater einem reichen aber äftfict)en Spanne

it)re §anb reichen roid, ben fte nict)t liebt; ein fct)on in ber SBiege »erforeneö

Page 45: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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finb, bag ftcf> toieberftnbet; jtoet ^teBenbe , bie man burcfy (EaBalen ju

trennen fudfjt — alles längft auSgebrofcfyene §ülfen, tooju nodj ein abelftol^er

§ofmann fommt, bie alltäglichen gerben nnfrer Dülmen. 3)ennodJ itmßte

ber SSerfaffer ba3 ^uBlicum ^u gewinnen, t^etlö burd) £ädjerlidjmadjung

ber §offttten, tfyeilS burd) Slnfm'elung auf ben SDftßBraudj' ber (Smpfefc

lungen, BefonberS aber burdj ©eitenfyieBe auf unfere je^igen politifdjen

$einbe. @o fagt einmal ber üfteffe junt £)I)eim : @ie fcfyeinen ba3 Softem

ber $ran$ofen an^unefymen? unb afö biefer barauf antwortet: O BleiBe

mir mit ben g-ranjofen oom £eiBe! erfyoB ftd) unBänbigeS flatfdjen unb

SBraoorufen im ganzen parterre; eBen fo Bei ber ©teile, too gefaxt toirb:

(Sie werben l^Ö^er [teilen unb t)ör)er, fo fyodfy toie ber §erMe3 auf ber

2Btfl?elm$fy% ju fäffet, auf fctrje 3«t ^apoleonSfyofye genannt. — 3)a3

$olf freut ftcf> , auSjufyredjett ioaS e3 lange oerfdfytoeigen mußte.

£)a£ §elbengebidfyt ,,Intim," oon §in8Berg, ift burdjauS ungenügenb,

toarum fyat ber SSerfaffer nidjt ben §erameter jum SkrSmaß geroär)tt ?

2)a8 ®an^e ift flüchtig gearbeitet, bie frönen altbeutfcfyen 9D^t)tr)en nicfyt

gehörig Benü£t, bie (£pifoben ntd^t mit bem Svfyatt be3 (^anjen oertoeBt,

bie SBerfe oielfadj fyart. £)odj finb einige ©teilen, j. (S. bie lefcte D^ebe

ber 9htrinia, fet>r gelungen.

(Sine £ragobie, (£onrabin, Befdjäftigt midj, ein ©toff, ben Bis jefct

feiner mit gutem ©lüde Befyanbelt tyat. 3<fy tmtt ba8 <Stüd mit ber

©cfyladfyt Bei £agliaco^o Beginnen unb Bis §u (£onrabin3 £obe fortführen.

£)ie greunbfdjaft beS jungen griebricfy mit (Jonrabin toürbe manche fdjone

(Scene auffüllen, unb awfy bie Sftofen ber £ieBe liegen ftd) leidet in biefen

§ranj flehten, (£onrabin ioürbe bann ein gelieBteS Sftäbdjen in £>eutfd?=

lanb jurüdgelaffen fyaBen, baS i^m fyeimlidj in männlicher fleibung nad)

Italien folgt, tfytt unentbedt auf feiner gtudjt nad) ber verlornen (Sdjladjt

burcfy bie @eBirge füt)rt , unb treu Bio ans (Snbe Begleitet.

$)te brei erften Monate 1814

fo£eBue'S temrtfy unb (Sbelfüm fyaBen getm§ oiele SSor^üge. 3)ie

©cfyaufpieler hielten fefyr gut, eBen beßtoegen mißfielen fie bem 9Kündnter

^uBlicum. Unb bod) finb es gerabe biefe ©rüde, bie moraltfcfyen Dftt^en

getoäfyren.

tnigge'S Umgang mit Sflenfdfyen regt midfy fefyr an. Söelct) eine ffare

Page 46: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Stnftcfyt be3 £eBenS mußte biefer üDfoxtm nicfyt fyaBen, tote Betetjrenb mußte

feine ®efeflf(fyaft feint! (§8 ift gar fcf>ött, toaö er über ben Umgang mit

grauen^immern unb oon ber £ieBe fagt. <So gefällt mir auefy, toaS oom

$erl?ättniß be3 (ScfyriftftellerS unb 2efer8 oorfommt. UeBerfyaupt Beurfunbet

alles ben eblen unb erfahrenen Sttann. ©eine £eBen6regetn alle finb

oortrefftid). 2lu3 bem dapttet üBer bie greunbfdjaft fyaBe icfy mannen

fügen Xtoft, manche erfi?rießtid)e 2d)xt gefcfyöpft.

$ür bie Declamation ber gran^ofen ift ber 2tBfdmitt im 5l(eranbriner

ifyr wefentließ, um einer frafttofen Sprache ettoa$ mefyr Slccent unb Stärfe

^u geBen, benn fraftloS ift bie fran^öfifdje Sprache in 25ergleicfy mit anbern

genüg, Wenn man erwägt baß felBft Bei bem größten ©freier bie 2öutfj=

feenen (wenn id) fte fo nennen barf), woran ba§ franji5ftf(^e Sweater nicfyt

arm ift, boefy jene Stärfe m'djt erhalten, bie tlmen in einer anbern (Sprache

fdwn bie Äraft ber Söorte giBt. (Sin Blinber Gabler ber franjöftfdjen

Dramaturgie Bin icfy üBrigenS m<$tj bodj ift mir ber flehte ©eift fo oieter

Ijofmännifdjen Scfyriftftetfer »erfaßt.

Oft regt ftcfy ber ®ebanfe lebhaft in mir, in bie weite 2Mt §u gelten,

mein ®IM $u oerfudjen, mein Sdjicffat felBer $u Bauen, meinen Söertty

an ben Sttenfdjen ju prüfen. S§ möchte meine 3ugenb burcfywanbern,

mir fetBft meinen Unterhalt oerfdjaffen, Erfahrungen fammeln, Sttenfcfyen

lennen lernen!

-5n biefen £agen ben §orace be$ dorneitle Beftänbig getefen. DBgleidj

biefem £rauerfpiet bie Einheit ber §anbtung feljtt, fo enthält e3 bodj

unenblicfy oiet fcfyöne (Stellen. QEornetuVS 2lteranbriner ift fe^r reiefy an

glücflicfyen Söenbungen, unb tieBt bie ^ür^e be$ 2lu3brucf3. 2ludj ift ber

§orace ein trefflicher ®egenftanb für eine fran^öfifcfye £ragöbie, Wo fo »iel

auf ben jßrunf ber Söorte unb Sfteben anfommt, benen bie aBwecfyfefnben

Smofinbungen, welche in biefer §anbtung ftattfinben, reid)ttd> (Stoff Bieten.

(5twa3 unnatürlich fd>emt e3 mir, baß SaBine in ber erften Scene beS

erften 2lct§ auf ben Sftfyein unb bie $tn*enäen ju reben fommt. (So miftfäßt

mir and) bie oierte Scene beS britten 2lct3. Söoju biefer (Streit jwifcfyen

$wei grauen, weld;e ntefyr Sftecfyt ju Trauer unb ju £fyränen fyaBen?

«Sollte er auefy fetbft ber 9?atur gemäß feint , fo ift er jum wenigften niefct

fcoetifefy. Sein* fdjb'n ift bie Stelle, Wo ber alte §orace burefy Palermo

ben 9ftifym feine« SolmeS erfährt unb feiner greube Sttaum giBt. Die

legten SSerwünfdmngen ber (£amiüa gegen 9?om finb Begannt, boefy muß

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idfj gefteljen, bag ber rau^efte @rab oon Sftömertugenb bagu gehört, fo

toenig Strtt^eif an bem £obe jtoeier ©öfyne unb einer £odjter 31t nehmen,

toie ber alte §oratht$ tfyut 3)ie 2lnf(agegrünbe be$ 35aleriu3 gegen ben

©dfytoeftermörber int fünften 2lcte Ratten ftä'rfer getoäfylt nnb bodlj oerbunfelt

toerben lönnen burdj bie fyerrlidfje Sftebe be$ alten §oratiu§ ooll fraft nnb

fyofyer begetfternber @uaba. (Corneille neigte $$, fo oft e8 möglidfy ioar,

jn einem günftigen Ausgang in feinen £ragöbien. 2)te unoerbefferlidfjen

(Situationen liebte er nidjt. 2)ieg jeigt ber @fä>> (üunna, §oratiu3.

<So feljr 30g mtdj biefe £ragöbie be§ dorneiöe an, bag ic^ eine

(Scene berfelften, bie, n>o §oratiu8 mit feiner <3djtoefter jnfammen

fommt, überfe^te. -3dj fyat eS in 5lleranbrinem, eine unbanfbare 9Jftu)e,

ba ioir biefem $er$ im SDeutfdfjen burdfyaug feinen 2öofylflang, feine

WbtoedfySlung geben fonnen. 3)ie Reiften füllen ben £rieb, tt>a$ fte

(SdfjöneS in einer fremben ©pradfye lefen, ber irrigen anzueignen, aber

fte foöten e3 bleiben (äffen, ba e3 oft bie ber (Sprache Unfunbigen ju

falfdjen Urzeiten füfyrt, unb e3 billig ift bag bie funbigen für ibre

Wlvfye belohnt loerbem

3)od(j geigen bie „puffen in £>eutfdjfanb" oon fo^ebue, bag man

ben 2lleranbriner im £)eutfc(jen in Keinen £uftftnelen, aber nur in biefen,

mit @lücf amoenben famn (Sben in biefem ©tücfe $o|ebue'3 ftnb aber

bie SBerfe oft fefyr tyart, unb jtoar burdf) 2Bortoerfe£ungen , toetcfye %xt

§ärte bei ben 2lteranbrinera befonberS auffallt ©arum aber fyaben il)n

bie gran^ofen mit fo oiel ®lücf bearbeitet, toeil fte eine beftimmte 2öort=

folge fyaben. -3n einem oerftficirten £uftfpiele ftingt nic(jt§ abfdfyeuticfyer, als

toenn toir eine allgemeine Lebensart burdf) $erfe|ung ber 2öorte oerbrefyt

fyören, um fte in einen $er3 ju bredfjfeln. (£$ fyat ganj ba$ 2lu8fefyen

oon $nitteloerfen. Ueberfyaupt ift ein -Ouftfpiel in Werfen, befonberS in

einer fcfyleppenben, gelungenen $er3art, an ftdj fdfjou ein Unfinn.

$Im erften Februar fyatte icfy meine erfte englifd)e @tunbe bei einem

§errn 2)oung. ®te englifcfje (Sprache fdjetnt mir für einen ©eutfdfyen

leicfyt, bie $lu3[pradfye ooüfommen ju lernen natyeju unmöglidfy. 3<fy

adfyte bie ©dfjtoierigfeit nidfyt; obgleich überhäuft, fütyle id^ boc^, bag

ic^ feine jener (Sprachen oernac^täfftgen barf, beren ftd) fein ©ebifbeter

entfd^tagen fann.

gorüoäfyrenb mit faft allen meinen $erfudjen unjufrtebcn. 3<fy

beruhigte mid^ bamit, bag ic^ nie bafyin fommen merbe, meine ©c^anbe

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puHif ju machen; gteicr/fam afä roenn e3 meine gttetfett nidjt jirfiege,

bag ettoa$ unoerborgen bleibe, roaS fyb'djftenS bon einer gerrigfat jeugen

fonnte, bie fo biete mit mir gemein b/aben, nnb in ber mid) notify mehrere

übertreffen.

3)ie tofyotifen befragen ftcf> immer über bie -ßarteilic^feit ber orote=

ftarttifd)en @efcr/icbtfcnreiber, nnb bocr; fyabe td? neulicr/ in einer ®efct/icf;te

bon ^fafybar/ern getefen, berat 2)erfaffer 2vdfytc§ auftreten gegen ben

2Tb(afj baranö erfXärt, taft ber 9lbta§ nidbt 2utf;era, fonbern Segeln

übertragen roorben fei?, ber al& ein gelehrter fflaxm befannt getoefen.

3dj finbe tiefe ^efyauptung geeignet für einen 3efuitenfated)igmnS, für

einen ©efcbicbtfTreiber aber bnmm nnb impertinent. ©o berfunfen glaubt

biefer $erfaffer jene3 ßtitalttx, baß er nur bemjenigen ein tautet 23er=

nunftroort jntrant ber burd) gemeine^ -3ntereffe ba^n oerfüfyrt roorben ift.

3n ben SBrudjfrütfen ben „Sängers Steife'' im 9)corgenb(att gefaßt

mir eine ©teile befonberS, bie ber 25erfaffer nieberfdfyrieb , ba er bei ben

Duetten bei Drtenftein bie Steine bemerfte roe(cr/e 2*orü6ergefyenbe fyiit*

gelegt, um bie riefeütben Kröpfen aufzufangen, bamit fie aud) ben fünftigen

$ommenben jur Sabe bienen fbnnten.

2£erat ber Sinter aufruft:

„Unb trer fuer, mtgefannt öon tfmen,

Seit htrft'gen SBanberer erquitft,

2D?ag mthx um üOta'd^eit jtdj tterbtenen,

2tfg tren ber blufge Lorbeer ftfmtüdt!"

fo fyat er Sftedfyt. Xie §anbe, tk ben nacbfemmeuben Unbekannten

roofytrootfenb einen Xmnt bereiten, ftnb fie nicbt gefegneter a(3 bie ^auft

be3 Eroberers?

^riebrtct) -3acobi ift am 3. -Januar in ^reiburg at$ ein 73jäfyriger

fetterer nnb gbücfücr)er @rei8 geftorben. ©eine lieber f;aben mid? immer

befonber* angefproben, id) greife um g(ücf(tcr>, ba§ er bie neue ^reifyeit

ber £eut|d;en nod) erleben, in feinen legten £agen fie nocb beftngen burfte.

Napoleon vertiert in ber SBergtetdmng mit s2l(eranber bem ©roßen.

(Sr ift fein 2Ueranber, rttct>t jener freü)er5ige, offne, ebte 9#amt, ben fcer

jugenblicb/e Whxti) ju Saaten trieb, roie SßfytfitotoS großmütigen ©ofm,

ber üfyränen oergo§ am £eicr/nam be3 3)ariuS. (Sr ift ein ftnfterer,

fürd)tenber , ein gefürdtfeter in -Jahren gereifter §errfcr/er. Säfyrenb ber

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SEftacebonier in SÖtftte feinet 9fcm)me8 bafymftarb, tütrb btefer (£orfe metfetdjt

entforbeert in bie ®tuft fteigem — —3cfy Bin feiner oon benen, bie ftd) miber alles Ungemeine auflehnen,

bie einen GTäfar nicfyt be3 ®efange$ mertl) galten — men foÜte ber £)icfyter

fonft beftngen? Qfy füfyte gan§ ben (Stnffug jenes erhabenen (Sternes, ber

über bem.(ttwti) gemengten §aubte beS 2öäger8 ber europäifcfyen (Scfyicffate

mattete. $«ner-. mirb ofyne (Staunen ^n ber §öf)e emporfcfyauen , mofyin

itm, aus bem (Sdmoge ber Sftiebrigfeit, fein ©etft nnb bie (§mnji ber

(Stunbe trng. $ber jeber mug bebawern, bag ©^rgeij nnb Sttägtgung fo

ftetö getrennte, unvereinbare Söefen in ftdj einfstiegen , bag jeber Sriumtofy

ein ©tacket ift ^n griumpfyen. „£)er groge $obf fyat anbete SBerfudmngen,

ate bet gemeine/' fagt $ie§co, nnb bieg 2öort oerbient SBefyer^igung.

2öenn id? "genüg mügte ba§ tdj feine&oegS jutn £)idjter geboren märe,

mürbe td) fogleidj aKe meine 93erfud)e in3 gewer merfen, nnb meig idj

baS nicfyt faft getoig? Steine ©ebicfyte gefallen mir felbft nidjt, wnb baS ift

faft aUz% gefagt Unb menn aucfy ber liefet ba3 ©ebicfyt fdmn in feiner

SSoHenbnng oor jtdf ' liegen fyat , mäfyrenb ber £)tdjter bei 2)urdfytefung

beSfelben audj 'att bie- Sufamnenftoppefong, . menn id> eS fo nennen barf,

benft, fo fagt man bocfy, bag niemanb fo verliebt in feine $inber fety als

ein $oet, wwb menn bieferfte nun felbft mit ber"' Stutze ber Sftigbuligung

jüdjtigt, ma8 foll er von gremben fyoffen?

2lm 11, Februar fyatte tcfy bei einem £ebeum megen ber erfocfytenen

(Siege in granfreidj ben £)ienft in ber §ofcapette; ba mürbe mir bie

greube ^u SHjeil, bie jwwge äftarqwife von — jü begegnen, gemig bag

fcfybnfte gräutein an wnferm §ofe. <Sie ftoricfyt aucfy beutfd) , mie tdj midj

fyeute überzeugte.

SftavoteonS §eucfyelei wwb §interfift in 33atyonne, bie icfy aus ber <Sd)rift

be$ (£evallü^ famen lernte, erfüllten mid) mit 2lbfd)eu. 23ei aller (Sd)tau=

t>ett Ijat ber (£orfe fidj bodj in et»a8 verrechnet, in ber Nation nämtidj —tdj tyoffe, bag gerbinanb bet Nation, bie tlm mit ifyrem ^er^blwte erfauft,

bawfbar feim merbe.'

3dj ^tveifle/ob unter ' taufenb 5lu$länbern §mei fefyn mögen, bie fid)

mit wwferer (Svradje völlig .befrewwbew föwwew. (Sie ^at auf bew erftew

SBlicf eiwew Wwftric^ Oow. ^aw^eit , wwb fo foät eigewtticfy wnfer 35aterlanb

gegen granfreid^ , (gngtanb unb -Stauen, anfieng groge Originalfd^riftfteller

unb 3)id^tet §u fyaben,.'fo mödjte eö bod^ in §inftd^t bet ©ptacfye nod^

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ju früfye getoefen feiert. — SDte -Italiener, grangofen urtb (Sngtä'nber , bie ifyre

SDtabart aus anbeten (Sprachen fyerBitbeten, fyaBen nicfyt bie <pä(fte 3^tt

gebrannt ifyr abtönt ^n oerooEfommnen , al§ fotcfye Nationen, bte, tüte bte

beutfdje eine ttrfyradje Befreit. 2öte lange -5a^re I)aBen bte Körner nb'tfyig

gehabt ifyrer (Sprache jene (Sdfyönfyeit, jenen Söofytftang, jene (Energie $u

geben bte tt>tr an ifyrem (£icero, ifyrem Birgit Betounbern. S)ie beutfdfye

©pradfye ifi nodfy einer großen 2tu$BiIbung fafyig, bie aBer nidfyt gu ©tanbe

fommen fann, toett baS eingetretene gofbene Sitter tmfrer Literatur fte

feft Beftintntt fyat.

(5$rie3' HeBerfe^nng beg Saffo getefen. £>er UeBerfe^er ift ber ©pradfye

in fyofyem ©rabe Stteifter, nnb fyat eine große ©etoanbtfyeit in ber 5Ber=

fification nnb in Meinten, bodj ift eine getoiffe «Steifheit $u Bemerken.

3)ie ©efdfyid)te beS preußifd)en $räutem§, bie ifyre §aare anf bem

5Utar beS 23atertanbe§ opfert, rüfyrt mid).

äftein (Sntfdjluß <So(bat ju toerben BleiBt feft; oBgteidj bitte, bie

micfy lernten, mir baoon aBratfyen. — (£§ ftnb Sftotioe, toetdfye nicfyt oon

bem Söefen beS ©otbatenftanbeS hergenommen finb, bie midfy Beftimmen,

fonbern fotdfye bie burdjau§ ben $oeten Betreffen — bie oiete SDfatße bie

id) mir oerfprecfye, bie <poffratng bie SBelt gu fefyen, ber $ufenthalt in

ber §auptftabt , bie mir unter anbern 23ortfyeiten BefonberS eine große

SBiBIiotr)ef Bietet, dagegen fyalte icb, bie fcfytedjten SluSftcfyten im Sioitbienfte

nnb baS mir »erfaßte £eBen auf Unioerfttäten, too man fid) enttoeber

ganj ber ungefelligen (Sinfamfeit, ober bem at^ugefeltigen ©trübet üBer=

geBen muß, nnb bie ^urcfyt bor $rooinciatftäbten.

5tm 23. geBruar auf einem §ofBaüe juerft mit ber jungen Sftarquife

oon 23. gefprodfyen ; ba ify fte junt Sang aufwog, ©ie fdfyütg e3 mir nid)t

aB, ba eS aBer eine (Scoffaife toar, $u ber ftd) $u toenige länger einfanben,

fo fam e§ ntdfyt baju.

£)iefe Begegnung ober bie Neigung gur SJforquife gab mir in biefen

Sagen ein (Sonett: „3)ie ©rajien unfern §ofeS," ein, worunter icfy bie

fronorinjefftn, bie Sftarquife 23. nnb bie (Gräfin $. üerftanb, oon benen

bie erfte baS erfte, bie jtoeite ba8 groeite Duatrain einnimmt, bie Serjette

greifen bie (Gräfin.

3n biefen Sagen fyieft id) aud) ben fdjtedfyten keimen, in SBoiteau'S

Lanier, eine fragmentartfcfye £oBrebe in 2Heranbrmern.

3dj fyaBe biefeS 23rudfyftücf in mein SageBudfy abgefdn*ieben. -Ödt? ^ätte

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nodf) lange fo fortgefahren unb im @egenfa|3 aucfy gegen jene eifern tonnen,

bie jeben steint , toenn er nnr feiten nnb abenteuerlich ift, jebem anbern

frönen, aber geioölmticfyen »orjiefyen. 2lber icfy toollte micfy bodlj nidjt

ganj mit bem armen Sfteim oerfeinben, ber uns manchmal redfyt nötfyig

toirb. 2ÖaS ben Sfteim ber $ran$ofen nnb -Italiener Betrifft, fo ift barüber

nidfyt jn ftreiten, er ergebt, er oerfcfyönt bie $oefie, nnb ift ber <Spracfye

gleicfjfam angeboren.

3ttit großer greube erfüllte micfy bie am 6. Wläxft erhaltene SJtodjrtdjt,

baß ©uftao -Jacobs, ben idfy als tobt beftagt Ijaite, lebte, nnb nafy über*

ftanbenem 9?eroenfieber in S)anjig fidf) eben bereitet jn feinem Regiment

nadj $ranfretd(j ab^ugefyen. -3dj bin fo frofy, baß audfy er bie SBiebergebnrt

ber 3)eutfdfyen erlebt fyatl

9ttein (Eintritt in bie 51rmee tritt immer näfyer, idj bat nm eine

£ieutenant$ftelle nnb hoffte fie bis gegen £)ftern jn erhalten, dürfte ify

bodfj borten, too -SacobS mir oorangefyt, nm St^ctl ju nehmen an ben

Saaten be3 entflammten Seften! (?)

•3tt biefen £agen ®oetfye'3 „natürliche £ocfyter" toieber gelefen. 3<fy

fanb 'tfjft mefyr ©efdfymacf ab, als fonft. 51ber toaS liege fidfy nidfjt Oon

@oetfye ertoarten. %iix bie 23ül)ne fdfyeint mir inbeß biefeS ©türf ntcr)t pi

taugen, toeil eS ein $u gebilbeteS publicum forbert. ®er £)ialog ift

bem gran^Öfifd^en nacfjgebilbet, abgerunbet, bünbig, mit 3tntttr)efert gegiert

SDaS @an^e ift eine 9?eü)e oon ©cenen, oon benen faft jebe einzeln befte^en

fonnte, ba fie meiftenS ©entenjen nnb Sftefterionen enthalten. @oe%,

ber ben Versbau fo oft oemad^laffigt, bilbet ilm in ber £ragobie mit

oor^ügtidfyer ©trenge au£. 3)ie -Gamben ber „natürlichen Softer" finb

ofyne Steifet bie beften, bie in ®eutfd(jlanb gefdfyrieben toorben finb. 3)ie

©d^itler'fdt)en finb weniger fräftig , ioeil fie weniger bünbig finb. UebrigenS

fd^etnt jene Sragöbie nnr ber einzeln eingeftreuten ^^ilofo^ifc^en 2Bal>rbeiten

toegen ba ^u fetm. £)ie ©cenen stoifdfyen bem SSeltgeiftlidjen nnb bem

§er^oge, bie beiben Unterredungen (SugenienS mit bem ©eric^tSrat^,

jene

mit bem äftöndfy muffen jebe Erwartung beliebigen. £)ie Duelle be$

2Berfe3, bie Memoiren ber ^rin^effin oon SBourbon=(£onti (oon i^r felbft

getrieben) fyatte id(j früher gelefen.

21m 15. Warft meine ©rercierftunben angefangen, gtücflidfjertoeife bä

einem gebilbeten Unterofficier.

3)a id) fyöre, baß ber 5lrmeebefel)l, ber meine Ernennung jum Officier

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enthielt, unter ber treffe fety, befällt micfy bod) einige 23effemmung. 3dj

erinnerte mid) ber frönen ©tunben, bie tdj am §ofe teBte. (&$ fommt

mir bor, als oB idj aus einer gIMlicfyen 3ugenb heraustrete.

51m 18. Wäx% fieng idj an, ben £>orace beS (£orneiEe in beutfd)e

3amBen §u übertragen; mein* um mid) in biefer SBerSart unb in einer

adjt beutfd)en UmBitbung ber fran^öftf^en Btction ju üben, toaS ttidjt

ganj leicht ift, atS in ber SiBfidjt bem Originale gteid) fommen ju tootlen,

toaS großen Bietern Bei anbera frattjöjtfdjen grauerfyielen mißlungen ift.

Sftan lebt bodj, gteicfy gan^ anberS an ber (Seite eines ioeiBtidjen

SöefenS, iä$ allein; BefonberS gilt bieg oon einem Dfftcier, ber baS

Sftaufye unb Steife feines ©fanbeS getoöfynlidj nur burd) Umgang mit

SBeiBern milbert. Wim kxnt aud) für anbere forgen unb Beforgt feim. —Biefe @ebanrm famen mir ioäljirenb eines BinerS Bei äftajor $ürftenn>ertl)er,

ber fth$idj eine $rau gefyeiratfyet fyatte, .bie toeber pBfcfy nod) jung ift,

oon ber eS mir aBer festen a(S oB eS ftd) gut mit i^r leBen laffe.

.5tm 21. Wdx% erfriert ber 2lrmeeBefefyI, ber mtd) $um Lieutenant

ernannte. .• •

. . .

£)a icfy eine SBolmung fucfyte, fanb ify ^toei 3^mer in bemfelBen

§aufe, in ioetcfyem bie ^arquife-toolmte, unb nafym fte fogteid) mit einem

(Eameraben. tiefer Zufall veranlagte mid) gu einem ©ebidjte.

Qn bem @ebid)te beS $ronprm3en:' „(Smpfinbungen eines beutfdfyen

dürften Bei bem 2iuSmarfd) ber ^ationalgarbe," ftnb @etft unb @efülj{

fefyr toBenStoertl) , eS übertrifft fyunbert beutfd>e Bitterlinge, oBgtetdj baS

@an§e von einer unficfyern §anb jeugt, rote eS nicfyt anberS oon einem

Spanne ju erwarten ift ber bie toenigfte g>ät feines . LeBenS ben Stufen

ju toibmen l()at.

5lm 25. Wax% fyatte icfy jum te^tenmate ben gafelbtenft Beim fö'nig.

23on toaS id? mid) ungern trenne, faft ift eS finbifd) eS nieberjufc^reiBen,

ift nichts anbereS als mein @aM(eib, baS mir fo treuer ift, a(S

toeilanb 2öer%rn fein Blauer ^ratf, in bem er Lotten "gum erftenmate

gefefyen ^atte.

29. Wax%. Ber rommenbe grüfyting'regt bie ©efynfucfyt frembe Länber

unb frembe 9ttenfd?en ju fe^en, toieber mä<^tig in mir auf. 53efonberS

^iet)teS mid> na^ -Stauen.

„^ea^etö ©ötterau'n, 93erf(arimg, 33elbebere,unb ^ap'xtot §u f^au'n."

Qa vor allen bie §auptftabt ber alten 2Bett,'ben <Si^ ber tunft,

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bct§ SSaterlanb oon ^ompejuS unb (Sato, beit großen <&fyaupla% jener

fyatbberfattenen (Säulen feiner *ßradjt, ben £t)ronfi£ ber fielen (Statthalter

©fyrifti, ber Röntge im @ebanfenfanb, mit einem SBorte — Sftom.

„Sfy befd>äfttgte midj mit ben Briefen ber ^ftarquife oon ^ompabour.

(Sie vereinigen mit fefyr biet @etft alte (Srajten eine3 einnefymenben unb

fliefjenben SfyleS."

2lm 31. 9Mrj trat icfy in meine Functionen aU Lieutenant, borgen«

8 Ufyr begab td? midj mit ben anbern neueruannten Lieutenants au% ber

^agerie ju §errn b. Äeßling, ber uns oiete Ermahnungen gab, un$

oor bem Spiel, bor ben Leibern unb bor 2lu§fcfytoetfuttgen überhaupt

toarnte, unb un$ fyierauf unfere SDegen mit ber babei getoö^ntic^en (Zeremonie

übergab, inbem er jebem einen ißacfenftretcf) mit ben 2Borten gab, bieg

toon ifym, boefy bon feinem anbern §u leiben. 2Bir oertaufd)ten bann

bie ^agenrötfe mit ber Uniform be3 erften Regiments, unb §err b.

Regung führte un§ jum $bnig. £)er £önig empfieng un$ im Borfaal

ber Königin. 9ttir tfyat e§ leib, nidfyt fo oft meljr in ber 9?ät;e biefe3

gütigften Sftonarcfyen fetm ju bürfen. 3n Begleitung unfrei £)berft=

üeutenantö oerfügten toir un3 bann jum $rieg§minifter , bann ^um

(Stabtcommanbanten , enbtid) ^um Oberfttieittenant @raf 2)fenburg, ber

bie in Sftimtfyen ^urücfgebtiebene Üfaferoe commanbirte. Er befcfyieb unS

fyatb 12 Uljr auf bie $arabe.

£)ie erften 2)ienfte aU gemeine (Sotbaten fielen uns neuen Lieutenante

ettoaS fcfyioer. -3d) ffließe mid) an feinen ber Officiere an, unb bin fetten

in ifyrer @efettfd?aft. ^rofeffor §ennequin führte mid) in ber §armonie

auf, too icfy alte Leitungen unb -Journale fanb.

SCRtt meiner SBo^nung bin tdfy fefyr aufrieben. 3dj toofyue bei ber

SBitttoe be3 §ofmufifu3 Scfytoarä , ber Sdfrtoefter be3 Sdjreibtefyrer§ in ber

$agerie, be§ <Secretär3 Sftailer. Sftabame Scfytoar^ fyat nod) ifyre alte

SOhitter, SDZabame Sftaifer, bei fiefy. -3d) lebe fefyr gut mit beiben grauen,

bin oft in itjrer ©efettfcfyaft , toerbe aud) fpäter mit itmen effen, unb fte

ftnb für mid) töte für einen (Solnt beforgt.

3tt ben erften £agen beS 2fyri(8 befd)äftigte icfy midfy mit 3ean $aut$

Dämmerungen für 2)eutfd)lanb. Sei ber Leetüre biefeS <Sd)riftftetter8

enttoirfetn ftcf> mir immer oiete neue 3been. „Er Ijat eine ungeheure

Setefenfyeit, ober oietmefyr alt fein SBiffen ift in einem fo engen dtanm

jufammengebrängt, baß ftd? ifym fogteidj ba3 ^affenbe unb Braudfybare

$ taten 6 Sagefcud?. 3

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barb.tetet ©ein ©ttyl ift nnn einmal gar jn fonbeiBar, nnb oft burdfy

ftnnfdfyäblicfye 3mifcfyenfä£e tunkt 3)e§roegen ift er <mä) fein £ieBlingS=

fdjrtftfteüer ber SBeiBer. %üx bie önglänber ift er eben fo menig mie für

bie gran^ofen eingenommen. 3n üBerfe^en ift er fanm.

<äm 6. Styril bie 9ttarqnife bon 23. Befncfyt, bie in meinem §anfe

molmte.. S)ie Sttntter empfieng midf) allein; idj ftotterte u)x in einigen

2Borten eine Grntfdmlbignng meiner Mmfyeit cor , icfy fyätte eS aber, nnter

bemfelBen £ad)e molmenb , für meine ^flicfyt gehalten u)x meine §öftid(jfeit

8U feigem

3fy fanb; baß man bei einer $ran3Öfin nie in ©efafyr fomint

bie flammen be§ @efpräd)§ oerföfcfyen §n (äffen, ©ie tfyat mir tanfenb

fragen in einem 2l%m — id) empfahl mtd) Balb, nafym aBer bcd) jene

3nfrieben^eit nicfyt mit mir, bie, tote td) geglanot fyatte, midj erfüllen

müßte, meratbiefer erfte (Stritt getljan märe. Qfy fdfyoB e§ baranf, ba§

id) nttd) nicfyt gnt Benommen fyaBen möge, benn bie Sttarqnife fyat micfy

^iemüc^ bertonnbert angefefyen, nnb mag toofyl in ©ebanfen bie greifyeit bie

td) nafjm fie ju Befugen, mit meiner Verlegenheit toäfyrenb beS SBefncfyS

oerglicfyen f)aben.

2)ie ^olittf , 9?apoteon3 ©cfyicffal interefftrt mid) fortmäfyrenb teB^aft.

2tm 13. Styrit Befdiäftigte ify micf> mit ben ©ebidnen 21. 2B. &.

©cfylegelS. Man fann iim einen nnferer Beften 3)id)ter nennen , oBgteid? er

fein äfteifter ift. ©eine Ariane, fein $rometf)en§, fetBft fein Jfygmalion

finb $n lang, jn toeittäuftig (amples), nm ^n gefallen. 9ttan mn§ nicfyt

ab ovo anfangen; biel Beffer fü^rt man ben £efer in medias res. £)a§

©ebicfyt: „£)er 33nnb ber tircf>e mit ben fünften, "ift eüoaS für bie

§erren Äatfyotifen, icfy aBer fann bem fatr)oItfct)en @otte§bienfte nie

jugefte^en ba§ er jene lebhafte nnb reine ^ärBnng I)aBe, bie- mie ein

23lnmente££i(f> anf ben retigiöfen heften ber ©rieben rnfyte. 2öaS

fann man für eine SBerioanbtfcfyaft (rapports) ^mifcfyen bem Semmel

2tyoüV3 nnb ben büftern ©efrölben einer gotfyifd)en $irdje mit allen

ifyren gefdnnacflofen, unfbmmetrtfcfyen Ornamenten finben? ©erabe baS

gefällt mir nid)t, ba§ bie größten SDcater Italiens it)re ganje tnnft ber

fettigen ©efcfyid)te getoibmet fyaben. $lud) unfer proteftantifcfyer dnltnS

gleist bem ber ©rieben • nicfyt ; er fyat ba8 ©epräge ber «Strenge , • ber

2Bürbe, einer einfachen ©röge, meit baS ber (Seift be§ G£I)riftentlmm3 ift.

(§r fdfytcft ficfy nic^t (convient) für bie ^oefxe, meit er mit ber 2Mjrl)eit

Page 55: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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ftimmt (convenant). @r unterbrücft atlerbingS bie .frönen fünfte nidfyt,

obwofyt er ilmen feine @egenftänbe erlaubt btc ftcfy für bie £)arfteHung

eignen.

Sn ©onetten ift (Stieget einzig; aber er fy&tk ntdfyt fo oiete fotten

brudfen (äffen.

22. 2tyrü. 3n meinem foftfyaufe t)abe icfy bie SBefartrttfd^aft eines

®emeofftcierg , SefymuS, gemalt, eines jungen 9ttanne3 oon loteten $ennt=

niffen, tüie mir fdfyeint. Q?r fyat midfy an einlud) erinnert, ba§ td) tauge

fdfyon tefen woltte, „bie aflemannifdfyen ©ebicfyte Don §ebet.yi

3cfy »erftefye

ben £>iateft nodj nidfyt gan^, bin aber fdjon bezaubert oon ber Originalität

unb ber unnadfyafymltcfyen Wamtät, bie in biefer £)idjtung fyerrfdjt.

24. 2tyrit. äftorgeng War idfj hä ber 9ttarquife, (Supfyrafte war .ba,

unb befyanbette micfy mit oieter 5trtig!eit. 3dfy .fragte fte, ob fte batb nadfy

granfretd) jurüdffe^ren werbe. £)ie Antwort machte midfy traurig: „-3a,

aber nidfyt fo batb."

5ln bemfelben 2Ibenb fpradfy icfy fte nochmals in einer <pofafabernte.

£)en Slbenb be§ 27. 2tyrit braute icfy bei ber äftarquife ju; fie fyatte

micfy eingetabeu. 3<fy fanb ba bie ©räfin SBittgenftein , bie brei gräutemS

ü. 2ßeidfy8, ben ©enerat o. (£otonge, einen mir unbefannten Wihe,

unb ben SBtcomte, einen ^reunb be3 §aufeS. Sftan fptelte tteine <8piete,

unb (Supfyrafte madfyte midj gtüct'tid), inbem fte mir Diejenigen, bie tcfy

nocfy nicfyt tannte , erftärte.

5Tm 4. yjlai mar ify in (Sdjteißfyeim. 3dfy enthalte -midfy eine3 UrtfyeitS,

ba icfy ber Malerei nod) nicfyt ben regten ©efdfymacf abgewonnen l^abe.

Qu biefen £agen (um ben 6. Sttat) fieng tcf> mit o. $ergta3 bie

engtifdfyen (Stunben bei §errn £edmer an, einem fefyr fyö^ticfyen Spanne,

ber oerfpracfy ung binnen brei Monaten tefen unb fyredjen ju teuren.

(£r er^tte tjiet oon Bonbon, unb wecfte in mir bie unbe^Wingticfye

SBegier biefe 2öett im Meinen £it fefyen. 2)odj mürbe idj, wenn id) bie

2öat)t ptte, ^efperien oor^iefyen. -3n (Sugtanb mlkt baS reid)fte £eben,

in -Italien bie (Erinnerung be3 fd()Önften.

6. 9ttai. 2Bte Wenig fenne i<fy i>ie rei^enbe 9?atur, wie wenig (iebttdfye

©egenben l^abe ic^ gefeiert ! Oft ergreift midfy ftitte «Selmfucfyt üor einem

©emätbe, ba^ eine einfame £anbfd)aft mit umbufd^tem 2Mbt)üget, einen

fc^äumenben Sßafferfatt ober eine fyatboerfattene ^ird^e barftettt, burc^

beren watbige Umgebung ein reiner 23acfy feine ^tätfc^ernben SBetlen jie^t.

Page 56: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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7. Mau äöctS btc gufriebenfjett , feie idj in mir füfyle, §uweilen

vergällt, tft bie jügeftofe Unfittlicbfeit , bie icb um mieb t)er felje. 3dj

aar, mit tem Siebter $n reben, in ftrengen Pflichten anfgewacfyfen,

unbefannt mit ter 2Beft, mit glaube nun ein $weite* @omorr^a ju

fmben. 5IKe £after ter llnmebt werben riibment $ur (Bebau getragen.

9. Wtal Ter 23ericbt oon ter Lautung £ouis XVIII in granrreidj

rülnt micb lebbaft.

11. Wim. sDtorgew3 SBelucb bei ber 9)carquife, bie midj fyöflicb

emofieng. Si&brafie toax nur einige 2(ugenblicfe gegenwärtig. 3dj war

mit bem SBefudje nicbt aufrieben. Sie 9Jcarquiftn fragte: Est-ce-que

yous dansez, Monsieur?

Kon Madame.

Mais on apprend ä danser aux pages?

Oui Madame.

Aimez yous le dessin?

Kon Madame.

Mais on apprend ä dessins aux pages?

Oui Madame.

Eres yous musicien?

Kon Madame.

Mais on apprend la musique aux pages?

Oui Madame.

3fd) Wtfebte mir bie (Stirn, falbem icb ba» fagte; welcbe 3tee wirb

fie ficb oon mir macben!

Sefto beffer gieng'3 am 13. Sföftt, wc icb für ben 2lbenb bei ber

SDcarquife eingelabeu war mit micb fer>r gut unterlieft. Sie älteren

gräuleut» b. Seid)*, Qkneral (Solenge, ter $iccmte unb ehte mir

rndjt bekannte Same waren ta. (53 Würbe Jammer unb ©lecfe gezielt.

19. WtaL DJät £elmtu§ freieren nadj geljrma,, bort einen alten

Sugentbefannten , ^fimcnt aus 2lnsbacb, getroffen. £el)mng erjagt, ba§

ein junger Siebter, §efle, ben er in Rothenburg gerannt, einige feiner

®ebicfyte an ©oetbe gefebieft, ber ilmi aufs oerbinblicbfte geantwortet,

feiner *ßoefte einen tyoljen SBertl) juerfannt unb fxer) „3rn* @ie liebenber

greunb @oetr)e" unterfebrieben fyabz. — „£) fcafi an meinen Werfen autf) nur

ein wenig etwas gelegen wäre, um ein gletdjeS Söageftücf ju befielen! $lber

tdj bin fein §effe, icb muß gefteben, taft mieb tiefer ©ebanfe »erfolgt!"

Page 57: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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20. SJtat. £)ott 3uan gefeiert. SDic SD^uftf tft groß unb fyinreißenb,

befonberS gegen (Snbc be3 fetten 3lct8 , too ber (Seift erfdfyeint. ©ort traf

td) ^u meiner großen ^reube ben eben au$ ber rufftfdjeti (Sefangenfdfyaft

jurürfgefommenen 9Ibalbert £iebe§finb , bem feine (Sefangenfdjaft toenigften§

eine jiemtidje ^emttniß be3 ühtfftfdfjen eingetragen tyatte.

28. SO^at (ernte\<fy

burd) StebeSfmb einen jungen Später, -Sffel,

lernten, ben ber (Sroßfyer^og oon ©armftabt reifen (aßt. -3m Anfang

glaubte id) nidfytS befonbere3 an btefem -Süngünge 31t fmben, batb aber fafy

id> in ifytn in entlmftaftifdjer Ueberfdfytoänglidfyfeit eine große 5Sie(feittgfett,

einen reinen ($efd)macf, außerorbenttidfyen ^unftftnn unb bünbige ©pradje,

ba$u bie größte £ieben$mürbigfeit im gefeitigen Umgänge; friebtidje§,

jufcorfommettbeä, mtgejtowtgeneS Söefen. 3ffet tootlte fdjon in adjt ober

neun £agen abreifen. 2)a er fyörte, baß id) bie ^ßoefte liebe, fagte er

mir, baß er ben jungen $oß lernte, ber bei @djttfer8 £ob zugegen mar,

unb eine £ocfe bon beffen Raupte fdmitt, bie er -3ffel gab, ber mir einige

§aare baoon oerfprad).

2öir fpradjett, ba StebeSfmb un3 oertieß, oon mandfyertet, Oon ben

(Sprachen, oon @oetfye'$ SBerfen, oon ber Äürge beS £eben3 in Sßergteidj

mit ber WnSbefynung ber $unft.

-3ffe( tootjnte bei Sftatfyan ©dfytidfytegroß, unb rtetfy mir, beffen 53e=

famttfdfyaft ju machen. 2Bir fpradjen nodj über bie Deformation, über

bie mtyftifcfye ©dmte @dj(ege(3 unb über ferner, ben Offel perfön(id) !ennt.

-3ffe( fyat oor, bemnäcfyft nadj Italien ju gefyen, unb fdjtägt mir oor,

if)n bafyin ju begteiteu. Qd) begreife ttidjt, toie ein fo geiftreicfyer äftenfd)

ftdfy für midfy int'erefftren lann.

3)ie SBefanntfdfyaft mirb näfyer unb näfyer; ber Umgang tyäufig.

©urdfy £iebe§finb (ernte id; aud) £ar{ SBiebeüng fennen.

Stuf brutgenbeS ^Bitten Ia8 ify -3ffe( einige meiner ©ebidfyte: „£>e8

9ftäbd>en$ Dftxdfyruf" unb „2lbfd>iebSruf an ben @etiebten."

-Sffet ta$ mir attdfy einige Oon feinen (3ffe(3) eigenen @ebicfyten. „9ftan

ftefyt toofyl, baß bie ^ßoefte uidfyt feine §auptbefdjäfttgung ift; td) mödjte it>m

ratzen, §armonie unb gorm mefyr ju berücfftdjtigen , unb nidjt bie unbanl=

baren ^topftocffdjen Vetren an^utoenben." — Im anbern £age tag id) tfym

auf fyefttgeS anbringen ben „£ob ber 2iebe," „an bie SQhtfe," tfiw 9Mbdfyen

griebenSlieber," „ber e^iffer," „Düdfefyr in« Sktertanb." 3ffet fetbft

Page 58: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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tooftte einige Iefen,> (5. „ber-Serratf) in ber £aube," „ber Liebling ber

Httufen," „§efperien."

SIBer tKtdjbem äffet gegangen mar, fünfte tdj mtdj. niebergefcfytagen

unb traurig. Qfy glaubte u)m $u oiet oon meinen @efiU)ten oerratfyen

^u fyaben; ba« fd)meigfame $arabie« meiner füllen ^reube ift jerftört.

-36 tuid gar leine $erfe mefyr machen, ba icfy bocfy nie eüoa« @roße«

m ©taube Bringen mürbe. $on nnn an merbe ify nodj einfatner fet>xt

al« Bisher.

2)tefer '(Sntfdjlufj fyiett nicfyt nacfy. (Sdjon am anbern Jage bringe

tdj mit bem. neuen ^reunb'e einen fronen Slbenb im engtifcfyen ©arten §u.

-Sffel f^rtcf>t mir offen oon feinen ^erfyältniffen; er fyatte ben Jitel

eine« ^ammerfecretär« be« ©roßfyer^og«, nnb tyatte bie Grrlaubnij? al«

yjlakx $u reifen. (Sr befcfyloor midj ba« Jncfyten nidjt anzugeben, bat

micfy um ein fleine« ©ebicfyt bei feiner Stbreife, oerfpracfy bagegen ein

Keine« ©emäfbe. -.

5lm näcfyften Jage erlieft idj oon ifym einige §aare au« ber £otfe

©djiflerS, vfy gab ü)m ein Siebten: „be« glücfytting« SBteberfefyr," nnb

oerfprad) ifym §u (gefallen §ur $oefie %uxM$fiet}un.

6. .-Suniu«. -öffet fannte meine Familie burd) bie ©efdjtdjte jener

(Gräfin ^3taten, bie eine große Bolle am §ofe-be« §er^og« oon 23raum

fdnoeig, 23ater« @'eorg« I oon (Snglanb, fpielte. (Sr fyatte eine Jragb'bie

über biefe (Gräfin gemalt,- bie aber in granffurt ausgepfiffen toorben mar.

— -öffel jtefyt ©cfyiller ©oet^en oor — tdj faft aucfy.

Stuf bem Bücftoege begegnete icfy meinem äBadjtmetfter, ber mir

fagte , baß idj beftimmt fei) 2ßagen mit gelten nadj Battenberg in Jirol

ju tran«portiren. £)ie Bacfyricfyt mar mir unangenehm; e« tröftete mify,

ba§ 3ffel mir anbot midj §u begleiten. 2ln bemfetben 5tbenb tranf icfy

SBruberfdjaft mit ü)m unb ©cfylicfytegroll.

%m 8. -Suniu« lehrte mein Regiment au« bem $elb'e jurütf, unb

mürbe feierlich empfangen. . 3fy fafy meine $ameraben mieber. 3)er Dberft

machte mir ben ©nbrucf eine« rütf'fidfyt«lofen unb ftrengen Spanne«.

5ln bemfelben • Jage ftellte micfy -öffel bem barmftäbtifcfyen ®efan.bten

0; §arnier unb feiner @emafy(in oor.

9. -öuniu«. -3n einem fcfylecfyten SBagen fuhren mir am 9.:

ab,

fpracfyen auf bem erften Jage«toege unter anbern ben. Dr. ®att, ben

3ffel rannte, tafen im -2öattenftein, unb tarnen fpät in Slibling an...

Page 59: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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10. -SumuS. . %m anbern £age machte ber 5tn6ftd ber ©ebirge einen

angenehmen ©nbrad: auf midfj. 3$ frente mtdj nocfy biefen ©nbrud: in

fo tieftet @efettfd)aft genießen jn tonnen.

2tber biefe greube mäl)rte nidfyt lange. Offet erftärte, baß er midfy

nnr nod) Big $ufftein begleiten unb bort anf midfy märten motte. -3dfy

argtaofynte , ba§ nidfyt . meine ®efetffcfyaft ilm §ur SDfttreife belogen fyaU;

mäfyrenbüfy anf ben bergen fyerumftieg, ^eidfmete er; idj bietete einige $erfe.

21m 9?ad)mittage ent^meiten n)ir ung förmüc^ rnnb über eine $teinig=

feit. -Sdj fyatte eine (Sdjatutte Bei mir. Sffet'bat mid? fein Portefeuille

in biefetbe ju legen. -Sdj tbafg, t;atte bann etmaS au$ ber @d;atulte

$u nehmen, mußte baju ba3 Portefeuille fyeraugne^men , nnb lieg e3 au%

Unacfytfamfeit auf bem £ifd)e liegen , ba idfy bie ©djatutte mieber §ufberrte.

£>a -3ffel fam, argmöj^nte er, id) 'fyätte fem ^ortefeuule burdjfucfyt, unb

»erlangte .eine ßrftärung. '3fy gab ifym feine. £)er $erbadjt festen mir

^u fränfenb.

9?un fbradfyen mir nidjt. mein* mit einanber. 3d? gieng ;ftacfymitfag3

auf ein nafyeS 23ergfdjto§ gatfenftein; im hinaufgehen begegnete mir Sffet,

icfy mid) ifym au§ — er rief mir,nacfy, baß er broben meinen tarnen auf

einen alten «Stein graoirt fyabe" 3dj fanb bie 2tuSfid?t oon oben fcfyön.

(Sin murmetnber S3ac^ fdfytaugelte ftdj burefy bicfytbelaubte Söäume am

Söerge Üjirt.

2luf bem alten (Scfytoffe SDfttfyren hä fufftein backte ify bei mir: fyier

in biefer ©nfamfeit tonnte fiefy ein junger ©dfyrtftftetter bon boetifcfyem

latent bitben.

The world forgetting, by the world forgot.

$om ©cfyloffe aug fyat man nämttd) eine föftticfye 9lu$ftdjt. 3)er

Snn ftrömt raufdfyenb am-^uß be3JöergeS borbei, an einem friebtidjen

£)orfe borüber fliegen bie Söetten eines 23acf>e3 lebhaft über Riefeln unb

bitben ' bqn Seit ju ßzit steine SBafferfälte , inbem fie burefy blüfyenbe

®ebüfdfye eiten. ©etbft bie altertümlichen Pöbeln beS Sdjtoffeg bermefyren

ben malerifcfyen ^eij biefer einfamen ©tette.

15. SuniuS. -3n $tintfcfybad> mofmte id) im ^farrfyaufe. 3dj traf

anfangs bloß ben Fabian, ber mir eine Ueberfe^ung bon ?)oung geigte, bie

er in feiner 23ibtio%f fyatte ; fein ^immer mar' mit Jhtbferfticfyen au$ ber

®efd)icfyte bon 2lbätarb Unb §etoife gefdmtüdt, naefy 2lngetifa taufmann:

(Srft am anbern borgen machte id) bie> 23efqnntfd^aft beS ^farrerö. „3)iefe

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^riefter führen ein forg(ofe3, rufyigeö Seben." 9£adnntttag3 genoß idj bte

fdjime 2lu3ftdjt t-cm -ßetergberg.

3n SliMing trennte ftcf> Sffel t>on mir nnb gieng nacfy 9Dcüncben $urücf.

SDxir tt;at e3 teib, ilm burdj meine Pannen ba^u berantagt ju fyaben.

SBenn icb niebt anf tiefen ©genfinn berate, fo tüirb er midj nngfticfücfy

macben nnb mir biete SDZenfcben entfremben.

£ie ^toet Sage naefy -3ffet$ streife machte idj mehrere lieber.

5lm 17. -3untn§ fam id) lieber in SJHmcben an.

Sd>en am 21. mu§te id) icieber anf eine dommiffton nad) SJättenroalb.

-öd? mar fcerbriegtieb , meine englifcben Sfunben unterbrechen ju muffen.

Ueber 23enebictbeuren, am $ccbe(fee nnt SöaHerfee borbei, gieng e£ junäcbft

naef) ;partenfircben, mo mir ben S3efer;t $ur IRücffefjr nacb 2JMnd)en trafen.

2luf biefem äftarfebe fyiefyer befdmftigte iä) mid) fciel mit bem Pastor fido

nnb machte einige lieber.

27. 3uniu3. £er 2£eg bon ^artenfireben naefy SDcüucfyen gefiel mir.

($r gefyt einige $m an ber ^oifact) fyin nnb an Reifen, ren tenen

manniebfaebe SBafferfälle ftürjen — id> tarn burdj baS fdjUbaberüfymte

2jL>ei(beim, bcrfyer burd) 2)curnan — ^mifeben beiben ba§ Softer ^oÜing.

29. -3nnin3. 23ud)bcf am Staraberger See.

1. 3u(iu§. Sin Wörter ron Jacobs aus einem 2)orje bei iDcaftricfyt;

er glaubt mieb in £anb£fynt anf ber Uniterfitat.

4. -3utht§ ein 33rief bon £obrcn au3 Stauen.

2fttS ben blüfyenben (Sefitben 3talien3 felmt er flcr) nad) ben reutfeben

SBäftera nnb ben reutfeben ftreunben. — So ift ber 2ftenfdj, Unb bin id)

jufrieben? 2öe(cbe B^funft ftebt mir befcer? -ckbermann fagt mir, baß

id) nict)t jnm Solbaten %

- gemalt bin , baß id) bie 3Biffenfcr)aftert pflegen,

ta§ id> in andrer ©eife rem $aterlanbe bienen folite. £iefe§ Seben t>oll

fleinlicbter , ermücenber ®efd)äfte jerftort bie ^ä'fyigfeiten meinet ©eifteg.

£ie Un$ufriebenl)ett mit nnferer Sage ift tk fcerberblicbfte ftvufyi be$

§erjene. %£a§ ]cü miefy troften ? £ie §cffnung ? ©tele 3nfluc^t einer

rerbriefUicben (Seele. SDte 9)cufen? 3d) fann fie nicfyt fingen, mir

günftig ]vl fetm. ^ie 9catur? Sie ift rei3(og, tco id) mieb Inn&enbe.

£ie Stubien? Sie rciberftreben mir. 23ceine ^reunbe? Sie finb fern.

£ie Secrüre? -3c^ fyabt feine ßdt ba^u.

9. 5uliu^. Seöer nnb Scbtrert ren Körner getefen. SIncb ben

p^legmatifelften Xentfcben muffen biefe ren einer tieiligen unb f)cd^er$igen

Page 61: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

-Önfpiration bictirten lieber entflammen. Da ift nidfytS oon ben gabfyeiten

nnferer neuen Didier, nur eine glüfyenbe Siebe jum SBatertanb mit ben

SMtfyen ber ^oefte befranst. — WttfyS ©onett: „Der 2lbfd)ieb oom

£eben?" (53 ftirbt fyarmonifd) auf ben £typen.

17. OutiuS. §err b. garnier fyat beS „$(üd>tting3 ÄberMjr"

getefen, bie ifym -öffel gegeben, unb fie fefyr gegen mid) getobt. 3<fy

formte mir ®(üd roünfdjen, roetmty biefe £obfprücfye oerbiente. W>tX

alles, roaS td)ftreibe, ftnb nur Meinte, 9?ad)al)mungen , £iebeStänbe(eien

ot)ne $raft unb @eift. ©etten bemerfe id) einen poetifd)en ©ebanfen

barin, einem fcfyroadjen ©ternfdummer ät)n(id), ber burdj bie SBolfen

bringt. Unter anbern Umftänben oietteidfyt roäre id) ein Dieter geworben.

3d) bin aber §u unooüfommen al$ Sttenfci). 9Sieffeicr)t tonnte mir bie

£iebe nocfy einige $lccorbe entworfen; aber tdj fitste mtci) fatt. -Sei) roollte,

bag niemanb roügte, bag iti) je $erfe gemalt l)abe.

22. SuItuS. 2öie oerfdjieben ift ba3 (Streben ber 9ftenfd)en! Der

^iebrtggeborne roünfcfyt ein $ornet)mer $u ferm; ber @roge freut ftd) feiner

§öt)e ntcr)t; ber eine oerfdfytiegt feine 9?eid)tt)ümer , ber anbre fe£t fie auf

eine trügerifcfye §arte. Der feffett ficf> bie fct)önften ©tunben be3 £ag$

an fein iöureau, ber anbre fc^toeift burd)3 £anb ot)ne Arbeit unb ot)ne

Vergnügen. Der eine erfinbet ©tyfteme, ber anbre lann nidfyt über je^n

^ten. Der ernnrbt fein 23rob im ©dfyroeige feines 2lngeftci)t§, ber anbre

freist gafanen im ©djtoeige feines $etti§. Der roirb reidfy burd) SBucfyer,

ber anbre burd) SOcägigfeit; ber eine Ijat @otbftiderei auf jeber gälte feineS

$(eibeS, ber anbre bedt feine ißtögeu mit £umpen. Der eine hätdt um

ein ©tüd SBrob, ber anbre um eine ©teile beim äftinifter, ber britte

um bie £iebe eines geliebten ^erjenS. Der finbet @ott in jebem ©rafe,

ber anbre faum in ber ganzen 9?atur. — Unb bod) feigen fie ftd) alle

äftenfdjen? — 2öe(dfye3 ®ut erftreben fie? (Sin met)r ober roeniger

prächtiges @rab — roenige bliden barüber fyinauS. —29. -Mino. 2öie roenig bot mir bie ftreunbfdfyaft mit Offet: 2Bte

»enig taugen bodt) biefe ooreiligen, intimen, £t)antaftifd)en $reunbfd)aften!

— 5lbenbS: Sffet ift fdmell nad) Darmftabt geregt, roeit feine Butter

am Dobe liegt, traurige 9?ad)rid)t! „Steine beften 2Bimfd)e begleiten

ifyn, obgteidfy er eS ntdjt roeig."

29. -MiuS. Da bie ^ebefunft in Deutfdfylanb fet)r oernadpffigt

ift, unb ba bie ©innnafien ficf> nidjt bamit abgeben — foüte man ein

Page 62: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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club de rhetorique unter ^reunben errieten, um eine fcom 25aterlanb

ungeredt)t »erbannte Sftufe einzuführen — ber $ortt)eit toäre beträdt)t(idj.

2)enn biefe $unft ift nidjt nur fefyr nüfcftd^ttt ber getoölmfidfyen Unter=

Gattung, fie Hart audt) ben (Seift auf, erleichtert ben (Saug ber 3been,

gibt §errfdt)aft über bie <Spradt)e.

2. Sfttguft. Söafyrfyeit unb £)idjtung III. „®oet§e toar gtütftidt);

ate trug ba^u bei, ü)n berühmt ju.madjen, feine (^ielmng ^u »ottenben.

3e£t ift er toofyl im ©taube fein früheres £eben, fein Ougenbteben mit

Unpartei(ict)feit ^u betrauten. &% fyaffo »iele fcerfdjiebene (&pb$m, &U

feine <3dt)riften anzeigen; benn feilte man glauben/ bag berfetbe 2)idt)ter

®ö£ fcon 33erlidt)ingen unb bie natürliche £cct)ter gebietet fyabe? 2öa3

er ton Hamann fagt, fann man audj auf ttm antoenben; feine Schriften

finb oft ftbtyHinifcfye 23ücfyer, bie man nidt)t efyer fcerftet)t, als btl man in

eine £age getonten bie ber be$ 3)tdjter8 älmlid) ift."

3nbem idt) SenbtnerS -Sbfyllen lefe, fommt mir in 33e^ug auf $oefte

t>er ©ebanfe: „(§8 fct)etnt, ba§ ein geimffeS (5iU>a§ mit un3 geboren ift,

toeil e3 fo fciele toeber burd) ba8 Sitter , nodt) burdt) ©tnbium erwerben

fönnen. -3n ber -3bt)Ue befonberg artet bie 9?air>etctt nadt) ber einen «Seite

in Slffectation, auf ber anbern in $tattt)eit au$.

$iet englifct)e Literatur getrieben; ben Vicar of Wakefield unb

Ißope'S (giftet §etoifen3 an Hbätarb getefen. — £)ann Petrarca unb

5Dante, ben £tingftingetatmanadt) fcon S3aggefen unb ^ercfy'S colleetion,

bie midt) entjürft.

24. September. 3)ie Tales of wonder fcon £eh)i$ getefen.

3. Dctober. Stücfe au3 bem pastor fido unb au3 $ercty überfe^t,

mufy bie ot>ibifct)e §eroibe: Dido Aeneae ju überfein angefangen, unb

fetbft eine 23attabe, @eno»e»a, gefcfyrieben.

16. £)ctober. Unter alten fünften ift e3 ficfyertidt) bie $oefte, bie

fcon gettölmlict)en 9)£enfdt)en am toenigften geliebt nnrb. Malerei unb Sftuftf

fyaben beibe tt)®a% 3m£onirenbe3, baS ju ben klugen unb Dfyren ber paffer

tyridn\ £)ie Malerei l)at ifyre $arrifaturen , it;re @ct)tadt)tftüc!e , ifyre

Ißorträte, bereu 2letmtict)feit frappirt. 2)ie SDhtfif ifyre raufct)enben £öne,

ifyre SDMrfdfye, it)re türfifdje Trommel. SD^an iann freitict) fagen: bie

Ißoefie mad)t £rinftieber •— aber man fennt fie nur burcfy baS SBerbienft

ber guten unb f(fytect)ten 9Mobie, unb man beadt)tet nie bie Söorte.

$iel(eict)t aber ift eben ba3 ein 93or§ug ber $oefie, bag fie blofj ben

Page 63: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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®eift in ^tnfprudj nimmt, unb baß fie mie bie eleufmifdjeu iUtyfterien

feine profanen butbet.

22. DctoBer. Qfy fyaBe @d)ä£e fcon $oefie in bett (Stimmen ber

Golfer gefunben, bie §erber gefammett nnb üBerfe£t fyat. (Einige bänifcfye

Sftoman^en barin ent^ücften micfy. §efber ift ein boüenbeter UeBerfe^er^

2Bie fd^toer mar e&, ba§ „mit brow maid" nnb ©fyafefpeare'g „come

away come awaj deathu tren $u überfein.

3<fy fetBft üBerfe^te ben Dritter toon 2/oggenBurg ins (Sngltfcfye.

28. DctoBer. @ro§e @efeHfd>aft Bei §arnier'3 — baBei bie Max*

quife t>. 23. mit ifyrer £od(jter, bie idfj nadlj §aufe Begleitete — ber

mürttemBergifd()e'@efanbte, bann £)Berft @um{tyenBerg', (Venera! $erger,

Sftr. -Sameö'.mit feiner $rau, einer @d)mefter' t>on (^afttereagfy , ber

englifdje ©efanbte Wlx. Sftofe mit $rau, brei ©öKmen nnb jmei £öc(jtero;

bie £racfyt ber Gmgtänberhmen fiel mir aU Buntfdfyetfig, i\)x @ang a(3

manfenb auf, aBer fie tankten gut..

2. 9?o&emBer. @ebi(fyt auf $8% £ob. — 2)ie beutfcfye ÜeBerfefcung

ber @cene fünf, 5Cct bier beS Jporace'S fcon (Corneille.

©djmfclem ^attc im 3)ecemBer 1814 Sftüncfyen bertaffert nnb mar

nadj 9^ürnBerg gekommen; mit Süber mar idfj bamatS nodfy nid^t näfyer

bereinigt, (Sdfyftdfytegrotf mar in ©ottingen, beffen Vorüber unb $art

SBieBefmg fannte icfy rttc^t näfyer.

£)a$ $erptni§ mit 3ffet fyatte ftc^ gelögt, mit £ieBeÄb tarn kfy

fetten jufammen, an $ergfa3 fdjlofj idfy micfy erft fpäter inniger an. £)te

vermeinte £ieBe ju (g. geigte fidj afö etmaS fdjnett 2$erffogeneS.

3m Safyre 1814 fyatte icfy nocfy $rü?r3 ©ebicfyte unb ben £>amtet

getefen, bann einige franjöftfcfye S^eaterflütfe fcon Racine, (ÜEorneitte,

Voltaire, SBoiteau'g ©atiren mehrmals. Qd) • fcer^eifye bem te^tertt feine

• ©djmetdjeteten gegen Shtbmig XIV, meit e£ bie 2)eutfdfyen in §inficfyt

griebrtcfyg beS @ro§en nidfyt Beffer matten; idj öergeitye ifym aucfy einen

3lu3faE auf bie beutfdfye ^ßoeftc, benn ma$ mar btefe bamafö? tcfy loerget^e

ifym feine Etagen über bie raupen tarnen unb £öne ber germanifdjen

Sprachen, ba er feiner eigenen einen fo UeBtidjen Söpfylftang giBt, unb

xü) t>eY§et^e tfjm enbtidf) au3 gutem §erjen einige fabe ^Bemerkungen über

$e£eret unb £utfyertfyum.

„3fy fyaBe einen IBergtauBen an gemiffe 2;age be^ 5[Ronatg, bie

td^ für Befonber^ günftig für micfy ^atte, meit mir an folgen 2agen etwtö

Page 64: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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@ute§ Begegnet tfi. -3$ fyatte mir einen eigenen Äalenber verfertigt, in

bem td> jeben Jag, ber mir bemerfenSmertl? festen, oer^eidmete, nnb ben

icfy confultirte." —SUcit Verglas entsann lieb ein näheres $err)ättni§; mir führten eine

Sorreffconbenj in engtifdber Spraye.

Qfy tarn öfters 2lbenb3 yx 23S. imb unterhielt miefy ba ^iemlicfy gut.

5lm DreujafyrStage fyatte icb bem ^rautein einen (ebenen 23tumenftrau§

gefebiefr, nnb baburefr it)re Slnfmerfjantfett auf miefy gefteigen. ©ie mar

$>a$ angenebmfte Frauenzimmer, ta$ idfy fenne, jte bereinigt alle guten

ötgenfchatten ifyreS ©efcfylecbteS. — „2>a man aber, mie 3ean $aul fagt,

in ©egenmart ber üJhttter fein erhebliches ©efpräd^ mit ber £ocfyter führen

faun, fo befiegte ber ßtüaiiQ, in bem icfy miefy befanb, jebe Stnmanblung

ber Siebe."

SJctt ftml 3Btebefing fam ict) ek jnfanraten, befonberS ber engtifdjen

(Sprache megen. 5c6 fct)rteb aud) einmal eine öpiftel in englifcfyen Werfen

an um.

Ueberftaupt überfefcte td) fyättfig beutfcfye SBerfe ins (Snglifdje, uub

trug meine ©ebiebte in tleine §efte jut anraten, von benen bie äfteljrjatyf

vernietet ift; tef) iiberfefcte aueb Scenen au3 frau$ö|lfd?en £rauerfpieten

in fceutfdje Iteranbriner, 5. Q. bie @cene .$tmfdjen $f?äbra unb §ippoltyt.

— 3ln meinem eigenen Xrauerfpiel, donrabin, arbeitete icfy nicfyt rae§r

fort, ba icfy in dollifionen mit bem (Sgmont fam. -3cfy machte ben -flau

}u einer Sragebie auS bem Cfftan'fdjen ©ebiebte (Xattfon unb (lotmal.

3)a nridj 9)cacpberfon oorjügftd) bejcfyäftigte, fo überfefcte icfy auefy JDffianä

£>ma=9Jcerut in (inte icb meine) fetjr mofyfftingenbe beutfcfye *ßrofa. $iete

Heine Sßoeften, tote 3. (g. ,£k Dcacbt," „emige Siebe," „dinjug dubiboV'

fallen in biefe 3e^-

SJcit -ßerglaS lag iä) ben $irgü unb £affo; bann uoefy einige 3djriften

oon Xtecf, (Spiegels brantatifdje SSorlefungen, baS üfttbetungentieb bon

§üt$berg, eine Sammlung italtemfdjer Styrifer unter bem £ttet anno

poetico. 3U meinen 2£interfreuben gehörte ber (Eislauf.

(Sin lebhafter (EntljufiasmuS für $reu§en füllte nttd).

2(u3 allen btefen ©tnbten unb Söefcfyaftigungen unb ^antafien riß miefy

btö£ttd) bie 9?acbricr;t oon bem (Sntoeidjen 9cabo(eon3 aus &iha. 2ftan

fcfienfte tiefer 9?ad)ricfyt im anfange nur menig ©tauben. 3d) felbft hoffte

nod) nicht auf einen gelang, ber mid) au& meiner £age reißen mürbe,

Page 65: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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bie befonberg burdj ba§ beftänbige (Srercieren, ba3 meine ©tnbien fyemmte

unb mobei tdj attjufyäuftge SBermetfe erlieft , brücfenb gemorben mar. „£)a3

^eBen tft mir töbtticfy gemorben, freubtoS jfeljt e§ mir, tote eine Seiten*

geftalt, borüber. 2öie gerne mürbe idj bie SSrüde betreten, bie jene

3Mt bon biefer [Reibet?"

£)iefe mefandjotifcfyen ©ebanlen bertreibt ptö^ttd^ ber SBefefyf jum

2lu3marfc(). SDftr fe^r erfrentidj, mit ^ergtaS ber britten (Kompagnie

gugetfyeift §n merben. 3)a richtete fid) meine äßnfe an ben (greigniffen be3

3afyrfymtbert8 empor. 3d) ^agte nid)t nnr ©onaparte auf$ äußerfte, iefe

mar fogar £ubmig XVIII geneigt. 5Dä entftanben patrtottfdje ®ebid)te

nnb ^bfcfyiebSlieber.

S)er SBatyn, für bie $retfyeit (Suroba'3 ju ftreiten, mürbe mir inbe§

burefy eine SBemerfcmg SBiebeftngS gerfiört: „£)iefer Sftnlmt, fagte mir

biefer, verfällt in fefyr ffeine Steife, ba ©ie ifyn mit §unberitaufenben

gemein fyaben. 2Benn (Sie freiließ als gemeiner Solbat bienten, mürbe

er nod) bon Söebeutung fetm, med fie aber Officter finb, fo ift er e£

feine§meg8; benn e$ ift fein Mangel an Dfficieren, nnb Sie mürben

fofort erfe£t feim, menn «Sie austreten, um bem 35ater(anb auf eine

frieblidfyere unb angemeffeuere 2ßeife gu bienen."

3)iefe 33emerftmg marf miefy in bie fc^merjlic^fte £aune jurüd.

@tüdtid?ermetfe mar um biefe ßät %xi% ^ugger mit feinem SBrnber,

bem Sftittmeifter, (eiber nur auf menige £age, in SDfäindjen.

Qmbßdj fam ber £ag beS 2(u3marfd)e$. Q<$ trennte miefy ferner

bon meinen guten §au$frauen , leitet bon ber Sttarquife unb i^rer 3Tod^ter,

mit Sftüfyrung bon ber Familie garnier, $u ilmen fyatte tdj früher eines

meiner legten @ebicfyte Eingetragen; man tyatte e$, bon bem ($egenftanb,

ber polttifdj mar, beftodjen, mit SBetfatt aufgenommen, §arnier fyatte e8

bem §ofyrebiger <Sd>mibt gegeben, baß biefer e3 ber Königin überreife.

30. 9?obember mirb meine Slufmerffamfett auf orientalifcfye ^ßoefte

gelenft 3d) fanb im 9ftorgenblatt unter bem Stttet Ogusname eine

große Sftenge orientafifcfyer Spriidje. „£ro£ beS (£goi3mu$, ber in einigen

fyerrfcfyt, tro£ einiger ©runbfä^e, bie bem fanfteren (£fyriftentlmm entgegen

laufen, entsaften fie bod) eine finnige, gartgefüfylte £ebengmei3fyeit. 3d>

fdjrieb biele biefer berftänbigen barmten, meift in bie (Scfyate ber (&texfy

niffe eingebüßt, ah.

7. £>ecember. „3d? befcfyäftige mtd) jnmeüen gerne mit ber fraujöfifdjen

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SBüfyne. (Sie fyat einige SDfeifterftütfc , ba£ tft unläugBar, Phedre,

Berenice, Bajazet, Zaire, le Cid, Horace — toetdf) eine $tofye »on

fronen 2Ber!en! ©er SBofylflang ber SBerfe, bie §eitigfeit ber <Scene,

tüte e8 (SdfyiEer nennt, bie 3artl)eit ber enttoicfetten (ümtpfinbungen , alle$

bieg feffett an bie Dramaturgie ber ftran^ofen. (Sie fyaBen SBerftanb,

©eift r ©efm)(, nur leiber Originalität nnb leiber audfy $l)antafte barf man

bei ifynen nidfyt fudfyen. $on biefem (Stanbpunft au§ fd^eint (Sl)afefyeare

freilidf) ein §ercute§ gegen bie gaHifd)en ^fygmäen. . 2lBer jebe (Sprache,

jebe Nation l^at ifyren Befonbern ®eniu8. Waffen mir biefen atfo getoäfyren!

Ober toollen toir »ielleicfjt, baß fran^öfifdfye • Dieter, t^rert £anb§leuten

mißfallen follen, um uns ^u gefallen? — 2Ba3 ben lleranbriner Betrifft,

fo ift er ^toar an fi(fy ein fdjleppenbe§ $er3maß, aber nidfyt fo faft Bei

ben gran^ofen. (£r fcfjeint tfyrer <Sprad()e jene $raft jn geBen, bie tfyr

• angerbem fefylt, nnb ba iljr £ftl)fytfymu3 fein regelmäßiges Slnfeinanberfeigen

fur^er nnb . langer <StylBen ift , . fo fyat er Bei i^nen eine 51Btt)ed()3lung nnb

$erfdfyiebenartigfeit, bie il)m im £)eutfd()en burdfjauS fefytt'"

1815.

14* -Sannar. £>err ». garnier rietfy mir, einmal ettoaS »on meiner

5lrBeit in einem 2llmanadj ober -Journal bruefen jn laffen, um $u fyören

n>a§ bie tritt! barüBer urteile. 2Bir rebeten auef) ^olitif. (Sr t^eilt

meine. Meinungen, unb idf) Bin ftot^ barauf. 2Bir tonnten Beibe nicfyt

umlnn, ben unbeutfdfyen ©eift ber Bafyerifdfyen Nation ju tabeln; ».

garnier meinte, baß Bigotterie einen großen £fyeil an biefer @eftnmmg

fyätte, unb eS mag fo fetm.

13. geBruar. Heiners 2lmoeifung für felBftftubierenbe -Jünglinge jur

SlrBeit gelefen.

„Qfy lomme eBen oon einer angenehmen ©efeEfc^aft Bei 23oiffefon§.

(§8 toar ein Bejahrter (Seemann ba mit feiner $rau, Beibe -Italiener unb

oon ber fyeiterften £aune. (Sie fpradfyen Oon ifyren alten £ieBfcfyaften, unb

Statten erfcfyien mir baBei als du toafyrfyaft romantiftfyeS £anb. (Sr Ijeißt

Slffotini, nnb ift 5Irjt im befolge beS $icefonig§. ©eine jooiale $rau

erjagte auf bie brolligfte 2lrt, tote fie in ü)rer 3ugenb in einem Softer

getoefen, unb'

tii)x ein ^3age ein (Sonett jujuftecfen toußte, ba£ er für feine

eigene (Jompofition au3gaB, toäfyrenb fie e$ leiber fcfyon 2Bort für 2öort

Page 67: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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au§tt>enbig gelernt fyatte. Slffolini felBft fyat bte größten Steifen gemacht.

dx mar mit Bonaparte in 9?ußlanb unb in Siegtypten, am ^eiligen @raBe,

in fflaiaxtti). ©eine Unterhaltung ift oom größten 3utereffe. 2113 er oon

Slegfypten nnb feinen 2öunbern, oon ben ^fyramtben, bert Sftaufoleen, ber

(Säule beS ^ompejuS, bem @raBe ber Cleopatra erjagte, Bebiente er

ftcfy in pompöfen 2ut§brücfen ber olmefyin pomphaften ttaltentf^en (Sprache.

$)od() oerftcfyerte er, baß bie ^fyramiben ba3 erftemal feinen aü^ugroßen

(Sinbrucf auf ifyit gemalt Ratten."

15. W<xx$. SkBfyafte £tyeilnafyme an ber Sftadfjricfyt üBer Napoleons

£anbung. „(£§ mirb Blutige ©cenen geBen. 2öenn e$ fo it>ett fommen

füllte, mie gerne mürbe id) ben frartjöfifdjett Boben Betreten, in ber §anb

ba§ Sdjtoert für bie ^reifyeit."

18. Wdx$. 3dj tyaBe eine fonberBare 3bee üBer ©efdjidjte, bie idj

oor niemanb mödfyte laut merben laffen, Man foÜte Bei fingen, bie

feinen Be^ug mefyr auf unfre $ät tyaBen, ftdf) nidjt burdj nu£tofe§ yi&fy

forfdjen üBer bie 28atyrl)ett ermüben. Man fann üBer folcfye 3)tnge jafyre*

lang fyin unb fyer fprecfyen, ofyne fie näfyer ju Beftimmen. 2Btr foHten

mit religiöfem ©tauBen ba8 annehmen, nm3 mir nicfyt burd) Vernunft

ober ä^gniffe mtberlegen fönnen, ober mir muffen un3 entfdaließen , nur

ba£ $u glauBen, ma$ mir mit klugen fetyen, unb nidjtg ma8 uns ©Triften

hinterließen. 2Ba3 alte ©efdjtdfytfdfyreiBer er^äfylen, eriftirte, meil fie e£

er^ätylt fyaBen, meil mir, fei) e$ audfy nicfyt gefcfyefyen, baraug benfelBen

^u^en, biefelBen Belehrungen ^ietyen fö'nnen, als au3 bem ©efdjefyenen,

meil e3 ben (£Barafter ber Seit malt, in ber'3 erbietet mürbe. 2Ba3 im

®emütf> leBt, ift bagemefen.

22. Wäx%. Qtutz ift e£ ein -Satyr, baß icfy Officier mürbe. SDie

3eit f>at Ringel, fie eilt §u fdfmell baoon. 9?odfy Bin id) mit meinem

Staube aufrieben. ©ebulb unb Befyarrtidfyfeit triumptyiren üBer alte§.

23. W<xxi. $>vi\n ^eiligen SlBenbmafyl gegangen.

26. Wax%. „§eute tfyettte icty garnier ba3 ©ebicfyt: „Bei ber 9?adjrid)t

oott Bonaparte'3 (Stn^ug in $ari3" mit. (Sr lobte e§ unb fagte, er merbe

feine ©ötyne nadfy Slmerifa fcfyicfen, menn bie ^reityeit in (Suropa untere

gienge. (Sr forberte micfy auf, itym ju fdfyreiBen."

4. Slprit. Sllle borgen Bin icfy im engtifdjen ©arten, genieße be3

$rüfyling§, pftüde (SctylüffelBlumen , ber Pastor fido Begleitet midj.

7. 31pril. 5Siele neue Offtciere famen in mein Regiment; $u meiner

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Kompagnie ein §auptmann SBeber, ber mit bem frankfurter Kontingent

lange in (Spanien toar, unb ein Dbertieutenant £fcfyamarin.

12. Iprit. £>aS ®ebidjt: „2fa bie tampfgenoffen beS großen triegS"

gemalt.

11; 2lpriL $on anno poetico tag idj nun fcfyon ben [engten £fyei(

unb entbecfe tägüd) neue Schönheiten in ber Styrif ber Italiener.

15. $pri( marfcfyirte ba$ Regiment aus.

3n einem fd>terf>ten £>orfe, Söeicfyg, oier Stunben feitioärtS oon

©acfyau, braute unfre Kompagnie bie erfte Nadfyt $n, icfy fetbft tourbe

mit einigen Wlatm toetter nacfy KberSbacfy betacfyirt, too icfy in einem deinen

fcf>mu^igen gimmercfyen auf ©trofy fd^ftef unb fror; bie nädjfte Sftacfyt gieng

e3 beffer im SDorfe £anbern, too icfy in einem 2Birü)3t)aufe Ouartier

befam — eben fo in £fyierfyaupten , bem näcfyften Nachtquartier, ©etoofynt

in jebem Orte too idj mid? auffielt, £trd)e unb Ätrd^of $u befugen,

tfyat icfy bieg aucfy in £t)ierf)aupten. 3dj fanb bie 3?ird)e oerfcfytoffen,

tarn aber in ein Keines iöem^aug, unb tourbe beim Gmttritt in ba§fe(be

tounberbar überrafcfyt. @8 toar faft bunM; bocfy bie 5tbenbfonne burd^

flimmerte ein paar bematte ©Reiben. 2In ber 2Ganb ftanb bie einfache

Snfdjrift: £ob, too ift bein ©tacket? £) @rab, too ift bein Steg?

3cfy tourbe in Betrachtung oerfeuft. 3)ie faxten ©cfyäbet tagen fo ru^ig

ba, bag tc^ faft tottnfdjte, ju rufyen tote fie.

Süm 18. famen toir gegen 9?ain , Oon ba aus öffnet ficfy bie £anbfcfyaft,

man fiefyt fcfyöne unb liebliche ©rünbe. (Sine fyatbe ©tunbe fpäter an bie

3)onau, über toetdje auf einer gä^re gegangen tourbe. 3)te @egenb

oerfcfyönert fidt) an ben Ufern beS ftoljen f^lttffeö. @o fdjmat er nocfy

ift, bennocfy bünlt er un3 majeftätifd) , toenn toir ben ungeheuren dtanm

beben!en , ben er nod) burcfyftrömt ; efye ba3 fdjtoarje Sfteer ifyn aufnimmt.

-Sm 3)orfe 2ll~te3fyeim , unfern ber 3)onau , tourbe übernachtet. 3dj

bemerfte fyier bereits ben fd>roäbtfd)en £>tale!t. Sluf einer ftarfen SfoSfüfe,

untoeit beS £)orfe3, auf ber ein fd)öne8 Sdjtog unb eine Kapelle fielen,

genog idj eine berrttcfye 2fo«fidjt. 3d) W? HugSburg in grauer $erne.

£ange unterhielt idj mtdj ba mit einem rebfetigen SBertoafter.

£ro£ biefer äugern 2lbtoecfyfehmg unb SBetoegung, toeicfyt bie ©etyn*

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fucfyt nacfy dlvfyt nicfyt cmS meinem ©er^en, in meiner ify ben Söiffenfcfyaften

unb ben ©tubien leben tonnte, »on benen icfy nun, fyeimatfyloS, v>teCCetd^t

Qofyxe getrennt feim roerbe.

$on SlteSfyeim gieng ber Slftarfcfy über ÄaiferSfyeim unb §arburg

nadfj 9D?ebingen, mo Safttag gehalten mürbe; bann burdj Sftörblingen über

bie batyerifcfye ©rän^e, roo idj mit bem Hauptmann in ber Slftüfyle beS

Dorfes (Srpfentfyat Onartier erhielt. 2)ie SJcufyte nnb befonberS bie fyübfdje

SD^üüerötod)ter erinnerten mid) lebhaft an bie (^oetfye'fcfyen lieber. 3cfy

unterhielt micfy größtenteils mit ber ^eiligen £egenbe , bie icfy antraf. 3)er

STCller mar nicfyt ^u §aufe, fonbern Bei ben ©tänben in Stuttgart.

51m anbern £age burcfy ©ffmangen, bem man e§ mobl anfielt, baß

e$ ehemals Oon geiftlicfyen §änben gepflegt mürbe, nad^ Unterfonntfyeim,

too Bei mofytfyabenben beuten gutes Quartier gefunben mürbe. §ier über=

fe^te icfy au% £angermeile einige ©teilen beS Pastor fido tn$ (Sngtifcfye.

-23. Wpxxi frü^ 5lbmarfcfy aus Unterfonntbeim ; erft ungefähr eine

fyalbe ©tunbe oor ©dljtoäbifcfyfyall mürbe bie ©egenb anmutig ; bort öffnet

ftdj ba8 SBeinlanb mit feinen lieblichen §ügefn. SDurd) ©djtoäbtfdjIjaU

burdfy , beffen altertümliches 5tu3fefyen unb merfmürbige £irtf>e midfy

intereffirten, gieng eS an ben ©al^merfen vorbei nadfj SMfyetm am

focfyer, mo geraftet mürbe. 21uf bem Söege nadj £)efyringen faljen mir

bie (Stabt 2Balbenburg auf ber gfltyc unb Sfteuftein im £bate. 3cfy fam

nadfj einem 3)orfe $leinl)irfcfybacl) , mo id) bei einem ^Bauern mit biefem

unb ber ganzen Familie in einer ©tube campiren mußte.

3$ fyatte eine große @el>nfucfyt nad) 33üdjern. ®a idj aber im

Pastor fido gern laut laS, unb fyier nidjt laut lefen ronnte, fo nafym tdj

ben (Sulenfpiegel, ben icfy in einer Grefe fanb, unb las ifyn in ber 35er=

jmeiflung ganj burdfy.

£>aß idj in biefem fdjtedjteu Ouartter Safttag galten mußte, mar

mir freiließ nicfyt ertoünfdjt. £)od) hol mir ber Befall eine gerftreuung.

3dj fyatte nämlidj jugleidj mit bem (Sulenfpieget ein fliegenbeS £ieberbtatt

gefunben, mie fie unter bem 93olfe fyerumgefyen unb auf ben äftärften

»erlauft merben. Unter ben fiebern auf biefem blatte mar auefy eine

alte beutfcfye SBaEabe, bie id) fdjon auS §erber3 SBolMiebern rannte, unb

auS jenem SBolfSbialeft ins §ocr)beutfd)e übertragen r)atte, ba fie mir öiel

originalen ©eift unb Stermlicfyfeit mit ber altenglifcfyen ^oefte »erraten.

£)iefe felbe Sßattabe flieg mir nun fyier aufs neue auf, boc^ in §temltd?

5^1 at eng ^agebuc^. 4

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oeränberter ©eftatt, nodj einfacher a(S Bei §erber. Qty Befct)(oß fofort

fie in8 (£ng(ifct)e $n üBcrfe^en. The ealr and the nun.

2lucfy ein ffeineS £ieb: „£obe3ar)nung," baS ict) fct)on in SJKebingen

angefangen fyattz, ooHenbet. (£g toar mir a(3 oB ict) nict)t met)r jurütf*

fet)ren toürbe.

£)ie §au§(eute roaren gnte äfteufdjen. 3n biefer ©egenb Beft£t faft

jeber 23auer einen 2BeBftu()t.

£)urct) Defyringen, toeiter burct) (auter (ieB(ict)e, toeinBelauBte ©egenben,

an 2Bein§Berg auf ber §Öt)e oorBei, nact) -iftecfarfutm. £)ie Sd)ü£en*

compagnie, bie berfetBen ©tation ^umarfdjirte , erweiterte ben Sttarfd)

burct) manct)eS luftige Sieb, ba§ £)Ber(ieutenant 2Bitt)e(m GEella mit ber

Violine Begleitete.

%laü) ber finftern 23auernftuBe traten mir in bem freunbtict)en

Sftetfarfulm im @aftt)ofe jum (gr^erjog $ar( bie großen, angenehmen,

reinlichen gimmer topift ^acfymittag ein Spaziergang an ben frönen,

grünen , leBenbigen ^Bellen beS 9?ecfar — Alleen oon SÖeibenBäumen geBen

einen freunblict)en , erqnirfenben 3lnBlicf.

26. 2tyrit. ÜDer Sag, an bem toir oon Sftecfarfutm aBmarfct)irten,

toar für mid) ber angenefymfte auf bem ganzen 9ftarfd)e. £)a3 Regiment

oerfammette fiel) in bem eine Stunbe oon 9?ectarfu(m entfernten £>eitBronn,

too burefy bie Stabt parabirt tourbe. 23on §eitBronn gieng e£ üBer

Ätrdjfyaufen nact) Sßonfelb, ba$ ben §erren oon ©emmingen gehört, oon

toetcfyen jtoet oerfdu'ebene 23ranct)en bort mit it)ren Familien in ^toei nafye*

(iegenben Sd)löffern toot)nten. £>en einen biefer ©emmingen, beffen (Sttern

in SlnSBact) toot/nten, rannte ict) oon 3lnSBacfy t)er. (SBen $u biefem tarn

idt) mit DBerft, SDtojor, 5lbjutant unb noct) einem Lieutenant ins Ouartier.

§err oon ©emmingen, ein Weiterer, t)umorifttfdjer Wann, noct) in ben

Beften 3at)ren, Oon freier einnet)menber @efict)t$Bitbung. £>a$ Sct)toß

liegt fet)r angenet)m , ooran ein fct)öner tylafy mit alten Räumen unb einer

2irt £auBe — auf ber anbern Seite ein fet)r groger r)üBfd)er ©arten, too

fct)on £ulpen, Slurtfeln, Karaffen, Sftofen unb §^acintt)en Blühten, ein

ioot)leingertct)tete3 ffeines £retBt)au$, eine Sct)aufel, auf ber ict) mict) mit

ben Düngern tummelte. UeBer £ifct) erjagte äftajor 23atiganb biet oon

Sftußlanb, too eS U)m fet)r gut ergieng, toät)renb faft a((e anbern barBen

mußten. 23a(tganb tmtßte oon meinen Werfen, ict) mußte fie t)o(en, unb

Page 71: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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ber DBerft unb SBatiganb tafen barm unb toBten fte. 5lBenb3 fptetten

bie §autBoiften auf bem Sdfylogpla£.

3)er DBerft ^atte $örner3 lieber Bei ftd() unb fpracfy oon bem

glüfyenben ^Patriotismus, ber in benfelBen fyerrfdfje.

-3d() aBer, ber fyier bie fügen greuben be§ gamitieuglMeg unb beS

annehmlichen £anbleBeng fafy, badbte midlj im (Reifte an ber «Seite einer

geliebten ©attin unb mofytgeratfyener finber auf einem gartenumgeBenen

£anbfi£.

2lm 27. 2tyri( mürbe bie Babifcfye ©rän^e üBerfcfyritfen unb burcfy

Sin^eim nac^ §offenl)eim in3 Ouartier marfcfyirt, ba3 idfj Bei guten

reichen 2ßiebertäufern erhielt.

28. 9tyril langer unb Befcfymerlicfyer ffllaxfä Bei brücfenber §i£e auf

langweiligem 2öege. £u 2£i3locfy an ber Söergftrage mürbe etmaS geruht.

$on bort Bis Sd(noe£ingen gefyt e§ burdj eine Sanbmüfte. 3)a8 ^acfyt*

quartier mar Panbftabt, r

/4 Stunbe bon Sdfyme^ingen, mo idj Bei

toofytliaBenben iSauerSteuten feljr aufrieben mar.

29. Styrit. £)en anbern £ag gieng e§ üBer Sdjmet3tngen nad;

•ftedfarau. £>a fafy idj auf bem 2Bege juerft au§ ber gerne ben 9^em

flimmern. 9?ecfarau ift ein fefyr grogeS mofy(fyaBenbe§ £)orf, au§ brei

gepflafterten ©tragen Beftefyenb, mit einer fatfyolifdfyen unb einer refor=

mirten fördfje.

^ttannfyeim liegt nur eine IjalBe Stunbe baoon. 3d) BegaB mtcfy

fofort balun; e$ brängte mtd) ben ^etri ju feigen. -3d) eilte auf bie große

SdfyiffBrücfe. 3)a tag benn ber majeftätifdfye $önig ber (Ströme oor meinen

Soliden — id) gieng auf bag linfe Ufer, freubtg, bag e3 ben gfrattjofen

entriffen fety; id) fafy bie «Stelle mo ber 9?ecfar in ben dti)dn fliegt.

^ftacfy §aufe gekommen, mürben Briefe gefd;rieBen, e3 mürbe in

®oetfye'§ @ebicfyten gelefen unb ba£ ®ebid)t „an 23onaparte" Oollenbet.

2. tylai DWarau. 2)er Wtdav , nacfy bem biefer Ort Benannt ift,

Ijat ehemals feinen Sauf fyiefyer gefyaBt; je£t ift er eine Stunbe entfernt

unb ber 9?l)ein an einigen Stellen nur eine flehte SBiertetftunbe bon fyier.

3)en geftrigen borgen Braute ify auf einem Spaziergange baftin ju.

(Sr ift t;ier etma$ [dmiäler als Bei äftannfyeim; aBer ein groger Strom

fommt mir in einer oermilberten @egenb majeftätifdjer oor, aU Bei einer

belebten Stabt.

3dfy entbecfte aucfy ein päfcdjen, molnn idfy fünftig immer gelten merbe.

4*

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(§:8 ift eine 2SalbftelIe, ganz mit ©ebüfdj umgeben, in ber fTOtttc eine

^errltcfye Gidfye, um bie eine 9Jcenge t>on Gbfyeuranfen fidj in trauter

gfreunbfdjaft fcbtingen.

1. Wlai mit gfdfyamarin in SDrannljeim — laufte bie italienifdfye

Gfyreftematfyie ton -öagemann unb bie oft gclcfcnc giftet t>on $ope:

Eloisa to Abelard, nebft ben 21ntn)orten meiere mehrere engtifdfye $oeten

unb Mieterinnen barauf fcfyrieben.

3)aS Dcaturaliencabinet interefftrte miefy ; am meiften djmejtfdje, türfifdje

unb lapplänbifdje ^teibungSftüde.

2. Wlai. (Einige Sonette $etrarca'S in ber Slntfyelogie gelefen,-

herunter eS al(erbing$ einige göttliche gibt.

9cadjmittag3 am ^ein einige 23erfe, bie anfangen: „®a ftfc* idB an

beinern grünen @eftabe" k.

3. Wlal 9?edarau. £ectüre unb (Spaziergänge teilen meine 3e^-

Sfy fdjäfce miefy glütfltdj in tiefer fronen Oa^reöjeit einige SBecfyen auf

bem £anbe unb in fo annefymüdfyen Umgebungen leben ju können. — Gin

paar Stunben be3 SttorgenS bringen nur jebodfy auf bem Grercierpta£ ^u.

4. max in 9flamu)eim, too bis 8 Ufyr SC&enb« ber 9KarföaK SBrebe

bergeblicfy erwartet nmrbe.

5. äftai 2tbenb3 (Spaziergang am 2öa(b tytn unb einige englifdje 35erfe

gemalt. Borgens £fcfyamarin btfufyt, ber auefy $erfe fcfyrieb, ÄriegS-

lieber; allein er ift nidfyt ganz SDceifter feiner Spraye.

7. Wlai in SDtennfyetm, too nun gürft SBrebe töitlßdj anfam. borgen«

einen langen Spaziergang burd? ben 2Bafb jtmfdjen ^cetferau unb bem 9?l;ein.

GS ift ber fdjönfte engtifdje ©arten ber ficf> benfen lägt, im ^rüfyling mit

&afyrl)aft parabteftfdjen Stellen für einen einfamen SBcmbler. Sdfycnfte

Sftofenfyecfen. Ginmal, unfern beS 9?l>einbamme3, totnbet fid; ein Keines

Söäfferdjen in lebenbigen ^Bellen burdj bie ©ebüfcfye In'nburdfy unb taufenb

Pfriem fpieten am ®runb. Unter ben ©efträudfyen beS UferS ftefyt eine

fyofye prächtige Gidfye, tk tfyre ätt^Ö 2 tt>ett hinüber über ben 23ad; ftretft.

3)urcfy ifyren Statten unb baS nafye SBaffer ^errfd^t fyier bei ber ftarlen

Sonnende eine immermä^renbe toofyltfyätige SHu)(e. §ier lieg icfy miefy

nieber unb U& $epe7$ Gpiftel: „§e(otfe an 2lbälarb."

Gin ®ärtd;en am §aufe gibt auty einen füllen $(afc zum £efen.

3d) lebe angenehm unb ben SDcufen.

Page 73: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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9. äftai. Regenguß, ben £anb(euten fe^r erwünfdjt. 9?acfy bemfetBen

Spaziergang am Steffi.

11. 9ttai. Unfcäßticfy. 3)te gange Seit fyer Befestigte tdfj mtdfy »iel

mit ©oetfye. 3)iefer Wann BteiBt mir immer ein fyalBeS föfflj/fäL ©eine

(Hegten, tro£ ifjrer »erfüfyrerifdfjen 3mmora(ität , entwürfen midf) immer

als Sfteifterftücfe. 3d() fyaBe mir einen 2In^ng oorgügüdfyer ©teilen feiner

@ebidfyte gemacht, bie feinen (£fyarafter am Beften Begeidmen tonnen. «Seine

(Epigramme oon Sßenebig nnb feine SBeiffagungen be3 23aft3 geben mir

(Stoff ju Bietern ^ad^benlen. (§r toecft oft mit gwei Porten eine %nUt

, bon ©ebanfen. (§& Bewegt ftd^ eine gange SBelt in feinen ^robucten.

Qüf Wünfcfyte ba§ mir nnr eine einzige Unterrebnng mit ifym üBer ba3

£oo3 ber üftenfdjen nnb ben (Seift beS GEfyrtftentlmmS vergönnt wäre.

@elefen bie an$ bem Latein nnb (Sngtifdjen üBerfe£ten Briefe be§

SlBälarb nnb ber §eloife. Süf möchte fie wofyt im Latein tefen. £)er

(Styl, BefonberS ber garten £>ulberin §etoife, ift mefjr als fyinreißenb.

9ftan ftößt auf ©enterben, beren tkft 2öafyrfyett in bie (Seele greift.

SDiefe töirfitd^ gefcfyrieBenen ^Briefe finb Bei weitem fdfyöner nnb rüfyrenber

a(3 bie poetifdfyen fepiftän ^ßope'3 nnb anberer. -3(f> neunte mir cor, oon

biefen ^Briefen einige in§ 3)eutfdje §u üBertragen, wenn ber $ufenthalt

in üftedfarau länger bauert.

On biefen £agen BetrüBt mtdfy ber Mangel an poetifdfyen 2(ugeuB(icfen.

7. SD^ai Wieber ein paar £)id)terftunben , bie icfy wofyt Benü^te. Qä)

wählte bie lieBenbe Neigung gum (Segenftanbe. S)tc Briefe 2lBä(arb3 nnb

£etoife'S lenften meinen ©eift auf bie $orm ber §eroibe, bie ®oetfye'fdjen

Plegien anf ba8 2fttertfyum unb auf baS $erSma§ ber £>tfticfyen. Unb fo

entftanb eine §eroibe: „(£fyoröBu3 an (£affanbra." Qfy fyatte biefen (Stoff

fdwn oer einigen -Sauren einmal in gereimten £rocfyäen unb gang unau£=

geführt bearbeitet. 3<fy Iwffte baß bie §erameter, unb BefonberS bie

Pentameter fUegenb unb ofyxz $e!f)t fetm feilten.

-3d? fonn nidfyt um^in, noefy eines rotten 2ttertfdjen au§ unferer

9?acl)Barfcr)aft gu erwähnen, (Sci)on in Sftündjen t)örte ict) meine §au§teute

gufäüig oon einem äußerft Bigotten penfionirten pfätgifct)en Hauptmann

ersten, ber bie Sdjwefcinger Kapelle unter fiä) t)ätte. $d} t)atte eS

tängft wieber oergeffen; aBer ptb^tict) erfd)eint berfetbe Hauptmann fjter

in Sftectarau auf ber 23rütfe, Wo ein fettiger 9?epomuf ftet)t rBringt

mehrere §äfen Ootl ^arBen mit unb pinfett ben fertigen 9^epomu! mit

Page 74: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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eigener £anb, auf einer Leiter ftefyenb, auf ba« forgfältigfte an. <5o

toirb er ber 2£ofyltfyäter ber ganzen ©egenb. 3u9^e^ fya* er audj ein

gebrückte« Rapier au«getBeitt, ba« ben 2öunfcfy ber ^ßfätjcr au«fprict)t

unter Bafyerifct)e £errfdt)aft 3U fommen, unb ferner« eine 3)anffagung

enthält für bie (Siege in ^ranfreidj int vorigen -Öafyr, eine 3)anffagung,

nicfyt an ©oft, nid)t an bie SÖaffen ber OTirten, nidjt an ba« ertoadfjte

3)eutfdjlanb , fonbern an niemanb anber« al$ an ben ^eiligen Dfobomuf.

13. 2ftai, ^fingftfonntag. £efen in ber SBiBel.

15. Sttai. £)ie §eroibe oollenbet, toie tdj mir einBitbe ntdjt ganj

oerioerfttcf). Sie fyat 140 $erfe. — 2ludj ein anbre« ©ebtdjt: „(Stfticf

olnte S^eitnalnne" entfielt. §'« malt bie fdfyöne 9?atur, in ber idfy mify

olme alle STfyeimalnne ergebe. 3)a« $er«ma§ ift ein itattenifcfye« lieber*

ntetrum.

18. Wim. Wt SBrtefe oon ber 9Jcutter finb mir fyodj im greife

geftiegen, feit itfy nidjt mefyr in SJcüncfyen Bin. fernen 23rief ju ermatten

fyat jefct für mid) ein ungemeine« -Sntereffe.

<3onft fi^en nur immer mit £fcfyamarin ^ufammen auf bem 23rücfen*

getänber gegen bie 9ftamu)eimer ©trage ju.

21. 9)cai. 3n meiner ttauentfdjen 2lntl>ologie fanb ict) unter anbern

ein mir nod) unBefannte« ©ebicfyt bon ©iacopone ba STobt »on großer

2lu«belmung, roeld>e§ unter bem £itel: gruttola, eine große Slnja^t

Sentenjen für ba« menfdju'dje £eBen enthält, orbnung«to« aneinanber

geregt. <2ttoa« italienijdfyen (5goi«mu« abgeregnet, traf idj auf manche

treffliche Regeln unb Söafyrfyeiten. -Scfy merfte mir Befonber« fotgenbe Werfet

Leggieri e il distruggere,

Stento T edificare,

Tosto piaga non curasi,

Che tosto si puö fare.

£>ie§ ©ebtct)t Braute meine ©ebanfen auf Änigge'« Umgang mit

ÜKenfdjen, toetdfye« 23ud? idt) mir au« einer £eil;BiBliotl)ef oon äJkstnfyeim

Bringen ließ. 3cfy fa« e« fdjon öfter« , aBer immer tefe icfy e« mit -ftu^en

unb Vergnügen. (E« ift eine treffliche (Schrift, bie ifyren SBertt) niemal«

oerlieren fann. (Sine 9?egel fyat mir Befonber« gefallen : „@efye oon

niemanbem, unb faß niemanben oon bir, ofyne ifym etioa« Steinreiche« unb

SBerBinbücfye« ju fagen ober auf ben 2£eg gegeBen ju fyaBen." $nigge

fagt: „um fein ©ebäct)tm§ 3U fdjärfen folCe man fic^ nidfyt angetoölmen

Page 75: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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alles aufzufdjreiBen , toaS einem begegnet ®egen biefe Sftegel fünbige idj

nnn tägtidj, unb idj glauBe, idj toerbe nodj lange bagegen fünbigen."

Leiter (Spaziergang am ^l>ein ftromaufioärts an Orten, too id)

Bisher nodj nicfyt ioar. Sefyr lieBticfye $lä£e, fyerrlidje 2luSfidjten. 2>on

einer Söeibe fyeraB, bie id) Beftieg, üBerfalj id> eine gewaltige (Streife beS

S^einS, ben eBen bie legten Sonnenftraljlen Ijerrlidj üBerfdnmmerten. £)aS

5lBenbrotlj Tratte faum Begonnen bie in lieBlicfyen äftifdjungen oertoeBten

Wolfen mit einem fanften garBenfyaudje ju malen, nnb getoäfyrte einen

magifdjen 2lnBlitf, jurürfgefriegelt oon ber ftiHen glutl). S)ie @efträudje

anf nal;en Onfeln nnb auf bem jenfeitigen Ufer burcfytoeljte ber $£6enb=

toinb, nnb ein ferner ^ircfytlmrm fyoB fein fptfceS §aupt rufyig empor in

bie toeite Dämmerung. £)ie 9?atur 30g ben ©dreier immer tiefer in ifyr

®eficfyt, nnb faum fyörBar fyülte ber ^etn an ben Straub an. — (Srft

fpät fam id) nad) §aufe.

24. Sftai. £>Beron toieber gelefen. — langer Spaziergang am ^ein.— SJMancfyolte —- eS ift mir eitel im ®emütfye, tüte anbern im Sttagen.

26. Whl ©n ptö£lid;er £>rang nad) Sdnüer'fdjer ^oefte. SDfaria

Stuart gelefen. -3d) ertoälme nichts oon ber £iefe beS ©efüBlS, toelcfye

baS ganze £rauerfpiel burdjziefyt, nidjtS von ber Inmmlifdjen Äraft unb

5lnmutfy ber £)iction, md^tö Oon ber ergreifenben ®arfteHung ber tragifcfyen

Situation — fonbern id) glauBe baß BefonberS bie (£{j>arafterfdK'lberung

eine ausgezeichnete 2lufmerffamfeit oerbiene. SSetcfy ein toeid)er, toanfel*

finniger, Biegfamer, fdmteicfylerifdjer §ofmann, biefer £eicefter! SBeldj

ein eigenwilliger, nur auf ben StaatSOortljeit Bebauter, BilligfeitSlofer

dritte, biefer 23urleigfy. tiefer Siftortimer, toetdj ein treues 23i(b eines

religiöfen ScfytoärmerS, ioie fie unfre £age toieber auftoeifen. 2Bte gut

burcfygefüfyrt ift ber eitle, gletßenbe (Efyarafter ber (SiifaBetl). $n Sir

faulet fefyen loir baS toaf>re (konterfei eines reblicfyen aBer raupen unb

unbulbfamen ©iglänberS ; nid)t fo faft ben $emb ber äftarta als ifyreS

©tauBenS, unb, toie er felBft fagt, iljrer £after. — Stiller fyat meines

33ebün!enS fefyr tool?! getrau , bte Religion fo fyäuftg fyeroortreten §u taffen

als bie (SriS jener &ittn.

äftefyrere Spaziergänge am Sftljein. ©nige Stellen beS UferS fdjeinen

baS SSaterlanb beS (SpfyeuS z« fet)n , fo fyäufig iotrb er bort gefunben.

(gr fGelingt fidj nicfyt Blog um Säume unb Sträuße, fonbern aucfy um

fyol)e 53(umen unb @raSfyalme, toenn er feine anbere Stit^e ftnbet.

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ßu Jfdbamarin fcmme tdj faft tägüdb.

27. ÜRai (Spaziergang am ^bein. Pastor fido gelefen, „au§ beut

tcf> immer fcie( <Sdjcne3 fyerau§lefe."

28. $cai (Mefen: föügge'S „Vornan meinet £eben$." 2£emg fcon

beg SBerfaffers £ebeneumftänten, mefyr fcon feinen (Srfabrangen unt Reifen.

Tief? 23ucb fyat mieb mit fcielen nenen -3been bereichert — bie afte £ef>re

prägte ftdj mir ncdj tiefer ein, bajj ba§ eigentliche Stubtum be3 Sftenfcben

ber SQcenfc^ fei}. 3cfy lernte audj, immefern man felbft auS Jtteinigfeiten

naefr unt nacb bie £eute beurteilen fenne , nnb tüte nicbtS ganj unbebeutenb

fei) in biefem £eben.

1. Suniu*. Oean $au( ift infefern ber beutfcfyefte Scbriftfteller,

a(3 er ber unüberfe£barfte ift, jetcäfy muß man an feinen ^ttyl gemeint

feim, nm ilm ju lieben. 2>a§ erfte ®efül)( u:a3 biefer <2d)riftfteller,

tiefer ^auberifdbe Siebter erregt, ift 33ennmterung t^ettö über feine

ausgebreiteten ^enntniffe unb 23elefenl)eit, t^ettö über feine treffenben

2£afyrfyeiten , feine ^fyantafien, $umeift aber über bie fyerr(id)e Äüfmfyeit

feiner bilterreicfyen Sprache. 9?can begreift niebt, tto er äße feine

äftetapfyera hernimmt, freiere neu, treffenb unb fülm finb.

$a£enberger (ber £>e(b in £a§enberger* ißatereife) gefällt mir in

feiner Scfjtaufyeit , (Mefyrfamfeit unb ©robl)eit unb feinem dtmi§mu3

nidu; Jfyeoba ift ein (iebücfteg Sötfb, mit §errn b. 9cteö fdjeint 3ean

<ßaul ju ftrenge terfabren $u fetm. 35tc 2luffa£e über „(Xfyarlotte (Ecrbaty"

unb „bie SBernicbtung" entwürfen miefy; fie finb baS Sdjcnfte n>aS man

(efen fann.

2. -3uniuS. „£e3 ©efüfyfreuen klagen" getidbtet — auf tem

(Spaziergang.

6. -3uniu0. „3)ie ü^etfe nacb ^raunfebtretg, femifcfyer Vornan fcon

fotigge," in tiefen Jagen gelefen; angenehm unb, ttenn man n?itl,

ter;rretct). „3)ie (trafen fcen §c^enberg, üon Caroline ^icfyler." — 2ßer

ben 5IgatbefleS biefer Scbriftftellerin gelefen bat, ttirb erftaunen fyier

einen gercöfmücben Sittenroman ju finben.

10. Sunius in Scbtoe^ingen.

11. -3uniu3. 3n tiefen Jagen Oberen lieber gelefen; ein f>err=

licfyeS 23ucb. —Briefe t-cn ber SJhitter femmen fefyr l)äuftg unb tuerben pünftlid)

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beantwortet. 2lucr; an ©cfyticfytegrotl , 9ftaffenbacfy, ©dmifctetn, Xr/tanber

totrb fyie unb ba gefdf>rteben.

£fCumarin ift ber ©otyn eine« gfeif^erö in Zixot, wuefy« ofyne alle

(Srjtefyung in einem aberglä'ubifcfyen ^ettgion«unterricfyt auf, Würbe ©otbat,

unb War, ba ify ilm fernten lernte, gegen 20 Satyr.

(Sr war in Statten, ^ranfretcf/, Sttugtanb gewefen, unb fyatte alle

(Sigenfdjaften eine« folgen, ber burdfy bie fyalbe Söeft gereift ift, ot>ne

einen nähern unb betracfytenben Stntfyetl an ben fingen §u nehmen. @r

»erlor ben (Stauben an alle« wa« fdjon unb grog ift, „war überzeugt

bag jeber alle«, toaS er tlme, au« £iebe junt Vorteil tlme." (Sr formte

feine »on ben Vergnügungen, fetbft feinen Don ben gtütfticf/en Srrtfyümern,

mit benen bie (ginbifbung«rraft bie ättenfcfyen befct)enft. £)er Aberglaube

feiner Sugenb oertteg Um, aber er nafym auet) bie Religion mit fict) fort,

ober lieg nur einen Keilten £t)etl baoon jurücf. ©eine ^enntniffe finb

grrücfyte feine« eigenen Steige«, er überffyäfyt fie bafyer, wie bie meiften

Slutobibarten. 2We« roa« ba« Wiüt'dx betrifft, fennt er grüublicfy, fein

(gtfer unb feine £r;ätigfeit finb muftertyaft. Sn ber Sfteget berb, Wa«

ifyrn »Ott feiner Sugenb unb feinem ©teuft a(« (gemeiner anfängt, fann

er audfy fein unb fyöfltcfy feint. @egen bie ©ölme oon Abeligen t)at er

ba« Vorurteil, bag fie in ber Sftegel fcr/wäcr)licfye @efcr)öi;fe feigen; -bie

$inber be« gemeutert Volle« Ratten, eben wegen ifyrer fräftigen ÄÖrper*

conftitution , mefyr natürlichen Verftanb, unb bie Abetigen formten nur

buret) (Sr^ielmng ermatten wa« jene oon 9fotur fyaben.

13. Suniu«. £)a« 3)uell jwtfdjen ©djönbrunn unb Wödd fanb

ftatt. 23eibe Parteien würben oerwunbet, ber Hauptmann bebeutenber,

ber Lieutenant teid)t. — 3)a« füfyrt mtdj auf ^Bemerkungen über bie

fatfetye (Sbre.

15. Suniu«. 23atb barf tefy festen für mein Vatertanb, unb einer

meiner fyeigeften 2Bünfci}e ift erfüllt.

18. Suniu« at« (befangener in äftarmfyetm. (£« war nämtief/ am

16. in 9D?annt)eim eine groge kernte. Set) ^atte gelbe ©ommerbeinfleiber

anftatt ber blautuc^enen an, unb fo fcfyicfte mict) ber Oberft in Arreft auf

acfyt Sage. £)oct) würbe tet) einquartiert, Wohnte fefyr gut unb r)übf(i) unb

War fefyr aufrieben. £>a« einige tfyat mir leib, bag unterbeffen meine

Kompagnie naci) 9?ecforf)aufen, ^Wei ©tunben oon §eibetberg, »erlegt

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rcnrte, urtb mir fu tie ©elegenBeit entgieng tiefe Statt imb ScBlicBtegreß,

ten icB bort rermutBete, $u BefucBen.

3cft tedjwtc Bei einem GUaSBantler, ScBmucfert, einem serftäntigen

alten Spanne, bec ^roet Si51me unt ^trei £b'djter Barte, bie eine fieBen,

tie antre, ein ImBfcBeS, fleißiges, fyäuSlicBeS DJcätcBen, treiunt$man$ig

SaBre alt. 3RÜ tiefen leiten £ecfttern früf>ftücfre nnt ag idj. (Sinmal

mar tdt> einen gan}en Radnnittag in ü)rer ©efeHfcBaft; eS mar nccB eine

Safe ba, ein artiges nnt luftiges grauenjratmer. Sie tbaten atleS micB

jn unterhalten. — 5Dte Butter, eine gute alte eerftäntige 23ürgerSfrau,

taS 9Jcnfter einer teutfcfren §auSmutter.

©elefen: 3)te ©efcBicBte beä 23emBartementS i>cn 2)cannfyeim 1795,

SMtaire'S CEantite, fcBer5= nnt ernftBafte TOScellen ren 2£etf>Ber, ter

-3ean ^}anl nacftaBmen miß, aBer toeter feinen 3£i§, necB feinen 2krftant,

nocB feine $ielfeitigfeit Bat.

2lm 18. giengen trei Regimenter Infanterie, einige SagerBataillone,

aucft Artillerie Bei 2)cannr/eim üBer ten Rfyein; tanmter aucB mein Stkf=

Brnter Beim jelmten Regiment, ten icB mcr)t fefyen fonnte, toetl tcf> nicBt

auSgeBen turfte. -3cB Berte tag unfer Regiment am antem £ag gleichfalls

üBer ten RBein geBen feile. Tie RacBricBt mar richtig.

19. SuninS fant ter HeBergang ftatt.

RacB einem ^rüBftücf mit Gaunerte, ter äderen £ecBter, nadj

l)er,licBem 2(BfcBtet ten ter mürttgen nnt angeneBmen Familie, unt

nacBtem itib eerfprccBen ftc $u BefncBen, menn icB in tie (Regent tarne,

meltete icB micB meinet 5lrrefteS entlaffen Bei tem DBerften, teftlirte

mit tem Regiment ?cr tem ^ren^rm^en unt tem SftarfcBall, faB uner=

märtet ncd) §erra ^lacf, tem icB (SmpfeBlungen an feine Scfrmefter unt

feinen ScBmager §amier auftrug. 5IucB ScBni£lein fyatte an temfelBen

£age ten RBein paffirt unt lieg micB burcB £>rff grügen.

£er burcB bie §i§e BefcBmerlicBe DJcarfcB rüBrte turcB DggerSfyeim

unb eiele Werfer, tie icB nicfyt fc fcBön geBaut fant als tie DrtfcBaften

auf ter recBten Seite, naeft £eiteSBeim, anneBmlicB am $uge ter §ügel

liegent. §ier ift ta§ mafyre £ant ter ^riieftte unt teS 2öeinS. Wanfiefyt nicBtS als Söin^er. 3cft meBnte mit frier Cfftcieren unb 36 2)cann

in einem §aufe. Ter Ort mar üBerfüttt

3£ir ftnb Bier fecfyS Stunten ecn ter feintlicBen @rän3e. Tann

roirt ter .^arntf Beginnen.

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20. 3uniu3. Huf bem 2Beg nacfy taiferStautern. ©efyr angenehme

HuS fixten. £)a3 gan^e £anb oon 3)eibe3fyeim an ift ein Beftänbiger

2Beingarten. 2Btr famen burd; ba3 reBenumgeBene SBadjettfyetm , Heine

fyüBfcfygelegene ©tabt; nidjt toeit baoon £>ürffyeim, eine jiemticfye ©tabt

mit ben angenefymften Umgebungen oon ber 2öe(t; bie £age ber SBorftabt

fefyr romantifdj. 2Bir fallen audj eine alte Sftuine an einem SBerge, an

beffen $u§e ein fteineS 2öaffer fliegt. .£)ort Beginnt bie 23ergfette, unb

man finbet oiete afte Bürgen auf ben §öl)en. Nachtquartier in $ranfen=

ftein, ein £>orf baS stoifdjen Sergen Hegt. Huf einem nafyen Reifen ein

afteS fyatBoerfaÜeneS <Scfy(o§, baS idfy erftieg unb ganj burcfyffetterte. S)te

HuSficfyt gefyt in baS fdjönfte £fyal unb ift fel;r angenehm. 3$ tyatte bie

©ebanfen, bie SDtottfyiffon in ber (Slegie ausgebrochen fyat

22. OuniuS. itnenbfid) ermübenber unb unangenehmer Sftarfdj Bi3

<paBftnfyt Bei &mbftufyt. Sftegen oon granfenftein an. Sn faiferSlautern

trafen toir ben Kronprinzen unb ben SKarfdjatt, mußten brei ©tunben

toeiter üBer einen Bergigen 2öeg nad) Srippftabt, einem fd)(ecfyten £)crfe,

unb faum bort angefommen, lieber jurücf nadj KaiferSurutern. £obmübe

auf ba8 (Strol). (Bdjon um toter Ufyr Borgens in naffen Kleibern toeiter.

Huf bem Söege fafy idj bie erften Kofafen — ein ^ßoftfecretär fufyr oorBei,

ber mir einen 23rief oon £fy(anber gaB. — 9?acfyridjt oon einer totalen

9ftebertage 23onaparte'S in $(anbern.

§aBftufy( ein £)orf an ber £anbftra§e in ber @egenb oon §omBurg.

£>iefe Drtfcfyaften im gtoeiBrücfifcfyen gleiten nidjt jenen ftabtgfeicfyen £)orf=

fdfyaften Bei äftannfyetm unb am dtyän. £)a$ $$olt ift arm ; feine SöeinBerge,

nur Kartoffetfetber — bocfy bie @egenben fyüBfd) — unb alte @dj(öffer.

24. -3uniu$ in 3^e^ru(fen r ^ ™ einem angenehmen £fyale jtoei

(Stunben oon §omBurg liegt. Huf bem Söege fyietyer regnete e$ Beftänbig;

id) tyatte bie Hrrieregarbe , unb toar faft immer gelungen ju laufen. -3n

3toeiBrücfen toofmte id) fefyr IjüBf'dj. 3)er §err be8 §aufeS toar ein ftiüer,

fleißiger ©efcfyäftSmann , feine $rau ein BüBfdjeS unb artiges SöeiB. 3cfy

glauBte baß er ein granjofc in feinem «Sinn fety; beßtoegen, ba ber

mit mir einquartierte Lieutenant üBer £ifdj fagte, ba§ ioir in ben Krieg

jögen um 311 aoanciren, unb midj fragte h)arum benn fonp, antwortete

idfy mit oietem ^euer unb fpracfy oon ber ^rannei 33onaparte'Sr

Oon

unferer ^rei^eit, 00m allgemeinen ^rieben :c. — irf» n>oKte ioeber meinen

^ameraben, noc^ ben SBirtfy Beeren, nur njoltte ify bem festeren

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einige SBafyrfyeiten fagen, bie fyerrfdfyen fottten in jeber beutfdjen Sßruft.

(£r fdfytoieg. 3)odfy grollte er mir nidfyt. 3)enn ba id) ben (Sotta'fcfyen

SMmanadj, ber bie ©djttfer'fdje lteberfe£ung ber ^ßfyäbra enthält, oon tljm

entlehnt nnb fie ifym TOettbÖ jnrücfgegeben fyatte, fcfyenfte er mir ü)n am

borgen mit ber SBemerfung, baß er mir feine Unbequemtidfyfeit machen

fönne, toeil Kein unb tragbar. £>a£ 23udfy felbft vereint anmutig bie

gattifcfye nnb beutfdfje 50iufe jnr frönen 8tume.

©dfyillerS Ueberfejsung ift benen be£ äftafyomet nnb be3 Stanfreb oon

©oetfye oor^iefyen.

35on gtoeibrüdfen an^ burefy oiele Dörfer, too mir bie ©locfengeftelle

auffielen, bie mitten anf ber «Straße, bie @todfenti)ürme oertretenb, fielen.

2Bir lamen burdfy baS fyübfdfygebaute Stäbten 23tie§cafteß , mit feiner frönen

$ircbe, in ^errüdjer ©egenb jtotfdjen £>üge(n. S)ie S3tteö fcfyeibet auf

biefer (Seite ^ranfreidj Oon SDewtfdjlanb. SÜtf bem anbern Ufer liegt

^rauenberg in ^üBfc^eu @egenb. 2luf 2tugenbti(fe mar icfy fyier fo glüdflidf)

meinen Vorüber $u feigen , ber fdmett toieber fort mußte , nnb beffen Regiment

beftänbig btoouafirte.

$rauenberg. (Sin groger Zfytii ber (Sintoolmer ift auf bie 33erge

geflogen, (S8 gibt oiete 3uben fyier, man fpricfyt ein fdfytedjteg £)eutfd&,

ift franjöftfdj gefinnt — and) fcfyon fran^öftfdfye &itti, ber §erb j. (£. ift

faft ber (Srbe gleidfy; fie geben im$ feine Keffer bei £ifdje, fie Ijaben fein

3imt, fonbem gatyence, trinfeu ben Kaffee md)t au§ Waffen, fonbern au£

^ctyfett ic. (Sin SBauer mürbe arretirt , toeil man 20affen in feiner ©tube

fanb. 3)er Drt liegt im ©aarbepartement.

25. -SuniuS nadj ©aargemünb. (§8 begegneten unS frattjöftfdje

(befangene , barunter fieben £>fficiere. (£8 regnete unauffyörlidj. -ftadjridjt

oon be3 fcfyänbtidjen Napoleons ftiudjt oon SBatertoo.

5lm 26. -3müuS nadfy 23ißborf — Bistrouve — ein armeS 2)orf in

£ott>ringen, too ba8 SBolf noefy beutfefy fprtdjt, aber ganj fran^öfifd? gefinnt

unb gefittet — Kamine ftatt ber §erbe — bie ©d;lote fefyr meit. @$ ift

fefyr angenehm, fo runb um ba£ geuer ju fi£en unb ben $?audfy auffteigen

ju fefyen. 23t8trouoe ift neun ©tunben Oon Sttefc, jtoölf gute ©tunbeu

oon Sftancty. (£8 regnete fortbauernb.

3d) muß miefy besagen über meinen Mangel an poetifdfyen Slugcnblirfen.

Söeber bie großen Gegebenheiten in -Italien, nod? ber Sftfyeinübergang^

nod) bie glorreiche Slffaire in ben Sftiebertanben , too bie Preußen auf8

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neue bte $reifyeit ber SBötfer retteten, nodj ber UeBertrttt ins feinb(id)e

(bebtet tyaBen mir einige $erfe enttoeft. $oefie ift ein närrifefy 3)ing, fie

liegt nidjt in ber ffllafyt ber ^ßoeten. —<peute erlieft icfy auefy ^toei Briefe unb (a3 fie mit großem Vergnügen.

£)er eine mar oon meiner teuren Butter; fie ijjatte ein fleineS engüfcfyeg

®ebid)t oon helfen an £abty Hamilton beigefegt; ber anbre mar oon

2ftaffenBad), bem 2)örnBerg unb 2)rfcfy einige ßtxkn Beigefügt fyatten.

3)er atte 23auer, Bei bem tefy in 23ißborf mofmte, mar fefyr erzürnt

üBer Napoleon. „(Sin SBater, fagte er, ber feine finber ntcfyt (ieBt, fann

fein gnter $ater feim. @IauBen (Sie mir, nur bie (Großen, bie ber

faifer Bereichert Bat, glühen für feine «Sacfye , baS $otf ift für ben fönig."

3)a$ £anboo(f üBerfyaupt ift bem Könige nicfyt aBgeneigt, meit er fielen

©öfmen ben 2lBfd)ieb gegeBen fyat.

3n ber brüten Drtfcfyaft naefy 53ißborf fyracfyen fie Bereit« melfdj,

toa3 einen fonberBaren (Sinbrutf macfyt. (Snbticfy famen mir naefy ^ßrelnnS,

mo mir gtauBten ju Mittag ^u effen unb jn Bleiben. Qfy mar erftannt

üBer bie tonutfy unb £)öfticfyfeit biefeS gemeinen SBolfeS, unb BefonberS

üBer bie Bterlicfyfeit , mit ber fie ifyre (Sprache reben , bie fie auefy feljr gut

auSfprecfyen. Unter einanber reben fie $atoi$, oerftefyen aBer auefy fo gut

toie ein ©entleman ju reben. Lebensarten mie Donnez vous la peine

d'cntrer ober Tout ce que nous avons est a vötre service etc. toirb

man umfonft Bei einem beutfcfyen dauern fudjen. Unb bann eine fo oer=

Binbtfcfye 9Irt.

$aum mar bie (Suppe aufgetragen, fo fam Drbre, meiter naefy

(JfyamBrty , einem 25 orfe nicfyt fefyr meit oon (£fyateau=@altnS ju marfcfyiren,

um näfyer an 9?ancty ju fetyn , mo mir ben anbern borgen einjtefyen füllten.

S)te fran^öfifcfyen unb beutfcfyen Söauernfyäufer mtterfcfyeiben fiefy Befom

ber« baburefy , baß erftere leine fo feigen 3) äcfyer fyaBen , unb gemölmüdj

unftymmetrifdj geBaut finb , mit wenigeren aBer befto größeren unb ferneren

$enftern, beren (ScfyeiBen mit §0(3 eingefaßt finb.

3n ber ^äfye oon (£fyateau=(3aling fallen mir einige SöeinBerge. 3mganzen aBer finb btefe £otfyringer ®egenben nicfyt ausgezeichnet, ^refymS,

in einem großen Staate gelegen, unb feine UmgeBungen aufgenommen.

$luf unferm Söege gegen (£fyamBrty ruhten mir einmal auf einem oertaffenen

23ioouacpla£ , bort las icfy baS Statt beS Boniteur, in meinem bie

üftacfyricfyt oon ber 5lBbanfung Napoleons ftanb.

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%m 28. 3uniu3 $og bie gan^e Angabe ; SBrebe an ber (5ptfce , in

9?ancty ein.

Sftancty ift bte ©tabt ber prangenben §äufer; bte place royale,

gan^ umgeben mit ^atäften unb frönen $aufmannSfyäufern , imponirt.

£)ie breifarbige gafyne, bie nodfy auf einem großen öffentlichen ®ebäube

flatterte, mürbe fyerabgeriffen, bie meiße aufgepflanzt. 3)er £ärm babei

mar ungeheuer; einige ^Bauern riffen bie breifarbige in ©rüden, anbere

traten barauf. £)a3 WM $tiXz fcr)on feine meinen (£ocarben in ber £afä)e

unb ftecfte fite auf. Einige riefen vive le roi! anbere vive Tempereur!

einige audj vive la republique!

Qfy erftaunte unb erfcr)raf über biefeS 23olr\ — 3dj glaubte in einer

anbern 2Mt ju feim, feit idfj miä) in biefem mächtigen Sftancty beftnbe,

unter frembem S5oö , in einer fremben, großen ©tabt, faft bie größte bie

icfy fal): my native language charms my ear no more!

Man fagte, (General Wafip ftefye in ber 9?är)e unb ermartete ein

treffen mit ü)m.

$fy molmte an ber frönen großen place Carriere, an bie eine

t)errtict)e ^romenabe ftä) anfdfyließt. ©eim beriefen mürbe immer baS:

Vive Henri IV. gefyiett, jur ^erjftärtung für bie Sftotyaliften. Unmeit

be$ §aufe§, ba§ et)er einem ^ßataft gticf), mar auclj ber (Sittgang in ben

öffentlichen ©arten, ber angenehme (Spaziergänge barbot.

3cr) molmte bei ber Söittme be§ (Generals ©itot, beS ehemaligen

(^ommanbanten ber ©tabt. 3)ie fetyr fdfyörte £oct)ter mar an einen frart-

jöfifa^en £)fficier oerfyeiratfyet. §au3frau unb Sßebienteit maren fet)r fyöflict}.

-3n einem leeren @ct)reibtifct)e fanb icr) ein franjöfifdjeS £ieb, boct)

nid)t ootlettbet , über ben emigen Ouben. -3d(j fenne beutfc^e unb engtifdje

®ebicr)te über biefen ©egenftanb; beßfyatb intereffirte eS mict). (£8 ift fefyr

einfach, mie eine englifcfye 23attabe, unb beginnt:

Est il rien sur la terre,

Qui soit plus surprenant,

Qae la grande misere

Du pauvre juif erraut etc.

<3cr)abe, baß e3 nicr)t ju (Sttbe gefctyriebett ift.

2118 tct) mit ber 2Bacf)e abmarfcfyirte , gab mir ber £)berft nocr)

einige fyarte unb fpitjige hebert, baß iä) nid^t für einen ©olbaten gemalt

toare jc, baß er anbere Maßregeln ergreifen müßte. (53 ift roafyr, idfy

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(äffe mir mandfmrat ein $erfefyen ju ©cfmtben fommen, bocfy fyaBe ify

atten guten Sötden unb (Sfyrgefüfyt genug um meine ^ßfticfyt ju tlmn.

2IBer jeber Beteibigt midfy unb xty fyaBe feinen SSertfyeibiger , mk Raffen

midfy, weit icfy an ifyren luSf(Reifungen unb tafeben @eftorä(fyen feinen

Zfydl neunte, anbere fennen mid) nidfyt unb oeradfjten miefy.

£)ie SBetoofyner Oon 9?ancty ftoredfyen nodfy immer mit £fyeiüiafnne

bon ©taniSlauS £eScim3ft.

£)ie Sftotyaliften fagen ba§ ber @eift bor einem 3afyre burdfy ganj

9famct) nodfy oortreffticfy getoefen, unb nur burd? ein Regiment oerborBen

korben fefy, ba8 feit bem testen Kriege fjter garnifonirte.

@3 giBt Diele gamitien in ftranfreidfy bie ityr ganjeS §au3toefen

in einer unb berfetBen ©tuBe fyaBen', nämttdfy tt^re Letten in einer SHfooe

(bie man allgemein finbet), ifyre @arberoBe in einem großen ©dfyranfe,

ü)re $üdfye unb ifyren £)fen im Kamine.

(SelBft bie aufridfytigften 23onatoarttften BaBen in ü)ren §äufern nod)

ba3 SiBseidfyen be3 SftotyatiSmuS, baS £ifiemoabtoen , al$ bie getoolmticfye

3ierbe ber $amintotatten.

1. 3utiu3. (Heftern iourbe idfj Don ber Sßadfje aBgetitöt. Sfy fyiett

miefy toäfyrenb berfetBen immg in ber ©tuBe be$ $ortter§ »du @t.

(StaniStauS auf, ber ein Wann oon fünfnnbfieBenjig -Sauren ioar unb

at3 <Sotbat unter £ubtoig XV. unb XVI. biente. (5$ maren gute £eute

unb 9?ot;attften ; bie $rau ftoracfy ettoaS beutfefj.

-3d) a§ geftern noclj Bei Sftabam ®itot 31t Mittag. 5tudfy bie fyüBfdje

ÜTodfjter toar gegenwärtig, unb eine alte §ofmeifterin. Butter unb £ocfyter

traten nicfyt3 al% bie Späten Söonaparte'S greifen , erftere nur mit wenigen

Söorten, aBer Dieter 23itterfeit, tefctere mit jiertid^er Söeitfäuftigfeit. Qti)

nannte ilm aBer einen $errä%r, einen SBerBredfyer , einen ©bBrücfugen,

einen genfer ber S5ölfer. Nous aimons Napoleon, fagte mir meine

fdfyöne (Gegnerin, parcequil est grand, parcequil a fait bien de

belles choses, parcequil voulait aggrandir la France etc.

$on Sftancto, aB giengen wir üBer toter §tüffe, bie Stteurtlje, bie äftofet,

bie Wlaaß , ben Ornain , nadj 23ar te 3)uc (Bar sur Ornain). 3)ie jwei

2flarfdfytage £ager im 23ioouac. 2)a3 £eBen im 23ioouac ift Bei fd)önem

2öetter nicfyt ganj unangeuefym. taum ift man angekommen, fo toerben

Sßänme gefättt, §ütten auS Steigen unb ©trofy geflößten, einige geljen

unb Bringen SBaffer jum fodfyen, anbere fcfyüren geuer an unb fefcen bie

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Reffet Bei, toieber aitbre Bringen (Strolj, um SBett $u machen. 3eber

ift in 3Tt)ättgfett. — 3cB für meinen £Beit füt)£e mid) immer frofy unter

freiem $immet. — -3$ machte and) einige 55erfc in biefem £ager , oBgteicB

id> (te niefit nieberfcBreiBen formte. — Um 12 Ut)x 9)cittag§ in ber größten

§i§e marfdnrten mir oon biefem SBioouac meg unb Bio 11 UBr 2tBenb3

[ort, giengen nafye Bei £ont üBer eine eBen geBaute (SdnffBrikfe , famen

buref) bie Dörfer @rouoe unb %ou, bie mie alle anbern in biefer (Regent

oon ben ©ntoofynern oertaffen maren, unb Bioouafirren Bei $oib mit einer

SDcenge anterer £rup£en, aBer fcBtecftt auf einem ungeaeferten ^elbe, unb

Bei ber $üfyte ber 9?ad)t frieren!?. @e^r ermübet BracBen roir fdjon um

4 Ut)r Borgens ioieber auf unb marfdbirten Bis 4 Ut)r 9facfimittag$ fort,

aüeig leibenb roaS eine äußerft criitfenbe öike unt ein nnerrrägfidjer (StauB

ermütete Fußgänger !ann teiben macBen. 33tele Solbaten ber SBrigabe

fielen nieber, brei baoon ftarBen. 53ei beut frönen großen £>orfe £ignt)

fieng trte ©egenb an reijenb $u »erben. iD^it fonnenoerBramrtem ®eftcBte

fam id) in 23ar te £uc an.

$on bort burfte irf> nidn mit bem ^egimente aBmarfduren, fonbern

tourte commanbirt bie £raineur§ nur 9)caroten ber 23rigabe nadv5uBringen.

UeBerbieß mar mein iöebienter mit ter Ctpmpagnie fortgegangen, unb ict)

mußte ibm eine gan^e Stunbe mit ber größten <2cBnetligfeit nacBtaufen.

£oct) Bemirfte biefer 3ufaü ein @ute§, icb faf; £üoer, ber an biefem

£age in 23ar te £uc aufam unt am anbern abreiste. 2Sir matten

ÜcadjmtttaaS ^ufammen einen Spaziergang in ben (harten be3 9)carfcr;aܧ

Dubinot, ber in SBar te £uc ju Jpaufe mar. 2Öir Refften un8 in $art$

mieber ju feBen.

-3d) mußte länger in 33ar te 2)uc anhalten al§ icB geBofft fyatte,

boefy mar ÜB nicr)t un$ufrieben, micB trefteten bie SDhrfen.

-Set) fanb eine fteine SßiBüotBef in meinem 3^mmsr, bem Bei bem

gretcorpS fteBenben (SoBne be§ öaufeS geBörig ; ba fanb ficB eine 2leneibe,

aueft etma§ oon ©oir.

£ie Sitten BteiBen immer neu, teBrreict/ unb angeneBm, unb id>

flüdtfe miefi toiltig $u ü)nen oom untiefen Öatimatfyiay ber 9?euerrn. Sin

Chansonnier du jour entBiett einige BüBfAe, rem größten Xtyäte nad)

aBer fcfilecBte unt äußerft inbecente lieber; la maniere de bien penser

dans les outrages d"esprit, feBr mittelmäßig, OoH fran^ö'fifcBer @ng=

Brüftigfeit. GrroünfcBt mar mir Renouards Templiers, bie tefy nur auS

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einer fcfytecfyten beutfdjen Ueberfe^ung fannte, bie icfy in 9ftüntf;en fyatte

fielen fefyen. ®a3 ©tuet erfdjien mir mein* eine btatogtfd^e ©efdjidjte afö

ein £rauerfpiet, olme SBertoicftung nnb 2)refypuntt. £oben&oertlj> baburcfy

baß man m'djt anf bie StteffieurS unb ©etgneurS ber anbern fran^öftf^en

Stragb'bten ftößt. £)ie SSerfc finb feljr fdjön, einige Stellen auSgejeidmet,

fo j. GL bie, too ber Äanjtcr §ört baß fein <3ofm £empetberr fety unb

erfcfyrotfen ausruft:

Mon fils est templier, non tu ne peux pas nitre,

II y va de ma gloire, il j va de mes jours!

nnb Sttarigni'S Sfatoort:

Je le fus, je le suis, je le serai toujours!

§ente Wkmb machte icfy einen (Spaziergang anf ben §ügetn, ioetdje

bie (Stabt umgeben. (Siner ber fyb'ct;ften fte^t fogar mitten in ber <Stabt,

ring« »on §änfern umzingelt 3$ fafy fjier, baß bie (Stabt eine biet

größere 2tu$befmung l?at afö icfy anfangt backte, too^u freilief) auefy

bie fielen uutermifcfyten ©arten beitragen. 3)ie 5tu$ftdjt bon oben ift

unoergteidjud^ , nnb bann nod) ringS umfyer bie unüberfefybaren SRebentniget.

3)te 3fo8ftd)t oom SSerg $u §eibetberg tarnt nidjt teidjt reijenber feton.

2)ie Reibung ber dauern in biefen ©egenben ift jiemttdfy fonberbar.

(Sie tragen blaue üftantet oon 2öoÜen= ober Skinenjeng, wie §emben, bie

leinen fragen fyaben nnb ftdj audfy nidjt fmtyfen taffett;

fie gefyen auS*

gefdmitten um ben §at3 fyerum, too fie mit meinem älöwite eine 5trt

©tiderei fyaben. £>te £eute bon «Stanbe tragen fetten ©tiefet, fonbern

(Sdmfye nnb fur^e SBeintteiber. 2tucfy lange Btyfe finb allgemein. 5m£)urdjfdmitte finbe icfy bie £otfyrmger größer bon ©tatnr als bie £)entfcfyen.

— 2)ie 2Birtt)£t)äufer finb in grantreiefy oiel feltener at3 in 2)ent}d)lanb,

unb $ur $rieg$$eit gefyen fie auf bem £anbe ganj ein. — 3)ie $ferbe

finb fyier ju Sanbe toeber groß, noefy fdjbn, noefy t)aufig; boefy toirb biefer

Mangel fyintängticfy burdj eine große 9Jlenge »on ©fein erfe§t.

7. 3utiu8 tonnte icfy mit 200 Tlamx unb jtoet anberen Offtcieren

bon 33ar (e £)uc abgeben, reo tdj fünf £age fyatte aushalten muffen.

5tm 8. foltte ba3 ruffifd)e Hauptquartier naefy 33ar te £)uc fommen.

93ereit$ bor meinem Abgang ioarett oiele Üfotffen gekommen, befonber3

^ofaten unb mürrifdje Gefeiten. SD^eine £)au#teute fafyen midfy mit 53ebauern

fReiben, ba icfy tt)nen aU eine Wzt Sauve-garde biente. 2tudj fonft

Ratten fie £fyeit an mir genommen; icfy mußte berfyredfyen bon $art8 au%

SßtatenS Xaqtbuü). 5

Page 86: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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in fcfyreiten, bannt man bod) toüßte ma§ au3 mir getoorben. 3)er 9?ame

ber Familie toar (ErouffetteS.

3n ber BtMfotfyel meinet ßimmytö fanb idj aud) nodj einige fran=

gx5fifcf>e Schriften, über beren groBe nnb aofcfceultdfye Unftttttdbfett idfy mid)

nidfyt genug oertounbern fonnte. 2Bie meit muffen 3artgefüfy{ nnb £ugenb

in einem £anbe gefunfen feint, too fo biete $3ücfyer gebrucft nnb gelefen

toerben, in benen alle (Sdfyam nnb Religion mit $ügen getreten toerben.

— <&o oft mid) meine §au3frau tefenb finbet, pflegt fie jn fagen : Lisez,

mon ami, car c'est la lecture! qui instruit les jeunes gens. -3 a)

möchte t£>r gern annoorten: En France cest la lecture qui les corrompt.

— -3n ber Zfyat, bteß Voll' ift fefyr oerboroen.

9. OutiuS. -öd) ioei§ nidfyt, oo id) mein £oo3 greifen ober oerioünfdjen

fofl. Steine (üameraben finb nun btetteicfyt in *ßari§, unb iä) Beftnbe mid)

nod) breiig ©tunben baoon in (£l)aton§, nnb ioaS ba§ ärgfte ift, ber

(£ommanbant toill un§ audj nod) morgen unb bielleidjt nod) länger fyier

Behalten, ba er oon Gruppen entBlößt ift unb geftern oon ben bürgern

angefallen tourbe, bie nur burcfy bie Vermittlung ber Sßefyörben jnr $hu)e

gekaut werben fcnnten. 3)ocfy fann biefe3 SBertoeiten and) feine gute

(Seite fyaBen.

(53 ftnb nämlicfy ber $aifer ^Heranber, ber $önig oon ^ßreugen unb

and) ber beutfcfye $aifer fyier, morgen toirb aud) ba3 ruffifdje QanpU

quartier eintreffen, unb e§ toirb mir atfo oergonnt feim naä) langer 3e^

(Scfylicfytegroti toieber bie §anb gu brücfen.

£)ie ©tabt dfyalonS ift groß unb §äpdj, ben großen tylafy oor ber

yjlaixk unb ba$ fdjöne SDtaicipatitcttSgeBäube aufgenommen , beffen @ä'nge

mit Silbern frau^öfifc^er Ü?edfyt$getei)rten gegiert ftnb, unb an beffen

©ngang fteinerne £ötoen fielen, %u benen fid) je£t nod) $od leBenbige

23ären, bie roffifdjen ©ä)itbioaä)en , gefeilt fyaoen. — £)ie $au)ebrate

imponirt burcft, fcie §öl)e ifyrer ©eioölBe unb it)re frönen (^(aggemälbe,

oBgleid) bie Sfteooltttion aud) in biefer $irä)e bietet jerftört fyat. 2Bie

grä'jUid), toenn ein Sßolf fogar §anb anlegt an bie feit Oafyrtmnberten

oerefyrten, gottgetoeifyten fallen!

2luf bem Sftarfcfye oon 33ar nad) (SfyatonS trafen toir auf jtoet

(2omt>agnien be§ 33ataiüon3 dronegf, unter benen iä) jtoei ißefannte au&

bem $abettencorp3 fanb, SD^an ftößt aotoecfyfetnb auf 33efannte in biefem

3igeunerle6en.

Page 87: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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(giner meiner äftitofficiere , äfteffutct, au? bem itatienifdfyen ütirot,

ber gut beutfdfy fOrient, erjagt tiä oon -Stalten, aud) oon työlm, Wo er

lange geWefen, unb fagt 2öunber ton ber ©cfybnfyeit ber »olnifdjen grauen

unb SDMbdBen, nur nicfyt in ben Befd^etbenften 2ut3brüdlen.

2$ir üBemacfyteten auf bem äftarfcfye im 23bouac Bei bem elenben

3)orfe $re3ne§. 3)od) war ber 23ioouac febr angenehm unb oom fetter

Begünftigt. (§8 lehnte fid) an ein fd)attige§ £auBwä(bd)en, oon einem

23ädfy(ein burd^ogen ; benn in ber Champagne giBt e3 lein ^abetfyol^. S)ie

©nwolmer be3 Ort? waren Bereitwillig in §erBeifd)affung oon SBictuatien

unb $üd)engerä'tf) , Wooon wir gar nicfyt3 Bei un3 Ratten.

53iS gre§ne3 Ratten wir nodfy fyüBfd)e ©egenb, bann aBer ge^t ber

ärmfte £fyei( ber Kampagne an. ,3um ®lütf mußten mir biefe £)ebe

nidfyt in it;rer ganzen £änge burd^iefyen. — (gg gewährt einen traurigen

WnBtüf, ntdfytS ju fefyen a(3 treibe unb §imme(, feinen §aün, leinen

23aum, lein §au3, leine Duelle. (grft oon (£fya(on§ an Beginnen wieber

bie fornfetber. £>ie fyöcfyften fünfte in biefen ©egenben ftnb bie 2Öinb=

müßten, bie midfy an 2)on Duirote unb feine kämpfe erinnerten.

2öir Begegneten aud) bieten franjöftfdfyen ©otbaten, bie oon ber tonee

lommem ©ie fagten un§: Tout le monde part, tout le monde recule

chez eux. — 3)a§ ftnb btefelBen £rupoen bie einft in 2öien, in Berlin,

in SDfctbrtb, in 9fto3lau Waren.

üBir ^aBen aucfy einen gemeinen ©otbaten Bei ben unfrigen, ber

oormal§ in frattjöfifdfjen £>ienften ftanb, unb mit 23onaparte auf ©06a

gewefen. £>er $aifer war bort rttd>tg weniger als BetieBt; aucfy modfyte

er Weber gran^ofen nod? -Statiener um fidfy leiben, unb fyätte gerne gefyaBt

bag bie ©eutfcfyen, bie mit tfym Waren, geblieben wären ; biefe aBer waren

ntct)t aufhalten, benn, Wie ftdfy ber ©ctbat ansbrMte, eS gaB §u Wenig

£)übfd>e SRäbd^cn auf (gtBa.

£)ie fyiefige (Stabt fdjeint ben (groBerern ntdjt günftig. @8 war ja

Bei (gfyatong wo 5lttita feine Wlafyt oertor. Unfre (£fya(on§frf)tadfyt warb

Bereite in ben Sftiebertanben gelä'mpft bnrdfy 2Öettington=letiu?. 3dj Befang

fie fyeute in einer poettfdfyen ©tunbe.

5lm 10. Julius würbe mir bie gro§e greube ©d^tidfytegrotl §u fefyen.

3dj ^atte tfyn lange nicfyt met)r gefefyen, unb wäfyrenb biefer 3eü ber

(Entfernung Ratten wir uns geiftig genähert, (gr ift ein lieber junger

5*

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lättettfcfj, unb td> gettog, menn audlj nur furje 3ett, ^e ©lücffeligfeit

mafyrer grewtbfdjaft.

(5r ftellte mir awfy einen jungen £)eutfdjett bor-, ber ©ecretär bei

23arctat) be £olu) ift, unb mir fagte bag er midfy bereite au% ben (Strahlungen

(SdfylicfytegrollS lernte, ber immer bon mir fprädje. Sdfy fann nidfjt auS=

brücfen, mie fe^r midfy bieg ^u t)ören freute.

$on (£t)alon§ jwtädjft nadfj bem £)orfe Ortet, mo audj bie Officterc

auf ber ©treu fdjtiefen, bann auf einem an Dörfern unb (Stäbtdjett

reichen 2öeg nadfy (Sbernafy, immer burdfy Sfteben. 2ftan lantt ntdt)t^

fdjönereS fefyen aU bie groge ©trage nadfy ^ßariS.

2ltö mir balbmegS Sxotffo baren, matten mir §alt im 2lngefidfyt

eine$ fd)önen @dfytoffe§ jtorifdjeit frönen ©arten unb SBeinbergen. $on

einem nat)en Serge mit einem verfallenen ©ebättbe genog tei) bie fyerrticfyfte

2tuljtd|t 2Bir requirirten Söeitt au3 bem nat)en £)orfe, unb erhielten

ben beften Champagner. Lieutenant Regele, bon ber mobilen Legion,

ber mit 2)ce)ftna fcon 23ar l)er mit unS mar, übernahm bieg ©efdjäft,

mie er überhaupt unfer §au3i)ofmeifter mar. (§r braute auet) ben

ehemaligen 33eftfcer be§ frönen 3ct)loffeö mit herunter, bem mäfyrenb ber

3mifä)enregierttng, meil er ^totyalift mar, alle feine frönen (bitter unb

Länbeteien genommen morben maren ; aud) fein @ct)log r)atte mau oerfauft.

@r ergät)tte bag ftet) bei ber ^Serauctionirung feiner (Sachen niemanb

au$ (Spernaty eingefunben t;abe als 3uben.

2öelct)e3 @efüt)l mug e$ fetm, auf ei)emal§ eigener (Srbe mie auf

frember als ein Sßagabuttb ju ftefyen! Unb meldte (Srbe berlor er? (Sin

r)atbe3 $arabte§, einen mit 9£e6en unb (Farben unb grüßten reidfjgefegneten

Lanbftrici) , mitten brinnen baS freunblidfje Lanbt)au3 mit ©arten unb tyaxt .

11. -öulrnS. 3n bem frönen 3)orfe Stroiffty molmte idj mit Qttefftna

bei einem gutmütigen Jträmer. 2>tefe Leute tt)un aüe$ um un§ jufrteben

ju fteüen. -3(1) für meine $erfon bin leidet jufrieben ; aber unfere ©otbaten,

mie id(j t)öre, betragen fiel) ittdjt am beften.

2ln ber Stauer fcon einem ber gmmter be$ §aufe3 fanb ict) unter

anbern folgenbe 3nfd)rift: Lorsquun Breton s'humilie,quun Picard

cede, ou qu'un Parisien fait penitence, c'est par foree; metct)e§

Sftegifter fiel) allenfalls noct) oermet)ren liege.

14. 3uliu3. 9Jceaur. £)eu 12. früfy fcertiegen nur Strotffy, unb

famen balb burd) bie flehte <3tabt Normans unb burd? eine ©egeub, bie

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matn-fyaft ein -ßarabieg tft. 2)ie 9#arne fdfjtingi ficfy burd) ein grogeS

rei^enbeg Sljral, oon Dörfern, tyaxU unb £anbl)äufern malerifdj üBerfäet.

2Bie gerne lägt man fyter bie SBItcfe fdnoeifen, nnb mie leidjt fliegen bie

2Borte Beim 2lnBlicf einer fo fronen Üftatur!

UeBernacfytet mürbe in (£fyateautl)ierrti , im 23ioouac, bann anf ange=

nefnnem Söege nad) (a $erte fou§ 3ouarre, mieber im iöioouac, nnb

oon ba nadj 9#eaur.

3)ie gotfyifd)e $atfyebrafe machte mir einen grogen (Sinbrucf. SCRan

trifft in ben franjöftfdjen ^ircfyen gemöimtid) feine BletBenben ©tanbe,

fonbern ©troffeffel, ma3 alle ©effel fyier ju £anbe finb.

-5n ben 23auernftuBen ift mefyr SBofyüjabenfyeit nnb Söequemlidjfeit

a(8 Bei uu3, fte finb meiften§ tapeziert nnb gemäßen ein freunblidjeS

3lnfel)en; and) finb bie ^enfter t>ief größer. SDiefe ©tuBen, mie auefy bie

fdfyönften 3immer ber IjÖfyeren ©tänbe, finb mit rotten Steinen gepflaftert;

fielen fennt man menig. £>ie SauermeiBer fyaBen biete (^efdiitflicfyfcit

anf ifyren dfeftt jn reiten , anf benen fte ifyre ^rüd^te in bie ©tabt Bringen.

3)a3 @ef(apper mit ben ^jotjfdjufyen anf ben ©tragen ift unauSftefjlidj.

SBierrä'brige 2ßagen finb feiten; man fjat gemöfntlidj mir große Darren,

nnb mie bie Stoffen oier Bio fünf $ferbe neBen einanber, fo fpanuen fte

fyier eben fo oiete fjinter einanber, ma§ ficf> fefyr fyäßlicfy ausnimmt.

3n SDfcaur traf icfy ©djnrkteut; fieng aBer an miefy in granfveidj ju

langmeilen unb midj gu meinen ftiHen ©tubien in 9)toncfyen jurücfjufelmen.

15. -MiuS. $on Stteaur nad) $oret Bei (£fyaulme§; tcb, allein mit

61 ffllQW f bie ify nadj äMun p. Bringen Ijatte.

(5$ foftete miefy unenbfidje äftüfje fie meiter $u Bringen; einige maren

haut, anbere Ratten -BÖfe $üge, unb mieber anbere feine guten ©cfyufye

jum Sttarfdjiren; audj mar e'3 fo fyeig al§ e3 in biefen Sommermonaten

nur fetm fann. $tfle$, 3ureben, SBerfyredmngen , 2)rofyungen, mugte idj

aufmenben, bag mir nidfyt bie §ä(fte liegen BlteB.

3)a$ fcfylimmfte tft bag i(v) nur einen einigen lluterofficier Bei mir

fyaBe, ben idj üBerbieg ju nidjtS Brausen fann. ®lücfüdjermetfe fanten

mir burdf) ein groge§ (Sefyölj, eine (Seltenheit fyier nt 2anbe, me(dfye§ mtS

einigen ©chatten gemährte. 2ln einem fronen ©djloffe mit $arf, bem

•üttarfdjall 5Iugereau gehörig, fanten mir oorüBer.

$on bem ©tabtdBen (J^aufme§, mo mir fmfften BleiBen ju bürfen,

mürben mir eine ©tunbe meiter in ba§ 3)orf ^oret gemiefen. Sfy fanb

Page 90: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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eine fyüBfcfye SBoImung in bem fc^önen £anbfyaufe beg ©utgBefi^erg , an

bie fidj ein großer fcfyoner ©arten anfdjtog. 2)er Vater fyätt fid) in

*ßart3. auf. Butter, <SoIm unb Softer maren eifrige Söonapartiften.

(So mar bie Familie (Seoelingeg.

16. 3u(iug tarn tdj nadfy SDcetun, unb bereinigte mid? mieber mit

meinem ^egimente. (Sdjon am 19. foEte eg Leiter gefyen, nadj Orleans

ju, mo bie ^einbe ftünben. — Von General äftaiftot fefyr gütig empfangen.

Sfon 15. 9lBenbg in $oret nodj einen großen Streit mit meinem SBirtfye

unb beffen Butter unb (Sdjmefter ; bie fctmmtltd) für Napoleon fd)märmten,

Behaupteten, bie ^reü)eit £>eutfdjfanbg feto nur burd) engtifdjeg ©e(b

mög(id) geworben, unb ben $aifer ^ranj einen VarBaren nannten, mei(

er bag ©tücf feinet Bsikk bem feinet finbeg bor^og.

Qn Mdün Bei einer alten SBtttme oon gutem SBeiBerfdfytage ; am

§aufe mar ein ungemein groger ©arten mit bieten Alleen unb frönen

^Bogengängen , in benen icfy lefenb manbelte ; einmal machte i$ einen fleinen

(Spaziergang an ber ©eine, bie fyier md)t fetyr Breit ift unb mitten burcfy

bie <Stabt fliegt. SDie Beiben (Stabttfyeile oerBinbet eine 23rücfe.

-3$ faufte eine (Satire auf Söonaparte : Fogre de Corse , in metdjer

bie Saaten beg (grfaiferg nadj Wrt ber fran$öfifd)en ffläxfym fatirifd)

erjäfytt derben.

Wm. 16: ^ftorgeng entftanb auf bem 2flarfd) ein fleineg Sieb in ber

9Mobie God save the King, Betitelt: 3)eutfd)e8 «Siegeglieb, unb fid^>

Befonberg auf Söatertoc Bejiefyenb.

18. 3u(iu3. 3«tx>etten tiefe 9ttetand)olie; fo fyeute in 9J?etun. 2öa3

ift bag 9)cenfd)enleBen , menn mir eg red;t Beben!en ? (Sin unfetigeg ©emifd)

bon ben bunlelften träumen unb rofyeften 2öirflidjfeiten , unb mag ift ein

£raum anberg a(g ein oorüBermanbetnb 9ttdjt$, unb mag ift bie SBhtf*

lityiät anberg atQ ein 3)ing bag in ben (Sdjranfen ber ©egenmart liegt,

unb mag ift bie ©egenmart enbtidj? £>er (Stoff ju fünftigem <Setyn, ein

in eiligfter gludfyt oorBeiftreifenbeg 2öefen, bag fein Sttenfdj erfaßt, bag

fidj in jeber Minute jur Vergangenheit ummanbett. 2Bag ift bag £eBen

anberg a(g ein (Spaziergang um bag oerBorgene ©raB? 2Öir (eBen nur

in ber Sutanft Hoffnung, unb in ber ©egenmart fügen ©ebanfen. £>ie

fdjonfte ©egenmart mirb erft atg Erinnerung |ei% 2öag fabelt mir

alfo, unb mag genießen mir? 2Bir nennen ung frei, aBer morin Befielt

biefe ^reifyeit ? 3)arin bag einer ben anbern Befd^ränft ? Unb bann

Page 91: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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mitten in unfern planen, in unfern greubert, in unfern Befestigungen,

oor ber 2lu3füfyrung oon taufenb vorgenommenen fingen, üBerrafdjt uns

plö^lidj ber ernfte ^reunb, mie tjjtt bie 3)icfcter nennen, unb leitet un§

ofyne ©c^onung, ofme 2fofentfya(t mit ber falten §anb in bie ©ruBe. £)iefe

Betrachtungen umbüftern midj oft; aBer fie teuren midj and) bie Beftimmung

be8 Sftenfcfyen unb be£ SeBenS unoergänglid)e ©üter.

19. -MiuS oon SNelun burcfy ben Söatb oon ^ontaineBteau unb

burcfy $ontaineBteau felBft, mo faft aus allen ^enftern meige getanen ober

©djnutoftücfyer toefiten; (S$ interefftrte midj toenigftenS oon äugen baS

©cfylog gu fefyen , in meinem Bonafcarte feine 3tBbanfung fdjrieB , nnb ber

$apft al$ (befangener molmte. £)urdj bie felfige ©egenb oon ^ontaineBteau

au3 nacfy NemourS, unb burd) biefe ©tabt l)inburdj nacfy einem ®orfe

©oufctoeS in3 Nachtquartier. Sluf bem 9Nar|d)e fam idj an Silber oorBet,

unb fonnte einige 2lugenBlicfe mit ifym fpredjen.

3n biefer ©egenb fallen mir bie erften Defterreidjer. — 5lm anbern

borgen festen mir nacfy NemourS gurücf, aBer auf einem anbern oiel

angenehmem 28ege längs ber freunblidjen Ufer beS (Kanals oon Orleans.

-Sn NemourS molmte icfy in bem §aufe eines 5lrgte3 9Jcicfyeteau, beffen

gute unb freunblidje $rau eine ber angenefmiften ^rangöfinnen mar bie icfy

lernten gelernt. $<$> gieng am erften Nadjmittag in ben großen fronen

©arten, ben bie §au3leute oor ber ©tabt Ratten, unb nafym meinen

Bebienten mit. (§3 mar ein flareS Söaffer ba, in bem mir angelten olme

etmaS gu fangen, ©toäter famen 9Nonfteur unb ü)Nabame, fpagierten mit

mir burcfy ben ©arten unb geigten mir bie Anlagen, äftonfteur nannte mir

bie Namen aller ber formen in meieren bie Bäume gefdmitten maren.

Wix gefiel nur, aBer auSnelmtenb, eine prächtige £auBe in ©eftatt

einer Notunbe, fefyr fyocfy, gang burd) £auB unb 3meige oerfyüEt-, mit

einer runben Oeffnung oBen in ber 9Nitte. 2lucfy eine §eerbe ^anindjen

fanb ftcf> ba in einem Befonbern ©eBctube. Sftabame geigte mir audj ifyre

unb il>re3 SftanneS ©raBftätte.

($3 gefiel mir fet;r in biefem §aufe. Nicfyt leicht fyaBe icfy eine fo

fyergenSgute £)ame gefeiten als Sttabame SNicfyeleau. @ie l^atte ©oureu

Oon groger ©cfyönfyeit unb einige 3üqz Oon (§ufcl)rafie. 3)urcfy fie

getoölmte ify midj an bie frangöfifcBe <8pradje mit einer WA oon Neigung.

$lucfy eine flehte BiBlio%f mar im §aufe, bie Bücfyer gur Seetüre Bot. 3)agu

fam bag eine alte engtifdje 3)ame, bie ^reunbin ber §au3frau, fefyr oft

Page 92: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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in£ §au$ fam. SD^it ü)r f^racf) icb bie erften englifd)en ©orte nacfy

Tanger S^tt.

Unt bocf) baue icb in tiefer freunbücben Umgebung einmal einen

fefyr ernftbaften Streit üfcei ^ofiül mit tem £au£b;errtt unb einem anbern

^u Xifdje gebetenen gran^c-fen. Sie frracben aud) fccn beut engliüben

@elte »elc&eS ^eutfcblant befreit fyafc, fie fanfcen alle§ ma3 Sonabarte

getrau fyabe. ljedjft geredet — fie trieben boS fc meit, ba§ icf) aufftanb

unfc meggieng, unt nocb im fteuer über tiefen ßard tas ©eticfyt: „%n

buttrig XVIII. " nieterfct)rieb. (Sfyer motu' icb 3eifenfiefcer feim a($ Jtcitig

ren granfreiebj

£ie ^caebriebt bon ter <3infe£ung beS 3tafce3tage§, tie idj fyier empfing,

erfüllte mid) mit ter größten greute unt mit .prffmmg für £eutfd)(ant.

öntticb, ©ett feü Xant, fyabcn kok eine 53erfaffung, einen teuticben

23unb! —22. -DuüuS. Ücemcur^. %fon 12 U^r 6t€ 4 Ufyr eine fe^r peinliche

demmifften mit Üftajer 33a[igant unt «paurtmann gerdjeufeib, 3n einem

£antfcbfcffe , tt» eine Batterie lag, mürben 1600 granfen geflogen, unb

mir rcaren beerbert jeben Scltaten, jeten £ermfter, jeben SBagen, jebe

Kanone ter garten Batterie $u rifitireu. 2Bir Tanten natürlich bei tem

langmeiligen ©efebäfte niebtä als ein raar alte £umten, über tie nun

meitläuftige 3?erf)öre merten gehalten merten.

53on ter englifdjen £ame erhielt id) tie Elegant Extracts $um £eien.

Xatj icb 53üd)er f;atte, fam mir am 25. -öuliu» im ^er^örjimmer

^u ftatten. 3ct) märe ter langer 2öei(e gefterben, b;ätte id) niebt eine

fran^efifebe DJcärcbenfammlung mitgebabt, in ter audj la barbe bleu unb

le petit poucet ftanten. Xa ia$ idb aueb ten 9ftifantf)rcben bon Poliere

mieter, ein 3tücf tas mir mefyr im ßin^elnen als im ©anjen gefiel; bie

Scene jmifcfyen tem iDcifantr/rcbcn unb tem ^ceten, ber iljm fein Scnett

rerliegt, fanb idj immer unrergleicblicb, befcnberS ba3 : je ne dis pas cela.

2b. -3uiiue. Ücemcurg. <j6 lebte fyier fc glücflicb ; leiter aber

mar idj tie längfte 3e^ fyex- S9Sir feilen, fybre icb, nadb SDccntereau

»erlegt merten. (£§ tfyut mir um fc leiter, ba icfy mieber ganj ter

$oefte lebte.

£ie (Engländerin bat mir aud) ten ^meiten 2?anb ber Elegant

Extracts gelieben, ber tie ^ceften enthält. Wlcin finbet bariu mirfliefy

bie fdjenften 33lumen ber brittifeben Xicbter rereinigt.

Page 93: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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30. -Mütg. Sä) t&mx nidjt fagen, tote ungern td) bon 9?emourS,

unb befonber§ oon meinen (leben 2öirtfyen fdjeibe. — liefen borgen

machte id) nod) einen (Spaziergang auf bte na^en 23erge. (SS finb unge=

fyeure Sanbljüget, hi$ gegen ben (Gipfel mit Sfteben unb Kartoffeln bebflanjt,

unb mit greifen gteicfyfam befäet. -3d) beftieg einen ber ©tyfel , ber 'Barth

toirb immer feiner unb ift am ©ibfet ber feuchte glußfanb. bitten barin

gebeten einige Slfajien. -3df) fltmmte auf baS Ijödfyfte ber geffenftücfe,

unb bie %tt£ff($t bte ftdfy mir barbot mar olme ©leiten, Sie reichte ioeit

fyin über bie mitten Söeinfyügel ben 3$k be Trance. 9ftng3 um midfy

ba3 fd»öne , canalbuvdjfdutittene £anb, ju meiner ^ed)ten ein angenehmes

Suftfdjfoj?, oor mir ba$ 3)orf @t perre, toeiterfyin ba§ freunbtidfye

9?emour§, oon feinen ©arten unb 2Ween umgeben. 2HIe$ ba8 gab mir

einen erquitfeuben 2lnblicf. 3cfy fefctc mid) auf einen (Stein unb fyradl)

meine Qnupfinbuugen taut au», ba mid? niemanb fyören fonnte bon biefer

§öfye. SBon ferne \at) idj aud^ bie fdjöne £aube im ©arten beS §rn.

üDiicfyeleau.

£>ie altenglifdje SaHabe oon GEfyatterton : „Charles Bawdin's tra-

gedy,u bie idb in ben Elegant Extracts fanb, entjütfte midfy a(§ ein

ütteifterftütf einfacher ©rö^e.

1. Sluguft. Bim ^emourg nadj bem 5)orfe ©fyatenoty, anbertfyalb

Stunben oon 9?emourS.

2. 2luguft. Sin 23eifbiel oon franjöfifdjer $artfyer$igfeit

:

3)er Pfarrer beg fyiefigen £)rt§, ein äftann bon 86 -Sauren, ein

efyrtoürbiger ©reis, ber einft gute £age gefeiten fyat, unb nun in Kummer

unb Stenb lebt , befugte geftern aU idj uicfyt ju §aufe mar ben Hauptmann,

unb biefer gab ifym ein ©laS Söeiu ju trinfen. $113 er lieber fyinauS

burdfy bie Küd^e gieng, fufyr it)n bie ptdjietht mit ben fyärtefteu Sßorten

an, unb oerbot bem ©reis, ifyrem Seelforger, je lieber über ifyre Seemeile

m fommen. 5lm anbem borgen fdjrieb er bem Hauptmann einen SBrief,

in bem er ftdj über ba3 betragen ber -pädjterin beftagte, unb nur tuben

ilnt ju SSfdje unb fdjttften ifym audj nad^er stoet glafdjen Söein in3 §au£.

(5r ift auö guter gamitie; fein SSater unb ©reßoater Mteibeten anfelmtidje

SBürben in granfreidfy, unb er fyängt be§toegen mit gan$er Seele an ben

23ourbonS. Sorget mar er ®omtjerr unb l)atU 6000 £ibreS ©nfünfte.

— 2Bir begleiteten t^rt in feine 2Bol)nung. (£r ^atte ein fleineS finftre^

S3auernftübc^en unb feine menfdfjticfye Seele bei ficf> , bie ifym fein ^au^roefen

Page 94: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Beforgte. (5r focfyt ftdfj fefBer unb madjt ficfy fein 53ctt. (Sfrt ,§unb nnb

ein Kanarienvogel (inb feine einige ©efeßfcfyaft; biefer festere, fagt er,

fefy fein einziger £roft; er tyat ifyn immer oor ftdfy in feinem Käfig ftefyen,

unb fielet feinen flehten (Spielen 31t. (ginige fnefyer gefommene ©olbaten

fyaBen ifym OoüenbS fein Bi§cfyen 2Bäfd)e unb feine §aofe(igleiten genommen.

J'avais quelques chemises, fagte er, on me les a pris. ©otoofyt

§unb als $ogel finb ©efdjenfe eines §errn 9?ourefle aus ber S'cacfyBarfdfyaft,

eines SftefcuBtifanerS unb Braoen 9D?anne3. 2)er ©ret3 fyat nod? feinen

OoKfommnen SBerftanb, unb Ikit aöe «Sonntage bie 9#effe, il fait des

prieres pour son hon roi, toie er fidj auSbrücfte.

3)ie SDhtße bie idfj in (£Ijatenofc, fyatte, gaB mir 2Maß eine größere

tooetifcfye 2lrBeit ju unternehmen. 3d(j ^toeifle oB fie ooHenbet ioerbetr

toirb, oBgteic^ ber *ßlcm $u mehreren befangen Bereits vorliegt. (S$ fotf

ein ebifdjeS 9Jcärd)en toerben: „£>te £>arfe SftafyometS." —2lm 4. Huguft machte idj einen ©ang nad) SftemourS, gieng aBer

nicfyt -in bie @tabt, fonbern erftieg einen ber nafyen ^elfenBerge, unb

labte midj an ber 2lu3ftdfyt. 3)ann gieng tdj in ben ©arten beS §rn.

fflifyzkau, fanb midj aber in ber §offnung ifyn ober fie ju treffen

getäufcfyt. £>a fam bie 9)cagb unb fagte mir baß 9)cabame nicfyt toofyt

toäre. 2)a id) feine 3eit mefyr fyatte in bie Stabt ^u gefyen, nafym tdj

ein 23aumB(att unb fcfyrieB auf baSfetBe mit bem taugen ©tacket eines

^fa^ienBaumeS , baß tdj bägebefeu, nafym ein größeres, tütefette baS ffeinere

fyinein, fteefte eS mit bem ^Ifajienftac^et toie mit einer ©terfnabel $u, unb

üBergaB eS ber Sftagb als Briefträgerin.

5. 5lugnft. 3)er Pfarrer erjagte mir einiget oon §rn. SRoureffe.

tiefer üeBe bie djriftüdfje Religion nidt)t, fei? oon feiner grau gefRieben,

bie eine gute Katfyotifin fety, unb leBe mit feiner Sftagb. 3)ie grau teBt

in $ariS. Söenn er fyinfommt, Befugt fie tfm, aBer er fie ntdjt. ©eine

Beiben ©ölme unb feine £od(jter ließ er nicfyt taufen — on peut etre

homme de bien, meinte ber Pfarrer, sans etre Chretien.

8. Slugujr. (£fyatenoty. 2a Brutyere'S ©djrtft ift oott feiner 23emer=

fungen. ©ein größtes $erbienft tft, ein feiner 9ftenfd)enBeoBacfyter §u

fetm — eS ift bieß fein einiges latent. 2öer fidf> baSfetBe ©efcfyäft macfyt,

toürbe, toenn er baBei 2a Brutiere'S angenehmen <3n)( Befäße, bie mancherlei

CEfyaraftere bie ftet) in feiner Umgebung Befinben mit gleichem ßrfotg

abmalen.

Page 95: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Wm 2tBenb btefe^ £age3, ba ber 9ttarfdj in anbre Duartiere üBer

SftemourS gieng, lieber Bei TOcfyeleau. tiefer jetgte mir im Vertrauen

feine 3nftgnien beS $eild)enorbenS ju ©unften 23onaparte'3 nnb eine beenge

(S^otttteber anf £ubtoig XVIII.

9. $uguft. 23rannafy. (£$ nmrbe gefagt baß mein Regiment jttd&t

mefyr nadj 9ftündjen lommen,fonbern eine anbere @arnifon3ftabt erhalten

toerbe. £)a3 Betrübte mieft tief ; Sftttndjen ift mir unerfe£tidj , bie 23iBliotfyef,

bie £eid)tigfeit ftdj in fremben Sprachen ^u üBen, bie Ultifyt be8 ^b'nigg,

bem \§ Befannt Bin, nnb ber mir einft $u einer Stanbe§oeränberung

Befyü(ftid) fetm fom., bie Sorge für meine Sßüdfyer nnb Rapiere, toetcfye

nngeorbnet in ffltMtym ^urücfgeBlieBen ftnb, nnb Bei ber $erfenbung

burd) oiete neugierige §änbe gelten müßten, ber @ebanfe meine SDcündmer

^rennbe , Qntptyraften , meine gnten §au8feute niäfyt mefyr tmeber §u fefyen,

madfyte mir baS §erg fd^roer.

$on 9?emour3 führte ein a^tftünbiger 9ttarfdj nad) bem anfefmüdjen

£)orfe 23rannaty, t>on lieBlidfyen ©rünben nmgeBen. 5lBenb$ machte icfy

einen flehten (Spaziergang, fafy bie (Sonne untergeben, ber heften tag Ootl

gotbrotfyer jie^enber 2Bolfen, ba entftaub au§ ber toefymütfytgen (Stimmung,

bie ber ©ebanfe ntdjt meftr nadj 9ftünd)en ju fommen hervorgerufen fyatte,

folgenbeS ©ebid;t:

(Soft iä) nie bie (Seele fennen je.

10. 5Iuguft. 9?acfy jtemttdj langem 9Dcarfd)e burdj fyüBfd)e @egenben

naefy ber deinen (Stabt 55iüeneuoe für 2)onne, mit einer großen atten

$atfyebra(e, fyatB römifd), t)alB gotfyifd), umringt oon (Härten, bie ©egenb

malerifcfy.

3lm 2£6enb ein franjöftfd^eS @ebicfyt gegen Sßonaparte gefcfyrieBen, ba$

t>on ber 23orau§fe£ung auögieng baß 23onaparte, toie ba§ @erüd}t tief, auf ein

fdjottifcfye§ Sßergfcfytoß gebraut Sorben fe^: Le Corse chez les Anglais.

11. 5luguft. 5luf ber £anbftraße Bio Ooignty an ber 2)onne l^tn,

burdj fet)r angenehme reBenreicfye @egenben, am 14. in unferm Stanb=

quartier, Sacti Bei SBermanton, einem großen aBer äußerft erBärmlicfyen

tDorfe eingerütft. 2)ortt)in toaren loir üBer SSaoeS unb 33affou erft naefy

$tyoignty gefommen, bann burefy bie SBorftäbte oon ^lurerre marfdurt,

toieber üBer bie 5)onne gegangen, unb Ratten bann unfern 2öeg immer

auf ber großen Straße nadj 3)ijon fortgefe£t. „(53 regnete ben gangen

Stag aBtoecfyfetnb. SDieß ^inberte midfy jebod? nid?t bie fyerrücfyen unb mitben

Page 96: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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@egenben $x Betrauten, burd) bie mir tarnen. Ißtüfyenbe SfteBenfyüget mit

ifyrem fettem ©rün, anmutige Später, burd) bereu ®efträud) fid) bte

gönne frf>länge(t r materifdfye Dörfer mit ifyren ©arten am Ufer beS gfaffeS.

3)ort mcd)te td) molmen, fy&tt1

id) fein $ater(anb.

Um @adj mäd)3t ziemlid) oiet Söein, aber faft gar fein (betreibe;

alle ^etber fielen »oü SftugMume, bie §äufer ftnb aufgerichtete @tein=

Raufen, faft otytte ^enfter.

3mei flehte Ijubfd^e «Stä'bte, @t. fäjttbe unb SBermanton pafftrt.

®efpräd) mit jmei (£amerabeu; mas mug id) tljun um bir'S red)t $u

machen? fragte ber eine. TOe^r benfen unb meniger reben, fagte id};

unb bu mefyr rebeu a(S benfen , mar bie Stnüoort — Sftein , fiet £f(fyamarin

ein, meniger benfen unb mefyr fyanbetn. (Sr fennt mid) $um ST^etf ; id)

füllte ben ©tadjel feine« Vorwurf«.

3tr>ei @ebid)te: „^Ctalattta unb SDtottfenb" unb „bte ©djrtft am23ad)e."

16. 2luguft. flehte« ©ebid)t.

17. Sfeguft. ©ebtdjt.

19. Sfttguft. Sfttrty, eine ©tunbc oon (Sacty. §eute 9?ad)mittag

machte id) einen Spaziergang in ein ®efyö($. Steine ganje 23efd)äftigung

mar mtdj oor einen STmeifenfyattfen ju fteCCert unb ber 5lr6eit biefer

Xljierd)en, bie gröger aU bie gemöljn(id)ett Slmeifen maren, jujufe^en.

Sttan foöte meinen, bie SÄenfdjen Ratten ilmen aüe ifyre ^ertigfeiten

abgelernt.

21. 5luguft. Sftttrfy. 3^ ®ebtd)te: „2ln ben 9?ortfmmber(anb" unb

„®uarhu," ba« £06 tiefe« ®id)ter«. 20. unb 21. große Spaziergänge

in ^Begleitung be« Pastor fido. SÖenn bieg @ebid)t einen SBertl) fjat,

fo oeftefyt er in ber £eid)tigfeit be«felften , unb in ber Sdjmterigfeit ber

$er«art. SBenu id) bod) jemanb um mid) fyätte ber meine @ebid)ie

Beurteilte.

20. Sluguft tu ber &dje fortmäfyrenber ptärrenber ©efang;

ftatt ber

Orgel ein groge« §orn »on 23(ed). 3)er fatfyotifd)e ($5otte«bienft fd)eint

@otte£ megen ba p. femt, ber proteftantifd)e ber äfteitfdjen megen.

24. 5luguft. 9?itvt). $aut unb SSirginie ju (Snbe gebraut. Singer-

orbentüd) gefallen. 2tud) id) Braute fyeute eine 5tr6eit ju (Snbe, bie mid)

fd)on bte erften Xage alz mir fyierfyer famen fcefd)äfttgte. (£8 ift ein Sfaffafc

mit beut Xitel: (Sinjetne ^Betrachtungen über einige moratifd)e SBerfyättniffe

be« £efcen«; für Jünglinge, mit bem 9ftotto:

Page 97: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Celesti tabernacoli,

In voi fermo i pensier,

Come in sua cara patria

Lo stanco passagier.

(£r enthält ntdjt mefyr a(3 22 Letten, unb ift nur eine @jß&e bie

f^äter toeiter ausgeführt derben foü\ ($r tft in feäjS SlBfd^nitte geteilt.

£)er erfte fyanbeft i?on ber £ugenb überhaupt a(S beS ijorjügüc^ften ber

®üter beS £ebenS; ber jtoeite ton ©lud unb Ungtücf; ber brttte fcon

@runbfä£en, 33orfä£en unb ©elbftbesnnngung ; ber feierte fcon SSerftanb,

§erjr©tauben, fa(fd;er unb toafyrer $uff(ärung; ber fünfte fcon fcfyted^ter

(gr^iel^ung, ben $rüd;ten fdjtecfyter ©efellfc^aften unb ber hmfyren $reunb=

fdjaft; ber fechte enb(tcf> fcon Alfter unb £ob. £>en $tan ba§u f)attz id>

fdfyon bei meiner 2lbrei|e toon 9?emourS gemalt.

26. Sluguft §eute nmrbe id) nacfy £onnerre, fünf ©tunben öon tyier,

getieft, um mit bem Unterfcräfecten über eine £rufckenfcerkffegungS=

angetegenfyeit ju ftored^en. -3d) retöte Borgens 6 Uln* ab. S)ie ©egenb

toar anfangt fkta), bis gegen ©t. SBerruS ju, ft>o fiefy bie ttebtta^ften

5IuSftä)ten öffnen. -3n ©rouere, too id? burcfyfam, tft ein fyerrttdjeS

(Sd;(og mit einem großen $arf; £onnerre fetbfr liegt t;immti[cfy in einem

nmnbermilben Staate, ringS t>on Weinbergen umgeben. £)er ©ouSfcräfcct,

mit bem id? mein ©efdjäft batb beenbigt fyatte, n>ar ein junger fefyr artiger

Sftann fcon einnefymenben @eftd?tS3Ügen , baS fdjönfte 2Äobeü $u einem

jugenbtid?en ^ötnerfo^f baS fid? benfen tagt. — -3n ber eglise de

Thospice fä| id? baS ©rabmat einer Königin mit ber Snfdjrtft: Ici

repose Marguerite de Bourgogne, belle soeur de St. Louis, reine

de Jerusalem, de Naples et de Sicile, fondatrice de eette eglise —toenn id} nid?t irre , bie ©emafytin $artS fcon Slnjou , bie toiet gu (£onrabinS

£ob beitrug, unb in meinem (£onrabin eine 9?olte fielen fotfte.

2)iefer £age taS id) aud? baS £eben fcon (£artoud?e , eines Sßonafcarte

im kleinen.

31. Sluguft nad> Sftaffangty, ben bertigen STetegrafcfyen ju befefyen.

9fteine fcomefymften 23efd?äftigungen ftnb jefct bie Oben bon §oraj,

bie id? nebft einem alten £erifrm com ©otme beS SO^atre entlehnte.

2lud? ein Keines £ieb fd?rieb id} an biefem Sage.

4. (September. Stttrty. 3)ie SSaflabe „9ttarta Stuart unb £abt?

SBot^tDeH". gefd?rieben; bie -3bee bafcon h>ar mir ^lö^üct) gekommen —

Page 98: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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ba$ ©attge ift einfach unb prunftoS, bocfy glauBe tcf> ba§ ein getoiffer

metancfyolifcfyer 9?ei$ barüBer ausgebreitet fety , töte üBer bie engßfdje 9ttufe.

2IBer icfy fange fcfycn lieber an mir fetBft $u rändern.

(Epigramm , auf ba§ (Serüdfyt ba§ Napoleon ftdf> bie @urge( aB=

gefdmttten.

7. ©eptemfcer. Ücitrty. traurige ©timmung. ©efynfudjt nadfy ben

greunben ^(anber, ©dfytfdjtegrotf, @dmi£tein); 3)rang oiet ^u tcfcn unb

gän^icfter SDcangel an 23ücfyera. 2öie fe^r mürben micfy einige beutfdje

©Triften ton -Scan $aut, oon ©tf/itfer, ben JHopftocf, oon £efftng

erfreuen! —10. ©eptemBer. ücitro. (Srtoartung be£ Balbigen 2lBmarfcfye§. (£3

follen bie Gruppen einige £age im £ager oon -öoignt) Bleiben, um bann

einer großen 9?eoue oor ben äftonardjen in 3)ijon Beigumolmen. -3eber

Offtcicr fott 400 granfett oon ben (JontriButionen erhalten.

SBrief oon ber SDcutter, bereu GEorrefponbenj üBerfyaupt eine unauS*

gefegte tft, fie fdjreiBt oief oon ber Spante in £>annooer, bie mid) fefyr

gütig mit einem ©efcfyenfe Bebaut fyxBe, unb mtdj einmal Bei ficf> $u fefyen

münfdje. Xk$ mürbe mir fefyr gelegen feint, benn mity verlangt olmelnn

fet;r ba§ nörblicBe 3)eutfc6(anb 3U fefyen, ben §ar$, £>annooer, §amBurg,

ba0 9)ceer. £>em ^Briefe toar aucfy ein |cr/öne3 ©ebicfyt Beigelegt, gefcfyrieBen

oon (Srnft 9toupa(r; in (St. $eter§Burg: „STn baS beurfcfye $ater(anb." 2)a3

©anje atfymet eine fyofye 23egeifterung , äd^t beutfcfyen ©inn unb einen

gtüBenben granjofcn^ag , ber ftdfy faft in ju grellen garben barfteEt.

3m Anfang fommen einige fcfyfecfytge}üäf)(te ffllttapfytxn oor. (§S ift lange

ba§ tdj fein fo fraftigeS @ebtdfyt mefjr Ia$.

16. ©eptemBer. üftttrtyj gihtf £age lang tyefttgeg 3^nti>c^18. ©eptemBer. ©tefer £age fyer eine SDcfytlmlogie für bie -öugenb oon

SBtancfyarb gefefen. 3)a3 Sua) oerliert baburcfy, bag e3 großenteils au$

fragen unb Slntooorten Befielt , allein aße8 maS oon jener golbnen Äittbfyeit

ber 2ftenfd$ett fyanbett, liest ftcfy bocfy immer mit Vergnügen.

20. ©eptemBer. Dfttrty. S)er STufftanb ber ©amifon in ©tragBurg

gegen 9?app toegen SBorentfyaltitng be3 ©olbeS mirb oon einem burcfy iftitrty

fommenben frangöfifc^en Dfficier erjagt.

22. September. Dcitrb. Georgen gelten mir Oon f)ier in bie ®egenb

oon C^fjaBüg, üBermorgen mirb ber beutfebe Äatfcr <£t. ^(orentin ^affiren,

n>o mir oor ifmt ^arabiren merben.

Page 99: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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23. «September. -3cfy gefye bocfy mit 23ebauern Oon Dfttrfy.

gtmäcfyft nad) $ilfy , untoeit (StjaBliS ; am 24. nacfy 23eugnon Bei @t.

gforentm, üBer SMignty in feinem fd;Önen Bemäfferten Zfyak, „einem

gemtoe." 3n SBeugnon ift ber Pfarrer, (SoubaiS, ein 63iger, ber Braofte,

recfytfd)affenfte Sftamt, ben icfy Bisher nnter allen .^ranzofen fennen lernte.

Qn ber Sfteootution fyat er oiet gebulbet, olme bod) fein SBaterfanb

ju oertaffen, nnb nun, nacfy fo bieten -Sauren, fyat er feine Pfarrei toieber,

nnb forgt mie ein gütiger, atloerefyrter 23ater für feine ©emeinbe; Bei

allen Erfahrungen fdjftdjt, offenherzig mie ein $inb geBlieBen, S)te

franjöftfc^en ©eiftlicfyen unterfcbeibeu ftd) oon ben fatfyolifcfyen in 3)eutfd)=

tanb burd) ü)r mefyr jurücfgejogeneg £eBen, einfache Reibung, 2ld)tung

ifyrer eigenen Sßürbe. S$ fyaBe in ^ranfreicfy nocfy feinen ^ßriefter gefefyen

ber mir nicfyt eine gemiffe (£fyrfurd)t einzuflößen gemußt l>ätte.

©oubaig unterrichtet feinen Keinen achtjährigen Neffen, ben er Bei

fid) fyat. tiefer Heine 3unge, mit bem icfy micfy oft unterhatte, ütaubert

ben ganzen £ag , aBer oon allem mit fo oietem 23erftanb , bag man i^m,

aufy feinet Breiten fran^ö'ftfcfyen 9lccent3 toegen, gerne ju^ört. (Stößt er

auf eüoa§ ba§ ifym nocfy nicfyt !tar ift, fo oerfäumt er nid)t ftcfy burcfy

fragen bamit genau Belannt ju machen. (Sr mtrb Utk ^enntniffe ertoerBen,

aBer in bie £iefe ber 3)inge einzubringen ift biefer Nation nicfyt gegeBen.

5lm 28. ©eptemBer gieng e§ burd) ba$ Stabilen GErofy te (Spatel

nacb, bem fct)(ect)tert 3)orfe SBantefy, am 29. burcb ben Wlaxtt ©fyäource

nacfy te§ DftceiS, einer SBerBinbung mehrerer Orte $u einem (bafyer ber

Plural) in angenehmer @egenb.

2. OctoBer. -Sondjerty Bei ©fyaumont. (Sine trüBe ©timmnng, in

ber mir meine gan^e UmgeBung unlieBengmertl) erfcfyeint, nnb bie gemeinen

£eibenfd)aften , bie tt)ierifd)en Sßegierben , bie icfy in meiner 9?äfye feljen muß

nnb bie mtcfy anmibern,geBen mir eine (Süiftet in Werfen an ©cfyticfytegroll

ein, in ber icfy mein §erj ausgoß.

$on leg SfttceiS mürbe oon t?alB 6 Uf>r Borgens Bis 9 Ufyr -9?ad)t3

marfdnrt, unb in bem großen £)orfe £)anceooie üBernacfytet; am anbern

£age in einem fieBenftünbigen 9ftarfd)e burd) einen £fyeil ber (£t>ambagne,

unb einen fleinen Ü£$efl oon 23urgunb, burcfy bag Stäbtdjen (Sfyateau $itlain

burd) nadj 3oncfyerty. 2tm 1. DctoBer 2lBenb§ Ratten bie ©otbaten nicbt baS

minbefte zmifcfyen bie Bälwe Befommen, erft.am 2. fam 23rob, ^feifc^ unb

Sein oon (£fyaumont, n?o ber $e(bmarfd)all unb ^)3rtn§ ^art ioaren.

Page 100: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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4. October beulte. Um 9 Ubr ÜJJergenS fom Äatfer 2l(eranber. mit

Sörebe auf bat Üfooueotaß. CErft ritten fte curcb bie ©lieber ; batm rourben

mehrere 2)canboer3 ausgeführt , roobei aucb gefeuert tourte , toa§ toenigftenS

einen flehten Segriff ton einer <3cbtacbt gab. Unfre Sörigabe, a(3 bie

^eferoe, batte weniger $u tfmn; nur mußten tott rücbttg laufen. Wteranber

ift ein bübfcber fflfaam, bccb nicbt fc fcbon als man ilm getoöbnticb oorftellt.

6. £)ctober. (5me. Waty viertägigem 2lufentbatt ist -Soncbert/ — (bie

viertägigen Seiben ton §.) mürbe roiecer in bie früheren dantonirungen

^urücfgegangen , $u meinem großen SAmer^e, ba icb mir e§ fo fdjöit

ausgemalt Barte, toie icb mit oercobpettem (jtfer nacb halbjähriger $er=

fäuntniß }n bat Stucien in 30tünchen ,urucffebren »olle.

(S$ gieng junäcbft nacb £)rmoi§, einem armen £orfe, inS Wa&U

quartier. -5m Scbtoffe roaren bereit« (IfyeoautegerSofficiere einauartiert.

öcb mußte in einem 23auembaufe toobnen, boeb aß icb 91benc* im Scbloffe

bei bem SBeftfcer beSfetben, einem ©raten , bei 3uglet6 üJcaire mar.

§ier fanb icb einen alten dameraben au» rem £atettencerp3, @raf

3ecb : totr batten un§ taufenb ®inge m er$äblen, tajie bau gebt, ©raf

3ecb batte ben fäcbftfcben getemg ntitgemaebt, roar bann in 3roetbriufen

gelegen, unb batte nun fein Standquartier an ber £oire, $ebn Stunben

oon Orleans?, gebabt, unb bort aueb 3cbni£tein getroffen.

£)a mar bann noeb Oberftlieutenant Stiliani, ein aufgeweckter ÜJtomt

in ben mittleren 3abren, alle» roa£ er fagte oerftäntig unc nicbt obne

2Bi§ ; ein Ofttrmeifter Sdjmibt auS granfen, munter unb angenehm im

©efbräcbe unt oiele Siloung oerratbenc; er batte in £anc3but ftubiert;

Lieutenant Soaur, ein großer, artiger, junger iDcenfcb, noeb Neuling in

feinem Staute, oon fe^r guter Sr5iebung. 3n riefer ©efettfebaft oernafym

icb $u meiner SBertourtberung triebt cie geringfte 3^eibeuttgfett, fein einiges

bie Sittlicbfeit beteicigenrey 2£ort. Ücacb langer &it fonnte icb toierer

an einem ©efträcbe tbeilnebmen; icb rufe nüeoer ben eblen ©eift, oer

auf unfrer ceutfeben Eugene rubt. 2lucb Die Stracbe bie gerebet tourbe

mar rein.

grub am Georgen, e3 bunfelte noeb, tource abmarfebirt. 2lu3 bem

(Scbornfteiu einer Scbmiebe fubren grata unb gunfen, roäbrenb bie

^orgenrötbe mit anterm £ftoify ben §hnmel jlt färben anfieng. — Ta$

9ca6tc?uartier toar ©oe, ein toabre» 23einlanc, toeit unb breit oon 9?eben

umgeben, gleicb einer Üöin^ertn. (5§ ift eben 23eiitiefe; eine ungeheure

Page 101: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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SCRaffe £rauBen toirb in ba$ ©täbtcfyen gebraut. 3m 9?eBen$immer ftfcen

eine 9)?enge Sßtnjer , bie u)x STBenbBrob oer^efyren. 3cfy toofyne allein unb

annelnuticfy; fo lange entbehrte xd) eine ImBfcfye 2£oImung.

7. DctoBer nadj fteBenftünbigem Sftarfd) unter faft Beftänbigem Sftcgen

burdj eine an £)ügetn reiche ©egenb , todfye bie tieBlicfyften Später Bitbeten,

nacfy bem großen , frönen £)orfe £antety Bei £onnerre , mit einem fyerrlidj

gebauten pataftäljnlicfyen ©djloffe, bem 9)?arqui3 o. Stanley gehörig, ber

in $ariS ioar. ©ein §au3l)ofmeifter, ein Sttaittjer, empfteng bie ©äfte.

2Bir toofynten fcfyön unb Bequem. (Sin Bretter ©raBen umgaB ba3 ©cfyloß,

große Stürme an ben oier (Scfen; ring« ©arten unb ^3arf mit frönen

Partien unb LauBen. §ier entftanb ein Lieb: „Sttubotf unb (Smma."

8. OctoBer nacfy -ftttrty jurürf. S3iö £onnerre marfdu'rte bie neunte

(Sompagnie mit un3 , icfy unterhielt midj fortroäfyrenb mit Lieutenant $ifd>er

üBer Literatur unb ^ßoefie. (Sr erjagte aud) Oon ben angenehmen £fyee*

gefettfcfyaften Bei ©cfyticfytegroll , n>o getoöfynticfy ©djifler'fdje £ragöbien mit

oertfyeilten Collen getefen tourben.

Sn Florians -ftooetfen getefen; in einer berfetBen, einer englifd^en

mit bem Stttel ©elmourS, eine fe^r fcfyb'ne ^oman^e, ganj in einfachem

engtifcfyen ©efdnnarf: Le vieux Robin Gray, fß0 anjiefyenb.

§ier traf icfy ©ruBer, bem td) mehrere meiner ©ebidjte oortaS, unb

ifym meine ^Betrauungen üBer einige moratifcfye $erfyä(tniffe beS LeBenS

ju tefen gaB. — 2Ba8 barin üBer bie testen LeBenSftunben unb ben £ob

gefagt ift, gefiel ifym am Beften. ©ruBer fyatte in einem geptünberten

©cfytoffe eine umfyergeftreute 23iBlio%f gefunben, au$ ber er fidj mefyrereS

(Schöne auSfucfyte. (Sr liefy mir baoon bie §enriabe, £affoni'3 Secchia

rapita unb ben £affo.

10. DetoBer. Sfttrty. £)ie Berühmten ©rotten Oon Strefy, einem

frönen 2)orfe brei ©tunben oon tfä&tif, Befefyen. (SS finb £ropfftein*

fyöfyten. (Sine ©ante fyat bie $orm eine§ SD^artenbttbeö , unb ber ©aal in

bem fie fte^t fyeißt bej$alB la Salle de la vierge. (Sin anberer ©aal

toar ju einer 5lrt ^trcfye gemalt; in ber Resolution tourbe alles in biefem

©aale unter einanber geworfen ; einer $igur , bie man ©t. Slntoine nannte,

fcfytugen fie ben $opf aB. 2ßir pafftrten jtoei jiemlid^ peinliche $ctffe,

toooon ber eine trou de Madame, ber anbre trou de Monsieur fyeißt.

51nbere merftoürbige ©eftattungen finb noefy : le coeur de boeuf , St. Jean,

le pilier double , le pilier de prince , le choeur de la cathedrale , le

*pl atenä Sagebucfy. 6

Page 102: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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pain de sucre, le tirebotte, les draperies, les bereeaux. ßvit^t

wirb bie $öfyle fo niebrig, bag man nicfyt weiter fortbringen im *@tanbe

ift. Man finbet and} einen f(einen £eidj nnb mehrere ©teilen, wo fid)

SBaffer fammett. 23efonber3 gefiel mir eine weite §atte, ber ancfy an

<pöfye bie übrigen $(ä£e nacfyftefyen , im ©intergrnnb §at fie ben (£fyor ber

$atfyebra(e. ©d>ant man empor, fo gkuBt man feine (Steine, fonbern

ben nadfyttidfyen §imme( jn erB(iden, wenn fd^War^e Söotfen feine ©terne

Bebeden. 9ttan finbet and) eine Orgel, bie biefen tarnen nid)t Bloß wegen

ifyrer ©eftatt, fonbern and? Wegen ber $IangaBwed^(ung ifyrer pfeifen oer=

bient. ©d^abe bag fie jerBrodfyen ifi 2)er weife 23nffon Bracfy einige pfeifen

fyerang, nm ü)r 3nnere3 $n Befefyen. (§r fd;rieB andj üBer bie ©rotte

oon 2lrefy. Unter ben tarnen, oon benen alle SBänbe ttyeifä eingehet,

%Ü8 mit bem Sicfyte in ben ©tein gefdfywär^t oott finb, fanb tdj ben

be£ öofepfy Söonaparte nnb be3 erft tnr^licfy bagewefenen (Sr$er$og8

gerbinanb oon Defterreid).

13. £)ctoBer. Dfttrfy. S)te §enriabe in ber (nidfyt ganj oottftänbigen)

2ln§gaBe Oon 1723 getefen. 3)a bie §enriabe ba3 einzige gnte §etben=

gebiet ber granjofen ift, fo ^aBen fie eigentlich gar feinet Voltaire fyat

tttdjtS weniger aU Talent jur epifcfyen Poefie. (5r oerftetyt Weber nnS

für bie fyanbelnben $erfonen warm ju intereffiren , nodfy bie (Sitten nnb

bie gan^e £eBen§weife jener 3eit oor nn§ erfcfyeinen . ju taffen, bie ^Wei

§anpterforberniffe ber Epopöe, ©eine (£l)arafterfdfyi(bernngen finb jwar

fef>r fcfyon, nnb machen bem @efd)id?tfd?reiBer oiet Gä^re; allein ber 3)idjter

barf bie (Sfyaraftere feiner gelben nid)t fo fyeraBleiern, fonbern mug fte an§

ifyren §anblnngen nnb SBorten felBft erfennen (äffen. 2)ie perfoniftcirten

£ngenben nnb £after fcfyeinen mir Bei einem fo mobernen ©toffe oottenb§

oerwerf(id) nnb fyödjft nnpaffenb. ^rei(id) ift e3 fefyr Beqnem für ben

$oeten, Wenn er ben Späten ber äftenfdjen rttd)t Bi3 in§ -Snnerfte nad^n=

gelten Brandt, nm ifyre Sftotioe anfjnbeden, fonbern gtetdj einer Göttin

ans ber Suft fommen lägt, bie nn§ in bie £)fyren üfpeft )®a8 fie Witt

bag wir fym fetten. £)ie 9?ad)afymnng ber Sieneibe ift p offenBar.

£>er Königin ©(ifaBetfy wirb bie 23artIwtomän§nacfyt erjagt, wie ber

SDtbo bie 3^ftörung Oon £roja; im fengten @efang fteigt ber £>e(b jnr

§ötte. ©d;abe bag bie fdjöne ©aBriete b'($3treeg, bie Voltaire gar nicfyt

^n Benü^en weig, nnb fie gar nicfyt in ba$ @anje oerfticfyt, ntdfyt and) im

oierten ©efang erfdjemt. 53o(taire'ö ^^antafie ift fo arm aU irgenb eine.

Page 103: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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(£x fyilft fici> mit 2tnefboten, um bie 23ogensal)t feinet @ebid)tS $u

oerftärfen. — 2öa§ aber $er3 unb 9?eim betrifft, fo ftrtb btefe ooffenbet,

unb über jebe Ärtttf ergaben. 2öa3 nur ber 2lteranbriner vermag, ba§

fyat Voltaire burd? ifyn ausgeführt. Leiber oermag er nicfyt aö^uüteL —9ftan trifft auf manche einzelne meifterfyafte ©teilen. Sftan fönnte ben

£ob beS (£otignfy, §erari(§$ betragen nad) ber ©cfylacfyt oon -3orty nid)t

fd)öner betreiben.

3m (Stoffe £antety, Wo id) neulich War, l>at einft <peinricfy IV.

mit feinen (Generalen ju 9?acfyt gegeffen.

14. £>ctober. 9?tfr^. üftacfyricfyt baß ber ^üdmarfd) aus $ranfreidj

bemnäcfyft angetreten werben foll.

3cfy fefye öftere $u wie ber 2Öem gemacht rotrb, benn id) l>atte

oorfyer nod) feinen regten begriff baoon. Kartoffeln Werben in biefer

©egenb fett nocfy nid)t langer 3eit gebaut.

15. £)ctober. Witx^ (Sine 23attabe: „£>ie trotten oon tob,"

oolttenbet; 432 $erfe. ©ie enthält bte unglückliche £iebe3gefd)id;te eiltet

§er§ogg oon 23urgunb. (SS liegt ü)r Weber ein fyiftortfcfyer ©toff, nocfy

eine (Sage unter. £>a3 SBerSmag breifüßige -Samben, woOou fidj bie

männlichen StuSgange ber ^Weiten unb oierten ßdte reimen. S)ie (Srwäfy=

nung ber (trotte oon Slret; macfyt ba£ ©an^e an^iefyenber, unb gibt ifym

einen fyiftorifcfyen Slrtftrtct). £)ie angeführten ©egenben ftnb treu nad) ber

Sftatur befcfyrieben. Heber ben Ausgang ber Sßallabe war icfy nod) unfcfylüffig,

aU fie fcfyon l)alb oollenbet war.

18. October. 9?itrü. 33efu^> bei ©ruber in SJcailty le (Sfyateau. Um4 Ufyr äftorgenS Weggegangen, bie gro§e «Strafe oon £fton nad) $ari$

überfcfyritten , bann über Sucfy für Sure unb SSefffy in einem lieblichen Xfyak

gelegen , bei bem 3)orfe Sttaillty la SBille in einem 23oote über bie 2)onne,

um tyalb 8 Ufyr in äftatlty le dfyateau. S5on ©acty au3 nafym icfy nad)

einanber brei $ül)rer.

3)er erfte ^atte fünf^elm -Safyre gebient, war mit Sßonaparte in

2legt/pten unb mit bem (£orpS oon ißernabotte in 2ln3bacfy; ber ^Weite

Ijatte fieben -3afyre gebient, unb war am Dfljein unb in Söeft^aten ; ber

britte nur jwei Monate bei ber ^ationalgarbe , Worauf er baoonlief.

£)ie §au3befi£erin , eine uralte -Jungfer, Wollte burcfyaug nicfyt glauben

ba§ td? lein $ran§ofe fei), Wag übrigens meinem 5lccent ($I)re madjt.

$on einer §öl)e überfielt man ein fyerrlicfyeS £fyat, burd) beffen @ebüfd)

6*

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unb Sßtefen fid) bie 2)onue in mehrere 2lrme geseilt fyinfcblängelt. 9fte

genog tdj eine fo fdjcne 2Iuyficbt.

©ruber tourbe bie SaHabe oorgelefen. 3* !)afte fte für baS Bcftc

toa§ tdj gemalt ^abe.

§eute ift ein merfrrürbiger £ag für alle Xeutfcbe, ber 3to£re$tag

ber Seidiger <Sdj(ad)t. §eute tobern bie flammen oon ben beutfcfyen

iöergen.

22. October. 9£&4 S)tefe 3 e^ befestigte mtdj faft auSfdjitegfid?

ber unfterbücfye 3)id)ter bon ©orrento, ber unoergfeid)(id)e £affo. 3d?

Ia8 ilm oon früfy 9ftorgeu8 bi§ SlbenbS an meinem Kaminfeuer ft^enb.

3d? fann fagen baß er mtd) enti

3ücft Ijat; je öfter icfy ilm leje, bejro

bortreffftdjer jdjetnt er mir. SÖeicf) eine f)errltcf)c ^fyantafte, treibe

©ebanfenföffe, toetd) ein fjarmonifeber $hr§ ber <Spracfye! -3n feinen

häufigen 9Dcetapt)ern, toelcbe @rö§e unb <Scbbnf)eit! -3n feinen hebert,

toeldje feurige SBünbigfett! -3n feineu (Sentenjen, föeldjfe auSbrurfSootfe

Kraft! 23alc fcfymity er in melobifcfyen Xbnen unb lägt bem rüfyrenbeu

£ieb beS (SdjtoauS ben ©efaug ber 9?act)ttga(I antworten, haih gibt er

un$ ben Klang flirrenber SSaffen unb fyattenber Sd6>ilbe ju fjören. (Er

erfduiegt nn§ £)immel unb §o(Ie, füfyrt uns nach toniba'S fyefperibifcben

©arten oon -Serufaleme' belagerten Stauern; er jeigt un8 eine fdjöne

Sfteifye ebler mächtiger §e(ben unb fyolber grauen. 2öie leicht mad)t er

burdj feine großen SSorjüge feine Keinen SSerjiöße oergeffen. 2(ud) bon

ifym fann man fagen:

Tout ce qu il a touche se convertit en or.

2£aS ift bie §enriabe, ja id) jage noefy meljr, iuaä ift bie 2leneibe

gegen ba$ befreite -öerafalem! §ätte idj jefct Stattne unb SDhrge, fogteieb

rootlte idj btefe iBefyauptuttg burifyfüfyren. £er 9?ad)afymer be3 3$trgt(8

fyat ben Birgit übertreffen.

SDie 9Jhitter fdjtcft ^loei ©ebicfyte, eineö bon Setyfrieb, bag bem

Kronprinzen überreizt nmroe ba er in 9Jcanm)eim ioar. 3cfy fd)retbe

fetgenbe (Stropbe barauS ab:

Unb bag bor altem mächtiger un§ Bebe

3)er febene ©taube an baS eto'ge 33anr,

Umid^tmgenb treu, mit freunblicöem ©efrefce

2tlt beutfÄen SSolfeS lieber 2)hittertanb

;

Page 105: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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2)a§ füfyner beine 9^ä^>e un6 belebe,

SBift bu, be§ 9luf)m§, ber (Sfyre leucfytenb s£fanb,

(Sttcnb bieder, in betner Ärieger SWittcn,

(Sin ritterlicher Äönigsfofyn gei'd;ritten.

2S3te ebel ftub tiefe 3Borre, unb er ocrbient fie, an ben fie gerichtet

finb. Die Sfttttoeft preist ifm, unb aucfy bie SftadjtDeft toirb ilm greifen,

bemt er mirb feinen $(a£ toürbig ausfüllen.

Da$ anbre @ebid)t ift oon §inSberg. -3cfy bebanere biefen SDlann

oon fo oiet bicfyterifcfyeu Talenten unb beutfdjer ©imteäart, oon bem td)

fd)on ba er feine Nibelungen la$ eine fyofye üflemmta, faßte , in äftüncfyen

\\id}t feituen gelernt ^u fyaben.

3u biefen Dagen pan nacfy $art$ ju reifen.

24. Dctober. 9^ttr|. Dteügtöfeö ©ebid)t an meinem heutigen ®e=

burtStag.

28. .October. Sfttrty. 'Die Drbre jum Slbmarfd) gekommen.

29. £)ctober. Ücitrt;. D]cr/amarin, ber als Duartiermad^er coiauS

ift, gibt bie 9?acf;rtd)t baß baS Regiment lieber nacfy 9ttünd)en fommt.

£) toie glüdlid; utacfyt micfy bieg! (Heftern fcfyrieb icfy nod; ein ®ebicf/t

uieber, Oott ftagenber, trauriger Smpftubungen;

fie ftub oerbvängt.

1. Dcooember nacfy bem armlid)en Dorfe Mastis , fed;3 ©tunbeu öon

DrotyeS — am 29. £)ctober r<oit Dfctrr/ abmarfdn'rt, burcr) ba3 fyäßltdje

Stabil« uadj 33iilr>. 2tm 30. Dctober langer unb befdjtoerltdjer äftarfd)

burd) ba£ große Dorf £igiü) unb bie l?übfd;e ©tabt 3oignr/ an ber

gönne uadj bem njofytfyabenbeit Dorfe (£ejr;. %m 31. Dctober täugS ber

gönne burd) ein fyerrticfyeö Dfyal. (SBen gieng bie ©omie, mit golbenen

SÖolfen umgeben, fyerrtid) über bem gtuffc auf, unb burcr/fcf/tmmerte bie

blaue glutfy mit einem rötfyftdjen ©djetue. ä)can fal) lüde fofyleufdnTfe

auf ber gönne, bie nacfy $ari$ fahren, lieber &. Julien uadj bem

freunb(id)en SBttleneuoe le 9tot; bie (£ompagnie fam nad) leS ©iegeS.

33ebauere, ©enö, baS fo nafye, mit ber berühmten Äattyebrate ntcr/t

fefyen ju fömten. 3n ©iegeS , einem elenben Dorfe , erbärmlidjeg Duartier,

id) mnßte auf ©trofy liegen, fonnte oor Mlk uidjt fcfytafen. Der SBtrtr;

f/iwfte, feine $rau toar bucflig.

Durd) Söiüeneuoe'l'^rdjeoeque (V. sur Vannes), jiemticfy bebeutenbe

aber i>äßticf>e ©tabt. Die 9ftarfcf/route für baS Sörigabecommaubo nad)

OTndjen gefyt — über ©en$, SBilleneuoe, Drcr/eS, iörienne, -^oinoille,

Page 106: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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£ont , Sftanci) , ©arguemine«,

gtoeibrüden , 9Jtomtljetm , föeibetberg,

§eitbronn, §aH, ©Clmangen, gaumgen, Wng«burg — mit jefyn Safttagen.

2. 9cobember. $aäfi8'. 3)te (2d?am ift natürftd), ift angeboren.

SJie itnberfäfyämtfyeit mirb erlernt.

3. ^ccember nadb Jrotye«, gro§e, afte, fe^r fyägtidje (Stabt, ge=

fcfymadlefe 23auart ber föäufer, bie audj im Stottern unbequem unb

tomfftg futb; enge nub fd)tmt£tge ©trafen. 3)te fterrltd^e ^atfyebrate.

Sfy erftaunte , al« fte £13$G$ in ifyrer foloffalen ©rö§e bor mir ba ftanb

mit ifyren gotfytfdj meierten dauern, ba« -önnere impofant tote baS

2leu§ere, ein roafyre« §au« @otte$. Sinnige, fyerrlicfye $Bfo8ftd?t toon ber

§b^e be« £lmrme«, man ftef>t £rotye8 mit allen feinen Umgebungen,

an Reitern Jagen fcgar 33rienne. SDaS ©ef^räcb unb (Setooge ber tief

unter un« manbetnben 9Äenfdjen tönte fummenb ju un« herauf.

-3n einem 23ud)laben bte 33erenice bon Racine (mein £iebüug«bud))

gelauft, unb £uct«' Uebertragung (benn eine Ueberfe^ung ift e« ntdjt)

fcon TOacBett). Gin fran3cfifcr>er §err, ber babei frar, nannte bie

©fyaffpear'fdjen Sragöbten des monstrosites, unb bie bee Racine des chefs

d'oeuvres. (Test montrer du bon goüt, fagte er, afe icfy bie 33erenice

»erlangte.

Qm Ouartier bei einem reichen Kaufmann fanb icfy mid) fet)r gut.

(Einer ber Üommi« fal) ätylanbent fef>r äfynltdj. SDte jungen £eute münfcr/en

alle fefyr, beutfd? gu lernen.

4. ^et-ember. SD^iere« hd Srienne.

Starter üftarfdj burdj mehrere Dörfer mit ben oerberbticfyen (Spuren

unb S3ranbftätten be« $rieg« be^eidmet; burcfy SBrtcnne felbft, ba« im

£f/a(e liegt, auf ber §% ba« ®d?to§ in bem 23onaparte erlogen mürbe.

6. 9coi>ember. Segere« bei £>ou(et>ant, fyübfdjeS, große« 2)orf mit

einem (2d)(offe, ba« ber 80jäf;rtgen ©räfttt @egur gehört.

S>ers3)cacbetfy fcon &uci« ift at« franjöftfdje £ragöbie etroa« $or*

5Ügtid)e«, mit bem Original oergtia)en ofyne aU^n 2£ertfy. 9Jcan finbet

faum einzelne gunfen ber ®fyaffpear'fd)en 3)id)terftamme. ®ie meiften

fcfyönftett (Scenen falten gänjlid) toeg; 2ftacbetfj ift nidU ber fid) mefyr

unb met;r »erljärtente blutgierige £tyramt, fonbern ein reuiger ©ünber,

ber nad; einem fyatbbegangenen SSerbredjen fdmetl roieber umfefyrt, ber für

9Jcalcotm fein £eben (ä§t, nad)bem er if>m bie trone gegeben f>at. Setbft

au« bem güüfcorn ber btüfyenben, t;inrei§enben ©ebanfeu be« genialen

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dritten Bringt er nur toenige. -feie §eren, bie 2Beiffagungen , Sßanquo,

SD^acbitff fallen meg — bte <3dj(adjt, bte 2lngft, bte SBerjtüeifütng , ber

Tob SJtacbetfyg •— nnb bodj fcfyeint ben ^ran^ofen biefe 5Tragi3bte nocfy ju

fcfyredftcfy nnb fürcfyterlicfy.

2Tm 7. -ftooember burcfy -Sohroitfe für SJcarne nacfy einem furzen

Üftarfdj in£ Nachtquartier £)3ne le Sßat, ein gro§e£, fd;Ied>te§ Torf.

Ta ein ©ebicfyt: „^eimfefyr." —8. 9cooember nacfy beut Torfe tarnet) Bei @onbrecourt.

9. 9cooember. Troute§ Bei Tont. — Ter Sftavfcfy bafyin burcfy Sftegen,

Sßinb, $roft, ben fd)änbtic^ften $otfy.

9cancty, 10. 9tooember. Ta bin id) benn lieber in bem frönen,

toeiten Nancty. — 3cfy erfannte bie alte -Pförtnerin oon @t. ©tani§ta$

toteber, bie burd) ü)r ^enfter fa^> , o^ne mid) jebod) $u Bemerfen. 23eim

SDctttageffen ber §au3l)err §r. £acreteüe, feine artige Softer, ein alter

2lBBe nnb ein gleichfalls einquartierter rufftfcfyer £)fficier ($ok oon ©eBurt),

ber tntcf) nadj Xiftfy in fein 3immer führte."

2iBenb3 int Sweater, ba3 erfte toa§ icfy in granfretdj fal>. (§8 ift

fyüBfd) geBaut, nicfyt fein* groß, bie Gruppe fdjledjt. Sie gaBen brei fefyr

lange Operetten. Ter ©efang ber jjranjofen ift mtauSfteljftdj. ÜJtan fyört

immer biefelBen SD^clobieit. -3m jroeiten: Eufrosine et Corradin ou le

tyran corrige, fdjrte ber Tr/rann unb eine ber Tanten fo fürdjterltd),

nnb gefticulirten fo rafenb, bafj man ftd; im ToHfyauS glauBte. SIBer je

ntefyr fte fürten, befto mefyr flatfcfyten bie granjofen. — Tiefe flehten

franjöftfd^en Stücfe fönnen nidjt, mie unfre beutfcfyen, burdj baS «Sujet

felBft, fonbern nur burcfy gute ©djaufpieler gehoben toerben.

x>4 traf £über unb fal) mit il;m bie $ird?e du bon secours, in ber

ba3 ©raBmal be§ <Stani3tau3 SeScmSfy ift. WM) rührte bie -Snfcfyrift

treibe biev$olen, ba fte 1814 in ücancty maren, untoeit be3 ©raBmat§

auf einer SDcarmortafel batten eingraben laffen:

Exereitus Sarmatici reliquiae per orbem, Gallis sociis, patriam

quaerentes, quam perseverantia fortitudineque meruerunt, Alexandri

pacificatoris benignitate collectae duce Michaele Sokolnicki penates

suos repetentes, Stanislai Lescinsky, patris benefici, Christianissimi

regis abavi cineribus hospitique nationi lugeutes dicunt aeternum

Yale. 11. Jun. 1814.

2öie einfad; unb faft toel;mütl)ig ! 5lud; bie $oteit fiub, tüte ber

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arme ©tani§IauS, faft oertrieben au£ intern SBaterlanbe, ba e£ aufhörte

frei ju feim. £ie 9?ad)U)eft ift über ben ^3artetf>ag ergaben. 2öie manche

^ßofen, beren Urväter btefeö (StaniStauS toegen blutige ^einbe tt>aren,

tüet^ten nun gemeinfcfyaftlicfy ifyre £fyränen bem SBerftorbeneu.

Söet einem 23ud$änb(er faufte id; einige auSertef ene $oefien ©reffetS,

bie poetifcfyen SBerfe 23oi(eau'§, bie fables by John Gay unb ^ßope'Ö

SSerfucfy über ben 9ftenfdjen, engüfd), latein, ita(ienifd), fran^öfifcfy,

unb beutfd).

©ruber, Lüber unb ©aporta jum 23efucfy.

(Saporta toar in $ari£, fyatte mit Lubtoig XVIII. gefprocfyen,

S^ateaubrianb gefefyen.

©ruber toolmt in Planet) bei einer alten 5)ame, beren Wlami ein

(Eorfe getoejen unb ben jungen 23ouaparte na<fy 23rienne gebraut fyat.

12. -ftooember nacfy 3)ieuje. 3d) fam allein bafyin, toeit icfy »er bem

5Ibmar|'cfy oon Sftancty, al3 franjöfifd) ©precfyenber, einen Auftrag an ben

©ougprefet erfyiett, bem id) brei (befangene mit ben baju gehörigen bieten

gegen (Schein übergeben mußte. (£$ bauerte lange bis id) ben 3ou§prefei

faub ; inbeffen marfdnrte baS Regiment ab. £>ie 3ögerung toar aber baju

gut ba§ icfy einen alten 23efannten, Lieutenant @raf <S^rett, traf, beffen

Regiment (bei bem auefy ßzä), Stccfum unb Dftttmeifter (Sdmübt ftnb)

in ^ranfreid) (in ber ©egenb »on (£fyateau=<2atin§) bleibt.

(§3 ift fyimmetfcfyreienb ba§ mau Lothringen , biefe ur|torünglicfy beutfdje

^reoin^, unb (Sffap nicfyt nüeber mit uuferm Sfteicfye bereinigt, äftit ber

3ett toürbe man fogar bie franjö'ftfdje ©pracfye auS ganj Lothringen

terbanuen formen.

13. 9?ooember nad) £iefenbad;. bereits bie beutfcfye ©pradje unb

aud) bie beutfcfyen (Sitten. Sitten fdnen umgeioanbelt.

14. -iftooember über ©aargemuub nad) bem nal)e babei (iegenben

Dftebergattbad) , roo Safttag.

(Sine (Srjäfylung in -ßrofa: „bie Sergcapetle," ooßenbet, ju bem bie

erfte 3t>ee ein $trcfytein bd -Soignt), routantifd) auf einem Sftebeufmget

gelegen, gab. @S üegt feine roat)re @efd;tct)te ju ©runbe, bie (Srfinbung

ift einfach , unb baS ©auje fott fid) nur burd) bie £enbenj unb ben (Sityl

au3$eidmeu.

16. ^ooember über baS fd)ön gelegene 23(ieofaftel unb gtoeibrütfen

naefy Unteranerbad) , eine t)atbe ©timbe oon festerem. -3n $otoe getefeu.

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17. Sftooember nad) Äricfenfcadj bei ftaybftvfyt, über £aifer3lautern,

too mir borfam a(S ^ätte idj jum erftenmal lieber bie atte beutfd^e

§crj(t(^fett getroffen, bie bem ©entütfye fo toofyl tfyut. -5m ätoeibrücfer

2anbe toolmen bocfy feine redeten ®eutfcr)en mefyr ; bie gefährliche 9?ac^6ar*

fdjaft l>at fte »erborben.

^ßope'S Essay on Man entjüdft micfy. Obgleich nid)t ganj mit ifym

emoerfranben , n>e(cr;eö oieüeicfyt bafyer fommt ba§ idj iljm nidjt ganj begreife,

bennmbre id) ifm bocfy als ^ijttofopfyeti unb £<idfyter. 3)ie jtoeite unb feierte

(Spiftet tefe id) am liebftcn. ©efuubfyeit, ^rieben unb baS ^otfytoenbige

nennt ber SBcrfaffcr fefyr richtig bie einigen 23ebürfniffe. 2BaS er oon

Vernunft unb -Snftinct fagt, iotll mir nidfyt gefallen. $)ie lefcte ©biftek

über @lücffeligfeit , ift befonbcrS fcfyön entfaltet. -Pope fycittt feine Wbfyaub*

tuug nod) oiel roetter auSbelmen föunen, allein er gefyt mit ber äu§erften

^ßräcifion $u Söerfe. 3)te 2Serfification ift einzig.- (£r ift ein jtoeiter

SBoileau, fo fefyr toei§ er ben Sfteim ju befyerrfdjeu. 3dfy mollte mir

gleichfalls ein eignet äftoralftyftem in Werfen fdjretoeu, aber idj bin fein

$ope, nnb nnr toenige toiffen einen oft tnS ^ßrojatfcfye fallenben ©toff inS

reine (gebiet ber ^ßoefte ju ergeben.

^ott — ftrenge ©tttftdjfeit — 2Bi§begierbe — £iebe ber greuube

toürben bie ©ruublagen meinet ©tyftemS bilben^ £)iefe finb'S, bie ben

2Äenfd)en glütflicfy machen. 2öer möd)te glürflicfy fetyn olwe tägltd) fteigenbe

5lnnäl;erung an baS ^öd^fte Söefen, ofyne $eufd$eit beS ÄörtocrS unb

©emütfyS, ol;ne £iebe jum ©tubium unb olme ^reunbe? $)a icfy nod) nidjt

aus mir fetber hnrfen fann, fo begnüge icfy midj inbeffen ^ßofce'S (Spiftcln

in meine Sttutterfpradje ; unb jtoar in bemfelben 33erSma§ ,£u übertragen,

anfangs fyielt id) eS für unmöglidj, jefct braute icfy bereits gegen 200

SSerfe ju (Staube. (SS ift em breifadj fcfytoierigeS Unternehmen, baS nur

burd) oiel $lei§ gelingen fann, %ilS toegen ber SBeitfdjtoeiftgfeit unb

^eimarmutl) unfrer ©toradje, oerglidjcn mit ber englifcfyen, tfyeilS toegen

ber Ungeioolmtfyeit beS 2RetrumS , tfyeifS toegen ber bunfeln , antitfyetifcfyen

^ürje beS ^oeten. bringe id) bieg 3Öerf ju ©taube, fo it>erbe icfy mir

»iel barauf ju gute tlmn. 5lber obgleid) id) »ielieicfyt fein S)id)ter bin,

fo bin id) bodj fein ganj ungefdnxfter Weimer , unb bie§ ift boct) eines ber

^aupterfovberniffe biefer Arbeit. — -3c^ oermeibe alle toeibticfyen 9teime,

bie mir im £>eutfd)en übertäubt i^reS wenigen Klangs megen üer^agt finb,

Page 110: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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üBerfe|e fo treu afö möglidj, jitroetfen fogar auf bem 9Jcarfd)e, ba idj

ba3 33ucf) Bei mir ffifyre.

21. SftocemBer. 9?ecfarau Bei Sftannfyehtt.

§ier Bin icfy lieber in bemfelBen £)rte, an bemfelBen Stifte, too

idj fecfyS fdjöne Söodjen lang (eBte, bacfyte, bietete.

20. SfoöemBer ttmrbe ben ^ettenfyeim aBmarfdn'rt , unb bier ©tunben

mty §ej$eim, too ml an -ßope gearbeitet hntrbe.

3tm 21. -ftobemBer bann über 3Cßannfyeim nad) Sftedarau. 2iBenb§

nad) Sttannfyetm in§ Sweater. 3)ie ^ageftcljen mürben gegeben. 3dj

liebe bie -Sfffanb'fdjen ©tüde, ifyr SSerfaffer fannte bie SQcenfcfyen; er ift

ganj üftatur; bie 2luffüfyrung mürbe mir gefallen fyaBen, menn idj ba§

©tüd nidjt in 2Äündjen gefeiert fyätte.

22. ^übemBer. 9?edarau. £)ie UeBerfe£ung ber erften ^ßope'fcfyen

Gsptfiel, in 10 Werfen mefyr a(» baS Original fyat, öottenbet.

3n SJtonnfyeim jmei (Sremplare be§ mefyrermälmten Sfturpacfy'fdjen

©ebid)t§ unb brei englifd^e UeBerfe£ungen ber teuere fcon Bürger gefauft.

2lBfdu>b§(ieb an ben Sftfyein.

23. 9?or>emBer r>on 9?ecfarau üBer ©djtoefcmgen unb Söatbborf nadj

2ßi3(oc^.

21m 24. 9?obemBer nad) bem B)übfcr)en unb großen £)orfe ©tfäfj Bei

©in$etin.

21m 26. 9?oöember in 9Xffaftrac^ Bei Defyringen bie lefcte §anb an

eine giftet an £fy(anber in gereimten Werfen gelegt. (Sie brüdt juerft

bie ©elmfudjt nad) ber 9?üdfet>r ;m meinen greunben ait3, fprtdjt fobann

fcon bem franjöftf^en 35oi?e, r>on bem vergangenen Kriege, ber ©d)tacfyt

Bei SBaterloo, ber S)emüt^igung ber getnbe , ber 3urM[üfnitng ber Slntifen.

gerner enthält fie S3etrad)tungen über ben ^rieben, über bie je£tge £age

;Deutfcfytanb3 unb be$ 'beutfdjen 23unbe3, Ermahnungen jur allgemeinen

(*intrad;t Unb ben ©cfytuß. ©ie fyat 279 SBerfe , in bmfügigen Samten

mit aBtoedjfelnb männttcfyem unb meiBIicfyem 2(u3gange.

©oBatb icfy in ^u(;e Bin, merbe idj bie ®efd?id;te ©uftaöS 2öafa

unb feiner 3eit auf baS genauefte ftubieren, unb ü)u jum §e(ben eines

GpoS machen.

25. SftofcemBer ttmrbe bie toürttemBergtfcBe ©ränje pafjirt, in 3(ffa(trad)

ju einem Safttage *palt gemacht, mo id) Bei bem fatfycttfcBen Pfarrer im

Sftefectovium be3 ehemaligen G>apuctnerf(ofrer3 (cgtrte.

Page 111: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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26. DfoüemBer üBer £)efyringen m<fy ^upfer^ell, mo id) Bei bem

§ofratfye ©reBner einquartiert mürbe. §ier (ernte id) eine tieBenSmürbige

gamilie, einen Brauen beutfcfyen §au§t>ater fennen. (Sine angenehme grau

in mittleren 3a^ren , B(üf)enb fd^öne üinber , brei SD^äbcBen unb ein $naBe,

umgaBen ityn. 3mei £öcfyter ftnb Bereite fcerfyeiratfyet, gtoct ermacfyfene

(Sölme im 9Mitär. S)er ältere ift fcon mürttemBergifcfyen in öfterreicfyifcfye

£)ienfte üBergetreten. Qrr mar unter ben SBürttemBergern , bie in ©acfyfen

üBergiengen, unb mürbe toom $önig enttaffen. 2Md? ein ferner $InBütf,

eine gamüie, in ber ber 2Bofy(ftanb, bie Orbnung unb gegenfeitige £ieBe

fyerrfcfyeu

!

3)er Söeitermarfcfy giettg junädfyft nadj ®ettingen, unb [oute üBer

§aü gefyen, ba aBer bie 9ttarfd)route beräribert mürbe, lieg icfy mir in

£)ettingen bie (SrtauBniß geBen auf einige £age nad) 2lnSBacfy ju gefyeu,

unb miefy in Werbungen mieber mit bem Sftegimente §u bereinigen. Scfy

retöte f^nett üBer $rai(3fyeim unb geud)tmangen. S3eim ©cfyein ber

Laternen fafy \<fymit ftobfenbem §er^en meine SSaterftabt mieber. -3cfy

faf) £id?t an unfern genftern. Steine Butter mar allein, bie UeBer=

rafd)uug lann man ftcfy beuten. (Später fam aud) mein Spater nad) §aufe,

ber eBen fo menig bermutfyen fonnte midj ju finben. Leiber fallen and)

einige 2öermuff)3trobfen in biefen Sedier ber greube.

2)ie öfters erfdmtterte ©efunbfyeit meinet alternben 33ater§ unb biete

traurige SSerr)äCtntffe meiner gropen gamitte füllen midj mit ©orgen.

(2§ ift eine 5Irt bon gfucfy, einer Befannten unb auSgeBreiteten Familie

anzugehören. S3a(b fyört man bon biefer, Batb bon jener &tite traurige

•iftacfyrtcfyten. SDie erfte <Sr;e meinet Sßaterö mar eine ungtücftidje, unb

Braute taufenb Unfälle üBer unfer <pau§.

30. 9?obemBer. §ier in 2lnSBadj fielen mir einige meiner älteren

$erfe unter bie <gänbe, bie midj jtem(id> Betuftigten. (£omöbien in

$nitte(berfen au$ meinem afyttn unb neunten 3afyr, finntofe ^robuete,

Bfo§ be3 9?eim8 megeu gemalt, bot! §ereu, 3auBerer unb bitter, Btoge

Konturen, c^ne 2lu$füfyrung , ofyne «Statten unb £icfyt; bann brei fyrifd^e

©ebid^te: „3)a3 ®raB an ber £)onau," „an bie $reuttbfd;aft," „au bie

Königin (Jfyrtftine bon ©darneben."

(So biet bon biefen Werfen. $'<§ mei§ nid;t oB fte unter aller

Äritif ftnb, aBer icfy mei§ ba§ fte berfyä(tni£mä§tg bor^ügücfyer fiub aU

Page 112: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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meine je^tgen potirten, gerunftelten $erfe, bie bocfy nad; einem ,3mifcfyen=

ranm bon fe#8 Saferen ungleich beffer ferm feilten. 3>a3 ift untröfttid).

3d) blieb toter £age in SluSbad), laS mehrere jur 3eitgefd)icfyte gehörige

(Schriften, oon benen idj be3 (trafen Strüäjfefj 23efdjreibung oon be§ (£r=

faifer8 Steife toon ^ontainebteau nad^ <5(ba nenne, nnb manches in ber

jooiaten, mi^igen nnb oietleicfyt eüoaS trioialen Sobfiabe.

3n SDettingen traf tefy toieber mit meinem Regiment jufammen, mit

bem tdj über SSerttngen unb §ofyenreit, in meldten beiben Orten %lad)t''

quartier mar, jnnäc^ft nad) Augsburg gteng.

7. ©ecember. @d;reiberS (£ornelie für 1816. UebrigenS mttg man

bie fceutfdje Storadje bemunbern, bie jugletd^ bie gezogene Sänge ber

itatienifcfyen unb bie naioe Äür^e ber englifcfyen nad^ualnneu oerftcfyt.

$o§, ber Solm, gab bie Uekrfejnng einer ©cene au§ ben ©tefcen oor

Xfyebcn. 3)ie Werften, id) feinte ba§ Original nid>t, mag fefyr bucfyftäbtid)

nnb gebrängt fetm, aber fo biet n>ei§ idf, ba§ fie nid)t fcfyon beutfd) ift.

ttnbeutfcfye Süferfe mic ber:

SBerfyä'ngt e3 ©ottf)eit, mdj>t entfliegen mag er bem 2öeb,

fann man unmöglich billigen. 5)a3 nenn' id) eine mi§ffingenbe unb lang-

meilige Sprache.

Seiber, ober aud) nicfyt (eiber, fyabe icfy bie ®abt utdjt mid) mit

jebermann §u unterhatten, beuten, bie oon nicfytg a(§ ^ßferben, §unben

unb ftnnticfyen Vergnügungen reben, bin icfy ein burd)au§ ftummer ©efeU=

fcfyafter. 3$ begreife nidjt, mie e3 fo oiele junge SJtenfdjen g^ben faun

bie toeber (Srnft in ifyretu (S^arafter, nod; (Streben nad) VerooHfommnung

befreit, bie ifyre ßät uuenbtid) lcid)tftnuig oerfcfyleubern, unb bereu ganjeS

9cacf/benfen barin ktfttyt mie fie ben 9cad^mittag auf eine luftige Söeife

Einbringen foüeu. £>a3 £ebeu bietet boefy fo oiet (Stoff jü ernften 33etrad)=

tungen bar; $(ei§ unb 53emü§uug taffen ein fo füßeS SBemugtfelnt in unS

jurürf, toatn'enb Müßiggang unb ©innenfreuben nur mit einer fcfyalen

£eere unb nagenben SBortoürfeu erfüllen.

3n 2tug3burg gieng id) oor bem 2ut*marfdj fein* friifye in ben 2)om.

-3c^ fyaite ü)u er(eud)tet gefefyeu, unb fanb eine große Sftenge SDteufdjen

metrte beteten uut> fangen (Rorate), mag fie hi$ Üöeilmad-ten. jeben SDtergeu

nneberfyoten. 3)iefe oerfammette, in (Sefang ergoffene, oom magifd-en

£ampen|dummer fyatbbeftrafytte SOtenge, fuienb unter ben alten Ratten unb

l)cl)eu (Scfyioibbögeu ber 3)omfirc^e, gemährte einen erfyebenben 'ätibüd.

Page 113: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Stftarfenftein Bei 3)adjau war mein kt$te$ Duartier oor 9ttündjen.

3d) Wolmte in einem SBauernfyaufe mit ber gamitie nebft §ülmern unb

(hänfen in einer «Stube. (5$ ift gut bag icfy mid) feiert Begnüge. §aB'

idj bod) meine Sßüdjer nnb mein £agbudj, mid? ju unterhatten, fyab' icfy

boefy einen £ifd; um barauf ju fcfyreiben, SBrob nnb 23ier um Weber ju

Jüngern, nodj $u bürften.

3n biefen £agen 9?ofa(ien3 Sftadjfafj lieber getefen; mit nod) toter

tieferm ©nbruef aU oor $wei -Sauren. 3d) war $War aud) bamatS nicfyt

irreligiös ober falt gegen ba$ §eiftge, tdj oergag nie jn Beten; bod> mar

mir bie Religion nod) ^n fein* Siebenfache, ifyre £röftungen Waren mir

nid)t überall gegenwärtig, id) arbeitete an meiner SSefferung, aber bedj

uicfyt au$ ben reinften 23eweggrünben , mein SBerfyaltntg §u ©ort War

gläubig unb gut, aBer nicfyt innig. 3e£t, ba meine eigenen Betrachtungen

mid* auf bieg geführt Ratten, ma§ biefeS 33udj befyanbeft, ergriff e8 mid)

um fo mächtiger. (g$ ftefyt würbig neben bem 5lgattyofIe$ ber $icfy(er

unb ben SBefenntniffen einer fd)önen ©eete.

12. 3>ecember. 3>er feierliche (Smjng in 9J&md*-en erfyob, baS

2öieberfeljen Oon ^reunben unb Söefannten belebte miefy. 23atb aber trat

Sftigmutfy unb £rübe an bie ©teile biefer erften Stimmung. Ocfy bebarf

fteter Anregung — id> nafym mir cor mieb ganj ben (Stubien gu wibmen,

allein icfy füfyte nur ju fefyr ben Söiberftreit ber 2öiffenfdjaft mit ber

3eit unb fraft. 2BaS fofl ber SD^ertfd^ nicfyt atteS tefen, lernen, wiffen,

ftubieren, unb ba$ £eben ift fo ftrq.

20. 3>ecember. 2Jcünd>en. £>en eitften unb zwölften Ütfyeit bon

©cfyulerS fämmttidjen 3ßer!en ermatten. Um wie oiet reicher würbe unfre

Literatur feint, wenn Sd)iUer ben ÜDemetriuS, ben 2Barbecf, bie Sftattefer

unb bie ^inber be3 §aufe$, oon benen fyier Sßrud-ftütfe gegeben werben,

fyätte ooUenben rönnen! 3)er SDemetriuS, beffen Anlage fo grog unb

fcfyön ift, unb bie mancfyfacfyften, r)errüd)ften (Situationen barbietet, würbe

ot)ne ätoetftf e*n 9Jicifterprf ot)ne ©teilen geworben feint.

5UtS ber trüben £aune rig mid) für einige ßät ba$ 9^ad;benfen über

baS (SboS „@uftao SBafa." 3$ fünfte bie @röge be$ Unternehmend,

©enaue ^enntnig ber (Sefdjidjte unb ©eograOlj>ie beS Sanbeö ftnb faum

ein £)rittfyeit ber Arbeit bie mir Oortiegt; bie $^antafte beS 2)icbterö mug

bie jwei anbern ZfyiU ausfüllen, äftein ^orbilb ift Jaffo ; beffen SSerSmag

ic^ auc^ wägten will.

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3tf> lefe &r$en$dg'£ ©efcfyicfyte ©uftao Söafa'S , unb foul im feisten

!£tyeü beg „SBettumfegterg" bie ausführliche £anb= unb ©tabtbefcfyreibung

oon ©cfytoeben ftubieren, unb $ur Ueberftdjt ba$ £eben beS gelben in

33etfer$ 2öe(tgefd)id?te lefen. Sfttt ber £fyronbefteigung ioitf icfy fdjttegen.

lieber ben Anfang Bin id) nod) nid)t mit mir im deinen.

-3n Henry Weber's Illustrations of northern antiquities mehrere

©teilen ber Nibelungen in engttfct)er tteberfe^ung getefen, ber 2lbfa£ be$

S5erfeö ift nidfyt fefyr glücfüct) getoä^tt.

2lm 31. 3)ecember. 2£er oiet ©eift ^at, madjt biet au$ feinem

£eben, ta§ idj fyeute. SBerm bte 23emerfung aud; umgefefyrt toafyr ioäre,

fo toürbe id) ein geiftreid)er äftenfcfy feint; benn icfy madfye oiet au§

meinem £eben.

3)a3 vergangene 3at>r loar an äußerlichem ©ehalte ba3 reichte, fo

id) bisher kW.

3fy fafy ein £anb , ba§ micfy tfyettä burdj bte ©cfyörifyeit feiner Natur,

fytifö burdj bie Slrtigfeit feiner 23etooImer an^og. 51m fünften aber

oertebte idfy ben $rüfy(ing an ben Müfyenben Ufern be§ großen majeftätifc^

rotlenben Sftfyeing. -Sn ©pracfyen fyabe. icfy bto§ in ber fran^Öfifc^en $ort-

fcfyritte gemacht Steine bominirenbe £ectüre mar ©uarini. $on meinen

©ebidjten fyatte idj „SBefemttmß," „an ba3 beutfdje $otf," „mrria

©tuart," „£abfy SBot^toetf," „bie ©rotten oon 2Irety" für gut, oietfeidfyt

finb e§ and) bie (Spiftetn; ob bie „moratifcfyen ^Betrachtungen," toeiß idfy

nidjt Qfy bitbe mir aud) ein, fitt(id) beffer geworben ^u feint; getoiß

fyabe tdj midfy ber ©ottfyeit unb ber Religion mefyr genähert. — —Sftöcfyte itf> am ©übe btefeS -3at>re3 ioeifer feim aU jefct, toenn audj

nicfyt gtütfttdjev!

^rüfyer fcfyon 23efanntfcfyaft mit einem (Stgtänber, ©rainger, gemalt,

mit bem icfy ^utoeiten eng(ifd) fprecfye.

„2)te ©dmtb" oon SRüöner gefefyen. S)er SScrfaffer berbient in ber

£f)at ben fyofym Sftuf , ben er fidj burcfy biefe £ragöbie erworben, er erregt

bie größten (Srtoartungen , aber ba8 ©ieget gebiegeuer SSottenbung trägt

bte ©tirae feiner SMpomene nod) rttcr)t. (Sr fyätte. beffer getrau, bie

©djtfler'fdje $orm ju toäfyten. ©tyaffpeare, ©Ritter, SBerner finb e$, benen

er toedjfetötoeife nad^ftrebt. £)ie ©nbfataftro^e entfpric^t bem ©anjen nidjt.

Page 115: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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1816.

4. -Januar. 2Bem bie gorm ber „©duttb" gefäCtt r bem mag fo

jtemüdb ba3 ®an$e gefallen.

" ©3 ift in £rod)äen unb faft ganj gereimt. 2lber ber Sfteim ift oft eine

flippe für bie ©cfyaufyteter. £)ie 25erfe finb aufteilen fliefjenb unb äugerft

metobifd) , jmoeilen aber toirb ber ©pradje @etoatt angetan. SDtc 3)iction

fteigt oft jnr fyöcfyften Söürbe, oft ftnft fte toieber ju tief fymab. grembe

2Borte, töte j. (£. togiren, gcmfare, Bureau, ®omefti!en in bem feierlichen

£on einer £ragöbie §u fyö'ren, ift unerträglich $erfe tüte:

2We§ fennt er in £ortofa,

Unb befcfyrieben §at er mir

Steine Sante, 2)onna 9Ma,

Sie fte leibt unb lebt unb fdj)maf)lt k.

Hingen tote ba^" monotone ^?teb eines ©cfyattenfüiet=@aoor/arben. 3)iefe3

£rauerfyiet erinnert an ben QttacbetI), an bie Söraut Oon Stteffina unb

an 2Berner3 24. Februar.

2)te mr/ftifcfye §ütle um baS ®anje l;ält bie Sfafmerffamfett bis anS

dnbe gefpamtt, oon befonberer Sötrfung ift ber britte %d, bie (Sntbecfung

beS SßrubermorbS meifterfyaft herbeigeführt, trefflid; bie SBefcfyreiburig , tote

er ben (£arto3 im 2öatbe erfcfyoffen tyat. SDte SBertoebung ber fünf £)immet3=

jetdjen in ba£ £eben be3 §ugo ift eine, toenn aucfy mfyfttfdje, 3^rbe be3

2Berfe§. S)ie 2ln3iel;ung3traft be§ 9?orbtid)tS aber eine lz\ ben §aaren

hergezogene ^ßtatttjeit.

•3m 9ftorgenbtatt 3ean $aut3 „©efprädfy ber beiben 3anu3geftd)ter."

©efyr anjiefjenb. 2tu§ ben „beutfdjen ^Blättern" ein treffticbeS @ebicfyt an

faifer gvcmj, im (Sommer 1813 in Sßien angefangen, copirt.

6. Januar. 9#ünd)en.

3tt>eier(ei fefjlt mir, um meine je^ige @emütl)3(age aus einer großen

©djatfyeit ju reigen. (Sinmal bebarf mein ©eift, lange ßät fyer mit

atljuteicfyt fagticfyen S)ingen befcfyaftigt, eine§ ^raftauftoanbeS unb Anleitung

$u tieferem 9?ad)benfen , unb bieg fyoffe tdj burcb pbilofoplnfdje (Schriften

^u er^toecfen; bann bebarf mein Körper eine gemiffe 5Inftrengung unb

©pannfraft, bie idj if)m burdj ben (SiStauf ju geben fud)en toerbe.

£>ie 23iograpl)ie £)ante'S im $an%on -Italiens ju (Snbe gelefen. Qn

ber Eleganten 3 eüung De * Gelegenheit einer ftrengen Ävtttf Oon 2öerner$

Page 116: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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24. Februar eine Slnfpielung auf üttütfnerS ©dmlb, bie, olme genannt ju

derben, ein toerttylofeS ^ßrobuct fyeigt, blog burcfy ben je^igen oerborbenen

romantifcfyen ®efd)macf fo fe^r erhoben.

7. Januar. £>te $uceüe toieber gelefen. (Spötterei unb Dbfcbmtät

machen bieg ©ebicfyt, tro£ [einer fronen $erfe, ungeniegbar für ein reinem

@emütfy. £ro| aller einzelnen fdjbnern 23lumen Bleibt e8 immer ein fefjr

übetriedjenber «Straug. 2öie anber$ erfdjeint neben Voltaire einer feiner

3ett= unb ©anggenoffen , ber liebliche, anmutige ©reffet, mit beffen

^oefien idj midj fcfyon feit langer $eit befdjäftige!

2öie leidet fliegen feine SBerfe, tote jart ift er in feinen ©djerjen unb

£>id}tungen ber %khc , toeld) eine SSürbe , meld) ein tiefe3 ® efüljt fyridjt

auS allem ioa§ er fdjrieb. -Sdj jte^e feinen gerühmten fomifdjen ©rjälj-

lungen bei toeitem feine reflectirenben ©ebidjte bor, befonberg la Chartreuse,

Epitre k ma Muse unb Epitre au Pere Bougeaut, toetd)e§ 9Jceifter=

ftütfe finb.' 3>odj alles ift liebticfy, tt>a§ au$ feiner in §onig getauften

geber flog.

9. -Januar, 9fr>djefoncauIb$ 9)cartmen gefaüft — eine (Spiftel in

^ergmen an @uftao -Sacobö gebtd)tet.

10. -Sanuar. £om Sorieö oon gtelbing Ooltenbet. gielbing fcf>emt mir

unter ben 9tomanfd;reibern it. mag §omer unter ben Sm'fern, «Sfyaffpeare

unter ben £)ramatifern ift. Wki ift üftatur unb SBafyrfyeit. 2We feine

^erfonen erffeinen rai8 tote £eute unfrer löefauntfdjaft, fo fein, fo

bifttnguirenb loeig er fte ju ^eidmen. 2öie ber ber §elben be3 §omer,

fo ftefyt jeber feiner Sfyaraltere llar unb beutttd) oor un3. (£r ift ber

§ogartl) ber ©djrtftfteü'er. 9ttan trifft feine übermannte 3been, mtb felbft

bie romanhafteren Gegebenheiten fcfyeinen un3 notfytoenbig unb ganj natürlich

herbeigeführt ^u werben.

11. -Januar. $arl 28iebefing erjäfylt oiel oon (Sngfanb, oon too

er eben jurücfgekommen ift, er erregte mir burd) bie ©Filterung beS

(Sfyarafterg unb ber (Sitten beS engtifd^en 2SolfS eine große ©elmfucfyt nad)

ßnglanb.

12. Oanuar. 2rübe (Stunben, in benen i(fy gan$ an mir felbft

7* •oerjtoeifle. 3d> fürchte bag id> toeber $erftanb, nod) @eift, nod> Talent,

noc^ überhaupt irgenb etioaS Ufity, baS über bie gemetnften Sttenfdjen

ergebt. 3um minbeften fcbmeid^te idf mir bag id? gut bin, unb fety id?

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cmdj in allen ©tütfen ein 3biot — nocfy üBerbieg ein erBärmtidjer £)icfyter,

fo fyaBe idj bodj ein ©treBen ^n ettoaS SSefferem.

17. 3anuar. 2)ie (giftet an Bfytanber ooflenbet, fie fyat 319 SBerfe.

(ginen 2luffa£ üBer ba$ £efen, <Sd)reiBen nnb teufen Beim ©elBftftubium

angefangen.

19. Januar. Rochefoucauld reflexions morales. 3dj Begreife

nidjt, toaS e£ für ein SSerbienft feljn folt, ben ®tauBen an bie 9Jfatfd$ett

^n fcfyioädjen, unb un$ ben @goi§mu3 als bie £rie%ber aller jener §anb=

tungen anzubringen, bie ioir groß ünb ebet nennen. 3)te (SigentieBe ift

ein toeiteS 9tteer, aus bem man cftßt 9D?üfye alte SftüfytMdje aBleiten

fann, n>e(a^e bie Sftäber unfrer Saaten umtreiBen. _(§:8 ift loafyr bag

(SgoiSmuS, ©totj nnb (Sigennn^ att^u oft bie §eroorBrmger nnferer feiern-

Baren £ugenben finb; eS ift toafyr bag uns bie (Sitelfeit oft Btinb für

nnfre ®eBredjen madjt; e$ ift toafyr bog bie £ugenben unmerffiefy an bie

£after grän^en; eS ift toafyr bag ber ©elBftBetrug ber üflenfdjett oft ju

einer ungtauBticfyen §öt?e fteigt; allein e£ ift nicfyt toatn* bag bie ^reunb*

fdjaft nur ein 5lu§toedjfet guter £)ienfte, bag fie ein §anbet fety, Bei bem

bie (SigenlieBe ju gewinnen fudjt; e$ ift nicfyt loafyr bag nur ein getoiffe§

Vergnügen am Ungtüd unfrer ^reunbe finben; eS ift nicfyt toa^r bag Ut

herzensgute fo augerorbenttidj fetten fety; e8 ift nidjt toafyr bag toir

SBerfpredmngen gemäg unfere Hoffnungen machen, unb fie gemäg unfrer

gurcfyt Ratten; e3 ift nid;t too|v bag ber (SgoiSmuS bie §aupttrieBfeber

ber £ieBe ift, unb e8 toürbe äugerft einfeitig feim, bieg barauS fliegen

ju motten, meit bie £ieBe, bie fair ju anbern liegen, auefy uns Vergnügen

macfyt. (£-8 giBt eine £ieBe bie üBer atte <SetBftfud)t ert;aBen ift, unb eine

fetBftfüdvtige £ieBe ift eigentlich gar feine. — ®teidm?ot)t ift 9?od)efoucautb

ein feiner benfenber topf, ber Befonber$ ba8 latent beftfct, aüeö in ben

Beftimmten unb allein tauglichen Hu8brüden oorjuBringen, roeit atfeS in

groger ftarfyeit oor it^rn ftefyt. (£r lägt un$ in bie tiefen @efyeimniffe

unfrer §erjen flauen, er tefyrt un8 im« felBft fennen ju lernen, ^o^e

fyat oiete oon feinen ©ä^en in ben essay aufgenommen, tote er auefy ben

Soiteau Benü^te.

21. -Sanuar. 3ean $aul8 £itan ooüenbet. £) ü> 9)htfen, metefy

ein 23ud>! 2Bie ift aüc« bovin 9?atur unb traft unb ©d;önfyeit. 2öetcfye

^ßfyantafie! @fetdj einem neftartrunfenen §a(Bgott fü^rt un^ ber £>icfyter

n>ie burc^ e^fetf^c 2Bege burd) feine 3)ceta^ern.

gßl atenS Sagefrud). 7

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2Benn man einmal bie eigne nnb bodj mofyt etmaS manierirte (Schreibart

-öean tyauU gemofynt ift, fo ift atfeS gro§ nnb fyerrlidfy; aus allem bticft

@enie, @efüt)t, Urtf-eitSfraft nnb Setefenfyeit. Sei feinen üppigen 9?atur=

befd)reibungen glaubt man ein btüt)enbe3 (Semätbe jn fefyen, nicfyt eines

^n lefen.

26. Sanitär. Äcit gri£ gugger mieber oon ber Sdmtb gefprod)en,

bie mid) immer met)r anjie^t, nnb ton ber idj ben ganzen Sag über Serfe

im ÜJhinbe füfyre nnb fte für mid* mieberbote.

29. -Januar. 25ie Epitres Oon Sottaire gelefen. £>ie an 9ftab.

£eni3 eine ber gelungenen §eroorbringungen Sottatre'S überhaupt.

31. -Januar. GnSlauf. Unter angenehmen Öebanfen fdjmebte idj tüte

geflügelt über bie glatte gfäcfye.

3. gebruar. (Sine Strbeit bie mid) bis jefct, M ^etgt einige Sage,

an jeber anbern SBefdjäfttgung ^inberte , ift nun nnb <m meiner eigenen

Sertounberung ootlenbet morben in fein* htrger 3eit. (SS ift eine bramattfdfye

3)icfytung unter bem Sitet: 3)ie Setter be3 £abmu3, in faft gan^ gereimten

Zxofy&m. Sie t>at brei Stete, 1515 Serfe.

4. gebruar. Sei ßrinj £eopott> bon Coburg, ber bor einigen 3afyren

aU rufftfdfyer ©eneral fyier mar, fyabe id) aU -ßage öfters Xienfte getrau.

gnggerS Umgang mirb mir tä'glidj angenehmer nnb lieber.

2tn bie Saute in §annooer gefdnieben.

7. gebruar. 2tn 3acobS bie (Stiftet : „Ueber bie 3ui*ütfge3ogetu)ett

oon ber großen SBelt" getieft. &->tauber fcfyreibt in Sejug auf bie (Spiftet:

,,£>od) mit! icb, ntieb in feine Sräume einmiegen taffen, fonbern ntidj <mm

Kampfe ruften, um in ber >Jeit ein Sfyeitd)en ber fetfl $u merben.''

-3d) fürcfyte neue politifcfye ©rfdjütterungen. 3)ie burd) bie greifyeit3=

friede ertoeeften SBÖtfer fönnen fo tetebt nicfyt mieber jur 9?ufye gebracht

merben. -3d) bitte mir ein, ba§ alte klügeren in bem Mittel einig ftnb,

tiefer @ät)ruug eine mot)ltt)cttige nnb oortfyeitl^afte 9frd)tung ju geben.

Xieß bittet ift eine repräfentatioe Serfaffung, $u ber bie ®eifter gereift

finb. — 9^ur fcas ift eine mafyre StaatSoerfaffung , an ber alle ©lieber

be§ Staates tfyeilnefymen.

(SS ift gar nicfyt git beregnen, tote oiet eine (Sonftitutton jur Stufftärung

nnb Silcung beS SolfeS beitragen mürbe. Xie (Smr)ett 3)eutfa)(anb3, bie

auS ben Serfaffungen fyeroorget)en mürbe, ift mein fefyntidjer 2öunfdj. —gür bie gürften ift eine Serfaffung ber 2lbteiter gefät)rtic^er Semegungen.

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8. gebruar. £>er oberflächliche $(cm gu ber „Softer be3 tabmuS"

ömrbe fcfyon 1811 gemalt, uttb ein %ct baoon in fcfyleppenben Jamben

ooEenbet. WlMncxS ©dm(b veranlagte bie Bearbeitung in Sxocfyäen,

unb ba£ ©tue! tourbe in fünf £agen oottenbet. 3)a§ ©an^e gerfällt faft

in feiner natürlichen (Sintljeiumg in brei Slcte. 2)er erfte entfaltet bie

S5er()ä(tniffe be§ £anbeg nnb ber ^erfonen , nnb fliegt mit bem (Sntfdjlug

beg 2ltfyama3, feinen eignen ©olm für bie SBofylfafyrt £Ij)eben3 Inn^ugeben,

aus gurcfyt feinen ©cfytour 51t brechen, n>etcfye§ im Reiten 2Tcte, ber bie

SBernücfumg enthält, 2lretlmfen Betoegt itjre ^inber toeg^ufenben, tooburefy

e§ 2)emobifen gelingt einen falfdjen 33erbad)t anf Quo gn werfen, ber fie

$u ©runbe rietet £)er gtoeite Wct enbet jebod) olme Atmung ber enbüdfyen

2luftöfung. 3)iefe toirb im britten in einer Sfteifye mn ftet§ toedfyfefrtben

(Smpftnbungen herbeigeführt. 3)a§ @tücf ffliegt mit einer 5fyotfyeofe, bie

td) bem fabelhaften Sßefen be§ (fangen nicfyt nur für angemeffen, fonbern

notfytoenbig für bagfetbe fyielt, ba e§ baSfelbe gteicfyfam front. 3)enn

toenn Sltfyamag' Monolog bie le^te ©cene toäre, fo toäre bieg nichts

weniger aU ein genügenber @cf>tug. ©0 aber fiebt man, toie e§ im

legten auftritt fyeigt, ba§ 2after nnb Verbrechen in ben fetbftgefcfyaffenen

2$efj>en untergeben unb bie ®utbung jum §imme( fcfytoeben.

®ie gefammetten Mu^fer ju ©fyaffyeare'3 bramatifcfyen Söerlen gefeiert»

(Sinige biefer Tupfer entjücften mtcfy in ber tiefften ©eete.

£inguet§ (Sramen des ouvrages de M. de Voltaire getefen. —12. Februar. „Unfer Verfefyr" getefen.

13. Februar. 3)ie Sßaüabe „Bothwells bonny Jane" au8 ben

tales of wonder, unter bem Site! „beg ^ßfa^grafen bei Sftfyeine £odfyter"

in3 3)eut[cfye übertragen.

22. Februar. 2)ie „Pensees de Pascal" gelefen. £)ie $ernunft=

beioeife für ba3 (£l)riftentlmm febeinen mir ungenügenb.

27. gebruar. $tan, bie in 93itrfy angefangenen „23etrad;tungen"

$u erweitern.

3. SMr^. ^tatnerg 2fyfyori3men ootfenbet.

£>er §tx>ette Xfytil „äftorafyfyilofopfyie" feffette midj befonberS; im

erften interejftrte midj n>a§ über (&IM unb VLtbd gefagt ift. S)er

2lbfd)nitt „(£fyarafteriftif ber ©innlicfyfett naefy ben oerfebiebenen £empera=

menten" befonberS fcfyön. $aft fenne icfy Originale 31t aßen ben

7*

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100

gefdulberten GHjarafteren mit menigen 2lbmeidnmgen. Unter „9JMandjoftfdje

©bmlidjfeit" fanb td) rmfy fetbft.

10. 9Mr$. ©otttob baß in £>eutfdjtcmb enbticb eine geit gekommen

ift, ivo man bie Ringer tüdjt mefyr auf bie gelter fvannt, bte freie Gebern

führen, in 23e^ug auf £uben'3 5luffa£ über geheime 23erbinbungen unb

Votitifcfye Vereine in ber SftemeftS gegen (Sc^matj.

25. 2Äär§. (Sin 0boenconcert von gtabt unb ein (Sertett; Vortrefflich.

26. Sttärj. §etvetiu§ de rtiomme.

29. SDcär^. 3« einer eng(i[d;en 3)ame, Wlx&. 2)affytvorb, von

V. ®o^ren eingeführt. (Sine ^reunbin meiner Butter fyatte in ber ©cfytoetj

miefy biefer (Snglänbertn empfohlen. 23eibe nahmen miefy fetyr freunbticfy

auf; überhaupt fdjeint mir eine gemiffe argtofe (Shitmütfytgfett, eine liebend

mürbige Offenheit im (Sfyarafter ber Snglänber ^u liegen, iöeibe'finb noefy

m ben beften -Sauren unb burdjreifen jufammen (Suropa , ba£ ^amiliengtüd,

gleicfyfam ba§ ©lud ber §eimatfy, mit beut Reitern £eben unbefangener

Sfteifenben vereinigend ©ie mürbe vielleicht in (Snglanb für fyübfcfy gelten;

aEein tefy befenne baß icfy mid? nidjt auf engttfdje Scbbnfyeit üerfte^e.

31. SDcär^. (Sin SSvief, ber mir von einer £ranf§eit meinet $ater3

melbet, fefcte miefy Ijeute in große Unruhe. -3n feinem 2ltter ift Ictd)t aüeS

gefäfyrtidi. Q<$ fyoffe unb tcf> fietye jur 55orfelmng , bag fte mir ifm nod)

viele unb viele -Sa^re erhalten möge. 53töcfyte fie meine (§>ekttt erhören!

Söefanntjcfyaft eines jungen talentvollen fyefftfcfyen DfficierS, Örimm,

ber jid) in 9)cünd?en im ^eidmen unb fuvferftecfyen au3bt(t>et — bann

4. 3lvri(. £>er neunte jebeS äftonatS ein günftiger £ag.

7. 2lvril. 3ofy. V. 9Jcüüer3 feiten unb dritten 23anb atigemeiner

@efdjid)te. 23efonber3 bie neuere ©efct)tct)te 50g mid) an. 3)er (Stfyt ift

mafyrfyaft fyinreißenb , unb e§ liegt eine gemiffe Sftagie barin, bie man

mofyf fügten, aber nicfyt jergüebern fann. — (S§ frefyt fein rapü|e8 SBort

in bem ganzen SBucfye, unb ein ebler greibeit^geift burd^iefyt eS gauj.

(Stma§ an bem fünften Slcte beS (Sonrabin gefcfyrieben.

12. 2lvrit. ©eftern, am grünen 2/onnerftage , gieng ify jum 5lbenb=

mafyt in unferer ^aVette. (Sute 23orfä£e. ®ebidjt: „3ur ^benbmafytSfeier."

— ftage über ben fd)ted)ten Xert ju einer (Santate von Söinter. —16. %$xi{. Xie Gerusalemme liberata fcefdjäfttgt mid; mieber ^äufig;

fie ift gar ju gro§ unb fcböit unb mürbevoll, ©emölmüd) tefe id), toenn

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xä) eine itatienifcfye Stande getefeu fyabe, bie beutle oou ©rteg barauf,

unb fann aud) tiefen gbud'ücbeu Ueberfe^er nie genug bemunbern, ber fein

Original faft immer erreicht, nur im 2£oblf(ang nie, mag immer jebodj

bie ©dm(t> ber ©pradje unb nid)t (eine eigne ift. $or einem falben

Mnintubert mürbe eine fotcfye Ueberfefcuug be§ £affo für eine Unmöglich

feit in ganj 3)eutfd)(anb gegolten fyaben; bei ber je£igen ^Biegfamfat unb

9lu3bilbung unfrer ©pradje, bie ftcfy bei bergteidfyen Ueberfe^ungen am erften

ernennen tagt, ift fie nid)tS 2ut§erorbent{id;e3 unb fet)r (SdmuerigeS meljr.

3d} fyabt fetbft einige 55erfud;e ber tleberfe£uug gemalt, 3. d. ben

93er3 (C. II.) Tesorteranno etc.

,,©ie mahnen btä), bie ©traße fcrtjinraßen

,

Sie ba§ ©efd)id 31t offnen bir geft>al;rt,

Unb ba bir ftd^er ieber «Sieg t>or aßen,

9ctä)t abjulegeu bieß berühmte @rf>tt?ert,

93t§ ntdbt ber ©taube äftafyotnetS gefallen,

23i? nta?t betn 2trm gang SCfien fcerbeert,

2lu§ folgern £rug, iroi)l mag er fü§ erllingen,

pflegt äufcerfreS Stferbevben 31t enttyrtnqen."

£)anu bie DctaOe: ib. Messaggier, dolcemente etc.

„£>u l;aft, entfatteub fuße föebebtume,

lln§ balb gefd?metd;ett unb batb bart bebräut

£tebt nüd) bein Äönig, ^ulbigt unferm ÜJu^me,

@o fdj>a£' ia) banfbar [eine greunbliä)feit.

&od) ir-enu bon bem gefatnniten §eibentbume

2>ein 2tab ben Stufruf uns jum Äantyfe beut

,

Stnttr-ort' id;, mt ta)'§ pflegte alter Orten —^reimütt/gcn €inu§, mit ungefdmtütften 2öorten."

19. 2lpril. 5htcb meine äftugeftunben nehmen ab. £)e» SDxorgenS

muffen mir Lieutenante uns am SDfarSfefte bei bem äftajor (Janttcr im

(Srerciren üben, um unfre (Stimme auszubilden.

(Heftern 2!benb mar id) int eugtifcfyen ©arten, mo bie 23ä'ume fnofpen

unb bie erften getbblumen jprtefjen. -Sdj fe^te mtdj auf eine 23anf am©ee, ber einige materifcfye Uferftellen hktet, unb falj ben blauen Rummel

fid) ftiegetn in ber gfetfy, unb bie grüuenben SBüfcfye. $n meiner <panb

aber In'ett idj ben Wc'wft unb feine bunte 333 eft. Leiber gilt auefy oft oou

mir, maS er Oon feinem Sacrtjsant fagt:

Pensoso piu d'un ora a capo basso,

Stette, Signore, il cavalier dolente,

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Poi comminciö con suono afflitto e lasso,

A lamentarsi si soavemente etc.

3ffet f^icft ein (S^euMatt bon Birgits @rabe.

20. Wpxit. £)er „(Buftoto 2Bafa" aufgegeben, unb bie „§arfe

9ttafyomet3" mieber vorgenommen. S§ tyatte btcfcö 2Berf in ©jatenofy

angefangen unb ben $(an bet^u gemalt, mottle e£ erft in beut 23er3ma§

ber ^ßope'fcfyen Ueberfei3ung be§ §omer fcfyreiben, mäfytte aber nun Dctaoen.

S)te §anbtung fyielt in SBatyern jur 3 eü $art$ be§ ©roßen naefy

ber 2Tbfe£ung £fyaffuV$, beffen erften tobtgegtaubten (Sofyn idf; anfangs

unerfannt auftreten, unb bie erfte ber männlichen Collen übernehmen taffe.

®ie §auptperfon cor allen ift aber eine Jungfrau, (Efotitbe, bie Softer

be3 SDtorfgrafen ©ontram ober ©oteram. Sanim lautet aufy bie (Sin*

gangSfknje:

„üDcein Sieb ertöne bon bem fc^önften Söeibe,

@o je gelebt in einem beutfcfjen ©au;

2BaS td) bim \f)x unb ifyren 9?ei§en fdj)reibe,

Uralter Sage fd)retb' id)'3 nad) genau,

23ejd;eiben ftra^lt be§ 2)eonbe§ fanfte Scheibe,

23efd)eibener bie Sugenb einer grau.

2)en grauen fdntlb'ge £utbigung §u Jollen,

Oeffn' iä} bie alten ^ergamenteSroßen."

Wtö Duetten bienten mir: gfaffenjietnö bafyerifdfye ©efdfyicfyte, 3fcboffe,

^toriang precis historique sur les Maures cTEspagne, $e§ter§ fpamfdje

§iftorie.

3dj toottte einen eblen bitter oon ben Oortreffticfyften Gstgenfdjaften

aufführen, ber, pk (Sntfagung gelungen, im mibrigen ©efdjicf fid> befto

größer unb ebetmütfyiger geigte. <5r ift aud) ein freier (£fo titbeng , unb

nact)bem erft ein anberer freier gefdjtlbert mar, mirb biefer fo eingeführt:

„2)er anbre tt>ar ein btonber §elb bon Sorben,

Un 3afyren jünger unb bon ©itten fein;

9cie lebt' ein üDcann im ritterlichen Drben,

2>eJ3 Sieb unb 3ärtlid)!ett fo groß unb rein.

O ttmr' il)m aud; ein fdjjön'rer Soljm geiborben!

@r bieß £>err Ubalrid) bon galfenftein.

2tud> er tarn gu be3 2)onanftromS ©eftabe,

£)b er gewinne jener grauen ©nabe."

25. 5lpril. ®eetl;e'3 £affo toieber gelefen. (5r fyat miefy be3aubert.

£a£ ©oetfye'fcbe latent ift uidjt fo btenbenb at3 baS <Sd?tüertfct)e ; allein je

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näfyer man e8 betrachtet, befto mefyr füljjlt man ftd) bafür eingenommen.

®oetf)e'S originaler @eniu3 fyat un3 im £affo ein @d)aufyie( gegeben,

ftoju man bei anbern Nationen nidjt tetcf>t ein ©eitenftüd finben toirb.

S)er £affo fyat aber, toie Nathan ber 2öeife, nur bie ^orm einer £ragö'bie,

unb man bringt fein n>arme§ §erj für ein ©dfyaufpiet mit, »on bem man

fiefyt ba§ ifym eine moratifdje ober plnTofot^ifcfye 3bee ju ®runbe Hegt,

jn beren 5lu3füf)rung mir bie Menfd)en mie Marionetten ftdj mittentoS

bemegen fefyen. 2öa3 man (Sffect auf ber 23ülme nennt, mirb ber £affo

nie Ijeroorbringen, unb baS ift ba8 £>aupterforbernifj für ein bramatifcfyeS

(Bind. £)a3 publicum metdjeS ber £affo borau8fe£t, ift oie( gebitbeter

als eines in ber 2öe(t. £)ie aü^ufyäufigen ©entenjen finb auf bem Sweater

ganj unpaffenb, too man bie Menfdjen totCC fyanbetn unb niä&t plnTofopInren

fefyen, um fidj bie Moral fefbft aus ifyren <panbtungen ^u gießen. Qm£affo ret^t ficf> eine ©entenj an bie aubre. — 2Bie fefyr entfcfyäbigt un$

aber @oe% für aide biefe Mängel burdj bie jarte unb finnige 2tu3füfy=

rung be8 ganzen ©tüdfö. . -

27. Sfyrtf. 9Zad> Miltenbergs iöeifpiet l)abe icfy ein f. g. Waste-

Book (©ubetbud)) angefcfyafft, Worein i<fy aÜe in mir entftefyenben -Sbeen,

$lane, 2Infid)ten, 33emerfungen olme £)rbnung eintreibe. •.

•, - ;.

30. 2It>ril. 3)ie „@duuV mieber gefefyen. SSe&permann fptette ben

<pugo oortrefflid;. @ie ift bodj ein ausgezeichnetes ©tüd — ber <Sdjtu§

megen beS unnatürlichen 23erbacfyteS beS 3)on SBatero unb ber gezierten

SBorte ber 3)onna (£toira baS fcfy(ed;tefte barin.

1. Wal Mit einer fe inniger (Sefynfudjt benle ify an ben Mai

beS oorigen 3al>reS jurücf, ben icfy fo fcfyön an ben Ufern beS Ü£fyein§'

oertebte, beS flogen, ftiüen 9?(?einS, ben idj fo oft ju meinen $ü§en

bal)in ftrömen fafy, im ©Ratten feiner äftigen (Sieben unb bunten ®ebüfdje,

beim £iebe ber Nachtigallen. D- metdje Sftei$e fyat baS einfame £anbteben

gegen bie bumbfen Mauern einer (Stabt, in ber id) mtd) nun fyin unb

toieber treibe unter falten fremben Menfcfyen.

3. Mai. £>ie £ectüre beS 3)ecameron oon iöoecacio Ooöenbet. £)iefe

Lobelien finb fo angenehm ju lefen, als fie fd;ön gefdaneben finb. (SS

tfyut einem leib, menn fie jit ßnbe finb, unb man möchte jene gtücftic^e

(Sefellfc^aft noc^ länger auf ifyrem tänbüd^en ^arabiefe oertoeifen fe^en.

§eitere !?aune, natürlicher 2£t£ unb eine reiche $l?antafie oerbreitet fid) über

ba§ ganje 23ucfy. 3)ie ©^rac^e ift barmonifc^, ber ©ttyt unt;ergleicbüd^

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unb luroäUn unenblici) treu^er^ig unb naio. Senn man nun noct) baS

3ettalter in 3Infd>Iag Bringt, in bem 23occacio lebte, in bent noä) fo roenig

in feiner 2lrt gefd)rieben getoefen fetyn mag, fo muß man fein großes

latent um fo met)r berounbern. 2£a$ freiließ ben reinen ©enufc feiner

Sftooeßen faft allgemein ftört, finb bie un^äfytigen (aSäoen SluSbrücfe unb

©cfyilberungen, bie jutoetten.fctö ju pöbelhafter @emeint)eit fyerabfinfen.

$on ebter £iebe §at SBoccacio feinen ^Begriff, unb fie liegt boct) eben fo

fetjr in ber üftatur beg gebilbeten 2ftenfd)en, als in ber be£ ungebi(beten

bie pljtyftfdje."

4. Wlal Spiders ®efä)id)te be£ Abfalls ber SRieberlanbe t)abe ict)

feiger roteber burct)gelefen. ©Ritter mar in 3)eutfci)lanb faft ber erfte,

ber bie 2lnmutr) eines fytnretßenben <&ty{% mit ber ©rünbUd^eit ber

©efd)icr)tSforfct)ung oermät)lte.

SBtyroitS „Fare the well" gelefen; bann GtampbeüS „Song of the

british Grenadier." (Sin fyerrlid)eS £ieb, meine« ©racfyteng mertr) bem

God save the king an bie (Seite gefreut $u werben.

5. 9ftai. 5lnbauernbe 23efd)äftigung l)at meine ©emütfysftimmung um

oieleS oerbeffert. liefen borgen entmarf ict) ben $fan unb bag (Scenarium

eine« Sci)aufyiet8, mit bem ict) mict) fct)on feit geraumer ßeit fyerumtrage.

(§8 fott „3)er §cct)3eitgaft" Reißen, unb eine« meiner Keinen @ebidjte, ba$

eben fo überfä)rieben ift, fte^t auet) mirfticr) tu einiger SBerbinbung bamit.

j£>ie §anbtung fällt in bie $üt ber Äreu^üge, unb ift ganj gtetiott. Od)

r)abe benfetben Stoff ftifyon in allerlei formen gelängt. ßr folite einmal

eine 23aßabe geben. On Dcttrty tyatte ict) angefangen it)n als einen Vornan

$u bearbeiten, unter bem Xitel: „§inter(affene Rapiere einer dornte/'

3)a3 Stürf ift in brei $lcte geteilt, unb foll in £rect)äen getrieben

roerben; an bie Oamben roage ict) mict; ned; nict)t. (23 finb im ©tücfe

eigenttict) nur oier l)anbelnbe ^erfoneu. — 3)a3 ©erüfte ift nun jtoar

fertig, ©ort gnabe bent §au£!

£>0tb3 §eroiben unb ber „fd)toerere" §ora3 werben gelefen.

7. SOZat. 2BaS ben ©tolj betrifft, fo mag er fyhtgefyen; ict) liebe

bie froren 2eute, unb ict) bin e§ felbft; aber fyodnnütlng l)offe icfy ntdt)t

ju fetm. -5er) bin ftolj auf meine Stürbe als freier teufet).

(Spiftet an ©ruber über feinen (Sinjug in -Sngolftabt.

8. 9J?ai. 9Dtane bisherigen poetifer/en arbeiten finb nid;tS roertr).

Od) felbft fcfyretfe meine greuube burd) meine ißt^arrerien ab] t)abe ben

Page 125: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

105

befonbern Zxkh in mir jebem, ber befonbern Slntfyeil an mir %u nehmen

fdjeint, burd) eine Unfreunbtidtfeit toefye gu tbun. V 2öen id) lieb fyaben

(oft, barf mir nicfyt oft fagen baß er mid) liebt, fonft treibt micfy ber

©ctft be3 2Biberfprud)3 , mid) oon ber unoortfyeilfyaften &tite §u geigen,

toenn audj burdj $erftetlung. 3d) beftreite jebermannS £ieblingSibeeu nnb

follten e§ meine eigenen fetm. :

— 33ei allen biefen ©ebredjen tyabt idj

bocfy, toenn bieß anberS nod) möglidj ift, fein oerborbeneS ©emütfy, id)

bin loofyltootfenb unb guoertäffig in aüen 3)ingen, bei benen icfy beiß baß

ein anbrer auf mid) ocrtraut. $d) i'äfyU mid) $u ben beffem 9ftenfd)en, ^aber oiefteicfyt nur beßtoegen toeil id) toeiß toie ein guter 9ftenfd) fetm

muß, nicfyt toeil id)3 bin.

Steine einzige 3«fMjt...ifi anfyaftenbe . 23efd)äftigung. 3$ barf nidjt

baran beulen baß idj nidjtS bin. 2öte anbere 3erf^suung auf ,3erftreuung,

fo muß icfy Arbeit auf Arbeit Raufen, toenn icfy anberg einige gufriebenfyeit

genießen miß.

11. äftai. 3ti) bin jtoar beftänbig befcpftigt, aber meine eigenen

arbeiten ftoden. 2ln ber §arfe äftafyometS fyabe id> lange nicfytS gefeinrieben;

ber „§od$eitgaft" ift nocfy nidjt angefangen, jo fe^r idfy barnacfy Verlangen

trage ; aber man fann nun einmal bie tooetifcfye ©tunbe nidjt ^erbeijtoingeu,

unb toie übet mürbe man fahren, toenn mau ba$ tfyun tooftte.

©egentoärtig fyabz ify eine Abneigung gegen faft alte SSerSmaße,

befonberS gegen gereimte. 3cfy |d)reibe je£t alles gern in $rofa. Qfy

rebe oom 3)eutfdfyen; beim fran^öfifcfye Slteranbriner fyabe icfy erft Ijeute

gemacht.

13. ffllai. ©in ^ettreö ©efüfyl, ba8 id) ($efüfyt ber -öugenb nennen

möchte , belebt befonberS jur ^rüfyling^eit meine 33ruft. (£$ ift fcfyon

an ficfy ein @lütf, ju empfinben baß man jung fei), unb id^ fucfye e$ um

fo mefyr ju genießen, ba e§ nicfyt baä gem^e £eben fyinburcfy bauert.

14. Sftai. yjlit £über potitifirt. ©efyr liberale ©ebanlen gegen ben

eifrigen ^ßolitiler £über geltenb gemadjt.

17. äftai. tiefer £age bie brei erften SBänbe ber Causes celebres

oon ptaual getefen.

18. 2ftai. 23ü[dung§ 2Bodfyenfcfyrift :c. bie erften neun ©türfe.

2ftand)e§ -Sntereffante unb manche nu^bare Sluffdblüffe barin gefunben;

5. (£. bie @efcfyid)te beS Sftetnele %uä)8 ftammt urftorüngUdj an& bem

^ranjijfifd^en. -3n ber (Eqäfyümg „bie Oucrre" (3^erge) bie Duelle

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oon @ßetf)e'3 §ocfr5ett(ieb; mehrere ^ecenfionen be3 WäxtytnS öon ber

2b"cbenBrobe(. —22. 93cai. £)te @eBet§formeln gefcbrieBen in ben testen Sagen.

25. SD^at. 2ftein Verlangen toäcfygt SJcüncfyen $u oertaffen.

28. 2foxL Pitaval IV & V.

30. 93taL 9Jcein Spo3 „bie £arfe 9ftcu>met§ ," ba3 lange liegen

Blieb, förbert jt<^ fett ein paar Sagen ioieber. Sie meranboiersig erften

Dctaoen finb fertig; aucfy fdjon niedreres fpäter $o(genbe niebergefcfyrieBen.

S>er ^ßlan fyat burd) mehrere dm'foben gewonnen , toeldje bem ®an$en

eine jiemlicfye Sluöbefmung geBen werben. -3d) Beamte fein* oiet ben 2öo^t=

ftaxtg nnb bie ^frmbung jeter einzelnen «Stande. 9^ac^ bem SBetftnele

SlrtoftS toerbe tdj ^umeiten fcfyon Belannte SBolBfagen emjutueBcn fliegen.

-3n (Sngtanb macfyt ba§ Srauerfpief „Bertram or the Castle of

Aldobrand" baöfelBe Sluffefjen, frie Bei un£ „bie «Sdnttb."

2. -3uniu§. Steine ©elmfncfyt naefy (Sinfamfeit nnb oöftiger 9)cu§e,

um eine Zeitlang ganj ^?n Stufen jn teBen, jmrfc leBfyafter at$ je.

9?td>t^ nmrbe mir tDotjttfjättger feim atS ba§ £anbteBen in einer frönen

@egenb. Ski idj. ntdjt naefy 2ln8bad) fann, roeit meine 8tieffcfytt>efter,

fc. 23ernutfy, au§ Berlin mit ü)rer ganzen Familie in8 oäterlicfye §au3

fommt, fo JjaBe icfy oor, üBer ben 23obenfee nad) S$affijaufett jn reifen,

bort in ber 9cä§e be3 £ftfyeinfaft3 eine flctne Söclmnng jn mieten nnb an

meinem (Epoö 311 fdjreiben, ton bem ^eutc-Jber erfte ®efang mit ber

ad^igften (Etan^e »oltenbet ift. (£$ fommt mir nnn gut gu ftatten, ba§

icfy miefy im keimen übte.

3. -3uniu§. (gdmi^lein fyat eBen 2lBfd?ieb genommen nnb reist morgen

aB. (£r toar mir febr oiet, nnb in mannen fingen 9?atf>geBer, ba idj

in Dielen Slngelegtn^eiten be3 gemeinen £eben& fein* ignorant Bin nnb mir

niebt 31t Reifen toei§.

4. -SuniuS. Pitaval YI.

6. -3uniu§. Chapelain veut rimer, nnb c'est la sa folie!

SBieüeicfyt fönnte noefy eüoa§ au$ mir toerben, toenn tefy mir niebt

Dorgefe^t bätte ein Siebter §ufemt; aber baju toerbe tdj <eS ntc^t Bringen.

SaS $ie(fdn*eiben , fefye icfy tt>of)( ein, ift einer meiner §auotfef)(er; allein

nur Hebung macfyt ben Sfteifter, unb ba3 $ietf^reiben jeugt boefy ron

§rucbtbar!eit ber ^fyantafie. — — Siefe meine Siarien fmb immer noefy

Page 127: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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ba$ er.fyrießtid>fte toa$ au% meiner $eber flog; fte finb aufrichtig unb

entfalten meine aümäfyticfye (gnttoidlung beutttd).

9, -3uniu§. „Sämmtticfye fünfte lernt -^erlebt."

2)iefe SÖorte ©oet^e'S oerbienen eine tiefe Söefyer^igung, unb befonberS

»on mir. fünftig toifl ify mit äußerfter (Strenge Bei aneinen arbeiten £u

Sßerfe gelten, unb audj nid)t eine " geile nieberf^reiben, bie nidjt mit

erträglichem i8er8 unb Ifteim einen erträglichen @ebanfen berbmbet.

$on ber „§arfe SJcafyometS" ift ber jtoette ©efang nocfy nidfyt

angefangen. (58 loürbe fdmeH gelten, : toenn icfy nur einmal ioieber im

©ang ioäre. Sluf ben erfreu 2kr8 bon trgenb ettoaS beftnnt man fid)

immer am längften.

Sftadfy unb nadj bie fiebenunb^toan^ig erften Dben be£ erften SBucfyS be§

§oraj in ^ßrofa überfe£t; oft befielt fein $erbienft nur in ber Sdfyönfyeit

ber lateinifcfen Spraye; ©eine (Sentenzen fagen ^iemlidj alle bagfetbe.

£)od> finb Sic te diva poteiis Oypri etc.^ bann Solvitur acris hiems etc.

ungemein liebttcfy — unb tote oiele anbere nodj.

§eute mug id) auf bie §auptn>ad>e ^iefyen.

11. -Suniug. @ebid)t an ©c^tic^tegroll, (Sintabung jur Sftetfe in

bie Scfytoets. < . •. S-'....•--.-,

12. -3untu3. 2)iefer Ütage l>er befdjäftigte id) midj oiel mit Miltenbergs

(Schriften. Sin oorurtfyeisfreier 33erftanb, 2öi£, £aune, «Satire oljme ©ift,

ber feinfte i8eobacfytung§geift unb ein leichter burdjauS angenehmer Sttyt

geben biefen Supern einen fyofyen Söettfy. Wz® toirb anjiebenb unter

Miltenbergs ^eber.

14. -SuniuS, Qtf) : geftefye gern bag idj fein tieben&oürbiger SQcenfd;

bin. -3cb bin ftotj, empfinbticfy, taunifd), tcf>, ber id) mtcfy in aller

Sftenfdjen ©tolj, Manne, (Smbfinbungen fdnniegen follte, um nur gelitten

ju toerben,

16. -öuninö. IJJciltonS paradise lost getefen ober t»ie(met;r oer=

fdfylungen. 2)er große ©eniuS be3 ©ritten l;at micfy nmuberbar lüngeriffen.

SBären alte jtoöff Sucher ben oier erften gteicfy , fo foürbe \d) bag oerlorne

$arabieS ber Sliabe olme allen $lnftanb an bie Seite fe£en. Xtx tiefe

<Sinn ber in äftiltong 3)idnungen liegt, bie l>ol)e einfache @röße bie baS

©anje au^eicfynet, bie ©cfyonfyeit ber Stftetapfyera, bie füge §armonie ber

93erfe, ioie man fte ber engüfcfyen ©brache gar ntcf>t jutrauen follte, alles bieg

entjüdt toecfyfeltoeife.silm glüdlicfyften fcfyeint mir TOtton in feinen eignen

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(Srfinbungen, tüte bieJ3 bie erfteren 33ücfyer bezeugen, toemger üttereffaut

ift er mir, ioo er nur ber Bibel nadjerjäfylt. — — äftan toet§ ntc^t ob

man ibn mein* im §immel ober in ber §öße, ober auf ber (Srbe betounbern

foH. ®ein ®ott ift göttttd* gro§, teufltfd^ gro§ feine teufet, feine 9ftenfd)en

menfcfytidj gro§. — ©o einfad; ba§ ganje @ebidjt ift , fo ift e§ bod) eben

fo anjiefyenb, atS mit feiner ganzen 9ttannigfattigfcit ber reiche 2trioft.

3cfy toü§te toofyt, loetdjeö Bndj mir in meiner £age meljr gekernte —Mgge'3 oft getefener Umgang mit Sftenfd)en, au§ bem idj nodj titelt oiet

gelernt ju fyaben fdrehte. £>iefe Äunffc, füijV id; loci;!, fefylt mir am meiften.

Dftcfyt einmal mit meinen ^reunben toeift id) um^ugefyen, gefcfytoeige mit

anbern, unb fo l)abe idj fcfyon fo mannen auf immer oon mir entfernt.

18. 3uniu8. 3)aS Paradise regain'd fyat uicfjtS at§ ben fronen

©ttyt unb bie §armonie ber 33erfe mit bem üertoreneu gemein.

(Heftern unb fyeute ta$ icfy: la Conversation par Delille. (Sin

fotd)e3 Sud) tfmt mir fefyr notlj, beim bie £unft ju conoerftren fenne icfy

gar nid)t, toie fie benn überhaupt in 2>entfd)fanb fel;r toenig florirt.

19. -SuniuS. ©oetfye'S unoevgleid;lid)e -Spfyigenie getefen, in ber man,

ioie SBottmann fagt, bie geftaltete unb gerunbete £iefe ber gried*tfdjen

(Sd)önf)eit toieberftrafylen fiefyt. Me§ ift ©d)önl)eit unb ©ebiegenljeit, äße

@eftalten bemegen ftd* auf einem erhabenen, ruttftlid)en fotlmrn tangfam

unb abgemeffen. 2Ba8 mir nidjt gefaßt, finb bie 3)actty[en, bie ^moeiten

mit ben frönen Jamben abtoecfyfetn ; unfere ©pradje ift eigenttid) ju

fyart bafür.

22. -3uniu3. Steine (Spopoe ift feit einiger ßät ganj liegen

geblieben, hingegen tourbe ein bvamatifdjeS 2Berf begonnen, nämtiefy eine

aan§ freie Bearbeitung ber jftacme'fd-en Berenice in -Samben. 3<fy fyabe

btefe§ unenbltd; einfädle <5tüd nod- mein* oereinfacfyt, iubem icfy bie

a,efdm*ä£igen $erfonagen be§ 2lrface unb ber ^fyenice, fotoie audj ben

SftuttluS gan$ ioegliej]. (§3 fielen bemnad; nur oter $erfonen, unb icfy

fyabe freien (Spielraum für meine £iebting$ibee. 3e einfad)er ein ©toff,

je ertoünid-ter ift er mir.

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(&$tt>eiferteife*

£>er £)rwf, ber fett meiner 9?üdfer)r oon granfretdj aud; toäfyrenb

meinet Aufenthaltes in 3#ünd)en auf mir gelaftet r)atte, fct/toanb alfobalb

nad)bem icb bie langerfefmie ©c^tüei^erreife angetreten fyatte.

Einbau, 28. -3uniu3. 2öie ict) mid) toor)! fiifjte , feitbem td) Hoffnung

fyabe bie freie Sftatur eine 3e^ang ungeftört ju genießen, feitbem id)

einem traurigen ©djlenbrian entronnen Bin, jenen bunten Sftod, jenen

t^atentofen 2)egen oon mir toarf, vermag id? faum ju fd^Ubern. SJcein

je£tge3 £eben fommt mir toie eine S3(ume oor, bie fict; auSeinanber faltet.

2frn 27. 3uniu3 9?ac^t^ fyatb 12 Ur)r toar id? mit bem ^ofttoagen

in Einbau angefommen, ber conträre SBinb ^tnberte meine SBeiterreife

nad; (Jonftan^. Steine Sfteifegefenfcfyaft oon SJcüncfyen bis Einbau toar

nicfyt fet)r intereffant, eine Sftagb unb ein 9)cüncr}ner Bürger unb §anb=

toerfer, ber einen feiner ©efeßen unb einen flehten ©ofm bei ftdj t)atte,

ben er ju einem SBertoanbten ins fübticfye ©raubünbten Braute, nicfyt fo

faft um itatienifd; gu lernen, als aus bem fel)r oerftänbigen @runbe, toeil

er ju §aufe rtidjt fyinlänglid) auf ir)n %ü)t geben fonnte. Obgleich ict)

immer innerlich tädjeln mußte, toenn irgenb ein 2lIItagSgefyräct) biefer

guten £eute ben poetifet/en ©ct/toung metner fyoebgeftimmten ©ebanfen nieber*

fd>tug, füllte id) boct) baß mir bie $enntniß biefer (klaffe oon beuten gar

nötfyig ift, toie mir beim überhaupt auf einer 9?etfe feine ^leinigfeit ju

Kein fcfyeint, baß man nid)t barauS lernen fönnte.

2Bir fuhren am Ammerlee oorbei burd) £anbSberg, too idj meiner

alten $affton infolge bie §auptfircr)e befugte. -3n 23ud;toe toar id) in ben

SBehoagen gefommen, tt>eit ict) Oon bort mit bem AugSburger ^ofhoagen

toeiter fahren mußte. (Srft in ^aufbeuern beim grüfyftüd lernte ict) bie

$affagiere beS SpaupttoagenS rennen, einen §errn o. ülöallmenid? unb gioei

@ombartS aus Augsburg, bie im ^Begriff toaren eine große Sftetfe buret)

bie ganje @ct)toeig, unb befonberS naa) £)beritalien ju machen, 3ct)

möd)te fte toot)t in jenes ctöal^tnifd>e Sanb begleiten; boct) geftet)e tdj baß,

toenn ict) bie £Bat;t jtotfeben §efrerien unb §etoetien t)ätte, ict) festeres

gu bereifen oorjöge. 3n -Stauen, trofc feiner 'perrlict^eit, fann man am

(Snbe bod; nur ausrufen:

Page 130: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Que tout est bon, grand, beau dans la nature,

Hors Thomme, qui la defigure.

Unb id) fyafte micfy nun einmal gar $u gerne an ba3 Sebenbige.

Einbau Tratte, al$ itf> e3 jnerft in ber Sftaifyt erbtiefte, feinen freunbtidfyen

(Sinbrucf auf miöt) gemalt; e3 tag fo traurig im bunflen (See, ber toitb

unb ftürmifd) an bie Ufer fct)lug, unb ben- toir efyer fyörenalS fefyen

formten. 33et £age ent^üefte aud) mict) bie f)errtict)e £age ber -Snfetftabt.

2Betd)e äftannidfyfattigfeit an ben gegenükrfte^enben Ufern , roo mitbe

grüne §üget fammt Dörfern unb £anbt)äufern gu ir)rem $u§e, mit giften

bebeeften 23ergrütfen unb einer fdmeebefrönten ©ebirgSfette abroecfyfem, in

beren §intergrunb man ben ©äntig erbfieft. 2öir giengen nadj berf. g.

-Snfet unb beftiegen ben £eudfyttl(mrm. %$on bort fallen roir, työdjfr erroünfcfyt

für mict), einen ©türm, ber ftdj auf bem ©ee erfyob. SDfan fonnte ftdt)

allenfalls einen begriff oon einem Sfteerfturm machen, -tote, ber ältere

®ombart fagte, ber oiet oon ber Söett gefefyen t)at. SKtdjtS . lägt fiel)

mit biefer etoig roitben 23eroegliefyfeit ber ^Bellen oergleicfyen. <B\t fct)tugen

branbenb aufteilen roeit über ben 2)amm fyinauS, auf bem tx>tr ftanben,

unb fpri*3ten an einigen £)rten fo fyodt) al§ bie ©tabtmauer. (£§ ift ein

t)errtict)er SInbticf , eine grofje Söoge ober mehrere fymtereinanber fdjon oon

ferne fic6> bafyerroät^en ^u fet)en, bis fie enbticfy mit raufetyenbem ©etöfe

branbet, ober nodj fcfyöner ioenn jtoct. gegeneinanber , roie ergrimmte

£)rad)en roetcfye bie $ämme aufbäumen, to^ftürjen, unb feine ber anbern

toeicfyen roiK, biß fie enbttd) beibe oerfinfen unb ber neuanfommenben

$(a£ matten.

%n einer ^unfcfygefellfdjaft beS WbenbS nal)m icfy nicfyt £fyeit, ba mir

rttdjts unteibticfyer oorfommt als Sftannergefettfcfyaften, bie in £rinfgetage

ausarten.

21m 29. nafym icfy (Srtra^oft unb -futyr bei bem tiebticfyften SBetter ber

Sßelt bie set)rt ©tunben nact) SDcörSburg.

2lm @ee r)in flog icfy in einer teilten (£t)aife burdt) Die muntern

9?ebenl)ügel fyinbitrdj. 3n $riebrict)Sr)afen genoß ict) oom §afenbamm

bie tiebtidjfte 5IuSftd)t — big bortfyin fnfyr icfy beftänbig burdt) üppige

Weinberge unb Dbftgärten, faft immer ben ©ee mit feinen tieblid)en

©cfyroei^erufern im @eftd)te, glatt unb eben rote ber reinfte Riegel

3n 9J£örSburg formte id) mid? 3at)re fang in fteter SBefd)auung gefallen.

fflify ent^üeft befonberS bie göttliche 2fuSfid)t Oon ben mittleren ©aten auf

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ben See; ba$ Sdfylog fdjeint mir ein geenbataft, eine (Mterfyafle. 2)ie

£eute bie midj herumführten fbradjen bon nidjtg at§ ton ber alten guten

3eit, idj aBer fd)lürfte ben SBedjer ber ©egenhxtrt unb ftanb unBetoegtid)

auf bem iöatcon be3 Saals. £>er «See Jag in golbner $frtt>e flad> unb

[tili, nur (eisten, fd)neemeigen Scannt fbütten bie leifen SßeHen ans Ufer.

£>ie fcfyeibenbe Sonne üBerfdnmmerte ben 2öafferfbieget mit tfyren testen

©trauten unb bertor fid? tangfam in ben Gliben.

3lm 30. -SuniuS fuljr icfy üBer ben See nacfy (Srmftanj. (§:8 toar

eine tieBttdje Söafferfa^rt. 3)er 9?uberfd>(ag allein Bradjte 23ett>egung in

ba$ ftiüe (Clement, ba8, bom erften 9#orgenftrat)te Belächelt, Balb glän^enb

tüie gefcfytiffener Stafyl , Balb fanft gefräufett unter mir balag. 3ur £infen

^atte icfy bie gewaltige 2Bafferfläd>e, jur Sftecfyten ba§ freunbttcfye Stanb,

auf ber ^anbjunge bie ^eitere -3nfet SDleinau, tiefer fyinten Stabt UeBer-

tingen unb JHofter 9tturacfy, bor mir bie Sd^etjerBerge, beren @ibfet üBer

bem SfteBel emborfdfyauten, Begräbt bon ben Slbben^etler SdmeegeBirgen,

au3 benen ber SäntiS baS toeige §aubt tyebt. 5116 bie 9?eBel aufftiegen,

fal) man eine geittang nid)t3 at§ Söaffer unb §immel, tbie auf einer

9#eerfal?rt. So gefcfyafy e§ bag id; efyer ben 9?l)ein Braufen unb bie (£on*

ftanjer ©toden läuten t)örte als icfy bie Stabt fafy. (Snbtidfy fyoB ftd) il>r

erfyaBener fünfter bor meinen SBlicfen embor.

$on donftan^ ju SdnTfe nadj Sd)afft)aufen.

-3cfy Befu^r fyeute jum erftenmale ben 9?t)ein, ba id) Bei 93?annl)eim

nie baju !am. iöei (Stein Betrat id> juerft ba3 £anb ber $reifyeit unb

bie fürftentofe (Srbe. (58 reifte mid) einen 5lugenBlid , in einem ber bieten

borttgen Sanbfyäufer ju BteiBen unb ju arbeiten. 5lBer id) fufyr meiter

nad; Sdfyafffyaufen, fal) ben Weinfaß. SIBer freiere $eber, meiere 3uri9 c

ift im Stanbe audj nur eine 3bee bon biefem augerorbentttdfyen 9?atur^

fcfyaufbiel ju geBen! 3<fy fyatte gerabe rttd^t bie größte SBorftettung babon

gefaßt, unb toar toafyrfyaft auger mir at§ er »er mir lag. 3u^em toar

ba§ Söaffer biefeg -3at>r ber bieten 9?egen toegen bon Befonberer £)öl)e.

Q&l lieg miefy üBer ben 9tt>etn fahren, um au$ bem lleinen baju erBauten

^abiUon Beim Sdbloffe kaufen auf ben %aü herunter unb ben ging oBer

bem ^aö ju fet)en. 5lBer ibetc^ ein 5lnBtid boüenbö für ben ber lieber

nieberfteigenb bon bem in bie ^lutt) ftd) ftredenben ©etänber in bie

2Beüen ^ineinfe^aut, unb menn aud) nag unb triefenb unb jugletd^ mit

bem erffütterten 23rettergerüfte BeBenb ftcf> ntd^t trennen fann bon bem

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erhabenen Scbaurriele. iß?e[6 ungeheure Scbneliigfeit im ©tttrj! 23elcb

ein @enniBl neu SBaffer! 2$etcb ein 2)ceer reu Schaum, fcaS tljeitö in

feinen, fcbneeteet§en Staubregen in bte £uft fßrtfet, unb jtdj tljetfö in

taufentfachen fingen unt Strutebn unaufbaltfam berabteat^t! £ange

bineimebent glaubt man mitten m ter giutb ]u fteben unt ecn ihr im

feifei getrieben ,u teerten. Xie gebüffrbeteaebfenen tfetfen, bie im

ffij&afatii liegen, geben ibm neeb eine bei entere Straft.

Beim ^benteffen traf ich mit einem Sdm^er, rann einem Baron

§c(ftein an§ fünfter mit einem tritten £>erro jufanraten, ten td) anfangs

für einen Snglanter hielt, nur tan er mir ra irenig rertegen tafür tear,

unt ter fc aufgeflart unt unrarteiücb über bte tofttifeben $erbäitniffe

(rurcta'e unt über grrangofen unt Xentfche frrach, unt fieb mit fc genauer

£ermtnifl über ten ($?eift ter Sprachen unt tie reutfebe Literatur verbreitete,

ta§ ich gerne unt biete Worte mit ihm teechfette , unt teir febr lange fißen

blieben, obgleich tie antern nur reenig Jbeit nahmen. 1§ä ftellte fut

beraub bafj ter lOcann ein gebrrnerv3?cle aar; er frrach ba$ Xeutfcbe

mit vieler ftertigfett.

gier in Sduffhäufen teurten einige 8er fe 31t tarier gebracht.

Beim iDcittageffen am antern Jage (ernte ich tie ^amitie ©unterere

an* Xarmftatt leimen. SDet Bater, tfammerberr unt 2lppeÜaticn§ratb,

hatte auner feiner $rau noch $öet bübfebe erreadr'ene Rechter, einen fl'einen

Sehn unt eine ©ouremante bei (ich: tie äftuttet, eine b. ^ettenhett au*

üfctrolfrart, febr retfelig.

Beim 3Ibenteffen tear tiefelbe Familie unt äuget ihr noch ein ältlicher

§err, ter, naebtem tie ©üntercte's teeggegangen roaren, riete gute unt

teigige Bemerfungen, unter antern auch über tie enthuüamfchen Ueber*

treibungen ter pfeife ren üfteiners machte.

3. -3uliuy. SSeii Scbaffbaufen fuhr ich in Begleitung jtoeter treulicher

Schulmänner, tie im Auftrag ü)rer Regierung §eftei){ unt v3)eerbün 6e=

fuduen, ren Brürern Bernhartt, nach B^1"

1*/ ^o MI auch jenen ättücben

reinigen iDtann reu tem 3tbenteffen in Schaffbaufen teieter traf. S3

tear ter Cberft 3airreb aus Hannover, ter meine gfamäte genau faunte

unt reu ihren Beugungen ftracb.

3. 3ultn$. 3UV^- -3dS teebne hier im Sdra?ert, unt $tear im

erften Stocf, toe [ich mir tie berrfieftfte 3m*ftcbt über ten See tarbietet,

Page 133: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

113

bcr jefct oon ben £ampen ber gegenüberftefyenben Käufer Sefdnmmert,

nädjtücfy aber hörbar raufdjenb oor mir baüegt.

Qfy rann faum befcfyreiben, tote fetyr td) mir in 3itrid;, in biefer

frommen unb fleißigen §anbelgftabt gefalle, atfeS ift fcfyön nnb gut mag

id) ton ©eift , Anlagen, Sfterfroürbigfeiten fafy ober ^örte.

3unäd^ft interefftrte mid) bod) bag Militär. 3cfy ^öre baß aüe jungen

£eute beg tantong (Solbaten finb, baß bag Militär atte Monate mecfyfelt,

unb baß toctfyrenb biefer $üt bie £)ienfttl)uenbeu oie( ererctrt merben. (£g

gefaßt mir baß man anftatt beg tarnen« Sftäbcfyen ben tarnen £odjter

brauet, a(fo gfeid)fam Setter ber <Stabt, Softer ber dt^nUit Sd)

!aufte eine gute $arte ber ©djtoetj, befa| mir bie feböuen öffentlichen

©ebäube, bag Sftatfyfyaug, bie 23ib(io%f, bag 3üttft|au§, ba$ 2Baifent;aug,

ben großen fünfter, ben grauenmünfter, bie *ßeter8ftrdje. -3mmer toieber

erfreut miefy bie 2iugftdjt auf meinem 3immer im ©aftfyofe. £)a fefye idj

bie £immat unb ben See mit feinen unbefcfyreibüdj lieblichen, blüfyenben,

öligen Uferfyügeln, fyinter benen ftdj fyöfyere unb immer työfyere 23erge

bi^ an bie ©dmeegebirge ergeben, deinem genfter gegenüber ftebt mitten

im 2Baffer ein £Intrm ^ur Sutfbewafyrung fernerer SBerbrecfyer. ©tc ftnb

gfeid^fam nidjt mefyr mertlj auf ber (grbe ju meiten, unb bebürfen beg

reinigenben (Stementg.

3luf ben $romenaben merben außer an ben (Sonntagen Slbenbg nur

fefyr toenige £eute getroffen, toeü eg bie äüricfyer nicfyt für fdjitftid} Ratten

ftdj an SBerftagen a(g Müßiggänger ju geigen,

3dj befugte natürlich audj ©eßnerg £)enrmat, unb bie reigenbe

Hugftdjtgftetfe auf. ber SBajtion, bie tafce.

Sludj £aoaterg ®rab fafy t<$. $uf bem ©ottegader ber Kernen @tabt,

auf bem eg jtdj beftnbet, fielen ftatt ber treuge toetße unb rotfye 9?ofen=

ftöde auf jebem ©rabfyügel ßtoti £rauermeiben ftnb auf £aoaterg ©rab

gepftanjt. 3$ nafym einen Keinen ^toeig berfetben aU Reliquie mit mir;

fafy ba« $au% too er mofynte, ben $tafc too er ben töbrlicfyen @c^uß

erhielt. 2Bir famen audj an einem ©arten oorübev, ber efyematg SBobmern

gehörte. 5luf ber 33ib(iotfyef falj icfy £aoaterg SBüfte oon 3)anneder. 3nfeinen eblen 3"^, && (ebenb oon großer SBemeglid^eit getoefen $u fetyn

freuten, fpricfyt ftdj ganj jener milbe (Efyarafter aug, ben mir an ifmt

oerefyren. (gr fetbft a(fo toibertegt feine tunft nid>t.

$tatenl Xaqtbuty. 8

Page 134: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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§ier in 3&rid) :raf *<*) Sßatlmenicfy unb bie ©ombartg mieber, unb

faty mit litten M$ Slinbeninftitut unb bie Söoflenfyinnfabrif.

§ier lernte icfy audfy ben berühmten SDhtfifer hagelt fennen, ein

2ttann oon I^ofyer (Statur, mit großen, freien 3%en - ®r fpracfy mtS

bo« feiner ©ingmetfyobe, bie barauf auSgeljt bie (Sdjmierigfetten , meldte

bie ^inber menn fte fingen lernen auf einmal überminben muffen, $u

oereinseln.

2lm 5. %Iüt8 fyattt id) mid? entfdjloffen bie Ofoute mit ben ©ombartS

ju machen, am 7. 2Jcorgen§ um 9 Ubr, mit Sfogftdjt auf baS fdfybnfte

SBetter, reifeten tm in einer offenen GTfyaife ah; benfelben Sag über=

nadfyteten mir im §ofpitium be3 D?tgt. 2In biefem Sage reifeten aud? bie

SernfyarbtS oon j&wciä) ah, nadfy Sern §u. 3d) fyatte fte immer mefyr

fdjäfceit lernen. (Sie liegen, tüte §err Dcägeli, alles auf ba§ ©tücf unb

bie Seroollfommnung ber SQcenfcben.

3)er teilte 2öagen führte unS tfyeilS an ber <Sil)l, tl)eil§ am See

Inn, oor mancher lieblichen gtur oorbei. £>ann beftiegen mir ben 2llbiS,

unb genoffen bie I)errltd^e 2lu$ftd)t über ben 3üri<fyers unb 3u3erfee. ®fe

Sl^enjeHer unb ©larner Sergfetten lagen in ibrer meinen §oI)eit oor

xm% ba. 2Ran geigte. un$ i>a§ Sßätbc^en in bem einft (Segner in ftitter

(ginfamfeit molmte. £>ann gieng e$ am Surlerfee oorüber, über £mfen,

Pappel (mo 3^mgl^ ber treue, fiel), unb Saar naefy 3U9> bur(fy

einen

parariefifdfyen 2Beg, einen ©arten oon ben lieblichen 2lbmed^tungen,

alle Säume ungetoolmtid? l)odfy, (Sieben oon pctypelgleidfyer (Sd)lanffyeit.

Son 3U9 an%f

tntt feinen ent^ücfenben Umgebungen, fuhren mir über ben

3uger (See; ba Porten mir ba§ erfte Sl^orn, baS melobifcb, flötenb oon

ber §öfye fyerabflang. •$$ füllte jum erftenmale red)t innig ba§ i<fy in

ber <Sd)toei5 mar.

2Bir lanbeten in 3mmifee, ließen unö bort in bie I?oI)te ©äffe

unb in bie Sapelte bei £ü§nad)t führen. Einer lebhaften SinbilbungSfraft

binterlaffen foldfye (Stellen Zeitiger Erinnerung fefte (Sinbrücfe.

Son 2Irt traten mir um 8 UIj>r Slbenbö nodfy, mit bem oon Süxify

ung empfohlenen $ül)rer, 2>ominif 3ü£, ben ©ang nad) bem ©ipfet be&

Dftgi an — an ben Ruinen oon ©olbau oorbei, hd mitbem Sftonbfcfyein.

<pinter unS lag ber (See oon ^omerj; bie (Sd^m^er*§aggen unb ber

2Jtytenftein fyoben tk fpifcen ©ipfel in bag §atbbun!et. 3U unfrer (Seite

raufcfyte bie 2labacfy.

Page 135: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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3)ie erfte Sttufye mar in einer fernen $Me, „jum oBern Sdjminbacr/.''

§ier fallen mir un3 ring,8 oon Reifen umgeBen, mtb bte 2öatbftröme

Brausten taut aber unftdjtBar in bie £tefe, nnb ber Sttonb fafy mitten

hinein. -Smmer romantifdjer mürbe ber 2Beg, immer mitber; oon 3 eü

ju 3eü oerfdjmanb ber SBagen ber Suna hinter ben Sergen. 2öir !amen

oft an einfamen Silben nnb (Sennhütten oorüBer, mo einzelne M)e nod?

meibeten, nnb ifyre ©totfen burdj bie fttHc Sftadjt ertönten. 3 erftoute

(Tabellen finb fyie nnb ba ben §irten Bereitet, bie mit ü)ren beerben auf

ben ißergen üBerfommern, nnb erft im §erBfte mieber ju ben äftenfdjen

Ijernieberfteigen.

9?adfy fur^er 9?ad)trutje in einem ber oier @aftfyÖfe mürbe nad) bem

$u(m aufgeftiegen, um ben (Sonnenaufgang ju fetjen.

3)aS 2öetter mar anwerft günftig. ©roß unb ftotj IjoB jtdj bie

(Sonne au$ ben üfteBetn, unb immer meiter brang baS 31uge üBer SBaffer

unb £anb unb §üget unb SBerge unb SBälber unb Triften. 2)a tagen

norbenmärtS in ber flaueren Scfytoeiä brei^elm Seen; unter ben Orten

am tieBlicfyften Supern, Strt, $ü§nad>t. traurig toeitt ber $$M auf ben

fdjauerticfyen Krümmern ©otbau'S. SübmärtS lag bie ganje meiße, maje=

ftättfdje $ettenreit;e beS UrgeBirg§ oor un$ ba; be3 gmfleraar^ornS, ber

2Bettert)örner brofyenbe §äubter. Sluf ber einen Seite lachte uns ber

grüfyltng, ber Sßinter ftarrte auf ber anbern. §od; ftaubeu mir ÜBer

ben Söolmungen be§ Staubet, unb faBen hinunter auf bie Heinere 2Bett.

2Bie unBebeutenb erfdjemt atteS 9ttad)merf ber Sftenfcfyen Beim SlnBticf ber

gemattigen formen ber 9?atur. §ier mügte in bem milbeften Sftenfdjen

ber ^Begriff eines ©ottef' entfielen, toenn er aud? nie baoon getoujU fyätte.

2Bir oerefyrten ben Stteifter in feinen äfteiftermerfen. Creatorem natura.

£)a$ 2Bort „®ott" bringt ficfy fyier unmitlfurtid) auf; mir miffen, mir

erlernten nichts größeres. —3<fy jcfyrieB in baS ^rembenBucfy:

S3ei benf-2id)t beS SJoKmonbS, unerfcfyroden

,

«Stiegen »tr bis an ein tttrtfyfrar $au$:

Unterm leifen Mang ber §eerbeng!oden

,

Unb ber 25ad)e bonnernbem ©ebrau§.

2I6er faum Begann bte %la<i)t jn treiben,

Stimmten ft>ir Bis an be§ ÄnlmeS $reu$,

8*

Page 136: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

116

@aBn bte ©onne tnajeftättfcb fteigen,

@abn beglücft in bie beglücfte €d?treij.

2)ie ibr je Bieter fotmnt, beutfc&e 93rüber,

@anfte grennbe Berrticber Statur,

$ier genießt , nnb feBrt bann frenbig trieber

3u ber BeimatfjlicBen Sßäterffur.

tütf bem Sftigthttm fielet man feinen 23aum mel)r, unb bte Söalbftröme

ijÖrt man nicfyt mef)r kaufen. -3m §innnterfteigeit fanben mir bte GTapeÜe

bei Sftaria 311m (Sdmee geöffnet, unb ba e3 eben (Sonntag mar, Ratten ftd»

eine Stenge SSaüfafyrer eingefunden bte 2fteffe ju frören. S$Mr faben bie

Straften fccn mehreren Kantonen; bie ferner maren bie fünften. 9Jean

glaubt ftcfy im Stljeater, menn man fo fctete fcfymucfe ©eftalten mit ifyrer

netten Hteibung unb Ü)ren fauberu bebänberten ©tret/fyüteu, bie gati$ flacb

auf bem Hopfe getragen merben, bor ftcf> berbeigefjen ftebt.

@egen 2Beggi3 5U führte ein fet>r ftemiger unb befcbu) erlief) er, aber an

raupen unb mitberen (Scr>cnr/etten ber Sftatur reicher 2Beg erft eine (Strecfe

aufroärtS, bann beftänbig r/inunter gegen ben SSierroatbftätterfee $u. 2£ir

famen am f. g. falten 2Sab cber beu brei ©cfymefterbrnnnen vorbei, too ftdj

in ber §eibenjeit brei cbrtftltcfye Jungfrauen verbargen, unb beffeu 2Baffer,

roelcfyeS burcfy feine Halte ftärfenb auf bie 9cert?en rotrft, ^mifcfyen jtöet

fyimmelfycfyen, gehaltenen ^etütnaffen fyerocrquitlt uns ein fettfameS ®etÖfe

t>erurfacbt. S)te 2Iu§ftcbten auf ben SBiermalbftätterfee, melcf/e beftänbig

roe^jetn,' werben immer febener, immer remanttfeber. 9)cefyrere Söafferfätfe

ftäuben oon %ä$ ju ^et§ in bie £iefe. ©teile SÖä'nbe fteigen mauerbeimenb

auf, einzelne bemaebfene ©tetnmaffen liegen jerftreut in ber Sftunbe. (Stnen

majeftätifcfyen 2Inblicf gewährt ber „l?er;e Stein, " ba jtoet rieftge $elfen=

frücfe ein britteS einflemmenb einen fcfyauerlicfyen Xurcbgang bttben. — Sit

einer abgelegenen dapetle geneffen mir einer furjen ^htlje:

„2)enn bort ift feine -Speimatb, jeber treibt

@id? an bem anbern falt vorüber,

Unb fraget nid)t nadj> feinem (Schmers." —©fetcbmefyt traten mir bag gemiffermaßen. (23 gefeilte ftcb nämtiefy

eine alte $rau 51t uttS mit einer @ei3. 2Bir marfen ber teueren einige

23rofamen $u; aber bie $rau fycb fie felbft auf, unb afj }itf

inbem fte

fagte ba$ fte, fett langer 3eü etnfant im @ebtrg roofmenb, fein 23rob

mefyr gefeiten neefy gegeffen t/ätte. 2ßtr gaben ibr alleä 53rcb ma§ mir

bei im$ batten, )k beb e3 für ifyre Araber auf.

Page 137: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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$uf ber gafyrt über ben See geigte ftdj bie Sftuine fcon ^abSburg,

traf« bte (Sapefle, bte beut ÄlauS toon ber gifte errietet tft. -3m Slbler

in gittern fanben ftd) an ber £able b'fyöte gtoet euglifd)e gamilien, Worunter

ftebeu grauenjtmnter, bereu gtoet fel;r t)übfdj baren. -3d) fag neben einer

*>on tiefen beibeu. Sie fonnte ntdjt genug bte I;err(td;en Partien be#

SBtertoalbftätterfeeS greifen.

$$on Supern, beffeu üfterfiöürbigfeiten grünbüd) befdjaut tourben, eine

Stunbe tt>ett burd) einen angenehmen £fyaltt)eg nad) bem 3)ßrfe SBhtfel,

tüo nur un$ nacb Untertoalbeii einfdfytfften. 2£ir Tanten an Stan^ftabt

»orbei, unb laubeten in ^o^lod), einer $aptermm)le , in graufer aber

ergreifenber ®egenb. Stufentoeife ftürjt fid> fyter, tofenb unb raufdjenb,

ber 9>iet)I6ac^ burct) gelS unb Sd^lucfyt unb 23ufdj»erf, au fdjauerlidjen

§öfylen unt> fdjroffen SBänben vorbei in bie £iefe. Sobalb mau auf

raufyem, fc^tü^frtgem 2öeg bie §öl)e erretdjt fyat, fte^>t mau fidj in einem

lieblichem £fyale be§ £anbe3 „9ftb bem SBalb," ba£ ®rad)enrieb genannt,

ba£ ber Sftefyibacfy fanft ftd) fct)längetnb burd^iefyt.

(§3 mar ein fcfyöner, miiber 2lbenb; toir giengen ben blüfyenben

£fyatn>eg gegen Stanj tn'nunter, tt)ie benn alle £fyaler biefer £anbfd)aften

üppige ©arten ftub. greunbltcfyer fcfyienen bie* mitDen Serge ficfy auf biefe

fanfteri hatten herunter ju beugen, über toelcfye bie 2lbenbfonne eine

nntnberfame 23eleud)tung go§.

SSon Stan^ erft nad? bem nafyen ipaufe SEötiifcIrtebö

:

@r, ben feine Sausen fdjrecften,

@a*if ein fyerrlid? Opfer fyiu,

Sftur ben £elm, ben blutbefledten

,

33rad)te man ber @d)tt)eiäertn.

@ie§! ber Äranj umf(id>t ba§ (Sifen,

Slber nic^t fein £aupt ber Ärang

;

S)od) bu barfft bid) glüdlid? greifen,

2)enn er fiel , ber £ort be§ SanbS.

Heber 33urdj$, an Sefenrieb unb @er[au vorüber mdj ^Brunnen,

(infamen aud) jtüei Knaben ju unS, einer mit einer 5lrmbruft, ber aubre

mit bem SBtlbe St. Sebaftiau3, be£ $atron$ ber Sdjüfcen. Sie fagteu

eine lange Sftetmrebe fyer, nannten ftd) bie jungen Scfyüßen ton SSruunen

unb baten um eine Unterftü£nng. -3n nidjtS finb bie ©djtoetjer raffinirter

als im betteln. On ben i(einen Kantonen, nebenbei gefagt, betteln alle

Ätuber olme Unterjdn'eb.

Page 138: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Stadj <Sc|to%. £)ie ?age oon ©djtofyj am $uge ber §aggen tjt

ergreifenb fdjön. (§8 (ad)t g(etä)fam bem fommenben 2Banberer entgegen.

TO toir nad) ^füelen fahren Routen, gteng ber $ölm unb peitfcfyte ben

(See. (§8 gefyt tmS nnn tüte bem armen 23aumgarten, nur bag feine

Leiter hinter un8 finb.

51m 10. 3nlin8 legte ftd) ber $örm, unb toir Ratten eine fyerrtidje

%al)xt auf bem SBienoatbftärterfee, beffen Ufer fo abtoect/fetub, fo groß,

fo pittoreSf finb. @d)roffe 2öänbe, biegte £öfyten, fcfytoarje SMber feljen

oft auf grünenbe 2llpen, freunbttdje ^Dörfer unb bunte £aubge^ö{je be8

(Gegenufers. 3)te SBeHen fyoben ftdj noä) boä) oom ©türme, unb siegten

ben (eisten $alm. 2Bir lanbeten an ber DWitftSmatte unb ftiegen jum

Sftütti hinauf, bann an ber £ellenptatte.

$on $(üe(en nad) 5tttorf. 23on ba au8 ftiegen roir gegen ^Bürgten

im ©cbäd)entf/at empor, ba8 in einer toitben, erhabenen ®egenb liegt.

Wa$)i% geträufelt, mit heftigem Dtaufcfyen fHirjt ber ©cfyäcfyen. 23ei ber

£e£(8capetle füllte tdj mie fd)ön biefe £)anfSarfeit ber (Snfet fety, n>ie

gro§, tote Zeitig. 9fadj für fein eignet $aterlanb fd)icft ftet/, toa8 3ofyanne8

9Jcüfler oon ben Römern fagt: „933er toollte ftc£> fürchten für ein 33otf

§u fterben in beffen ©ebäcfytnig man etoig teBt?" 2öo ftnb beine £ett=

firmen, o ^eutfcfytanb, too ftnb beine £)enfmare? (Setbft ber (Stein oon

£ü£en ift nur ein 3 e^en beiner (Sdnnad), beiner unheilbaren Trennung.

-3n £eü8 «Seele glühte ba8 toafyre ©efüfyl für f^ret^ett, ba£ angeborene, au8

feinem 9)cirabeau, feinem 9?ouffeau gefef/öpft, ba8 2öort nidjt — bie Stfyat.

-5m ÜHjale ber 9?euft nad) 5Imfteg, am (Eingänge in8 SJtaberanertfyal,

am gu§ be8 ®ottf>arb8, too ba8 Urgebirge ber ©djtoetj beginnt, bie

©ebeine ber Grrbe. 3Son bort lotrb bie @egenb größer unb totlber; aüe8

gefyt m$ @iganttfd)e. £>ie alten ©ramtfelfen erbeben ftd); aber bie Statur

ift nod) reiä) unb mannidjfacfy. 93tan ftet>t oiel bunteö ^aubfyol^ unb

fcfyöne SOtatten; ungeheure Pannen fteigen mit ifyren geioatttgen ^toeigen

in bie £uft, unb Ratten ganje getfenftücfe toie mit £igerftauen in ifyren

offnen SBirqeln feft. 2)te 9?eu§ bilbet oon bort bi8 jum Urner £007

einen ununterbrochenen Sßafferfafl. ©eroötbe oon <Sdmee — gefallene

£atoinen — btenen ftatt ber 33rücfen über bie bäufigen 23äd)e. -5a)

füfyle nur ju fefyr bie ©djtoäcfye metner geber gegen beine fraftooüen, etoigen

^)3tnfe(ftrtd)e, bu Malerin Statur! 3lße biefe ©cenen ftnb unbefd^reibtid).

tylan toirb oon (Sd^aufmX 31t @d)aufpte( unn)iberftef)lid) fortgeriffen.

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3Btr glaubten fcfyon ba$ non plus ultra alles ©cr/recfTidjen gefeiert

$u fyaben, aber roie erftaunten mir als mir Beim Dorfe ©offenen in

bie (Sdjötfenen traten! Die üftatur jtc^t ifyre §anb ab. 9tur Herne,

formale Pannen jlefyett nodj einfam auf ben Sergen. $)a$ St^at rotrb

eng unb fdjauerlicfy, gräßlicfy nnb fatyt Rängen bte (Srartttfd^tefer herüber,

toitber unb roifber ftäubt bte Sfteuß. 9cur einzelne (Säumer mit üjren

2ftautt!)ieren jtc^cn bte @otttyarbt$ftra§e, bte ftcfy unbegreiflich burdj biefe

furchtbaren Reifen toinbet. (Sinjelne ^obtenfreu^e ber burd) £aroinen $er=

unglücften ftefyt man l)ie unb ba am Söege. (Stnige Imnbert (Schritte oon

ber £eufel§brücfe fyültt ftct; bte @egenb nodj in neuen (Schauer. Die

menigen Zäunte unb ba§ ®ejrräucr/ fyören auf, unb immer fal;ter unb

naefter toirb ber (Kranit, immer fcfyäumenber ber unauffyaltfame ©front,

unb enblicfy, roenn man um eine ^elfenecfe fyerumfommt, liegt bte £eufel3=

brücfe bor ben erftaunten fingen. Den §aupteinbrnd macr/t ifyre grä§lid)e

Umgebung. äftan ftebt nur (Stein, §>immel unb SBaffer, man ift in

einen fcfyaueröoHen Reffet fdmxtrjer, giganttfcfyer Reifen eingefcfyloffen. SBon

oben au8 ftefyt man ben gafl ber %tm$, ber ftäubenb unb jtfdjenfc über

feltfam gemattete ©teinmaffen fyrubelt, per rein unb glatt ben $e(S

hinunter, bort im erotgen ©a^aum gefraufelt. Dann tritt man in bie

ginfterni§ beä Urner £ocfyS, eine^ träufenbe §öl)le, 60 ©ebritte weit in

ben ©tein gefprengt. 21m 2luSgang ber <2cfylud>t plöt3tid) oeränberte ©cene.

©in roeiteS Dfyat ooü grüner, meiner hatten tfyut ftcfy auf, oon $ieb

burcfyroeibet, oon ber auf einmal ruhigen Sfteuß friebltcf/ burd^ogen, im

^intergrunb ba$ Dörfchen %n ber 9ttatt, über bem ein Keiner 2Balb oon

ungefähr 150 Zäunten fyä'ngt, ber es oor ben Kaminen fcb/ü£t, unb ben

batyer ju -fällen verboten ift.

3u 5ln ber 2ttatt fanben roir fünf (Sngtänber,. bie über ben (Sottfyarbt

auS Italien famen, tatfyoltfen au£ 23rtftot. Der. eine, <perr §ufenbetfy,

ift 9?aturforfcfyer; icfy beneibe ifm um bie $enntni§ ber natürlichen Dinge.

Wit feinem @olm, ber ein (Setftticfyer roerben roiü, fpracfy icb; oief engtifcf/.

(gr ^eidmet, roie auefy bie beiben Sperren $eman unb 33ruce; ber fünfte,

§err äßabfyam, ein reifer junger äftenfcb;, rei§t ju feinem Vergnügen.

— Diefen borgen befugten mir nod; einmal tk £eufet$brücfe mit ben

(Sngtänbern. 5lber über biefe Später! ©ie beiounbern ntd)t, fie genießen

uid)t, fte fe£en fiefy auf ba8 53rüdengelänber unb jeidmen.

33et Srfcfye Disput mit £oui3 ©ombart, ber über tfyiertfcfyen 9ftagueti3mu3

Page 140: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fprad) unb mancfyeS 2Bunberbare baoott ersäfytte, tote 'beim bamatS biefer

©egenfranb ba3 attgemeinfte -Tmtereffe erregte. 3cfy toiberfprad) , unb fo

ergab ftcfy ein £)i£pur. 9cicfyt3 ift mir oerfyaßter atS bie Sdjtoärmerei.

(23 gibt fein efyrtoürbige3 $teib, toorein fte ftd> nid)t tyüttte, um bem

oerfotgenbeu $feit ber 2öal?rt)eit ^u entgegen. 2Ute3 ®ro§e unb §eitige

entroürbigt fte. £)ie geheimen Gräfte ber 9?atur, ben cfyriftltdjen ©tauben,

bie 2lHmad)t ®otte$, bie Sinnpatfyie, bie fdjöne «Seelen an einanber

jtefyt, mifd)t fte auf bem Gebiete beS tfyterifdjeu 9ttagneti3tmt3 mit ifyren

^Betrügereien unb üttiorfyeiten in eins jufammen.

33eim £fyee erjagte £>err §ufenbetf), ber $ater, biet bon bem $ret=

maurer* unb £empetfyerrnorben in (Snglanb. (Sr fetbft tft ®roßmeifter

feiner $romitj. (£r jeigte un8 feine Reibung unb -Snftguien, bie er mir

umfyieug. Stuf bem 2öinfetma§ franben bie 2öorte: qui meruit ferat.

(5r fagte un3 oon ben Vorgängen bei ber $lufnafyme -eines neuen 23ruber3 :c.

£)er ©eqog bon $ent ift ba3 §aubt oon aßen. On $rantretet}, fagte

uns §err §ufenbett;, hahe er nur wenige £ogen befud)t, toeit ftcfy ju

riete -Sacobiner bort einfinben, unb atte ^ßoütit bem $reimaurerorben

}txaU ^utotbertaufe.

5tm 13. oon Urferen nad) Sfteaty, too in einem §ofbitium bei $roei

bejahrten GTapujmetti übernadjtet würbe. -3er; matte mir ben ©ebanfen

aus, in biefer (gittöbe ju bleiben unb ber 2Belt ju entfagen. 3efy fragte

miefy, ob idj Äraft genug ptfce ein Sttenfd) ju toerben ber nict/tS bebarf

at8 eine Qntte, ein ©ärtdjen unb ein 33reoier, rote biefe 2ÄÖtufye.

Et qui ne se voit point sans cesse

Jouet de Faveugle Deesse,

Ou dupe de Faveugle dieu.

2lm 14. auf bie ^urfa. ®ie aufgefyenbe Sonne oerfuubigte einen

fronen £ag. 3)er §immet toar btau roie eine SSeitdfyentoiefe, unb gteidj

taufenbfarbigen (Sbelfteinen flimmerte ber £fyau auf ben Gliben. Sd?on

nat;e bei Sfteatp begann ber (Schnee. 2öir fielen t;äufig bis über bie Bukt

fyinetn; ^ugteief/ oerbrannte un§ bie Sonne oon oben, unb baS btenbenbe

SBctjj griff unfre klugen roafyrfyaft fct)merj(id) an. 3m £>inunterfteigen

famen rotr an ben Sftfyonegfetfdjer, too bte Dftjone entfpringt, oorbei. 2ftan

beufie ficf> einen breit ins St;at fyinuntertaufenben blauen getfen bon (SiS,

oott 3atfen unb flippen unb Sdjtudfyten in fonberbareu formen gebitbet.

hinter ifym ragt ber @atlenftod beroor. 2Öir bewerten ben @tetfd)er

Page 141: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

121

lange im (Seftdjte, tt>eil mir un« ifym gegenüber an einem fdjönen $la£

umoeit einer (gnsianfyütte, jtotfdfyen bem 9Wjobauu$ unb einer 23runnquelle,

auf ben blüfyenben Sftafen niebertießen, nm unfer 9D?ittag«mal;l einzunehmen.

£>enu tütr Ratten $mei Präger mit ^ßroriant oon SReaty mitgenommen,

tuet! unfcrc 5lbftd)t mar über bie äftaienmanb 51t gefyen, Um nodj l;eute

im (Spital auf ber ©rimfet $u übernachten. 5lber bie ölwelun gefal;rltd>e

äftaienmanb — mir fyb'rteu eine Samtne »on ifyr fyerunterfommen — mar

be« Dielen (Sdmee« megen ntdjt gangbar, unb mir mußten ben Ummeg

über Obergefteleu nehmen, ©er anfängliche 2Beg burd; ba« Sftfyonetfyal

(ba« ftd) burd)« SBallif erlaub, beffen freujbejetdjnete ©ränje mir bereite

auf ber ^urla überfdritten Ratten, bi« an ben ©enferfee fyiuab^ieljt) , ift

übrigen« äußerft befcfymerlid;. (Sr ffifyrt oft über fteile, fdmeebebedte Söäube,

oft burefy bie Letten ber 58äd)e, bie in bie Sftfyone fallen, oft über fpi£e

©ranitftetne. 2lllmäfylicfy fängt bie Sftatur mieber an lebenbig ju merben.

Sftan fielet toieber SBäume auf beiben (Seiten ber 33erge, bie ba« enge

mitbe Zfyal einffliegen, burefy ba« bie Sfttmne, oft unter Reifen unb

Saminen fid> oerbergenb, unb fyäuftg in fcfyäumenbe Söafferfäfle gebrochen,

fyinabfüeßt. $iö'£licfy , bei einer bem $lau« oon ber ftlüe ^eiligen (£apeEe,

öffnet ftd) bie fyerrltdjfte &mb|d)aft. (Sin tiefe«, meto £t;at breitet fiefy

aufeinander, unb ber jd;meifenbe ^Öttd mirb im §intergruube nur burd;

ben (tollen Sftonte 9?ofa begräbt. £>ie @pi£en ber malbge^terten 23erge,

bie oon (Sd)nee glänjen, oerrätfyen allein baß man in 2öaüi«, nidjt, mie

man glauben mochte, in ber ^rooence fet^.

£)ie ^Dörfer bagegen finb ärmtidj; etenbe §ütten oon §015, bie man

auf ©cfytebfarren tran«portiren Bunte. SDie £rad;t mißfällt mir uicfyt

gang. 3)ie Söeiber tragen runbe §ütd;en oon $il$ ober (Strofy in $orm

einer ©dnlffel, meldie freiließ meit fyinter ben niebltdjen ferner (StroIj=

fyüten jurüdbleiben, aber bod) manchem @eftd)te gut flehen.

2lm 15. früfy oerüeßen mir Obergefteln jiemlic^ frülj , um bie ©rimfel

3U überfteigen. ®urd) oiel ©dniee gelangten mir auf bie <Spi£e, fliegen

bann mieber brei (Stunben abmärt« bi« jum §ofpitat, mo mir bequem

unb freunblicfy unb billig bemirtfyet mürben, unb guten SBetn fauben.

5lbmärt« fteigeub erblidten mir balb bie tiberfarbige 2lar, bie auf

ber ©rimfel entfyringt, unb ber mir bi« Onterlafeu folgten. £)ie (Steige

führten nod) oft über abfcfyüjftge, fdmeebebetfte £>ügel, mo jeber gefyltritt

be« naiven bluffe« megen gefäfyrlicfy mar. $er bem blenbenben (Schnee

Page 142: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fd)ü£ten uns glore, bie Wir fcon ber 2Birtfyin in Dbergeftetn jtcmüd^

treuer gefauft Ratten.

3)tc 2lar ift tttc^t fo totlb als bie 9£eu§ im Sfteußtfyal, aber t>tet

reifer an majeftätifdfyen ^ataraften, wetcfye ben Sftfyeinfatt, tro£ feiner

flutte unb breite, weit hinter jtdj jurüdtaffen ; fo bor allen ber ^ur

§anbecf. ®a (itirjt bie 5lar, in jwei 2lrme geseilt, fcon einer jäfyen

gewaltigen §öfye in einen Reffet, bereinigt ftdj, gtfdjt fd)äumenb empor,

fällt, in (Staubwirbel gebreljt, fenfredfyt in bie Xtefe. 2ln einer anbern

(Stelle t»äl$t fte jtcfy burcfy eine enge «Scfytudjt, an einer britten tfyeilt fte

ftcfy breifadj unb lommt unten, ein 9)ceer oon ®tfdjt bilbenb, wieber

jufammen. £)te ®egenb ringsum, obgleich mehrere S3erge nocfy mit

einfamen, büftern giften bewacfyfen ftnb, gibt ber (Scfyötteuen wenig nad),

ja übertrifft fte nad? meiner Meinung an mehreren »Stellen, beren gräßliche

2öilbfyeit alle meine (Sinne in (Staunen auflöste. Ungeheure (Sdfyieferfetfen

beugen ifyre fd)War§en oielfad) ge^adten Leiber wie erzürnte (Wörter in bie

£tefe. ©er 3öcfytig{etfd)er btitft aus ben giften ber umgebenben iöerge

fyeroor; bie §öllenp(atte geigt bem SBanberer bie fotoffate S3ruft. —Unbekümmert um bie umringenben (Scbrecfen ^>tätfd^crt bie 2lar totelfadj

gefrümmt burdj bie 2Bilbni§, unb fdnniegt ficf> längs ber unbeugfamen

geifern

-3n ©uttannen, im £>berfyaStitfyat, famen wir juerjl Wieber unter

9ftenfd)en. £>ie @egenb um biefeS £)orf ift Weber mitb nod) »Hb, aber

traurig, infofern eine traurige ®egenb aucfy ifyre Steige fyat.

£)ie fyofyen, btonben, wafyrfyaft norbifdjen ©eftatten ber SpaSütfyaler

machen bie 35ermut^ung it)rer fdjtoebtfdjen 2tbftammung wafyrfcfyeinlidfy, bie

ftdp auf (Sagen unb lieber ftü£t. 2)er 2öud)S ber SBeiber ift ^War ju

gro§ unb fdjtanf, um ju gefallen. 3t)r freunblid)eS Söefen unb ttyre

Sftebfetigfett unterfdjetben fte ron ben anbern «Schweizerinnen bie icb, bisher

fafy. 9Jtan ftefyt nur gefunbe ©ejtdjter; bie (Sprache ift fanfter als in

ber übrigen ©d^toctj. £)ie £eibeSftärle ber Männer entfyridjt i^rer ®rö§e.

Wlan jeigte uns in Sttefyrtngen $mi gewaltige runbe (Steine am gelb,

bie fie um bie %ßttte fdjleubem. 5lucfy biefe Neigung ju gtymnafttfcben

(Stielen ift norbifcfy, jum wenigften nidjt beutfdj.

SSon ©uttannen bis äftetyrmgen wirb bie ©egenb attmäfylidb milb

unb lieblidj ; fcolle bufd^ige £aubwä(ber befmen ftdj über tacfyenbe §ügel.

SBeitfdjattenbe SSnfbätmte lotfen bie müben Pilger. Sftomantifd) umgeben

Page 143: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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liegt ba3 £)orf. -3m ©rurtb Oon ben oietfacfy gejaeften SBurgftöden auf

ber einen unb ton bem $lattenftotf auf ber anbern (Seite, ben bie üftatur

in fettfame formen gegoffen fyat. 2)ur$ ben freunblidfyften £fyatgrunb,

oon ber 2lar befpütt, jte^t ftcfy ba3 15orf 3m §of.

£)ie £age oon 9Jtetyringen ift wtoergleidjticfy. (Sin oietfad) burdfy bie

Söerge getounbener Sdmecfenpfab füfyrt hinunter in ba§ gfiitfttdje Xtyal

— 3>er Ort felbft ift fcfyön unb freunblicfy gebaut. £)te gebeerten SSalfonS

ober ®aben, ioo geloölmtid) gefoetSt toirb, auefy in unferm @af%f fanb

ftcfy einer, ftnb fefyr annefymtid?. 2)can für)tt ftäj jugteic^ im freien unb

in ber Stube.

-3tt ftarfer Sonnende giengen toir an ben Retdjenbad). (§r belohnte,

ung für unfre 9DWi^c; fo eigenartig tyerrlidj erfd^emt er. 9ttan fieft toeber

Söaffer noefy Sdfyaum, fonbern nidjt§ als ben btcfyteften ©taub, ber fiefy

in ©ejfatt eines to3gebunbenen 23üfd)el3 Pfeile in einen Don fdjauerltdjett

Reifen umgebenen $effel fyinabftürjt, unb bann in (eisten Rebeltoolfen

toieber jum §imme( emporfliegt. £>en göttlid)ften StnBItrf getoafyrt ber

Regenbogen, ber fiel) über biefem gälte bilbet:

Mille trahens varios adverso sole colores.

Scfyon einen Regenbogen unter feinen $ü§en ju fefyen, macfyt einen

magifcfyen (Smbrucf. 2öie ein ewig toirbembe§ unb bod) ftetö ftel)enbe§

Rab Beugt er fiefy jtebenfarbig üBer bie $tutt), unb Blau unb golben malt

er bie grauen (Steine. — -3dj Bätte bie ganje 2Mt, unb oor allen meine

greunbe ju 3eu9en *>iefer fyerrftdjeri Scene rufen mögen.

SBon 2ftetyrmgert naefy 33rten$, oon ba üBer ben (See naefy 3nter(a¥en.

51m 17. 3uliu3 in§ £auterbrunnentfyal, um ben StauBBad^ $u fefyen.

§ier fafyen mir juerft in ber 9?äbe bie -Jungfrau oon tfyren Blauen ©tetfdjern

umgeBen, unb ben SJcöntfy an ifyrer Seite.

5Xuf einem nafyen §ügel genoffen toir bie Stugjtdjt auf ben SBrtenger*

unb £Inmerfee. Sftan ftet)t nicfytg, Big man ben aBgeptatteten (Gipfel

erreicht fyat. 2lBer bann — e§ wäre oergeBticfy biefe fyimmlifcfye Sanbfdjaft

fcefdjretfcen $u toollen, bie ftdj mit Unterfeen unb 3nterta¥en jtotf^en ben

Beiben Blauen, ftoljen @etoäffern auSbelmt. 2öir füllten, mit £iebge ju

rebeu: bie £raft unau§fpred)licl)er QJftlbe.

3it Ontertafen lieber aU irgenbtoo mi>d)t' idfy einen Sommer mit

meinen Schriften unb 23u#eru fyinBrtngen.

2tuf einem ehar ä banc fuhren totr burefy Unterfeen naefy ReufyauS,

Page 144: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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unb fdnfften un§ ba auf einem fcbönen, eleganten gafyrjeuge am £lmner

©ee ein. (§8 mar ein göttlicher Slbenb. -3n fanften Raffungen bebte bie

$lutl) an bie rcmantifdfyen Ufer, unb mir ergö^teu unS al soave spirar

di placid' aura. 53ei ftufenber 9cad)t fuhren mir au§ bem ©ee in bie

2lar, um in £bun ju lanben. Heber alles üppig unb ladjenb (dringen

fid) bie (Spaziergänge ber ©tabt am ^lug unb am (See.

2öir beftiegen am anbern borgen ben ©otteSader, ber auf einer

5Iuf)i5r;e liegt, bon ber man bie fyerrticfyfte 21u3fid)t geniest.

3)ie ©egenb bon Steint ift mafyrgaft parabieftfd) , unb ermedt einft

jene lobten bie große ^ofaune jum @erid)t, fe derben (ie fid) alle im

§immet mahnen, menn jte um fid) feben.

2luf einer fyerrlidjen ^anbftraße, meift mit fyofyen Obftb.dumen unb

befdmittenen <peden bebflanjt,' mie burd) einen reijenben (harten beim

fdjönften 2öetter fuhren mir in offener (£t)aife nad) Sern. 9?ie \ai) id)

milbere, fdauere ^turen. 2Ule§ ift bebaut; aße$ atljmet SBo^lftanb unb

$leig, alleS ^eigt ben $fteid)tfjum ber Serner £anbteute. Sfteinlid), gro§,

freuubtid) ergeben fid) ifyre Käufer unb ©d)eunen. äftan glaubt eine

gematte 2anbfd)aft p fefyeu, burd) ben ^ünftler berfd)önt, ober tfyeatrattfdfye

Sereblung. gette liefen, bufd)ige £aubmä(bd)en , fyalb $toifd)en Säumen

oerftecfte £anbl)äufer befpütt bie 5lar.

3)ie ©egenb mirb reifer, je näfyer man Sern fommt. §errlid) jeigt

fid) bie ©tabt ron ber Seite beS untern £lmr3, fjerrltc^ befynen fid; t^re

fd)öue ©ebäube auf (angfam fdjmeüenben §ügeln am Ufer ber rafdjen $Iar.

üDcajeftätifd) jeigt ber 2>om bie feltene Üfiefengeftatt, unb fd)eint nieber*

Jutaclin auf bie nalje ^latteform, bie mie ein Sorfyof jum §immel auf

i^ren dauern fid) fyebt. %Jla\i fäfyrt in bie ©tabt, bom eleganten portale

betoiüfemmt, burd) breite, reinliche ©äffen füfyrt ber fd)Öu gepffafrerte

2Beg. £ie ipäufer, alte oon Ouabern gebaut, nid)t gleichförmig, nieblid),

gefällig — auf ben ©tragen otel öffentliches %tbm, Sänfe an allen

§äufern.

$§# ift atlerbingS ntdjt äftfyettfd) , baß $ü$ilm§t in fetten bie ©tragen

reinigen , bafj au3 ben fd)önfteu ^nfteru unb SatconS Söäfdje 311m Eröffnen

Klängt, aber e8 beutet auf 3urat(;el)a rtuug ber Mittel. £)ie franjöftfdje

©pracbe ift bie berr)d)enbe. ©eicllig unter ftdj, gefällig gegen grembe

ftnb bie Serner fo menig als bie anbern ©d)meijer. @efettfd)aften \>on

gemifd)tem Filter derben faum gelitten; alleS tbeift ftdf> in ©ocietäteu.

Page 145: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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SDtefeI6cit ^erfouen einerlei ©efd)(ed)t3, freiere a(3 $inber jufammen

tarnen, kommen jufantmcit feto fie (Greife werben.

21. SutiuS. Witf ber $eter8mfei in 9faniffeau'8 ^immer.

£ier, ioo nad? Verfolgung unb Verachtung *c.

Ottern, ju $u§, ben iöünbet auf bem dürfen toerfteß tdj am 21.

3ufiu8 Sern, mit bem laftenben ©efüfyle ba§ icfy mit ftarfen ©dritten

au% ber retdjert, frönen Statur bem mtfttärtfdjen ©djtenbrian juetle.

2Bie werbe id) jene Letten lieber tragen tonnen, nnb )®a$ werbe id)

nicfyt (eiben,

— meeting the ghosts

of my departed joys — a numerous train.

3ebe vergangene ^reube wirb jum @cfymer$ burefy eine unerfreuliche

©egenwart. 2lber WaS f^au' idj in meinen ©arg, ba td) nod? lebe?

@(ücf auf! 9codj bin idj fröfyüdj unb frei, wie ber 35ogel in ben

lüften, noch ift ja bie fcfyöne 3eit nicfyt Oorüber, nnb noefy fdjtürf' tdj

ben golbnen üfteetar.

greifyeit unb S^atitr ! ic,

3d? füllte ganj baS ©tücf eines forgenlofen $u§gänger$, ber aüeS

bei ftcfy trägt Wa$ er brauet, ber ftdj Wenben fann Wofyin er Will, ber

ausrufen fann wo er eine fdjatttge ©teile fhtbet. <So gan^ auf mid)

geftettt, fo ganj (oSgebunben oon aßen S5erf;ä(tniffen war ify nie in

meinem £eben.

3cfy gieng naefy ber ^eterSinfet, wo bie $erfe auf Ütouffeau getrieben

Würben, übernachtete in sJcibau, gieng oon ba nad) ©olotbura, unb oon ba

nad) 5larau; Wo td) oon ßfätiftt auf8 freunblicfyfte aufgenommen Würbe.

3n Slarau aß icfy mit einem granffurter Kaufmann, einem gebitbeten

Spanne, ju $lbenb. tiefer fyiett mid> für einen Sftieberfacfyfen, todl mein

SDialect burcfyau$ nidjtS batyerifcfyeS fyabz. 3d? fyaU mir meine 2lu§jpradfye

felbft unb immer nadj ben eigenen 3been gebilbet, bie idj Oom SBoljtftauge

ber beutfcfyen ©pracfye fyabe.

3n ©djutjnad), wofyitt idj mit Stoffe futn*, (ernte tefy SBeffenberg

fennen.

25. SuttttS. Sftrifr ©tc §ab3burg befud)t, bie ba3 ©ebicfyt:

„TOerttyümltdje ©effiljfe," veranlagte. §errlidje 2tu3ftd)t — ben atyett*

brangenben Sftigt nodnnatS oon ferne gefer)en.

Page 146: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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$on £aBSBurg meijl burdfy Söatbung nad) Äiggfetben. — £ag

®ebid)t:

„@§ Ijekn ftc^> bie ÄönigSfelber Stürme" je.

3n fbnigSfelben in bie §aB§Burgifcfye ©ruft.

£)er 2Beg Big 23aben ift unenbttd) fdjött. -Sit taufenb mäanbrifdfyen

Umtoegen fliegt bie £immat Bafb burä) SöeinBerge, Balb burdl) DBftgärten,

Balb burd) Bufö)ige SBätber. UeBerall £eBen unb 2öoI)tftanb.

UeBer 2öirento3 uitb §öngg nad) äürify — SDftt Balb er^aBenem,

Batb flauem Ufer fdringt ftcf> bie £immat, bie mir entgegen flog, burd)

ehte Btüfyenbe £anbfd)aft, uns Bilbet mancherlei unfein. 3)er ganje 2£eg

ift mit £)BftBäumen befefct, nüe üBerljaufct im Wargan. 2>ie I)errfid)ften

2lu8jtdt)ten auf ßüxi^ unb feine tieBticfyen UmgeBungen Bieten oon 3ett ju

3eit ftd) bar. 2lud) ^ter ernennt man baß alles eBene unb hügelige £anb

in ber @d)n>eis ein forttoäfyrenber ©arten fety.

26. 3utiu$. (£8 ift fyeute ein äftonat, feit id) ton 2ttünd)en aBretSte.

Deicht meiner förderlichen ©efunbfyeit allem, aud) meiner geiftigen mar

biefe 9?etfe gemogen. £>er freie Ablief ber frönen unb großen Sftatur

Bat atlmäfyttd) oiele fdfyiefe unb üBertrieBene -Sbeen oerbrängt, unb ben

.

reiuen ©eift immer mefyr jur einfachen ruhigen Vernunft aufgeklärt

31m 27. Outi bie fünfeeljn ©djiDetjerfhutben oon 3ürtd) naefy ©laruS,

baoon jtcölf §u guß. Sei ber freunbtid)ften Söttterung, jiemtidj fr%»erließ üfy bie ©tabt; ^erviidt) ftteg bie ©omte empor. 9cie machte id)

einen ferneren Spaziergang als biefe fünf ©tunben nad) SKapperStobi,

ba ein Breiter, lieblicher ^ußjtetg faft Beftänbig I)art am (Seeufer bafyin

flirrt. ©piegeteBen lag ba8 ©etoäffer; nur ein fanfter SBeftminb fyaud)te

üBer bie glutfy unb tbetyte mir Äfifyfung. 2ln einer lieblichen ©djattenftette

ließ iäj mid) nieber unb fd)rteB:

2111 ityr &am* unb glurengtftter

,

SSelc^e Sfteije, ^3an unb glora,

©ätet i&r mit empgen £änben

Um ben ©ee t?on £uricum.

2Meri|d)e, fanfte £ügel

£eben fä mit gelb unb Triften,

Unb mit 2)orf an 2)orf empor.

Dbflbepffotijte Söicfen fe$' id)

2JMt ben 9?ebenl)ügeln ired)feln;

2)cand)e gartenftolje SBitta

Sabet fu$ im ftitlen eee.

Page 147: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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216er über jene milben

£>b'l)en ragen floljre 33erge,

9?eiä) an Sälbern , reid? an SItyen.

Unb im £>intergrunbe geigen

@id) bie fä)neebebedten liefen:

Dfaibifdj fa)aut il?r ftarrer 2Binter

3n ben lacfyenb bunten Senj.

2116er rings umfaßt bie Sanbfd^aft

Sotfenfrei unb rein ber £immel,

Unb in feinen blauen 2letf>er

@enb' icfy meinen barmen 2)anf.

S5cn Ugnau, too e§ bunfelte, nalnn td> einen SBagen, um toeiter gu

fommen. ($$ toar eine abenteuerliche $afyrt, tüte id) im leisten char ä

banc burd) bie boppelte 9fotcf/t ber Serge unb beS §immet$ flog. (53 toar

fein Sflonbfdjein, aber ein §eer oon ©lernen taugte um bie bret breiten

©ipfel beg gigantifcr/en ©lärnifd), toie fte üon Bafels aus erfcr/einen.

Sin brei fingen erfennt man ftdj fogletcfy im Danton <&ä)to%: au

ber unerhörten ^Bettelet ber $inber, ben oielen (ÜTapetlen am 2£ege unb

ben frönen großen $ircf/eu in ben Dörfern.

2)urd) ^t^enjeU nacr; ©t. ©allen, üon bort nääj Sftorfdjad). §ier

fcfyrieb tdj:

1. Stuguft.

9^0^ bin i$ fyier im @d)ooß be3 freien 9$o\U je.

2. Sluguft.

(Scheue bie €egel, günftiger Sßinb!

2lm 5. Sluguft lieber in 9)fttncf/en angekommen. $tö£ltcf; ift alle

§etterfeit, alle frofye £aune ber 9?etfe§ett üerfd;tounben , unb baS frühere

* brücfenbe ©efüfyl über meine unerträgltdje £age toieber ba. 2Bie foü iidj

btefeö 2illtag8teben toieber ertrogen lernen? 2Bte foll icr; oergeffen ba§

tdj in ber ©cfytoeig toar? ©nem fangen fyerrticf/en Traume gletdj liegt

btefe gange D^etfe üor mir ba, unb ity bin toieber ertoacf/t; bie bunten

Silber üerfcr/totnben, icfy füfyle micf; in ber alten Debe. 5ene trüben,

melancfyolifcf/ett £age toerbeu gurüdfommen, bie btefe SBanberfdjaft oer=

brängte, bie micf; aus meinem gangen £eben fyeraugfyob, mtdj ben gangen

3toed meinet £)afer>n8 oööig oergeffen tie§, tu anbere Legionen, unter

anbere 2ftenfdjen mid) braute. So tourben in ben alten £agen beglüdte

(Sterbliche auf ben Dltymp an bie £afet ber ©ötter geführt, too fte alle

trbifdjen Sorgen in 9?ectar ertränften, aber toeun fte ber fyimmltfcfye 23ote

Page 148: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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toieber auf bte (Srbe jurücfVerfe^te, ba füllten fte ifyre ©ter&ftdjfett uueber,

unb mn fo brücfenber alle Reiben ber üÄenfd^eti.

8. 9Iugujt. 3d? Beginne meine ©titbten tm'eber, aber icfy füllte baß

fte miäf mdjt ausfüllen, baß mir bte $rari$ be$ £eben$ fetyft. $>a8

(Stubütm ift immer nur eine fyalbtfyätige SBtrffanifett.

£>ali'2lrmt, beffen ©tubium befonberS @efcbicbte toar, (ernte tdj

meljr unb me^r fcbäfcen.

51ber mein eignes ?eben erfdjeint mir flacb unb fcftal. £ectüre genügte

mir md)t; icfy hmnfcbte mtfyi gefeiligen Umgang, £eben in einer gamtfte,

Umgang mit grauen. 3d) $pffe für ben Sinter auf einen 2lufen%lt im

elterlichen §aufe. (SS ift fo angenehm, ftcf> tfyeiltoeife bon ber Arbeit

burefy ungejtüungene @efbräd)e $u erholen.

3cfy Ijabe nie bieß geftölmticbe £eben ertragen formen, ot)ne baß ict)

eS mit bt)antaftifc^en träumen burdjflodjt. 9Iuci) jefct toürbe ify jene

ibealtfdjen £äufdmngen lieber hervorrufen fönnen, aber bie Vernunft

folt enblict) oorroatten.

10. Sütguft -3fn ber Harmonie eine Sftenge ben Rettungen, jumal

titerarifet^e, gelefen. 3ct) fanb bidz £obe*erl)ebungen neuerer englifdjer

£)ict)ter, bie mid) fet)r anjogen, unb bebauerte nur baß bergleidjen nodj

ntct)t bis §u unS bringt. 3ene -3n|el, beren (BfyaffbeareS, 2)oungS unb

9Jct(tonS äße ÜJcufeniöt)ne beS feften £anbeS tx>ett hinter ftdj jurücflaffen,

jene -3nfel näl;rt noct) jefct große ^oeten — cbgleici) £orb'23tyron fte eben

oertaffen — roät;renb bie beutfdjen, fränfifcfyen unb italienifc^en -Seremiaben

fct)on lange cerftungen ftnb.

$ortroar)renb Umgang mit £über, <Sci)lid?tegrot(, £iebeSftnb, XaVC Sinnt.

13. STugufr. luf ber 2Bact)e lag ict) fticfyte'S Seftimmung beS 2ttenfci)em

-3dj bin unbefriedigt bon ber erften Hbtfyeitung, bie oon jenen 3u)eifeln

banbett reelle getoblmlict) fat ben Üftenfcfyen über it)r 2öefen unb baS

Söefen ber SBelt auffteigen, bie fcfyon £iebge unb mehrere anbere in 2öorte

gefaßt traben. 2tudj bie jtoeite 2lbtl)ettung, bie mit ber ber beutfcfyen

$fyilofobt)ie eigenen ®rünbficfyfeit ju bem Sftefultate fütyrt baß alles mtfer

SBtffen nichts feö unb bie garv$e 3Belt auS nichts Söirfliefern, fonbern auS

lauter leeren, roecfy'elnben, oorüberfd^toebenben Silbern befreie, gibt mir

nicfyt bie geringfte SBefriebigung ; beftc met)r bie britte. §ier ftnbe idj nur

fet^öne unb beru^igenbe 2Bal)rt)eiten, bie auf ber Untrüglic^feit ber innem

•Stimme, beS ©eroiffenS berufen, eS fagt mir ber SftacbweiS $u, baß ber

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(Staube ate ein ©efdjöpf unfreS freien SBiüenS baS §öcfyfte feto, ba ber

grübetnbe SBerftanb allein ju nicfyts füfyre. 2fttdb ber BetoeiS für ein

lünftigeS £eben ftoricfyt micfy an.

Die Doibifdje <peroibe „Penelope Ulyssi" in fünffüßigen gereimten

Gamben ins (gngtifdje überfe£t. 9Ktt bem Steint gieng tdj forgfäftiger

um als eS bie engü'fcfyen £)icfyter getoolmt ftnb, bie oft für baS 2(uge

reimen. ®a icfy ifyre £ugenben nidjt fceftfce, barf idj auefy t^re Keinen

©djtoädjen mdjt fyaben.

^otittfcfyeS (^eftoräcfy mit ^att'Wrmi, ©djücfytegroE unb £iebe$linb

über SSerfaffung. 3cf) unb ®aH'3Irmi maren für bie conftitutioneüe, bie

beiben anbern für bie unumfdbränlt monard;ifdfye. 2Bie tx>ett ift bie $rei=

fyeit noefy oon un8 fern , ba fetbft eb(e unb aufgegärte äftenfcfyen ftdj gegen

eine (Eonftitution erltären ! 3dj glaube bag für unfer 3eitatter nicfytS mebr

ju tyoffen fielet in £eutfcfy(anb.

18. 2fttguft. SBieHeidjt früher älß jebeS anbre fyiftorifdje 2ßer! traben

miefy bie Biographien *ßfatardj$ angezogen, unb immer bebauerte icfy, bag

e8 für bie cfyriftlicfyen Oa^unberte lein äfynlicfyeg 2öerl gebe. 3Me neueren

^futarcfye lommen bem griedjifdfyen @efdjid;tfcfyreiber auf leine 2öeife gteicfy,

unb ftnb meift gar nidjt in feiner Uxt gearbeitet, ba fte niemals jtoet groge

Männer oerfdfyiebener Nationen einanber gegenüberftetlen. ©cfyon (ange

trage icfy ben ©ebanlen in mir fyerum baS -Beben einiger berühmter Männer

aufzeichnen, ate bie einzige Arbeit ber icfy im gefdjtdjtßdjett gacfye noefy

einigermagen getoacfyfen h>äre. 9?un fyabe tdj befdjtoffen hnrlücfy an bie

Sfagfüfynmg einer foteben ©djrtft $u gelten; icfy toät>Ite bie Biographien

$eittrtdj8 IV. oon granlreicfy unb SBityetm III. oon (Sngtanb, at$ $tt>eier

9Kämter bie mid) immer befonberg anzogen. Beiber ©efdjicfyte f)at oiete

gegenfeitige Bedienungen, beibe beftiegen burdj ffiadjt ber SBaffen naefy

bieten innerüdjen gactionen jtoei ber berüfymteften £fyrone ber 2Be(t. —-Scfy unternehme biefe Arbeit nidjt allein um ifyrer felbft toiden, fonbe'rn

auefy um miefy an ettoaS BebeutenbeS §u toagen, unb an ettoaS jum

toenigften burdj gleig Berbienftticfyeg, unb baburd) auefy alle trüben Faunen

unb allen £eben$überbrug ju vertreiben, ben nur eine forttoä^renbe %n-

ftrengung ju überwiegen im ©taube feim möchte.

5lbbifon3 (£ato getefen. 3)tefe$ <Sttttf ift berühmter a(8 e8 ju

fetyn oerbient; e3 ift ein langwierige3 , gebefynteS ^ßrobuet, ol^ne toa^re

tl)eatratifd^e Sebenbigleit. Sßte Zutage ift gut, einige 9teben unb @en=

3ß Tat cnö ^agebud;. 9

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teilen beßgleicfyen, aber cö finb ber legten aü^uüiet, urtb meiftenS gan^

gen)öt)nlid)e ©prüdje, bie gar feine £iefe l)aben. — HbbifonS Oamben

(äffen ftct) mit benen t>on ©fyaffpeare, Giften, 2)oung nidfyt Dergleichen;

er t)äuft bie im (§nglifct)en olmebem ungetoölmlicfyen toeiblicfyen Ausgänge

\o fciet er fann, jnm großen 9?ac^t^>et£ be$ 2öot)lflang8 feiner 3)tcttort.

©fyeriban, einer ber beffern engtifd)en @d)rtftfteller , ift fcor turpem

geftorben.

£}en braten äftericanern , bie fid) fcon bem fpanifdfyen 3od) lo§mact)ten,

fdjetnt ba$ $riegSglücf nict)t günftig ju feim.

18. STuguft. £>ie £tyer Sancrebi gehört, bie toor^ügli^fte toetcfye bie

italienifcfye Zxuppt fyier gibt. 23or aßen entjücfte ©ignora 23alfot>ari burä)

ifyre melobifdjen ©übertöne als Wmenaibe. ^od) einen angenehmeren

(ginbruef machte bie (Stimme ber (Stgnora SBorgonbio auf micr), bie ben

£ancrebi gab.

20. 2luguft. Die §ätfte be3 geftrigen nnb bie §älfte be$ genügen

£age$ auf ber 2Bad)e am Sfartfycr. 3ct) befdjä'ftigte mid) mit ben

©djitter'fdjen Memoiren.

@raf <2paur com (£uiraffierregiment @arbe bu (&oxp§ toieber gefefyen,

ber fid) be3 Segens toegen auf meine 2Bact)tfrube flüchtete, (£r ift ein

artiger, junger äftenfd), beffen SBefanntfdfyaft id^ in ^ranfreid) machte.

2Bir fyaben uns feitbem nicfyt mer)r gegrüßt. 3d) bin nid)t jutoorfommenb

in biefer §infid)t.

21. 2luguft. Unter allen SftemoireS, bie iefe bi$t)er über ba$ ,3eit*

alter £ubtoigg XIV. gelefen, gefielen mir feine beffer als bie beS SftarquiS

be (a $are, t^reö ©d)arfblid'§ unb ityrer greimütfngfeit toegen, bie an

jenem §ofe eine (Seltenheit einte ©leiten tt>ar. £a $are toar Dfficier

unb $oet; bod) toürbe er, glaube icfy, aud) ein guter Diplomat geworben

fetyn. (£r faßt alles ton ber toafyren Seite, unb freut e$ in ein über*

^eugenbeS £id)t. 2ftit wenigen aber treffenben Söorten rügt er bie politifd)en

gefyter beö eitlen, untüiffenben unb befyotifd)en $önig$.

S3ei toeitem ausgebreiteter unb betaiÜirter finb bie Denftüürbigfeiten

be8 3)uc be ßt (Simon, ber £ubtoig XIY., feinen §of, aüe (£fyaraftere

unb -Sntriguen beSfetben, fotoie feine Unternehmungen bis auf bie fleinften

Umftanbe fcfyilbert. 5Iud) hd u)m ftnbet man eine ©ffenfyer^igfeit, n>etd)e

nid)t$ fcfyeut, unb eine Unparteilichkeit, toelcfye einen ausgezeichneten Sttann

oerfünbigt. (Setbft hd bem ftaatSftugen £racty flimmert ju fet)r ber

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granjofe unb ber SDttnifter £ubwig§ burtf». SDcan füfyft too^I baß ein

§ofmann, ber erft in ben legten Sabren Oon ShtbWtgS XIV. Regierung

ober nnter SubWtg XV. geboren wäre, nid)t mefyr fdn-eiBen könnte tüte

(St. «Simon. Subwig XIV. Ijat {eben freien 2tuffd)wung in £I)at nnb

2Bort jn fe^r niebergebrücft. £>ie ^reimütfyigfeit bie man Bei einigen

Männern jener 3«t trifft, toar nodj ein UeBerBIeiBfel ber Deformation

nnb ber $ronbe.

35iet Vergnügen nnb mannen Sluffdfytuß gewährten mir bie ^n^jitge

au$ ben Briefen oon äftabame 2)ud)effe b'DrfeanS, oormaliger $fa^gräfin

Bei Dfyein. (So toenig wafyrfyaft beutfd) ber <5tyl biefer £>ame ift (oBgleitfy

man fidfy aucfy baran gewöhnt), fo fefyr ift eS tfyr (Semütty nnb ber ©um.

Söafyre JWatfirftdjfett, oBgteid) fte ftetS oon 5Iffectation nmgeBen toar,

(Sdjarfftnn nnb SBerftanb, ein (SrBtfyeit ifyrer reformirten (Srjtefymtg, nnb

£ugenb(ieBe, toenn aucfy an bem oerborBenften §ofe, too bie unnatür=

tieften Safter gäng nnb ga'Be waren, fpredjen au§ aüen. greift nnb

offenherzig oerBreitet fte ftdj üBer aüe (greigniffe am §ofe, nnb überall

offenBart ficf> bie SieBe jn ifyrem alten S5aterfanbe, feinen «Sitten nnb

(SteBräudjen.

£en Dranien (2Öiff;eIm III.) einftweifen aufgegeben, etnmat, toeü

ber Söieberanfang be3 (SrercierenS mir oiele geu nimmt, bann weit bie

Deoifion ber großen SBtbttotljef5

fortbauerte, nnb biefe beßljalb oerfd)Ioffen

bleibt, enblid), weit tdj im §erbft #x meinen (Sttern gefyen will, too i(fy

olnte bie nötigen §ü(f3mittel bie Arbeit bod? liegen taffen müßte, <Sie

mag atfo Big .ju meiner Dücffefyr aus bem Urlaub, Anfang 1817, bleiben.

Anfang (September^. @efyaulofe £age! $ty lebe nur weil icfy

lebe; ity füfyte baß icfy ebematS ^um minbeften gtücfticfyer war, ba mein §er§

nocfy fo tfyö'ridfyt fetyn lonnte jene träume $u glauben welche bie ^fyantafie

fidt) erbaute. %>k SBiffenfdjaft genügt ntc^t allein, ba8 (Stubium ift

^öd^ftenö ein 3epfytyrtomb, ber !aum bie Dberpcfye beS SebenSoceanS in

unmerrTidje Stallungen regt. @S Bebarf be8 <Süb$ nnb be3 SftorbS, ü)n

aufjufRütteln au3 bem tiefften (Sntnb. SBare id) unglücflicfy, idj würbe

gtüdftdjer fetyn. 3n ber £J)ätigfett beftefyt baS Wafyre (Stfütf'be« 9ttenfcfyen.

3Benn er nur Bewegt ift, wenn er nur fampft, nnb fety eS mit ber

Verzweiflung. &tfta$ @roße$ ober Sftetjenbeö muß ilm anziehen.

1. «September auf ber 2öac^e waren Sucian unb <SoIbfmtt1)8 unfterb=

tiefer Vicar of Wakefield meine Seetüre. -3d) fa$ ben (enteren nicfyt

9*

Page 152: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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jum erftenmale, bod) gefiel er mir tote irgenb ein 23ud) baS man jum

erftenmale tie8t.

3d) ooüenbete biefer £age ein ©ebicbt in 20 achtteiligen Standen,

ba$ icfy „Erinnerungen an bie (SAtüetj" überfdjrieb, $efd?reibung ber

9caturfd)önfyeiten im allgemeinen oom SBobenfee bi3 jum ©ee oon 33ie(,

für £tytauber Benimmt, mit bem 9Qcottc aus ©reffet:

Sur ce melange de spectacles,

Mes regards volent sans obstacles,

Agreablement egares.

3)a3 ©an^e ift übrigeng eben fc toertfytoS al& alle meine früheren ^robucte.

£>ocen rennen gelernt,

©ebid^t; @prid?, n>ag ift betn 33tict fo trübe :c.

2)en §amtet aufführen fel)en. 9t"ebenftetn au3 SBerlin ftiette ben

§amtet. (£$ roar täcfyertid), als ber ©eift jum erftenmal orme angerebet

ju werben an ^oratio unb ben anbern oorbeigieng, bafj biefe fiäj geberbeten

als roenn ein ©eift erroa$ ganj at(täg(id)e3 roäre. 2Iudfy fommt e3 mir

fd^on im Stüde feltfam oor ba§ ber $önig gar nichts ton einem fo

merfroürbigen Cn:eigni§ erfährt, ba3 ftci) allnächtlich oor feinem Schlöffe

juträgt, nnb taS geioi§ oon met)r 3euBen Bewerft Sorben als auf §am(et3

(Scfyroert fcfyroören, Eben fo ba§ bie Königin ben ©eift nicbt ftet)t, ba

er boci) bem fandet nid)t allein, fonbern aud> bem ^oratio unb ben

2Bact/en flct)tbar toar.

^ebenftein bat feine oorjügltc^fte Starfe in ber SDcimif. ©eine

©ejticulationen ftnb au§brutf3ootl unb fnnreijjenb. «Seine ©eutticbfett in

ber ÜDeclamatton, ofme eine ftarfe «Stimme §u t)aben, ift berounbern3=

roürbig. $n ber erften Scene unb im erften SJconologe fpradfy aus SBort,

©eberben unb SDcienen bie tteffte grauer. Eben fo fefyr gefiel er mir hä

ber Anrufung beS ©eifte§ unb bem Monolog , ben er nad) bem ©efpräcbe

mit ü)m fyalt. Drccr) mel)r ^Beifall festen er mir faft in jenen (Scenen §u

oerbienen toc weniger Effect t)errfd?t, 3. (2. in benen mit (Moenftern,

benn Sftofenfranj roar toeggetaffen; in bem SJconotog: „Seim ober nidfyt

fetm," unb oor allem in ber Scene mit £)pr)etien, befonberö roo er gegen

bie ^el)(er ber Söeiber lo^og. ©leid) richtig unb roürbeooll beclamirte

er bie £el)ren, bie er ben Scfyaufmeiern gab. s2tuci) bie Scene als er

ben $önig betenb ftnbet, führte er treff(tct) buret). 3)ie barauf folgenbe

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ift ofynelu'n fo ^at^etifd^ , baß aucfy ein mittelmäßiger 5lcteur nidjt gan^

(c^tecftt barm fielen fann.

Sftebenftein fptette aud) in ber ©djutb. 9ttan entbecft immer neue

©cfyönfyeiten unb neue Mängel in biefem ©tütf. 2ßenu man tagt baß

ba$ $erbtenft begfetben bloß in ber ©cfyönfyeit ber £)iction tage, tfmt

man §rn. SJftillner getoiß fefyv Unrecht, üftacfy meiner ^tnfict)t ift bie

3)ictton nidjt einmal oollenbet, unb bebarf nod) fe^r ber geile. 5htittet*

oerSretme unb gereimte 5lbfä£e ber £rodjäen, too bie auSeinanber geirrten

2Borte unmittelbar jufammen gehören, ftnb nur att$u häufig.

2Iuf biefe 2lrt toirb ber 9?eim eüoa§ unerträgliches. £)a3 trodjäifcfye

2?erSmaß, ba$ olmebem feine männlichen Ausgänge fyaben foUte , butbet

burcfyau§ feine jtoei männlichen Meinte hinter ehtanber.

20. (September. -Sn biefen £agen einen ganzen Vormittag im engtifcfyen

(garten mit (trüber jugebrad)t, too mir jufammen ©oetlje'g £affo oon

Anfang hi$ 31t (Snbe burcfytafen.

21m 18. mit @a8 bie ^ömerfc^anje befugt, bie unmeit Dberfyacfying,

oiertfyatb ©tunben Oon 9Wünd)en, nadjft bem £)orfe 2)eißenfyofen liegt.

2öir Ratten 23'tnbfaben mitgenommen unb maßen fie au§ , inbem toir

unfere £)egen al$ ^flötfe gebrauchten.

2lm 19. ©eptember ben älteren 3acob3, ben :Jftebtcmer, fennen gelernt,

unb bie erften ©cenen be§ £rauerfpte(§, ber ^od^ettgaft, niebergef^rieben,

in Samben, ftatt ber anfangs vorgehabten £rocfyäen. 3)a3 ©anje ift ^ur

möglichen (gmfadjljett rebucirt; eS treten nur oicr fyanbelnbe ^erfonen

auf, in fünf bieten. £)ie $anblung ift oerfdjlungen genug um Ontereffe

ju fyaben, unb läßt mir sugteidj Sftaum meine £iebling3ibeen ^u- enttoitfetn.

Zubern wirb ba3 @ebid)t „Erinnerungen an bie (Scbtoet^" oorgelefen.

(Sg fyat feinen ooüen SBeifaH, unb er rätb eS bruefen ju taffen unb e3 anS

Sttorgenbtatt ju fetteten. 3)a8 gefebie^t. £über nannte bieg ©ebicfyt eÜoaS

gelungenes. Docfy toüßte icfy nicfyt, loie icfy ju bergtetcfyen fommen foUte^

Steine $eber müßte ptö£ttcfy eine ganj anbere gemorben feim.

26. September. ©3 toirb forttoäljrenb am £rauerfpiet gefcfyrieben.

Sftancfymal befduftige icfy midj einigen meiner früfyereu @ebid)te, bie mir

beS ^lufbetoafyrenS toertfy bünfen, bie mö'glicfyfte ^unbung unb 33ottftanbig=

tat in geben.

3. Dctober. gorüoäfyrenber lebhafter $erfefyr mit £über unb £)aü"

3lrmi. £über braute miefy avufy toieber $u SOZajor 33auer, beffen eben fo

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intereffante als tefyrreidje 23efanntfd)aft tdj erneuerte. 2ludj ÜKcffcrfc^mtb

fal) tdj toieber, ber in SanbStyut ftubtert, unb Bei gro§er 2lrmutf) aüjeit

froren 2)fottye3 ift.

©dmi^lein fam mieber nadj SDWhidjen.

$m 2. bat tdj um Urlaub nadj 5ln§badj.

6. Dctober. S)a man ba§ ©ebidjt nityt tnS 9)corgenbtatt einrücfte,

fc^rteb tdj an ben ^ebacteur, e$ jurücfjufRiefen unter ber 2tbreffe: „$art

©uftaofon." — Sfteme ©cfyriftftetlereitetfeit ift nun auf geraume gelt

lieber gebemütfyigt.

^rtSjüge im Sftorgenblatt aug Benjamin (£onftant8 Vornan „5ft>ofyfye"

gelefen. (£r oerrätfy eine tiefe $enntni§ beS menfdjltdjen ^erjenS, unb

ift retcf) an feinen unb ergreifenben 33emerfungen , bie nidjt bloß auf ber

Oberfläche be3 £eben§ fdfytoimmen.

-3m §amburgifd)en 28od)enblatt ftanb biefer £age ein fdjötte« englifdjeS

©ebidfyt: the Wanderer and the Angel ton 2C6bot, baS ÄnerS £ob

getoeifyt ift. 23egeiftert unb neibto3 ftefyt and) 2ltbion3 SJhtfe ben Lorbeer

um £etyer unb ©dnoert.

ganft, £affo, bie natürliche ütocfyter lieber gelefen. Wdfy ein @c^a^

oon SebenStoeiSbeit, 5D^en|d;enfenntnij] in biefen brei 2Berfen; in ben festeren

beiben toetdj eine ©ebiegenfyeit! @3 ift toafyr baß in alten ©djttfer'fdjen

Söerfen ba§ ©efüt)l öorljerrfdjt; bleibt benn aber in ben ©oettye'fdjen'baS

©efüfyt o|ue 9?afyrung ? üBtrb e§ titd^'t oielmefyr aufgeregt au§ aßen liefen

ber @eete? -3d; fudje aüe§ fyeroor, toaS mid) ehemals an ©dritter ent^üeft

fyatte, allein e3 fauu mid? itidjt mefyr oerbfenben gegen ©oettye'Ö SBerbienft.

$)te ^ippofrene, aus ber ©djitfer trän!, ift ein mitber, gefduoollener

(Strom mit flogen ^Bellen, ber fd?ä£ebelabene @<fytffe bem SSMtmeer

3ufül)rt. Qa$ SBaffer, au3 bem bie ©oetfye'fcfye SDfatfe fdjöpft, ift ein

reijenb umbufdjter 23a$, oon $ifcben fyietenb beoölfert, oon Vögeln

überflattert, beffen flare unb reine fttvctl) ben foftlicfyen ©otbfanb beS

©runbeS burcfyfdnmmern lägt.

©riefen ba3 fomifdje §etbengebid?t: Tour of the doctor Syntax

in search of the picturesque. £)er SBerfaffer l)at ftcfy nidjt genannt,

fyätte e$ aber tuljm timn bfirfen; eS ift mit tmbfcfyen (Earicaturen oon

Sftototanbfon gegiert, bie älter ftnb als ba3 SBud). (5$ fommt aber faum

in Sftedmuug, toaS ber £)id?ter bem 3eidnter fdmlbig tft; bie oieterlei

Abenteuer, ber (£f)arafter beS äußerlid) belacfyenSioertfyen aber äu§crft

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red)tfd)affenen, gutmütigen unb gelehrten £)octor§ ©rmtar, bem man

burd)au8 gut roerben muß, bie reine Sttorat, bie ba£ ©anje burd^jte^t

urtb ftd) oft tu l)errlid)en ©prüfen unb (Sentenzen äußert, enblid) nodj

eine überaus letzte unb liebtid)e SBerfification geben biefem @ebid)t große

SBorjüge.

(Sine -©ammlung oott £ucian3 ©cfyriften in ad)t SBänben, oon ^rofeffor

$lein überfe^t, füllte einige $eit meine Sftuße. £ucian tfi eben fo roenig

ein befotfterS auSge^etdmeter als ein geroör)nlid)er (Sct)rtftfreKer. SBtfc,

(Satire, 33erebfamfeit — bie er felbft oft genug an fid) rür)ntt —• ein

redt)tüct)er (Stfer gegen alle 23orurtt)eile unb gegen bie ©opfytftereien ber

pt)ilofopt)ifct)en ©ecten bejeidmen feinen (Sfyarafter. -3fn feinen „roafyrfyaftert

©efd)td)ten" entfaltet er eine reichhaltige $t)antafte. ©eine Söemerftmgen

über @efd)idjtfct)reibung enthalten für einen £efer be$ 19ten 3ar)rr)unbert3

feine neuen 5been met)r. ©eine erotgen «Spöttereien gegen bie gried)ifct)en

@otter formten fd)on $u feiner $eit roenig $üante$ traben, bei uns ftnb

fie »oHenbS ot)ne -3ntereffe, jenes aufgenommen, baß roir fefyen roie fet>r

fd)on bamatS bie l)eibnifct)e Religion in ber allgemeinen $ld)tung gefunden

roar. Luciano £obtengefprägen liegt eine fefyr geroölmlidje 3bee ju ©runbe,

baß man nämlid) bie irbifdjen (Mter mdjt mit t)inübernet)me. ©eine

(Sntlaroung frommer ^Betrügereien roar oerbienftTid). ©ein ©ttyl muß

urfprünglid) äußerft nah? unb gefällig feim. 2)ie ©pöttereien gegen bie

SBorfelmng ftnb aü^u feid)t. Wm meiften 50g mid) an roaS mir 2tuffd)utß

über ba$ Seben ber filtert gab.

$on ©fyaffyeare ben jroeiten unb brüten -Ü£t)ei( §einrid)$ VI. unb

Sftid)arb3 III. getefen. £>ie beiben elften r)aben roenig anbreS $erbienft

als bar] fie jum SBerftänbniß be$ brüten bienen. ©ie finb oon ©r)a¥fpeare

nur bearbeitet, unb mit meift pfonaftifd)en 3ufä£en bereichert. Unnütze

(Sm'foben, eine ermübenbe @e|d)roär^ig!feit Oerunjieren biefe beiben ©rüde.

9htr bie (£fjara¥terfd)ilberung ift aud) t)ier berounbernSroertt). ®er fromme

§einrict), ber red)tfd)affene §umpt)rer), ber efyrgeijige aber offene 2)orf,

ber oerftedte $ftd)arb roerben eroig bauernbe ©eftatten bleiben, bie ftdt)

jebem £efer als große Driginalbilber tief in bie ©eete »ragen, ©dualer

l)at ©t)a!fr;earen alles in feiner (£l;ara¥ter3eidntung p banrett, fo fel)r er

fid) in feinem Dialog über it)n ergebt, obgleid) feine früheren ^5tMt fid)

utd)t über ben ©fyaflpeare'fd^n ©d)roulft unb beffen 3agb auf bizarre unb

gigauteöle, aber meift einfeilige ©ebanfen ergeben formen.

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9ticbart III. ift ats eines" ber Stteiftertterfe Sbafi>eare's anerfannt.

9cicbt§ be^eicbnet reffen großen ©entus met)r als bie betounberstoürbige

-treue unt denfequen, — felbft in ir)ren -3ncenfeQuem5en — tie feine

(Xbaraftere beibehalten. 3n tiefer §inftcbt fdjeint es als roäre er ton

beiten (Seiten ton einer unüberfreiglicben SDcaner eingefcbteffen getreten,

Die irm abhielt oom 2£ege ter Dcatur m rteicben. £ie 9cemefis fcbroebt

mit breiten klügeln über tiefer Xragctie.

(Sinen reinen @enu§ rennen jetoeb tie Sbaffteare'fcben Stücfe niemals

gerräbren, roenn man an bte bor)e tftarbeit unt (Slegan$ Der Sitten yaxvid*

betritt, nnt eine 9lrt oon SMentung unt 9?untung oon ter Xragötie forbert.

Xen testen ©efang tes Orlando furioso $n Snbe getefen. Xaffo ift

roürtiger, feufdjer, majeftätifdjer als Slriofro, aber festerer if't tiebtieber,

tbantafrifeber. £er £)rtaute !ann niebt leicht ein ©an^es bitten n>ie tas

befreite ^erufatem; es ift eine Dteifye oon Slbenteuern, nnt ber 35erfaffer

ir eilte niebts anberes hervorbringen. 3ein ©egenftant ift ter ben er im

(Eingang bejetdjner, nnt bieg Oorgeftecfte 3iet erreicht er. Xemnacb fann

man niebts Goifcte nennen als 3. 6. tie (Srjäfyfang bes ©aftroirtfys ober

jene bes Scbiffmanns, roelcben man Seiten ten gemeinen (Eryfer anfielt

Skrö man Scbbnes nnt £ebensroürtiges oon Slriefte's ©idjtwtgen fagen

fann, legt Ooetbe im 'Xaffo tem Antonio in ten äftunfc. Ss möcfyte

aneb manebes Xotelnbe jn fagen feim. 2£ielants Cberen ift geroiffermarjen

Ücacbbilt beö Crtanto; er ift gteiebfam ein l)ercifcb=femifcbes ©ebiebt ; aber

2Bielant finft nie fo tief fyerob als mreeilen trieft; er gebraust -bei

ernftbaften (?r5ablungen niemals 2lustrücfe roie „trie £fta£en febtafen," ober

„aus ter ^fanne in tie bebten fallen."

Seine lasciten @emälte, tie jeteeb feinesroegs b)äufig fmc, f6aten

gleicbitcbl tem trieft, nnt terunftalten fein ©etiebt, allein es roar ber

@efcbmacf jener 3^it; nm fo met;r muß man ten garten £affo benmntem,

roelcber tie ernfte, reügiöfe öct)eit feinet Steffi oer jeber 2tmtantlung

ton ©emeinfyeit bertar)rt. Xie Zkhi ift beim Slriojt burebaus fmnticb

bebantelt. Xennocb ift er nntergleicb lieb in örjä^lnng ber Liebesabenteuer,

in klagen um terlerne ober terfcbmät)te Liebe, in 23efebreibung (ieblicr;

febartiger $(ä£e an Cueßeri ober glüffen, nnt feine $erfe erreichen babei

öftere einen SSetjlflang , ten man fieb niebt leiebt gefteigerter teufen fann.

Xennecb fint im allgemeinen Xaffo's Standen feuerer als bie bes 5lricft,

ter in einigen (befangen 9?eim nnt Versbau ternacbtäiftgt.

Page 157: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

137

Voltaire fagt in feinem Essai sur la poesie epique, bie italientfdje

©pracfye nelnne, trofc ifyrer 2Betd$ett, nnter Saffo'S £)änben einen kräftigen

(Sfyarafter an ; er tongte nicfyt ba§ bie itatienifcfye Spraye cm jtdj felbft

majeftätifcfyer als bie franjöftfcfye ift, unb fanm eines £affo bebarf, umu)x fraft abjuloden.

2lm 19, Dctober in 5In§bacfy angekommen, mit bem (Sntfcfytuffe fleißig

in jetyn unb befonberg ba3 ©riedn'fcfye §u ftubieren.

Wm 24. Dctober meinen §toanjtgften ©eburt§tag. Söenn id) tyter

meine liebften unb fülmften Söünfdje niebertegen barf, fo nenne icfy fie

:

einfügen £)icfyterrufym unb eine biptomatifcfye £aufbalnx.

2lber icfy toerbe nicfyt (Gelegenheit Kraben eine Unioerfität ju Befugen,

unb meine ©tubien ju oottenben; toenn aucfy einzelne meiner SSerfe oon

(Sm^elnen gelobt toerben mögen, nie toerben fie eine öffentliche Meinung

für ficfy gewinnen fönnen.

Söenn mir bie Bufunft nid)tS hmre, fönnte icfy micfy in biefem

Slugenbtide glütflid) greifen. 3d) fann fyier frol? unb aufrieben leben.

9?ur füfyle tcfy baß ba8 SBerfyältnig beS ertoacfyfenen <3oIme$ ju ben

(Sttern ntcfyt meljr jenes ^erjlic^e beS Ämbeä ift. 3cfy gebe micfy nocfy oiel

geringer a($ idj bin, toeit mir gegen bie (altern jebe 2lrt Oon (Srfyebung

fdjtoer fallt.

3)a3 gefeUfdjaftttdje £eben in ben Greifen benen i§ angehöre , ift mir

brücfenb unb unerträglich. Öö| füfyte toofyt ba§ ein großer Streit ber

©djulb fyieoon an mir felber liegt. 3$ toeig micfy gar rttdjt bei getoolmlicfyen

©efyrä'cfyen ju unterhatten, ioaS bocfy fo nötlng ift für jeben Sftamt, unb

befonbcrS für einen jungen 9ftenfd)en meinet «StanbeS aI8 Slbeliger unb

Dfficier. Sfcur meinen greunben unb genauen SBefaroiten fann icfy ettoaS

im @efprad)e fetm, unb ity fyabe bodj fo manches getefen, unb über

fo mancfyeS nacfygebadjt, aber ntcfyts ift mir toeniger eigen als biefer

flüchtige SBedjfel unb leidste Uebergang oon einem ©egenftanbe ber Unter*

Gattung jum anbern. 2öa3 mtd) anjie^t, möchte i<fy gerne lange feftfyatten

unb oon allen «Seiten betrauten, unb tt>a8 micfy gleichgültig lägt, möchte id)

gar nid)t berührt ioiffen. (Sin folcfyer äftenfd} taugt nid)t für bie @efeü=

fcfyaft. 2öa$ fyälfe e$ aber aucfy , toenn i<§ mid) beftrebte ein ^tauberer $u

toerben? Sä) toürbe ooüenbö ben 2öert^ oerlieren, ben man mir beilegt,

olme e§ ioeit in ber fünft ber (£onfcerfation ju bringen. UebrigenS mochte

eö Ijinge^en, tt)enn mir nur biefe fehlte, aber id) ^abc noc^ nic^t teidt

Page 158: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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einen 9ftenfd)en gefeiten ber in ber $unft beS Umgangs — bie nötln'gfte

nnter allen — burdj alle SBerljältniffe fyinburcfy fo tief pxxüd wäre als icl).

^fticfyt einmal mit allen meinen ^reunben weiß icfy umjugeljien. SBerat icfy

ilmen fdjreibe , oerfäume icfy feinem baS $affenbe ju fagen , warum gefcfyiefyt

bieg ntcfyt aucfy im Umgange? Seetüre fdjeint Riebet wenig ju frommen;

nicfyt baS £niggifd)e 33udj allein, audj anbere lefe unb laS icfy barüber,

aber ^iemüd^ erfolglos.

tiefer Sttifjmutl? tßit miefy nidjt ab meiner ©ebicfyte §u gebenden;

id) Beginne eine Sfteoifion berfetben, unb neunte mir oor oiele mit ber 3eit

gan^ ju oertitgen , unb hei ben übriggebliebenen bte ftrengfte $et(e anzulegen,

fo ba§ einige ifyrer Oorigen ©eftalt nadj faum mefyr erfennbar fetyn werben,

bereits l)abe icfy oiele ^erfür^ungen eintreten laffen.

£)ie eifrigfte Seetüre wirb fortgefe£t. -3dj lefe o. 2>obenecfS SSucf)

über beS bentfe^en 9)cittetalterS $ollSglauben unb §eroenfagen, baS 3ean

$aul nad) beS SSerfafferS Stöbe mit einer 33orrebe fyerauSgegeben. 3<fy

ftnbe ba§ auS bem ©an^en , obgleid) eS faft nur auS (Kompilationen befielt,

bennoefy mefyr ©eift fpridjt als auS älmlicfyen SBerfucfyen Oon iBüfdung.

Reflexions sur le suieide, par Madame de Stael. 2)er Söertfy

biefeS SöucfyeS fcfyeint mir nicht fo faft in ber Anlage beS ©anjen ju liegen,

als oietmefyr in oieleu trefflichen ©ebanfen, bte ber SBerfafferin fo eigen

ftnb, unb in einem ©ttyte ber feines ©leiten fud)t.

Unter ^aftnerS Epigrammen ftnb oiele fefyr gut, unb infofern über bie

§augifcfye ©ewölmlicfyfeit ergaben als fte immer einen wirftidjen ©egenftanb

jur (Scheibe Ratten, aber oiele, Oon benen bie SBeranlaffung oeraltet ober

nicfyt mefyr flarift, anbere, bie nur platte <3pä§e enthielten, fyätten füglicfy

ungebrueft bleiben foüen.

@S fommt mir ber ©ebanfe eine ©cfyrift über bie epifcfye $oefte unb

bie eptfcfyen £)icfyter aller Nationen gu fcfyreibeu. -Scfy wünfcfyte in berfelben

Voltaire ju wiberlegen, unb grünblidjer unb umfangreicher als biefer ju

fetm, unb Voltaire felbft, bann ©(ober, Strioft, bie SLttefftabe, bie Wbt*

lungen unb ben £)beron beizufügen. 21ber \ti) mu§ baju baS ©riecfyifcfye

oodenbS, bann (Spanifdj unb ^ortugieftfefy lernen.

äfteine ©ebanfen über bie ^reunbfdjaft fyatte id) anfangs Oor in ein

bibaftifc^eS ©ebicfyt ju fäffen, aber icfy füllte baß icfy ju Wenig $ope wäre,

um in Werfen alles fagen ju fonnen was man in 'ißrofa fagt. ^ebenfalls

Page 159: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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mtü idj ntdfjt e^er barem ge^en ate Bis tdfy alle ausgezeichneten ©djriften

über biefen ©egenftanb getefen unb »erbaut tya&e.

11. SftooemBer bie 33efanntfcfyaft beS $rmjcn £ariS gemalt, ber

bamatS £)Berft beS in JmSBadfy tiegenben Q^eoaulegerSregtmentS mar,

bann beS ©eneratcommiffärS ^reifyerrn o. Serdjenfelb, be$ DnfelS oon

©ruber unb meinet 23etter$, beS ©rafen fünfter.

9ttein 2Bunfdj mir bie (Srforberntffe ber ©efefltgfeit anzueignen

madfjte mir $ar( tfttcotat'S 23ucfy: „über ©el&ftftmbe, 9J?enfdf)enfenntni§ unb

ben Umgang mit Sfteitfdjen," unb $ocfel3, über ©efeÜfdfjaft, ©efeEigfeit

unb Umgang anjie'fyenb. £)en erften allgemeinen £fyei( beS ^icotai'fd&en

SöudfyeS ftnbe idfj fcoü trefflicher Regeln unb 33emerfungen Bis in bie Iteinften

£)inge fyeraB; ^ßocfetS Befyanbett feinen «Stoff tttvaS pfyifofopfyifdfyer , bodfy

Bei Weitem nidjt fo praftifdj unb gebrungen. 23eibe SBerfaffer geftefyen

übrigens bie (angmeiüge SlBgefdunacftfyeit ber mafytlofen gemöfyntidjen @Me{

unb ©pietgefeEfdfyaften ju.

$on 2)id)tem entjücfte midj in biefer $eit ;ßroper$. Söenn e#, um

©oetfye'S 'SBorte ju gebrauten, SSerBredjen ift oon ^ßroperj Begeiftert ju

ioerben, fo unterliege auet) ict) biefer ©djulb. 3<fy fyaBe Big jefet baS erfte

Söucfy feiner fyimmtifcfyen (Stegien burdjlefen, unb nie I;at ein römifdfyer

£>idfyter fo tiefen ©nbruef auf mid) gemacht. -3dj Betounbre feine einfache

©röfje, bie unbergtetdjttdje SteMtdjfett feiner ©ebanfen, unb bie gtücfticfye

"parmonie feiner SBerfe. £)a§ man oft auf fo unjufammen^ängenbe -Sbeen

ftö§t, mag tfyeitS bafyer lommen ba§ mandfyeS feiner £)iftidfjen oerloren gieng,

tfyeilS bon ^acBtäfftgfeit ber 2tBfcfyreiBer ; o. JftteBet, ein ^reunb meinet

33aterS, fyat eine %bß'mcä)l in fefyr richtigen 3)tfUd)en üBerfe£t. SIBer icfy

jtociflc, oB bieg bie redete 5Xrt fefy ben ^roper^ ju üBerfe^en. Unfer

§erameter mag toofjt bk $raft beS fetemtfdjen erreichen fönnen , aber eine

metobifdfye SBirlung toirb er nidjt leidbt fyerüorBrmgen. -Scfy fyaBe »erfud^t

ein paar Plegien in reimlofe -3amBen $u üBertragen, ein 23erSma§ morin

ftcfy unfre (Sprache ganz frei Bemegt, unb baS ifyr böüig ansagt. 2lBer

aud) bie -SamBen giengen mir ntdjt. 95tettetd»t mären fünffüßige £rocfyäen

mit meiBIidj'en Ausgängen angemeffen, in meiere ©oetfye einige 9?adb=

afymungeu beS $roperj fteibete. $KBer auc^ ^ier mürben jtoei 5Serfe immer

^u auffatlenb ein ©anjeS miteinanber au^mad^en, unb ju ioenig mit ben

folgenben jufammen^ängen ; ein ^el;Ier ber im ©id^ter felBft liegt, aBer

Bei '2)ifticfyen meniger Bemer!Bar ift. yjlan fomntt am (Snbe ju bem

Page 160: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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SKefuItctte, baß alle Ueberfe^ungen immer nur ^fygmäen im SBergteidj

mit ifyren großen Originalen Bleiben.

£>ebipe oon Voltaire ift meifterfyaft oerfificirt, unb oiet genauer au&

gearbeitet als anbere fetner fpäteren £rauerfpie(e. 2)aß er ben ^Sfjttoftet

oertiebt machte, fyai er, ioie er fetbft fagt, ben franjofifc^en (Sdfyaufyietern

ju ©efallen tlmn muffen; bie ©eignem^ unb 2fte3bame3 nehmen ficfy

freiließ in fo alter 3eit poffierticfy au3 n>ie bie cour unb bie courtisans be3

£)ebitm§. 3>ie beiben (£fyöre finb ganj unnü£ unb oerfefytt. £>aß biefeS

£rauerfyiet bom größten (Effect auf ber 23ülme toar, läßt ftcb oermutfyen.

2ln fo große (Srfcfyülterungen ioaren bie granjofen oorfyer ntd)t getoobnt.

3)ie (Sntbetfung oon £>ebipu3 toafyrem ©tanbe ift meifterfyaft herbeigeführt,

toir 3)eutjcfyen fyaben tt>r nur in DftüttnerS @duüb eine älmticfye entgegen

ju fe£en. S)er äftonotog be§ Oebi^uS naefy ber Sntbedung befriebigt miefy

bei Weitem nicfyt.

@o getoinnt man jule^t eine Sftetfye oon anfangen olme ein einziges

(Enbe, unb rote nieberfcfytagenb ift bieg für ben 93?enfd>en! üftur ioenige

$ugertoäl)tte fe£en tfjre 3toecfe burefy, nur ioenige 5lu3ertoäfy(te finb ju

einer glän^enben, tfyatenreicfyen Saufbalm berufen, unb fn'nterlaffen ifyreu

gefeierten tarnen ber Sftacfytoett.

©8 ift ntdji gerabe baS (entere toa3 icfy toünfcfye; tonnte id) nur mefyr

§anb(ung auf bie SBütyne meinet £eben§ bringen, fönnte icfy miefy nur

unter einen Raufen bebeutenber äftenfcfyen mifcfyeu, bie mid) in ityre Greife

be3 3)enfen3 unb 2Birfen3 oernücMten, um meine Gräfte ju oerfucfyen

unb burd; 5lnftrengung ju ftafylen. $olIenb§ in ber 3ugenb ift bieß

einförmige TO;afpeln ber £age unerträgttd?. — Unb bod) barf i(fy oiefleicfyt

faum hierüber Hagen. (£§ mag junge £eute geben bie, in gleiten -Sauren

unb mit bemfetben orange, faum mefyr a(§ bie Stürme ifyrer SBaterftabt

gefefyen unb faum Hoffnung fyaben fidj auS t|ren engen (£irfe(n fyerau3=

jubeioegen.

Delphine, par Madame de Stael.

24. 9?oOember. Unter meinen ^reunben erfennt ©ruber am ent*

fcfytebenften mein 2)id;terta(ent an, ofme meine SBerjagtfyeit bedingen ju

fonnen, bie erfinberifcb ift ftcf> eben auf biefem $unft fetbft ju quälen,

©ruber betrügt ficf> mir $u ^te6e fetbft über ben Sßertfy meiner £)id)tungen,

ober eS ift eine 2lrt (&tcl$ babei, bie ifm glauben madjt fein greunb fönne

fein fcfytecfyter £)icfyter feim. (£3 nxtre niemanb gü'tcfticfyer als idj ttenn

Page 161: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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er $lt<fyt fyättt, allem tcfy berfyüre nichts in mir totö eine befonbere <3abt

ber üftatur üerrietlje. £ange Hebung in 23er3 unb Reim fcon ^inbtyeit

auf, unb bie ®eWolwt)eit ben fingen ifyre poetifcfyen (Seiten ab^ufefyen,

matten nod) feinen ^ßoeten. £)er @etji ift willig, aber bie Sfraft gering.

25. Dfobember. 3dj arbeite wieber am „§od^eitgaft.'' £)er erfte

Wct ift bis auf mebrere (Eorrecturen , belebte 2Tu3feitung ber -Jamben

Betreffen, twEenbet.

Qfy fitste wie fefyr meine SBilbung ofyne 9Dftttfyetfung meiner 3been

an anbere jurücfbleiben nrng. 2)oung3 2öorte finb nur att^uwabr:

Teaching we learn, and giving we retain

The births of intellects , when dumb , forgot.

£*ie Marianne ron Voltaire gehört unter bie äftaffe ber gewöhnlichen

fran^öfifcfyen Trauer fyiele. (Sin fyerrfdjfüdfytiger §a§, eine jarte, giemlid?

fabe Siebfdfyaft, eine blinbe (Siferfucfyt finb bie £riebfebern biefer §anblwtg.

Marianne flögt gar fein, §erobe3 fefyr wenig Sntereffe ein. £)er ©cfylug

ift befonberS »erunglücft.

2öa8 mir bie 23üd)er geben, unb waS in mir fetbft ift, ift aucfy jefct

baS einzige wa$ icfy geniege.

De Tesprit de conquete et de Fusurpation dans leurs rapports

avec la civilisation europeenne, par Benjamin de Constant Rebecque.

2)te Sät für biefe (Schrift ift Vorbei; ringS umfyer nur Rumäne

Regierungen erblicfenb, ift man ^temtiä) gleichgültig gegen jene beiben

®etgeln geworben.

Qty befcfyäftige micfy wieber mit ©ante , bon bem idj eine flehte 2tu3=

gäbe fcon 1571 in einem SBanbcfyen gefauft fyabe; aud) eine äugerft bequeme

jDuobe3auögabe fcom Pastor fido fyahe icfy angefcfyafft, Worin nod) alle

anberen ®ebid)te ©uarini'S, feine Rime, angehängt finb. — 3)ag icfy ju

totcl in ben 23üd)ern lebe, füftle icfy Wol)l; wag fann man aber aud) beffereg

ttjun oljine greunbe gur SBmterSjett?

(Soetfye'S „-Stalienifcfye Reife," erfter SBanb (m'erter fcon: „%u$ meinem

Seben"). ©er <§tyi, über alle 23efcfyreibung tiebenSWürbig unb lunreigenb,

erinnert burdj feine ©nfadjtyett an bie älteren unb fdjöneren 3^^en bt%

grogen 3)id)ter3, ba er nod) nidjt bie (Spuren ber Iteberfünftetung trug.

SD^an mug ®oetfyen burcbaug fcfyä£en unb liebgewinnen wenn man bieg

23ucty liegt, welche (Smpfmbung bie früheren Steile nicfyt in mir rege

matten. 9ttan bemerft Wellen SBor^ug bie allmäfytick ©elbftbiegrapbie

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ebteS £ageBud)S fcor einer in ftäteren -Sauren auS falten Erinnerungen

^ufammengefcfyrieBenen f)at. £>a§ SBucfy ift feine ^KeifeBefcfyreiBung, oietmefyr

eine 23efd)reiBung ton ben (Sinbriicfen ber £)inge auf ben S3erfaffer. $on

feinen Sßerfen faßt nur bie -3^igenie bollftänbig in biefe ^ßeriobe. (Sr

fprtd^t fcon ü)r mit einer fcfyeinBaren ^ac^läffigfeit. Unter bem reinen

§immel -Stauen« fonnte freiließ ein fold^eö 2Berf gebeu)en. ©oetfye'S

Äenntntffe in ber ^aturtoiffenfd;aft fyaBen midj bid mefyr atö feine fötnft*

fennerfdjaft angezogen. (Sr Bel)anbeft atteS fo leidet unb boefy fo tief; er

ift toafyrfyaft ein großer originaler ®eniuS , ber nur mit fldj felBft oerglidjen

toerben fann.

3. 2)ecemBer. (Bdjon mein 2Iufenthalt in ber (Scfymei^, unb nun

neuerbmgS ©oetfye'S ©djrift fyat mir eine leBfyafte ©elmfudjt naefy bem

©tubium ber 23otanif erregt SoBalb id) nad) SJiünc^en ^urücffefyre,

fyoffe id) e8 anzufangen. 2öie fonnte man grä^Itng unb (Sommer ferner

juoringen? SiBer anbere, mefjr not^toenbige (gtubien ratzen mir ioieber

baoon aB. £>a§ ©ried)ifd)e totrb nod) manefte &txt bon mir forbern.

©panifdj unb ^ortugiefifd) toären enbficfy nötfyig erlernt $u toerben, um

mtcfy ni(f>t meljr mit Sprachen quälen ju muffen, unb bie Suftabe ju Icfen.

3>ie Sftatfyematif toieber Oorjunefymen toäre nidjt toeniger (Srforberniß

;

taufenb ÜDinge finb un3 unoerftanblid) olme fte. 2lBer barf tdj bie ©tattfttf

oergeffen, barf bie §iftorie jurücfBleiben ? 2£ie biele ©egenflanbe, bie

man oerftetyen, erlernen fofl?

UeBer bie SöeiBer oon 23ranbe3, 1788, gelefen, mit ^Billigung.

6. £>ecemBer. *ßlan einer neuen 23earBeituug beS (£onrabino; bie

£ieBe gan^ au§ bem ©piefe §u (äffen, unb ber gfreunbfdjaft eine größere

©teile $a geBen. — 3<fy barf bie £ieBe au§ bem (Eonrabin ausfließen,

ba fte im „§od^ettgaft" eine fo auSfcfyließlidje SftoHe fptelt.

„53eftimmung beS -ättenftfyen," oon (Spalbtng, ein fcfyöneg tröftlidjeS

23ud) ooft reiner, toenn auefy foldjer 9ftorat ioie fte getoöfynlidj im §erjen

aller nad) ©utem (StreBenben fid) Bilbet.

7. 2)ecemBer. -ftacfy langer £txt toieber einen S3rief oon ®raf £obron

au8 ©al^Burg — mit freubiger $erlounberung.

11. £>ecemBer angefangen ben §omer im Original ju lefen. £ro|

ber SBofjtfdjen HeBerfe^ung gef)t eS gleicfytool)! nodj giemlic^ langfam ; boc^

oerliert ftc^ ba§ hoffentlich mit ber ,3eit. $fy fd^reiBe auc^ SBofaBeln

nieber, Befonber« bie jonifc^en unb fclteuen formen, toag ic^ für fe^r

Page 163: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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nü£tid) fyafte. 2)ie ©rammatt! , fdjon einmal burcfyftubiert , lege t$ jebod)

nod^ feineSmegS Bei (Seite. 3d? mug midfy in Beftänbiger lebhafter

SBefdjäftigung erhalten , roenn icfy nidfyt in Träumereien »erftnfen fotf.

SöefonberS ftnb mir in biefer §inftcfyt bie Spaziergänge, bie idj tägüd)

oornefyme, mefyr fdjäbtidj als nüfcfidfy.

13. S)ecemBer. §in unb lieber ergreift mtdj ber SJtffjmutij. -3^

Bebenfe bie §inbemiffe bie ber SBtlbung, ber SDftttljeilung, ben (Stubien

be$ StreBenben entgegen ftefyen, td) Bin »erfudfyt bie Sfteidfyen ju Beneiben

bie oft tiefe §inbemiffe mit §ütfe be3 @etbe3 fo teicftt üBertoinben; bie

nidjt nötfyig fyaBen ba§ (Sffaoenjod) eines nidfyt für fie gehörigen (StanbeS

fxd) aufzulegen, auöfd^üeßttd^ ber greunbfdjaft , ben 2£iffenfdjaften, ber

fünft (eBen fönnen, burd) Reifen ityre Söitbung oerooüfommnen, bie fdfyöne

•3afyreSzeit immer im ©cfyooge einer frönen 9?atur zuBringen.

£)ennodj, toenn idj meine gegenwärtige £age Bebende, mug idj gefielen

bag td| einförmig, aBer gtütfüdj teBe; bag ber Umgang mit meinen (Sttern,

bie 33equem(id;feit im oäterttdjen §aufe, bie tikk 2ftuge, bie £ectüre

mir eine angenehme (Sriftenz oerfdjafft.

23efonber3 erfreut mtdj §omer. SSMdfy eine fraft, toeld) einen fyofyen

SBofylffang fyat bie griecfyifdje @prad)e , unb oietfeicfyt BefonberS ber jonifd)e

$)ialeft! 2öer glauBt nicfyt- am Ufer beS SDceereS mit bem (Sfyfyfeä ju

fielen unb e$ toBen zu fyören, toenn e8 -fyeigt:

Btj d'uxtwv riaQit &ivct nokvipkoicßoio rtak'iCGtjg.

2öer oernimmt nicfyt ben @d)all ber ©efdjoffe auf ber <Sd)ulter be3 $x*

nenben Sfyott Bei bem SBerS:

'Ey.lay\av d* uq* oiaioi in dofiiav xatoptvoio?

SBewi idj einigen SBertfy fyaBe fo ift eS baS 33eftreBen nad) £ugenb,

aBer bieg reicfyt nidjt ^m um ju teBen.

La poesie dramatique, par Diderot. Le pere de famille, comedie,

par le meme. Le fils nature], du meme.

£)iberot toar einer ber oorzügtidfyften unter ben franzÖftfcfyen ©djrtft*

fteflern, bie eüoaS gegen bie UnfefylBarfeit ber bramaturgifdjen Regeln ifyrer

SanbSleute ju fagen toagten. ©ner feiner Qaupttfotdt baBei toar bie

ernftfyafte fcmöbie unb baS Bürgerliche £rauerfpie(, Welche (Gattungen er

felBft BearBeitete, einzuführen. (£r Befyanbelt ba8 Stljeater burdfyauS ai$ eine

moraftfcfye 5lnfta(t. (Sr n>iü bie ^ran^ofen an eine grögere (Srfd^ütterung

gen>öf)nen, unb ben £)icfyter, ben grögtmögüc^en Effect ^erOorjuBringen.

Page 164: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

144

2öir tootten feine 2öorte, fagt er, toir toollen (Sinbrücfe. 3)e§toegen fyält er

außerorbenttiefy biel auf bie Pantomime , unb tjat fie in [einen (Stütfen genau

angegeben. £)te ©cfyaufbieler fetten moralifdje @rubben unb 5Ittitüben tote

ein SDfoter fetbft hervorbringen. (Sr erfrort ftcf> gegen alle £fyeaterftreid)e,

unb fo auefy gegen ben (Eontraft. ©cetfye'S £affo toürbe atfo feinen S3etfatC

nidjt ermatten fyaben, audj fdjon barum toeil er feine £ableaur bilbet, toie

eS 2)iberot nennt. Uebrigen§ forbert er oont £rauerfbiet bie größtmögliche

(5mfadrett. @egen ben 2lteranbriner erflärt er ftdj niemals offen, obgleich

man ftetyt baß er ifym nicfyt geneigt ift, er toill üftatur. Sftan finbet biel

gute ^Bemerkungen , obtoo^t ify ifym nid)t in allen dlefyt geben fann. $on

©Ijaffbeare fbridjt er toenig; er fyätt ilm für einen SJcenfcfyen olme ©efdmtacf.

2Ba8 feine ©täcfe betrifft, fo fonnte man ilmben fran^öfifcfyen $o£ebue

nennen, toenn er nidfyt mein* ©enie, mefyr SJcenfdjenfenntnifj, mefyr fjletjj

gehabt tyattt. Offenbar almtte ilm $o£ebue naefy. $Iudj in ben @c^au=

fanden Liberot8 gibt e$ etete §anbtung unb toenig Söorte, aber biefe

toenigen SBorte fagen aHe3, unb fagen immer gerabe baS toa$ in bie

gegentoärtige £age ber @bred)enben »oft. £)er „§au§bater" ift ein ^errttc^eö

(Stücf, in mefyr ernftem <Sü*le ift „ber natürliche ©ofytt" getrieben, oott

ebter, lieben§toürbtger (Efyaraftere.

„SBerfucfye über mehrere @egenftänbe au§ ber Sftoral, ber Literatur

unb bem gefeflfcfyafttidjen £eben," oon (Efyriftian ©arbe.

(Sin bortrefflidjeS 23udj, ba$ jeber £>eutfdje getefen fyaben feilte; ftar

unb erfcfyöbfenb, mit einer betounbernstoürbigen f^etn^ett unb WClfettigfeit.

28ie biet mel;r 9^u^en unb Vergnügen getoäfyren biefe allgemein ber-

ftänbticfyen $fyitofobf)en atö jene bloß fbecutatiben febfe ! 23efonber8 fyaben

miefy ber Sfaffafc über bie £unft ju benfen, unb bie jtoei SBänbe über

©efettfdjaft unb (Sinfamfeit analogen!

25. 3)ecember. pßf|ßc^ befällt midj bie ©efynfucfyt naefy toerifa.

3)te bereinigten (Staaten finb toofyt noefy ba3 einige £anb too man fid*

audj mit geringen latenten eine erträgliche Sriftenj oerfcfyaffen fann. 3n

meinem SBatertanbe fyabe ic^ ntcfytS $u ertoarten, mejnjSianb, ben idj

ntd>t abfRütteln fann, toiberftefyt mir. Qfy jiefye bor ©bradmteifter in

931>Üabetbf)ia $u toerben. 3d? möchte fo gern mein ©lüdf mir felbft bauen.

Page 165: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

145

1817.

1, 3anuar. 3m £cmfe biefeS 3at)xz% mug e3 ftdj etttfReiben oB i$

poetifd)e3 Talent I)aBc, ober nid)t.

4. -Öanuar. (Sin ®ebid)t in £)iftid)en gefd)rieBen, „Stmertfa/' in bent

idj meinen $(an mit feinen (Srünben niebergetegt, tote tdji benn gern gteidj

jebe 3bee, bie in mir auffteigt nnb bie midj Befdjäftigt, oon ber poetifd^en

<&dti auffaffe.

6. 3anuar. (SräbettS nenefteS SBerf gelefen. „2)er Sftenfd;, eine

Unterfudmng für geBitbete £efer," 1815. — £)ieß SBucfy l)at mir t>tete

neue 3been unb $frtftdjten gegeben, unb miä) jugteidj in meinen Bisherigen

Meinungen üBer ®ott unb bie 2öelt Befeftigt. — (SS fdjetnt mir ein groger

®eift üBer ben neueften beutfcfyen @d;riften, bie fidj mit $fyi(ofo$)ie unb

äftorat Befcfyäftigen, ju fd)toeBen, eine fyofye 5frtfffärung, ioetcfye bie ©rängen

ber Vernunft nie üBerfcfyreitet, bie ben ($fauBen ju fd^ä^en ioeig ofyne fidj

bem einreigenben 9)tyftici3mug unb einem ber 3eit fo toenig angemeffenen

dtM|>rung in ben $au)oliciSmu3 Jun^ugeBen, eine 2lufffärung toetcfye bie

reine Wloxat ber £efyre (£fyrifti erfennt, aBer fie immer mefyr oon allen

SBorurtfyeiten, allen SfteBenbingen $u reinigen fucfyt. 2)ie 3^it fd)eint mir

einer feiten Deformation entgegen ju reifen. Unfere (SnM toerben nocfy

(£fyriften fer>rt, aBer oon anberer 2frt aU toir.

Sine SBermefyrung meiner (Erfahrungen im Deiche ber $oefie geBen

mir bie epitre au malheur par M. de Stael, meiere id) unBebeutenb

finbe , le lac Leman par Mr. B., ba8 tdj toeit unter ba8 9Qtfattf)iffon'[d)e

üBer ben gleiten ©egenftanb fe£e. £)er SBerfaffer fpridjt Beftänbig oon

SMancfyotie, aBer e8 finbet ftd) leine in ben ©ebtcfyten. Ruth, eclogue

par Florian — einfad) unb üBer bem Sftttteünägigen, aBer ba3 §öd;fte

fann Florian nid)t erreichen. Alexanders Feast by Dryden — bie

$oefte ift nidjt erfyaBen, allein bie muftfaftfdje SBirrung, bie bieg ©ebicfyt

fcfyon Beim Btogen £efen fyeroorBringt, ift augerorbenttiefy. £)ie ©teilen

too Sfreranber -Öupiter ju fetm, too er im ©etft alle feine @d)tad)ten

toieber burd^ufämpfen gtauBt, enbüdj bie too StimotfyeuS oon bem ©djttffal

beS 3)ariuS fingt, finb in jener §inftdjt oietteicfyt ofme ©leiten. Gray's

Elegy in a country-church-yard. SBiefleicfyt fyat unter ben 3)id)tern,

^Intens £agebucfy. 10

Page 166: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

146

auger ($raty, nur ?)oung getougt eine fo groge flutte oon Silbern in

einen engen Sftaum %u orangen.

äftan fyat @rati ben ju Ijäußgen ©e&raudj matenber SBeitoörter bor*

getoorfen, gegen toeldfyen ®olbfmitfy im S5tcar eifert. 2IBer §omer geigt

bag biefer ©eBraudfj fid^ mit einfacher @rö'ge »erträgt. 2)urd) ba$ gange

®ebtd)t jtefyt fidfy eine (o finnige SMancfyolie , bie faft nur ben (Sngtänbern

tootytjie^t.

15. Januar. (Sin (Sonett gemacht.

Um 16. -3anuar toieber in Sttündfyen.

2)er ©ebanfe ber 2lu3toanberung nad(j 3Imerifa Befefttgt fidfy.

17. -Januar. S)ie 23efanntfd)aft eines Söaron SftÖber gemalt, ber

ftdj oiet mit Malerei unb 9flujtf Befdfyäftigt.

24. Januar. 5luf SSeranlaffung ber Söemerfung bag Sugger ein

SöeiBerfeinb feto: (£§ ift bodfj nur ber toeiBticfye Umgang, in bem ber

Sftann toafyrfyaft ©rfyolung finbet. Ome Sftüfye, olme ®eifte3anftrengung

tagt eg ftcf> fo angenehm plaubern mit ben SöeiBern. 3)a3 3beal ber

(Sanftheit unb STObe lägt ftdfj nicfyt unter ben Männern finben.

25. -Januar, grau 0. §amier tag mir fyeute einen SBrief ifyreS älteften

©ofyneg, ber au£ $enebig fdjrieB. (£r ift Begeiftert oon -Stauen; nidfjt

allein ba3 (£rgäf)Ite, fonbern aud(j bie STrt unb ber ©ttyt be$ (Srjä^Ier^

fyaBen >midfy fymgeriffen, unb mir eine fo tiefe ©elmfudjt nadj -Italien

aufgeregt, baß mir bie £fyränen in bie Wugen traten. <SoE e$ mir benn

Beftimmt feim unter jenem Reitern, fyerrtidfyen §imme( gu toanbetn?

26. Januar. £>en erften @efang ber 3fia3 ooöenbet.

§omer oerfcfyafft mir groge ©enüffe in ber Urfpradfje, unb tcfy fe^e

ber 3eit mit Verlangen entgegen, too tcfy ifyn frei ofme £ü(fe be$ 2öörter*

BucfyS toerbe (efen tonnen.

ObeteBenS „9?apo(eonS getbjug in ©adfyfen im 3afyre 1813" getefen.

3luf ber 2öad>e am tartetfyor.

2. geBruar. UeBerrafcfyenbe SIBbanrung oon -JftontgefaS. 2)ag £erdfyen*

fetb ginangminifter iotrb, giBt mir bie SluSfid^t @ruBer, als beffen Neffen,

manchmal in SMncfjen gu fefyen.

3. geBruar. £obron fdfjreiBt Oon einem oertrauten greunbe, bem

jungen itaüenif^en 3)id(jter SD^artellt , ber (£oHinS ©ebid^te üBerfe^t fyaBe,

fie aBer nodj nidjt l)aBe IjerauSgeBen fonnen, unb ben (General Sßitfon

unb bie ^rinjefftn oon SBaleS unterftü^te.

Page 167: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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12. Februar. 3$ lebe eigentlich nur nodfy in ben SBücfyern. 2)ie

alten Sprachen befdfyäfttgen midfy oor^ügtidj. ©attufl oon ber catilinarifcfyen

SBerfcfyioörung angefangen ju lefen. 3)er Sftufym eineö guten ®efdjtd)t*

fdfjreiberS mürbe aucfy mir ber oorjüglicfyfte unter ben fdfyriftftellerifdfjen fefyn.

3)te ©efdjicfyte ton Sfidfyarb Sötoenfyerj, bie idfy biefer £age in £mme

Ia$, fdfyeint mir unter allen bie ba3 Mittelalter barbietet am meiften für ein

§elbengebicfyt gefdjaffert, nadfybem einmal baS Sftäbcfyen oon Drtean§ oon

Voltaire entmeifyt morben. -3l)r £eben unb ü)re ©djttffale mie ü)r Zeitalter

fdjemett mir cor allen anbern jur epifdfjen Bearbeitung geeignet, femeStoegS

£ur bramattfdfyen. (Scfyabe baß ©dritter ficfy in ber $orm vergriffen fyat.

$<fy läugne nidfyt, in meinen eitelften ©tunben com Lorbeer geträumt

ju fyaben.

®an$ fdjtedjte £ragöbie: The Albion Queens, by Banks, mit

©djttterS Maria (Stuart verglichen.

23. Februar, £über fyat viel Sfafmerffamfett für micfy. @o fyat er

fidE> 5. (§L einige (hemmen mit bem Silbe beö Königs axt8 ©aargemünb

fommen laffen, mo fie »erfertigt »erben, unb mir eine bavon jum ©efdjenf

gemalt. (£r |at ftd£> lieber mit me^r (Stfer auf ba§ (Sttgftfdje geworfen.

Mit ^ßerglaö tvirb 2lbenb3 bie Sieneibe gelefen. Meine CEfyrfurdjt unb

Siebe ju ben Uten vermehrt fiel) täglid); unb fo finft mir bie romantifd)e

$oefte aümäfylicfy tiefer im Söertty.

. (Stcero'S SBüdjer von ben $flid)ten mit jrioet 33änben 5lnmer!ungen

von @arve. $l)t(ota§, £rauerftoiel ton £effing.

1. Märj. §eute Morgens fa|> idfy ben Seidntam eine§ DfftcierS ber

im 3)ueE blieb. 2öie füllte idj tief in ber (Seele tvie menig ber Menfdj,

unb toie toenig junt minbeften ber Seib fett! Söeldje träge, fteife, läftige,

fyäpdfye Maffe, menn ba8 bemeglicfye Seben entflogen ift. Slnfängtid) ift

ein folcfyer Slnblid abfcfyrecfenb , bann aber auefy tvieber erfyebenb. 2Bir

lernen unfern $örver geringfcfyä^en, emvfinben aber ba§ mir nodf) ettvaS

beffereS fyabeu.

-3n Slnciüonö Sur Tutilite de Thistoire, bie mir £über mitteilte, einer

grünblicfyen unb fdfyarffinnigen (Schrift, gefiel mir befonberS eine SBergleidmng

jtvifcfyen ben älteren unb neueren ©efdfn'dfytfcfyreibern.

Mattt;tffon§ ©etbftbiogravfyie in ben ,3eitgenoffen gelefen. S)rei 3)inge

befonberS machen fein Seben $u einem glücftidjen: baf$ er viele Gelegenheit

^atte ju lernen ma§ er münfcfyte, ba§ er, obgleich nidfyt reid^, in ben

10*

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ftcät tarn biete Reifen %u machen, bag er enblid? faftmit allen (5d)rift=

fiedern unfreS gotbenen 3eitatter3 Befannt mar.

2öarum ftefyt mir nid^t ein erfahrener Sftann al% £eljrer unb ^rennb

ju dlath nnb SBorBilb jur ©eite?

SJcattln'ffon BteiBt immer ein guter gefüfytoolter 3)id)ter, oBgleidj feine

5(ber toeber fnufytBar nocfy reicr) ift, unb er, gteidfyfam nur burcfy Sftom

unb bie 2ltpen eine Zeitlang Begeiftert, bie mäßige £etyer Batb in ben

£empet fyieng.

13. SD^ärj. ß)nä SlBfyanblungen fftjjirt, eine üBer ben Verfall ber

beutfcfyen Literatur, bie anbre üBer bie ernten 33er3maße ber £)eutfd)en.

-3cfy miß bie SBortfyeite unb 9cacfy%ite be§ §erameter§, ber ungereimten

-ÖamBen unb ber Dctaoen burcfygefyen. 2)a icfy al§ 2)tct)ter nicfytS tetften

fann, gelingt mir oieÜeicfyt etoaö in ^rofaifct)en 2luffa£tn. $l)itofo£l)ie,

®e|d)id}te unb üritif jie^ert mid? toecfyfelStoeife an, Befonber§ bie teuere.

§erber unb £effing finb je£t meine großen, freilief) unerreicfyBaren, 23orBitber.

3d) fyoffe auf einen einfamen ©cmmeraufditfyalt auf bem £anbe.

3)a foll bann baS <3panifd)e Begonnen werben ; idj benfe in einigen -Sauren

ba$ ©pracfyftubium fo jiemlicfy ju botlenben; bann roirb ftdj erft meine

SBeftimmung entfd)eioen.

18. ffll&xii. 3d) lag in ben 3 e^nÖ2tt ba% bit eBen in 2Jcünd)en

antoefenbe ^rin^effin Oon 2Me3 eine Sfteife nad? $erfien machen toofte.

DJtetn öntfcfytug loar fd)neH gefaxt. 3cfy verfügte miefy in ü)r §ötel, um

fte su Bitten miefy in ifyr ©efolge aufzunehmen. 3)ie ©d)toierigfeiten bie

icfy toegen ber ^lubien^ Bei it>rem ^ammerfyerrn fyatte, gaBen mir $uut

guten ®lücfe &\t §u erfahren bag für biefe§ -Satyr oon biefer Üieife

nietyt bie 9?ebe fety.

25on ber Allemagne ber ftxau 0. Stael jog mid) am meiften ber

fünfte 23anb an, ber oon •ßfyitofoptHe unb Sttorat fyanbelt, bie oiet ftarer

unb grünbticfyer aBgefyanbett finb als man e§ oon einer ^rau erwarten

feilte. $or allem aBer ^u greifen ift ber einfache unb bod) fo teBtyafte

unb Blüfyenbe (£tfyl ber SBerfafferin, toorin fie mit ben erften Sdniftftetlem

ifyrer Nation Wetteifert.

The Pleasures of Hope by Campbell — bem id) feinen ©efdjmacf

aBgetoann.

21. 9Jcärj. Wit £-über ffeinen mid) immer nähere 23anbe $u

oereinigen. 3n unfern ©tnbien oerfefrieoen, fino toir gleicfy in unfern

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moratifdjen nnb meift and) politifcfyen Sfttftdjften, ba toir Beibe toleranter

geworben ftnb.

SaEnft'S datiüna. ©aHuft ift olme gtoetfef eine§ ber erften dufter

ber ®efdjidjtfdjreiBnng cm8 bem 2IttertI)nm. Sftömifcfye @rö§e fyricfyt au®

jeber StytBe. ©eine Sftefterionen in ben ©ngang^capitetn jn (Jatilina nnb

jn Sngnrtfya ftnb eBen fo fdjön nnb Bünbig als toafyr, feine Gtfyarafter*

fcfyitbernngen ootl Jfraft nnb infyattSfdjtoerer @ebrangtt)eit, feine Sfteben

Ijinreigenb nnb üBer^eugenb. $ln Btüfyenber Sdjönfyeit beS Sü)(8 fommt

h)m im 2)entfcfyen SdnTter am nädjften, obgleich ftdj nnfere Spradje

feinegtoeg§ mit ber lateinifcfyen meffen lann.

Unfere @efcfyicfyte fann teiber nidjt me^r ftie bie alte gefcfyrieBen

toerben, nnb ioer e£ tfynn tooÜte, toürbe efyer für einen £)eclamator nnb

(Spifer at$ für einen §iftorifer gehalten Serben.

£)ie erften fünf 23änbe Oon „§erber£ jerftrenten ^Blättern." So otele

©elefyrfamfeit mit (Sentimentalität oerBnnben , fo oiet Stubium in (eicfytem,

anfpmcfytofem Stfyt bargetfyan, finben fid) fetten Beifammen. £)ie eigenen

Keinen lieber nnb Allegorien gehören ju ben IteBtidjften nnferer Sprache.

27..Wläx%. $or einigen £agen fyaBe tdj baS Spanifcfye angefangen,

tdj fyatte feine 9fru)e mefyr, fanfte bie bentfdje ©rammatil oon SBagner,

bie fran^öfifdje oon Sterte. 2)aS $ortngiefifd)e fotl bem Spanifcfyen,

fo Batb möglich , folgen.

£)er (£ib oon §erber. 2)ie ©panier fyaBen fcfytoerticfy ein (EpoS ba3

ftcfy mit biefer Sftetfye oon £ftoman§en oer'gtetdjen fann; man barf fie im

atigemeinen fnfnt ben Beften <pe(bengebidjten anberer Nationen an bie (Seite

fteüen. 3n feinem oon ifmen ift oießeidjt ein ritterlicher §eroend)arafter

fo fefyr auSgeBitbet aU fyier ber be3 (£ib. 2)a3 @anje ift oott D^atnr nnb

2ftenfd)enfenntni§, reidj an toeifen Sprüdjen nnb feinen ebten 3^gen.

Modern English Poems, collected by Wiedemann, 2 Volumes.

£)ie Bebentenbften £)id)ter in biefer Samm(nng ftnb SBtyron, SSatter

Scott nnb (£ampBelt Unter ben (tyrifcfyen Ijat mid) ein einziges Oon

(JampBeE angezogen: Lines written on visiting a scene in Argyleshire.

3)ie $erfe Oon SStyron werben burd) ben büftern, monotonen ©eift bec

fie Befyerrfdjt nnanSftefytidj. SöaÜer Scott ift nnr in SßaEaben gtücftidj.

33ei bem Corsair nnb Lara (ber toofyt mit bem (£orfair eine ^erfon ift

toeit fonft ba8 @ebid)t £ara toeber §anpt nod) $nfj fyaBen mürbe) ift an

(Srfinbnng unb ©efcfyidjte toenig jn toBen. Man trifft oiete ^rofaifc^e

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SBerfe , mand)e§ fd)eint nur be§ 9Mm3 iregen ba^ufte^en, biete £)iftidjen

finb ^u ifotirt. £)ennodfy ift baS fettene Talent 23bron§ unberfennBar.

©eine $erfe finb meift teicbt nnb fefyr toofylftingenb, man ftö§t fyäuftg auf

einzelne [dfybne, fütme Stellen, BefonberS in £ara. 9ftan fönnte t^n in

©)arafter|tf)i(berungen gtücftidj nennen, ftenn ntd^t bie dfyaraftere feiten

9?ang§ eBen fo fcbtoacb gewidmet ibären at§ bei* be3 §elben boll 2lu§brucf.

£)ie Lady of the lake gefiel mir nidjt; fdfyon ba£ $er3ma§ ift

ein unertragtidjeg ©eftinget, ba£ ©ebicfyt felBft bertiert jtdj Befiänbig in

ebifobifcfye 23efdn*etBungen, unb fyat gar feine §anbtung. £)ie bieten lieber

barin finb matt unb nid)t§fagenb.

5ln dambBett§ Gertrude of Wyoming fafy id? ba§ GtambBetf mirftic^

ein £)id)ter ift. £a§ $er§ma£, Sbencerg neunjeitige ©trogen, toürbe

unter jeber anbern §anb aU dambBetiö äu§erft fcfyteid)enb unb rei^toS

geworben fetyn. (5r aBer toei§ btefe (Strebten bertrefftidj anzufüllen,

unb ilnten einen ber englifcfyen (5brad)e fettenen 2£efytf(ang gu berteifyen,

ber Big jur testen 3eite Beftänbig gu ftacfyfen fcfyemt, unb ftd) bann gteicfyfam

in einen metebifd^en §arfenton auflöst.

23bron3 £)be an SBuonabarte unb Gatter (Scotts auf bie &<fyia<fyt

bon 2£atertoo finb SDcittetgut. Wcfy Bemerfe ify ba3 feltfame £>afd)en

ber neuern engtifcfyen £fyrifer nad) treiBtid^en 9?etmen, bie ftdj ber ©brätle

gar nid't anbaffen, äu§erft raut) finb, baBei fetten unb Bisarr. 3)ie

(Sngtänber fdfyeinen ba$ nicfyt gu fügten.

6. 2lbrit. Ofterfonntag.

(£4 mar eine fdjöite 3eit atS icfy nodj am £)ftertage bot! frommer,

anbädfytiger ©efübte ern>ad)te, unb mir bie Sluferftetmng bergegenträrttgte.

3)a§ aBer ift bafyin. Sftein (Jtjriftentlmm Beftefyt in bem (Stauben an ©ort

unb bie UnfterBticfyfeit, in ber SBeret^rung ber dnüftlKfyen 2ftcrcd unb ber

$erfon beS §eitanbS fetBft, aBer fycfyer fdringt ftd) mein ©taube nid^t mefyr.

§aubtmann 2Bei§fyaubt fennen gelernt, Süberö 9?att)geBer in feinen

(Stubien unb tefyrenber ^reunb. Da§ Verjagen an mir fetBft t)ätt midj

aB btefe 53efaumjd)aft ju eultibiren.

$cn mir gitt bie <8tette auö Sftouffeau'S Confessions, bie icfy eBen

tefe: Deux choses presqumalliables s'unissent en moi un

temperament tres ardent, des passions vives, et des idees lentes a

naitre, embarrassees , et qui ne se presentent jamais qu' apres coup.

Page 171: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Sty füfyle in mir einen gegriffen Söertlj; er befielt in bem eifrigen

fingen nadfy bem Söafyren unb @uten.

10» 2tyrit. ^ugger lag mir einmal ein ©ebidjt oon -ftoüatiS oor,

mooon iö) feine ©tylbe »erftanb. ^ugger toar fe^r für ben Sfteim, ben

idj für bie beutfdfje (Sprache rttd^t gefdjaffen glaube. 2öir fyaben feljr

wenige Meinte, unb oon biefen ift ein groger £fyeil fatfdj.

9?ur burd) ben testen ©rab oon 2tufrid)ttgfeit, toie er in ^ouffeau^

SBefenntniffen erfdjeint, fann eine (Setbftbiograplne intereffant toerben.

SBotlte ©ott e§ Ratten un§ alle großen (SdniftfteÜer ftatt einer

„Sßafyrfyeit unb £)idjtung" eine 23eid)te fyintertaffen toie Sftouffeau ! 2ftandje

nehmen au3 biefem S3u<^ ah baß Stouffeau ein fcf>(ed^ter 2ttenfd) getoefen,

aber einige fdjtedfyte §anbtungen machen nodj feinen ©Surfen, unb idj

glaube oon feinen SBefemttmffen fagen ju bürfen:

3$ Dabe

(Sin mifjberfknbite§ großes £>erj erfannt.

19. Sfyril. £>er größte £Ijeit meiner ßeit ift ben bitten getoibmet.

3m ©pamfdjen tefe td) Historia de las guerras civiles de Granada

;

bann fyabe id) bie Araucana be$ (SrciUa oor mir; bie Butter l)at mir

eine fdjöne 2lu§gabe be$ £>on Outrote unb eine itatienifdt)e Ueberfe^ung

ber £uftaben in Dctaoen getieft.

Chesterfield's Advice to his son etc. auf ber SBadje getefen. §omer

befcfyäftigt micfy forttoäfyrenb, im Latein Doib3 äftetamorpfyofen, bie midj

burcfy ben toedfyfefootten -Snfyatt, bie fronen (Sdjilberungen, bie leisten,

fliegenben SBerfe immer mefyr an^iefyen. Birgits §erameter fyaben ifym

olme Reifet nod) einmal fo oiet <2djtoeig gefoftet. 3d) fyatte £)oib$

Skrtoanbtungen für ba$ einzige unb originelle ($po$ ber Lateiner.

4. Sftai. primavera, gioventü delF anno! ©o begrüßte idt) Oor

einigen £agen nad) langer trauriger 2Bitterung ben Sßringer ber $reube.

©dfyon toeifyte itfy ifm ein burdj oiele (Spaziergänge, meift ben §omer in

ber §anb, aus bem ict) gerne mehrere (Stellen auStoenbig lerne.

£)er <&ty{ ber Historia de las guerras etc. ift Oorjügtid) angenehm

burd) feine fyofye (Sinfalt. Ueberbieg enthalten biefe brei 23änbe einen

©cfyafc oon, befonberS ootftpmtidjer, ^ßoefie in ben eingeftreuten ^omanjen

unb anbere Sßerfe. £)a3 ^ajonamiento beS 9llfaqut, toelcfyeS anfängt:

Contra vuestras entranas, Granadina, ift eine fet)r fdjöne 9?ebe, nodfy

Page 172: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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erf)öfyt turdj ben majeftä'ttfd^metofctfdjen gütf? ber foanifd&en $erfe mit

ifyrem Dtetdjtfyum an langen, Betonten $oca(en.

gortaa^renb erfreut mtd) @aüuft £) ttyr roetfen nnb großen eilten,

mer fottte ßdj nidjt gebrungen füllen in eure gugftapfen ju treten, nnb

euren erhabenen £el)ren $u gefyordjen! Xt)atfraft nnb £eBen§toei§l)eit ftredjen

au§ euren Bünbigen unb finnfeueren Söorten, nnb nur auö ümen fdjepft

fie$ 3Jtaty.

15. 2ttai. -3cb r;atte bafür ba§ bie £eiten ber $oefte fdjon allgemein

vorüber ftnb.

<iu §erber3 iöriefen jur SBeförberung ber Humanität tnterefjtrtcn

micfy Befonber§ bie fteBente unb acfyte «Sammlung, bie bon ber *ßoejte ber

neueren $ö(fer fyanbeln, unb bie au§ £eiBni£enS unb £efftngg (Schriften

gejammerten (Sebanfen. 28a3 für ein Sttann roar biefer £efftng, unb

tt)e(d)e Erinnerung nafym er mit in§ ÖraB! 3)a er fein ganzes £eoen

oerfannt, unglMticf; unb fymtangefefct, mit einem 2£ort, ba er um fein

ganzes ?eBen Betrogen toar — »er podfyte auf ein BeffereS Sd)tdfa(?

17. %Jlai. UnBäßiicfyfeit fyielt miify mehrere £age $u §aufe, bopbett

oerbrießüd) toegen be$ freunbtidjen 2BetterS. £>od? fyaBe id) mtd) befto

mefyr im ©arten umgefefjen, mo tortfein, $ei(dt)en unb §t)acintf)en midt)

ttoBIgentamttjmenb Begrüßten.

SDie erften neun Sucher ber -3tia§ ooüenbet, baS erfte, fed^te unb

neunte fcBeinen mir bie bor$üglta)ften. 9ctdfyt§ ge§t üBer §ector3 3tBfd)ieb.

£ie erfte 9t1?abfcbie ber Dbtiffee gefefen. 3)te Dbbffee ift fo unenbtid?

gemütvoll. 3)ie grieä)ifd?e Sprache ift unter ben mir Befannten bie

einzige roetcfye ber beutfdfyen in je ber §inficfyt ooranftefyt.

19. 2)cai. Steine 9)cu§e auf bem £anbe foü bor allem ben alten

»Spradjen, unb aucr; bem <2panifcr/en unb $ortugieftfcfyen geboren. 23otanif

fyoffe icft enblicB anzufangen.

22. SDcai. Humes History of England.

9ftit -Sntereffe getefen. £>ie §aiu;tBegeBenfyeiten furj ercerbirt. ©er

<Stt)( auSgeBübet, geruncet; bodfj äiefje i<fy bie franjöftfd^e $rofa ber

engtifcBen oor. -5m ganzen ift eS feine ®efd)id?te roie fie bie Sitten

fcbrieBen, unb baS fann fie aua) nia^t fetm. 25}at;rt;aft intereffant ftnb nur

bie SSegeBenfyeiten einer SftepuBtif, too geroöl)n(id) fo tikk ausgezeichnete

-3nbioibua(itäten l)eroorftrat)(en.

Page 173: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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25. ffllai. Wllix £fyei{ttafyme unb 3wnetgung ju Bezeugen tft oft ba#

fidjerfte üfttttel mid) bon fid) ab^utoenben. 2$enn id) nidjt irre, fo fommt

bte§ bon einem getoiffen ©etfre be8 2Biberfbrudj8, ber ju biet ©ctoalt

über mein §erj fyat.

26. 2Wat. £>ie fd^Önftert nnb bcm Wnfdjein nacfy teid)teften SBerfe

ftnb getoig bon jenen ©intern gemalt toorben, bie ftcfy'S nidjt berbriegen

liegen ju Beffern nnb au^umär^en. Sine labore nihil!

30. Wai ©eneratlieutenant üfrtgtobicfy fragte mi$, ob td) mäfi Suft

§ättc einmal ettoaS au3 ber Bat^ertfd^en ©efdn'cfyte unter feiner Leitung ju

bearbeiten. -3dj bejahte e8, unb er toill nacfy meiner Sftücffefyr toeiter

babon fbredjen.

Paradis perdu par Delille, de Tanglais — eine trefflidje Wafy

bilbung, jtoar fefyr frei aber burdjauS feine <Sdjb'nt)eit be$ Original $u

unterbrütfen fucfyenb. 3ttand)eS bon 2Jttfton$ einfach feierlicher ©ublimität

gefyt alterbingS verloren, hingegen lägt ber Ueberfefcer bei bieten ©teilen

fein Original fyinter ftcfy.— -3d) bin nocfy immer ber Meinung baß bie

beiben legten ©efänge ba$ ©ebtcfyt berußteren.

<S<fclierfee*

1. 3uniu3. §ier bin id) enblidj im §afen meiner länblidjen 2öttnfd)e,

unb icfy füfyte midj glütfticfy. Söeldj ein ganj anbereS (Srtoacfyen biefen

borgen, als mein erfter 23licf auf beu freunblidjen (See unb feine Ufer

fiel, unb ba$ £ieb ber $ögel mir entgegenfdjatlte

!

©djmfetem fyattt mid) Btö §ad}ing begleitet. QU biefer gegangen

toar, richtete icfy Söort unb ©eift $u bem Urheber alles ©uten banfenb

embor. -Ön einem langen ©elbftgefbrädje burdjgieng icfy mein bisheriges

£eben.

3cfy toolme beim Pfarrer in ©djtierfee; in einem (Schimmer be$

^farrfyaufeS mit bier ^renftern, bon benen jtoei gegen ©arten unb @ee

gefyen, bie beiben anbern gegen Often auf einen §üget, auf bem <St

©eorgS (Tabelle; mein ©djreibbult, an bem idj (fteljenb, toie immer)

axMtt, ftefyt fo bag idj bie $Iu$ftd?t nadj beiben (Seiten geniegen fanm

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3d) tyaBe an gried)ifd)en SBüdjent ben §omer mit ber 2Sofftfd)en UeBerfe£nng

unb Xeno^onS 2lnaBaft3 mitgenommen, an lateintfdjen bie SJcetamorpfyofen

beS Dbtb, ben §oraj unb ben £acitu3 de moribus Germanorum; an

fran^öftfcfyen Delille, des jardins, Poesies de Gresset, Maximes du duc

de Rochefoucauld; an italienifdjen ben Pastor fido, bte Gerusalemme

liberata .unb bte UeBerfe|ung ber £ufiaben; an engtifd^en ben Essay on

man unb Gay s Fables ; an fpanifd)en ben £)on Duirote unb baS Manual

de la lengua espaüola por Bertuch ; an beutfdfyen bte 2lnfid)ten ber -ftatur

bon W. b. §umBolbt, <SdbüTer§ äftfyetifd)e (Sänften; für Sotanif ©djranfö

Batyerifcfye $lora, ®rhtbe(8 23otanif unb 3ud)8 Anleitung ^ur ^flan^en*

fenntnig — ba^u ©rammatifen unb SöörterBüdjer.

Borgens um bter ttfyr ftefye td) tägltd) auf, unb macfye getoölmticfy

mit bem ©rtec^tfc^ert (ber SDbtyffee) ben Anfang.

-3m Sateimfdjeit tefe td? ben Sßfalter in ber SButgata. £ro}3 feiner

Söieberfyolungen unb feinem Mangel an (Suüjett Bleibt £>abib immer einer

ber er^aBenften £>icfyter.

(türbanteS* Lobelie la fuerza del sangre gelefen. £)er @ttyl be8

(£eroante3 ift gegiert, unb totrb bef$a(B jutoeiten gefdmtacf(o§; fo bte ©teile

tt>o £eocabia clmmädjtig toirb, unb 3)onna (Sftefania fie mit U)ren greinen

bergeftalt Bene£t bag, toie e3 f>eigt, fein anbereS Söaffer meljr nötfyig mar,

um fie ni8 £eBen ^urücf^uBringen. 3)iefer -ßoffenreigerton fommt öfter

jum SSorfdjem.

üftacfy unb nad) burcfyforjcfyte tdj, aufteilen mit bem Pfarrer, aufteilen

mit bem (Kaplan, meift allein bie gattje ©egenb im eutjetnftetu (§8 gefällt

mir bie SMfyle im -3ofepfy§tfyal, in bereu D'cäfye an Heiner SBaffcrfaH ift.

S<fy lieg mir bon bem äftütter bie (Sinrid)tungen ber SMfyte geigen, freute

midj ber fyerrltd)en 2lu8ftd)t bon bem nafyen Serge, auf bem bie Ruinen

be3 ©djIoffeS ^ofyentoalbecf liegen; eS ift mir als wenn icfy immer fo

geteBt fyätte tote tdj je£t leBe, al$ toäre td) nie JOfpctcr getoefen, als fycttte

tcfy nie ettoaS anbereg gefannt als (anblicke üftatur unb ©tubium. £ägticfy

finbe id) neue SBege, neue 2lu§ftd)ten, unb gewinne ber ©egenb neue

Sftei^e aB. 23otanifd?e Söücfyer Begleiten mid), aufteilen aud) ©eßtte'S

Jardins, ober §ora$, Sftocbefoucaulb, (treffet, §omer.

(53 fommen Sage too ein italienifdjer, bunfelBlauer §imme( ofyne

ba$ fleinfte 2Bö'(fd;en üBer ben @ee unb bte 33erge fid) auSfpannt. 2)ie

Page 175: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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©egenb ift im allgemeinen fo mafferreich , i>a% man faft aüentfyatben bom

Gemurmel ber Duetten begleitet toirb.

Unb bod), in alle ber Unabfyängigfeit, berfefyen mit ben §ü(f3mitteln

be$ (StubiumS, Bei aller @emäd?tid)feit uttb atter §eiterfeit ber Umgebung,

bricht jmoeiten eine büftere Stimmung burd;, in ber mir baS atleS nidjt

ber 9ttüf)e loertfy fd^ctnt, in bem icfy ba$ befte ©etm für ein beftänbigeS

Reiben erftäre, in bem mir bei* ©ebanfe fommt ba§ @ott allein nidjt

leibet, toeit fein ganzes 2$kfen S^at tft

3>iefe meine (Stimmung ftammt inbeg nid)t au8 (§goi§mu$. %lit fyabe

id) ba3 fteinfte Vergnügen gencffen hti bem icfy nicfyt im (Reifte meine

^reunbe ju 3 e"3en gerufen, nie eine fd^one Stelle getefeu otme fte im

©eifte mittfyeiteub einem ber ^reuube beriefen. 2Iber i<$) füllte baß icfy

biefer ^reunbe nicfyt toertfy bin; fie ftreben nacfy einem nüfcücfyeu, toirffamen

£a)eim; ify faun ni(fyt§ für fte tfmtt. 3)a fcntmt mir 3utoeiten ber

©ebanfe toieber, ben id) öfter gehabt, eines ber ebleren §anbmerfe §u

erlernen, fo mein £eben ftiK Einzubringen unb in ©titte <m befd)liegen.

®abei tefe id- meiter unb toeiter in bie Dbtyffee hinein , bringe 3)e(iuY3

Jardins ju (Snbe, unb toütifdje baf; btcfcö ®ebid)t nod) breimat fo biet

©efänge fy&tte. 3d) fann fagen bag icfy faft jeben $er3 genoffen fyabt,

ba id) e3 faft immer im freien (a3. S)e(iUe fyat einen fo einfachen

©efcbmad in SKüdfftdjt ber ©artenfunft, er fy&it bie gtüdticfte ÜKittelftragc

jürifdjen ^ranjofen unb Sngtänbern, nid)t leicht fyat ein bibaftifcfyer -Dieter

ba$ utile dulei fo glücf(id) gemifcfyt. UcberaH finbet man ©teilen oott

inniger, gefüt)tbolIer $oefte in tyarmontfdjen Werfen, tüte benn audj ber

frangöfifebe Slteranbrtner in biefer 5Irt bon ©ebidjten ftd) auf bie bortfyeit-

Ijaftefte SBeife ^eigt.

5Iua^ £)on Duirote toirb augefangen, id? fomme aber langfam

bortoartS, ba mir nodj biete frembe SBb'rter auffielen. 2Bte fdjött ftefyen

ber tnetebifeben Sftajeftät ber cafti(ianifti)en Sprache bie rittertia^en 23vababen

be$ §etben ber 2)cand;a!

5tm 25. -3uniu§ fommen ©afte, Hauptmann b. $ötbernborf oom

©eneratftab mit feinem Vorüber unb bem jungen 23aron (£etto.

SJtefyr unb mefyr bringe ia) in bie ein^etnen Sdjb'nfyeiten ber ©egenb ein.

So entbedte idj eine materifti)e 2Batbftette, too mehrere Duetten an einem

gefträu^bermad^fenen Ort -mfammen fommen unb über bietgeformte (Steine

ftrubetn, unb burd) eine Deffmmg be§ 2Batbe§ ft^ eine fcfyöne 3tuSfid)t bietet.

Page 176: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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£acitu£, ©ertnania lenft meine @etanfen auf eine $ergleidmng ber

alten £eutfcben mit ter Teutfcfren fecr ©egenmart Ocf> finbe aud) in

tiefen unb in ben Puffern überhaupt ein Streben uacft ^reifyeit, ermarte

aber nid)t£ oon einer ^Resolution, bie biete meiffagen, ba ta§ $etf meber

3ie( nodb 2fta§ fennt, mtb ftdb felbft unb alle» 51t ®runte rieten mürbe.

'Bohl aber r>cffe id? eine 23effermtg ton ber ftiden 2£irffamfeit ber

2lufgetiarten unb gefteren.

3e länger id) in tiefer fd)önen Cnnfamfeit meile, beftc glücfticfrer füllte

idj midj. 2>er treue ©dmi^lein fcbreibt, unb feine Briefe erljö'fyen ba3

Vergnügen bes ßutfamen; er fenbet ein 33ergrö§erung3glas 51t Botaniken

Unterfuduutgen.

3d? frretfe turd) tie ©älter. Xa nenne id) einen 23ad) mit fdfyönem

grünen SQBaffer Rio verde, ten Steg über tenfelben ben „fcbmalen

Steg," einen Baumfreien 2Baltpfa£, ber ein blumige^, geräumige^ 3^^a(

Bittet, „ftetertgo'ö dtafy," einen $meiten, eine einfame ^Rotunbe, „Solebab,"

einen tritten, ein gro§e3 £>oal, „?t)eimnia," nacp :>Dcäcen3 ©eliebter, einen

oierten la plaza del cansamiento. weil icf> ba auf einem quergelegten

23aumftamm rubte ; eine iövüdfc aus trei meit au^einanber liegenben 33aum=

ftämnten, an einem einfamen Dxt otme 5luefid)t, ..via mala." 5)er 2Ibenb

be§ £age£ an tem idfr tcrt Dcamenfpiel trieb mar göttlich fdjön. Sin

tiefet 231au fdnoamm über bem meftlidjeu Snte be3 SeeS, unb in ber

f^tutf) iai) man tk 9?ötl?e ber untergefyenben Sonne, in teren 9?ofenfdummer

bie £bürme oon SdHierfee unb tk 33üfd?e be3 Uferö ftd) taudnen.

$on 3^it 3U ßät überrafcben mid) fcid6>tet*tfct)e 5lnmanbiungen, aber

id) unterbrücfe }k, meil meine $eit anbern Seftrebungen gehört, unb meil

e3 mir an -3teen feljit. $on Oeetifdjen ©efülilen bin id) mofyl, aber nicfyt

ton ber flaren Slnficbt eines bestimmten oeetifcben Steffel turcfybrutigen.

Unb ber Stoff mu§ ftd) bem ©icfyter fo feljr aufbrängen al§ ber günftige

$lugenblüf;

ja er feilte tiefen teueren erft herbeiführen. Ueberbieß bin idj

gegenwärtig ju fet)r oon §omer unb $oraj erfüllt, al3 ba§ tefy etmas

Originales fyeroorbringen fönnte. 3ttai" mürbe id) nie ein ganj fcfyledjter

Xicbter roerten, aber:

medioeribus esse poetis

Xon homines, non Di, non concessere columnae.

3cf) lefe ^ora^ens Ars poetica mieber unb mieber, finbc fte reidj an

guten Orunbläöen unb $erfc6riften. £ie 9?egel ba§ ein Sdjaufpiel nur

Page 177: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fünf 2lcte fyaben fotf, faßt jtcb toofyl bamit entfdmlbigen baß §oraj fte

nur bebingungStoeife gegeben fyat £)ie 93ertfyeiiung be$ Stoffe^ be8 ganzen

®ebidjt3 gefyt aöerbingS eÜoaS Bunt burdj einanber, ber Sttyt jutoetfeu

in ba$ ^ßrofaifcfye; aber bie (S^tfobe bon ben bier £eben3a(tem t?errät^

ben unfterbticfyen Dbenbicfyter.

11. SuniuS. Spajiergan^ am 2lbenb. Sin @etoitter mar im Stnjuge.

3)er 23(i£ erbettle ftarfcfyeinenb ben (See unb bie fafytgemorbenen 28iefen,

über ioetdje taufenb OofyamteStofirmdjen it)re tebenbigen £icfyter trugen.

3n gijcfybadjau bem Scaputierfefte beigercofmt. 3dj ftanb auf bem

GEtyor. £)er 5tn61trf be§ langen majepätifd^^etterit <Sdjiff8 ber ^ircfye unb

ber oerfammelten Stenge erregte mir ein feierliches ©efüfyt, ba§ burd?

ben obgleich färglicfyen ©efang unb bie fcfymadjen £one ber unbebeutenben

Drget efyer oermefyrt atf oerminbert tourbe. 2)te ^ßrebigt, ton ben 2öunber=

fräften be3 Zeitigen ScamttierS, bon ber Jungfrau SDcaria, oon $iu3 VIL,

ton ben gräßlichen Dualen be3 gegfeuerS, aus benen bie fyeitige Jungfrau

aüe Samftage eine Sln^t ertöfe, braute mtcfy batb au8 biefer (Stimmung;

icfy beftagte ba§ 9ßoit, bem fotcfye Steife geboten mürbe.

22. -3unm§. 23arue{£ Scbrift über bie 3acobiner getefen. 3cfy

t^affe bie geheimen £)rben. <Sie oerfprecfyen ^reifyeit, unfr gerabe hti

ilmen finbet man bie fürcfyterücfyfte Sffaoerei. (Sie motten ben Sauf ber

Reiten unteren, aber nur aflmäfyftdj, nur tangfam reift bie 2Mt, bann

aber befto getoiffer unb bauernber.

£mmbotbt§ „5lnfict)ten ber dlatux" geben mir ein 33itb bon ben

amerifanifcfyen £ropentänbern. 3)te ©etefyrfamfeit fyat biefen Sflann bon

allem Scfyutftaube rein getaffen; er oerbinbet eine ebte ^fyantafte mit

einer anjiefyenben Schreibart. 3<fy lyahz immer ba£ (Sdjicffat be§ §rn.

0. §umbotbt für baS gtücftiefte angefefyen ba§ idj erfinnen tat, bie SBeft

ju burcfyreifen bot! £iebe ^ur frönen Sftatur, unb ooEfommen au3gerüftet

mit SGBtffertfdjaften.

Stuf einer Stfye, bem $ut$af)et, betoirtfyet micfy eine Sennerin mit bem

„fußen £ranf ber buftigen Slfyenrräuter." 33eim Slnbticfber Sennhütten

fü^te icfy micfy in ba3 frmjefte Wtter ber 9ftenfd)enbitbung jurütfberfefct

$etn unnü^er §au8ratf), fein Uefcerflufj ber 23ebürfniffe. (So lebten bie

erften §irtinnen, nadjbem ein gütiger @eift fie geteert fyatte bie §anb

an bie (Suter ju legen.

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27. -3wttuS. grau &. Stäben mit ifyren Reiben Softem fommt,

angefünbigt bon bem (S^ebautegerSofficier ö, SBötbernborf.

5luf einer gugtoanberung nad) ehter bier ©tunben bon ©djfierfee

entfernten ©cfyteuge fam idj $ur ^aiferftaufe , unb tourbe in ber §ütte beg

<püter3 berfetBen bon ^tbei £iroter -Sägern mit 2öitbbret Betoirtfyet. 3)aBei

fa§ ein alter Siroter, $eter gefyeigen, ber ftdj mit §aftenmadjen ernährt,

bie er berfaufenb in ber ganzen ©egenb herumträgt. @t mochte feit jetyrt

Sauren feinem Söarfcter met)r unter bie §änbe geraden fetm; feine Oatfe

mar jerrtffen, fein §ut toar mit farbigen gebern unb bieten anbern

3ierratl)en nodj Bunter gefdmtücft atö eS fyier ju £anbe ©eBraudj ift. Qu

feiner -Sugenb mußte er BefonberS toefytgeBitbete ßixQt gefyaBt fyaBen. Dfara

ift er ein 71jähriger ©reis bon Beftänbiger £fyätigfeit, eine jener freien

Naturen bie aucfy im Filter nod) feine §eimatfy toünfdjen, unb fidj an

bie fteinlidjen Drbnungen ber Bürgerlichen SBelt nod) nicfyt getoölmt ^aBen.

2. 3utiu3. 3n iBatyrtf dfoett fbradj id) Beim Pfarrer ein , ben id) am

(Scabutierfefte fennen gelernt tyattz. ®ie artige, muntere ^öct)m embfieng

midj an ber ©djtoetle be3 niebtidfyen ^päuSdbenS, unb fragte gl'eidj oB id)

ntdjt ber ©raf au3 @ct)(terfee tbäre. 3)arauf trotte fie ben -Pfarrer, ber

ber füfyte toegen in ber Ätrdje fbajierte. Sr nafym micfy aufs fyerjftdjfie

auf; icfy gefiel mir xocfy Bei ilun, unb oBgteicfy im ftiöftet erlogen, fanb

id) itm biet aufgeftarier als ben Pfarrer bon ©djfterfee, ben bie gefuttert

erlogen tjaBen.

$on biefer Söanberung jurücfgefommen, traf tdj grau b. (Schaben

mit ifyren £öcfytern, £ouife unb äftarianne, meinen atten OugenbBefann=

tinnen, unb ifyren fteinen Vorüber Siuguft.

-3n i^rer ©efettfd)aft Braute icfy einige gtücftidje Sage ju. 3d) tief?

mid) Betoegen bon meinen ©ebidjien bor^utefen, bie Softer fangen mit

SBötberaborf, ber fte Begteitet, auf einer SBafferfahrt, -ftie toar id) fo

fet)r ton ber Sttadjt ber £one ergriffen. £>iefe 2lBenbBeteudjtung, biefer

fanfttoattenbe (See, biefe Stimmen — toenn man immer fo auf bem

£anbe teBte.

3dj füfytte midj fefyr allein ba bie freunbttd)en ©äfte fort toaren,

unb bie fatten Söüd)er meine gan^e 3uftud)t.

Wafy tanger 3dt fdjrieB idj lieber ein £ieb, ba§ bie Erinnerungen

an eine gemeinfdjafttidje gafyrt nad) bem 23redjenfbi£ mm imfyatt fyatte,

für 93ötbernborf, bem tdj eS nad^ 2Wünd)en fdjtcfte.

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£>a$ tft eine ber 2öunberMfte ber $oefie, bie jebe fe oon (Sorge

gteidfyfam ju (Öfen roetg. £>a$ £ieb Beftanb au3 fiebert JoterjeKtgen (Strogen

in oierfügigen £rod()äen.

£)ie Obtyffee ionrbe $u (Snbe gebraut; §orajen§ Oben toieber nnb

ioieber getefen. (Sollte §ora$ fein 2)idfyter, nnr ein 9?acfyal?mer fetm ? 2Ba3

toäre poetifdf), toenn e3 bieje fettere SeBen&oeiSfyeit nidjt ift bie er entfaltet,

biefe froren 23i(ber beS (SenuffeS nnb ber greuben, Bei benen Oon ferne

ein mafynenber gufdjauer, ber ®eniu8 beS £obe§, ftefyt? 2Bo toäre ein

£>idfyter, ber bie 3been toetd^e §oraj auSfyridfyt anf eine Beffere, Bünbigere

SBeife gefagt t)ätte , ber ftdfy rühmen tonnte [eine (Spraye fo fefyr Bel)errfa)t

gu fyaBen?

9. $luguft. £)ie itattenifdje UeBerfe£ung ber Shtfiaben ge(efen; icf> Bin

roeit entfernt ba£ Original nad() berfelBen Benrtt)ei(en ju tooflen , ober bieg

Urtr)ei( toürbe fet)r nngünftig für (EamoenS anbauen. (So oie( fcfyetnt

mir getoit}, bat} er toeber £affo, nodfy Birgit ift. ©nen großen £t)ei(

ber (Spopöe oerträgt er mit einer (angtoei(igen 3lBfingnng ber @efd(jic()te

oon $ortuga(. £)ie 2lrt toie bie fyeibnifdjen (Götter mit bem ©ort ber

(Sfyriften oermifc^t ftnb, ift gar §u nnerträgüdfy, ba £t)eti$ bem ©ama fetBft

erjagt bag fie nnb ifyre (£onforten nnr eingcBilbete , oon ber menfdjtidjen

$Ij>antafte auSgeBeutete (Götter feben.

Sin Süber fdjitfte icfy ein ©ebicfjt: „-3m grüt)(ing 1817." ®$ tourbe

im engtifdjen ©arten in 9Jcündfyen fnrj oor meiner SIBreife nadf) <Sd()(ierfee

angefangen, nnb brütft bie Selmfudfyt nadfy $reit)ett nnb £anb(eBen au$.

23i3 je£t fehlte it)m nodj £>ie gehörige 33erBinbnng, bie Sftunbung, bie

$ei(e. 3cf) Heg e3 aBer an nicfytS ermangeln, e£ fo oollfommen a(3 mö'glufy

gn machen. (SS ift in 3)iftic^en, Bei toeitem bie Beften bie icfy gemalt fyaBe.

3d) t)aBe leinen einzigen £rodfyäu3 Bei ber (Eäfnr beS §erameter§ fielen

(äffen, ben fify felBft ©oetfye nnb (Schiller erlauBen, $og aBer niemals.

18. Slugnft. St^on lange füt)(te icfy in meiner 9ftora( tro£ allen

gnten SSorfät^en ettoa§ ©djtoantenbeg , UnBeftimmteS ; e$ mangett mir eine

getoiffe Sftorm, nadlj ber iä) midfy fügen tonnte. -3n bie Obeen anberer

fonnte icfy niemals gänjüdj eingeben, idj üBernafym e8 bat^er mein eigener

$apft 3n fet;n. 3&) t^aBe biefe !e£toergangenen Stage bat^er ba^n angetoanbt

eine ^eit)e oon 30^ajimen, tfyeilS au^ bem ?eBen, t^ettö an$ meiner $?ectüre

gefc^ö>ft, in mögüdfyfter türje aufjnjeid^nen , bie ic^ mid^ oft ju tefen

oer^ftid^tete, nnb bie mir in aßen SSert)ä(tniffen ^ur 9?id^tfd^nur bienen

Page 180: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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toerben. 3$ üBerfdfyrieB fte „ 2eBenSrege(n;" e$ finb acfytunbadjtsig;

tfyeifö retigiöfe @runbfä£e, tfyettö 23eoBad)tungen in SBe^ug auf midj unb

anbere. — 3)er SHItoattenbe totrb mir «Stärfe berteifyen mir fetBjt getreu

jtt feim.

20. 5iuguft. -3$ toeiß tttd^t toelcfy ein £>ämon mid) in biefen Sagen

lieber £ur ^oefte ^urüdlocft. 2Tudj oorgeftem jetdjnete tdj ein £ieb auf:

„£)ie Duellen." (58 ift in £)acttyten, unb flog mir letdjt bon ber geber.

2luS einem früheren mit berfel&en IteBerfdjrift, bem aBer eine anbere 3bee

ju ©runbe lag, ftnb nur bie jtoei testen ßdkn ber erften «Strome in

ba§ neuere übergegangen , bem ber (Sebanfe ^u ®runbe liegt bafj ber $tei§,

ba$ ©treBen nad) Söiffenfdjaft nnb Ihmft, fd?on atiein Molmenb unb ebel

ftnb, toenn audj (MM unb Talent biefem ©treBen ben ertoünfdjten (Srfotg

oerfagen. Vielleicht ift e$ mein gall.

£)aBet Befcfyäftigt mxfy forttoäfyrenb bie SBotanif. Stuf ber @rinbetafye

fanb tdj eine (Sngiangattung , bie bon ben oerfcfyiebenen Slrten bie ^fdjranf

anführt, ber g. punctata unb asclepiadea am är)nüct)frert ift, bod) mit

feiner ganj gufammengutreffen fdjetnt. ÜDte SBdtnte ift rötfyftdj unb fcfytoarj

punltirt, tyat aBer nur einen (Griffet unb mehrere Stützen, bie icfy babon

unterfucfyte Ratten ftatt fünf, fedbS Bi§ fieBen Sräger , bie beutftd) jufammett*

getoacfyfen toaren.

25. Sfrtguft. ©n Foliant au3 be$ Pfarrers SiBtiot^e!, ber unter

bem ^ttet Philosophia eclectica bie (Elemente mehrerer SBtffenfdjaften

enthält, Befäfyäftigt midj längere 3eit. 21fa$ ben foSmogra^ifdjen unb

rtfyftfdjen SIBfyanbtungen machte idj lateinifdje Sfogjüge. 2Benn mein

Slufent^alt fjter länger bauert (tdj l)aBe um fedjStob'djentftdje Verlängerung

meinet UrtauB§ geBeten) , macfye idj tmdj oieüeicfyt aucfy fyinter bie (Geometrie

in bemfelBen- 23ucfye. Steine 2öi§Begierbe nimmt bon Sag ju Sag ju.

S)te ©Triften gegen bie ^reigeifter geBen meinen @eban?en eine

heftige Sftidnung gegen bie Bigotterie.

S)te IMauBSberlängerung ift eingetroffen.

@o Bin id) benn abermals frei, unb ber gefürcfyteten ©klinge ent*

rönnen. Q?8 ift mefyr als idj berbiene.

©djtflerS äjltyettfdje unb ptyttofopljtfdje ©Triften lieber ganj burcfy*

gefefen , mit bielem Vergnügen unb , tote id? fyoffe , nicfyt ganj olme 9ht£en.

Vieles gieng mir aff^n nafye, um nidjt lebhaft ju intereffiren. £)er

©ttyt ift unbergleidjlidj.

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$on (Sd)lierfee einen SluSflug nctdj £irol gemalt; ^unädtft üBer

@munb nad) £egemfee. SDort fanb id) einen au« §arnier3 §aufe mir

fdjon BefannteU Sftaler, SöafyrenBerger, mit beut id) biet über fämjt fbrad),

unb ber mid) ermunterte ba3 3^i(^nen lieber oor^unefymen, ioo^u er mir in

SJMndjen felBft an bie §anb gefyen tootle. %li<fyt$ tonnte mir angenehmer

feim als, fei) eS nnr burdj einzelne Umriffe, meinen Erinnerungen nadj=

Reifen, otelleicfyt tie§e fid) aud) burd) UeBung unb gleiß ettoa« tlmn —aber bie Seit, bie ßdtl

UeBer ©gern nadj ftxmtf), burcfy ba3 2ld)entf)af nadj 3enBadj, ton

ba jurücf nad) ©cfylierfee.

£über fcfylägt mir bor ^Diplomat ju n>erben. tiefer £aufBa!m Bin ^-*

idj IfeineStoeg« aBgeneigt, Befürchte aBer nid)t gefügig genug ju feim. 3n

2ßir!(i(^!eit toürbe id) freubig biefe neue £aufBa!m Betreten. Sd) toürbe mtdj

in einer 3trt neuen unb ernft^aften 23eruf§ üBen, meine Gräfte toürben

anftrengenb oerfudfyt toerben, tdj mürbe ein Beftimmte§ gad) ergreifen, unb

in biefem midj nadj Sftöglidfyfeit auSBitben. — 3)tefe 9tu$ftdjt auf eine

tolö'£lid)e Söenbung meinet ©cfyttffafö fyat bieten 9?eij für midj.

Stuf (Spaziergängen entftanb eine boetifdje (Sbiftet in 3)tfitdjen an

@ruBer. (Sie fyanbett bon meinem £anbteBen , meinen Söanberungen, oon

§ora§ unb meinen eigenen frud)ttofen 2)id)terBeftreBungen.

9ftit einer 23rä'uin au$ 9)cundjen, bie mit ifyrer Sdjtoägerin , bieten

$tnbem, §ofmeifter unb @ouoernante einige £age im $fankaufe toolmte,

bann einem £)octor <Sei£ au3 äftündjen unb feiner grau — unterhielt

idj mid) ganj gut.

2lu3flug an bie £iroter ©ränje. ,3uttäd)ft nacfy &, brci ©tunben

Oon (Sdjtierfee. 35on geitenBadj an gewinnt bie @egenb immer mefyr an

§eiter!eit. (Sin gan$ anbereS $tima fyerrfdjt fyier jenfeitS ber 23erge. 3)te

(Srnte toar Bereit« borüBer, toäfyrenb Bei un3 nod) bie gelber toogen. —•3n fangen gurdjen falj idfy bie menfcfyenfreunbtidjen Stämme, au« beren

heften bie Pflaume, bie SSirne, ber 9lbfel, tt>rer 9?etfe fidj nafyenb,

fyeraBfyängen. $eme büftere £annenbtyramibe toarf Ijier ifyren Betrübten

©chatten auf bie fonnigen Söiefen; nad) allen (Seiten oertljetten alte

ftämmige (Sieben üBerall bie SmiQt. £)er fdjone 2öudj3 be« SftufjBaumS,

nidjt minber fyaufig, mafynt an bie übbigen (Sdjibei^ertfyäler , unb locft

bie Stuben unter fein toofylriecfyenbe« SauBbad^. — £>iefe (S^ilberung gilt

Befonber« oon ber (Segenb um 53rannenBurg , ein ^retyfing'fdk« ©c^tog.

5ßtatcnS 3:agebud). 11

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162

@ebidjt in £>iftidjen: „2ln bie neue <Sdjule."

— DctoBer. -3d) oeränberte unb oerBefferte ba$ ©ebtdjt, baS icfy an

£über fdfyicfte um oieleS, oBgteidj idj eS fdfyon für IjjalB ootffommen fytelt.

$on ber giftet an ©ruber fdmitt tdj mehrere 35er§reil)en ioeg , unb anbere

feilte id). 3u9*e^ ^a^ e «fy e^ @ebid)t int £erameter üBer ba8 fommenbe

©äcularfeft ber Deformation ^u 8tanbe geBradjt SS ^et§t „§tmtne ber

(Genien," ioeit eS oon ben Genien ber Religion, beS BaterlanbS unb

be§ -öaljrfyunbertg gefprocfyen wirb. 2oBfprüd)e ber Deformation enthält

e$ ntdjt fo faft; e3 biente mir oielmefyr einige meiner ?ieBling£ibeen

au^ufpredfyen.

— £)ctoBer. (Sin ©ebicfyt gemalt, gteidfyfam eine Slnrtoort auf SüberS

ißrief, ober eine 3urücfnal)me meiner eigenen 3)iftid)en, „toerifa." (£$

fyeigt „2öiberruf," unb ift in gereimten £rod)äen.

— DctoBer. £)ie Sttenfdjen finb bod) immer anjie^enber al§ bie

9?atur. 3)e§fyalB freue id) midfy meine ^reunbe in 9ttünd)en toieber ju

feiern §ier feffelten mid) ^flan^en unb (Steine unb 23äd)e, nidjt bie

umgeBenben Sftenfd^en.

fStütt^ctt*

3)alT2lrmi ift ein gar oerfprecfyenber unb toürbiger junger 9#enfd).

@r benft frei, toie alle ©roggefinnten.

£)en 5lBenb Braute id) mit £über $u. ®r &eigte mir bie ©teinaBbrücfe

einiger (Semälbe ber fyiefigen Batterie, worauf er fuBfcriBirt fyatte. (Sr

(ieBt bie fünfte. 3dj lag mit ifym audj ben feiten ©efang beS Essay

on man, ben id) il>m erflärte, ba fein (Snglifdfy nodfy nicfyt fo toeit reidfyt.

— £über §at feine politijdfyen $orurtl)eile aBgefegt (Sr toünfdjt nidfytS

als ^rei^eit unb Bereinigung £>eutfdjlanb3.

-3cfy toar in ber Harmonie, unb erftaunte üBer ben wa^r^aft reootu*

tionären @eift, ber in ben meiften 3e^!^riften fyerrfdu\

— DctoBer. $lage üBer geitmanget.

33ei ^ürftentoertfyer $ö(bernborf3 (Bdjtoager , 23aron <2ternBerg, fennen

gelernt.

Page 183: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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£)te „§tymne ber Renten" toirb Bei Zentner in 9ftimd()en in 150

(Sremptaren gebrucft.

2(m £age oor meinem 21ften ®eBurt3tag, 24. DctoBer, erhielt i(^

juerft eine meiner poetifdfyen 2lrBeiten gebrückt. (§3 ift baS bocfy immer

ein eigene^ @efüfyt, Weit ba§ Ungleiche nnb 3nbioibuefte ber (Scfyrift^üge

baBei wegfällt 2)a3 ©ebidjt fetBft Bleibt ein nnBebentenber 3ugenboerfucfy.

ÜDen bigotten wirb e$ ein ©ränel feim, nnb bie üBrigen werben benlen

baß icfy ben ©ectengeift anfachen Wollte , Wag fo Wenig meine 2lBficfyt war.

3lm 24. DctoBer. Sftöge Vernunft mefyr a(3 je meine ^id^terin

fetm! ©neu guten, oielmefyr einen Weifen äftenfcfyen au$ mir jn Bitben,

muß immer ber ^pauptjWecf meines £eBen£ feiw. — ©oft icfy wirftid) ein

üDidjter werben?

3)ie (Sremplare werben fofort oertfyeitt. 3cfy fdfyicfte beren an bie

©ftern, an @ruBer, an $ri£ $ugger. <Sdjtid)tegroH , bem idfy 25 gegeBen,

Witt baoon an 3ffe( unb @uftao 3acoB3 Beforgen. %u§ S)aMrmi,

$erg(a3 , @a3 , £ieBeSfinb erhielten Welche. S3et $rau o. «Stäben erWarB

icfy t>tel ©fyre bamit.

3In biefem meinem @eBurt§tag fange tcfy an ein calendarium sen-

tentiarum ju fcfyreiBen, in ben icfy tä'gttcfy einen teBenSweifen ©prucfy

eintragen Witt.

£>er.£)Berft meines Regiments Befyanbett micfy mit gemeffener (Strenge.

(gBen ju biefer $ät erfdu'en ify einmal ju fpä't Beim (Srercitium ber keimten,

unb erhielt beßfyatB acfyt Sage fceft.

2tucfy @c(mi£(ein erhält ein (gremptar. @ruBern Wirb ber $kn mit*

geseilt $u @unften ber natürüdfyen Religion ein bibaftifcfyeS ©ebid)t in

£)ctaoen ju fdjreiBen.- £)er 23rief fagte unter anberm: Oft, id) geftefye

e£, fü^te idfj eine große $raft in mir , tdj werfe bann ben $el)be^anbfdntfy

hä oor unfere ganje je£ige 2)icfyter]ugenb. -3cfy gtauBe bann, eines

©cfywungS fä'fyig 31t fetm ben fie nidfyt erreichen. Sfäfj finbe in ifyren

®ebid)ten 23er3 auf $er3 bie Wenig ober gar leinen ©inn fyaBen. 5lBer

ein anbermat oerftummen biefe -Sttuftonen wieber; icfy fyöre eine Stimme,

Welche wahrer ift unb weniger eitel.

3)er 3Serfe^r mit £über unb ^ßergtaS ift fyäufig, audj mit ©cfyücfytegrott,

baju ift Lieutenant Sßcmmter Oon ben (£t)eoaukgerg , einer meiner äfteften

Gelaunten au8 bem fabettencorpS in 9JMncfyen.

Sftafy bem 2lrreft Befiel midj bie ©elBfucfyt,

11*

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§omer, $irgil, §ora$, SeroanteS befcfyäftigen midj forttoäfyrenb.

3$ lefe Hemers 2el>rbucfy ber allgemeinen ©efdjtdjte, um mix toieber eine

oollftänbige Ueberficfyt ber Uniberfalliiftorie ju oerfcfyaffen. %xau ». (Stäben

lielj mir bie Essais de Montaigne.

3dj lefe 23erenl)orft'g „Betrachtungen über bie $rieg§funft." 2)iefeS

23udj ift genial gefcfyrieben , ^iefyt gegen ben tleinigfeitSgeift ju ^etbe, unb

gibt fonft gute «uffölfiffe.

$htd) bie Avantures de Joseph Pignata lefe idj Unb ftnbe bie

@d)icffafe biefeS £)bfyffeu8 im kleinen nid)t gan^ unbemerfenStoürbig.

SBoltaire'S Mort de Cesar gelefen. £)ie ©eidjttyett unb Unnatur ber

fran^öfifcfyen 23ül>ne fällt mir täglid) metyr in3 2tuge, je mefyr ficfy mein

@efdmtacf läutert. Voltaire barf ftd) nidfyt mit Corneille ober Racine

vergleichen , mag fage id) bon (Stiller ober ©fyaffyeare. ©fyaffpeare'S

Gtafar unb ber feine!

5ludj sJfatfyan ben SBeifen fyabe id? mieber gelefen. ®ie 3been barin

^aBen mtd) immer angezogen, unb finb toertfy jebermann an^ieljen; aber

afö ©cfyaufyiel betrachtet ift e3 faum leibltd).

19. *ftobember. Les Saracenes en France, §elbengebicfyt, ruft

meine Neigung ein (Epo3, unb jtoar über üftcfyarb ^ömen^erj, §u fcfyreiben,

lebhaft jurücf.

£)ie ^econoategcenj gibt mir, toetl fie mid? bon 3)ienftgefcfyäften

befreit, äftuge ju ©tubien, unb bod) barf icfy bei günftiger SBitterung

täglich einigemale frifcfye 8uft fdjöpfen, toaS mir um fo angenehmer ift,

ba ict) e§ im dioil tlmn barf.

Qa^u fommt noct) ber häufige 53efudt) ber fjreunbe, £über3, @a3,

<Sd)lid}tegrolt3, $ergta&

3dj meiß gar fefyr ben Sftatfy unb bie SBei^^ett älterer unb erfahrenerer

S[Renfdt)en ju fd?ä£en, aber id) glaube bod? baß eine ßtii für ben Jüngling

fomme, mo er felbft ba3 ©teuer feiner fünftigen 53ilbung in ben §änben

galten, unb fid) bem ©c^utjmang entfd)tagen barf.

£über §at eine ©teile in ber ^iftorifdt)en 2lbti)eitung be$ topograpfyifdjen

SBureau'S erhalten, unb ift fo bom S)ienftjtoang frei.

5luct) bie gute alte 9#abame datier befugte mid) fyeute.

©cfyillerg breijjigjäfyrigen Sftrieg mieber gelefen, unb er 30g mid) fefyr an.

(§8 ift bod) ztrotö ganj anbereS , toenn ein genialer unb pfyifofo^ifdjer $opf

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ftd) an bie ©efcfyicfyte madjt, als ein trocfener ©ammler, ber ftcf> burdj

feine unfrudjtBare ©cfyreiBart für jebe fetner fd)ä§en$wertfyen 9ftittfyeihmgen

mit einer SfrtWanblung beS ©ä'fynenS bon <&tik feinet £efer£ hqafyt mad|i

2)ie fyiftorifcfyen 9TBfyaubmngen be8 fteBenten SBanbeg ber (ScfyiHer'fcfyen

SBerfe (efe id> ber ä^ttfolge nadfy mit ber Uniberfatfyifiorie Don ferner

(SdnUerS 2tntritt3rebe in 3ena nnb fein Sluffajs über bie erfte 9ttenfcfyen=

gefetffdjaft (äffen mcfytS $u wünfdjen üBrig.

3nm (§bo§ berliere id) ben Wbxfy, BefonberS Wenn id) ben §omer

lefe, fefye mid) aBer eifrig nad) ben Quellen ber @efd)idjte $ftd)arb8

SBtoentyerj um.

25. 9?obemBer. 3)tc £>tymne Würbe in ben „ (£orrefbonbenten"

eingerüdft.

@ruBer8 teBfyafte Aufmunterung »eranlagt bag ein groger £fyei( be$

*ßlane8 ju bem SeBrgebicfyt üBer uatürtidje Religion aufgezeichnet, nnb

fogar bie SBorrebe baju gefcfyrieBen würbe, dagegen trat ba$ (S^oÖ

ganj jurüdf.

9?un reift ber $lcm einige ,§eit auf einer Uniberfttat jujuBringen,

um midj ber bibtomatifdjen SaufBafm §u wibmen. 3dj benfe barüBer mit

DBerftatlmeifter b. Regung ju fbredjen, unb ju berfud^en nadjträglidfy bie

jäfyrtidfyen 600 (Bulben ©tubiengelber $u erhalten, bie jebem $agen bom

tbnig gejagt werben, unb bie idj burdfy meinen (Eintritt in bie Armee

öerfdjerjte. 3dj Witt bann nadj Söür^Burg geljen.

9ttenbe($fofynS p)äbon Begeiftert midj. Söetdj ein GEfyarafter biefer

©ofrateS! 9fttt melier ftegenben (ätoquenj wirb man bon SöeWeiS $u

^Beweis getragen ! 2Bie bortfyetlfyaft unterfd;eibet fid^ biefe ©ofrattfdje Art

ju bfyitofobfyiren, bie ®efbrädj$form, bon unfern neuern Vorträgen üBer

$fyi(ofobfyie

!

28. 9?obemBer. £)a3 £efyrgebidjt foE nidjt in Dctaben gefcfyrieBen

werben, fyäfö weit e$ unbaffenb feim würbe in einer reimarmen @brad)e,

Bei einem Sßerfe Wo ber ©ebanle ber ^ß^antafte ben Sftang aBlaufen fott,

fid) ber §errfdfyaft be3 9£ehtt8 ju unterwerfen , t^eifö inSBefonbere weil

Bei einem folcfyen ®egenftanbe ba§ ewige ABreigen unb ^Bieberanfnübfen

beS $aben3 , wie e£ bie adjtjeütge ©tanze forbert , unerträgtidfy feint würbe.

3cfy Wählte bafyer reimtofe öamBen, ein 3D?etrum in bem icfy mid? unge=

jwungen Bewege, unb ba$ gew ig feine ©djönfyeiten l)at unb fyarmontfd)

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tymfltefjt. £>a3 ©attje fi^ftetnattfd^ unb in einem forttaufenb jn Bezaubern

üBerftiege meine Gräfte. Um regeftofer 3U Serben, mugte e$ tn mehrere

Xfydti verfallen. 2)te (Sptftetform festen mir bie Befte für biefen 3toec^-

3d) Brauste mein* als je einen erfahrnen 23eoBadfyter, ber mir fagte

oB td) ^ur ^Scefte üBerfyaupt nnb $n mefdfyer (Sattung idj Talent fyätie.

SDte fritil Beamtet fo manches, mag bem $erfaffer [0 teidjt entgeht.

3. ÜDecemBer. 2Bä^renb ber (Senefung Bei noefy fdfybnem Söetter oiele

große (Spaziergänge, gemöfynlidj ben §ora^ ai% Begleiter.

(Stnmat nadj ^arladjing. 3)er 2Beg ift einfam um biefe 3 eti, nnb

mir um fo (ieBer. 3)er SBinb faulte im bürren <Sdji(f ,pfeifgerabe glitten

bie föioftt, mit §0(3 nnb ßßifiw Belaben, üBer bie $(äd)e be8 rei§enben

Stoffes. £)ie 23irfen Bewegten ü)re bünnen , lauBtofen 5Tefte , fyie unb ba

prangte eine tiefer im ©dbmudfe ifyreS etoig grünen Qafye®.

3)a3 ^ortugiefifcfye fyaBe tdj mit (Srnft oorgenommen, nad) ber ©ratm

matt! oon SÖagener. (Sine @rammatif bändet miefy burd) ®emofynfyeit fo

intereffant mie ein Vornan, toenn fie ntc^t ganj ungeniat gefdnüeBen ift.

(ginigeS Oon Voltaire gelefen. SBoltaire'S latente mirb niemanb

oerfennen, aBer fein ®eifr mar nicfyt reid) genng um fo oiefeS fyeroor*

juBringen ate feine $eber jn fdfyreiBen BelieBte. (Steige 2Bteberf)otungen,

matte, feilte $erfe.

üftandjmat Befcfyäftige id> mity einige meiner poettfdjen arbeiten

auszufeilen.

steift oerrätf) meniger ^ßoefie a($ 23etrad)tung ber 9?atur. ©ein

@ebtcfyt ift fefyr fd^äisenSmertfy, menn man bie 3eit Bebenft in ber e$

gefdnieBen mürbe, (gr tfyat oiel für bie ©pradje — unb mürbe fein BefteS

noefy gefdfyrteBen fyaBen.

14. £)ecemBer. Self-control, a novel in 3 vol. Sin burd) ©dfyreiBart

unb »ertreffücfye (gfyarafteriftif ausgezeichneter Vornan oon einem unge=

nannten grauenjimmer.

15. 2)ecember. §ume'3 Essays and treatises. Vol. I.

22. 3)ecemBer. ffllU $e§(ing üBer meinen SBunfc^ auf Unioerfitäten

ju gefyen gefprodben.

(Sine 2Ir6eit ooßenbet, oon ber icfy nodj fpredt)en mitt.

24. DecemBer. 3um erftenmat in biefem -3afyr @${fttf$i$ gelaufen.

Page 187: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

167

25. 3)ecember. Scfytoad)e §offmmg mit meinem $tan ju ftubieren,

burd^ubringen.

2Bie tonnte idj audj erwarten gtürf(td^er ju fcjn at8 meine nmrbigeren

^reunbe? 2öurben nidjt SüberS $(ane vereitelt? $am ^ßergtaS, ioie

er toünfdjte nnb glaubte, nadfy ©Öttingen? Söirb titelt auefy ©ruber bon

feinem Verlangen abfielen muffen?

26. £)ecember. £) baß idj midj ganj bem Stubium toeifyen bürfte!

Söetcfyer ©fer toürbe mid) befeeten!

2)ie am 22. angebeutete Arbeit ift eine $offe in $mtteloerfen gegen

bie geoffenbarte Religion nnb bie £l)orfyeiten be3 $atfyolici$mu3 gerietet,

befonberS auf SBerantaffung be3 GtoncorbatS, mit bem äftotto: Difficile

est satiram non scribere, unb mit ber 3wetgmmg an bie ^reunbe:

Un bigot y verra des crimes,

Vous ny verrez que la raison.

3)aS ©an^e fyat 762 $erfe, einen 5Ict fammt ^3ro(og. 3cfy fyahe an

Sdmi£tein gefdjrieben, um einen Verleger in Nürnberg ju finben. 3)er

Xitd ift: „@ieg ber ©laubigen."

2)ie ^erfonen finb St. $eter, bie Butter ©otteS, ber $e|er (ber

bie vernünftige Werfen oorftefft) unb bie arme Seele (ber Pfarrer oon

Sdjüerfee). ^ettenreime finb nitfyt gekauft.

28. 2)ecember. 3) ie (Sfoterifa oon 2Bünfd) von* ©ruber ermatten.

SBotleau'S Ueberfe^ung be3 Songin oom (Sr^abenen — enthält biet

gute ^Bemerkungen; bodfy liege fid) biefer Stoff ju unferer 3eit umfaffenber

bearbeiten.

1818.

1. Januar. 2öie unoofllommen bin tefy aU 9ttenfcfy (burefy 3**™$=

gejogenfyeit, Unbeljotfenfyeit unb Stummtyeit in ber ©efettfdjaft) , als

StaatSbiener (ba tdj ein fcfyledfyter Dfficier bin) unb als $oet (toafyreS,

reidfyeS latent fefylt mir ; biete Seetüre fyat meinem ©efdjmacf einen geioiffen

©rab ber 2lu3bttbung, unb Uebung ^ertigfeit im SBerSbau gegeben, ba3

ift alle«).

2BeiSl)aupt gibt ben ©efinmmgen be$ $e£er$ in ber $offe feinen

23eifaü.

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168

3- Januar, ©eBetgformel in jtoötf Werfen, nafy Sftitternacfyt bort

ber SKunbe fyeim fommenb gefdfyrieBen.

9ftcm mag cö ©djicffat über SBorftcfyt nennen, genug, e8 ift eine

9tta6t bie aucfy unmittetBar in ba& menfdjticfye £eBen eingreift.

5. -öanuar. $idjte'3 Sfteben an bie beutfcfye Nation mit SSenmnberung

getefen. £)er rebticfye gtcfyte enttoicMt atte$ mit bfyitofobfyifdjer @en>anb%it

unb batriotifdjem (Stfer; feine 3been legt er feinen 3ufyörern anS §erj

mit ebler 23erebfamfeit , bie BefonberS aus ber legten Dtebe fyerborfcltfct,

aber biefe 3been BteiBen teiber ein £raum!

S)tc $offe mirb mehreren Befannt, 23ranb, 3Äajor Sßauer, bem

Slbjntanten be3 getbmarfdfyallg , £efuire. 2l(le Billigen fie; 3)atP2Irmi

finbet fie jn ftarl. 3d) benfe fortftäfyrenb an ^ßuBtication.

10. Januar. 2öeiSl)aubi flagt über bie (Seicfytfyeit nnb ©efyalttoftgfeit

ber neueren £>icfytcr. 2öo foHen biefe jungen unerfahrenen £eute Stoff

für ifyre 2IrBeiten fyernelnnen, ba fie mdbt.8 im $obfe fyaBen? SBtcteö

felBft feigen ober oteleö tefen mu§ ber 2>id)ter, fagte er.

14. -Sanuar. 2öünfcfy befinirt (Sott afö ben aBfofuten Sftaum. 2)a8

tft eben bie Mgegentoart ©otteS, bie fdjon ber «Sbrucfy £inne'£ fo fcfyon

barfteEt: Innocui vivite, Numen adest! ben icfy in meinem Sftacfyfbiete

anBracfyte, unb babon Begeiftert an mein 5IBenbgeBet bie (Strob^e fügte:

2öo mein ©eift $u beinern mag ftd) lj>eBen,

©tets bermmmft bu metner Sorte £>att,

3eben 9faum erfüüft bu, jebeS SeBen,

S)u Bift Bei mir, bu Bift üBerafl!

2öielanb3 UeBerfe^ung ber ^orajifcfyen Briefe. (Sie vertieren mit

ifyrem urfbrüngticfyen $er$mag % gan^eg (Sebräge, unb bie 2Bietanb'fcfyen

3amBen finb titelt $u loBen, moBl aBer bie geinfyeit unb ©enauigleit ber

UeBerfe^ung, unb ber gletg in ben 5lnmer!ungen unb im SBorfcertdjt.

18. -3anuar. Söetd^ eine gro§e 3bee, eiu beutfdfyer SonfuctuS ju

werben, b. I). unter ben @eBilbeten eine vernünftige Religion jur §err=

fcfyaft ju Bringen. §terauf Bringt miefy bie SSemerfung in einer SBottaire'fcfyen

©djrtft, ba§ baS 93otf in (Efnna an bem SIBergtauBen beS %o fyänge, bie

2lngefefyeneren unb 23efferen bagegen be3 (£onfuciu§ fdjö'ne unb vernünftige

9Korat Befolgen. Sin Sefyrgebtcfyt tonnte bieg auefy Bei un3 auSbrücfen.

Sä) fbrad) biefe Sbeen in ben brei testen ©tanjen einer 3lxet9nung

Page 189: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

169

beS „(StegS ber ©täuBigcn" an bie greunbe aus, bie idj, oielleidfyt mit

mefyr Sßegeifterung als irgenb eine metner anbern arbeiten, anf einem

(Spaziergang madfyte.

28. Januar, (Sin fteineS £ieb oon adfyt ©trogen in STrodfyäen : „2ln

bie £eidjtfinnigen," gebietet, an jene gemeinen, inbolenten Sftenfdfyen, bie

für nidfytS ©rogeS $u Begetftern finb, nur nadj ftnnlidjem ©enuffe ftreBen,

gegen baS ©taatSintereffe fid) mefyr ober weniger gleichgültig Bezeigen,

Sftenfdjen, beren man fo otele antrifft.

30. -Sannar. Die Poetae graeci gnomici in ber ©djäffer'fdjen 2luS=

gaBe Begleiten miefy auf (Spaziergängen. SßefonberS jtc^t miefy SttyrtäuS an.

1. ^eBruar. £>ie jwet erften ©efä'nge ber £ufiaben im Original

getefen. 2)aS gaB freilief) einen anbern ^Begriff äU bie matte unb untreue

italienifdfye UeBerfe^ung. Ütaffo oerbient ben SBorjug oor GtamoenS burefy

Slnorbnung, SRunbung unb forgfame SluSarBeitung, unb BefonberS burefy bie

reiche ©jarafterifitf. 3)em (JamoenS aBer f(Ö§t feine Jjofye SßaterlanbS*

liebe ein geuer ein, baS Xaffo nidfyt fyat. %vl§ l)at er meljr für feine

(Sprache getfyan; wer einen SCrtoft jum Vorgänger Ijatte, tonnte leidster

ein £affo Werben, damoenS' Blüfyenbe ^Pfyantafte, ber SBofyttaut feiner

©tanken fefcen ifyn unter bie erften £)idf>ter. Sftan gtauBt, feine Serfe

tefenb, eine rüfyrenbe äftuftf ju fyb'ren, bie fiefy in Ooflen £onen »on ber

(Srbe ju fyeBen fdjeint, unb langfam aEmäfyltd) in ben 2Ietf>erWotfen beS

Firmaments oerfcfyWeBt. (Sr ftünbe ba üBer £affo , wenn er nidfyt ^weilen

männliche SfteimauSgänge gemalt fyätte , bie gegen ben @eift ber portugiefi=

fdfyeu £>idfytfunft finb.

4. fteBruar. £>. (£l>riftian SDculler (in SeucfytenBerg'fdjett SDienften)

erbietet fidj ben £)rucf beS „@iegS ber @läuBigen" ju Beforgen. 3<fy

Will bamit meine £age nicfyt oerberBen.

SSiet SSerl'eljr mit £)racfyenfelS. 9ttit u)m „bie Slfmfrau," oon ®riU=

parier, gefefyen, eines jener mbftifcfyen, entfefclidjen ^robuete, baS mir

fefyr mißfiel

8. ^eBruar. 3d) Begegnete oor einiger ßeit bem fönig mit ber

Königin im §ofgarten. (Sr rebete midfj an, unb fragte midf) oB icfy ftubieren

Wollte, ba ifym §r. o. fefcling oon mir gefprodtjen fyatte. 3cf) appellirte

an feine @nabe, er antwortete mir ba§ er jufefyen Wolle WaS fiefy für mt<fy

tlmn liege. 3)en anbern £ag gieng icfy ju §rn. to. te§ting. Sd) fanb

Page 190: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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U)n wiber (Smarten bereitwillig; er rietl) mir bte SBittfd^rtft um bie ben

$agen erteilten ©tubiengetber fo balb ätS mögtidj ifym oorjutegen. £>ieg

t^at t$ nun vergangenen SJctttwodj, unb mein £008 wirb balb geworfen

fetm. ft'&Ut mir ein günftigeS, fo reife tdj Bio Oftern nad) Söür^burg,

maö idj feiner geograpfyifcfyen £age, feiner 9?ä^e Bei 2ln3badj, unb be3

HufentfyattS @ru6er8 wegen Oor^iefye. §ier werbe id) nun nocfy einige

SBüc^er tefen, bie mir bort nid)t $u.@ebote fielen.

®it 23laS getefen. (§3 ift bießÄ ber befte unter ben franjöfifdjen

Romanen, ein treues @emä(be beS menfcfytidjen £ebenS mit feinen ©djwadj=

Reiten, mandjfacfyen Reiben unb SBertuften, mit feinen ^reuben, bie wir

fo treuer bebten. . S)ie Stenge ber (£l)araftere unb Gegebenheiten jeugt

oon ben großen latenten beS SSerfafferS. £>ie repräfentatioen @()araftere

ber oerfdn'ebenen ©tänbe finb mit Stteifter^ügen angezeigt. £)od) verleben

einige Abenteuer alle Söafyrfd)eintid?feit , toaS ftd) ^ietbing nie ju ©Bulben

kommen läßt £>er (Sttyt ift fo natürlich, fo flteßenb unb leicht, fo ädjt

fran^öftfcfy, baß er bie ftrengfte $orberung befriebigt. 2lud) in biefem

Gudje wirb ein ftitleS Sanbteben im Greife ber ©einen ai% ber te£te

Söunfd; , als baS erwünfdjtefte ®lücf bejeid^net. £) fettg Wer je , toie @it

23ta3, über bie £t)üre feinet [nebligen §aufeS f(^reiben barf:

Inveni portum; spes et fortuna valete,

Sat me lusistis, ludite nunc alios.

10. Februar. $)er Glitf in meine 3ufttnft wirb trüb, £eibenfd?aftticfy

^atte icfy gewünfdjt bie Slrmee 3U oertaffen, eine Unioerfität be^iefyen ju

fönnen. 9^un rechne ify baß idj brei 3afyre ftubieren , bann eben fo lange

Werbe prafticiren muffen, um nur biptomatifdfyer <2teoe $u werben.

3dj fyatte bagegen bie 2)fttße meinet je^igen ©tanbeS , bie SDfoglicfyfeit

iäfyrtfdj oier, fünf Monate in Urtaub zubringen, unb werbe ungewiß

voa% fFlimmer fety, ber (£rercierpta£ ober ein (Stoß oon bieten.

11. Februar. £)ie £ufiaben befriebigen miofy fortwäfyrenb ; oortreffüdj

ift im ^weiten ©efange baS ©efprädj ber SBenuS mit bem -Supiter, im

britten bie ®efcfyidjte ber -ögnej be (£aftro , im oierten bie mutfyige Sftebe beS

•iftuno Slloarej. 5luc^ anbereS ift ju toben, einiges freilief) aud) ju tabetn.

9Jäcfy brauten W frönen ©tanken beS (£amoen$ in einer fo Weisen

<Spracfye wie bie portugiefifdje auf bie 3bee baß audj bie ^ranjofen biefeS

23erSmaß ju ifyren epifd^en @ebid)ten gebrauten fö'nnten. Qfy oerfua^te

Page 191: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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batyer bie erfte ©tanje ber Gerusalemme liberata in frdnjöfifdjen Dctaoen

ju geBen. ©te gefielen Bei ©djabeng. @o t>tel n>enigften§ jetgt ber $erfucfy,

ba§ nnter geüBten §änben bie Dctaoen ber fran^öftf^en ©practye ftd? gut

anfdjmiegen toürben.

$m 14. ^eBruar machte tdj ein portugiefifcfyeS @ebid)t : a despedida

(ber 2lBfdu>b).

3ä) fdjrieB ben Sxifyatt ^uerft auf ber 2öctdje in engtifd)er $rofa

nieber, um midj nicfyt oom Sfteim regieren ju (äffen.

15. ^eBruar. £ang$ „§ammeIBurger ^fteife" getefen. £)er $erfaffer

ift unerfc^i5^flic^ in guten Einfällen, unb e3 ift $u Bebanern toenn ein foldjeS

£ctlent für bie fomtfcfye Literatur verloren gefyt.

%Qtifyaupt ftoricfyt mit mir oon meinem $(an §u ftubieren, unb fügt

tym^u ba§ er fetBft ben STOitärftanb jebem anbern Oor^iefye, ba berfetBe

tro£ feiner anfdfyeinenben ©ftaberei ber freiefte Oon allen fety.

19. $eBruar fommt bie 33en)iHigung ber ©tubiengelber. Odj fbeulte

Zubern ba3 bor einiger 3eit gebidjtete £iefr: „2in bie -3ünger beS (Spam"

-3dj geBe mein UrtauBSgefudj auf ein -Satyr ein.

20. ^eBruar. £>ie ^ßope'fcfyen SBcrfc trieber getefen. $ope ift ioegen

feiner (£orrectfyeit , ©ebanfenfütle , Originalität ber Silber unb (Gteidmiffe,

unb feiner unüBertreffBaren $erfification einer ber fdfyä^Barften 3)icfyter,

jum ioenigften einer Oon benen beren £ectüre . einen fefyr reinen ®erat§

getoäfyrt. £)te Pastorais finb -ftacfyafymungen Birgits , unb audfy als foldje

fcfytoadj , bie ©logen biet Beffer, bie erfte, britte unb fünfte unnadfyaBmlicfy

fdfyön, bie Dbe am (£äci(ientage ton groger mufifatifcfyer SBtrfung. 3)te

Oorjügtictyfte unter ben 3ugenbf(fyriften aBer ift ber Essay on Criticism,

ein £efyrgebid?t, tote nidjt teicfyt eine anbere @prad)e är)rt(tct)e aufjutoeifen

})at (£3 fefct burdj bie $tarfyeit unb Sttctytigfeit ber 3been, unb bie

SBünbtgfeit unb (Genauigkeit ber 2lu3füfyrung in (grftaunen, BefonberS aBer

burdj bie teilte, auSbrucfSbotte , burdj ben Sfteim nie gelungene $erfi*

ftcation. £)aS £oB ber bitten, bie ©dn'tbernng eines OoEfommenen fritiferS

gehören ju ben getungenften ©teilen.

„£)er £ocfenrauB" ift ba3 Befte fomtfdje <Sbo3 baS tdj Bis jefct getefen,

Beffer at§ ber £utrin unb ©reffet^ 5(rBeiten.

25. ^eBruar. £>er adjte @efang ber £ufiaben ift ioofyt ber fdjtoäcfyfte

bon aßen ; bodj fliegt er mit einer fd)önen 5lboftrobfye an ben (§igennu£.

UeBerfyaubt ift (£amoen$ BefonberS gtücftid? ioenn er btyitofobfyirt. 3m

Page 192: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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neunten ®efang ift $enu3' 33efud), unb befonberS bie 23efcfyreibung ber

bezauberten 3nfe( oom tebfyafteften dotorit. £affo fyat einiget barau$

benü£t. (5S ift awgteidj ^er £rium}?fy be$ %5$stijllcaxt% ber romanifcfyen

(Sprachen. £>er je^nte minbcr gut, med ^tftortfct) trotfen. £)ie $ermengung

ber griedjifcfyen unb d?rift(icf/eu ©ötterlefyre in biefem <5pcö tabelt Voltaire

mit Unrecht, ©ie ift uad) bem ©fcftem be3 3)id)ter§ fefyr annehmbar,

unb fann a(3 ein g(üdtid)er ($ebanfe gelten.

26. Februar. 3>3 9?acr;t$ im 23ette fiel mir £lö£üd) ber Sftame

£)boacerS ein, unb idj ergriff Ü)n ai$ einen fefyr gtüdtidjen @egenftanb

einer (Spopöe. ©r mar ein 2)eutfd?er , an ber @pi&e Oon 3)eutfcfyen machte

er bem abenbtänbifdjen ^aifertfyum ein (£nbe. £)er ©turj oon Dom fdjien

mir ein groger @toff, ber (£ontraft römifcfyer 2öetd)ticfyfeit mit norbifcfyer

Äraft eine reiche Aufgabe, unb bte norbifcfye 9Jtytfyologie , bie ftcfy in biefe

©efd)tdjte oerf(ed()ten lägt,

gibt jefyr poettfdje Materialien $u einer göttlichen

9ftafd)inerie an bie §anb, bie erft ba8 rechte £eben über ein §etbengebicfyt

ausgießt. — ©ofort mürbe (Gibbon Vorgenommen, balb aud) ein paar

Fragmente ju parier gebraut. 2lu§ ber unooüenbeten §arfe 9ttabomet3

foü einiges in ben Dboacer übergeben.

3ä) bin nidfyt meljr fo jung , baß ify nicfyt toentgfteriä an bie erften

(Schritte 51t einem folgen Söerle benfen bürfte. 2öa§ fyitft e3 auefy

bie oötlige Läuterung beS ©efcfymadS abjutoarten, toenn unterbeffen ba8

jugenblidfye ^euer ber Begeiferung »erglimmt ! 2ludj toürbe ja ba§ beginnen

einer folgen Arbeit tfjre SBoftenbuug erft naefy -Sauren oorau3fe£en. (Sinen

nidjtbeut[djen §etben tooEte icfy nidjt toasten, in ber beut|d»en ©ejdjidjte

jogen midj bie Bitterkeiten nidjt an, unb ftnb aud; ber Dichtung nid)t

angemeffen bie mein ©eift unb @tfyt genommen. £)ie ^reu^üge Ijat an

größerer gefungen. 3)ie $eiten ber Deformation fdjienen mir ^u mobern,

unb fteüen bod) am ©nbe ba3 SBaiertanb nur in innerem 3*oift unb

trauriger ^efybc bar.

5. SÄärj. -3d; fcfye ernft in bie gufunft; bie Arbeit bie miefy ertoartet

ftette id) mir in ifyrer ganzen ©cfymere oor; aber bie 5lnftrengung ber tefy

mid) unterwerfen muß, mirb eiuft bem <&taatt ju gute fommen.

7. iDcarj. £t)(anber fommt auf 23efucfy nad) Münzen. 3)rad>enfe(§

gefallt mir mefyr unb mefyr, gebitbet, gereift, Oon jiemlicfy angenehmem

Beugern oon leichter, abmed)fe(nber Unterhaltung, in ben 2lnficfyten oon

•D^ufif mit mir ftimmenb.

Page 193: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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11. Wäx%. Da« Sftanufcript „venu de St. Helene" getefen. Die

Energie unb $ür^e be$ @tfyl8 cntf^rid^t ganj ber treffenben Originalität

ber -3bee. ©elfcft bie SBerBredfyen ftttb auf eine grcge %xt entfcfyutbigt.

Die $oefien bon SBincen^o üftonti. (gr toergigt über bag Sttufifalifcfye

ba$ Jftaftifcbe ju fefyr. 2IHe [eine ©eftatten gleiten bem 9?ebefgott DfftanS.

5lud} fefylt e8 itmt an -3been unb ©djtowtg; [eine 25erfification burdfyauS

tobenStoürbig , in [einem £rauerfbiel Slriftobemo eine reine, einfache

©cfcreiBart olme alten ©dfynmtft nnb aHe 5tffectattott. Dag (Sujet aber ift

unglürftidfy getoäfytt, abgebrofcfyen , otme toafyre 3ntrigue.

Süftotiere'3 Femmes savantes gelefett. 3<fy fyaBe bie (Ebba bor mir

liegen, um ttttdj in bie (caubmabtfdje äfttytfyofogte eittjutoettyett, eine müfyfame

unb bertoirrte Arbeit.

13. 2ftärj. Les ruines, par Volney. (Sie paffen §u meinen

betfrtfdjert Slnftc^tert. @a3 läßt fid> babon überzeugen. £eobotb SBetben

aber, mit bem tdj über 2luguftin3 (£onfefftonen fbradfy, erffärt ftd? als

gläubiger (ST^rift, fdjäfct tß ftdj $ur (Sfjre Voltaire unb Sftouffeau nidfyt

getefen ju fyaben, unb ftrtbet bie ^rübener [aft botlfommen vernünftig.

16. %)lär%. SBebenfen Ijtmjtdjiltdj DboacerS, bon bem (StnjeftteS nieber=

gefdjrieben ift. <So oft id) an ferner benfe, finft mir ber SD^utt;. Die

(Sinftedfytung ber fcanbinabifdfjen ©ötter jeigt ftdj a(S BefonberS fdjtoierig.

Denn bie fcanbinabifcfye 9Jtytt)blogie ift bunfel, bie Umriffe tl)rer @ötter=

geflattert fdjtoadj, Bei bieten SöegeBenfyeiten be$ ®ebid}t§ taffen fie ftdfy

gar nidfyt geBraudfyen, bie (Scette ift m'djt im Sorben, fonbern in Stalten,

too Dbing @tauBe nidjt fyerrfcfyt, ertbttet) ift bie fcanbinabifdfye 9Jtytljotogie

ju wenig Begannt.

(StammBucfyBlatt für $ergta§:

gotge ben Neigungen, folge ber $unft , unb tooljm biä; ba§ $erj treibt

,

Stber bor attem gejiemt'g, -Ku^en ju bringen bem (Staat,

©taube bem ©otte in bir, ober glaube bem @ott» ber ^ßriefter,

StBer bor allem gejiemt'S nHfe ju werben unb gut.

£aft bu bem Sofyt ber ©emeine geopfert bie eigene 2Bobtfabrt,

(Sttrig lebft bu bann, toenn auä) bein S^ame bergest.

SBliebft bu bir fetber getreu , unb betoaljirteft bie «Seele bor 3*biefbatt

,

O bann ftirbft bu berfö^nt offne Vermittler am $reuj!

Wm 20. Wdx% auf ber 8?etfe nadfy SBürjBurg in Augsburg, too

idj ©ombartS Befugte, unb mit Bfytanber bie ©emätbefammlung auf bem

Page 194: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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Sttatf^aufe fcefafy , bon ber mid) bie altbeutfcfyen 23itber BefonberS anjte^en.

3n monbfyetfer D^ac^t an 3)onaumörtl) borBei, idj Betraute bett fd){adjten=

freien dürfen beS (Sd)eüenBergS.

Sbn 23. 9>cär$ na<$ SfoSfca*.

28. SD^ärj. $on .Bcit $u 3ctt entfielen einzelne ©trogen beS

£)boacer.

,

Slm 30. Wdx% fommt ein ©efcfyenf bon 10 SowtSb'or bon ber Spante

bon §annober; bte Butler fdjettft mir ba3 (£onberfation$(erifon, ein

äugerft Brauchbares 2mcb, nnb du Paty lettres sur lltalie.

-5m JSortugiefifdjen Bebeutenbe fjortfd^rtttc gemalt.

3. Sfyrtt bon 2ln3Bacfy ab.

3n 2Bür$ur(j logtrte ict) midj in ber <pirfd)abotf)efe auf bem £)om=

bta| ein.

5. 2lbri(. ®enera(commiffär b. Äecf embpeng mid) fe^r fremtbltdt);

er geftattet ben (Stubenten ben ©eBraua) feiner 23iBliotfyef ; $ftegienmg§s

birector b. Sftteg, ein guborfontmenber,

geBitbeter äftann.

8. 2lbri(. ^rorector ^oüinger mact)t mir ©cfymierigfeiten megen ber

3mmatricu(ation , forbert (Stymnafia^eugniffe , bodj lönne td) bribatim Bei

ben ^uofefforen fuBfcribiren. -3cfy Befege Bei $fou Zoologie unb 23otanif,

finbe einen artigen unb juborfommenben SDcann; dtoa$ troefner SSrenbet,

Bei bem tdt) mid) für beutfdje ©efdjtdjte unb $b(ferred)t fuBfcriBirte.

13. 2Ibri( fuBfcriBirte idt) Bei SBagner für -3bea(- unb DcaturbluTofobfyie.

£>ie erfte ©tunbe biefer $ortefungen mar mir fefyr intereffant. SBagner

erklärte bie $$fcfi>p$e als SBiffenfcfyaft be8 », afe Butter ber SBiffen*

fdjaften, in bereu @d)oo§ bie übrigen nadj bettiger SluSbtfbung jurücffefyren

müßten. (Sr fefcte ben Untertrieb jtbifdjett Religion unb $§tfofobtyte

auSeinanber , unb fbraeft, bon jener $eriobe be§ menfcfytidjen ©eifteS

meldte bie Jkriobe beS ftmäftfä ^ei|t. SJcan muffe enttoeber finb(id) unb

argtoy Bei ber Religion beharren, ober burd) tk -ßiuTofobljiie toieber ju

ifyr jurücffefyren.

Page 195: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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2öagner3 Organ ift ntdfjt gtütfticfy, er fbridfyt burdj bie -ftafe, fein

3)iateft ift nidfytrein, bod) barf man ilm berebfam nennen. (£r rebet laut,

beutltdj, nnb tyat tiefen 9£etdjtljum ber 2lu3brütfe.

SftücfertS ariftobfyanifdje (£omöbie über Bonaparte gelefert. «Sie mag

geiftreidfy fetyn, ift {ebenfalls fefyr lunftticfy, aber groge boetifcfye Anlage

fcfyeint mir rttdjt barin enttoicfett.

dagegen beurfttnbet fid) Defylenfdfytäger in feinem (£orreggio als

ein toafyre§ (Gerne. Unnad)al?m{id)e GEfjarafterjetdjmuta, , gtüdlicfy getoäfylte

Situationen; bie ©torac^e, einige ©erhärten nnb ^rooinciatiSmen abge=

rennet, fyat einen 2lnftricfy Von £eid)tigfeit , Sdmnutg, gebiegener Söiirbe

nnb Originalität, ben man nid)t mübe wirb ju betounbern. — gretßdj

ergebt ftdfj bieg Stücf nidfyt §ur Sßiirbe be3 Ijtftortfdjen £rauerfvieIS.

16. 2lvrtt. yi\$t gan^ jufrieben. Qfy vermiffe bie üXftündjener greunbe.

Brenbetn fefytt 2BagnerS Berebfamfeit nnb (Genialität , aber er fdjeint auf*

geftärt, liberal nnb Patriot.

Söagner etftärt ben Begriff ber (Gottheit fc: bie gan$e 2Mt ift in

-3beale3 nnb 9lzak$ geseilt. £)er 5ßwtft in ioetdfyem fie jnfammenfommen,

unb tooburcfy aud) beiber @egenfa£ erft errannt roerben fann, ift (Gott;

feine (Snttotdtung , ba$ Univerfum, ba3 etoig feVn muß tvie er fetbft.

3n (Gott fann roeber DtealeS nod) ObeateS vorfyerrfct)en, benn er mug

fäfyig fetm alte feine -Sbeen ju reatifiren, nnb alte§ SRtate mug er in ber

3bee überfdfyauen tonnen.

25. SD^ärj lanfte ict) bie Scr)äfferifd)en 5lu$gaben be$ £r)eofnt, be§

§oraj nnb beS 2Inafreon. £>a§ veranlagte bie SBafyt be$ 2lnarreontifct)en

SftetrumS in bem (Gebid)t „2)er grüt)ting getyt Vorüber" 2C, in roetcfyem

ftdj meine gegenwärtige Stimmung au$fvrid)t.

28. 5Ivrit. 3er) erfahre bag ict) 3m: -ömmatricutation eine§ (Gömnafiat=

abfotutorium§ bebürfe; v. 2l$becf riett) mir mict) an bie Regierung in

2In3bact) §u toenben, unb ^u bitten bag mir geftattet roerbe bie Prüfung

für biefeS 5lbfotutorium in SBür^burg ju befielen.

9ftan fann fiefy benlen toie mid) ber (Gebanfe betätigte mict) nun in

meinen Stubien mie alle anbern Stubenten controtirt ju fet)en, unb alle

vorgefdjriebenen Kollegien r)ören ju muffen.

29. Sltortt. Bei £i[d)e fag id) neben einem iD^ebtctrt Stubierenben

olvl% -ftieberfadrfen, ber bereite in Berlin unb -3ena ftubiert t)atte, unb

von 2Bür^burg noct) nact) §eibetberg, unb bann nact) 2öien unb -ötatien

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gelten wollte. (£r fyatte unter ber preu§ifdfyen (£aoaflerie gebient, unb bte

<Sd)tad)t bei Seile Htttcmce mitgemadfyt.

2. SDcai. $tan, auf einige 3eit nadj Statten ju gelten, um bte

Socatitäten für beu Dboacer einzufeuern 3$ lefe baju du Paty's lettres

sur lltalie, bte mir auSnefymenb genial fdjeinen, uub ber @oetljifd(jett

Sfteifebefdjreibung weit bor^te^en. 3eber Sörtef atljmet £iebe zur üftatur,

<Sd)b'nfyeitSftnn, liberale, toofyttoollenbe 2Iufftärung unb TOeixfd^ertliebe.

2)ie alte ©eograpl?ie StalienS ftubiere id) nad) £)'2lnbille'$ $arte mit

beigefügter (Srftärung.

$lud) -Sbeen gu bramatiftfyen arbeiten gelten mir burdj beu topf , bie

$arifer 23(utf)od^eit zum (Srempef, bie id) fdjon bor bierje^u Oafyren ju

Zu einer Sragöbie gemalt ^abe. (Sie foHte fid^ borzügtidj burd) treue

(£fyarafteriftif aug^eid^nen. 3n biefer @efd)id)te bin idj meljr als in einer

anbern betoanbert. tart IX., §einrid) III. unb IV., ber (£arbinat oon

£otfyringen, §einrid) b. ®uife, (Eotignty, (Sonbe, tatfyarma, äftargaretfya

b. $alot3 — toetd) ein Sfteidjtfmm bon ^nbioibualttäten

!

5lud) Cleopatra jie^t midfy an. 2)iefe$ (Stücf meinte icfy in pompöfen

£rod)äen zu fabreiben, bodj im ®efdmtacf ber bitten, mit einem (£l)or.

6. 9ttai. 2)ie Plegie gebietet: ,,§ord) toie bie 9cad)ttuft fpielt" :c.

— auf einem (Spaziergange.

23on Oboacer toerben bon ßdi $a 3«t Fragmente niebergefd)rieben,

bie tfyettö auf (Spaziergängen, tfyeilS in beu ftiften <Stunben ber 9cad)t

ficf> Bitben.

3d) fucfye beftä'nbig nadfy (Sinfamfeit.

Sismondi, De la litterature du midi de TEurope getefen. 3<fy

mußte faft burd)gefyenb8 mit feinen Meinungen übereinftimmen. £)ie

fpanifd)e Literatur mag im ganzen einförmig unb ofyne £iefe feim. (Sinen

(£amcen$ fyaben fte rafft, (Eatberon oerfd)afft oieüeid}t toeniger @enu§ at8

man glauben fottte. 2Benigften§ toeiß id) aus (Srfafyrung toefdfy eine

unerträgtidje Monotonie bie ^Iffonanjen nad; ftd) ziehen, (Sie befd)ränfen

bie ®ebanfen oiet mefyr als ber Sfteim. ($teidm)ol)t gefallen bie ben

Italienern entlehnten Sftaße nod) weniger, zum Krempel (ÜEanjonen unb

(Sonette. Qn feiner «Spradfye tonnte id) bem (Sonett @efd)macf abge=

toinnen. 2)te £)ctaoen finb immer fdjön, toenn fie nur nid)t, toie fo

oft hd ben (Spaniern, in leeres SBortgepränge unb concetti ausarten.

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5Di« Redondillas fdjeinen mir ba« fd^önfte fpantfc^e Metrum, t»enn fte

oiertoeife ^ufammen reimen.

3n ben ^ßftngftferien StoSfwg haäj Slfcfyaffenburg. ©ort ta« id) in

ben £>eibetberger blättern eine ftrenge aber gerechte Ärtttf oon SCRüÜner«

2)ngurb, tooburd) er in ber ©fyat betoie« baß er fein ®enie ift.

3m Petrarca gelefen. ©ine fabe £ectüre, biefer Petrarca.

(£ine Stoffüfyrung „ber ©djutb" gefeben. §ier »on siemlid) fdjtedjten

@cfyauf»ie(ern bargefteflt, fielen mir ifyre ^efyfer red)t (ebenbig in bie

Stogen. @S ift feine ^aturtoa^rfyeit in biefem (Stttcfe, bie ftete (Srtoäfy*

nung »on Teufel nnb §öHe täcfyerticfy, ber (Sontraft »on Sorben nnb

©üben fdjtef, nrib häufig fefyr übet angebracht; bie ©ternbenterei §ugo'S

burefy gar nicf>tö motioirt. ©er feierte Slct ift gan^ »ergeben«.

18. Sttai. Sto ©cfyttdfytegroll über ba« Söefen ber neueren $oefte.

©a« ©tubium ber Sitten fönne un« jtoar »ie( nü£en , aber e« toäre tijörtdjt

fte nadjafymen ju tootten. ©ie ^ßoefie ber Sitten nnb bie unfrtge fetyen

»erfdfyieben tote ^Slaftif nnb Sftaferei, in ber $oefie be« ÜJttttetatterS (ben

^rooeneaten nnb ifyren 9rad>fo[gern) f>errfct)e bie Söhifif »or. ©a« größte

©id;tert»erf unferer 3eit toürbe ba« feim, beffen (£fyaraftere »laftifefy tüte

§omer« gelben, beffen SBerfe muftfaüfd) tote bie ber ^rooencaten toären,

nnb ba« @anje ben (Sinbrucf eine« frönen ©emätbe« machte, ©ie größte

Stofgabe eine« neuen beutfdjen ©idjter« toäre , beutfcfye 3Ttefe mit fübüdjem

^arbengtanj ju »erbinben.

21. Wlai Stuf einem botanifdjen (Spaziergang* ben @ofm be« $räfi=

benten ©enffert , nnb ben ©octor $ed , einen Wagnerianer , fennen gelernt.

SJcit festerem fnüofte fidj ein literarifd^er SBerfefyr an.

23. 9Jcai. ©ie Opera di Niccolo Machiavelli angefangen ju

lefen. ©er Principe ift ein Sfteiftertoerf feiner Strt, burefy bie $ürje

nnb S3eftimmtr)ett toomit bie barin aufbewahrten SQcarimen ausgebrochen

finb. ©er getoötmtidjen Meinung ber SBerefyrer 9ftad)ia»eu?«, baß ba«

@anje Ironie fei) , nnberforicfyt ba« tefcte (£a»itet. @« toar 9ttad;ta»etfi

bamat« um bie ©nfyeit unb Befreiung Statten« $u tlmn. ©iefe fonnte

ntdfyt bureb einzelne Sfteoublifen , nur burdfy ein gemeinfame« ©berfyautot

erhielt werben , unb biefe ©teile einzunehmen festen ifym ber SDcebicäer am

taugftcfyften.

26. Sttai. Sftadn'aoetti »eranfaßt bie $rage an tmdj fetbft: $ann

id) loofyf ein groger (Staatsmann toerben?

9ß taten* Zaqtbud). 12

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3ct) toünfct)te nie einen $erS gemacht gu fydbm, fo toürbe iä) mict)

gang m bie kirnte ber SBtffenfd^aft werfen nnb eftöaö leiften fimnen, ba

tct) ®eifteSgaBen, b. t). $erftanb nnb @ebäd)tni§ Befi£e. &% t)ätte

Bttdj am ®emt§ frember ©icfytertoerfe Begnügen, nidjt fetBft dilettante

»erben feilen.

27. Sftat. S)te ^uBtication ber $erfaffung erregt mict) auf3 frenbigfte.

Sägern ift oieüeicfyt gerettet.

2. -3uniu§. £)ie oier $omöbien be3 SDracfyiaoeüi getefen. Sie geigen

toar)rr)aft fomifö)e§ latent, nnb BefonberS fcfyicft ftd) gu biefer (Sattung

ber naioe £on ber florentimfcBen Spraäje. 9ttanbragota nnb dligia finb

bie Beften.

2)ie goofogtfcBen SBorlefungen Bei Sftau, bie auf bie Botanifct)en folgten,

gießen mict) an; eBen fo 23renbet§ über ©efd^td^tc. Wlit -üftieg ein religiös

po(emifct)e$ @efpräd), ba§ Sftieg auf meine unortt)oboren 2leu§erungen

t)eftig aBBrict)t.

8. Ouniu3. 33ei Uta ^öüinger -fennen gelernt; er fprtdjt Öngtifä),

(erat ©panifdj, unb Befci)äftigt fid) gum gettöertreifc mit (Entomologie.

(Sin §eft ber $upferftid)e be3 Musee Napoleon burct)gefet)en; Sftafae(§

(£acüie nnb bie SSifion (SgecfyielS , bie Sünbfmtt) oon $ouffin, eine

^Begrüßung ber §irten Oon SftiBera. Sollte e§ mir oieffeid)t oergönnt

jeim üieter biefer unfterBlidjen Schöpfungen UrBitb gu fet)en?

16. -3uniu0. Voltaire'» Ingenu, Candide unb Micromegas getefen.

3n biefen $(einigfeiteu \)at Voltaire oietleicBt eigentlich feine 9)ceifterfd)aft

gegeigt, unb fie oerbienen am erfreu bie HnfterB(ict)leit. 5luct) bie -ßerftflage

mußte it)ren £ict)ter fyaBen. danbibe ift in biefer §inftd)t unüBertreff(ict)

;

man toeiß nicf)t, foß man in biefem frei(icr) eüoaS (afeioen Romane met}r

bie reiefte (5rfmtung§gaBe , ober bie Ieid)te ®rgät)(ung§art , ober bie -ftaioetät

be$ tobraefö, ober bie feine, unauft)ör(ict)e ^erfiffage Benmnbern. £>er

Sttyl ift baS unnacBat)mtid)fte in biefen brei (2rgät)lungen.

19. 3uniug. (Sng(ifd)e Stiftet an Scr)(icr)tegrolI gefd)rieBen.

21. -3uniu§. Goldsrnith's Traveller unb Deserted village fiub

oorgüg(ict)e @ebict)te, toenn auet) oietteicfyt met)r ber Sftefterion unb anberer

9foBenrücffict)ten 2£erf.

Adelaide du Guesclin, eine§ ber Beften £rauerfpiete SBottaire'S.

23. 3urtiu3. $iel mit 2ütaft*eon Befdjäftigt. 2Iuä) er ift unerreict)Bar

in feiner ©gentyeit. -3ft e§ mögtict) ben @rüfuri§tnu§ gu biefer §öt)e fcon

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XkUiüjttit gu fteigern? 3)ie Otiten geBert un8 unoerftegBare ©enüffe. -Set)

fcerfucfye 9?act)Bi(bungen.

Witt 2)öttinger täglict) 2lBenb3 3U)ifcr)en 7—8 Ut)r rmrbDJfontegquieu'S

Esprit des loix gelefen. £iefgebacr)te , ftar unb fidler bargelegte -3been

biefeS SöerfeS.

24. 3umu8. 3n b. STsBecfg 23tBtiott)e? bie Imitations of Holbein s

portraits angefeuert, barunter fyäuftg r)tftorifct)e ^erfonen au8 §einrict)§ VIII.

3eit, beffen grauen, (Sbuarb VI., £r)oma3 2ftoru§, Sftarta bte Aigin :c.

-3or)anne3 rx TOüHer^ Briefe an Sßonftetten, au§ benen ein großer

©ctft nnb ein gro§e3 <perg ffcrect)en, oBgteict) ftc noct) jugenblid) finb, nnb

mit bem 21. -3at)re Beginnen, $reunbfd)aft nnb ©tubium roaren MüUtx%

£eBengfcrincir;e, forötc fte bte nteinigen finb.

26. 3uniu3. £)bcacer ift oergeffen. -3?n ein ©ebict)t, „bte (gr[ct)einnng

(£olomBo'3," legte id) ben ©ebanfen ba§ Batb bie gange Kultur (Surofca'S

nact) Sunerifa roanbern toirb, bar} unfere @efd)ict)te fiel) ir)rem (Snbe nat)t;

bte jetzigen dtM[d)ritte , bie grtoolttat ber -Sugenb geigen an bar} Batb

norbifd)e 23arBaren biefen 2öetttr)eit unterjochen roerben.

27. -3uniu§. Numancia de Cervantes, ein £rauerffciel , töte man

eS laum bem SSerfaffer ber (&a\aUa gutrant, »oll fraft, 2Bat>rV;eit nnb

§e(bentngenb , im ©eroanb einer B(itr)enben $oefte, einer göttlichen @torad)e.

£>a3 gange ©emätbe ift nid)t, roie (Stömonbt gfanBt, gu fcfyrecruct); biefer

®egenftanb foÜte nnb tonnte titelt anber3 Ber)anbelt roerben. (58 ift aBer

nict)tö barin roaS (Sfet nnb 2lB|d)eu erregte.

3)ie Ihtnft fcfyöner SSerfification rann man faum in t)ör)erem ©rabe

Befi^en als (£eroanteS. 2)ie 23efd)roöruug beS äftarqmtto ' unb baS $riefter=

ofcfer t)ätte icfy roeggeroünfct)t ; £)ctaoen nnb 9?ebonbtlIa8 finb Beffer als bie

£erginen. 3)ie attegortfdjett ^ßerfonen, bie nnter jeber anbern §anb falte

nnb unnütze Collen gcftoielt fyaBen roürben, erregen -Sntereffe.

Tibulli Carmina lib. IV.

Qn ben brei erften 23üct)ern, baS bierte ift nid)t oon £iBulI, roeld)e

3artfyeit, ioelct)e r)inrei§enbe 2Beic^tict)leit, toetdje rut)renbe £ieBe, nnb baBei

fo oiel (Sinfalt unb 2Bat)rr)eit, nnb fo t)errltct)e fd)metgenbe £)ifttd)en.

3. -online. Mit £>öÜinger führen mid) bie ©tnbien immer met)r

nnb met)r gufammen. 2ßir fyaBen uns je£t and) bie Sttorgenfiunben oon

8 — 10 gu gemein(d)aftlid)er Sectitre feftgefe£t, unb tefen aBn)ect)[elnb

@uribibe8' §ecuBa unb bie 5lnnaten be§ £acituS. -3er) roerbe biefe Tutoren

12 *

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für baS ®fymnaftaleramen toasten, ba$ mir in 23ätbe beoorftefyt. 2)a icfy

aud) für bagfefbe @efdjidjte unb 9ttatt)ematif ftubieren mug, wtb überbieg

ba£ groge UnioerfttätSeramen näfyer rütft, fo mar tdj nie fo überhäuft

als je£t, nnb meine (Stunben maren mir nie färgtidjer sugemeffen.

§ie^u fcmmt nodfy eine auggebelmte £ectüre, bie icfy mir nidjt oerfagen

!ann , nnb bie Hebungen im fran^öfifdjen (&tyl 3cfy t^uc mir an feinem

Jage genug.

Sftetaftafio'S la Semiramide riconosciuta unb II Catone in Utica.

(§:g finb bieg bie erften ©tücfe bie td) oon biefem 2lutor tefe. -3n ifynen

jeigt ftdj eigentlich ber ädjte muftfalifd)e ®eniu$ ber itatientfdjen ©pracfye.

jDieg ift ifyr magrer SöirfunggfreiS. 3n allem anbern übertrifft fie bie

fpamfdje. 31(8 Dramen finb Sftetaftafio'S SBerfe gar mcfyt«, als Opern

dufter oon SBortrefflicfyfeit. (Seine @adje ift bie oietfad) oerfd^ungene

-Sntrigue. SSon fdjöner, nüancirter Gnjarafterjetdjmrag fann bei tfym gar

nidjt bie 9?ebe feim. (Sememptäfce in ber -Sntrigue, im 3)ia(og unb überaß.

2)te unaufhörlichen a parte's finb idj toetg nicfyt ob mefyr unnatürlich eber

lädjerttd). 5lber mit meiern Vergnügen gteicfymofyt ttcSt man biefe ©tücfe.

2öie gut meig SDcetaftafto feine Uebertegenfyeit in ben coups de theätre,

in ben 2lntin)efen , in ben bons mots in I)öf)erem ©tnne $u benu|en!

Unb metcfy ein SöofylrTang ber (Spraye, metdfye ©ra^ie, melcfye £eid?tigfettl

Unb feine Strien am (Snbe ber ©cenen, mie liebtid)!

4. 3uliu3. SSoltaire'S Siflerope, mit £)ötlinger getefen, madjte uns

efyer tacken dt$ deinen. SDtafyomet aber ift SBoltatre'S befteö @türf. Facit

indignatio versum. SBteftetcfyt einem größeren Dichter mürbe bie £eiben=

fdjaftüdjfett , bie ficC> in bie Verfertigung biefeS £rauerfyie(S mifcfyte, efyer

gefdjabet fyaben; ifym aber fam fie ju ftatten, unb biente feiner (Sfoquenj.

6. 3uliu3. £>öflinger fagt mir meine geiler, Unfriebüd)feit, Sfted)t=

Ijaberet, ein menig 9ttifantt)rom'e, ober meunefyr mag bie Italiener ritroso

nennen (ftörrig) — unb hat mitf) auefy ifym jur <Se(bftfenntnig §u oerfyetfen.

3(fy nannte ifym aB einen §au£tfefy(er (Sigenfinn.

(£arlo <^o§3i jiefyt mid) mein* unb mein* an. £>oib$ Amores unb

Heroides getefen.

9Jät 2)öumger jumeilen Diente. (5r ift ein groger Hnfyänger

ber @dj(ege(3. 2lud? über Religion mirb gerebet. 3d? erfenne nur bie

Offenbarungen ber Statur unb ber ®efd)icfyte an.

25. SutiuS. %, 2B. o. @dj(egef3 Vergfei^ung ber ^äbra beä

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(gurunbeS mit ber be§ dachte. 2öenn «Spiegel aucfy fyie unb ba flögen

gibt, fo l)at er bod) fd^arffinnrg unb ftegenb ben franjöftfcfyen £ragöben

tief unter fein griecfyifdK§ Sanfter gefegt.

26. -MiuS. Wit SDööiiiger, fecf , <perrid) (einem Entomologen) unb

§epp (einem gan$ ausgezeichneten SBotamfcr) Botanifirt.

30. -MiuS. (£ar(o @o^t oollenbet — er gefällt mir je langer je

Beffer. 3)ieg Bunte ^eemoefen , btefeö fettere £eBen , biefer innig oertooBene

(Jontraft ber oon einer

elevatezza del pensar sublime

ju ben ©pä'gen eines £ruffa(bino fo letdjt, fo gtücfüdj üBergebt, finb

reijenb unb an^iefyeub. II mostro Turchino eBen fo fdjbn erfonnen

aU ausgeführt, I pittochi felici eines ber intereffanteften , L'angellino

belverde, fiaba filosophica, ooH ©eift, 28i£ unb £eBen, fo unnmljirs

fdjeinücfy aud) baS ganje $inbermärd)en üBereinanber gehäuft ift.— £)ie

(EBarafteriftif ©o^i'S ift jn>ar nid)t fefyr nüancirt unb fdjarf gewidmet,

fyat aBer fefyr beutttcfye Umriffe, unb ftefyt toeit üBer ben @emeinplä§en

äftetaftafio'S. 23efonber3 fyerrfcfyt in ben (gfyarafteren ber ^elbinuen, bie

£uranbot aufgenommen, eine jarte, fanfte 2öeiBlid;leit.

£)ie $erfon aBer, mit ber man fidj burcfy äße ©türfe fyinburdj UeB=

getoinnenb Befreunbet, ift

II Veneto pietoso, il vecchio Pantalone,

tüte ilm ber marteüianifcfye 23er3 nennt.

3)er oenetianifcfye 3)ialeft BKbete ftcfy na^e bem Speere toeicfy unb

nah?, neBen bem ^lorentinifdjen, toie bie porrugieftfdje ©prad)e neBen ber

caftilianifcfyen.

31, 3uüu3. Sfy fd;ä£e mtd) g(ütfüd) ba§ bie Stufen mein £eBen

Bebtümeu, nicfyt burd) bie eignen £>id)tungen (benn id) Bin nodfy toeit toon

meinem Obeat n>eg), fonbern burcfy bie £ectüre ber £)idfyter. SBie Bin 16}

ber $orfefmng oerpflid)tet für biefe unenb(id)e Neigung $u ben äftetftertoerfen

ber $oefte, für bieg geenteBen im mirfticfyen eingepuppt, für bieg feine

£)ljx gegen bie <Sd)ö'nfyeit ber 53erfe!

1. Sluguft. Ocfy.fyaBe angefangen §ottänbifd} $u lernen. £>ie <3orad;e

ift mcfyt fdnoer, unb fefyr fanft unb naio.

3. 2luguft. ©ebicfyt gegen bie $ftufymfud;t, b&§ aber babei meine

glüfyenbften gBimfdie in §inftcfyt beg SRufymsf au3jprid)t.

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4. 2luguft. rimaginatioü oon 2)efttte; im ganzen ntc^t Befriebtgcnb,

aber einzelne ©teilen oon unglauBlidfyer ©djötifyett.

8. 5luguft. 3)en tointa oon £affo, unb ben Pastor fido lieber

gelefett, ben tdj jenem »or^tefye.

14. Sluguft. Primera parte de la Silva de varios Romances.

Caragoca , 1550 , ein 12mo mit gotfyifcfyen Vettern , ottS ber ttntüerjttätS*

BiBliotfyef; 161 ©türf. ©eit Percy's collection l)at mir feine 93olf$poefie

einen fo reiben ©enug gemährt als biefe ^oman^en. -3n einigen fyerrfcfyt

hrirfltdj englifd)er SaEabengeift ; bodj immer toirb man mieber burdj

§intt)etfung auf bie ©d;önl)eiten ber üppigen, Btumenoolten 9?atur, unb

burd) ben ff&offflsaA ber fdmtet^enben ©pradje gemannt ba§ man toarme

fpartifc^e $«ft atl)me.

16. 5Iuguft. (Sin Brief oon £über auS lugSBurg, mo ilm feine

topograpfytfcfyen Söanberungen feftfe^en, ooll @eift unb Patriotismus, unb

baS an tnicfy, ben Untoürbigen , ber fein £eBen »erträumte.

17. 2Iuguft. £)ie $orfdmte ber Sleftfyetif oon 3ean $aut Befriebigt

midj nicfyt ganj; -Sean $aul gel)t in SoB unb Stabet $u toeit.

19. 2luguft. SSortrefflid) ift bie üttetromanie oon pron; eines ber

Beften fran^öftfcfyen fttftfpiete.

20. Sluguft. 5ln SajartÜo be £ormeS oon üftenbo^a entjüdt midj

bie natürlid;fte unb leBenbigfte (Schreibart.

(Sine getoiffe unnachahmliche 9^ait>etät beS <&tyt$ Bei (Sr^tung t?on

3)ieBS= unb ©cfyelmenftreicfyen fdjeint ben (Spaniern gan$ altein eigen ju feint.

21. Sluguft. SBottaire'S Tancrede unb TEcossaise ftnb unBebeutenb.

22. 3luguft. Edward Young's The love of fame, the universal

passion, in seven satyres, stiele äftenfcfyenfenntniß , <&tM in GHjarafter*

gemälben, große Äraft unb 23ünbigfdt ber ©pradje, unb eine .popeafynfidje

Sßerfification.

2lm 25. Sluguft toirb baS ©tymnaftateramen glücflidj Beftanben, ein

lateinifcBer 2luffa£ üBer: „Quisque fortunae suae faber,

wein betttfdjer

üBer: „3)te 2Biffenfd)aften ftnb Beffer als ©d)ci£e," gemalt, in ber

®efd)icfyte üBer bie feu^üge, in ber Sftatfyematif üBer bie oier ©pecieS

ber 23ud)ftaBenredmung gefragt, baS erfte &apitd ber Staaten beS XacituS,

ben Anfang einer (JatitinarifcBen 9?ebe beS Cicero, unb ber Anfang ber

erften ^jorajtfdjen £)be beS britten 23ud)S , bann im ®ried)ifcfyen ein ©tütf

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ber (Sr^lung beS ZtääftWx® bom £ob ber ^ofyrena in ber §erabe, unb

ber Eingang be3 fetten 23ud)8 ber -Sttaö überfe£t.

23ei bem großen 2)ectamatorium beö (StymnaftumS toar ein junger

§r. b. gu^fyein °l°r ^nter unseres, ber einzige ber berftanb toctS er

fbrad), unb ber mit feetenbofler (Stimme bie $affanbra bortrug. (Sr

berfe£te micfy ganj in jene 3eit ^urücf, ba icfy juerft jugenbtidj begeiftert

mit ©uftab 3acobS «Scfyiflerg faffanbra laS.

26. 3luguft. Sftacine'S Andromaque unb Les Plaideurs gelefen, ba$

(entere mit ©enu§. 3)er ©ebanfen mögen biete bem 2lrijto^ane§ angeboren.

-3m §ottänbifd)en ^toei 2luffä£e bon §ugo be ®root unb §amelSbelb,

bann eine fyoUänbifdje HeBerfe^ung ber Reifen bon 2#ünd$aufen.

29. 5luguft. Romane bon Voltaire gelefen.

31. $luguft. Seetüre unb eibig Seetüre. (SS fcfyeint faft ify febe nur

um $u tefen, ober icfy lebe nidjt einmal, fonbern tefe nur.

•Smmatriculirt.

2. ©ebtember. Llpsipile unb la Didone abbandonata bon %Rda*

frafto. The prisoner of Chillon by Byron — unbebeutenb.

10. «September. ^orttoäfyrenb £acitu8 unb 3£enobI)on$ 2Inabafi$ gelefen.

11. (Sebtember. 23oiteau'8 Lutrin ift toenig traten, aber eine gute

©auce.

15. ©ebtember. 3d) besage an meiner boetifäfyen @abe. (£3 fdjeint

ba§ icfy efyer auf bem 2Bege bin ein Siterator aU ein $oet §u toerben.

17. ©ebtember. Sübern ben Ämfcfy mitgeteilt nädjften (Sommer

naefy Erlangen ju gefyen — tfyeilS um ben Umgang be§ ^ßrofefforS 9?ee$

$x genießen, bon bem mir 3)öttinger oft fagt.

20. (September. üfteuberS ©efunbbrunnen. (Sin fefyr gutes Se^rgebic^t.

Heftern einige £rocfyäen an einen $reunb niebergefdjrieben — fyeute

bie testen SSerfe ber Zueignung an 9?atl>an (ScfyticfytegroU.

23. (Sebtember. SDte £age finb fdfyön, ber 9ftain fliegt flar unb

ungetrübt, bie Weinberge brangen im tiefften ©rün, unb über i^nen

baS bunle(blaue girmament, faum ^utoeilen bon teilten, burd^ficfytigen

üBölfcfyen überflogen, bie feiner $arbe Relief geben.

24. (Sebtember. 3)ie Lettres persanes unb temple de Gnide

bon Montesquieu gelefen. 3ene geiftreidj, fymreißenb gefeinrieben , boll

(Scfyarffinn unb ülßi£, unb boll ^enntniffe, in jener genialen $tarl)eit unb

33ünbigfeit fyingetoorfen , bte bem SBerfaffer eigen ift.

Page 204: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

184

26. ©eptemBer. @ang nacfy Söernerf. ©ort einen Lieutenant grfyrn.

i\ äftetyern getroffen, ber biet bon feinen gctbjügcn in (Spanien erjagte,

früher in breujnfcfyen, bann in fyeffifcfyen 2)ienften toar, ein SBraunfdnoeiger,

fel)r Befannt in §annober, feine Butter eine geBorne Änigge.

(§:$ toar mir angenehm ben nieberfäcfyfifdjen SHateft $u fyören, ben

icfy immer am (ieBften fycrte, nnb nad) bem icfy meine eigene (Sprache

bitbete, ofme bod) feine -ßrobincialiSmen anjnne^men.

Partie mit -fteeS nad) Sttainftocffjeim nnb ®icferlaufen, auf ben

©dmmBenBerg , in 23eg(eitung 3>ölIingerS. Wlit SfteeS intereffante Untere

Haltung üBer fpanifcfye unb portugtefifdje Literatur, beutfd)e (Sprache, bie

norbifcfyen £)ia(efte, ^ßuriSmuS, äußere formen ber ^oefie, SSergmaße

ber Sitten unb Dfauen, ^Hopftctf, (latberon, damoeng.

Zimmermann üBer bie (Sinfamfeit getefen.

3. .DctoBer. Söoutenoecfg Sleftfyetif, 2 iöänbe — er forbert bon einem

boetifcfyen SBerfe 9?eufyeit, ^aturtoafyrfyeit , Leidjtigfeit unb ba$ ©eiftreidie.

6. DctoBer. 3d? fyaBe ein atteg £rauerfpiet, „Stfoarbe ober ber

§od$eitgaft," lieber ocrgenommen, unb einen £fyei( be3 britten 2tct3

in regelmäßige SftebonbiüaS auggearBettet. ^rüfyer trollte ify ein anttfeS

Srauertpiet in Sftebonbittag fct)rei6en, nun fyaBe i<$ etnfttoeiten bag berfudjt.

3d) lernte aug Satberon bag bie Sftebonbißag ficfy aud) §u einer tragifcfyen

(£onberfationgfbrad)e fdjicfen, unb teinegroegg Beftänbig ttyrifdjen (Sdjnmng

forbern. (Verbautes geBraucfyt fie anberg ctU datberon.

El principe constante de Calderon d. 1. B. -3dj fann biefem (Stücfe

ben regten ©efdnnacf nicfyt aBgetoinnen. halberen mag im -3ntrtguen=

Iuftft>iel unerreicht feim, bocfy für bie £ragobte ift feine d^arafteriftif

auffatlenb feiert ; unb bie neueren Krittler iooÜen ifm fogar mit ©fyaffpeare

in $ergleicfy Bringen , ber in jmei <Sfy(Ben mefyr ^u fagen ioeiß alg Giatberon

in feinen fettentaugen Slffonanjen.

7. DctoBer. -3n Vita di Alfieri bon ü)m fetBft finbe icfy oiele 3üge

meiner eignen Onbibibualitat lieber, unb boeft lieber fo biete 93erfdn'eben=

fyeit. 2>iefetBe (Scpdjtemfyeit, biefetBe taciturna natura, toie er fie nennt,

biefetBe Langfamfett unb ritrositä Bei neuen Söefanntfhaften. £)erfetBe

(Sigenfinn unb §artnäcftgfett teiber aud;. Sr freute fiefy feineg 2lbe(g,

ioeil er beffen 93orurtf)ei(e befto efyer beradjten fonnte, ofme für neibifdj unb

gemein gehalten £u toerben. «So backte id) immer üBer biefen -fünft. £)en

Xanj (ieBte er ntd>t mefyr atö icfy, Farte burrattinesca nennt er ilm.

Page 205: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

185

TO ^äfynbrtd) fonnie er ficfy eben fo menig an bte ©uborbination gftoofynen

als icfy. (5r füllte immer eine getütffe Melancholie, fo lange ntd^t fein

<perg burcfy irgenb eine mürbige £tebe, unb ^ugleicfy [ein (Seift burd) eine

eble Arbeit befdjä'ftigt mar.

10. £)ctober. mdatö greunb, Slffeffor 9tterf, fennen gelernt.

12. Octcber. „£)ie bezauberte Sftofe," oon (Srnft ©djutge; ein gött=

licfyeg ©ebicfyt, ooU jarter £ieblid;fett ber ©ebanfen, ein meicfyeg £eben

nnb 2Beben ber ^ßfyantafte; Octaben, tote fte nodj nicfyt in beutfdjer ©pracfye

erfcfyienen finb, nnr manchmal monoton bnrd) bte beftänbigen toeibtidjen

Meinte in en, aucb burdb einige Meinte, mie leib nnb ftreut, 23ilb nnb

füllt, entfteHt.

14. Dctober. 3n SBucfyfyolä' §anbbud) oiele fpamfdje $oefien fennen

gelernt, in Sllboni'S portugieftfcfyer @rammatif ein paar pbfdje portu*

gieftfcfye ©ebicfyte.

2)en (Jalberon lefe td) aucfy mit 3)ö Hinget.

21. October. ÜDtefer £age befonberS (Jalberon gemibmet, bann @n>ift,

unb Mittel Ueberfe^ungen ber Sieneibe.

Ueberfefye id) meine £l)ätigfeit in ber testen $eit, fo ftnbe idj baf?

id) $u biet fdjöne Literatur getrieben, pfyilofopfyifdje unb fyiftorifdje £ectüre

oernadjläfftgt fyabe. @3 ift einzelnes an Sltoarbe unb Oboacer gefdjrieben.

35erjroetf(ung an meinem Talente bauert fort. 3n alten unb neuen (Sprachen

fyabt id) ^ortfdjritte gemacht.

27. October. (SecfyS @tücfe bon <£atberon gelefen. (Sr fyat mit

9ttetaftafto bie 'Seidjtigfeit ber (Srfinbung unb 35erfification gemein, babet

aber audj bie unaufhörlichen a parte's, bie oft ein ftumpfftmtigeS publicum

berratfyen , bie Söieberlmlung immer berfetben (£l>araftere unb berfelben

coups de theätre, beibeS bor^üglidj in ben -öntriguenftüden. -3n allen

biefen mirb 53erftecfertö gezielt, toerben £idjter auSgeblafen, tarnen ber=

medjfelt zc. ; in ben. Sftotfylügen fyaben e§ Reiben unb §etbinnen ju einer

großen ^erfection gebraut. $)te Söortfptele erinnern an ©fyaffpeare.

„^ßerfeo" ift ein ©pectafelftfitf , ba3 mir nicfyt gefiel , ber „3ofepIj unter

ben SBeibern" anjie^enb unb naib ; los empeüos de ud acaso gehört ju ben

Sfteiftermerfen feiner Gattung, unb e£ märe bergebtid) bem 2)icfyter bte

SMfterfdjaft in ber (Sutmicftung ber ^ntriguenfomöbie ab^ufpredjen. Dfyne

3meifel fyat nie ein £ufrfyielbicfyter eine fo glücfltdje ©djürjung unb £b'fung

beö Knotens mit folgern Uebermafj tntereffanter (Situationen, unb mit

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fotcftem ^oettfd^en unb fomifdjen Sfteidjtfmm ber Situation berBunben. £ieBe

unb (Sfyre, roie fie ftd) burcf) ba3 fpamfdje ^aturetf gehalten, machen bie

(Seele biefer $omöbie aus , toogu fidj ncd) , um bie £etra8 botl ju machen,

Sftacfje uub ©ferfu'djt fügen liegen. — Primero soj jo ftefyt beut vorigen

an Üfcicfytlmm unb (Srfinbung nidjt nact) ; aBer bie Durchführung be3 ZM%ift nicr)t roor;! gelungen.

SDte $aBet be§ Prometeo ift mit met)r (Genialität al8 bie be§ Perseo

aufgegriffen, and) häufiger burcf) fa^Öne Sinjetn^eiten Bereichert. — 2)a8

Secreto a vozes ift ber £riumbr) ber -Öntriguenfomöbie , unb fönnte faum

Beffer erbaut unb ausgeführt werben. 2fad) fct)emt e$ halberen mer)r

con amore Befyanbett ju IjaBen aU fciele anbere, unb auef) mefjr ßeit

barau geroenbet.

31. £)ctoBer. -3cf) toiü nun einige Neonate feinen 23er3 mefyr machen,

ba mir einige ^robuctbnSberfuäfye gänjltct) mißgtücft finb.

Die £ectüre (£atberon§ Barte fo auf miefy geroirft, ba§ mief; jroei

£age naef/fyer alle Bücher anefetten. 3$ la§ brei Weitere Stücfe (EalberonS.

Dar tiempo al tiempo ift ein nicfyt angge^eiermeteg , gefälliges, an=

§iefyenbeS -öntriguenftücf; il magico prodigioso gefiel mir burd) bie Details;

mejor estä que estaba fyat eine fefyr glücfticfye SBertoicflung unb intereffante

(£r)araftere ; ein3etne Scenen unfcergteicf;licr;.

5. DfofcemBer. 23ieleS auS (halberen aBgefd>rieBen ; angefangen ben

^ifcfcotöt beS (SuripibeS gu tefen. Um mein ®ebäcf>tnifj ^u üBen, nalnn

ict; mir t>or in jeber Sprache bie td) »erfreue, jroei peettfdje- Stücfe

auSftenbig ju lernen, unb fie Beftänbtg ju refcetireu.

10. ^cfcemBer. Die (Kollegien r/aBen angefangen. -3er; r)öre ein

fcfyitefogifcBeS Bei Stumm, SDctneralogie Bei 9?au, -Önftitutionen Bei

$leinfcf/rob , 2öeltgefd)tdjte unb 3beal* unb SRarurjjljtfofopfyte Bei SBagnev.

SDte fatale ©eftalt biefeS 9)tanneS, feine unangenehme (Stimme, fein

fdnräBifcBer Dialeft finb unfähig feine (Genialität roeniger r)inrei§enb ^u

macBen. Seine Sln^ier/ungSfraft ift gro§. 2Senn man fcöllig falt in feine

Stunbe tritt, fo füfytt man fief) gteicf/rc>or/( immer roärmer unb roärmer

roerben, unb an jeben feiner <Sä£e reifyt fid) eine enblofe ©ebanfenfette.

3d) benfe barem baS ^orftfaef; ju ergreifen.

14. 9cofcemBer. 5Iucr) im §ifcfcofr;t ift bie bem (SuripibeS eigene

Sd)roa§l)afttgfett , fein feltfamer 2BeiBerBa§, fein unjeittgeS $r;itofotor;iren

Page 207: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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unb feine ^reigeifterei , ober tüte man biefeS ®ef)äffigmadjen ber (Sötter

nnb bie feine (Spötterei gegen bie (Götter nennen toitt.

The siege of Corinth nnb Parisina and lyrical pieces, by Byron.

2)id)ter bte weniger plaßtfdj ftnb aU biefer , nnb weniger (§rfinbung8=

geift gezeigt fyaben, werben wenige ju ftnben ferm. (£3 feHt übrigeng audj

biefen ®ebicfyten ntdjt an (Schönheiten ber SJctatte.

£)ie Novela de la Seßora Cornelia »on GteroanteS ift mit ber tfym

eignen ©rajie nnb genial treuherzigen Lanier erjagt.

17. Sftooember. 33te aufter^ettticfye äftitbigfeit ber Suft nnb SöagnerS

Soßeginm über bie 3nbier »erfe^ten mtdj r)eute in eine befonberS weiche

(Stimmung; aber nicfyt fdjh)ermütf)ig, fonbern leicht, ät^erifcfy möcfyt' id)

fagen mar mir'S, idj fyätte fliegen mögen.

21. Sftobember. „2)ie Sfabadjt jum Äreujc/' „ba$ £eben ein £raum"

unb „Bien vengasu etc.

3)a$ erftere ift oor^ügticfy. ^Migiöfität ift bie fcfyöne (See(e btefeö

(Stüdfö. ®aö britte ntct)t ausgezeichnet.

Gulliver's Travels mit bem größten 53ergnügengelefen. (Sie fdjeinen

mir eines ber erften SBüdjer bie in englifcf/er (Sprache gefdjrieben ftnb, unb

über jebe ßrttif ergaben. «StoiftS einfach natürliche (Srja^tungömeife, fein

ptaner, launiger, ironifcfyer <Sttyt ioerben nie übertroffen toerben.

27. 9?ooember. 55on datberon: „£>aS <pauS mit §toet Spüren," geljt

mcr)t über baS @emölmlicf)e , aber eben baS ©etoöfynticfye eines (£a(beron.

£)ie große 3enobia gehört ju ben afleroor^ügticfyften ber fyeroifcfyen (Stücfe.

GS ift ein reifer Zeppify oon *ßoefte in mannigfachen unb munber=

fcf/önen $er3ma§en. 3n (£fyarafte'rt|ttf ftefyen (Sbaffpeare itnb (Sdper at$

liefen neben irmt, fo fefyr er fie an grucbtbarfeit , an (SrfinbmtgSgeift,

an 23i(berfdnuucf unb fübficb/ toarmem Kolorit übertrifft. 5lud) fcfyrieb er

ja in ber fcfyönften ber mobernen Sprachen.

3n Saber del mal y del bien ftnb (Stoff unb $orm, ^3tan unb

(Smjelnfyetten g(eicf) fcfyön erfmuten, ber Xitel fefyr gtüdttcr) burcfygefütyrt.

@8 ift oottenbet in ftcf;.

28. ^ooember. „StoS gegfeuer beS 1)1 ^atriciuS/' unb „bie 23rücfe

bon Sttantibte."

ßtoet 9CRetflerftücfe trieber,

2)ie felbft ber ©ott ber Sieber

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2)em ftan'fdjen ÜDlufenfoljtte

©ebbtet unb erfanb

,

2)em großen (£alberone,

9J?it großer üWeifterljanb.

3m erftert fyerrfdjt ©fyaffpeare'fcr/eS $euer unb SebenSroarme. 9ttan

fmbet ©teilen unb ©ebete, fo rein unb ergaben, oon jeber polemifct)en unb

intoleranten Infptetung frei, bag man fte in ben 2Jcimb ber SBernünftigften

unb 2lufgeftärtefteu legen formte. — QDte SBrüde oon 2ftantible t)at einen

ü£eid)tt)um oon SBttbern* unb SdnTberungen rote faum ein anbereS Stücf

(SalberonS.

1. £ecember. SBouteraetfS ©efdjidjte ber fdjönen 2öiffenfct)aften

angefangen ju lefen unb ju ercerpiren.

2. £)ecember. 2$agner (agte oon ©duller bag er ein $fufd)er fety,

unb oon allen neuern £)ict)tera bag fte bto§ Dfocfyftänge ber früheren

auSfpredjen , unb fetzte mict) bamit in bie oer^roeifelnbfte »Stimmung.

Sftfo r)abe id) untfouft meine -öugcnb oerfd)roenbet , ba felbft ©dritter ein

^3fufd)er genannt roirb.

3. December. Stäglict) lerne id) mefyr einfeuert unb empfinben bag

bie Sfteinfyeit unb Sftufye be3 @emütt)§ bag t)öd)fte unb einzig toaljre ©ut

beS menfd)lid)en £eben$ fei?.

4. 3)ecember. 3)a e3 boct) enblid) einmal 3e^ toäre bag bie 3ugenb

auf t)ot)en ©dmlen ju einer ebleren roiffenfd)aftttd)en 23i(burtg erroad)te,

fagte fyeute Söagner im (Kollegium, fo füllten roir un§ aufteilen in freunb=

fdjafttict)en Greifen oerfammetn, um äftt)etifd)e Probleme aufjulöfen, @cbid)te

Oon @oett)e unb ©du'ller ju beurteilen unb ju oergleid)en :c.

Sauft gefällt mir immer beffer. 3d) möd)te it)n aber el)er aU mi

epifd)e3 alö ein bramatifct)e3 @ebid)t betrachten, (Sin bramatifcfyeS tonnte

nidt)t fo oiet Sftaum entfalten, im &po$ aber liegt bie Söelt.

13. £)ecember. Offtan gekauft, um it)n auf (Spaziergängen ju tefen.

16. 3)ecember. guroetten beschäftige id; mtd> meine früheren ©ebid)te

burd^ugefyeu unb ju oerbeffern, roobei id) oieteS roegftreidje unb abrufe*

-öd) fyakt alle meine einzelnen SBerfudje in brei §efte gefct)ieben, lt)rifd)eu,

eptfd)en unb elegifd)en geraten: gehörig. $u *>«* elegtfd)en redme id) all

3)iftid)en, auet) bie (Epigramme. — %n £)boacer gebaut.

£>en Principe constante genau bnrct)gegaugen , unb lernte babei nun

ben ooßen SBertfy biefer $omöbie metjr fd)ä£en. £)ie (£f;araftere fmb fo

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feicfyt nicfyt als ict) im Anfang backte. £)er ^rinj ift in ber Zfyat ein

fyerrticfyeg 23itb.

20. £)ecember. 23rnnf3 Jfoatettert."

21. £)ecember. „§atybartfy nnb ©igne" — bann: „§ngo bon Sftfyein*

Berg" — beibe oon Defylenfdpger.

3m erften <8tücfe Riegelt ftcf) berfelbe (Senium tüte im (£orreggio.

SDiefe ®röfje, biefe (Smfadrett, biefer rüfyrenbc ©trom bon $oefie, biefe

(grf)abenfyeit ber (£l>araftere, biefer unbefcf/reibtidfye $anber be$ originellften

aller bramatifcf/en SDicfyter. ÜDte attnorbifct)e 9ftnfe fct)toebt tebenbig über

ir)m. **- „£mgo bon Weinberg" fagt mir ttidjt 51t.

24. 3)ecember. -3dj Ijabe nnn biernnbjtoanjig ttyrtfcf/e ©tfitfe ans

ben oteten au^geroä^tt.

£)rei babon („2ltfo ift ber £ag erftanben" — „£rann , ein fträflidjeS

(Srmeffen" — „£)er @cr/äferfnabe t)orcfyt be8 33ac^e§" k.) toaren in ben

testen Sagen gefdjrieben.

27. 3)ecember. (Sin paar Sieber ((Stoffen) gebietet, eine ^orm bie

mir fonjt äußerft »erjagt ioar, toie ba$ (Sonett, roeil idj fte nidfyt in tt)rer

Urgeftalt rannte. 3)te fernen: 1) „konnte bein ®ebot midj fingen/'

2) „$ln3 ben klugen, au3 bem «Sinn."

30. £)ecember. £)aS Sieb: „güfylft bu mct)t bie 2Binbe fofen?"

3nm erftenmate ben Birgit im Originale gan^ bnrcr)getefen. (Sr fyat

aßeS getfyan toa3 Subicinm, l)öcr}fte (Slegan^ nnb eine pracfytbotte 93erfiftcation

vermögen , ben fanget an eigentlich fdfyöpferifdjem ©enie , toaS nnn einmal

nicf)t in ben Römern lag, §u berbeefen. (5$ ift überall ber fanfte liebend

toürbige 3)tdjter; man nannte tfytt mit Sftecfyt ben jungfräulichen.

1819.

2. Januar. §eute überfefcte td) ein flehtet fpanifcfyeS Sieb: „$)ie

^oman^e be3 (befangenen," toäfylte biefelbe ^Iffonanj in 0, bertoanbelte

fte aber be8 bollen $tangS falber in eine (£onfonanj.

3n 33t;ronö „(Sfyilbe §arolb" entlüden midj ßinjetn^eiten — e3 ift

fein (SboS, fonbern eben eine Sftetfebefctjreibung.

SKatt famt bie ©bencerfdfye (Stande nerviger machen , toenn man fte anf

fteben ober fecfyS ßeiten rebneirt, ober anf fünf, ettoa fo:

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2öa§ bu mir trarft fett t<$ bia), greunb, umfteng,

2Bie midj oerflärt beut eroig heitrer 2}httb,

üSenn auf ber @cr)eitel mir bie SSSoBte fyteng,

2öa§ bu mir rcarft, fo liebevoll, fo gut,

Xa§ füBte, beut eiu greunb am 23ufen rrnjt."

8. 3anuar. „2Bäl)renb idj mid; fyatm1 unb quäle" jc.

11. -Januar. „Xräume, bie fcefjenbe fliegen" :c.

12. Januar. äDföftonS Allegro aüd Penseroso. .— 9lucfy btefe

©ebicfite reiben bie liebltöften Silber in r)armontfcfyem Xonfalt glucfltcr)

an etnanber, unb man gibt ftdj tr)nen mit ganzer (Seele Inn.

18. -Sanuar. <2d)li(f;tegroll einige (Standen au§ Oboacer mitgeteilt,

nam(td) SBraga'S SBeiffagung über ben fünftigen (Sänger be§ ®ebid)t§

unb £)boacer§ Slntroort barauf. — -Muty ba§ £ieb „(Suibb" für ilm

abgefcfyrieben.

(Xatberon3 La Seüora j la criada, eine§ feiner bortrefflicfyen ©iütfe.

§efteb8 Qeoyovia,J

L4G7ugc

Hgaxleovg,J

'Egya xai fju&Qai gelefen.

Xann II Inferno ben Xante.

Q?8 möchten fidt) in ber ®efdud)te roenige fo große unb fetbftänbige

©etfter augfpredjen roie 'Xante. @anj oom (Stubium ber Elften genährt,

unb für fte begetftert, fütytt er ntd)t bte teifefte STnroanblung tfmen

rtad)ar)men $u roollen, unb bracf) ficr) unbefümmert ben führten 2ßeg in

einem ßevtaltzx roie ba8 feine. 2Bieroob;l er Birgit feinen 2)ceifter nennt,

fo entlehnte er nicbt eine greife oon ibm, einige mr/tfyologifcf/e ©eftalten

aufgenommen, ben GEerberu.8 jum Srempel. — -Seber 23ucf/ftabe in biefem

Söucbe ift originell ; tdj erroäfnte nur jum 3. (5. bie ©leidmiffe. SDcan fyat

ben Inferno mit 9£ecfyt ben ptaftifer/en Xt/eil ber divina Commedia genannt.

Xie poettfdje Xäufcfyung ift auf eine fo unglaubliche §öfye getrieben, ba§

man roätyrenb be§ ganjen ©ebtdjtg nieb/t einmal oermutr/et, Xante möchte

gar triebt in ber §ötte geroefen feim. 9cocb tebenbiger muß e§ aber oor

feinen ^ettgenoffen geftanben fyaben, benen tk fytftorifcben Aufbietungen

ncd) alte neu im @etäd)tni§ tagen. Xafj e$, als ©£o3 betrautet, nief/t

allfeitig in allen Lebensformen erfef/eint, $ieb;t eine geroiffe Monotonie naefy

ftcb, bie burdj ben Xonfall ber italienifcben Meinte oerftärft rotrb. Xaaber Xante'S (Stoff bei roeitem ber fur/nfte ift ben je ein Xiajter geroäfylt

t;at, unb ba er ilm mit einer nie beriefen 9caturroar/rl;eit bureb/füfyrt , fo

gibt e§ allerbingö feinen Xtcf/ter ber unfere iöerounberung in folgern

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191

(Srabe in 2tnfyntd) nimmt. 2luf (Sinjet^etten fann man bei tf)tn nidjt

eingeben; genug ba§ bei ifym atteS unb jebeö an feiner (Stelle ftefyt, unb

baß nidjtS ^jintüeg= nichts fyinjugebacfyt werben famt. 3e nadjbem nnn bie

(Scene ift bie er fdjtlbert, toirb aucfy ber 2)tdjter rüfyrenb unb fyinreigenb,

patfyetifdj nnb fürdjterltdj , büfter nnb mt(b. 2öer nidjt Bei ©ante füfytt

toaS ba§ poetifcfye ©enie fety, nnb wie e8 nicfyt erworben, fonbern geboren

toirb, ber toirb e8 toofyl nie begreifen.

23. Oannar. ^ofyeucte, te äftenteur unb Sftfyobogune bon $. (£or=

neiße. £>ie beiben erften fcfytedjt, bie britte ertrag üdj.

25. Oanuar. 5. S^üHerS Briefe an feinen Araber. I. ©alfoft'S

(Satttma mit ber alten 23egeifterung lieber gelefen. 9ftan fann nicbt ferner

©efdn'c^te fcfyreiben. 2Bte materifcfy ,ja tote plafHfdj ift atteS , unb toelcfye

$raft, toetcfye 23erebfamfett, toetefy ein ebler römifdjer «tiefbttef.!

IKopftodfö Sfteffiabe. -3m Anfang toefyt ben £efer ein reügiöfer @eijt

toofyttfyättg an, unb bag ©ebtdjt fyat einzelne gelungene ©tettew. 33ei alle

bem bleibt e$ langweilig, monoton, ooU ber nücfyternften @ebanfen, unb

tro£ aller Äfinftltdjfeit ber SBerfiftcatton olme Söirfung für baS D^r.

äftontemafyorS getftttdje ©ebicfyte gießen midj nicfyt an.

3)tc erften gragöbien bon SItfieri getefen. £imoleon unb Stterope

ftnb nüchtern , troefen , raufy unb ofyne eigentliche £tefe. ©olcfye £ragöbien

toürbe jeber geiftretcfye Sftann fcfyreiben, ofyne ein $oet ju feim.

30. Januar fdntitt td) mir bei ßeU (Spfyeu, unb flocht mir babon

einen $ran$ um ben §ut, ben tef bann beftänbig tragen tottf, um midj

a(3 an einem £a(i£mann ju ftärfen, toenn miefy ba$ ©elbftoertrauen

berläßt.

31. -Januar. 3)a3 £ieb: „2£enn t$ auefy oerliebter Dualen" :c.

(£atberon$: Las tres justicias en una unb Nadie fie su secreto»

3)a§ ^toeite ooü £eben.

1. Februar. SDicfe ßdt fyer einen £ieberctyfTu3 niebergef(^rieben,

tiebenben 3nt)alt3.

9. Februar, Prolog ju ben liebem in jtoei ©pencer'fdjen ©trogen.

14. Februar. ,,%$ toie tauge foö tefy leben" :c.

17. Februar. (Sine Ausgabe oon (halberen rommt, toobei auger ben

112 Comedias aud) bie 73 Autos sacramentales.

Sin Sieb aU Prolog ju ber (Sammlung Ityrifcfyer ®ebid)te. @8 enthält

eine £>arfteOung ber ^ßoefie unter bem 23ilb eines ©artend.

Page 212: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

192

20. Februar. 3cfy (efe mid? immer tiefer in halberen Innern; er

entjütft mid) über bie 9)iaf?en.

5tbreife nadj 5In3badj.

5. Waxi. $ein £ob reicht fyn für £acitug; er ift göttlich in jeber

3eile. @o fdjreibt man feine ©efdjid)te meljr.

7. ffi'&T%. SDföt S)ööinger will icfy baS £)äntfdje anfangen.

26. 2ttär$. 3n SBouterwecfö ®efdn'd)te ber Portugiesen ^oefte

intereffirten midj> bie groben einzelner £)ict)ter, befonberS be$ 93urolifer3

SRibetyro.

§an$ @ad)$ fprid^t midj gar nicfyt an. 3cfy finbe nid^tS als bie

abgebrofdjenfte SBäntelfängerei nnb bie plattefte $rofa.

£ieb: „£>ie alte ©Int, n?a^ fann fie frommen" sc.

4. 2tyrit. „©cfyilt mid? nicfyt! Vertraut nnb offen" je, nnb „Lorbeer

oor bem fyrifdfyen Üfrtfyme" :c.

7. 2tyrtt. ,,2ld), tdj forbre feinet SunbeS" :c.

10. 2tyri(. ,,2)urd) be8 %tib$ Organe wüfylen" ic.

11. 2tyrit. SBoffenS Sbtyflen fann id) ntct>t ben regten ®efd)tnad

abgewinnen. SSerfification ift oielteidfyt beS 2krfafferS größtes Talent.

14. Wpxil Umarbeitung beS £teb3 an 2lbraft.

17. 2tyrit. 2)ie Vita nuova oon ©ante. —• £)ie frrqe mr>fttfct)e

£iebeSgefdn'd)te biefeS au£erorbenttid)en SDteneS; eigentlich nur ein fetbft*

biograpfyifcfyer (Kommentar ju einer 9^ett)e Oon (Sonetten nnb (£an$onen.

Wit (Srftaunen bemerke id) baß 2>ante nid)t weniger als id) oon jenem

3afylenaberglauben befyerrfd)t toar. £)te ^rofa biefeS SSüdjteinS ift ebet

nnb etnfadj, bie (§>ebidjte ganj beS 2)id?terS ber Divina commedia mürbig.

£)ie Silva de romances viejos coli, por Grimm burdfygelefen.

£)ie meiften über bie ^Wölf $airS $arfS beS ©rogen, oon benen

einige an £änge fleine (Spoptfen finb. 2)er ©ttyl barin ift nod) ooltfommen

plan nnb Iwmerifdj, jene weiche (Sentimentalität, wie fie ftdj> in einigen

fyäteren jeigt, wie 3. (§. in ber Romance de Flerida, oermißt man nocfy

ganj in btefen. 2)ie meiften ^Iffonanjen finb a ober a — e. ©ie erregen

jenes eigne ©efüfyl, baS man nur bei ifynen unb beim ©tubium ber

altengtifcfyen unb fcfyottifdjen $oefte wieberfinbet. Unter ben romances

diversos fyat midj bie Oom ©rafen 2ltarcoS am meiften angezogen.

$lm 16. Wpx'il faufte id) hd einem Antiquar ben unerwarteten gunb:

^uarte'S Examen de ingeniös, OueOebo politica de Dios, (£eroanteS

Page 213: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

193

Novelas exemplares, beffen äugerft fetteneS Viage del parnaso, bie

£>iana oon äftontematyor mit ber $ortfe£ung oon $t(onfo $ere£, eine

(unbebeutenbe) (Sammlung oon Canciones unter bem £itet: Laberinto

amoroso, eine ffeine (Sammlung ton 19 entremeses, £oge be $ega, el

peregrino en su patria , ben britten £fyett ber Comedias de los mejores

ingeniös de Espafia mit 12 ^omöbien , worunter fieben oon £ope be $ega.

£)a$u 9ftarino'S Adone in oier jDuobejbänbdfyen.

($elefen: La dicha por malos medios, Comedia por Gaspar de

Avila.

äBelcfye l^o^e 2luSbilbung für baS Sweater bie ftanifd?e <Sprad)e befon=

berS burcfy £ope unb halberen erhielt, jetgt fidj oorsügtid) in ber SMenbung

n>eld)e nod) ben fyäteren 3)tdjtern eigen ift.

£)iefeS (Stücf oon Sloita jetdjnet ftdj burrf) eine neue gtücflicfy erfun*

bene 3ntrigue, eine eb(e poetifd)e ©pradje, pjfue im geringften übertaben

$u feiert, unb burdj eine fefyr leiste unb gtficfltdje SSerfification aus,

ba eS faft ganj gereimt ift. 3)ie güüe oon $oefie freiließ, bie in taufenb

S3(umen fcfytoelgt, unb bie unerfd)ifyf(idje £aune beS ©ra^iofo unb feiner

(Spaße eermißt ein an (halberen getoöfmter £efer.

19. Styrtf. Corinne ou Tltalie oon ber (Stael. Wlit Vergnügen

getefen. -3n ben (Sfyarafteren motten fid) übrigens nur Wenige neue

3üge finben, toenn man bie 3)efyfyme fennt. 3)tc tiefen unb feinen ferner*

tagen über bie £iebe unb baS ®enie geben biefem 23ud) einen eigenen

fsf^otogtf^en Söertfy.

20. Styrit. 3um 21., ber Geburtstagsfeier für Xante i'inbenfetS

ein (Sonett gebietet:

„<Sd?on toölbt ber Saubfyam grünenbe ^ßatäfte" tc.

Qty ftfyreibe je£t nid)t gern (Sonette, aber für ein ©ekgenfyeitSgebidjt

ift eS gerabe redjt, toett eS eine beengenbe $orm ift, unb alfo fürje

jum ®efe£ madfyt.

3dj T^abe mir bereits ein $eft für meine afcjufdjretfcenben lieber in

rotten «Saffian binben (äffen, um audj baS 5teußere ein bissen elegant

ju matten. Sftodj liegen biefe lieber in einer (Seftatt oor mir, toie fie

mir ntdjt ganj gefallen tonnen.

2)aS 9ttotto baju:

£)ie lieber an ben £efer:

„Sfißafyrlid), toir fünbtgen" :c.

Page 214: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

194

21. WpxrL -3(f) fyaBe bocfy immer imr bei folgen ^ßerfonen, fetyenS

Männer ober grauen, ©enug gefunben, bie ftdj gerne mit Literatur

Befdfyäftigten. (Sine fotd)e SBefamtrfdjaft öffnet mir bann immer eine fefyr

angenehme $er]>ectioe, unb ein reid)e£ gelb be3 ®efyräd)3. Sftan tijetlt

ftdj fo bietfadfj unb Beteljrenb mit, man muftert gegenfeitig feinen fteinen

ißüd()eroorratf) , man fet ^ufammen bie dafftfdjen 2öerfe ber Sitten unb

Dienen, unb jeber 2Tag Bringt neue Erfahrungen, neue ©enüffe in bie

freunblicfye SlBtoecfyStung ber ©ebanfen.

SDte Beiben $omöbien ton Sope: Lo que estä determinado unb

la Lave de la honra, getefen. (Sie mögen toofyl uidfyt 3U ben SDZeifterfrücfen

be3 ^Serfafferö gehören. £ope'3 tetft ift nod) giemticfy eine rol)e Äunft.

22. Styrü. £)a$ £ieb: „ga^te toofyl, fein 2)ämon tädfye" :c.

28. Wpxil £ieb: „Wn ben @<$Iaf."

30. Stprtf. „<Mmntiftf>te ©onette Oon i&" @* finb fünfzig,

bie nicfyt alle gebrucft toerben follen; Wlvcf fyat fie in ber §anbfdfyrift.

36} fanb tyter oiet mefyr 5p^>arttafte aU in ben Bi§fyerigen Werfen toon

^liefert, bie idf la8, aber ars juneturaque motten bodfy Ijier ben größten

Slntfyeit fyaBen, unb btefe finb rctrfltd^ im fyöcfyftmögttcfyen (Stabe oot^anben.

Hin groger £fyeit ber (Sonette fann ba^er für ädjt clafftfdj gelten. 3n

mehreren ift bie ©pracfye ein Bi3cfyen gerabgeBrecfyt, ober bie Meinte gar

ju prettö'S. £)iefe finb alle toeiBüdfy, unb bodfy fommen oetfyättnigmägig

nut ioenige auf en Oot. Energie, Äürje, ^öegeifterung, 3)cetaofyetnteid()=

u)um finb faft djaraftettfttfdj für alle.

©ebidfjt: „SBer fie je getragen im §er§en" :c.

3. 9Tcai. 2)ie (Kollegien fjaBen angefangen, ©eometrie Bei 9#e£,

iBat)erifd)e ®efrf)icfyte Bei ©euffert, ättatfyematifcfye $^i(ofo^ie Bei 2öagner,

Defonomte Bei ©etier.

-3cft nnE in biefem ©emefter alte ©pradfyen unb baS £)änifdje treiBen,

bann SBotanif ftubteren unb oiet granjöfijd) fdfyreiBen.

9. WlaL SIBfcfyrift h^x ©ebidfyte (44, barunter 11 UeBerfe^ungen).

12. Wlal 9xac^rtd)t bag ©ag geftorBen ift.

13. äftai. Le Veglie di Tasso [ einzig töte bie Gerusalemme, nur

ettoa mit 2Bert(?er $u oergteicfyen.

3)ie (SaO^o oon ©rittparjer oerrätt) ein ungetoölmtid()eS poetifcfyeS

Talent , burefy ba§ Arrangement ber -Sntrtgue unb bie Ausführung. £>ie

augere gorm fe^r oernadfytä'jftgt , bie SBerfification titelt correct.

Page 215: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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tfötoenfyer^ eine ber §aupn;erfonen feim toirb.

17. yjlal Zubern eine @%e ber matfyematifdfyen ^fyitofo^ie 2öagnerg

gegeben.

1. 3uniu$. 2luf einem gerienauSfmg in §omburg am 9ttain fdjrieb

icfy bie erfteu $erfe meinet £rauerfpie($ „SftatfyHbe" (9ticf>arb ^ötoen^erj),

bie te£te ©cene be$ legten 2lcte8 in Dctaoen.

(Sobalb icfy auf bem £anbe bin, fommt mir bie £iebe jnr $oefte.

3lm 9. 3uniuS toerbe id) ber ^ronprin^effin oorgefteftt.

21. 3uniu§.t0s*8 toirfft bn fdjtau mir 9re£e" ;c.

12. -MiuS. L'homme des champs, par Delille, nnb The art of

preserving health, by Armstrong. $ene3 gereimte ^ßoefte ofyne SBctrme,

^fyantafte unb poetifcfye £iefe, biefeS beffer aU ÜDeiifte, bod) toeit unter

bem Essay on man.

„2uttam$$fyk," ©djaufyiel; „greüa'3 2tltar," £uftfpiet; ©ebidjte,

»on £)efylenfdpger.

£)efy(enfd)(äger ift ein greger unb tragifcfyer £)icfyter, aber man muß

©fyaffpeare fer^n , um sugteid) ein groger tragifd;er unb ein groger fomifcfyer

£)td)ter ju fetm. 3)ie beiben genannten ©tücfe ty&ttt $o£ebue auefy madjen

tonnen. £)te (Sebidjte ftnb mitteimägtg unb toeniger.

Audoeni epigrammata 12 lib. 2 Voll. 25ie(e geiftreidj unb treffenb

— in SBortfpieten ift Dtoen unerfd)öpftid). 3d) überfe^te einige baoon.

A segreto agravio segreta venganza oon (Sutberon.

26. 3ultu8. „©efang ber lobten'' — jtoei frühere lieber: „£)er

3D^äbc^en griebenÄber" unb: „@o fyaft bu'3 in bir fefr ertoogen" reoibirt.

29. -Miu§. £)en ©tubenten brei 3nfcfyriften für einen S3erf>er gemalt,

ben fie 23efyr bei feiner Dftidfefyr oem £anbtag geben ioollten, um eine

barauS ju nxtfyten:

1.

3)anfbar reicht bir unb frei?, bem mutagen, treuen 33efd?ü£er

(§me§ geretteten $otfö blüfyenbe 3ugenb ben £ranf.

2.

£rinf, unb bir frtnge bein 2Bort, ba§ öolföoertretenbe lieber,

£rtnf, unb es fünge ber £>anf unferer ^erjen bir gu.

3.

©ietye ben Äran^, er ift bein: Sern Eftanne be§ SSotfö unb ber 2öa^ett;

9iimtn ben ^ofat, er ift bein: freubtger Sünglinge £>anf.

13*

Page 216: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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1. &ipft. (p§tatx in „$)er Scfculb" gefehlt. £a§ Stütf totrb

mir jebeSmal fataler, nnb tcf> erfenne jebeSmal bentlicfyer feine un^tigen

Scmoäckn nnc £ä*erlic6feiten. (2§ t/at feine einzige liebensroürbige nnb

rcirflico tntereffante ftigur.

14. 2lngnft. kleinere SBerfe oon ©oetne getefen: „£ie Unterhat*

tnngen beut] d) er 2lu§geroanberter," „bie aufgeregten," „ba§ sD?euefte oon

^lunber&oeitern," Prologe nnb Stiege, „ber üergetterte Satcteufet,"

„bie guten Söeiber." (Einige ber neneften tiefer 3Ber!e finb fe^r mittel

mäßig, roie: „fcte $Jla8tm$a$t" nnb „(Smmenibee' örroaenen." „^anbora"

aber tft ein 9Jceifterftücf be3 @eme8 nnb ber fünft.

„Religion, SBifienfcibaft, fünft nnb Staat" bott Wagner gab tiete

nenen 3teen trat überralcoenbe 2(usficoten.

„föafon -3art" Ocn Cel)tenfd6läger. Defjtenfdtfager gibt oiet, lägt aber

eben fo btd $u nmnfcben übrig. Sine gerriffe @rö§e erreicht er niemals,

unb ein großes r)ifrortfcf>eö 58tlb, ober ein oerroicfelte« Sujet würben ifym

rttct)t gelingen.

{peebotä faüigone tft eberflacolicb.

23aco'3 Sermones fideles für nnfere obUcfcoriiünere ßtit oerattet.

Xm größten Jbeil ber Rime del Tasso gelefen; fte ftne Jaffc'3

roürbig, aber otme Jtefe, bie ber itatienifeben £brif überhaupt fefytt.

i9. 2(uguft. fßm Gatberon: El major monstruo los zelos nähert

fieb ber Sragccie, gnt angelegte 3ntrtgue , einige fer)r feberte Stellen, bod)

befriebigt boS ®an$e niebt.

Dicha j desdicha del nombre, eine comedia de capa y espada,

oorjüglicf; buref) tte oerrctcfelte Grftncung be§ fnetenS , aber ferne

Schönheiten im Ginjetnen. Eeo j Xarciso tft bie tone ber mtitfyc*

togifeben fomobien, ein roa^re« 9Jceifterftücf. (2$ fyat feine befonberS

f)eroorragenben Stellen , aber ba§ (San^e maebt einen rounberbaren Sinbrncf

.

26. Stuguft. La Hija del Äyre I. IL nnb bie 3ttei 2lnto$: La

Humildad de las flores coronada nnb A Dios por razon de estado.

3)ie femöcie tft roenig intereffant nnb erinnert an lOcetaftafio ; IL tft

bie oeffere.

%n tte Sluttfö geroölnte tdf> mich, nnb geroölmen muß man ftet) an

biefe SQcifcbung oen $cefte nnb tf/eotegifeber üft?etorif, oon f)iftcrtfcr)en

dfyarafteren mit atlegortfcben ^erfonen. Ta$ $roeite cer genannten ijt

oertrefflieb.

Page 217: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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31. Wuguft. ßum erftenmal Doibg Sttetamorpljofen ganj burcfygetefen.

Unter anbern §anben al§ benen £)oib§ märe e$ oielteicfyt ein erhabenes

©ebicbt geworben, toeld)e# ba§ gan^e 2I(tertl)um unb feine 9Jtyfterien

umfaßt fyatte. -3c^t finb e$ angenehme (Srjäfytungen in frönen Werfen

oljne eigentliche SSerbinbung. 3fyr Hauptmangel ift bie ^ürje. (Sobalb

Ototb in§ (Smjelne gefyt, mirb er 3)idjter, fo in ben (grjä^Inngen »on Dfiobe,

»on ftarciffu^, oon 9^ebea.

Memoires de St. Simon. I. IL III.

to 2. (September nad) Sfcfyofen , ioo icfy einige $eit Bleibe. 3d) ^aBe

mir Vorgenommen micfy auf8 3e^tten ju toerfen, unb fyabe Vorlagen

mitgebracht. Un 23ücfyern fyaBe id) außer 2öörterbüdjern mit mir: einen

gfyeil ber griedjifcfyen 2lntfyologie, bie Antigene Don @obfyofle§, £>ante'8

^ßurgatorio, einen 23anb »on (£atberon, bie Sftumancia »on (£er»ante$,

bie Seasons »ou gfyomfon, bie urgente »on SBarclaty, unb jtoci botanifcfye

23üdjer.

8. @e»tember. 23rief an ©ruber in Mtteloerfen. £)ie bänifdje

^omanje „93e»teren" überfe£t.

9. ©e»tember. (£inen großen Stfyett beS erften 2lct3 ber gragöbie

„SUtotfyUbe" gefcfyrieben.

12. September. Ueberfe^ung einer flehten fpanifdjen 9foman$e:

„0o%eti fyielt man bort in ^ranfreiefy.''

17. September, (gm Dr. Sftatyer, ber nadj %|bfen fommt, gibt

mir eine UeBerftcfyt feiner pfytlojopfytft^ett 3been. „£)ie 28elt ift ftd) felBft

genng, bie 2Belt unb ©ott finb eins, unb merben nur in ber Slbftraction

gefdjieben, fo mie auä) im SKenfdjen Körper unb ©eift in 235trfltd^fett

nicfyt getrennt toerbeu fönnen. Unfere 3been gefyen in einem emigea (£irfel

fyerum, t»eil t»tr über bie ©rä^en ber 9ttenfd)fyeit nicfyt InnänS fönnen.

£)ie SD^enfc^t)ett l)at ifyren £ummelpla£ , ben fte jioar nadj allen Seiten

burd^freu^en, aber nie überfd;reiten fann. 3)ie Sftatur bietet nur il;re

(£rfdjeinungen , bie -Sbeentoelt ü)re 2lnficfyten ; m$ 2ßefen aber bringen toir

auefy nidjt bei ber fleinften ©ac^e, toeit ©ott felbft ba3 Söefen ift, unb

nie ein £l>eil ba$ ©an$e ergrünben fann. -Sebe nodj fo »oüfommene

Slnfid)t bleibt bie Sfrtftcfyt etneö einzelnen UnooHfommenen , nur mer alle

9lnftcfyten jufammenfaffen rennte, erhielte baä 3lbfolute. S5ie Obeal*

pljilofopfyte tyat nur einen fubjeetioeu , aber feinen reellen SBertfy, toeil

fie nie Ueber^eugung gemährt, unb nad) ben inbioibuellen Meinungen

Page 218: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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eineö jeben loecfyfett. (§8 fann !ehx iDZenfd^ oljne Religion gebaut merben,

benn ber Ungläubigfte glaubt eben fo biet al$ ber ©täubigfte, nur baS

Cnitgegengefe£te. 2)ie bernünfrigfte Religion ift ber Pantheismus." —14. «September, ©ine Söattace gebietet.

17. (September. 53ter toettere £omöbien bou dalberon gelefen.

22. (September, ©ebid?t: ,,©efellig toanbern merb' icfy nicbt mit btr" zc.

29. «September, ©ruber befugt midj in 3pfyofen. 2öir (acfyen unb

fcberjen Rammen, toie e§ getoölmlid) steiften un§ ift. SD^it niemanben

fyübt tcfy nocfy fo biet getagt als mit ©ruber, -öd) fotttc gufrieben fefytt

mit meiner £age; icfy bin frei unb unabhängig, Ijafce mein gute§ $fu§*

fommen, fann meine £ieb(ing3ftubien treiben, unb bocfy bin icfy nid)t glM(id).

2. Cctober. (Sine Wct (Spitfya(amium gebietet, ba§ an ben Anfang

be§ britten %d$ bon „Sftatfyitbe" fommen [oft.

15. ©ctober. 3*»ölf lieber gemalt . (<Sd)on enthält baS £eft

42 (Stücfe.)

16. October neun, unb 17. eitf lieber gemacht — unter ben neun

ein fran^ofifcBeS.

©rlattgetu

24 Dcteber. Srtangen mad)t mir einen ühkn ©nbrucf ; ein erbarm*

licbeS (StäDtcben, in bem icfy ofyne greunbe, olme 33efannte bin.

23eattie'£ The minstrel, a poem. -3n ber (Spencer'fcfyen Stande,

angenehm, olme eine ©pur bon @enie. (§8 fcbitbert bie geiftige 33itbung

eine§ 2)id)ter3, bibaftifcfy, bocfy in Sftomanform.

1. Sftobember. 23on einem 53efucb in Unübafy jurücfgefommen , too

icfy ben £iban bon ©oetfye ta8.

Steine Sinnafymen belaufen ficfy auf über 1000 fl. (600 fl.bom

^önig, 300 ft oon meinem $ater, bann monatlich 12 f(. ©age.)

2. ^obember. Od) fyahe meine 23ibtiotf>ef fo oerooüftänbtgt , baß

faft fein bebeutenber alter ober neuer 2)icfyter fe^It. dhix (Spencer unb

pnbar toerfccu uod; bermi§t. — §eute faufte icfy (Jotoper unb ^Butter,

unb eine l;err(id)e 2lu3gabe Oon (Sfyaffpeare.

3. ^obember. (£a(beron3 Las manos blaneos etc. unb 3)rtyben8

The Indian Empevor. 3)iefe8 Untere $eigt ba§ 3)rfyben burcbau3 fein

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poetifdjeS @enie ^atte , eS toirb manchmal aBgefdjmadt. Stile Reiben

biefer S^ragöbie finb toetBifcf) fcerlieBt.

3)ie (tEalberon'fdje $omöbie bagegen tft eine ber unterfyaltenbften burefy

bie tounberöotte $erh)idtung ber Sntrigue.

3d) fyaBe mir ein 23ucfy Bulben (äffen unb e8 Betitelt: „©fi^en

bramatifdjer £ectnre." 3n bemfetBen toiE idj bie ©efdn^te jebeS £fyeater=

ftüdeg, ba§ idj getefen, olme fritifdje 33emerfungen geBen.

7. 9toöemBer. „3)er ptger bon @t. 3uft"

10. üftoöemfcer. -3m &©$f$en <paufe meine atte ÄbSfrau gefefyen,

bie fefyr gerührt n>ar.

25. 9?o&emBer. Steine Sttfdjgefeflfct)aft , mit ber ify fefyr aufrieben

Bin, Beftefyt aus ben Beiben Maronen £)er£en aus 9ftecf(enBurg, bie l)ter

ftnbieren, bem $rit>atbocenten £eupolb, einem 5Iffeffor nnb einem jungen

Kaufmann; bann einem (trafen DrtenBurg, ber öfterreicfyifdjer Officier

ift nnb fyier ftubiert, bem £>o£(änber <pn[d)Berg, Batyerifdfyer ®enbarmerie=

officier, einem fcl)r unterrichteten ÜJtomt, ber üBer atte$ $u fyredjen toeig,

frembe <2>pra(f)en berfteljt unb gereist ift.

3dj fyöre Bei Teufel, ftaBri unb $faff. Um jtoei Uljr finb meine

Kollegien ^u (Snbe. S)en -ftacfymittag jei^ne idj, gefye frieren', tefe in

ber Harmonie Journale , jutoeilen ftubiere icfy. 2lBenb$ immer ju §aufe,

lefenb. Um ^atB 11 Uljr ober um 11 Ufyr gefye icfy ju 23ette.

§ufd)Berg Ijat eine feftne UnterljaltungSgaBe , unb beBattirt Ijöcfyft

getoanbt, er toar $lbjutant ton Sftarmont.

4. £)ecemBer. „2ttarcog/' fcon $riebridj ©djfeget, eine erBärmtidje

S£ragöbie; feine SBertmcf(ung , feine föttaffco^e, feine ©fyaraftere , ber

Dialog (acfyerticfy, unb bie SBerfe etenb.

£)eluV3 La pitie — glücfticfye $erfe, aBer fein ©ebidjt, ganj

olnie $(an.

The Seasons by Thompson — fann man einmal mit Vergnügen

tefen, oBtoofyl baS @ebid;t toeitfdfytoeiftg , fcfytoerfättig unb fteinücfy ift.—

<£$ ift aÜerbingS ein SBerbienft bie Sftatur ju copiren, aBer biefeS $erbienft

ift fein poetifd)e£. 3n ber äugern gorm nähert ftdj bieg ©ebicfyt ben

c(affif(fyen formen, aBer e§ ift eine froftige (5(a(ftcität.

£>er neue 2tmabiS bou SBietanb. $ein epifcfyeS ©ebidjt, fonbem

eine angenehme (Sr^ä^tung; jiemlicfy fribote 2lBenteuer unb 3tetnltcl)

fliegenbe $erje.

Page 220: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

200

Childe Harold III. IV. 3m brüten ©efang befonberS fyat ftcfy SB^rott

felBft übertroffen. (SS ftnb ba ©teilen oon einer kräftigen unb erhabenen

©cfybnljeit. ®er menfdjenfeinblicfye (Sfyarafter be§ gelben, b.fy.

be§ 2)id)terS,

ift mit einer $raft ber $fyantafte nnb be£ ©enie'S gewidmet, toetcfye ju

allen Seiten fetten getoefen ift. £)ie $erftfication ift ebenfo ergaben als bie

©ebanfen. £)er feierte ©efang fyat biete brofaifdfye ©tanken , befonberS too

oon ©cfyriftftetlern bie SKebe ift. 9?om unb -Statten ftnb ju oft gefdjitbert

;

toenn ba§ gelingen feit, muß man nid)t befdjreiben, fonbern bie (Sinbrücfe

fcfytlbern tuelcfye bie ©egenftänbe auf einen gemalt fyaben, h)ie ©oetfye tfyat.

16. £>ecember. 3toei ©onette oon (£amoen3 überfe^t, unb ba3 fyerr-

liebe, toafyrbaft göttliche ©ebicfyt:

Sobre os rios que vaö

Por Babylonia me alhei etc.

-3tt Nürnberg, im batyertfd^en §ef, ben 3 talteuer D^tccarbt fernten

gelernt, ber mit ber *ßrmjeffm oon ^Bak^ im Orient reigte, unb nun

als Sftaturforfdjer auf bem 2Beg nad) 2apptanb ift.

3)ie Danske Visor fra Middelaldern in fünf 53änben erhalten,

©roße greube.

3dj gebe meinem 3immernad)bar Sfrotenljan eine ftrqe 3)arftellung ber

§aubtibeen ber Söagner'fcfyen -ßtütofopljie. Wlit 9?otenl;an unb ©djäjler

über ben gegenwärtigen ifaftanb £eutfcfylanb3 gefprocfyen, bann über $rcte=

ftantigmuS unb $atl)oticigmuS , unb ben Sßagner'fdjen ©ebanfen enüoicfelt,

baß ber ^roteftanttSmuS nur eine Oorübergefyenbe $orm fety, mit bem fyiftori=

fcfyen 3toede bie beutf^e ^3fyi(ofopfyie fyeroor^ubrmgen , bie baS (£l)riftentljum

erklären unb erteilen folle, toetcfyeS oon bem 2lugenblüf an mißoerftanben

tooroen fety, ba man angefangen §abe baran ju jnjeifetn, unb e3 nid)t

mefyr als (glaube in ber (Seele eingefd)toffen ju galten, ioofyer e3 fomme

baß ber -proteftantiSmuS toeber roafyrfyaft Religion nodj toafyrfyaft ^ßfyttofopfyie

getoorben fety.

16. £)ecember. 5ln gugger ein fpanifd;eS £ieb unb ben (£fyor ber

äflatrofen gefd^icft.

24. £>ecember. 2lu3 einem 23rief an ©ruber.

SöagnerS ©ebanfe, baß ©oetfye ber le£te jDtc^ter feto, , fann nicfyt auf

mid) eintotrfen, ba tcfy mir täglich meljr ber 9ftd)tigfeit meines tooetifdjen

£atent8 bettmßt toerbe, unb aud? in ber Zfyat feine ÜSerfe meljr macfye.

£>te $oefte toar bei mir, toie bei liefen, eine 3ugenb = unb £tebe£ergteßung,

Page 221: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

201

bic einem reiferen Filter oI)ne SBiberftanb roetd|i. SBagnerS 33efyauptung

fommt mir aber gerabe fo bor, alQ toenn einer fycitte fagen motten, nad)

9?apfyael lönne e3 feinen Sftater mefyr geben, toäfyrenb (£orreggio, bie

(£arracci unb fo biete anbere ÜÄalergenieS feiner eigenen unb fremben

©ernten nadj tym Müßten. Unb (&odl)t ift m'djt einmal 9?apfyae(; biefer

meljr fyeibnifdje aU c^rtftUd^e ÜDidjter fyat ba8 §öcfyfte in ber romantifcfyen

$oefte gar nidjt erreicht, unb griebrid) *>• §etyben ftet)t in biefer £>infid)t

fyodj über ifym. (So gut 2öagner ben ©egenfafc gtoifdjen 2tltertlmm unb

©jriftentlmm lennt, fo fyat er Um bodj in ber ^ßoefte, mo er am auf*

fatlenbften ift ,gar nidjt burdjgefüljrt. ®oetfye ift nidjt einmal ber SSottenber

ber beutfd;en ^ßoefie, fonbern in ifyr btoß ©cfyitterS geiftiger ©egenfa£,

tote ©fyaffpeare (SatberottS in ber euro^atfd^ert. Wlix fcfyeint griebridj

o. §etyben gu fetm, ioa$ 2Bagnern ®oetfye fdjeint. National begriffen

fommt bie romantiftfye *ßoefte naefy ifyren $oten fo gu fielen:

Italiener

(Sngtänber ©panier

3)eutfck.

3)ie anberen $ö(fer Ijaben feine magren T>id)ter, ober fie fliegen ftdj

Hofe an bie anbern national an, toie bie ^ßortugiefen an bie (Spanier; bie

S)änen an bie £)eutfd?en. Nominell aber |ef§t biefe £etrabe fo:

£)ante

©fyaffpeare (Satberon

§etyben,

3n §etyben trifft loirfttd? ©fyaffpeare unb (Salberon gufammen. ®oetfye

hingegen fyat feinen gunfen oon halberen. S5on einem anbern @oetfye'fdjen

Serfe als bem $auft fönnte ^ter ofynebem nicfyt bie 9?ebe feim, aber

auefy $auft, toietoofyl ein tiefe« @ebid)t (tote e$ in biefem Zeitalter bei

einem großen beutfdjen £)icfyter nxcfyt anberS fet>n faun) , fyat gar m'cfyt bie

toafyre S3ottenbung , unb trägt feine pjjifofopfyifdje SEcnfeag beinahe unpoetifdj

an ber ©tirne. ©oetfye ift ein grofje3 ©enie, unb ba$ toaren audb

GEeroanteS unb SftHton, ct)ne begfyatb $ole ber ^ßoefie gu fetyn. 2)ie

beutfdje ^ßoefie tonn faum auberö alö fo conftmirt toerben:

motftod

®oetfye ©dritter

§etyben.

£>a§ SBagner ®oetl)e ©gittern mie SBein bem 33ranntmein entgegenfe^t,

Page 222: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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ift richtig, unb e$ gilt aucf; oottfommen oon ©fyaffkeare unb (£atberon,

unb ton einer eÜoa$ einfeitigen 2Infi(f>t ausgegangen, ftefyt ©fyaffbeare eben

fo fyodj über (halberem, als ©oetfye über ©du'der ftefyt.

27. 3)ecember. £m[d)berg ift 2öagner3 matljemattfdje $fyitofobr;ie

Weniger bunfet rba äfynlidfye ©ebanfen, oon 3acob SBör/tne aufgeregt, fd)on

lange tl;n befef/äftigt Kraben.

$on mir gi(t toaS 3Taffo fagt:

SBenu id) ntd)t finnen ober bieten fott

,

@o ift ba§ Men mir fein £eben mefyr.

j? £affo unb Antonio in mir ju bereinigen ift eine Aufgabe ber ify

ntdjt getoadjfen bin, ben £affo fahren ju laffen ift teidjter gefagt at$

getfyan, unb toenn i(fy midj anberS redjt lenne, fo ift e8 mir unmöglidj.

30. £>ecember. SBorgeftern ftieg juerft bie 3bee bei mir auf, bie idj

»erfolge, einen £r/eit ber .empirifdjen SBiffenfcfyaft , bie mir am meifteu

jufagt, naäfy 2öagner'fd)er (Eonftruction 31t bearbeiten, nämtiefy eine @efd}icf/te

unb $rttif ber neuern (£utturpoefie , bie idj in einem 23rief an ©ruber

naefy ben Tutoren conftruirt l^abe. 2Bir ^aben nämticr; brei große ^ßerioben

ber $oefie erlebt in (Suroba:

^oefte ber ©rieben unb Körner.

SBolfSboefte be§ Mittelalter^. GTutturpoefte ber neuern 3^-

£)ie oierte ^eriobe liegt nod) in ber 3ufunft, unb ift audj in SBagnerS

3beatyf)ilcfotofyie angebeutet. 2)ie britte ift e3 bie id) ju befjanbetn toünfdjte.

$n (Smtoirie toürbe e$ mir ba^u nidjt fehlen, aud? loenn idj jefct fd)on

beginnen tooHte; allein e3 fefylt mir nod? an bfyilofobln'f^em ©efyatt, unb

auefy an 3e^- 3>tefe Arbeit toürbe aber toett oon bem ®efdnnier ber

je^igen frittfafter in ben SHteratur^eitungen abtoeicfyen, unb jebem fritifirten

SBerfe toürbe 3uerft bie 3bee be8 (Standen oorauSgefcfyitft ioerben, eine

Aufgabe bie nicfyt ganj teief/t, aber für midj ausführbar ift, fobatb i(fy

nod; tiefer in SBagnerS -Sbeafyfytfofopfyte eingebrungen fetm toerbe.

3dj bebaure baß idj anbertfyatb Safyve in ber 9?% SöagnerS , biefeS

aujjerorbentttdjen Cannes, beinahe frudjttoä lebte, toäfyrenb ify je£t in

ber Entfernung tägtid) mefyr oon ber ungemeinen £iefe unb Söafyrljeit

feiner GEonftruciion überzeugt toerbe.

Page 223: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

203

1820.

12. Stonuar. Oeuvres poetiques de J. B. Rousseau. üftiemanb

toirb bte ^ran^ofen um iljre erften Styrifer Beueiben. Q§ bin oerftdjert

baß bte ©amojeben einen Beffern fyaBen. £)enn biefe feid)te, ibeen(o[e

5lBgefd)macftfyett , mit aBftracten Gegriffen fümmertid) burdmüd)tert , unb

mit feit §orq unb £)ütb aBgenü£ten Sftetapfyern nu)tt)ologifcfy aufgefmfct,

möd)te toot)t außer ber $arifer $oefie nirgenb anzutreffen feint.

SöernerS 2Betr;e ber Unfraft fd)eint mir ein gemütvolles unb geban*

fenreid)e$ @ebidjt, unb ließe fid) fyinfidjt(id) feineö ®afyoliciSmuS leidet

rechtfertigen, toenn nicfyt bie Slnmerfungen baju fo unenblid) aBfurb mären.

Sn feiner $unegttnbe ift bie GHjiarafterifttf oBerftäd)tid), bie äußere

$orm fefyr Befd)ränlenb unb eintönig, fyaufig jum äd)ten $nittetoer3 fyeraB*

fatlenb. £)aS Stütf foöte burdjauS fromm toerben, unb floß bod) nicfyt

au$ bem ©emütfye.

„£>er oierunbjtoan^igfte $eBruar" ift ein Qfteifterftücf , an bem ftdj

im ganzen nid)tS, unb im einzelnen nur ber forttoäfyrenbe Leim tabetn

liege, ber oft £u §ärten unb äußerft gefdjrauBten Lebensarten 2tntaß gibt.

©fyaffpeare'S Love's labour's lost, eine ^unbgruBe oon <5d)ex% unb

2öi£ unb Saune ; fein $er3 , ber nicBt oiel $u benfen , ober oiel ^u Iad)en

gäbe. Unb bann lieber bie ernften «Stellen, loie groß, mie fyinreißenb!

15. -öanuar. (Sin Sieb gebid)tet, „3)a3 ^reuj," in baS icfy eine

große 2öagner'fd)e 3bee legte.

16. -Sanuar. ©oetfye'S ttnioerfafität ift aHerbingS fe^r oerfüljrerifcfy,

um tlm für ben 35oHenber ber $oefte ju Ratten. 3)er SBietfadjtyeit feiner

2öer!e nad) fteljt er ^toar nid)t einfeittg toie @Baffpeare ba , oiefleid)t aBer

bodj ber 3bee feiner 2Berfe nacfy; benn baS retigiöfe $rinci}> fefyft.

©fyaffpeare'S SoB läßt ftd) in wenige Söorte faffen; er fdjrieB nie

eine 3eite bie nicfyt ganj ©fyaffpeare nmre. (£$ fefylt ü)m nur baS toaS

Bei (Salberon fo üBerfd)toänglicfy ift, bie SJtyftif, bie retigiöfe £iefe beS

®emütt;3. 3)ieß gefyt fo ioeit, baß er aucfy bie ©efdjfedjtStieBe niemals

djrifttidj erfyaBen barfteflt. (Sin £ieBe$|>aar ^u fdjaffen, toie nur Wtax unb

Htf)dta fmb , tag nicfyt in feiner ©pfyäre. Qn feineu Suftfpieten nürb bie

SteBe als Galanterie Befyanbett, in ber £ragöbie fyerrfd)t fie fetten oor,

unb reo fie oorfyerrfdfyt , 5. (S. in Lomeo unb 3ütie , erfdjeint fie atS

Page 224: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

204

järtltdj füge ©innticfyfeit. Aud) bie £iebe ber Dpfydia ju §amtet ift nid)t$

anbereg. ^frtrj, er beljanbett bte ?tebe tüte ©oetfye fte audfy befyanbelt,

ben Söertfyer aufgenommen, ©oetfye läßt fid) fogar ju ben Elften herunter,

unb beffen toären ©ante, ©fyaffpeare unb (Salberon niemals falng getoefen.

SBenn er atfo fragt:

„Atfo baS toäre SBerbredjen \ bag etnft ^ßroperj mid) begeiftert?"

fo lägt fidfy mit gutem gug antworten: 3a, ba3 tft SBerbredfyen. (5s

ben>ei$t jtoar abermals bag bu bei toeitem ber fünfttidjfte unter aßen

25i(f}tem bift, tote e3 alle beine SBerfe bereifen, aber e8 fpricfyt nidjt für

bein eigentfyümtid)e8 ®enie. — £)ieg führte mid) auf bag ganj btinbe

@enie, ba8 SBagner (Soeben jutraut, toogegen id) ilm baS fdjauenbfte

nannte.

(£atberon§ El monstruo de los jardines.

©örreS „£eutfdjfanb unb bie Sfteootution" fpridfyt midfy im fyofyen

©rabe an. ©3 gefaßt mir bag ©örreS bie £)berftä'cfylid?feit auf politifdjem

unb auf retigiöfem $e(be befttmpft, bie £)efyotie ber dürften fotoofyt aU

ben flauen 2iberati§mu3. 1>abei enüoitfett ber @ttyt burdj ben Pjatttafte*

reihum unb bie empirifcfye güfle be$ $erfaffer$ eine fiegenbe unb ganj

neue SBerebjamfett , bie m'djt, wie jene ber Sitten, in abftracten unb pufig

fRiefen Argumenten fyerumfudjt, fonbern burdj eine binreigenbe SBitber*

fyrad^e bie Söafyrfyeit ftnnticf) unb unabweisbar oor3 Auge fteöt. ©eine

(£onftruction nad) IDret, unb feine ettoaS $u toeit getriebene Vorliebe für

bie §ierard)ie fonnte mir meniger ^ufagen.

22. -Januar. £)te Renata oon ^riebrtcfy o. §etyben unterlieg mir

einen unoertilgbaren (Sinbrucf , toar auf mid) toon ebenfo mädjtigem (SinjTug

atö bie SBagner'fdje $f)i(ofoobie. 3dfy fyatte biefeS 3)rama für baS ^öd^fte

$)td)tertt)erf aller £anber unb 3^iten.

3dfy machte ein ©ebicfyt auf bie Renata.

26. Januar. Sie 8e¥amttfdjaft (SdmbertS, biefeS fyerrticfyen Cannes

unb SraturforfdfyerS,

Aufenthalt in 23atyreutfy; 3ecm $aut3 23efanntfd)aft gemalt, ber

miefy im Anfang für einen SJtyftifer galten Wollte. (SS.toar ^uerft fcon

§erber bte Sftebe, bann teufte fidj ba3 (Sefpräd) auf einige ptyhffiffiffiji

©egenftänbe, 3. (£. f^retfjeit unb üftotfytoenbigfeit , toobei trir im Anfang

fetjr geseilter Meinung toaren, un§ aber batb über ben ©tanbpunft

oereinigten. £)ann fpracfyen nur über fdjöne Literatur. ©oetfye, bemerkte

Page 225: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

205

er, fety (SdjiüerS ©egenfa£, unb ein brttter muffe fte bereinigen. £)a

f^ra(^> icfy »on Renata unb Gionrabin.

5luf bem Sftücftoeg in (Streitberg auf einem (Spaziergange ,;§aup

©ebet" gebietet

12. Februar. SBefannte in Erlangen um biefe 3ett; außer Sftotenfyan

©rünbter, bie gtoet SBrüber ©tafer, £)aumer lenntnißoott nnb fanft.

5(uf SSerantaffung eineö @efpräd)3 mit ©rünbler über bie ©egen-

fäfce »on 2ltterttmm nnb (Sfyriftentlmm „£>a$ gtoetgefprädj auf ©otgattja"

gebietet.

19. Februar, gorttoäfyrenber (SntfyufiaSmuS für Sßagner, ber gegen

§ufcfyberg heftig »ertfyetbigt toirb.

$ebruar. (Sntfcfytug midj fortan emftg mit ben biftorifcfyen nnb

^aturtoiffenfdjaften jn befdjäftigen , nnb meinem £rieb jnr $oefie ju folgen,

unb lieber ein ganzer Slftenfd) $u derben, toenn e8 mir aud) in 3u^nftfd)ted)t geljen fottte, al§ ein falber #i fetm, unb toer'S audj ein ©efanbter.

lieber betteln aU meine -Snbioibuatität aufopfern.

Sßieber an ben £5boacer gebaut , ber aber eine gan^ oeränberte ©eftatt

erhalten foE; (Sarbonne über bie Araber in (Spanien getefen, toeit midj

audfy jene ßtit $x einem epifcfyen ©ebicfyte reijt.

£)efytenfcf>täger3 „Fostbrodrene" unb „Haybarth og Signeu k.

§etyben$ „£)ramatifcfye Sftooeüen ," Söernerg „(Söfyne beS ZfyaU," §erber$

„Obeen" :c. unb mehrere Söüdfyer be§ £t>uanu$ getefen.

23. D^otenl^an, fcfyön, reicfy, ber (Srbe ausgebreiteter ©üter, fann

fidj rufyig feinen (Stubien toibmen, obne ba8 fyarte 3o(fy einer S3robtoiffen=

fdjaft ^u tragen; ein fefter ebter (£fyaralter, fyerrticfye (Smpfängticfyfeit für

atteS ioa3 toafyr , gut unb fcfybn ift , eine Anlage jur SWfeitigleit toie toenige

üftenfcfyen, unb ein £rieb ficfy ^u bilben toie bei ioenigen.

23. Februar. (Srforfdje mein ©efyeimniß nie :c.

2lbenb$ bei (Sdmbert. £)ie ^njielmngSlraft btefeö fyerrttdjen 9ttanne§

ift beifpietloS, unb je mefyr man tf>n lennen lernt, befto metjr toirb man

toon £iebe burcfybrungen. (£r gab mir St. Martin , De l'esprit des choses

mit, unb eine (Sammlung oon jtoötf fomöbien £ope be $ega'3, bon

benen icfy nodj leine getefen fyabe.

7. Sftär^. SSrief an SBagner (über Renata): „3cfy toar fo frei

3Imen ba$ erfte 3ugenbtt>erl eines SDidfyterS mit^utfyeiten, ber mid; mit

£iebe unb 33etomtberung toie nodj leiner oor iljm burcbbrungen fyat, unb

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206

ber mir anzufangen fcfyeint too anbere anfrören. £)ie SBiebergeburt ber

SJcenfcfyfyett burd) bie £iebe fdjetttt mir eine fo große 3bee ju fetyn, ober

oielmefyr bie größte toettfyiftorifdje , baß fct$ je|t nod) fein £)tdjter e§ toagen

fonnte fie $n geftatten, aU bie Sftatur biefen außerorbentlidjen @eniug

fyeroorrief, ber fie in $inbe$einfalt mit toenigen Stteifter^ügen lebenbig

Ijmtoirft, tooju er bie $tnfel in bie fieben färben be3 §immel3 taudjt.

§ier fdjehtt mir toafyrfyaft bie 3bee oBjecttb getoorben, toätyrenb fie ftdj

in polemifcfyen unb plnlofopfyifdjen Sentenzen wfy bei gaufi fyerumtreibt,

ein ©ebicfyt, beffen oollen Söertt) <3ie ber 2Belt fernten lebrten, ba$ aber

Bei aller £iefe ber -3bee bodj nur ein tangfam unb müfyfam jufammen=

geftoppette^ glitftoerf ift, hem e3 oon allen (Seiten an poetifcfyer SBollenbung

fefytt S3ei ©oeu)e unb ©djiüer fyaben mir ben @enuß immer am meiften

bie $ugen oerbittert, bie man in ifyren Sßerlen toafymimmt. 2Bie ®oeu)e

arbeitete, ift un3 auS feiner SSiograpfyie begannt, Oon (Sfyaffpeare hingegen

toeiß man baß er nie eine geile auSjlrtd), toa§ ifym S3en Oonfon, ber

e3 freiließ nicfyt begreifen tonnte , oortoarf. Söei 3)ante unb (halberen mag

e8 berfelbe gatt getoefen fetm, unb getoiß auefy bei ^riebridj> §etybem

Söetradjten <3ie bie Renata! 2öie ganj au$ ©inem ©uffc Eingeworfen,

toie ber leiste, tebenfproffenbe Sßlütfyentraum einer (Sommernacht. Unb

bodj, je mefyr man bieß 2Ber! betrachtet, befto mefyr getoinnt e8, befto

mefyr möchte man e3 für bie ^rucfyt ber funfttid)ften Ueberlegung Ratten,

fo fefyr burcfybringt bie -3bee alle Steile beSfetben. Unb je mefyr icfy miefy

auf ben tyofyen ©tanbpunft biefeS @ebid)t§ ergebe, befto tiefer unter mir

erfcfyeint ber trübe Äampf ber ftcfy in ben ©oetlje'fcfyen Serfen umfyer=

betoegt, gteicfyfam toie im (Srbenfcfytummer oerfunfen, toäfyrenb man oon

ber Renata mit bem £)icfyter fetbft fagen tonnte:

„Stieß ift ein @fctet im Fimmel unter (Sttgetn."

„3n ber Zfyat fytt ($oett)e nie oermocfyt einen einzigen tugenbgroßen

unb fräftigen Gifyarafter, tote nur ber geringfte in ©fyaffpeare, bar^nfteHen,

unb ber SBilfyetm SJceifter toar mir immer fo elet^aft, toeit luer ein gan§e&

§eer oon (Scfytoäcfyltngen burcfyeinanberftiebt, beren -Smmoratität a priori

oorau3gefe£t toirb. 9äe tyat ©oetfye oermocfyt bie Siebe auefy nur im

Sinjelnen aufjufaffen. (£r fyat fie antif, ober noc^ fritooler aU anttf

bargefteüt.

„3<fy tooüte £>ter rttct)t ©oet^e'ö SSerbienft fc^mälern, nur fein 33er=

^ältnig ju ^riebric^ o. §etyben ftiQen, n>ie ic^ benn auef) immer fü^te

Page 227: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

207

baß man triebt feün fö'nne als ©oetfye. 2lm aÜertoenigften tooHte idf)

potemtfcfy gegen ©ie auftreten, toaS fdfyon au3 bem ®runbe unmögtidfy

getoefen feiert toürbe, toeil icfy bloß mit Söaffen fämpfe bie tc^ bon 3fmen

felbft fyahe.

„2öa$ auc^ ba3 £008 ber Renata betonen möge getoefen ferm, fo

toerbe tdfj bocfy nidfjt bereuen muffen (Sie bamit befannt gemalt ju fyaben;

benn gerührt nnb ergriffen toaren «Sie getotß babon. 9?ur fyalh aber toürben

©ie btefen ©icfyter fernten, toenn ©ie nidfjt aud) feinen donrabin fefen

toollten, toorin er audfy in feiner ^fafttfd^en gjerrlicfyfeit erfdjeint, bte

notfytoenbig in ber Renata eüoag jnrücftreten mußte, obtoofyt ftcfy bisher

fein 3)idfyter rühmen fann einen gtoribert ober eine 2lbelfyetb gefdfjaffen gu

fyaben. ®en (ütonrabin l)aben ©ie felbft aufg tooHfommenfte in -öfyrer

£l)eobicee propl^eit, tnbem ©ie fagen: „^erfönticfy, frei, ftdf) fdfyauenb

tritt ber §etb auf, unb toäfjt ein 2ßerf, ba§ er für feine $eit §n frül)

geboren. (5r Ijat bie (Stoigfett tterftanben, unb bie 3ett üeradfytet er, barum

reißt bie (Stoigfeit ben $aben feines ?eben3 ab, unb nimmt Üjn ^u fidj."

„3cfy bitte ©te auf ba3 bringenbfte ifyn $u lefen. — 3u9^e^ neunte

id) mir bte ^reifyeit -ölmen einige 93erfe beizulegen, bie id) an §etyben

nieberfdjrieb als id) bie Renata gelefen fyatte. Um ben 3)idjter tttvaS

belannter §u machen, tooflte id) fte inS Sftorg enblatt einrücken (äffen, bte

Üfobaction ^at jebodj bieß nicfyt für gut gefunben. £>od) I)at er aucfy

bergleidjen $anegr/rifen nidfyt notfyig.

,,-3'd) nenne mid) mit ber aufricfyttgften $erefyrung

3fyren banfbaren ©cpter" :c.

Wa Süber einen taugen SBrief über bie SSkgner'fcfye $fyilofo}>l)ie ge=

fdjrieben, toeil ber erfte feinen genügenben (ünnbruct auf tfyn madfjte.

12. Mäxfr @ebid?t: „Seid? ein böfer £rieb" 2c.

13. fflläxfr SBorgeftern bei (Säubert, too id) micfy immer mieber erhole.

(Sr tag mir au§ §an§ ©adjS bor, unb fyat mir tmrfticfy ©efdmtacf für tfytt

beigebracht, ben icfy fonft nidjt fyatte. 5lber &>a8 f(änge nic^t gemütfyticfy

toenn ©c^ubert es ticSt

SBagner t>erfu^r in feiner Hntoort mit bitterm (Spott gegen §etyben,

unb fagt baß biefer 3)idjter nicfyt im ©taube fet> feine 3been objectib gu

machen. S)ennoc^ fyafte ic^ bie Renata für ein ©ebidfyt aller ©ebic^te.

^c^ fyabe toiet ^u wct gelefen, at$ baß micfy dtctö Mittelmäßige^ ober

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208

<5d>kü)ti$ auf biefe Strt Innreren fönnte. £)te $efyter roetdje Söagner

§er;ben fcormirft, treffen bie ganje jetzige ©icfytungSperiobe bon £)ante an.

3)aS äftorgenbtatt Ijat baS ©ebtdjt an §et)ben nicfyt aufgenommen,

toetf (SelegenrjettSgebidjte fcom Sftorgenbtatt auSgefcfyloffen fetyen.

14. Sttärj. 3)en ©tubterenben Bonner fennen gelernt, einen eifrigen

5lnt)änger SöagnerS.

£iecf$ „3erbmo," „^Blaubart," „©efttefeitert tater/' „93erfet)rte

SBelt" unb „£>äumct)en" gelefen.

3)iefe äßeiftertoerfe ber £aune unb be3 gefunbeften 2Bi£e$, ber faft

immer gegen bie Dberfla^IicMeit unb *ßrofatertbertj ber $eit gerietet ift,

tonnen tttdjt anberö at8 fet)r anfprecfyen. 2)ocfy ift „StxUno" ju fet)r inS

^Breite geraden; ba ber $erfaffer rttdjt Sfteifter über ben $er3 ift, ftnb

bte poettfdjett (Scenen mißlungen; mancfyeS ift ju bitter. „SBtaubart"

baS befte.

2Bagner3 £t)eobicee t)at miö) mit bieten neuen -öbeen bereichert.

Los donagres de Matteo, comedia de Lope de Vega— getoölmticfye

$omöbie.

30. Wax^. $on einer Keinen Sfteife nacfy 2ln8badj jurürfgefommen,

mit ©rünbter, Räumer unb nodj einigen nact) 9?a£berg. 51m borgen fyatte

icfy mein (gramen bei Sftau gemalt. «Später tarn ©überfein, unb e8

entsann ftd) ein ©efprädj über bie ©brauen, unb alles roaS ©überfein

fagte, fdjtett mir redjt grünb(id) unb oortreffKdj , toietoofyt er eigentlich nur

bie atten ©pradjen oerftefyt. ^aBet fjat er eine fer)r fanfte unb freunbüc^e

^Crt feine ^Behauptungen aussprechen. Studj dtan ift rmteStoegS etnfeitiger

$amerattft.

<pufcfyberg ift franf, arbeitet aber, ba er immer arbeiten mug, an

einer SBiograpfyie ^Mfß.

2lbenb3 tcS mir (Säubert eine flehte ©djrtft bon $rummaä)er bor,

bie gegen ben gemütfytofen $oß gerietet ift, melct)er ben ebten ©tolberg

auf eine fo giftige unb berfeumbertfcbe 2ßeife angegriffen.

«m 28. Wäxz baS @ebicf>t ,,(5t)riftnad)t."

31. SCftäq. SBtyrong Hebrew melodies; mefyr einzelne btbüfct)e £aute

at$ ®ebict)te. (Sinige jeict^nen fiel) buret) eine 2Betd$ett unb ,3artt)eit

be3 £on3 aus, bie 23ermmberung erregt. 3)ie beutfdje Ueberfe^ung bon

Sl^eremin ift gelungen. X)od) mefyr nod) gefiel mir feine SBorrebe.

23iS sum 16. Styril bierjefm gtficfftdje «tage in ©treitberg.

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Wlit Söagner, ber feinen 9tomen$oetter in SBür^burg fyörte, fyatte tcfy

ein langet pfyitofopfyifdjeS ©ef^räc^ über bag 2)afetyn @otte$, feine breifacfye

Grrfdjeinung in ben brei großen gerieben ber -Dlenfcfyfyeit: (Geburt, <3ünben=

fall nnb Söiebergeburt, ober bent oerlorenen ^arabiefe, ber ©efdjidjte nnb

bem toiebergetoonnenen $arabiefe.

3ü) toar am 1. 5tyrit 9?adjt$ fyalb 12 Ufyr in (Streitberg angefommen,

nnb toar bort mit $ud)ta, 23raun, 2Bei§gerber, ($ber§, ®rünb(er unb

$anb(er 311]anraten.

@rünb(er3 offenen, reblicfyen, gemütlichen (£l)arafter lerne\<fy recfyt

Ijer^id) fyocfyfd^en. &$ fefyft tfym nod) mannidjfadj an empirtfdjen $ennt*

niffen, bodj ift er erft 18 3afyre alt. Wlan nimmt ilm für älter, ba er

fefyr groß nnb robuft ift, nnb fein ganzes Sßefen fo oiel ^eftigfeit jeigt.

Qfy fyabe feit (Araber in Söürjbitrg mit feinem 9ttenfd)en mefyr fo ber$(icfy

unb auögetaffen lachen tonnen als mit iünn.

tanbler nnb (Sberj, treffttd^e Sttenfdjen, £fyeo(ogen, nnb (Gegner ber

je^igen flauen Stnfid^ten unb jener Bobentofen $ernunftreltgion; (£ber$

ruhiger, fefter, abgemeffener, Äanbter mefyr jugenbüd} unb patrtottfd)

begeiftert. 2öeißgerber, ein guter Sfurift, beßfyatb aber nttfyt einfeitig.

$ludj bie 2öirtfy§(eute, ber freu^braoe junge (Sfyriftopfy Sftaber, feine

äftutter, fein (Sfroßoater unb feine beiben fyübfcfyen ©djtoeflern fagen mir

$u, forme ber SBudjbinber unb ber (Sdrafter, bie ra ben Sftacfybara unb

33efreunbeten gehören, unb be$ erften ©djtoefter unb ifyre leutfetige, muntere,

einfädle £odjter @retcfyen.

§8 entftanben ein £ieb unb eine SSaHabe, toelcfye bie ^(ünbemng diom$

$xm (Segenftanbe fyat, ober oietme^r jur gölte. 3cfy (ernte aud) ©cfyacfy.

S3et (Säubert brei (ütoßegien: Entomologie, SDftneratogte unb 53otanif

belegt.

18. $tyri(. £uckr fernten gelernt; in ber ^ßtyilofopfyie fcfyeint er ein

großer $mfyänger oon §egel, beffen ©dnoager er ift.

SSenfen, ein fanfter, intereffanter äftenfcfy.

(Spaziergänge tägücfy — eine botanifcfye (Sxcurfion auf ben 2Batpurgi8=

berg mit ©dmbert. 2)er ©tubierenbe §eertoagen intereffirt miefy.

(Sfyaffpeare'S Alfs well that ends well unb Othello gelefen, bann

£)efylenfcfy(äger3 §ugo oon Weinberg, bann £oi;e'g La trayciou bien

acertada unb El hijo de Reduan.

33(anf, $ocfy, (Sdwüebet bei einer Partie auf ben 28atyurgi#berg

$ taten i $age6uc$. 14

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am l.-.SJtot fernten gelernt. ®ofy$ fcmfteS, gehaltene« 2öefen ftimmt fe^r

ju beut meinigen; toir befugen uns anc^ öfters.

11. Sftat. 3cfy fd^retbe faft gar ntcfytS mefyr, toeit icf> feine 3ett

finbe, unb weit t(^ tntdj* fefyr befyagtidj füllte. £>ie £age fdjnnnbett

angenehm, $&an$x>ß, 3n ben (Eotlegten bei (Säubert gewinne idj in ben

9?aturn)iffenfc(jaften toafyrfyaft.

(Sm^elne ©ebidjte Bejetdjtten bie ruhige 23efyagtid^eit biefer £ät

14. SWai 2föt (Mnbter 3ern>ürfniß über ©anbS 2fyrt. 3cfy be=

Raupte, ein religiöfer 9ttenfd) fety einer folgen £fyat nidjt fälng, Worauf

®rünbfer: ©anb tyat Religion gehabt, unb bodj eingeben baß baS fo

fetm muffe. 3)iefe Lebensart empörte mid) im -Snnerften. -3dj oeriieg

tlm auf ber ©teile, olme tfyn lieber ju befucfyen. 2)iefe repubticanifdfyen

®elbfd)näbe(, bie anf eigne Sauft, bie ®efdn'djte corrigiren mödjten, unb

toeümen etwas machen ju fönnen Wa8 nidjt geworben, unb im innerften

SSoWeben gegrünbet ift, mögen in ber Vereitelung ifyrer 53eftrebungen

ben oerbienten £o!m finben.

Senfenö geiftreidjer Umgang tlmt mir fe^r wofyl. (£r fyat (Stripping*

üdfyfeit für aüeg, fet)r lotete T^iftortfc^e tenntniffe unb babei ©ebäcfytntt}

unb (SrjäfytungSgabe.

. ©teffenS, bie gegenwärtige $ett unb wie fte geworben. I. IL

(Sfyaffpeare'S Two Gentlemen of Verona. GtatberonS La des-

dicha de la voz.

17. Sftai. ^teifdjmann, ben Geologen, aus Coburg fennen gelernt,

ber, oon armen (Sltem, erft §anbtung8biener war, unb bann aus Neigung

£t)eologe würbe, ein groger greunb ber SBagner'fdjen ^ifofopln'e.

(£cct)$ %a$t in %Qüttf>ut$.

Uuä) wäfyreno biefeS Aufenthaltes in SBürjburg t)ab' idfy mid) oft in

eine einfame firdje gefdfytidjen unb gebetet, Wenn icfy mtd) beengt ober

belegt füllte.

Sftaffenbadj fingt mir mehrere itatienifdje £iebdt)en jur ©uitarre, unb

regt baburefy ben tebfyafteften Söunfcfy in mir auf bie§ 3nftrument unb

(Singen $u lernen.

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23et 2öagner ^of^itirt. (5r la% üBer ben „Staat," unb toar gerabe

Bei potijeitidjen ©egenftäuben , 9fta§ unb ©etmdjt, Sieget unb Söappen

ber gamiüen :c.; atteö interefftrte micfy au§erorbentücfy. SDiefe Xiefe unb

£eBenbig?eit Ijatte icfy lange entbehrt,

SJät äßagner, ©ruBer unb .ßu^em nad) beut UnterfyattungSorte

£tein=$enebig gegangen. SBagner toar fefyr unbarmherzig , Befonber§ gegen

£te<£ $on „gerBino" fagte er 3. (5. bag in biefent ganzen (Sebicfyte nur

ein einziger toafyrer ©ebanfe fcorfomme, ba§ ©efprädj nä'mßdj ba§ bie £ifdje

unb ©tü^te mit ßerBmo'S S3ebienten führen. -3m perfonticfyen Umgange

füfytt man e$ too mögtidj nod) mefyr tote fefyr SBagner ein an§erorb entließ er

Sftenfdj, unb tote ungeheuer ba8 UeBergetoicfyt feinet ®eifte§ ift.

33et ©ruBer (efe icfy jtoei SBorlefungen auS betten SdjeÖingS über baS

afabemtfdje ©tubium bor.

Wü SBagner unb feiner gemütlichen unb berftänbigen grau naefy

(SmotenC Söagner toar intereffanter aU je, ober üieunefyr toie er

immer ift.

(^rlattaetu

21m 1. 3uniu3 neunte idj bie erfte ®nitarreftunbe.

4. 3uniu3. ®&a$i gefefyen, ber ein geBilbeter unb gemütlicher

9ttenfd> fetyemt.

3n einer 9?eimüBerfe£ung ber 3lta$ unb leneiS üon bem 9tteifter=

fänger (Streng getefen, bie üBerauö naib ift

£>ie „&nten;" £)efy(enfdpgerg „Stärfobber;" SBeffete fiärHgfyer

unb ©tebinger — ((Stoa(b) „bie Mgegentoart @otteS" — SdjeÜmgS

„SBorlefungen üBer baS afabemifcfye Stnbium;" äftültnerS „9)ngurb;"

Gedachten op slaapeloose nachten van Cats.

22. 3uniu3. @ebid?te: „2>a3 £eBen ein £rcmm;" „2)a liegft bu nun

im ®raBe;" „2)ie 9?eBel noefy fcerbüftern" 2c. £>ie Romanze „(Snbimtion."

27. -3uniu3. £ectüre: Het twee en-tachtigjarig leven van Cats

in vaarsen beschreven. Alminda, novella romantica di Martelli.

29. 3mtiu$. $tan ju einer fcfyriftftetferifcfyen 2IrBeit, ttyetfS um ettoaS

gefteS, 23efttmmte$ t-or mir ju fefyen, bem td> nacfyftreBen fann, unb

14*

Page 232: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

212

ntdjt mefyr oon einem ©tnbium ^um anbern $u wanbern, wag nun nidjt

länger angebt, tfyeitS um, wenn td& bie Unioerfttät oerfaffen, etwas oor=

legen ju fönnen, toaö oon guter 2lnwenbung metner STcufje jeugen fott,

ba idb ofjnebem alle gacuftätStotffenfdjaft an ben fraget gelängt.

Um biefe ßät lernte tdj Pfeiffer fernten, einen Geologen, ber avifc

fhtbiert ^atte unb fid£> in Erlangen auffielt

2£ir fpradfyett einmal über ben gegenwärtigen frittfdjen 3llftanb ^er

£fyeotogie, unb Pfeiffer äußerte ba§ e§ nicfyt bie Aufgabe ber £dt fefy

(tote t;ter mele tlmn) bem je^igen Unglauben einen fdjroffeti (glauben

entgegengehen, Woburd) nidjtS gewonnen werbe, fonbern oietmefyr biefen

flauen SSerftanb burdj einen leeren $erftanb §u [plagen, unb ii)ia beS

UnoerftanbS gu überführen.

Heftern machte icfy auefy bie SBefarmtfdjaft oon $anne, oielleicfyt ber

tieffte (Spradjforfdjer ber je gelebt fyxt, unb freiließ burdj [einen t!jeologi=

fcfyen 3Dtyftici3mu3 unb *ßtett8mu3 in Verruf. UebrigenS ift er bodfy nodj

teben§fyeiter unb ein fefyr intereffanter üftann. -3$ felbji fyabe nidjtö

SßtettfttfdjeS an ifym bemerkt, nur eine SMigiofttat bie atleS auf ifyren

fftäfiiin ©tanbpunft jurfitffü^rt, unb bafyer manche notfywenbige Sttittelftufen

überbringt. 3dj rebete oom Sßerjtfdjen mit ifym, ba$ i<fy anfangen will

ju lernen, $anne l;ält ©tyctffpeare für ben (Eutminationgpunft ber ganzen

romantifcfyen ^oefie, unb fdjäfct atfo fowotyl ©ante als ©oetfye für

geringer.

9ttit bem S^eotogen ©tafyt au$ Dettingeu nähere SBefaraitfdjaft.

7. 3uliu3. (Sngell>arbt§ ©efaraitfdjaft.

10. &tika&. 5luf einer Sturnfatyrt Höfling unb 3uccarini fennen gelernt

£)ie ga^rt gieng naefy 2lltorf.

3ln grau 0. Schaben lieber gefeiert, ob «Stunj fte etwa componiren

Wolle.

Sefjtng, „£eben fce« (SopljofleS,"tßtw¥®% be^ 9J?en|cbenge[c()led?t$.''

22. 3ultu3. ?tytyftf bei Dfann intereffirt midj.

üftefyrere lieber gemalt, unb eine neue SBaüabe: „3)te £obtenf)anb."

£ectüre. Casti Novelle galanti. I. IL

EvQirtldrjg, 'icpiyevsia ?/ Iv Tavgolg-

%. 2$. b. ©djCegeC, „£>ie §erab!unft ber (Göttin @anga," au« bem

3nbifd)en.

(Stoettye'S ,,(£(aoigo" unb „©efcfytoifter."

Page 233: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

213

31. OuttuS. ©ammtung ber fyrifdjen ©ebid)te — 18.18 — (88

©rüde, worunter 48 lieber).

1. Sluguft. £>aS $erftfd)e angefangen. SBt8 jefct füfyte id) faum

mefyr a($ bie unenbtidjen ©djtoierigfeiten, toetdje ftd) einem folgen Unter*

nehmen entgegenfefcen. -3m übrigen lebe id) angenehm, nub befrage bie

fdmetle gfttdfyt beS ©ommerS. steine ©ebid)te, Ifyrtfdje £aute entfielen

oon 3 e^ 5U 3^it. 3U ©rb'ßerem fefyft mir s]}cu§e. 2Tuf bie a(tbeutfd)e

Literatur nmnfdjt' id) midj aud) auöfd^tte§ttd^ werfen $u tonnen. Steine

$tane für bie 3wtaft finb \t%i, eine ©teile an ber batyerifdfyen 5lfabemie

ber Sötffenfdjaften jn ermatten, anfangt toenigftenS aU (Steoe. Od) Bin

fel)r überhäuft

SBtyronS „üflanfreb" nnb „SBampfcr."

15. $uguft. äfteht Sfteifeplan nad) äBten fyat ftd) nnn oon ba Bio

trieft nnb 93enebig, nnb anf bie Sftüdreife burdj ba8 itatienifdje £irol

unb ©atjburg ausgebest.

Od) Babe täglidj.

4. Wuguft in $ommer§fe(ben. — Od) Befreunbete mid) mein* mit ber

Ijotta'nbtfdjen ©d)ute. — $on Xi^ian $og mid) nid)t£ an. 21m meiften

interefftrte mid) eine 9?t)mpl)e oon i>an ber SBerf.

9. nnb 10. Sfegufr. „SttaratS £ob" gefdjriebeu, in 24 ©trotten.

9lud) ben ,,©ieg ber ©fäubigen" umgearbeitet, üBereinftimmenb mit meinen

je^igen Slufidjteu, fo baß er jebermann vorgelegt toerben rann.

21. 5fagufi. 9Jcit ©ruber nad) 9£enttoem8borf nnb bon bort nad)

(gbern, n>o Pudert 'tßgfynt, eine fyalbz (Staube oon SftentroeinSborf. 2ßir

Ratten nod) tu (Erlangen „£)ie brei Duellen" ron il;m gelefen. £>od)

fam mid) ein (Stgenfinn an ifyn nid)t $u befudjen, unb ©ruber gteug allein

fyiu, Oon roo auS er feine SRttcfreife nad) Söür^burg autrat, unb nad) ber

Neuenbürg gugteug, nad)bem nur $bfd)ieb genommen Ratten.

Od) rooEte loieber nad) Bamberg, bod) reute mict)'3 am Xi)cx oon

(Sbern, id) lehrte um unb eilte $u pudert, ©einem Sleußeru nad) ift er

fet)r groß unb ftarf, er ftefyt ettoaS finfter unb burd) eine jd)roere franffyeit

im Oorigen hinter etroaS gealtert an$. (£r ließ mir burd) fein offene«,

miibeä, ungefdjmutfteS betragen eine fein* angenehme (Erinnerung jurüd.

(£3 oerftefyt ftd) ba§ unjere Untergattung meift Literatur nnb Sßoefie betraf.

2luf Urlaub J)iett er oiel, and; auf ©riltyaqer, ben er in Sien lenuen

lernte. 33on ben beut|d)en füuftlern in SRom fprad) er mit vieler £tebe.

Page 234: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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9hm §at er fidj meift mit bem ^erftfdfyen befdjäftigt, toobon tt>tr audj

biet ^ufammen fpracfyen. Stttt ben neueren enropätfdjen Sprayen fdjetnt

er ftcf> mefyr im Vorbeigehen befcbäftigt ju fyaben.

Seetüre: %kd, „DctabianuS." — $anne, „Ueber bie Vermanbtfrfjaft

ber grted$f<|en unb beutfcfyen Sbradje." —• „SBtttyelmfdjIadjt" unb „(Sine

£l)eeftunbe," £)ramen t>on £riniu3. — Döring, „(JerbanteS/' ein 2)rama.

— „Sahmtata." — TOÜner, „£)ie Vertrauten/' Suftfbief; „£>er 29.

Februar." — Cymbeline. — Rolli Poesie. — Lope de Vega, Urson

y Valentin , Comedia. — Bruun , Dannemark et Digt.

3u (Sngelfyarbt fomme tdj oft, unb |ofte oft Sucher, audj ^rofeffor

$tau I^abe tdj auf fein Verfangen bie ©ebidjte au§ ber erften ^eriobe $u

tefen gegeben.

7. (September. Viele (Epigramme gemalt, befonberS auf VoffenS

„Souife/'

®en $(an feit einiger $dt mit mir herumgetragen eine Steige after

«Sagen unb Segenben in ejnfdjer $orm §u bearbeiten. SDftt einer fyabt

tdj bereits ben Anfang gemalt in £)ctaben: „3)er grunbtofe Brunnen."

3)te Sage erjagte mir (£ngetfyarbt. Sieber entftefyen fyie unb ba.

§eute fam ber $a§.

Steife in 45eftetrei$ uttfc SBöfitttetn

SD^tt @ta$t aus Oettmgen.

Viete @ebid)te auf bem Stkge. Von Nürnberg nad? SftegenSburg mit

einem Solmfutfcfyer, bon bort auf ber £>onau. 3n Sinj fam ein bötymifdfyer

^rofeffor au£ SBubtoetS mit mehreren jungen böfymifcfyen §erren, bann oier

^Berliner Stubenten, bie £fyeolrgen 9ttibbenborf au$ Sftebal unb VreSter au8

Scfylefien, ber SD^ebtctner ^(emming au3 Oüterbocf, unb ber GtameraUft

Vatentiner au§ §olftein, beffen Vater $ädjter auf ben fyotfteinifdjen (Gütern

meinet OnfefS gettefen toax.

-3n 2Bien aüeS Sefyen&oürbige befugt, regelmäßig bie Sweater. 3mganzen fyabe icfy mir in biefem (ebenSmftigen , bracfytboflen Söien au§er=

orbenttiefy Vorgefallen. £)er gtütflicfyeu 3eit bie icfy bort oertebte benfe

td) um fo lieber, ba bie ®efeüfdjaft ber bier Verftner $u gefeßtgem (Srnft

unb Scfyerj bei %i\ö$, unb auf unfern (hängen fo reid)tid)cn 2ln(a§ gab.

Page 235: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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2)ie SBucfytäben fyabe icfy faft alle befucfyt, aud) mancfyeS 9fterfmürbtge

gefauft, 3. (£. bie Rime del Chiabrera bei $o(fe, bie fämmtticfyen 2öerfe

oon (ÜEamoenS bei «Scfyaumburg, bte epifdjen unb fyrifcfyen ©ebicfyte Don

©fyaffyeare bei ©cfyettbacfyer. $on ben £fyeatern ift ba$ an ber 2Bien

ba$ fcfyönfte, gteidj groß unb impofant ba3 23urgtfyeater, gleicfy elegant

ba3 Sweater am ^ärntlmertfyor, f(einer unb unbebeutenber bte beiben

SBolfStfyeater in ber 3ofe£l?gftabt unb ber SeopofoSftabt. — Unter ben

SBolfgftüden Ijat mir bei weitem am beften ,,3)ie te^te gielutng" in ber

3ofepfy§ftabt gefallen. Keffer ju fielen ift nicfyt möglicfy. %ud) ttaren

bie fogenannten £abteaur (toetcfye bie SBtcncr in feinem ©tücfe entbehren

lonnen) »ortrefftid). $)urcfy ©dntfterS Talent unb grote§ife Sänjc toar.

befonberg „bie D^etfe in ben üftonb" beliebt. 3n bem hattet „ber $auber=

fdjfaf" im ^ärntlmertfyeater toaren bie üDecorationen fcon einer $dm)üt unb

^ßracfyt olme (Sletdjeu. SSortreffttdj „9catfyan ber Söeife" im ^Surgtlfyeater,

n)c $ocfy ben SRatfyart, Krüger ben £)erhnfcfy, unb ber öortrcffttdjc (£oftenobte

ben W6\vfy gab.

£)ie 9?üdreife burd) Wafyxm unb 33öbmen. Unter ber 9£eifegefefU

fdjaft toar ein (Srcourier Dort 3eröme 23onaparte burd) feine 2lnefboten,

bie er tfyetlS erfahren, tfyeilS gefefyen, intereffant.

5. Dctober. 3n SBubtoeiS fleug id) fdjon an micfy um bie böfymifcfye

©pradje $u befmuntern, unb liefe mir bie ©egenftänbe nennen. £)er fcfyÖne

flang biefer ©pracfye, befottberS im toeibltd;en 9Jcunbe, fiel mir t;ier

fcfyon auf.

6. Dctober 2lbenb§ in -Sendau, too ficf> jroet Intbfcfye Äettuermnen

toiete SDJüfye gaben mir einige bb'lmttfdje 9?eben3arten beizubringen.

7. Dctcber. -3n (JjaSfait ein bötnnifcfyeS 5K6c=33uc^ mit ®eft>rädjen

gefauft.

8. Dctober nacfy ^ßrag, n>o böfyniifdje 23üd;er nebft 2Öörterbucfy unb

©rammatil gelauft werben, um biefe ©pradje $u lernen. £)ie SSölmten

Rängen mit vielem (5ntlmfla§mu8 au ityrer (Sprache, toeit fle ba$ einzige

ift toaS ilmen gelaffen tourbe.

2luf ber 9?eife nadfy fartöbab gab flcfy ein junger Sftann biete SD^ü^c

mir bie böljmifcfye 2lu3fpradje, befonberS baS r beizubringen, baS er mir fo

lange »orfagte bis i<fy e3 traf, unb ließ midj in meiner ©rammatif lefen.

13. Dctober. Qn £arlSbab nafym id) mir Onfruftirungen für meine

9ttineratienfammtung mit.

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216

17. ©ctoBer. 3n SBernecf tourbe ein greger X^til jener (Epigramme

gemalt, bie meine ^meite Sammlung Ir>rtfd^er @ebicr/te aufnahm.

19. OctoBer. 3n SBatyreutlj Bei 3ean ^ßant; erft nur [eine grau

unb jiüet £öd)ter getroffen. (Sie tft eine femme spirituelle unb fefyr fein

unb gef^rädng. Gmblicr/ fam er fetBft, unb roar in jtemfid) guter £aune

unb ein roenig edjaufftrt. £eu SIBenb BtieB i&) noct) Bei feiner grau, unb

ba fie mir fagte ba§ fte eine große greunbin oom beriefen fety, fo

laS icr> iljr einen £B;eit oon £e Körting ateranbrmirter Sttaria Stuart

oor, bie in $ari3 fo oiel bruit mad;te, aBer unoerbieniermaßen. — Von

Üj>r erfuhr icfy aud) bie äußerfi üBerrafcBenb angenehme 9racf;ricf/t ba§

ScBeltmg nad> (Erlangen fommen foHe.

23. DcioBer 2lBenb3 nueber in (Erlangen anger'ommen, n>o tef; uoef;

einen iBefud) Bei (EngelB/arbt machte.

-3'd) roitt einiges einzelne üBer tiefe D^etfe nacf/träglidj Bemerken. 25er

$iegen$Burger Tom geroäprt oon ber Vorbereite einen fofttid)en SlnBürf.

3toifcBen ben Beiben §au£ttBürmen , bte Leiter faum B/atB ootlenbet jutfe,

unb bereu moberne 3>äd)er ficf> traurig anäncfymen, ergebt fidj ein Keiner

fd)tar.fer. £a§ Singe finbet angenehme Oiufyepunfte auf ben gläd;en, bie

mit rounterBarer totft $roifcf/en ben reicBen Verzierungen ber Stuccatur

eiugetooBett, ober eietmefyr eingeerntet ftnb, um ben festen Relief ju geBen.

£>a3 -portal ift eigenttyümlid) unb funftoetl. X>k Seitenflügel ftnb jtoar

an SDtaffe gleid), tu ber gorm ber geitfter aBer unb ber Verzierungen

oerfdüeben, ein (Ebenmaß oon bem bie gemeine Srmmtetrie ntd;t§ roet§,

ba§ aBer ben tiefem S3üd in cie Ücatur jeugt. So ftnb auefy am menfer/*

tieften Körper bie jr/mmetrijd)en Steile, |. S. bie §anbe, jroar im garten

ftd) äfjnlidj, aBer fanestregS gleicf>.

Von 3)eggenoorf auS be[ucf/te id) ben Pfarrer §afner in beut eine

Stunbe oon £eggenborf entfernten Seebad), meinen £efyrer in ber Magerte.

5llS icr; ifym erjagte ba§ id) in ber legten ,3eit angefangen Ijätte mid) mit

bem $erfifd)en ju eefdjäfügen, lad)te er unb fagte: 9cocf/ immer ercentrifdb!

2Ba3 id) ifym aBer um fo roeitiger oerüBelte, ba id) toäfyrenb meines ^pagen*

leBene atterbingg ein ziemtid) ercentrijcfyeS 2lu3fefyen gehabt IjaBen mag.

•3n biefer 3eit ^ $naBenatter£ traten bie S eurerlid)feiten meinet 2Befen3

in ben fonberBarften ^fyantaftcreien Ijeroer, fo baß id) aud) einte Umfcfitoetfe

ber 9?arr fyieß.

£ectüre: Stiaffeeare^ Venus and Adonis. — SBal^cte^ Castle of

Page 237: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

217

Otranto. — (£fara 9?eet>e old english baron. — £e SBrun, Maria Stuart.

— £)ie meiften (Sonette oon (£amoen3.

Steine greube, (Sngelfyarbt, Pfeiffer unb SBenfen, bann oon ben

$rofefforen ©dmbert, dtan unb £)öber(ein lieber $u feljen, toar fe^r groß.

3dj füllte mid) bie erften £age fefyr beljagtidj, unb toarf mid) mit Gsifer

in meine ©tubieu.

Seetüre in biefer ßdt: 3rmifd), SBergteidumg oon 16 europäifcfyen

©prägen. — £ietf, gortunat. — Deuten fcfyläger, ^etnetofe. —50Jetaftafto , Kisola disabitata.

£>a« jmeite Sßucfy ber £tyrica gefammett, toa« ftdj Bereit« in (SngetfyarbtS

Jpänben befinbet.

^rotog unb (Sptfog; 28 lieber; 6 ®ebicfytc (9?etmf^tete überfc^rieben)

;

10 SBattaben; 14 Oben unb (Jantaten; 100 (Epigramme.

£)ie teueren tonrben anfy 3)öümgcr getieft, ber nun in« 23amberger

©eminar tritt.

kernte Bei Dfann, 8 —-9 Ufyr. — ^aturgefcfyicfytc Bei ©d)ubert,

2 — 3 1%. $anne , Bei bem id> 2lrabifd) fyöre , t;at nod) nicfyt angefangen.

5tuf ©cfyeüing Steffi nod) jebermann. 2lu§erbem benle icfy miefy mit bem

23oinnifd;en unb 2Mtbeutfdjett &u befcfyäftigen , unb aud) biet (^riecfyifcfy ju

tefen. 3um $erfi[d;en toirb feine ßett Bleiben.

2)odj fydbe id) mir oorgenemmen eingebogener als je ju leben,, unb

mid; mefyr a($ je oon ben ©tubeuten jurürfjujic^cn, um biefen Sinter

einmal etwa« £ücfyiige8 $u förbern, fo ®ott toifl.

21. 9?ooember. 3um erftenmate ©cfytittfdmfy gelaufen. 2lbenb3 Bei

jDöbevtein einen ber oergnügteften gefeHigeu WBenbe Eingebracht. (§3 toareu

23enfen, (Steperger, (Sugelfyarbt, ^obiger unb Pfeiffer ba — bamit fyatte

fid) fo oie( (Seift unb 2Bt^ unb ©cfyer^ jufammengefunben als nötfyig toar

um bte fyatbe 9?ad)t auf bie teidUefte unb angeuefymfte Seife oerftreicfyen

ju (äffen.

$orgeftern mit (gngetfyarbt auf ber (SiSbafm.

28. 9cooember. (Sngetfyarbt« Promotion §um £)octor ber £fyeo(ogie

unb jDi^utation. Od? getoann biefer geierücfyfeit, bie bureb ben ©ebrauefy

einer fremben ©prad)e erfyöfyt toirb, fegar einigen poetifdjen @efd;macf

ah. Senn geiftreid)e Statiner babei auftreten, fo ift eS aßerbing« fefyr

anjtefyenb.

$anne l;at fein privatissimum arabicum angefangen.

Page 238: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

218

23on ben (Sagen bte td) BearBetten roiß ftnb brei Bereits angefangen,

bie oom „grunbtofen ^Brunnen," t>on ber „^aiferin §itbegarb" unb oom

„^obtenfcfyiff." 3toe^ ^a^e i$ wfy in petto, eine £egenbe, bte mir

SBenfen erjagte, nnb bte (Sr&auimgSgefdjtdjte be$ £)omS nnb ber SBrücfe

in SftegenSBurg.

2lm 1. 3)ecemBer fam (Scfyefltng an.

21. 3)eeemBer. £>ie lefcte Seit faft ummterfcrodjen mit bem $eiftfdjen

Befdjäftigt, beffen größte ©djhnertgfetten icfy üBerrounben fyaBe, fo oiel mir

aucfy nod) $u üBertotnben bleibt, angefangen ba§ $enb ^eamefy Don §erib-

ebbin=attar ju (efert.

Un ändert t>on biefen perftfd)en Stubien gefcr/rieBen, nnb bte Sftoman^e

„Srrenber Dritter" Beigelegt.

5ln $eß(ing gefcfyrieBen, um ju »ermitteln baß tdj bie 600 fl. nodj

ein tnerteS 3afyr Behalte, um ein fyatBe8 3at/r in $ari3 Orientafifdjeä

treiBen §u formen.

2Wit (Sngefyarbt fefe icfy bie GEiariffa.

28. 3)ecemBer. (Srfler 23efudj Bei SdJeKatg, ber mid) Reiter unb

frewtblidj empfieng, unb ftd) meiner fcon 9ttünd)en erinnerte.

2ectüre: dotiere, L'eeole des maris. — Lamartine, Meditations

poetiques.

31. 3)ecemBer itadj (StretrBerg, Bio jum 3. Januar 1821, frieren

gef/enb, fö)reiBenb, tefenb, fctaubernb, unb mit bem ©djmfter ©cfyacr/ ffcietenb.

— ©etefen: 3)eutfcr/e ©ebicfyte r>on Pudert. — ©ö£ oon 53erücBingen. —^(ofcftocf, ^ermannfer/facr/t. — ©roßmann, 9&tf>t mel)r a(S fedjS Scfyüffetn.

©djettingS SBortefungen.

tiefer außerürbent(id)e 9Jcann verbreitet ein retdjeS, unaBfetjBareS

£eBen üBer bie ganje Unioerfität. «Sein erfteö Kollegium nad) einem

fciersefynjäfyrigen ©tiüf^roeigen ^>telt er am 4. -Januar nod) im ©Iücffä)en

§Örfaa(e; ber aBer bie 9#enge nicBt [äffen fonnte. (Sr tieSt fcon 5 Ufjr

2lBenb3 Bio 6 ober 7 Ut)r. £ange toor 5 Ut)r roaren atte SBänfe looK

<Si^enber, alle £ifct)e ooll ©refyenber, ba§ ©ebränge an ber £t)üre roar

fo groß baß fie auSgefyoBen rourbe, unb »tele $u ben ^enftern fyereinfttegen.

$iete, bie nicfyt met)r herein konnten, fetten bie ©angfenfter offen, um

toon außenfyer jujufyören. $aft äße ^ßrofefforen roaren gegenwärtig. (Snbtidj

Page 239: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

219

tarn er, unb bie $lntrittSrebe bie er fyielt Be^og jtcfy auf feine Bisherigen

SSerfyältniffe, auf ferne m ber ©title gepflogenen $orfjungen in 9ftünd)en,

unb fein Verlangen lieber öffentlich aufzutreten. £)ann Begann er bie

Einleitung ju feinem Vortrage, ben er initia universae philosophiae

angelünbigt.

3fn ber §ioeiten ©tunbe Befcfyto§ er bie Einleitung, unb fpracfy oon

ben gorberungen Die er an feine 3ufyörer macbe. Er machte fein (Sefyeimnifj

barau$ baß e3 ©eelenftärfe unb 2Inftrengung erforbere feinem 3beengange

ju folgen, unb baS @anje aU ©anjeS ju überbauen. Er Beftimmte eine

(SonnaBenbftunbe um ü)n ju Befugen, unb ifym 3^e^f^ uub Einwürfe

oor;wtragen, unb fügte lun^u, er fcfyäme ftcfy nicfyt §u Befennen burdfy bie

Einwürfe feiner ©filier mefyr gewonnen 31t I)aBen als burcfy @elel)rte,

bie ganje 23üd)er gegen ilm gefcfyrieBen hätten. — Er erinnerte ficfy mit

Siebe be'8 ioiffenfcfyaftticfyen äwfanintmteBenS in -3ena, unb ermahnte un8

Heine Eirfet oon ^reunben ju fttften, in ioetcfyett feine Öbeeit Befprodjen

toürben. Wlit 2ßärme Berief er fidfy auf ben tyofyen ©enuft einer inteüectuetten

greunbfdjaft , unb gegen geiftlofe 3^rftreuungen gerietet, loieberfyotte er

bie frönen SBorte: Severa res verum gaudium.

(SdjeflingS ganzer Vortrag ift, tro£ ber anfcBeinenben Srocfenfyeit,

fyinreifjenb. Er erfüttt ben ©etft mit einer uuBefcfyreiBlicfyen SBärme, bie

Bei jebem 2Borte annimmt, ©ine $ütle oon 2lnfd?autid^eit , unb eine

toafyrfyaft göttliche ^tarfyeit ift üBer feine Sftebe oerBreitet; baBei eine

füfmfyeit beS »brucfS, unb eine Söeftimmtfyeit beS 2BiC(en3, bie 55er-

efyrung ertoecfen. ©o fprad) er oon bem ©uBjecte ber ^fyitofopfyie, unb oon

ber 3luffinbung be$ erften ^ßrincipS, bie nur erreicht toerben fonnen burcfy

eine 3urufl^run9 fe^er felBft jum ooHfommenen Dftdjüoiffen, tooBei er

ben ©prud) anführte: Söenn tfyr nicfyt Werbet rote bie £inber :c. — 9ftcfyt

ettoa, fe£te er fyinju, muß man SBeiB unb $tnt> oertaffen, ioie man ju

fagen pflegt, um ^ur Siffenfcfyaft ju gelangen, man mu§ fdjledjtljm aUe^

<Setyenbe, ja — id) fcfyeue micfy nicfyt e3 au$$ufpred)en — man muß @ott

felBft oerlaffen.

W.$ er bieg gejagt fyatte, erfolgte eine fotcfye STobtenfttüe aU ty&ttz bie

SSerfaramtung ben 2ltfyem an ficfy gehalten, Bio @d)eßing fein SÖort toieber

aufnahm unb ftdj barüBer oerBreitete, um md)t mißoerftanben 3U werben,

tooBei er fid£> ioieber beS Bilbüdjen 2tu$brucf8 ber ©djrtft Bebtente: 5)tc

atteS Behalten, toerben alles oerlieren xz. Wvc felBft fiel ptöfc(td) Bei biefer

Page 240: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

220

ganzen £)arfteüung ba§ to be, or not to be, mit fetner ganzen GEentnertaft

auf8 §erj, unb es toar mir a(§ toäre mir jum erftenmat ba$ toafyre

$erftänbni§ berfefben burdfy bie @ee(e gegangen.

182L

13. Januar. -3dj tjabc für Qmgetfyarbt unb micfy ein (Scr)retb6uct)

gefauft, toorin mir 2utfja£e, @ebid)te, ober toaS unS eben einfällt, beutfd),

aber mit perfifd^en 2md)ftaben fdjreiben. 2öie jeber perfifc^e 23ud)ftabe

ht$ ©eutfdfye überfe£t toerben muffe, t;aben totr feftgefefct.

16. Januar. 3)a id) immer mein* in bie perfifdje -ßoefte einfd)reite,

fo oerfud)te id) mid) aud) biefer £age in perjtfdjen 23er3ma§en, nnb fyabt

mehrere ®^afe(en gemalt, toooon icfy jtoei für (Sngelfyarbt abfdfyrieb, ber

fie tobte.

SDie gange jtüette §ä(fte be$ SanuarS unb einen Sljett be§ $ebruar3

befd)äfiigte mid) ba§ 3nfammenfd)reiben eute§ Codicis persici, ben id)

tiefte au8 ben gunbgntben, tfyeife auä bem OoneS, t^etts au$ ber

Anthologia persica aw%>g, nnb ber biet ©djöneS enthält.

Wm 8. gefcruar toaren fd)on 16 ®(;afe(en fertig. 'Die meiften fyatte

id) (Sngel^arbt bei feinen Söefudjen niebergefd)rieben unb gebeult, ber fie

mit oielem SBcifatt aufnahm, baSfeföe toar bei £öbertein ber gall, bem

Ghtgefljarbt einige mitteilte.

3n ben »SdjeÜmg'fdjen SJorlefungen iä\$t aftmäfyUd) ber gebrängte unb

tieffinnige Vortrag oie(e8 für mid) im 3)un!e(; id) fanb ü)n fdrtoer gu

oerfteben.

Mildert fpradj bie Renata ntdjt gang an.

2tm 9. toaren e3 fd)ou 24 ®(;afe(en. (§:$ lam mir ber ©ebanfe fie

bruden ju (äffen, um mid) bem ^pubücum als einen £>id)ter gu geigen

ber feine Sprache in ber @etoatt fyat unb ettoag oerfpricfyt. (Sngetfyarbt

billigt beu ©ebanfen, (Schubert oerfpradj an ben 33udjfyänbter Äunj in

^Bamberg bej$a(6 ju fd)reiben.

5lm 13. Februar toaren 35 ©fyafeteu fertig, unb id) entfd)lo§ mid)

33 baoon bruden ju (äffen. günf ber fdjönften Ijaüt id) am 10. auf

einem Spaziergange nad; 2l£e(sberg unb 2ftar(cfftem gemalt.

£ectüre: granf, De Persidis iingua et genio ; mehrere« ©oetfye'fdfye;

De(;lenfd)iäger$ 2l(abt>in; (£a(beron, De una causa dos efectos.

Page 241: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

221

17. gebruar (ernte id) 2lbenb3 Bei <3d)efling einen SBiener, 23ruct)mann,

femten, ber nad) Erlangen gekommen ioar nm (Stelling jn t)Ören, unb ben

®änen §jort, ber mir £)et)Ienfd)lager8 befte 2öerfe Helge unb Nordiske

Digte nannte.

£ectüre: ©oettye'fdjeS.

19. SDMrj roirb angefangen an ben ®t)afeten ju brutfen.

31. SD^ärj. (Sonett an <Sd)eümg ju ben @t)afelen.

£ebr)aftefter $er¥et)r mit 23rud)mann, ber oon ©djetttng unb ber

romantifd)en (Schule begeiftert ift. *

SBerfe in bie @t)afeleneremptare für (Snge(r)arbt, $faff, 3)öbertein.

2In ®oett)e.

„(5. (5. bin id) fo füt)n einliegenbe Herne «Schrift ju überfenben. 3d)

toürbe gan$ über biefelbe befriebigt ferm, ioenn ir)r 3nt)alt einige £t)eil=

uar)me erregen, unb eine SBejtetyung begrünben formte roe(d)e ber SBunfd)

meine« £eben$ ift."

Hn 3ean fanl:

„^teüetc^t bafi biet) bieß 33ud) berührt,

2Jcan fabelt' unb tabf e« noct) fo l)äuftg,

3)enn toer ben ©tredfoerS eingeführt,

2)ent ftnb ©^afelen auä) geläufig."

SBrief. „(St©. fd)en¥ten mir einige SDtfratten bei meinem legten 2luf*

enthalte in Satyreutl), fd)enfen @ie biefem 23üd)eld)en ein paar anbere,

unb glauben «Sie ba§ id) immer ferm roerbe -3t)r aufrichtiger $eret)rer" :c.

(Stelling fanb bie ©t)afe(en fer)r anfpred)enb, nannte fie roat)re

orientaüfd)e perlen, er t)abe lange ntdjtS fo <3d)ÖneS met)r gelefen. 2tud)

(Sdmbert urteilte fet)r günftig.

23i§ jum 24. 2tyrtt entftanben roieber oiete @r)afeten.

Wit Sßrud^mann über 9?egen§burg nad) £anb$t)ut, oon roo jener nad)

9ttünd)en gieng, um granj SBaaber ju fer)en, id) ^u $uß nad) «Salzburg,

root)in mir 33rud)mann nad)mm, bem fein greunb, i>. (StreinSberg, auet) ganj

pr)i{ofopt)ifct)er 9^atur, oon SBien nad) (Salzburg entgegengekommen roar.

5ligen unb £eoj>otb$rron gefet)en, einige ©t)afeten gebid)tet, fet)r oiete

roaren auf ber Zugreife oon £anb§t)ut nad) (Salzburg entftanben, befonberS

am 16. 2fyri(. 3d) tyafte fie fetbft für roeit gebiegener at$ bie gebrudten.

$lm Ofteroorabenb nad) 23erd)te3gaben. 21(8 toir ba oom (Spaziergang

nad) 23erd)te§gaben jurüdfehrten , roaren äße (Japetlen auf ben £ot)en,

Page 242: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

222

alle ^enfter beg DrtS erleuchtet, unb jugtetdj leuchtete am §tmmel eine

fotcfye Un^afyt oon ©eftirnen, tote un3 nocfy in toentg geftimten Sftäcfyten

auffielen. (S8 gehörte ju ben fcfyönften ©cfyaufyielen meines £eBen$.

5lm Dftertag naefy bem tönigSfee. 2)ort fd)teb tdj fdmefl bort

iBrudmtann, auS $eran(af[ung eines (Streites üBer (3ottf)t, ben biefer

ju fefyr J?eraBfe£te; gieng am anbern £ag üBer ^eic^en^aH nadj kaufen,

unb oon ba auf einem §otjfd)tffe naefy Sßurgfyaufen , an foftlicfyen Ufern

unb -unfein In'n; bte frifcfyen Bufdfyigen Sßätber toimmetten bon ©ingoögetn.

3m SBagen üBer &ltötting nad) £anb3lntt, too tdj bie SBrocfljauS'fdje

$IuSgaBe bon (halberen faufte; in (SatjBurg Ijiatte td) ^riebridj ©djtegelS

©ebicfyte unb §erber3 boettfcfye ©Triften in jroölf 23änbcfyen mitgenommen;

einen SBanb bon ©fyaffbeare fyatte i<§ ton (Srfangen mit, unb ta$ auf

ber Sfteife Much ado about nothing, Measure for Measure, Tempest

and Midsummernighfs dream, bann el galan fantasma bon datberon.

Sn SftegenSBurg unb 9?eumarft entftanben mehrere ©onette.

-3n 9?ürnBerg an SBrudjmarat gefdjrieBen, unb ü)m einen $(an $u

einer boetifd)=bpofobfyifd)en S^tM^f* mitgeteilt, bie er mit mir fyerauS*

geBen wollte.

%m 30. STbril nadj ^nSBacf,, bort afyt Sage geBtieBen. £)ie Butter

brebtgte mir üBer mein 5leu§ere3 unb meinen 5lnjug, unb idj mußte mir

bie §aare fdmeiben taffen. .Söeibe (SItern toünfdjten bringenb ba§ idfy miefy

ju ettoaS SBejttmmtem entfd/löffe, ba§ mir Sörob eintrüge.

Sfterf, ben id> in SfaS&adj \ofy, fbradfy tdj oon jtoei bramatifd>en

planen.

2lm 6. Sftai tarn tdj toieber in (Srlangen an, fyöre nun ßcolo^k

Bei ©dmBert, @efd>ia)te ber griect)tfd?en Literatur Bei £>öber(ein, unb

(gnct)ffo^äbte ber Sfaxturtoiffenfdjaften Bei taftner. 9fom fomme tdj faft

tägtid) ju (£nge(fyarbt, oft ^u Sßfaff, mit bem tdj öfter fparieren gefye,

unb aufteilen $u ©dmBert unb $rau b. ©dfyeßtng (©^etiing ift im ißabe).

@S Befd>äftigen mid> tfyettS orienta(ifd?e ©tubien, u)eirs bie SlBfajrift

eine§ Sftanufcribts , für baS i§ einen Verleger fudje, %i(S burefy bte

©fyafelen berardaßte (£orrefbonben§en.

-3ean $aut äußerte ftdj gimfttg barüBer, eBenfo 9?eeö unb bie Aiginbon Sägern. 23iBiio%rar ©euerer fcfyrieB eine bortfyeifyafte 3lnjeige ber=

fetBen in bie „Sog;" fie gefiekn gugger, unb pudert f^rieB:

Page 243: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

223

©n neuer Sinter fommt ben 33erg heraufgekommen,

SSie tönt bie (Satte, bie bu faannft!

$ter ftfcen roir unb fare^en: 93ruber, fet; roulfommen,

Unb nimm ben tyiafy ein, ben bu fannft.

2Bagner roottte nidfytS baoon roiffen.

(SruBern fcfyrieB icfy über bte neuentftanbenen ©r)afe(en, bann üBer ba8

$erfyaTtni§ oon ©dfyetting ju SBagner.

$on Sßrucrmtann fommt ein fyerrtidfyer S3rtef über bag Journal; ba8

erfte §eft fotttc im Januar 1822 erfcfjeinen. 23rudfjmann fdfyreiBt aud)

»on bem Beifall, ben bie @fyafe(en bei §ammer fanben.

[ 24. SD^at rourbe eine SIBfdjrift oon ©ebidfyten oottenbet, bie unter

bem Xitel: „gliegenbe SBlätter. (grfteö §eft" gebrückt roerben foüte.

25. äftai rourbe Bei (SngetBarbt ein SBrief an SBrocffyauS gefdjrieBen

unb baS Sftanufcrtpt Beigelegt, audfy an (Steter rourbe ba gefdfyrieBen,

roie roir benn gerne bergleidjen SBriefe gemeinfdfyaftlidfy ^ufammenfe^en.

©euerer rourbe um perjtfdje 23üd()er geBeten.

30. 9J?ai. £)a8 *ßerfifdje rotrb fleißig getrieBen, auf ben <Spa^ier=

gangen ®r)afeten oon §aft§ auSroenbig gelernt. S)tc treffliche ©rammati!

oon SDomBar; rourbe mit oietem Sftu^en Durchgegangen; ba$ §eBräifct)e

angefangen.

1. SuniuS fam 9ftdjarbfmt8 Dictionary, persian, arabic, and

english; große $reube! oon ben üBrigen englifdjen unb perftfdfjen (Sachen

bie oerfdfyrteBen ioaren nur ein Gioroter; in brei SBänben.

Q&I Befdaliege: ben £ag gan$ bem £)rientali[cf/en ^u roibmen, ben

3lBenb ber £ectüre, unb ^roar fo baß neBen einem c(affifdt)en ^ic^ter

immer ein romantifdfyer, unb bann rtodj ein ^rofaifer gefefen roirb,

$r/i(ofopr; ober §iftortfer, antif ober mobern.

-3m (Slaffifct)en junäer/ft §omer, pnbar, (SopfyofleS unb ^Iriftopfyaneg.

$om §omer taoßfy einen @efang.

3m Sftomanttfcr/en tägüdt) ein ober mehrere (Sapttet oon £>on Ouirote,

baju tägüd) eine $orlefung aus @d)fege(8 SSortefungen üBer alte unb

neue Literatur.

SßrodfijauS rottl bie „ftliegenben Blätter" oerlegen; fein <ponorar;

Rettung beS ®eroinn&

9. 3untu$. j£)ie SBanberja^re machen einen außerorbentlicfyen (Sinbrucf

auf miefy.

Page 244: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

224

23ei einer SnnmermamtSrebe in SftattySberg bemerkte i<fy ba§ ba$

©anje toofyt au§ öfter 3 e^ ftammen muffe. 5)te Stebe gab mir fcort ber

(gfyrtoürbigfeit be$ alten 3unfüi)efen8 einen fyofyen begriff. (£$ tourbe bie

religio] e SBebeutung fyeroorgefyoben, «nb beS $aiferS nnb beS SfteidjS, aU

eineS ncd) 93eftel)enben, fegnenb gebaut

-5n ben ^ßfingfiferien fyabt id) midj oiet auf ber $tr(fytt>eify ^enim-

getrieben, nnb @d)legel$ ©efd)id?te ber Literatur ju (£nbe getefen, bann bie

TLtQüai fcon Ifefd$fit8, nnb alle (Sonette oon ©Ijafffceare, beibe Söerfe

mit größter £fyeifnafyme.

£>ie bbitofobfnfdfye £ectüre foE aufgegeben toerben, ba <2d)eüing$

$ortefungen bafür eintreten; aber bie ©eograbfyie oon Werften in Gitters

(Srbfrtnbe ftnbiert.

17. -3nnin§. Stomas a $embi£ jnerft gelefen. £)?.e fcerfifdfyen (Stubien

fcfyreiten bornmrtS.

23. -3uniu3 fam pudert ; mit bem biet literarifd? nnb »oetifdfy oerfefyrt

nmrbe ; mit ünn nadj Nürnberg, too icfy bie 23efanntfcfyaft ber beiben ^reunbe

SKüdertS, be§ tutoferftedjerS 23artfy nnb be8 großen JftmftfennerS SBölnner

aus ^ranffurt madjte. $ßkl über 2Itterbom nnb §jort geffcrod)en, bie

Stüdert in 9?om !ennen gelernt fyatte. ändert mußte i>iele itatiemfcfye

Sftitornelle recitiren.

12. -3uüu§ eine britte D?ett)e fcon ©fyafeten angefangen, bie ganj im

(Reifte §afiS gebaut werben follen.

3)er Slufentfyatt mit pudert in 9turnberg toar bodjft intereffant. 3cfy

fann toofyt fagen baß id} in biefer ©efeüfd;aft jnm erftenmat ba$ tounber*

bare Nürnberg mit feinen $unftfd?ä£en, iörüden nnb ©arten, ^inbenaüeen

nnb fronen Brunnen, nmfyrfyaft genoffen fyabe.

13. -3uüu£. (SeHing nnb SSüIon) fennen gelernt, jener ein ^ßlnTotog,

ber (ScfyeEing3 ttegen nad) (Erlangen fam, biefer ein fyannöoerfder 2>ragoner=

officier, ber einmal 3n feinem Vergnügen ein 3afyr anf einer Unioerfttät

jubringen tootlte, nnb Erlangen toaste, todi er als fnabe einige g®t

auf bem 23afyreutfyer ©fymnaftum gelefen mar. tiefer Jüngling, ein

luftiger S3mber, eine teilte 9?atur, ofme alle 5lffectation nnb Slnmaßung,

olme im geringften ein ©ed ju fetm, barmtoS, immer freunblid), toirb

balb mein (iebfter ^reunb.

StRtt ^ugger, ber jum 23efud> nad) Erlangen fam, unb 23üton> naa)

Bamberg, bann auf oier £age nad) (Streitberg.

Page 245: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

225

5. $Iuguft. ©fyaffyeare'S «Sonette otel getefen.

<Sed;8 £)inge festen mir jur SBefriebigung : 1) (Genehmigung be§

erbetenen Urlaube für ben fünftigen Sßinter; 2) Ouseley's oriental

collection, bie ify oon ©euerer ctuö Sftündjen erwarte; 3) bie burefy

Sörudnnann erwarteten ortentatifcfyen 2lbfc£}riften unb 23üdjer aus 2Bien;

4) bie perftfcfyen Sucher au8 Bonbon; 5) 9£ütfert8 öft£tcf>e Sftofen; 6) bie

(Sremplare meiner „Styrifcfyen Stätter" ton 23rorffyau8.

'jBi^ eXttigiv %gri tovq odqjovg sfyety ßlov.

3dj la8 (£atberon8: No siempre lo peor es cierto unb (SopfyoffeS

AXag — teueren mit unenblidjem ©enufj, befonberS ioegen ber tiefen

retigiöfen (Stimmung, bie biefe Sragö'bte burdjbringt.

10. 2luguft. 2Son Pudert 2ttterbom3 Poetisk Kalender erhalten.

14. 5tuguft. Sfyorbede aus £etyben fennen gelernt, ber <ScfyeHing$

wegen auf einige Sage nadj (Srtaugen tarn. (§r fagte mir baß bie <pof=

tänber auefy ausgezeichnete neuere Styril'er Ratten. W$ §ero8 ber neueren

fyotlänbifd;en Literatur nannte er 23ilberbtyf, unb Oerfprad) an §amaber in

£etyben ju fdjreiben, unb ilm ju bitten ein SSer^etd^nig ber bort befinbtidjen

ortentaüfcfyen £anbfdriften, unb unentgeltlich eine 2lbfcfyrift be3 §afiö?

fc^en

£)ioan8 ^u fdjiden. Sfyorbede ift fefyr geiftreiefy, fefyr geteert, Oon groger

(Gebiegenfyeit unb ©rünblicpeit ber 23ilbung, flar in fiefy unb immer in

ftarem SBerfyättntffe mit anbern, gemütvoll, tfyeilneljmenb , fefyr gefällig.

3d) benfe an eine Verausgabe be$ §afi§, unb Sfyorbede, ben icfy

oon meinen SBerfyältniffen unterrichtet fyabe, fpracfy barüber mit <Scfyelling,

melier rietfy ba§ idj mtcfy an bie 2lfabemie toenben, ifyr oon meinen titerarifcfyen

$lbficfyten baS Sftö'tfyige mitreiten, unb fte um ifyre 93eifyü(fe anfprecfyen fofte.

Um biefe ßdt: „SBenn £eben Reiben ift unb" zc. 3^ei Octaoeu an

33ü(on) in baS ifym beftimmte (Sremptar ber „Styrifcben 23(ätter."

23. 5luguft mit SBütoto naefy (Streitberg, ber oon bort nad; SBatyreutfy

gieng; icfy blieb brei Sage in (Streitberg, machte einige (Gebiete, unb auf

bem Sftütftoeg nad? Erlangen ba3 längere an 33üloU): „2Bo fab' id) bid;,

bu reblicfyer ©enoffe?" k.

(Sin ©loffar jum $enb=9?amefy gefertigt.

5. September. Vorigen (Sonntag bie Saufe Oon (SdjeHingS jüngftem

$inbe. 2)abei toar aufy ^rofeffor ®otucfyoh>gfy aug SBilna gelaben, ein

geiftreid)er, gefettiger 2Kenfcfy, ber ftcfy (ScfyettmgS toegen einige ßdt in

Erlangen aufhält.

tylatenä Sagebucfy. 15

Page 246: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

226

4. (September rtad) ber feierten SSortefung über SJtytljotogie, bie gan$

befonberS fyerrticfy mar, fagte (MudfyotoSfy ju mir: ,,3d) fann ben (Smbrutf

ben fpldje £)inge auf micfy mad)en nur mit bem einer gatfeanifdjen (Säule

feergteidjen: lauter $81i£e aus ber S£iefe!"

SBütoiü reist ab. 3d? begleitete ilm nadj (Hattingen, mo icfy midj

einige ß®it auffielt, 3)aÜ'51rmi traf, aus ber Söibtiotfyef £)rientatifct/e$

benü^te.

2luf einem Sinkflug nadj $äffet befugte id) -Sacob ©rimm, ber meinte

bag (£atberon überfdja'fct toorben fety. $on kalter (Scott unb SBtyron

moEte er aucfy nichts miffen.

3n ©öttingen mürbe nur menig ^aftSfdjeS cofeirt, tk §anbfdjrift

mar ju mtbeuttid) gefd)rteben. 9[ftand)eS mürbe aus §inbleö. unb au$

Ouseley's oriental collections unb anberen Sammlungen abgetrieben.

Sind) bie Sangfrit=©rammatif oon SöiffenS f)otte ity mir, unb ühk micfy

im Schreiben. Sonft fyatte tcfy unter anbern aus ber 23ibliotfyef ju §aufe

:

(£erfeante3', Trabajos de Persiles j Sigismunda , ma$ an (Srfinbung

nocr; reifer ift als 2)on Duirote; bann 3)rafe'3 Shakspeare and his

times IL 4. ; baS Buitenleven feon QEatS ; ben Cancionero general , au$

bem id) feiet tag, bie Fairy Queen feon Sfeencer, in ber tdj nicfyt toett

fam, aud) in ben ^omöbien feon Sttoreto nicfyt, feon benen icfy eine ange=

fangen. $on gleicher nur ben „Humorous Lieutenant," ber midfy menig

an§og; feon Sftaffmger fieng icfy The Picture an. 21uS ber SDiana feon

@tt $olo fcl>rieb td) einige -poefien ab, rote aucfy aus bem Vornan Menina

et Moca feon 23ernarbin be dtxhfyvo*

3n ©öttiugen entftanben mehrere, unb feietteicfyt bie beften ©fyafeten,

bie ben Sfeiegel beS §aft3 ausmachen.

51m 10. Dctober »erlieg id) (Störungen, unb gieng £u gug erft

nad? (Sfcfytoege, bann über ben <punb3rütf nacfy 9?etra, feon ba ju 2öagen

nad) (Sifenad), too bie Söartburg befe^en mürbe. -3n ©otfya bie dtalfym

(Sotter befud)t. 33tö bafym fyatte uns ($ej aus Nürnberg mar mit mir)

2)alT2lrmi begleitet. 2Bir giengen nacfy Erfurt, unb fuhren feon bort fogteidj

nacfy SBeimar, giengen bafelbft tn$ Sweater, mo bie £)feer „bie Wegelagerer"

gegeben mürbe, baivn nad) 3ena, mo ©oetI)e eben mar. ©ort ©ruber

aufgefugt, ber in 3ena ftubiert. ($3 mürbe fnebet, ein alter greunb meines

5SaterS, befugt, ©rteS lennen gelernt, fnebet feermittette einen 33efuct) M©oe%. Sei ber geierlicf/feit meiere ©oetfye feerbreitet, fonnte baS ©efferädj

Page 247: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

227

nicfyt erfyeBtidj toerben, unb nad) einiger 3^tt verließ er uns lieber. ®tc

klugen ftnb fd)toar$ unb ettoaS nafye Beifammen, uttb ibenn er freunbticfy

fetm toiß, Btifcenb bon £ieBe unb ©utmüt^tg!ett. ©üte ift üBerfyaubt itt

feiner $t)tyfiognomie borfyerrfcfyenb.

Sn ©öttingert fyatte idj UmBreit berfet)lt, aber bon ifym gehört baß

er außerorbentltdj tote! auf meine ©fyafeten fyalte unb fie auStoenbig totffe;

in -3ena tbeilte mir ^ofegarten mancfyeS -Sntereffante mit, unb Id) fanb

bie orientalifdfyen 2IBfdriften , bie berfetBe in $ariS gefertigt, t»ortreff£tct).

29. DctoBer. ©ogteicfy einen Sag nacfy meiner 2Munft in Erlangen

fbrad? i<§ mit (gnge^arbt üBer meinen *ßtcm ben ©bieget beS gafiS I)erauS=

^ugeBen. (£r Billigte ü)n, unb idj fyaBe tyeute fogteid» eine Stbfdjrift ber

®ebid)te genommen unb Binben laffen.

31. DctoBer. ©in ©ebicfyt, baS meiner je^igen ©timmung BefonberS

gufagt, ift „bie natürliche Softer." 2luS toelcfyer £iefe fyerauS ift fyier

baS ganje 23itb menfcfytid)en -SammerS unb irbifcr/er (SntBe^rungen gefcbö'bft,

unb burdj toetdfyen $auBer fd)eint alles toieber ausgeglichen ! (So menfdjticf;

ftnb fyier bie 9ftenfcf)en gejetdmet, ba§ toir fetBft baS SBertoorfene nocfy als

unfereS ©leiten ernennen muffen, unb bie ^larfyeit Beiounbern mit ber

ficfy aud? ^toetbeutige (Sfyaraftere bem 3)rang ber Umftänbe unterwerfen.

5lud) baS @ebeimniJ3bottfte enttoicfett ftd6> leicfyt in ben fiarften unb ebelften

Sßorten, unb toaS in ber getböfyntidjen SftenfcfyenBruft als faum geatmete

Sfatance beS ($5efüt)tS erfct)etnt, toirb fyier feftgefyalten unb ausgebrochen.

8. SftobemBer in ben alten $abteren geBlättert, unb folgenbe boetifd)e

$lane gefunben: (SbifcfyeS: 3)ie garfe äftafyometS; Dboacer; bie bret

^Brunnen; bie großen faifer. £)ramatifd)eS: 9D?atfyilbe bon SßatoiS;

ber @raf bon ©abotyen; 2Itt)amaS; Janbat ober baS £obtenfd)iff; bie

Sftotiren in ©banien.

Qdf gtauBe baß altes im 2llter ausgeführte fcBon in ber -Öugenb als

Anlage muffe borfyanben getoefen fetm. (So ift eS mir toeuigftenS mit

meinen Befferen <Sad)en ergangen, aucfy mit „Karats £ob," ben ify nun

enbticfy tnS Sfteine gefeinrieben unb (Snget^arbt bortegte, ber biefer (Sfi^e

feinen ganzen Beifall gaB. 3)ie Xfyat ber Charlotte (£orbab. Bef^äftigte

fdjon als $inb meine ^ßfyautafte, unb fie toarb aucfy bamatS fdjon in ber

Spanier jenes 5ltterS bramatifcfy ausgeführt, toooon ify aber nid;tS mefyr

üBrig t)abe.

15*

Page 248: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

228

SDcit £etyber bie Verausgabe ber „SSermifdjten ©Triften" oerabrebet,

fo baß id) fein §onorar forberte, nur bie £>älfte beS ®etotnn8 auSbebingte,

uttb bett allenfallftgen (Stäben ju tragen oerfrracfy.

9. 9?obember. (Sin bottftättbigeg ©tubium ©Ijaffteare'S begonnen, in

cfyronologifcfyer ^otge. Sllfo ^uerft SBenuS unb 2Iboni$. £)ie ©efdjidjte

einer furzen unglüdlicfyen ^te6e toäfylte ©Ijctffpeare junt ©egenftanb be8

erften @ebid)tg baS er begannt machte, einer Stete bie ba8 fcfyöttfte 2Seib

für ben fdjönflen -3ünglmg empfanb. StboniS ertoiebert bie Neigung ber

(Göttin rMtjt, unb faum fyat fie ifytt ber irrige« berfidjert, fo beweint fte

audj fdjon ben getoaltfamen £ob be$ (beliebten. ©djon m ber erften

(Strome ^eigt ber £>id?ter, ber feiner <&a<$e getoig ift, ba$ ganje $er=

fyäftntß, unb tt)a$ folgt enthält nur bie (§ntn>ttffang biefer 9lnbeutung,

bie mit epifd?er 23eftimmtfyeit unb 3lu3füfyrlid)feit bargetegt toirb. 23ei

jebem anberrt als ©fyaffyeare toürbe btefe 2lu§füfyrltcf>leit fidj jener epifdjen

£angett>eile nähern, bott toetdjer felBft §omer ntdjt bö'Hig frei ju fpredjen

febn bürfte. 2lber ber 9£eidjttyum be$ 2)tdjter8 in (§tn$efyettett erhält in

beftänbiger (Spannung;

ja, tt)enn er uns iiicfytS fymterlaffen fyätte als biefe

-Sugenbarbeit, fo mürbe man ünn bod;, tva$ bie $üÖe betrifft, bor allen

3)icfytera ber alten unb neuen 3eit ben $rei8 guerfemtett muffen, (Sine

glutfy oon ©ebattfen, Silbern, ^nfrielungen brättgt ftcf> tüte 2ßeHe att

SBelle enbtoS att ehtattber. ©aw'j eigentl)ümtid> ift bem ©fyaffyeare bag er

fyänfig feine @leidmiffe au$ ben entfernteren, ja ben niebrigften Legionen

entlegnen barf, ofyne ber <parmonie be$ ©an^ett jü fdjaben, unb bag e3

feine (SrfMeinung in ber -ftatur ober im £eben gibt, bie feinem poetifdjen

SÄman tttdjt gefyorcfyen mußte, ©o, tt>o bie klugen ber $enu$ mit

©djleugen berglicfyett toerbett. SDiefe acfyt orientalifcfye 33etyattbtung8toetfe

nähert ftdj bem 23tlberctyllu§ beS Oriente biStoeilen fo fefyr, baß fie ganj

mit ilmt jufammenfätlt, 5. (S. in ber ©teile too bon bett ©rubren in bett

SBangen be3 SlboniS bie Stetoe ift. ffllan löttttte fie aU Ueberfe^ung au«

bem ©aabi ober §afi$ itt $lttfyrud? nehmen. £)ie ausführliche <Sd)itberung

beS $ferbe3 erinnert an bie bekannte toettig beftätigte 2lnefr>ote, bag

©fyaffpeare Ui feinem erften 9lufentl;att in Bonbon ben $remben bor ber

£l)üre beS @d)aufptelfyaufe$ bie $ferbe lu'elt.

19. 9cooember. (Sin 33rief bon Pudert §at mir biete Hcfytung für

i^n eingeflößt, ber $lufrid)tigfeit toegen, n>omit er fidj über meine „^rifc^en

Blätter" äußert.

Page 249: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

229

29. DfobemBer. (gntfdfyluß mid> mit Sftacfyt aufg Urahne ^u toerfen.

$ugger componirt mehrere meiner lieber, ffivc fagte BefonberS bie (£om*

pofition beS Siebet: „2Ba$ utt$ STrofl unb 9ftutfy fann geben/' unb bie

ber ©fyafete: „3§t Betrübt mtcfy" $&,

11. £>ecemBer nad? 9ln§Bacfy.

$on ©oetfye'S itaüeniidjer Steife ben jtoeiten 23anb getefen; bann

(Satberon§ Para vencer a Amor, querer vencerle; ©Ijaffpeare'S Tarquin

and Lucrece- ben erften 23anb be£ Kometen oon $ean $au(. £)ofym$

®en!mürbigfeiten getoäfyren mir großen ©enu§. -3n ber £fyat, auefy nod)

in biefen legten 3leu§erungen nnter -Sofepfy nnb $riebrid) fdjeint mir ba$

beutfdje 9^etd> efyrttmrbtg , nnb bie mannidjfad) oertoidelten 33ebingnngen

nnter benen e£ Beftanb überaus an^iefyenb. £)er fromme unb boefy toirffame

GEfyarafter ber ^aiferin üttaria £fyerefta erfdjeint BefonberS in einer reinen

(fragte gegen ben Beftetften ^atfyarinenS IL gehalten. 3dj erinnere miefy

mit Vergnügen be3 2htgenBüd3, aU icfy in 2Bien ein toofytgetroffenee 33ilb

ber frönen ^aiferin im ^ßatafte tr;reg ©djtmegerfofynS , be£ dürften oon

©adfyfen=£efd)en , Betrauten fonnte.

1822.

1. Oanuar. 53ei meiner 23iBet(ectüre, bie td) immer beS %lad)\$ im

Bette fyafte, fiel mir aBermatS bie ©efdjicfyte 2)abib$ unb OonatfyanS auf,

toeldfye £)rama ju BearBeiten mir fdjon in früheren Oafyren oorfcfytoeBte.

5lud? erneute fidj mir fyeute ber $(an meines $)rama be3 „©rafen

oon ©abotyen," üBer ben icfy loieber nadfyfann, unb tf>m einen anbern

Ausgang jubadjte. (Sr follte in -ßrofa gefcfyrieBen »erben, unb idfy tonnte

ü)n ju jeber ©taube Beginnen.

4. Januar naefy Erlangen jurüd.

$ünf 2öerfe Oon Oefytenfcfyläger burd) §jort ermatten ; burd) 33rudjmann

ein 9ffanufcrü)t be$ ©üüftan unb eine fcfylecBte SIBfdjrift ber Abenteuer beS

33fenbiar. @d)on früher au8 Bonbon baS in @a(cutta gebrurfte Iskander-

Nameh oon -ftifami. Qd) fefyne midj naefy Sirbufi, unb motzte ba$

Sftefenioerf gan$ aBfdjreiBen.

15. Oanuar ein paar türfifd)e ©pradjtefyren burd)gegangeu, unb au$

äfteninSfi unb (StobiuS ein flehtet tüvfifdjeS £erifon jufammengetragen.

SOftt Sugger bie Reifen be3 petro betta SBatte getefen.

Page 250: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

230

16. Gamtftt turcb ecbefting eine §antfd)rift be8 §aftS'fdjen 3>h?an§

au§ ter iDtündmer SBifcttotfpef erhalten: angefangen bte in fleinem £alef

jierlidi unt (eferlid) gefcbriebeue föanbfdjrtft ab^ufcbreiben.

3. ftebmar. £iebig bei .^aftner gelegen. — Söegen (Eröffnung ber

Santftänbe biet polttifdjeS (refpvacf» , baS mir läftig ftirb; idj [anreibe in

tiefem ©efüble Ten „Abfdnet an bte ,3^t aJS GEbttoguö" in ftntttefoerfen.

Ter ihtSpg ber 3tuteuten ttadj Altborf mn btefe 3eit.

5. iD^är^ fommen feie Stubenten jurücf.

17. äftärg. Stetig juerft gefpreeben. ßr ^eigt fieb in allem Kar,

befiimmt nnb folib.

3e näfyer ftcb $bei DJcenldjen femmen, je mefyr fie ü)r trmerfteS SBefen

einander $u entfalten Indien, intr nm fo rätselhafter »erben )u einanber,

unt nnr einem cberfiädHtden iDienfcben faun e$ einleucbten ba§ §n>ei

2)cenfd)en ftcb fcerftefyen rönnen.

Siebig retöt fcbneH aB. Xie innigfte gxeunbfcbaft vereint ung.

3n tiefen -tagen eine ©Icffe über tner SSerfe te§ Sitan an ©oetfye

getiebtet, toorin aueb auf tie neueren platten Anfechtungen ter 2£anber*

jaljre angezielt örnrb.

17. Wüfc £ie Abfdjrift beS §afi§ boflenbet.

©elefen bie Basvilliana ten üftentt; ten Trato de Argel ton

GEerfcante3, nnb La Estrella de Sevilla bon Sobe te 23ega; bann So£e?

3

Choza de Cäntaro. unt CEafceronS Galatea unb Los dos amaotes

del Cielo.

Auf einer Partie nad) Dem üESatyurgtSberg am 1. Wm fdjlofj td)

mid) näher an £ec unt .'permann an. tiefer, auperft |d)ä£6ar, rulng,

ftar, feljr empfänglich für 5$oefie, einer ter trärmften SBerefyrer ©oetfye'ä.

See, at8 §tfterifer, ift befangen in tie fegenannteu aitteutfeben

Anficbteu, aueb fein fenft gefunter ©efdnnad an ^oefte toirb tatureb

ücüfcinmen tereinfeitigt. 3>aä 9cibetungenliet in feiner germfcftgfett muß

ifmt notfytoentig als (cS fyödjfte ^retuet ter Äunft erfebeinen. :2£a3 einer

cufttoterbaren Gqfttfye angehört, tünft ifym manierirt. AuS ber römif&en

Literatur erfennt er b(o§ £tmu§ an, £acituS [et? ein fjämifeber gert, SSkgil,

iporaj, Xibuü feine 3)id)ter. Sr fceftfct biete Spracbfenntniffe, unt tyat

nun audi ba8 ^3erfifcr)e angefangen.

Crinen Slu^ug aus ^pafie (228 ter atterfdjimften ©etiebte) fcollentct.

Page 251: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

231

9*ei f e

über Söür^burg unb Wfdfyaffenbnrg (auf bem 2Bege oon §effeutfyal nad)

2lfdjaffenburg eine 2frt (Satire gegen ben engbrüftig patriotifdjeu 9?tT6e=

lungiSmuS gerietet, bie „§omer in $amtfd>atfa" betitelt ioerben fofl)

timü} 3)armftabt, too idj mit Siebig einige £age jubradjte, unb bann, ba

Siebig oerfyinbert toar bie SReife mit^umadjen, allem nad) granffurt gieng,

too icfy im §aufe be$ Oon 9Jftiud)en fyer befreunbeten §rn. o. §arnier bie

freunblid>fte Slufnatynte fanb, unb oon ba nacfy $oln. Od) gieng am 29.

2flai oon granffurt mit bem üftarftfdjtffe ab. 3n Mn machte bei* £>om

einen außerorbenttid;en ©nbrucf auf mid), unb in bemfelben bie Sftabonna

oon falf. 5luf ber äußern 2öanb biefeg 23ilbe3 jetgt ftdj 9ftariä $er=

runbiguug, nacfy ber alten einfachen Iterfteüung ber fyanifdjen Sftomanjjen,

bie mir immer babei einfallen. Wlax'ia liegt fnieenb an einem 'ißulte, unb

toetSt bef^eiben mit ber §anb bie (5l;re be$ §immel§ jurüd. £>er £immet

öffnet fidj aber erft, toenn man bie äußere üfitonb jurütffdjlä'gt. ©§ $eigt

fid) jefct ein bretfadjeä ®ematbe. On ber SDfttte bie bret Könige, 3m:

Sftecfyten ©ereon mit ber Äreu&faljne unb feinen Gittern, jur Stufen

bie ^eilige Urfula mit einem ü£fyeile it;rer Oungfraueu. @ie fd;lägt bie

klugen nieber unb täfelt, man fottte meinen beinahe fdjaKtfä), bod) bie

Sftetnfyeit ifyrer ßüge oertoifd;t biefen 2lu§brud mieber, unb e8 entfielt eine

unerflärlidje SDftfdmng auf tfyrem frommen ©eficfyte. £)ie ^tarfyeit aller

loeibttdjen ^ngefid^ter ift unbefdjretbttdj, ioietoofyt bie SÄabouna felbft, Oon

aller äöeiberfdjtoäcfye allein frei, fidj am reinften jeigt. Sftan münzte

nidfytS als baß fte bie klugen auffällige. 33on £öln nacfy (äfyrenbreitftein,

oon ba nad) SD^amg unb toeiter nacfy §eibelberg.

Ott äftains Süber gefunben, unb auf« freunblid/fte oon ilmt auf*

genommen. Od) ia$ bort unter anbern bie 140 erften W&djtt oon 1001

9cacfyt in einer englifcfyen tteberfe£uug. @ie fyaben mtd) außerorbenttid)

angezogen. Süber begleitete mid; U$ 9fterftein, bann gieng idj über SBormS,

gvanfentljal unb £)gger3fyeim nad; üftaniujeim, unb oon ba nadj ^eibetberg.

§ier befud)te icfy juerft llmbreit, einen ©önner ber ©fyafelen, ber mtd) $u

23oß führte. £)ie ettoa§ oer$errten ©eftdjtöjüge be3 großen, fein* fyagern

9ftanne$ mad)ten mir anfangs einen unangenehmen (Sinbrurf, ber fid)

Page 252: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

232

aber toäfyrenb beS ©efpräcfyS gän^lid^ oertor. 3d) füllte micfy oielmefyr

angezogen. 3)aS Bifdjen bcö @, baS ÜSoß fyatte, fiel mir natürtid) audj

auf, unb aud) idj bemerfte baß 93oß gerne fpridjt, unb ben anbern nicfyt

511m 2öorte fommen lägt. @r fragte anfangs über bie @cfyted>tigfeit ber

3ett in mannigfacher ^htftdjt, nmrbe aber fe^r intereffant als er über

©prägen rebete. — 3luf einem (Spaziergange mit Hmbrett begegnete unS-

Uttmann, ein großer SBerefyrer ©oetfye'S, ein Weiteres Betdjeu toie fefyr

@oe%'S ungemeines SSerttenft unter ben @eiftreid)en in ganj £)eutfdjtanb

anerfannt ift. 3äjf lernte aucfy jtt>et junge 2Beitburger, o. -Söto unb ©entlj

fernten, greunbc ber ^oefte. Wü @entl) fpracfy ity biet über ben gaufi.

(SS merben fyier $ortefungen über $auft °on £mtrid)S gehalten, aber

freittdj abftract genug, unb im ©eifte ber ©cgci'fd^en ©fyftemerei. 2Iud)

Äreujer fä| ic^, ju bem ify mtcfy ba(b fyhtgejogen füllte als ju einem

freunbtidjen, tfyetluefymenben, für alles ©cböne leidet ju begeifternben Httlann,

©entfy ift fett langer 3«t nneber rer erfte 5D?enfd^ ben icf> finbe , ber

ftcfy fo recfyt unmittelbar für $oefte intereffirt, unb mit ©eift über ©oetfye

fprtcfyt. G?r fjatte in Söonn @efdjidjte ber Literatur u. a. bei 51. 2B.

o. «Schlegel gehört, liefen fyatte tdj in. 23onn erft für^licb gefeiten. 3d)

§atte miefy fogteicfy nacb meiner 2tnfunft in SBomt ju ilmt führen laffeu.

(ix beioofynt ein ganzes §auS für ficf> allein, baS fefyr elegant eingerichtet

ift. -Sd) fanb einen 3)cann oon mittlerer ©röße, mit ebler (Stirn, unb

braunen, großen, toietoofyt eüoaS matten 51ugen. (Sr fct)eint überhaupt

fefyr mtlt) unb nacfyftdjtig getoort>en ju feint, Q*r toar ganj mit feinen <SanS=

frittfypen befd^äftigt, bte er mir geigte, fo baß er nicfyt leicht auf ein anbereS

©efpräd) p bringen toar. ©egen ©oettje'S £>ioan jeigte fic£> immer noefy

eine 2lrt Dppofition, unb er meinte: bte ©ebtcfyte könnten beffer fetm.

-3n bem älteren 2öefcfer einen milben, äußerft intereffanten SJfonn

gefunben.

3n $oppelSborf fanb icfy 9?eeS nicfyt, fonbern nur feine $rau, bie

mamticfyfacfy unterrichtet, in ben fübticfyen unb aueb in ben norbifdjen

©prägen betoanbert, unb mit ben großen 2)td)tern toofyt befannt ift.

3&I las iljr einige ©fyafelen oon §afiS perftfd} cor; fte fanb bie (Sprache

äußerft tooljllautenb.

3ln Slrnbt fanb tdj einen froren, fyerrlicfyen, fräftigen Sttann, ber

mtcfy fefyr anjog unb midj freunbtid) aufnahm.

Stuf bem 2öege oon §eibelberg nac^ §aufe bei (äberbac^ entftanb bie

Page 253: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

233

SKonton^e: „2Bobl auf, wofyl ab ben Sfterfar;" 23. 3mtmS ein paar «Sonette

in Köln, unb eine ©fyafelc in §eibetberg, früher ein ©onett in £)armftabt.

9lm 9. 3u(iu3 fam idj, na^bem tdj midj einige 3^it in 2ln$badj

aufgehalten , wieber in (Srlangen an.

11. 3uim& 3cfy empfinbe fcfywer ben fanget an jufagenber ©efefl=

fcfyaft. 9?ur (Engetfyarbt ift berate, unb mir. ein groger STroft. (SdfyeÜtng

oerfprtdjt ftdj für midj beim Kronprinzen $u oerwenben, wenn mein Urlaub

tttcfjt oerlängert Werben foöte, bamit mir ber Kronprinz entWeber felbft

einen 3al)rgef)a(t ausfege, ober bä ber Regierung einen auswirke. £)ann

fotte icfy meinen 2lbfcfyteb nehmen unb nadj $artS gefyen.

23rudjmann täbt mid) ein nacfy 2Bien ^u fommen.

2öafyrenb be$ 5lufentI)attS in 5ln3bad) Ia3 id} bie brei erften 23änbe

oon (^oetfye^ £eben wieber, Worin er mir beinahe größer erfcfyien at8 in

irgenb einem feiner 2Berfe. 3cfy lernte barauS baß icfy 25 3afyre meines

£ebenS »ertoren fyabt, unb toie foü icfy fie einloten?

19. 2luguft. $uf bem 2öege nad) ©treitberg ein @ebidjt in Seltnen,

baö ftd) an eine früher gebid)tete giftet gewiffermaßen anfcfytießt.

©(fyetüngS (Stnteitung in bie $fyi(ofoplH> gehört, bie am 29. 5luguft

gefcfyloffen würbe, gtänjenb wie fie angefangen.

1. ©eptember. Sftefyrere @fyafe(en gebietet, bereu @egenftanb t^ettö

£iebe, tfyeitS poetifdjer Uebermutl).

-3n ber testen ßtit SßtyronS Kain unb §arotb getefen, bann einige

<5türfe oon ^Irifto^aneö in ber fyerrlidjen SBoffifdfyen lleberfe^ung.

Steife naty ßittj*

5lm 8. September angetreten, über £auf, <5vLl$ad), 2Imberg naefy

SRegenöburg. $htf bem Sßege JOfftan unb bie £ufiaben getefen. -3n ben

teueren fiel mir aufs neue auf, wie äußerft funftooH bieß ©ebicfyt ber

Anlage naefy ift, wie oiet auefy an ber ju gebrängten Anlage möchte ^u

tabetn feim. 2lüe ©roßtfyaten ber ^ßortugtefen, ifyre ganje ©efcfyidfyte bis

p. bem ungtücfliefen König ©ebaftian, beS £)tcfyter3 £ettgenoffen , mit

wetd)em ber portugieftfdfye Sftufym ein (Snbe nimmt, fyat (£amoen8 in fein

©ebid)t ju oerWeben gewußt, unb retljt bieg afe, Vergangenem unb

Künftigem, an bie große 2Be(ttfyat ber ^ßortugiefen , bie 2luffiubung SnbtenS

Page 254: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

234

jur (See. (gin £)eutfdjer, ber ä^nfi^eö reiften roaflte, mürbe einen reiferen

aber and) fd^tperer jn bemättigenben (Stoff fyaben. (£r müßte bie größte

Qfyat in ber beutfdjen @efd)id)te, bie Deformation, jutn SDftttetyunft

madjen, unb rüdroärtS ju $art bem ®roßen unb ben §ol)enftaufen,

oormärtS ju bem Sturze beS beurfdjen Deid)3 gelten, ben mir felfcft

.

erlebt fyaben.

5Son 9?egen§burg nad) £inj. 2luf beni Söege befugte id) mieber

Pfarrer £>afner.

3n Sftieberatteid) einen Sonnenaufgang, tote tcfy einen fdaueren nie

gefeljen. SBlenbenb trat bie meiße §itternbe $ugel au8 ben SBoIfen über

ben bergen fyeroor, bereu (Saum oerfttbert mar. geine £id)tftreifen

ftrafytten in ben §immef, ber tidjt unb rein nur einzelne teud)tenbe

SBölfdjen trieb, bie fid) in ber sDostäu fpiegeften. — Wn biefer (Stette

la3 id> in ben £uftaben bie frönen (Stangen, mo ber £önig oon 9JMhtbe

unb 33a3co ba @ama ftd) im (Sdjmude begrüßen.

•3n -ßaffau am 12. (September $Ibenb3 eine furje einfache £egenbe

bearbeitet, bie mir einmal §ugger erjagte.

2lm 15. (September in %m$ angefommen, bei 23rud)ntann3 greunb,

0. (Strein§berg, getoofynt, ber in Jing angefteHt ift, ein fet)r geiftootler,

poetifd) gefttmmter junger Wlmm, 3)cr größte Unmutb, tk ooHfommene

SBerjagung an meinem Talente quätte mid) fyier, mäfyrenb id) hi$ jum

24. (September 23rud)mann erwartete, ber oon Onnöbrutf fommen foffte.

tiefer Unmutl) braute mid) ju bem (Sntfdjhtß nidjt nad) 2öien, fonbern

nad) ^ranfen jurüdfjugefyen, aber nid)t nad) Erlangen. £ie eigenttidje

ltrfad)e war ba§ @efüf){ baß id) mit 23rudnnaun nidjt jufammentauge.

-od^ Riegelte mir aber anbere ®rünbe oor, fagte mir: 3d) fyabe bisher

meine <Stubien meit genug au^gebelmt, unb nad) unb nad) entftanb immer

mefyr ber üßhmfdj in mir mid) ju conceutriren, mid) auf äußerft menige

33üdjer, auf äußert wenige arbeiten ju befd)räufeu. 3)agu fam baS

Verlangen nad) einer ootlfommenen ©nfamfeit, mie einft in (Sd)tierfee.

Qd) tootlte mid) grüubftcfyer a(§ je auf* ©ried)ifd)e roerfeu, bem id) bis

|e|t nid)t genug Sfafmerffamfett gefdjenft, mid) nidjt Oom Orient fortreißen

(äffen. 28ien mürbe mid) jerfrreuen — obrool)( idj meiß mag id) mit

SBten aufgebe, ben Umgang oieter getftreidjer SÄämter unb -Süngtinge,

bie SBefanntfdjaft mit Jammer, bie Itterarifdje Wüte, fca$ Sefcen in 2Bien

lelbft mit aßen feinen üftittefa für eine grünbttdje $hmftbi(Dung.

Page 255: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

235

Sty befd)(o§ nad) Wootf 311 gefyen, tt>o ict) am 5. Dctober aufam,

unb $eit %atte ben aEenfatlftgen bummen ©treid) ben icb gemalt fyabe

fytntängltd) 31t Bereuen. -Scfy begann fofovt ba$ ©tubium ber griecfyifcfyen

©rammatif bon 9Jcattt)iä.

£)er Mangel an 33equemftdjfeitert, an ädern Umgang , aucfy an (Mb»erftimmte mict) tief.

21m 14. überfe£te icb eine @t)afete beS §afiS in ©fyafetenform, fetzte

biet} fort, in ber ©t^a) elenform unb in gereimten £rocfyäen, |o bag am

15. bier, am 16. fünfzehn, am 17. fimfjefyn, am 18. neun, unb am 19.

bier ©t)afe(en 31t ©ianbe famen. £)ie nötigen ^Bemerkungen unb eine

fTeine 2lbt)anblung a(8 33orfcertdt)t follten ba^u lommen. £>er Verlag rmtrbe

§i(fct)ern in ®re$ben angeboten. 9?od) am 19. bietete ify einen Prolog

an ©oett)e in Dctaben baju, am 30. nodj brei @l)afelen überje|t.

(§8 finb fünfzig ofyne bte in ©fyafeleuform , roeläfye am Cfribe abgebrudt

roerben foH.

^adj ber 23oKenbuug biefer Arbeit oerfanf ict) roieber in SDrigmutf).

üftadt) (Erlangen roiÜ ict) mdjt. (§ngeft)arbt aufgenommen, ftaben meine

bortigen ^reunbe bod; feine Stnerfennung für midj, unb id; berbenfe e8

it)nen nietet biet.

27. £)ctober. (Sin blufyenbeg ©eiSblatt an einem tbilben oertaffenen

Orte gefunben, baS mid> 31t einem ©ebiebt berautaßte.

29. Dctober eine $abel gebict)tet, bie ^um neuen 2öerfd)en hinzugefügt

roerben foH; bie £egenbe (in ^affau gebietet) fott ben (Sbilog machen.

Eiskaren unb Helge bon £5et){ertfct)täger gelefen; bann (£otbber$

Task, baS 00H 2öat)rt)eit unb 9catur tft.

§ermann mtett)ete mir eine 2öot)uung, toieber im ^ofmann'fc^eit

§aufe, ba ict) borfyer ^aftner gegenüber toolmte.

11. ^ooember. Sonett: „-3m ^erjen ungetot§, ob ict) biefy fänbe" *c.

14. -iftobember. 9)cattl)iä bon borne roieber angefangen, unb alle

angezeigten jcfytbierigen ober merfmürbigen (Stellen in ben ©cfyriftfteüern,

bte id) am meiften liebe, attgeftndjen (§omer, <perobot, ^inbar, Sinafreon,

2lefd$tu8, ©obfyofieS, 2lriftobt)aneS, £t)eofrit, unb bie 23acd;antitmen be$

QmrtbibeS.)

Borgens nadj beut 2htfftet)en etmaö im 9?. Z. getefen ; bann bis fyatb

1 Ut)r 9#attt)iä; Spaziergang, lieber 9ttatÜ;iä bis t;atb 8 Ut)r. 9radt)

bem 5lbenbeffen £agebud), S3viefe, £edüre, aber fietS nur ein einiges 33uct).

Page 256: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

236

30. SWofcemfcer. (Sonett:

SDu bifi 311 jung, o greunb, um fcbon $u lernen

2Sie jef>r bas Seben uns bie ©d)utter brücfe,

Unb rcie rrir rcäbnen eft 511 nafyn bem ©lüde,

2)a meljr unb met/r rcir uns oon ibm entfernen.

@s folgt bie 3ugenb ibren guten Sternen,

©leicr/ciel rcclrin jte bas ©efebid entrüde;

SDod) ftnnenb »eilt bas Sitter an ber 23rüde,

SJie c« geleiten fett in öbe fernen.

25u Bift m jung, bu fcaft nccB nicBt erfabren

Sie eft ber ©eifi, um 9iub Bemübt, oergeBens

©icb Balb nad) Sorben febnt unb Balb nad) ©üben.

Ö meebteft bu's $u feiner 3 e^ getrabren

,

3)er bu bie jungen Sage beines 2eBens

•Wfe Stufen leiben reillft bem Se&ensmüben.

1. 3)ecember. Sine (Stelle tu *yugger3 SBrtef, bie jagt „ba§ ifym

als Snrfagenben eine erotge 2Banberfd)aft $ieme," fdjetnt mir merfmürbig.

3>tefe auf ©oetr;e'§ 2Sanberjac/re anfoielenben SSorte ftub nur ju fe^r

aus meiner Seele gegriffen. Sine raftlefe SBanbcrf^äft toäre eigentlich

bie roatjre iöejtimmung meines £eben§, unb tefy feinte mtdj ftetS barnaef/,

fogar im hinter. Stn Bebeutenben Orten längere &it 3U Bleiben unb bort

3U ftubteren, fetann aBer ben Stab metter $u fe&eu, ba3 märe eigentlich

toas mid) allein glüd(id) machen fenute.

12. Xecember. Sonett:

SWS id) gefebn bas erftemal cid) IjaBe,

©cbienft bu mir üben, nüeroe&l oeu ©tol$ Befangen,

Sie Stimmen tönten unb bie ©llifer flangen,

Unb balb oerfdjreanbft bu reiecer, febener ÄnaBe!

3nbeffen griff id) nad) bem SSanberftafce

,

2>ed) blieb ein leifer 2öunfd) im £erjen bangen,

Unb ©cfmeelaunnen gleicbet bas Verlangen,

Gs lräd)st unb rcad)st, bamtt es uns begrabe.

S)ann trarb id), als icb rcieber bid) gefunben,

Unb mebr unb mein- gelernt bid) treu $11 lieben,

21ufs neu getrennt sen bir unb neu oerBunben.

©0 fyd bas ©lud uns Bnn unb ber getrieben

,

3m 5Bed)feltanj ber toanbelöoHen ©mnben,

Unb nur bein ©tol.j unb beine ©d)cnbeit blieben.

Page 257: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

237

14. £ecember. 3m ©djar^amer; abgefcfyrieben.

SStet mit §ermann jmfantmen. §auptgegenftanb ber ®efyräd}e ®oeu)e.

(Sonett:

Wlefyx als be8 Senjes, tooll öon £>ulb unb @nabe,

©ebenf id) jener SBtnternadjt , ber falten,

2tt« id) gefe^n bidji eine garfei galten,

üftir öorgulcud^tcn auf bem eben ^3fabe.

Unb folgenb immer beinern Stritt gerabe,

@afy \ä) ungät>üge gunfen fid? entfalten,

Umfyrüljienbe bie fdjtönfte ber ©eftalten,

@obalb bu, greunb, bie gaefet fdjitüangft im 9kbe.

©eftirne rourben neibifd; au§ ber gerne

2)ein 8t<$t geroafyr, unb liebenb fd)ten ber Sßagen

Huf biü) ju lenfen feine fieben ©terne.

@tifi toarft bu fefljft, id) fragte nichts ju fragen:

3n folgen (gtunben fdjroeigt man aöju gerne;

3)o<$ toas^bu bad)teft, teer »ermag'S ju fagen?

24. 2)ecember. 3n Nürnberg im rotten 9?og Derfteb fennen gelernt.

29. £)ecember. 2)ie 2lenei3 toieber burcfjgetefen , nnb mid) mannidjfadj

baran erfreut.

^teigige Gtorrefyonben^ mit £>öttinger. $tan ilm in ©djeinfelb , too

er Kaplan ift, ju befugen; too^u er eingraben fyatte. (§3 fotf bort außer

grtec^ifd^er £ectüre ©cmSfrtt angefangen werben.

1823,

2. Wäx% rourbe tdj auf ben 5. Wläx^ junt Regiment eingerufen.

Stteljrere Heinere neue ®ebicfyte. 3)ie (Sljafete: „Sin ^rüfylingSatfyem

rommt" 2c.

13. W&x%, „3)er Hoffnung ©djaumgebäube bricht" :c.

2)ie Einberufung toirb auf Sßertoenbung beS tronprm^en, ben ©Delling

hat, jurücfgenommen, ber Urtaub erftreeft.

3m $lprit neun £age bei £)öumger. Sei ber 9Wt(ffefyr ben §aft$=

cober bon §ammer unb einen erfreulichen Sörief oon £iebig au$ $ari$

oorgefunben.

-3m SO^at einige ©fyafelen über geftörte £tebe; bann: „3al)refRauben,

biefer SBufen" ?c.

Page 258: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

238

$tm 26. dJtal £>iefe |$e«t ift reid) an ©ebidjten. Qtntt allein cttt-

ftanben ad)t ©fyafelen. ©cfyon finb über bretgtg neue ©fyafelen fertig.

24. Süftai eine ©fyafele an £iebig, in 2lnÜoort anf einen fefyr getftretd^en

©rief, in bem er ntir anf eine fefyr liebenStoürbige 2lrt feine ©tnbien nnb

SBefdjäfttgwtgen in -ßari§ mitteilt, nnb affeö auf feinen grewnb bezieht.

(Sr f)ört Bei (Sumer, ©ai) ftiffac; 2a $tace, ©tot.

29. -SuntuS. (Sin lebhafter SBerfeBr mit -ßud)ta beginnt, ber rätl)

bie neuen ©Ijafeten Reimern anzubieten.

(Btit 16. Qimvtä toar meine §aufctbefd?ä'ftigung ©Ijafffceare ; big jum

29. fyatte iä) bereits eiff fomöbien getefen. -SlbenbS zweiten ein ©tütf

im ©cfyafynamety nnb ettoaS im 3#attlna. SBtel friert.

6. -Miug. -3n biefen £agen oon £iebig be§ (SeroanteS Persiles ySigismunda nnb Spencers Fairj Queen erhalten.

29. -SutiuS. abermals einberufen, nnb jtoar Bio jum 15. Sluguft.

Qfy foHe einrücfen, ober er!(ären funftig zum (Statt überzutreten, unb in

irgenb einer «Stelle zu prafttctren, tooburcfy td) meine ©age nod) einige

ßät ermatten fönnte.

©Delling rätfy bei ber ©tbtiotfye? ju fcrafticiren.

3dj fd?lie§e midj fefyr an ferneH an. £)te Siebte Ratten biefem

jungen Scbtoeben eineS ©ruftleibenS toegen einen 5fttfentfyatt in ÜTuniS

oerorbnet. (Sin ©Intfturz nötigte ifyn, auf ber gafyrt bafyin, in (Gibraltar

Zu lanben, too er fid) mit (Srftaunen $S0cfy au3 bem falten einfamen

(Sieben unter Slloen, (SactuS unb Orangen oerfe^t fafy. 9?acfy jtoet

Monaten mar er nad) S^arfetile gefcfytfft, oon ba zu £anbe über Wiföci

unb ©enua nadfy Sftom gegangen, unb oon ba nad) 2)eutfa)tanb gezogen,

mo fljn (Stelling in Erlangen feftl)ielt. ©ei i^m ühtt ify midj im

©djtoebifdjeu.

©ruber toar einige £age in (Srlangen. ©on £iebtg famen gute

Sftadjrtdjten; ©aty £uffac t)atte in ber f. 2lfabernte ein Memoire oon tfynt

oorgelefen , ba§ bie (Sntbetfung einer neuen ©äure unb beren ©erbinbungen

betraf, unb ba3 fefyr gut aufgenommen tourbe. £)er in $ari$ amoefenbe

Orientalift ^rofeffor ©d^ulj aus ©ießen, SiebigS grewib, jdjrieb für

mxd) einige ©^afelen oon £)fd>amt ahf

er fyatte au<$ meine metften ©^afelen

abgetrieben, unb btefelben £1)6$ mitgeteilt.

24. 21uguft. <&ett einer Söocfye baben ©djeflingS $ortefungen über

SJtytfyotogte begonnen. £)aburdfy unb burd? $ernetl§, (SngetfyarbtS unb

Page 259: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

239

23rud)mann3 Umgang lebe icfy tyerrlidfye £age; e8 ift einer ber fdjbnften

geitpunne bie tdj in Erlangen jubradfyte.

28. 2luguft. -Sean tyaut, ber in Erlangen mar, gefproben.

5. (September. ,,3d) motzte gern midfj frei bemaljren" :c. (Sinen

§rn. o. (Jroufa^ lernten gelernt, ber mid) auf ber 2)urd)reife befugte.

(SS ift ein franjöftfdjer (Sc^mei^er, ben aber mein ©rogoater als $inb

ju ftdj nafym, unb mit meiner SJhttter unb feinen übrigen loteten «Söhnen

unb Xöfykxn in 2ftt§bacfy er^ie^en lieg.

Sßefucfy bei £)öHinger.

(Sremplare ber neuen (Sfyafelen an @oetfye, Oean $aut, Xkä, bann

an 3acob @rimnuunb Valentin (Sdmtibt, ben $erfaffer be8 trefflichen

5luffa^eö über (£alberon in ben Söteuer ^afyrbüdfyern , gefcbirft.

$on (halberen gieng ein mir fefyr merfmürbigeg ©efprädj au$, baS

icfy am 20. (September mit (Scfyelltng führte. (53 mar, ba itfy oon ifym

2lbfd)teb nafmt, meit idf) einige 2öocfyen in 2tn3bad) anbringen toitt. £>ie

Gnnmitligung ^ur $rari3 ift oom Regiment gekommen. (Scfyeßtng begann

ju nagen bag mir nocfy immer feinen eigentlichen bramatifcfyen SDidfyter

fyätten, bag bte $ritif ju frül) in unfere Literatur getreten fety, unb fie

gehemmt fyabt, unb bag burd) aü^uotel 23emugtfeim unfere ^oeten metft

»erborben mären, ba Sfyaffpeare unb halberen, ganj unbekümmert um bie

'Ärittf ber ©etefyrten , bfog für ba$ 3Sol! »on ber 23ülme fyerab gefprocfyen

Ratten. ©afyer, fagte er, fame aucfy bie augerorbentücfye (Sterilität unferer

SDidjter, mäfyrenb (Sopfyoto, £ope, (halberen, <Sfyaffpeare eine fo groge

Stenge (Stüde fyintertaffen Ratten. 23tog 5?o£ebue fyäüt %ä un£, mie~

ioofyl im fcfytecfyten «Sinne, ein 23eifpiel oon ungefyinberter bramatifdjer

gruc^tbarleit gegeben. SDtefe Söorte erregten mieber mächtig in mir bie

Neigung ^um S)rama, ai$ einem noefy offenen $etbe, eine Neigung bie

in früfyefter IHnbfyeit fdmn in mir gegofyren, unb noefy in ber testen 3eit

mieber fyäuftg cor meine (Seete trat. -3d) I)abe bereite ein paar ältere

bramatifcfye $(ane auf§ neue bor mir oorübergefyen taffen, unb audj neue

geformt. £)b barauS etmaS entfielen mirb, mirb ftcfy geigen.

5. Sftooember. &$ ift atterbingS etmaS barauS entftanben. 2(m 2.

fam icfy mieber fyier an. -öd) fyabe in WnSbaty eine fomöbie in fünf bieten

gefdjrieben, unb jmar in fünf Sagen, Oom 15. big 19. £)ctober. (Sie

fyeigt: „S)er gläferne Pantoffel/' unb ift au8 jmet bekannten 9#ärdjen

componirt, bie in einanber oerflodjten ftnb. 3)er $(an ba^u etttftanb

Page 260: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

240

ganj furj bor ber $lu3füfyrung, bie mit ber größten (Sdmetligfeit bor

ftd) gieng. 211$ icfy fertig hxtr, bemerfte tdj baß icfy etioaS ju «Stanbe

gebracht toaS id) mir gar ntdjt ^traute. 3dj fürchtete totrfKdj in btefen

l^rtfdBett 2lccorben ju oerfdmteljen. 3cfy fürchtete baß in ber beutfcfyen

^ßoefie ntcr>t§ @roße§ mefyr geleiftet werben fönne. 9cun aber lag ptöfcftdj

ein größeres 2öer! bor mir, über ba3 ftd) ein l)ol)er Söofyllaut ber (Sprache

unb eine nnbefiegbare §eiterfeit be§ £eben$ ergoß. -5n (Sin^el^eiten oer=

befferte icfy baran nod) manches, fcfyrieb baS @anje in3 ©aubere, unb

lieg e8 binben.

9rodj in 21n3bacfy la$ i<fy e§ fcnetl bor, ber auf ber 3)urdjreife

oom ^ein toieber nacfy Erlangen begriffen toar. (§r n>ar ganj ^nt^ücft

babon, unb fiel mir um ben §al§, fo pfytegmatifcfy er fonft ift.

%m 10. Sfobember tourbe e$ bann bei ©Delling oorgetefen. 2lntoefenb

toaren bie Oberftin Waffen, §ofrätfnn @lücf, (Säubert mit ©djtoefter

unb grau, ©ofrcttfyin Shtcfyer, $faff mit grau unb ©dnoager, $aftner

unb grau, SlSperger, ©Dellings, Sngelfyarbt, DJcefymet, ^ßucfyta u^£ocfyter, ^ernell, §cffmann.

(Stelling ließ biefeS (Srftlinggprobuct meiner Sftufe fyodj leben.

(£lartbeKa, rief er, in alle Sioigleit! Sftö'ge fte naefy fyunbert -Sauren

nod) ebenfo frtfdj unb bttifyenb fetm at3 I)eute!

9Jät bem Vortrag toar (Stelling nicfyt aufrieben. (§r fy&ttt fvfy,

fagte er, lieber lebhaft überzeugt baß bie $oefte ettoa$ TOftracteö fety,

unb baß icb, oiele§ weniger embfunben als eS in bem ©ebidjte felbft

empfunben fety.

(Sngelliarbt unb $ernell toaren für ben fofortigen £)rud ©cfyetfing

rietl) e$ juerft an bie Sweater ju Riefen. Sttfo tourben fünf W>\Triften

gemalt. 23rud?mann feilte e$ bem £)oftl;eater in SBien, gugger bem va

Sttüncfyen anbieten, eine Slbfcfyrift füllte natf> Berlin.

19. Sftooember famen fcfytoebifcfye 23ücfyer oon Upfata an, mit' Denen

icfy miefy je£t ber 9^eir)e nad) befcfyäftige. -3cfy lefe nicfyt mefyr fo biel unb

fdmell als früher, fonbern fcfyleppe ein unb baöfelbe 23ucfy lange mit mir

fyerum, um e3 ganj $u erfennen unb ju genießen.

©n Sörtef oon £uttoig ©igiSmunb Sftufyl au$ Gaffel. 2) er bunfte

3ufammen^ang ber Söefen, ben man (Stympatfyie nenne, fet? i^m ztuoa§

UnerllärbareÖ , bem er nic^t länger nachgrübeln tooöe. @r felbft tyahz,

bon bem 5lugenblicf an ba er mieb in meinen „Styrifcben blättern"

Page 261: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

241

fernten gelernt, cttoa$ für mtdj empfunben hxtS nnr wenige für toenige

füllten. <Sd)on lange, efye idj e8 abnen fomtte, fety er meinem fcer=

geiftigten (SelBft fcerBunben getoefen, unb fcfyeue fidj nicfyt biefer «Stimme

2Borte ju geben. $ielleicfyt tmirbe fünftig ein perfÖnlid)e$ ä^f^mmentreffen

midj überzeugen ba§ fein ©etft unb £eBen bem meinigen t>ertt>anbt fetyen.

(Sr Bittet mid) i§n mit einem SBfatte §u Beglücfen, ba$ nicf>tö enthalten

fottc als bie (Genehmigung feiner (Gefügte.

2lrel unb SBalBorg ermatten.

greunblicfyer 23rief »on UmBrett; »erlangt 19 (Sremptare ber @fyafefen

für §eibetBerg.

Valentin ©cfymibt banlt für bie ©fyafeten, unb fügt inn^u: „3)te tiefe

Stille unb ©etoalt ber (Smpfinbungen in Sfyren ltyrifd)en (Sflogen berechtigt

mid) §u ber UeBerjeugung einem in mefyr als einer §inficfyt ausgezeichneten

9ttann gefallen ju fyaBen." $)ie $affibe nennt er „gigantifcfy in 3nfyalt

unb $orm."

3)te Zueignung beS „@läfernen Pantoffels" an ©Delling, nacfy

(SngelliarbtS Urzeit bie fcfyönften ©tanken bie in beutfcfyer <8prad)e ge=

fdjrieBeu finb.

jungen fennen gelernt , einen fefyr angenehmen unb gebitbeten

SJcenfcfyen.

11. £)ecemBer rommt £ieBigS iöttb in einer 3*$$*$$ unb einem

©teinbruct.

(Sin (Sremptar ber 2lBfd>rtft beö „®täfernen Pantoffels" an fnebet

getieft, baS ©uobeje^emplar foü an £iecf gefdjidt werben.

puderten gefiel ber „©täfewe Pantoffel" nicfyt ; er nennt bie Sftärdjen

unintereffant , ben ^ernullo froftig, unb aueb bie übrigen ^ßerfonen olme

Steifcfy unb 33tut. £)en Altern Jagte baS @tücf aud? nicfyt 51t.

23. £>ecember. £)er 3ntenbant 0. SBetc^Ö in 9ftüncl>en mi%t baS

<Stütf , als für eine fi5rtigüct)e §ofBüfyne ungeeignet , yxxM. fneBel febiefte

baS 3)canufcript mit bem toEften ©riefe £urüd, inbem er juerft feine

ganje ©alle üBer meine ©fyafelen attSgiegt, unb bann auf baS (Stücf

üBergefyt, oon bem er, ioie er fagt, gar nicfyt reben mag. (Sr nennt

meinen 2tyoH einen Kasperle, unb meine Stufen £>ienftmäbd)en, unb

bergleicfyen Impertinenzen tnefyr. tiefer 23rief oeranlaßte mieb ju ben

„klagen eines SftamlerianerS."

9ßt ateno £agefcud?. 16

Page 262: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

242

2lm 24. 3>ecember mit (£t%rger nadj 23ar;reutl), roo icfy mid) ad^t

Sage aufhalten rooßte.

$ur^ oorfyer i)atte idj in (Srlangen einen fonberbaren jungen SQcann,

5luguft ftxfyrn. o. (Sgloffftein, fennen gelernt, unb micfy mit i^m befreunbet.

Sftein ®roßbater mütterlicher ©eite fyatte @üter in ber 9Za^e bon @gloff*

ftetn, unb mar mit ber Familie fefyr (irrt Steine Butter erjagte mir

oft bon berfelben. liefen Sluguft (entte ict/ beim 23ülarbj>tet , baS i(f)

jefct aufteilen treibe, in ber §armonie fennen. @§ mar ein bottftänbiger

Sftaturmenfd?,

ganj unter ber §err|cr/aft ber 9catur fter)enb, fdjon at$

tinb fjatte er at3 9cacf;toanbfer bie Umgegenb erfcr/recft, roenn er auf

ber £r/umtftn£e be§ felfigen (Sgtoffftein faß. ©ein £efyrer taufte if>n in

biefem 3«ffo«§ i» ein 8cbaff mit foltern SBoffer, baS Reifte tr)n, aber

e§ BlieB ifym eine bei geringer Sterling Bio $ur 0?aferei fteigenbe 2Butb,

in ber er, nüe er berficfyerte , feinet 9Jtotfd)en fcfyone, unb fein Körper

toie Oon ©feit fety.

3ean Sßcml fagte mir über ben „®läfentert Pantoffel/' barj er

benfetBen mit biet Slufmerffamfeit gelefen fyaBe, roa§ er aud) oerbiene;

aber bie hobelte bom £>iobat feilte ber anbern bom 2lfcfyenBrobef metyr

untergeorbnet roerben, bie Beiben <3dttoeftern im fünften Stete beftraft,

einige grobe 2öi§e meggeftrieben, u. bgt. met)r. 2)ie roeiBlicfyen (Efyaraftere

fcf/tenen tfjm am beften gehalten, BefonberS intereffirte er fief; für Slfct/enBrb'bel

felBft; er $roeifette ob WftoVj fie berbiene; unb r;arte fie lieber bem 3)tobat

gegönnt. Sit ben ernften -Partien folge man mir fet)r gerne, unb einzelne

metapfmftjcf/e (Sentenzen fetyen glücflict) eingegeben. 2>at} id) baS ©tücf in

fünf Sagen gefef/rieben , bamit r)ätte icfy eine große föraft beroiefen. £>te

aHjuoieten 3Bort|>iete oerbammte er, einige aber, 3. (£. „ein 2M ift feine

23aßabe" gefielen tr)m BefonberS roor)l. $ür ba8 3bt)llifd)e fyättt ict) biet

Talent, roorunter er toor;! baö 2Dcarcf/en meinte. 3n bem Prolog an ©oett)e,

unb in ber Zueignung an ©djetling fet) beiben eigentlich ju oie( gefd>t)en,

toieroor)! baS mit ber £unft nidjtS ju fcfyaffen t)ätte. ©oetfye toare bod)

eigentiid) »on feiner 3eit auf ben §änben getragen roorben, unb bie 9?act>

me(t roürbe ir)n ftrenger beurteilen. SDcetne neuen @^afeten gärten iljn

fefyr angefr>rocf/en ; boefy füt;(e man buret) ben äufjerlicben £etcf;tftnn einen

innerlichen ©ctmters burcb,fcbeinen. Pudert t)aBe fe^r oiel latent, aber

eine große @efct)madtoftgfeit ; er t)aBe fo oiele ©eroanbtfyeit baß er allenfalls

Page 263: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

243

cmd) feine Briefe in Sonetten fdt)reiben fönne , aber toenn man bie ©fcradje

räbere, fo (äffe fidj freiließ oiel ing Söerf fe£en.

Sei Gelegenheit ber „20eiber »on 2Binbfor" ergog er ftcfy in ein £ob

©fyaffpeare'S. ©ne folct)e GEfyarafteriftif toäre bto§ burd} fjbfyere Eingebung

möglidj, ber Üftatur liege fidt) fo eüoag nidjt abcopiren. 3)umme $erts

^u fdjaffen miglinge faft allen auger (gfyaffpeare. Rubere fteÜtert bei

ifyren Einfältigen getoölmtidfy nur fidj felbft bar.

$on Saüreutfy aus bie Slbfdjrift in 12mo, burd) Stirn $au(6 Beifall

ermutigt, an %kä gefdfyidt.

Qn einer ©efellfdjaft bei Fräulein o. ©tein, too 3ean ^ßaut überaus

geiftreiefy, unb toi^ig hi$ jum drolligen mar, unb bod) oon ßtit §n 3«t auf

ungefünftette SBeife bie toarme gütte feines §er^en6 fyeroorbracfy , l>abe idt)

jum erftenmal recfyt (ebenbig empfunben toa§ §umor ift. — 2Bir begleiteten

tim nad) ©aufe, too er, feine $rau am ton füfyrenb unb in ber anbern

«panb ein £aternd?en tragenb, ungemein brollig unb tiebenStmtrbig au§fafy.

30. £)ecember. 3ean $aut ,,2£ämämbmen3 §arfe" oorgetefen. Er

lobte meine fc ju lefen. 21uf eine fo feierliche, gefangartige SÖeife muffe

$oefte oorgetragen werben. 3)a id) jjafynvozfy fyatte, magnetiftrte er mict).

-3ean -ßaut§ $rau ift in ber £t)at eine augerorbentticfye $rau , ä'ugerft

gefcfyäftig in ifyrem §au&oefen, »on ber größten £ebfyafttgfeit be3 @eifte§,

unb oon einer fyimmlifdjen @üte unb Stfyeilnafyme.

1824

1. Februar, $ernellg franlfyeit oertoanbelte fidj in £ungenjudfyt. £)er

31r^t gab il)tn nur ncd) einen Sftonat jum £eben. -3cfy befucfyte um täglich

mehrmals, unb litt babei unglaublich, ba ber $ranfe felbft feine 2lfynung

toon ber Gefahr feinet guftanbeS J^atte,

3)er 3lbfa£ ber @bafelen oorirefflid).

-9m -Januar oiel <Sd>littfd)ub gelaufen, mel>reremale auf beut £)ecf>fen-

borfer 2Betl)er, tt>o ^angfpiele unb Suftfpiele auf bem Eife oon ben

(Sdfylittfdinfyiäufern aufgeführt nmrben.

3acob (Srimm in einem Briefe fyat in allen fiebern tiefet ©efüfyl

Unb feinen 2lu3brud biefeS ®effify(S gefunben. SSenn er in ber ^orm noefy

eüoa$ Unt>eutfdje3 bemerfe, fo jpreebe er fid) babei feine3n>eg§ oon SBorurtfyeil

unb Einfeitigfeit frei.

16*

Page 264: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

244

9?ufyt Ijctt mir mit einem 23rief fcoll 3)anf unb ftreube fein 33i(b

getieft, ba$ idfy verlangt |atte.

£>ie @fyafeten btefer $eit fbretfyen fcon (Sgtoffftein unb einem neuen

23efannten, o. ©tadfyeu)aufen, ber, noefy fet>r jung, in Erlangen ftubierte.

-3n $ernell§ Pflege unterjiü^te mtdj SBippert au§ äfteiningen, ein

junger Salami fcon ungefähr 30 -Sauren, ber biete Unifcerfttäten Befugt

fyat, unb fidfy nun afö ^reunb Pfeiffers, mit bem er jebocfy in einem

Beftä'nbigen ßani lebt, fyier änffyalt (Sr Braute mir au3 *ßar.t$ einen SBrtcf

i?on £ieBig mit. (Sin unenblidj fdjä#6arer (Sfyarafter, aber eingeteilter

Kantianer au$ ber ^rieS'fdfyen ©dmle.

5tudj §obe§ Befugte Äernett öfter, Stö er aU ©entagog nadj §effen

abgeführt mürbe.

ferneut $ranffyeit ftört meine arbeiten. Qrin paar platte ju neuen

^omebien ftefyen ^iemtid) teBenbig »er mir, bereu (Stoff icfy au3 £egranb$

Fabliaux unb Contes fdjÖtofe.

9?ut)t unb ©rtmm urteilen fetyr günftig üBer ben „•ßantoffet."

9ftit ©tad;elfyaufen meine Keine mineratogifdk ©ammtung burcfygefefyen.

Km 30. 9D?är£ jjtyiföft 2 unb 3 Ufyr ftarB ternell. 3dj fam ^fällig

erft um 12 Ufyr an biefem £ag $u ttnn, unb fanb ilm fefyr fcfytecfjt, bie

§änbe Blau. 2)emtodj fpradj er, fyiett mid) am Dfotf, unb fragte midfj

mit taHenber ©timme oB icfy Bei ifym Bleiben motte. Q§ gieng bann mit

feiner 23emitligung auf eine $iertetftunbe jum (Sffen hinunter (üernelt

meinte im SBattftfdj) , ließ aBer fofort 2Bippert unb (Sngetfyarbt fyolen,

unb gieng fdmeff mieber fytnauf. S)a fanb idj ben ganjen Körper beS

Traufen, ®cfid^t unb (Stirn Blau, bie 5lugen ftärr unb unBemegtidj. (£r

gaB fein Beiden oon 2lntfyeit unb £eBen. 23alb ftarB er.

£)ie ©tubierenben Beftatteten ilm. ($ngeu)arbt fyiett bie ©raBrebe in

ber @otte$aderfird)e. $d) unb SBt&fcert giengen als £eibtragenbe fyinter

bem ©arge. 3d? fcfyrieb am £age naefy bem £obe baS £rauergebidjt,

ba$ icfy mit (ümgelfyarbt fetBft in bie 3)rutferei Braute; el fonnte bor ber

SBeftattung an bie £f)eilnefymenben bertfetft merben.

%u&) tdj füfyte midj unmofyl. (Jongeftionen nad) ber 33ruft, SDcager^

teit , . 5Iu8murf , 53(utanbrang nad) bem £ofcf Becmgftigen midt>.

(künftige 2ln$eige ber neuen ®t;afelen in „5hmft unb 3tttertlj)um."

@oetfye fdfyreiBt fe^r freunbticfy, fcfyidt aber baS (Srembtar beS „^antoffel^"

jurüd , unb bittet ifym baö (BtM gebrudt mieber ju fenben; gegenwärtig

Page 265: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

245

fety er mit einem naturmiffenfcfyaftticfyen <pefte befd)äftigt, unb erft in einiger

3eit oerfammeften fidj toieber bie lieben @ebi(beten um um, mit benen er

bergleidfyen fettere ^robuctionen mefyr ju genießen a(S ju beurteilen pflege.

©inen fdnoebtfdjen ©rief bon bem in Berlin ftnbierenben greunb

$erneH3, (Sjögren, erhalten, bem tcfv über bie franffyeit £crnett3 getrieben

^atte , unb ber fommen mottte menn e$ nod) 3^tt märe. Q<fy metbete ben

Stob, unb fd;idte ein (Sremplar be£ £rauergebidjt£.

16.s2It>ri(. Wort) oor ferneÜS £obe mar ber „Berengar" augefangen.

(Sngetljarbt fyörte il)n juerft, unb urteilte baß fid) t)ter in Be^ug auf ben

„Pantoffel" ein $ortfd)ritt jeige, bie Befyanbtung fety leidster, eleganter,

ber (Stoff fomifcfyer, unb bie 2öortfm'e(e ntdfyt fo ^äufig. — $faff fanb

ba§ ber 3)idjter fidf> in §inficfyt feinet 2£i£e3 gebeffert fyahe.

©3 mürbe befdjtoffen btefeö Stüd mit bem „©(aferneu Pantoffel"

al$ „Scfyaufpiete. (Srfter Banb" brutfen ju faffen. v§etyber übernahm

ben Vertag, unb jat;tte eine Carolin für ben Bogen.

£)a §ofmann als ^ßrofeffor nadj £anb3lmt fam, baten midj bie

^reunbe für ben 2lbfd)ieb3abenb um ein @ebid)t, baS nad? einer bekannten

gelobte ju fingen nmre. ©0 entftanb ba^ ^ieb mit bem Refrain: „Wafy

befannter SDMobie."

2fttt SBt^ert einige 3^it in SQfttggenborf, bann am 1. Sftai auf bem

2Ba(burgi3berg. 2luf bem einfamen @ange bafyin in früfyfter Sftorgenftunbe

entftanb ber BerS:

„üeber bie SBaffer tarn ein 9?aim) h?ie Diebel,

Blütfyen vrimmelten auf belebten feigen,

ÜDttr entgegen ttefyte öom «Sonnenaufgang

^»eilige Äiifylung."

13. yjtai 3cfy \}C&t nun brei bramatifdje $(ane jiemüd) in mir

außgebitbet. £a3 erfte (Stüd foll jtoei oerflocfytene 9ftävd)en au3 ber 3eit

oon ^önig 2lrtu8 enthalten, baS streite bie ®efd)idjte bon 2Iucaffin unb

9?ico(ette — beibe au3 £egranb — ba$ britte ift ba3 äftarcfyen 00m

„fteinernen @aft," baS mid) am meiften anjiefyt. £)ie Bearbeitung

Sftoliere'S ift äußerft unbebeutenb, er fyatte feine Slfmung bon bem unge=

teuren (Sinn biefer C&efcfyidjte.

$tan einer Jperbftreife über (Sa^burg unb bie dauern naefy Benebig,

unb über Verona, 2Bä(fd)tirot unb ben Brenner roieber jurüd.

£)er trefjttcbe ^euerbad) ift arretirt unb nad) SDfttud^en gebracht morben.

Page 266: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

246

Wlit £>orfmmler , einem ^fyttoiogen , ber ficfy befonberS mit ©efdncfyte

Befc^äfttgt , unb ©cfyetting grünblid) ftubiert fyat, (Sngltfdj unb (Spanifcb

getrieben , nm ifym nad^ufyelfen. (§r erinnert micb met an ^öflinger , ber

ftdj aucfy t)au^tfäc^tic^ mit (Sprayen nnb ©efdn'djte befcfyäftigte.

28. Sftai. (£alberon§ Da una causa dos efectos unb Qual es mayor

perfeccion getefen. -od} madje mir über jebeS (Bind ein fteine§ $ocabu(ar

unbekannter SBörter.

Mit $ud;ta biet fcerfe^rt.

(Stn @artenfyau$ in ber ©olitübe gemietet, ba8 idj im 3uuiu8

bemolmen miü. £)ie Slante t>on §annober fdjicft fedjS £oui§bo'r, ba£

Honorar bon §efyber beträgt 154 fl; betbe§ ^Beiträge ^um 9faifege(b für

ben §erbft.

4. -SuttiuS. 3^ölf lieber unb ^äinämbmenS §arfe fürs $rauen=

tafcfyenbud) an ©cfyrag gefcfyicft.

8. -SuniuS. £>en Amadis de Gaule in ber franjöfifc^en Ueberfe^ung

ton be3 (SffarS getefen, unb ba fam ber @ebanfe iT^rt poetifdj in ber

©pencerftan^e $u berbeutfcfyen. (ginige ©tanken ftnb fcfyon getrieben.

18. SuniuS. 30ttt §ermann in £raft$I)of gufammengefommen. ©ein

@eift gewinnt immer mebr Umfang unb ©ebeutfamfeit.

13. 3uniu3. £)en @d)a^ beS S^ampfmit angefangen, gmei 2lcte

ftnb bereits fertig.

25. 3uniu3. £)er britte %ct fertig.

©cfyeEing tabett ba8 ©ebicfyt an ben Sftamterianer. (Sin £)tdjter

muffe, mie aucfy ©oetfye getfyan fyabe, ftcfy immer eine gemiffe Neigung

ju ermatten fucfyen. $faff fagte über baSfetbe ($ebid;t unb bie Zueignung

an (Stelling, burcfy ein fo ^erfönücfjeö §erüortreten be$ 3)icfyter3 merbe

bie bramatifdje Stenben^ gefäfyrbet, unb im ganzen fety ba§ publicum $u

fceräcfyt(id), um fid? gleichfam burdjftd;ttg toor baSfelbe ^iujuftellen.

29. -SunmS. Unbefyagticfyfeit. feine ^ufagenbe (StefeEfcfyaft. Steine

alteren ^reunbe, toie ^ßucfyta, finb t^etlö »erfyeiratfyet , unb anbere, rote

(Sngetfyarbt, leben gan^ einem beftimmten SBirhmgSfretö unb ©tubium.

-3d; bin nur glüdlid; menn idj ettoa® hervorbringen famt; fonft finbe id)

mtd? unfagtid; einfam. (Sin 3)td/ter, unb toenn er aud) ber größte märe,

bleibt bccfy immer ein gequältes 28efen, er kht nur für anbere, unb fyat

am (Snbe feinen 3>auf bafür, unb feine $tit gefyt erft an menn er nicfyt

mefyr kU, benn erft bann ftel/t er oolleubet fcor ben klugen ber SBett.

Page 267: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

247

£ieBig fdjreiBt mir ba§ er a. o. ^ßrofeffor ber Cremte in (biegen

getoorben.

3. -Mut«. S)en ©d)a^ be8 ^ampfinit glücflicfy ju Qmbe gebraut.

(Sr fol nun einige 3eit liegen Bleiben , bann bttrd;gefefyen unb aBgefcfyrieBen

ioerben. (Sin Urzeit barüBer fyaBe id) ncdj mdjt. 3)ocfy toufjte ic^r

toa$

Bei biefem (Stoffe ferner mar, tote eS Beim £uftjpie{ überhaupt fdjtoer ift,

in bie tefete ©cene beS fünften 2Icte3 nodj ein getoiffe$ SßatfyoS jn legen,

tooburdj baS ©an^e auf eine mürbige SBetfe föltefjt, mietoobt ber ©djtufj

be$ „@läfernen Pantoffels" bocfy immer pitanter ift.

3)er Prolog gegen SBagner.

17. 3utiu$. t)en „Sfljampfimt" im garmontefaale oorgetefen. (£ngel=

fyarbt meinte, Bier babe ficfy erft mein bramatifdjeS Stalent nadj aßen

©eiten fyin euttoicfelt 3Me (Srpofttton fefy oortrefflidj. £)er (Sinjug be8

^ßrinjen im erften Stet ein fefyr fomifcfyer SÄomeut, bie ©cene ber Beiben

23rüber im ©djategemölBe, ber ^olttbamne mit ifyrem ©olm tieferfcfyütternb,

eBenfo bie Sftebe ber 3)iora im fünften 2lct. £)ie SBädjterfcene , bie audj

$faff ©fyaffpearifdj nannte, fety ein Sfteifterftüd: im ^omifcfyen. $ud)ta

Benmnberte Befonberö ben (Sfyarafter beS ©etfyon, ber mit wenigen $infet=

ftricfyen fo groß gewidmet fety, unb ba3 9)cotto ber gamittenc^rc , ba£

allein bie testen ©cenen bc§ britten Stets entfd)ulbigeu fönnte, eBenfo

tote ber ©fyarafter beS @raf gleicfy im Monolog be3 erften 2lct3 entioorfen

fety, um alles Slnftögige $u entfernen.

20. 3uliu3. @d)etfing fagte : ein ©ramattfer ber baS SöH Einreißen

tootte, muffe Partei nehmen toenn er anregen motte, unb ber GEonflict be$

$atl;olici3mu3 unb $reteftantigmu3 mürbe iuqu fefyr paffenb feint. G?r

fd)(ug als einen glüdlicfyen ©toff ben 5lu$jug ber ©a(jBurger oor. UeBer

bie oenetianifd^en WMex Bemerfte ©djelling, ba§ er eigentlid) erft in ber

©atterte be§ 9$icefönta3 toabre £ijiane, ©torgione, ©ian 23etlin$ gefe^en,

unb fidj überzeugt fyabe ba§ bieg bie eigentlichen SDiater aller SQtaler feöen.

Ofyre färben fyätten eine foldje Realität, bag man glauBe fte müßten

organifd; gemacfyfen feint.

25. 3ulm3 eine ©fyafele in 9Jcö^renborf. (Sinen furjen ©prudj aus

gafte für Vtvfyt gefugt, ben fid> berfelBe auf ein $etfdjaft ftec^en laffen toiU,

29. -Öuliu^ in DcüruBerg. germann tabelte bie ©teile be$ „^^ampftnit"

mit ben Käufen. -3c^ entgegnete, fie liege im GEbarafter ber 25arintffa, bie

fid) öfter in einer älwlicfyen Ungezogenheit gefalle, ©ine getoiffe profaifc^e

Page 268: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

248

Realität, bie ftdt) bei ben meiften 2öeibem bloß in ©parfamfeit unb

§au3l>attnng3tugenb ^eige, fety bei ifyr big jum ©pott, jur Ironie

gefteigert.

5. 5luguft. 23rief ton ^teBtg, ber eine uidjt fdnneidjelljafte GEbarafteriftif

»on mir aus meinen ©Triften entwirft. 23efonber3 mirft er mir baS

2£anfYlmütl)ige meiner ©emüttygart cor.

äftefyrere ©tütfe Oon (Solboni gelefen, ber italienifcfyen UmgangStyradie

wegen. -3m Anfang fam mir ©olboni nnbebentenb oor; aümältfid) ^tefyt

er mid) an, unb idfy ftetle ifm Jjoc^ über $o£ebue.

8. 2lugufi $tan eines £iebfyabertfyeater8 ton ©tubierenben $u 3luf=

füfyrung ctaffifdjer ©tütfe.

14. 2luguft. §ermann toünfd^te (Siu^etljeiten im „9ft?am»ftnit" oer=

beffert, unb berief ftcf> auf bag Urtfyeit (SngetfiarbtS , ber ftd) meiner

annahm, unb in einem Briefe an §ermann bie angefochtenen ©teilen

aU organifd) in ba£ (Sänge oertooben nad^toieg, unb einige 9fti§oerftänbniffe

aufgärte, ^ermann antwortete barauf fefyr geiftreidj, ernannte an ba§

icfy im 2tyrtfd)en fd)on StreffttcbeS geleiftet fyabt, unb ba§ mein ^weites

3)rama fd)on eine ©anje ©tufe fyö'ljer als baS erfte fte^e ; um fo mefyr aber

toünfdje er bie f(einen ©limmerblättdjen entfernt, bie nod) bie allerbingS

organtfcfye 23ilbung biefer gelbfpatljhtyftalte oerbunfetn zc.

^ugger fanbte bie Gtompofitton be3 2iebS ber £>tora (5lct V), unb

$uct)ta fang fie gleid).

2ftit £>ötlinger werben nodj Briefe geWedjfelt.

14. 5luguft. iBrtef oon £iebig.

19. 5luguft. Oh meinem ©artenfyaufe wirb eingebrochen, wenig

gefunben.

3f« ber legten 3^it befdjäftigten mid) bort befonberS bie Nibelungen,

tk td) jnm erftenmal in ber Urfdjrtft oon Anfang ^u (Snbe las. 33ieüeic^t

finbe id) nad) meiner Sftütffefyr ßüt meine ©ebanfen über btefeö außer*

orbentltcfye beutfdfye ©ebid)t mitzuteilen.

21. 2luguft. £)ie Steife uadj SSenebig angetreten.

3)ie „2fyfyori3men," befonberS über bramatifdje $unft ooHenbet.

lieber §ersbrutf, ©nl^bact), 31mberg nad) Sftegenöburg > wo ©ruber

befugt, nacfy £anb8lmt, too mit früheren ^reunben oerfefyrt mürbe, nadj

ealjburg, ^allein, Werfen, ^abftabt, $tdadt), ©örj nad) trieft.

3)te geologifcfyen ©tubien bei Schubert Ratten mir ein grofH -Sntereffe

Page 269: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

249

für (Geologie eingeflößt; tdj Beobachtete mit größter Stufmerffamfeit alle

Betreffenben SBorfommenfyeiten.

3n trieft trat mir juerft ein Sind Statten entgegen. <Sd?on uor

9Jconfatcone §etgt fid) ein (Streifen be§ 9D?eer§ ; bom efyebem f>er§ogticfyen

(Schlöffe bort aus fat) idj weiter üBer baS SD^eer, üBer bem ber 2)unft

beS Reißen £ageS tag; erft bon Dbfduna fyer fielet man eS ftdj m feiner

gongen $radjt •ausbreiten. So fafy idj e8, jnerft in feiner tiefften (Stille,

burefy fein £üftcfyen Belegt. 2)ie 2lBenbfonne , bie fyinter einer Tinten 2öoI!e

ftanb, toorf einen Blenbenb beißen Sdjein üBer baSfelBe. -3n ben Motten

©äffen ju trieft fiel mir juerft bie bem $tima gemäße £racfyt ber dauern

auf; ber Stritt mit bem ungemein Breiten Sftanbe, bie 3ade mit tt)ren

2lcrmeln üBer bie <Sdmtter gelängt, bie fur^e §ofe ungeBunben um bie

$niee fcfytotternb. -Sd) ftieg in ber Locanda grande aB, bie auf ber einen

(Seite nad) ber Piazza grande, auf ber anbern nadj bem §afen mit ber

$lu$fidjt auf bog Qfteer gef)t , unb Babete fogteid) auf bem Soglio di

Nettuno, einem bortrefflid) eingerichteten 23abefcfyiff. ^ftacfy bem SBobe faß

icfy auf bem S5erbecf. 2)er SJconb ftanb Bereits üBer bem $a(aft beS

§ierontmmS 23onabarte, unb bon ©üben lj>er fam ein aBtbed;felubeS

SBetterleudjten. 2öetd) eine Sftegfamfeit beS SkBenS entfaltet ein fotcfyer

2lbenb in trieft! 35ie elegante Bauart ber ©tobt, bie SBörfe, baS Sweater

unb Imnbert anbere fcfyöne ©ebäube, bie bieten großen Ptr|e, bie prächtig

erleuchteten ^affeefyäufer, baS Bequeme Duaberpftafter , baS £fyor nadj

bem §afen 31t, beS barin befinbtidfyen 9Jcuttergotte3bitbe3 megen taufenbfacfy

ttlumtutrt, unb bon Setern Befugt, ber §afen fetbft mit Ollen feinen

(Sdnffen, auf benen einfame Sidjter Brennen, ber Canal grande, beffen

Sttaften ftcf> mitten unter ben §äufern bon trieft ergeben, bie mannicfy=

faltigen brachten berfdjiebener Nationen ,jumat ber ©rieben unb Armenier,

ber Dbftmarft mit feinen SDcetonenrorBen unb Drangenptyramiben , neBen

benen überall Stdjter unb Rampen brennen, bie SSolfSmengc enblidj, bie

ftcfy burd) olle ©äffen toä'ljt , imponiren bem fremben 5lnfömmling überaus.

-3n bem prächtigen Str;eater fafy idj eine unter aller ^rttif langweilige

©fyarafterfemöbic : Le gelosie di Zelinda e Lindora; boefy lernte icfy

einige italienifdje trafen, unb Behmnberte bie fyerrlicfyen SDecorationen.

3n einem Sudjlaben erfuhr icb baß ber Carmagnola bon SDtonjont

berboten fety.

2lra 7. September SlbenbS 9 Ul;r fufyr icfy fco« trieft ab f Beim

Page 270: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fdjb'nften Sttonblidjt. (Sine große $olf3menge nmr auf bem Molo di San

Carlo oerfammelt. £>er 3)ampf toefyte in bieten Söolfen über imfer

©djtff , beffen Sauber lange regelmäßige gurdjen in ber glutlj jurücfließen.

2>er (Sonnenaufgang war fd)ö'n, tote e$ bie geftirnte 9Zact)t toar.

£)a8 erfte 2lnlanben unfereS £)ampfboot§ an ber Piazzetta toar

impofant genug. 3)te SluSficfyt auf bie ©eufjerbrüde unb bie fcfyb'ne SBrütfe

oor ü)r, auf ben Palazzo ducale, auf bie beiben Säulen ber Piazzetta,

fotoie auf ben je^igen Palazzo reale mit feinen (Härten ift fein geringer

SBorfdmtacf bon Sknebig. $ty gieng über ben 9ftarcuöpta£ , aber nod)

ben Sd)toinbet be$ <Bdjtffe8 im $opf , unb trat im Pellegrino ah, einem

©aftfyof ber auf einer 9?ebenoertiefung be§ 9Jtorcu8 liegt, tteldje Piazza

dei leoni toegen ber bort aufgeftettten £btoen fyeißt. Steine $enfter gelten

auf bie 3Jcerceria.

3)a man ba3 $rüt)ftücf auger bem §aufe nehmen muß, fo gefye icfy

immer auf ben SttarcuS in ba3 $affeel>aug Antonio Sutil, unter ben

neuen ^rocurajien, ba§ v§ au$ be8 $lbenb3 am meiften befinde. (§3

fommen biete Sftobili fyin; S)amen finb befonberö au (Sonntagen in

9#enge ba.

9^ fam an einem Feiertage fyier an, unb lonnte alfo fogleid} bie

flaggen ber brei fonftigen Königreiche (ßtyptxix, (£anbia, Sftorea) auf bem

9#arcuSpla£e toefyeu fefyen. ©egemoärtig finb fie mit ben öfterreidjifcfyen

färben becorirt.

5lm 14. September mit einem puffen unb mehreren ©eutfcfyen in

ber Accademia delle belle arti, too unS allen erft bie gan^e ©forte ber

oenetianifdjen Sdmte l'lar tourbe. 5lm 15. mit benfelben nacfy <St. ©iulian,

too ein I;errtid)eö öilbtoerf oon ©irclamo dampagna mict) tägttd> tünjog.

@8 ift, über bem Seitenattar jur £iufen, ein fd)tafenber (£fyriftu3 oon

3*oei Engeln unterftü^t. ©er eine fyat ilm bei ber £>anb gefaßt, ber

anbere fyält bie §anb unter, toorauf ber §eilanb fein §aupt gelegt tyat

5Iuf feinem 2lngcftd)te toolmt bie tieffte, innigfte 9frtfye, toäfyrenb ba§

ber (Snget fcon ©d^mers um ilm oer^ogen ift. 3)er dfyriftugfopf ift ganj

unb gar (£t)riftuS, toeiter läßt fid) ntc^tö fagen. 3dj loerbe nidjt fatt

btefeö 33tlb 31t fefyen, e3 allem loäre fätng mid) für immer in $enebig

feftjufyatten.

3n S. Maria formosa ein fbTtüd)e$ 53ilb beS älteren ^atma, bie

fyeil. Barbara, ba$ fd;önfte toa§ id) in bem bilberreicfyen 55enebig oon

Page 271: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

251

btefem fo fruchtbaren Mater bt$ jefct gefehlt fyabt. @o and) niedreres

©cfyöne oon Vhxtrini, ben td) aucfc) Bier erft lernten lernte.

-3m §aufe §etnjelmann (£anoba'3 §ebe, eine jierttdje ©eftatt, bie

man mit angenehmem (Srftannen betrachtet.

£)er $a(aft ©rimani fcerfdjItejH eine Sfteifye oon fronen Slnttfeit. (Sine

faum ^toei ©djufy fyo^e $igur, töte e3 fct)eint eineg ©olbaten, 30g mict)

befonberS an, beffen SÖaffenlleibungen anf einem kannte Rängen , unb

ber, oortoärtö fdjreitenb, (einen §e(m an einem @tocf auf ber ©dmtter

trägt — unter ben ©emälben $n>et Marien ton ©tan 23eUin. £)er gan^e

$a(aft ift ein toafyrcr £emfcet ber $unft , nicfytö ift ftörenb unb toröfaifcf,

bie ${afoub§ ftnb metff gematt, ober fonft, jum %fydl oon ©anfooin unb

©iooanni ba llbine, ber^iert, ber 33oben bon bem fyerrticfyften benettanifdjen

^flafier, in oerfcfyiebenen garten unb Variationen, bie Xifdje oon fdjönem

Marmor unb eingelegter Arbeit.

S. Giovanni e Paolo ift eine au ©d)äf3eu ber tunft unbefct)reib(idj

reiche JlHrdje, bie in Bt^antinifcfyem ^ifyte gebaut ift, unb in ber man

aucfy, in Venebig [0 (etteue, ©ta^matereien finbei STuSgejeidmet unter

ben oielen ©rabmätern ba§ be$ Slubrea Venbramtn , unb ba3 be# £eonarbo

£oreban. ®ie meiftertyafte ©tatue beS teueren in ft^enber Stellung ift

bon (£ambagna. Unter ben ©emälben ba$ unoerg(eid)licfye S3i(b bon ©tau

23eüin, bie Mutter ©otte§ mit bem it;r auf bem ©djooße ftefyenben,

unenbücfy Iiebtid)ett -Sefusfnaben , unb einige fettige um fie fyer; bann

STijian^ <§. ^etruS Marter. Sbte oon ^aftabio gebaute $ircr>e San

Giorgio 30g mtdj nicbt befonberS an.

9racfc>bem icfy mit meinen Begleitern bieg atfe$ gefefyen, matten toir

noch bie gro§e £our auf bem Canal grande, unb tdj erfreute midj

abermals, toie |d;ou öfters, an bem 2lnb(td ber prächtigen $aläfte gu

beiben ©eiten. 3)a ftnb bie fyerrttcfyen uod) gang in btyjanttnifd^arabifcfyem

©efdnnatf gebauten (Saoalti, Pfant unb (Labore mit einer $üHe bon

Äunfttnerfen. (5inen bebeutenben liebergang jur moberneu fe be3 $attabio

fcfyeint mir ber Palazzo Vendramin oon petio £ombarbo bor aüen

behmnberngnmrbig ju bilben. 21(3 ber etnfacf>fte ber mobernen (Sdmte

erfd)etnt mir ber Palazzo Manin oon ©anfooiuo.

Qn ber $ird)e Gli Scalzi beftnbet ftd) fytnter bem §aupta(tar ein

deines Muttergottcöbtlb oon ©ian Bettm, bon unbefcbretbtidjer l'iebücfyfeit.

Page 272: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

252

Qä) fafy eS fjexite <mm brittenmat, unb if*m »erbanfe icfy meine Sefauntfdjaft

mit bem göttlichen @ian Seltin.

16. ©e^temkr. £)ie ©emä'lbegatterie im $alaft 2ftanfrin. Son

^ßerugino, ben id? fyier fennen (ernte, ftnb gtoei foftbare Silber ba, eine

gußroafdmng bei* Sipoftef, nod; etnjag ptetf, aber biefen (J^rtftuöfo^f

vergißt man niemals. Son 3)ürer eine ©eburt £(;rifti, überaus nah)

nnb finbtid) ; oon San 2)fyf ein Keinem alberneS SMbcfyen , mit einem 2lpfet

in ber §anb, bie brctligfte gigur bie man fidj benfen fann. SefonberS

an^ietjenb maren mir nodj jtoei große ©tücfe oon @iutio Romano, ein

2lbfd)ieb beS 2ltoni3 unb eine dirce, bie bem Utyß bie ©cbale überreicht.

@S ift eine unbefdjreibtid)e 2£afyrljeit unb ©cfyonfyeit ber 2lusfüln'ung in

tiefen Silbern. 2lud) einen Qümabue unb einen @iotto ju fe^en toar mir

äugerft fd>ä£bar.

Qm $ataft ^ßifant fprad? micfy juerft ein Silb ton $aoto Seronefe

ittuerlict) an, bie Familie be§ £>ariu3 <m ben ^üßen 3lleranber3. $rül)er

fyatte tiefer ^Dealer feine Söirrung auf mein ©emütt) geübt.

(Sin f>err(id)e§ Silb oon ©iau SeUin in S. Pietro e Paolo $u

9#urano. %lk fyat fid) ein analer fo fefyr auf bie färben oerftanben.

Seine Sitter oerratfyen feine &pux eineS allmäl)tid)en (SntftefyenS , aucfy bd

näherem ^injutreteu oerratl) fid) fein fatfd^er (Schimmer ber ©elfarben.

2)ie 2)carcu3fird)e ift, mie Senebig felbft, ein foloffateS £abürinu),

e3 ift bei einem fürjeren ^lufentfyatt in Senebig unmöglich jtdj einen

richtigen Segriff ton ifyrer Sauart urb oon ben (ginjelnl^eiten ju oerfcfyaffen

bie flc oerfcbließt.

-3n Detentore, bem fd'önften Söerfes

$attabio'3 , befinbet fid? ba3

9tteifterftücf ©ian SetlinS, 2)caria jtfct auf einem £fyron mit gefalteten

§anben, auf ifyrem ©cfyooße liegt, baS §auot auf einem ^elfter, ba#

nacfte, fd)(afenbe Sfyrtftugfinb. 5luf ben ©rufen fi£en jtoei Qnigelfnaben,

einer ernft , ber anbere fd^alft[cf> unfdmlbtg , toetd'e beibe ©uitarre Rieten.

3tri|"d*en ifmen liegen einige ^rücfyte , unb oben aitf einem rotben Solange

hinter bem Xfyron fiefyt man einen <Sttegti§. 3)ie Slnmutl) biefeS Silben

ift unbefcfyreiMid'.

Sit ©. 3<*ccaria $®ei Silber Oon Setliu , auf bem größeren fi£t bie

2)cutter ©otteS auf einem £fyron, t>ter §eilige um fie fyer, baS $inb

ftefyenb auf ifyrem ©d)oo§e, ein (Snget mit ber ©eige ju i^ren §ü§em

Seüin liebt feine großen f>tftorifct)en 3)arftellungen, ber ®xti$ in toeld^em

Page 273: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

253

er ficfy betoegt ift eng, aber er ift ganj beffcn Sfteifter, unb fteUt ünt

taufenbfacfy oartirt unb immer erfinberifd) bar.

18. September auf bem 2öege nacfy ©. ^oren^o, um bcrt frönen

großen Slltar oon CEampagna ju fefyen, einen gran^ofen getroffen, ben

ity anfangt für einen Italiener fytett, unb ber mtd) anrebete um Sluffcfyluß

über ein 23ttb ju ermatten, beffen Sfteifter idj audj ntdjt nennen fonnte.

3dj tub ü)n ein nadj ber $trdje Francesco della vigna ju fommen,

tootym id} eben gefyen toottte. -3m @efpräd) gab eS fidj baß er bereits

ein Satyr in -Italien reife, unb früher fidj eben fo lang in 3)eutf($fenb

aufgehalten tjaht. (Sr fpracfy ettoaS 3)eutfcfy , jroar unbefyütflicfy , aber mit

bem £on etueS @ebitbeten. 9?acfybem mir einige $ird)en befugt, nahmen

mir au ber Piazzetta eine @onbel unb fuhren nacfy ber 5lfabemie, bie

man mctjt oft genug befugen fann. §ier tritt alles jurücf bor bem

großen Sijian. Sein -3ol)anneS ber Käufer, feine SBorfteHung ber Keinen

Sttaria im Tempel, unb enblidj feine §immelfat?rt Ovaria entfalten feine

ganje Jhraft, bie ganje Stärfe feine« (Kolorits. S)er ^ran^ofe mar nicfyt

abgeneigt jujugefteijen baß felbft 9£apfyaef neben S^ianS Himmelfahrt

berlieren müßte.

19. (September. <£)aS fd;önfte SBerf in S. Maria Grloriosa ai Frari unb

eine« ber größten in $enebig überhaupt ift baS ©rabmat beS 5)oge 9?iccolo

£rono, geftorben 1472. 9?ie ift bielleidjt bie flippe antifer SDcanierirtfyeit

fo glücflidj umgangen morben als fyier. 2tber bieß ift fein Söerf einige

Minuten babor ^u oertoeilen; eS berbient bis ins fteinfte feiner ©injel*

Reiten toerfotgt ju merben , benn olme $)®ttfet entfpricfyt aucfy baS (Sinjetne

ber ®röße beS ^ebanfenS. Ueberfyaupt ift biefe Ätrdje fo reidj an

funfttoerfen , baß man faum bie §ätfte babon betrachten, gefdjmeige

barüber fpredjeu fann; unb fo ift eS in SBenebig felbft im allgemeinen.

(Sin 2lufenthalt bon 14 Sagen ift ein Strogen im £)cean.

24. (September. (Seit acfyt Sagen Äomöbie, bie im Sweater S.

SBenebetto fptett. Sie gaben nur bie atlerfcfytecfyteften Stücfe; jmei Scfyau=

fpieter, Ü5e üftarmt unb 9?eftri, aber ließen in ifyrer 2lrt nichts $u

toünfdjen übrig.

*3n ber 9?acbt oom 21. jum 22. September einen beftigen (£fyoterine=

anfall. Dr. 25aum, einer ber bisherigen ©efäfyrten auf ben Touren in

SSenebig , füllte bie Sc^mer^en burdj §erborrufung eines ftarfen ScfymeißeS

bermittetft Auflegung eines §aufenS mollener £)ecfen. £)te SBirtfyin uub

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bie betben (Eameriere betoiefen oiele £fyeitnafyme. ÜDie eine ber (enteren

machte bie gan^e -ftadljt, unb bie lebhaften SSetleibSbe^eugungen biefer

SBenetianerinnen , bie einen angenehmen £)iateft mit oieler ©rajic »er*

binben, Ratten micfy erweitern muffen, menn mein Buftanb nicfyt unleibücfy

gerne] en märe. £)odj mürbe am 23. fdmn (S. ä^cc^ta Befugt, nm ben

fdjönen ®tcm 58eÜin mieber $u fefyen, nnb am 24. mar id) anf bem

9ftatto, in (S. ©tuttan nnb oor bem Slrfenal, nm bie antifen £ött)en

nocfy einmal jn betrauten.

Sftetn beftänbiger Umgang ift ber granjofe, ber ungemein oiel ©etft

fceftfct. ©ein (Sinflug auf rnicfy ift bebeutenb. (Sr ift aucfy ber Meinung ba§

bie Sßoefie immer mefyr in§ (Sinfen gerätfy , nnb immer mefyr ein ©egenftanb

be§ £uruS al$ eine <Sadje beS SSoffg mirb. £)arum gefdjetye e3 benn

aucfy baß ben neueren ©intern bie ^ßoefie gar nidjt mebr genügen motte,

nnb fie ftdj in heterogene (Gebiete §u merfen fucfyen, mie ba8 bei ©oetfye

unb ©filier ber gatt fety. 3)te 2Beft fei) ernfter getoorben, nnb bie

$oefie t)aU aufgehört ba$ inteßectueHe £eben ber SBölfer jn feön. Sftur

bie ©rieben Ratten ba§ (Schone rein olme SBetmifdmng aufgefaßt, unb in

ber neueren $eit bie granjofen. 3ebe Jftmftfdmte fyaht eüoaS an ficfy toa8

blo§ conoentioneH unb factice fety, fo andj fetfcjt Bei ben ©rieben.

£>a3 Sätaittx £ubmig$ XIV. fety feljr geeignet für eine fyotye (SntmicfTung

ber $oefie, befonberS ber bramatifcfyen gemefen, meil e8 auf ber einen

(Seite einen bebeutenben ®rab oon Sßilbung befeffen, unb auf ber anbern

bie religöfe Ueber^eugung nocfy ntcfyt berloren gehabt l)abe. (Sfyaffpeare

unb ©oetfye fernen mefyr at$ ©testet gemefen, unb Ratten ber $oefte

frembartige (Elemente beigemifcfyt. 2Bir oertieren un$ barüber in unenbticfye

Debatten. Oft auefy laff id)" mid) bto§ bon ifym beeren, gumat memt

er bon -Stauen unb ben -Statienern fpridfyt, bie er eigentlich ftubiert fyat

2)abei tyricfyt er febr fcfyön, mie bie meiften • gebilbeten granjofen, unb

toaS er fagt mimmelt oon geiftreicfyen ^Bemerkungen.

25. (September, ©etoöfynlicb, bei <Sutil gefrütyftücft.

27. (September. (Sin ©onbolier bot fiefy an gute (Sänger 51t beforgen,

menu mir ben £affo Ijören moHten. ©eftern 2lbenb3 fyörten mir bem

©efang ber SDcäocfyen in ber ^irct)e £a $ietä $u, eine alte Stiftung

93enebig3.

3n (Salbatore eine 35erfünbigung oon £i^ian, anf bie ify früher gar

nicfyt Slcfet gegeben. — 2)urcfy bie 2ttercerien auf ben fRialto gefye icfy nun

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faft jeben borgen, unb finbe mid) nun in ben befudjteften fetten ber

©tabt jtemtidj ^uredjt.

£)ie ©djule bon @. 9?occo bietet an ©emätben ntd)t« al« £intoretto«

bar, aber al« ®ebäube gehört fie ju bem ©d)önften toa« $enebig Beftfct.

£)iefe fyerrlidjen ©äle, treppen, Säulen, ©elänber, ^ußbcben, alle«

Dorn föftltdjften Marmor unb fcon äfteifterfyänben aufgeführt, Bitben einen

toürbigen Tempel ber $unft.

£)ie 5lu«ftd)t bom platten 2)ad)e t>on €>.. äftarco auf bie pa^etta

unb bie Lagune.

28. (September. 3d) toetß ben fonberbaren .ßitffrmb nid)t ju befiniren

in bem id) mid) beftnbe. SSenebig $teljt mid) an, ja e« Ijat mid) mein

gan^e« früheres £eben unb treiben bergeffen iaffen , fo baß id| mid) in einer

©egentoart ofyne Vergangenheit befinbe. 2)enncd) bin td) gelungen biefe

neue SBelt, über bereu @rän§en id) nidjt I)inau«bttden mag, in wenigen

Sagen $u bertaffen. 3d) füfyte eine unenbttdje Sxägfyett mid) bom $(a£

ju betoegen , unb bodj empfinbe id) auf ber anbern Seite tote toenig Statten

bie §etmatl) eine« £)eutjd)en febn tonne , toie gleid)fam feine ganje 9?atur

ftd) änbere, unb toie gebanfento« er fid) fetbft in biefer ^ßeriobe feine«

£eben« oorfomme. $ludj bie poetifd)e Slber fdjeint gänjtidj berfiegt ju

feiert; nur eine flehte Sfteifye, jum £t)eil nod) unbottenbeter, Sonette ift

entftanben, bie fid) ganj auf SBenebtg begießen.

5)em granjofen, bem td) ben Sd)a§ be« ^ampftnit borla«, fommt

biefe« Stüd al« eine caprice fantastique bor — er berefyrt ja in

dotiere ba« -3beat eine« $omöbtenbid)ter«. 3)te $rtttf be« granjofen

berftimmte mid); ein SDidjter toirb am befteu tt)un niemanben al« feine

£anb«teute ju confultiren, für bie allein er bodj fcfrreibt. Uebrtgen« ift

mir ber Sd)a£ be« Sftfyampfinit fc^ort längere ßdt gleichgültig getoorben;

bie genfer bie er im (Stnjetnen Ijat, fyabe ify immer gefüllt, o^ue fie

berbeffern $u lönnen, ba fie ju fefyr mit bem ©anjen bertoacbfen finb.

2)a« befte toürbe fer>n ein neue« beffere« Stücf ju fdjreiben, tooju idj

aber nidjt ben minbeften Srieb füljle.

28. September. -3n ber Opera buffa im Sweater S. Suca. 9)Zan

gab bie Oper (Hotitbe. 3d) unterhielt mid) toett beffer at« in ben

toeinertid)en $omöbieu, toobon eine immer alberner ift al« bie anbere.

äfttt bem ^ranjofeu über ©033t gefprodjen; er behauptete baß id)

biefen in -Italien fo toenig gefdja'fcten unb gar rndjt getefenen 3)idjter

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Mog nact) bem Urtr)eil be£ ©Riegel fo r)od) fteüte; ict) ^atte genug, unb

entfernte miä) ton it)m mit bem 33orfa£e, bie grattjofen fjranjofett fetm

ju laffen unb [einen Umgang §u oermeiben.

£>a8 erfte ©tütf oon ©olboni gefet/en: II poeta fanatico, roo möglich

ba3 fct)Iecr/tefte roaS er je gemalt ipt, 2)oct) bemerfte ict), ba in bem

©tütf eine Stenge ©onette, ©tanken unb anbere @ebicr)te oorfommen,

bag fid) ba3 $uB(icum auf baS (Sonett unb älmlicfye formen fer)r gut

oerftefyt

Sn S. Maria assunta dei Gesuiti ba3 Sftartr/rtr/um be§ ^eiligen

£orenzo oon Sizian gefeiten; biefeS 25i(b fdjehtt fiel) mir an bie fyerrtict/ften

33i(bungen biefeS iOleifterS anzureihen.

3n S. Maria delF Orto @emä(be Oon Sintoretto , Otefteidjt bie beften

bie er je gemalt r)at. (Sin SSitb oon Qtima ba Gumegliano , Sofyamtä

ber Säufer mit anbern Speiligen in einem zertrümmerten fyeibnifdjen Semmel

oerfammett, ausgezeichnet Unter ber £)rge( eine ÜJtobomta mit bem

Ätnbe, ba3 man bem @ian 23eEin jufdjreifct, ber ficf> beSfetben roenigftenS

ntdjt zu fdjäntett t)ätte. 2)oct) ift baS ©eftc^t ber äftutter roeit fanfter aß

an ben Sttabonnen be3 SBettin.

3n ber ^trc^e ©. 9Jkvä(ian SizianS SobiaS mit bem (Sngel, ein

©emätbe, oor roelcfyem man Sage lang oerroeilen fönnte, unb baS ben

(Stemmet ber 9fteifterfd)aft an ftdj trägt.

3)em r)errlict)en: ptlaft pfani meine ganze (§r)rfurci)t abermals bezeigt.

30. (September. Sin populäres ©ebicf/t : „La rotta di Roncisvalle"

in ©tanzen gerauft.

S)tc ©emätbe im Palazzo ducale finb Oon einer folgen äfteifter*

fct)aft, bag felbft bie roeniger gearteten SCRetfter t)ier in einem neuen

Stdjt erfcfyeinen.

Ott ber Sala delle quattro porte ift ein grogeS, gefta(tenreict)eS

53ilb oon Sizian, baS La Fede oorftellt, ju beren gttgen ber 2>oge

Antonio ©rimani fniet.

Huf bem Sfticftoege liegen rotr un$ nact) bem Ponte de' sospiri

führen, burci) beffen äftauergitter ^atlabio'S $irct)e auf ber 3nfet ©.

©iorgio einem gerabe entgegen(eucr)tet.

1. £)ctober. Slbermat bie reichte ftrcf/e $enebig$, S. Giovanni e

Paolo gefefyen. gaft bie langfte ßdt ftanb ict) oor £ijtan8 S. Pietro

Page 277: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

257

Martire. £>ie $raft oon BMcaiQ $infe(, bie <Stärfe feiner $arbe fcffclt

unwiberfteljtidj.

(5inige 33otf3(ieber gefauft.

4. Dctober. 23or einigen Sagen ben ^ranjofen lieber gefefyen, unb

feitbem wieber biet mit t^rn jufammen; aber icfy §iefye weit ben Umgang

ber -Statiener bor, beren Unbefangenheit fo tieben§würbig ift. £>ie 9?obi(i

finb ooft oon ^einfyeit unb juoorrommenber Slrtigfeii (gg ift nidjt fcfywer

Söeramttfcfyaft mit ifynen aitjufctfipfett ; nur leiber mu§ tdj SBenebig oertaffen,

ba ;tdj nun gerabe Gelegenheit finbe midj mit ben äftenfcfyen berannt

5U machen, inbem tcfy ei btöfyer nur mit ben Söitbern unb ®ebäuben

War. S)tcfc oomer)men SSenetianer wiberfpred)en niemals, fte ftnb ooll

9tü(fftcf>t für bie Meinungen ber anbern, unb fprecfyen tt)re eigene wenig

ober niemals au& £)abei finb fte ^er^üct) gegen einanber, unb mefyr ober

weniger fröfyftcfye 2ftügiggä'nger. -3r)re 5lrt fict) ju begrüßen ic, fowie

au$ be§ gemeinen SBotfeS, fyat etwas fefyr 23ünbige3, unb bat)er oon

unferen Gebrauten fefyr SBerfdjiebeneS, fo ba§ i(fy auf biefen $unft meine

3lufmerffamfeit oor^üglict; gerietet fyabe. Padrone ober Padroni ift baS

einige 2Bort )®a% ein SBtrtt) ober JMner fagt, wenn ein ®aft ober @äfte

in fein <pau3 treten. 2)aSfelbe fagt ein (£ameriere ober 23ottegr)a, wenn

er gerufen wirb, ober er fagt imperatwifdj : commandi! ^reunbe bie

ftdr) auf ber ©trage begegnen fagen Addio ober aud) Evviva! (So fagt

man aud? buon giorno, tok hä unS. @rü§t ber eine mit Servo, fo

antwortet ber anbere mit Padrone! 2ßenn man t)ter nad) bem 2Öeg

fragt, )na$ fo fyäufig gefcfyier)t, unb banft bem 23efct)etbgebenben mit

Grazie! fo erwiebert er fonberbar genug: Benedetto!

Qn S. Maria de1

miracoli finben fidj jwei Statuen oon (£amt>agna,

©. ^ranceSco unb ©. (Sfyiara, bie ju feinen beften gehören.

3. Dctober. S5or bem Sweater nahmen wir, ber gran^ofe unb icfy,

einen @onbotier ber un$ feinen ©efang angerüt)mt batte, tiefen unS

um bie 3nfet @. (Giorgio herumfahren, unb einiget auS bem £affo

fingen, (Sr fang unter anberm : Intanto Erminia fra le ombrose piante,

fobann ben £ob ber (£(orinbe :c. 5lber nie fyabe idj eine rauhere, gräfc

liefere (Stimme unb einen abfd)eu(ict)eren ©efang gehört. SDtefc $unft

fdjeint unter ben SBarcarolen oöttig auSgeftorben. 2öir tiefen tlm noct)

La biondina in G-ondoletta fingen; boefy war eS um nidjtS beffer.

9ß taten 3 $age6uci>. 17

Page 278: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

258

SJafcet oerftümmette er ben £ert, unb bie Sprache mar fo corrupt, baß

man fte meber italienifd? nodj oenetianifd) nennen tonnte.

3m oenetianifcfyen £>ialeft Ijabe tdj mir ein größeres f<$er$afte8

®ebtdfyt, ben Scaramuzza ocn SBaba, gefauft.

3n ber SSibtiotfyef ließ tefy mir bte oerfifcfyen Sttanufcripte geigen,

fanb aber nidfytS 3ntereffante§. 2)ann ta§ tdt) mit bem granjofen bie

Pitocchi fortunati oon ©ogji Unter ben 5lnti!en in ber SBibliotfyef finb

unoergleicfylicfye ©tücfe.

3iemltd) medjamfdj gefye icfy jeben Slbenb in3 ST^eater ©. SBenebetto,

mo gute ®ct;auf^teter für fdMedbte $omobien notdürftig fdjabloö galten.

5. Dctober. lieber in S. Giovanni e Paolo, mo tefy bteßmat

befonbers aueb &or bem Monument be3 £)ogen $enbramm oermeilte,

baS man für ba§ fcr)önfte in 55enebig fyätt, unb ba§ e$ auefy in 33e$ug

auf Gkviptax fetyn mag.

5lm großen (£ana( tft leiber ber Verfall ber ©ebäube außerorbentlid)

fidfytbar. Um fo mel)r erfreut e§ hn $a(aft Pfani ein uraltes SBaumerf

rm fcfyonften ®efdmiatf ^u feljen, ba$ noch je|t oon ben mofjtbabenben

23efi£ern auf ba§ forgfätttgfte unterhalten mirb.

5. £)ctober mürbe ein au» t>m granjBfifdjett überfe^te^ ©tüdf,

Mezzanotte, mie gemb'lmlicfy unter aller färitif, in ©. 23euebetto gegeben.

3)a3 publicum fpradr) biefer (Srbärmttdjfett baS Urteil. 3Wen UItb

•Pfeifen unb anbete Sitten fein Mißfallen au^ubrücfen blieben nicfyt

auS; bamit toedjfette ein iromfdjeS unmäßiges Ätatfcfyen unb (Mäcfyter

bei ben abfurbeften ©cenen unb Situationen, unb baS (5nbe marb faum

abgemartet.

2)te brei Streben oon Sßaflabto, bie eine auf S. Giorgio maggiore,

bie beiben anbern auf ber ©iubecca gefefyen. (§8 ift ein fefyr angenehmes

©efüljl in ben §atten oon -ßaUabio $u freien, obmofyl mit biefe Söaufunft

nid)t ganj entfrriebt, olme baß i<fy ju fagen müßte marum.

7. £)ctober in <&. ©tultan dampagna'S (£fyriftu3 in fefyr fdfjöner,

ftarer Beleuchtung gefeiten, bann nadj @. (Satoatore, mo ®ian 33eßin unb

Xifian, too Bittoria unb üampagna, mo baS fyerrticfye Monument ber

beiben $riu(i, um nur menigeS auS oietem ju nennen, einer emigen

Betrachtung mertfy finb. &ann in bie 2lfabenue, too mta) ^ijian faft

allein in 2lnft>rucfy na^m.

10. October, -Sn @. Benebetto würbe eine neue $omöbie gegeben,

Page 279: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

259

II beretto nero oon bem Neapolitaner (£ofen$a, toafyrfcfyeintid) auS bem

ftran^öfifcfyen. ©tc berbiente alterbingS ju gefallen, nidjt fo fefyr burd)

fidfy felbft als burd) baS ©biet bon t)e SDtorini unb SBeftri, ^toei ©cfyau*

fyielern bie nicfyt leidet ifyreS ©letzen tyaben.

sJ?adj bem £fyeater, fomie großenteils bor bemfetben, bin idfy bei

«Sutil, wo icfy einen (Sorbetto neunte unb ber (£onocrfation $ufyöre, unb

maS fonft, titoa eine ($uitarrefpielerin ober an -Smprobifator,

ju fyören

ift. %n folgern $otf ift ber 9ftarcuSbta£ reidj, fo tüte an allen Strien

oon SBerfäufern, fo ba§ man SBenebig einen ambulanten Wlaxtt nennen

tonnte* Sftidjt bloß 3utferWerf, Dbft unb ^Blumen werben jnm SBerfanf

herumgetragen, fonbern alle erbenfticfye 5lrten oon (§ß= unb ©atanterie=

waaren : 23rob, ©eflüget, ^ifcfye, junge §unbe, Gtanarienoögel, -ßabageien,

gotbene Letten, Kalenber, Komöbien, ^lugfcfyriften, (Schreibmaterialien unb

taufenb anbere Kleinigkeiten. 2)aS ©efcfyrei biefer Krämer ', ^erumjieljenber

unb fi^enber, Welche festere oor^ügtid) am Sftialto häufig fütb, wirb oft

unleibltd), unb bor^ügtid) ertönt bon borgen bis Stbenb baS „Secuta" ber

2Bafferoerfäufer. 3)tefe Sttifdmng Oon ©fternenwaffer unb 2lniS , wetdjeS

Sttifträ fyei§t, unb baS einzige Söaffer ift baS man in SBenebig trinfen

fann, tyat einen ^iemtid) miberlicfyen ©efdnnatf.

3n ©. 23artotomeo eine beutfcfye fatfyofifdje ^ßrebigt im gröbften

öfterreid)ifcfyen 2)iateft gehört

3m Sweater <S. £uca bie Dber ,,(£totilbe" gebort 3cfy amüfirte

mid) wenig. 2)te bieten üfacitatioe finb immer langweilig.

11. Dctober mit meinem griifyftüd, baS in Granatäpfeln unb frtfd;eu

Datteln beftanb, in eine @onbet-, um nacfy ®, ^ßietro bi (Jaftetlo

ju fahren, ber enttegenften Kirche oon SBeuebig, aber ber eigentlid)en

Katfyebrale, unb unter ber ^ebubtif ber <Si£ beS Matriarchats, ba @.

äftarco erft 1807 fatfyebrale mürbe. Sfterfwürbtg ift in ©. petro ein

alter ©effet oon Marmor mit atfifdjen 23ucfyftaben, ber für ben <§ivtfyi

beS I)ei(. ^etruS auS 5lnttod)ier gehalten wirb.

12. Dctober. -3n ©. SO^arcitian ben Tobias bon Xtjtan wieber

gefeben. £>er jübifcfye Tobias mit bem gifdj in ber §anb, bie göttliche

©ejklt beS (SngetS im SBorbergrunbe unb ber Wolfige §intergrunb bilben

ein ©anjeS, baS man nidfyt fatt werben fann ju betrauten.

3n ©. ©tacomo eine ausgezeichnete jonifcfye @äute oon Verde

antico. §iefyer mu§ man eigentlich gefyen um ben Sacopo $alma feunen

17*

Page 280: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

260

unb fd)ä£en ju lernen, oon bem mid? befonber§ $toei große ©tütfe in

einer Seitencabelle anzogen, beibe Saaten unb £eü>en oon 8. 2orenjo

oorfielfenb.

-3n biefer tirdje lernte tdj $0x^0 2otto unb 9flare§calco fatnen;

bon festerem einen ^eiligen ©ebaftian an bie (Säule gebunben , mit jtoei

anbern §eiügen. (Eine folcbe unenbtid>e 3ar%it unb SBebeutfamreit be$

2lu3brutfS, alS.in bem @efid)t unb ber ©eftalt biefeS ©ebaftian ftdj

au§fbrid?t, t?abe id) nod) bei feinem ber alten benetiantfd)en SJcetfter,

toeber bei GEima bi donegliano, nodj 23a|aift, nod? (£arbaccio, nod)

$ibarini bemerft. Sine fofd^e @d)önbeit ber nacften formen oljne ©itm*

lid^ett ift ein 2Bunber ber fömft.

2>er s$alaft dontarini, einer Der eleganteften , oollenbetften @ebäube

$enebig§.

5m Sanafetto um 4 Ufyr ju Mittag gegeffen, fonft einigemal ims}Megrin, reo icfy toolme, meiften§ jeboeb im beutfd^en (Sbeifebaufe jur

Stabt ®ra§.

13. Octcber. Sn ber ütfyat, je länger id> in SBenebig bin, befto

mefyr toad^t bot meinen 2Iugen bie §errlidtfeit biefer nnmberbaren Stabt;

jeber Jag lefyrt mid) neue (Scbönbeiten, neue Sdjät3e fennen. 3dj fyabe

mtd) fc getoblmt jeben borgen mit ber 5Infd)auung fdfyöner Äunfhoerfe

anzubringen, baß id> nidti meiß tüte idj riefen ®enuß toerbe entbehren

fennen. gerne bon allem Staub ber ©dmle, unter einem $otf vaä boü

Unbefangenbeit nur bem 3utgenbltcf $u leben toeiß, fange icfy felbft erft an

t>a$ £eben 3U ernennen unb 31t genießen.

3n 3. -Sfebbo ^iue @eburt ©n-ifti oon $aclc $eronefe, üa8 mir

toett bebeutenber fdjeint als Da§ SBilD in <S. ®iebanni e $aoto bon

bemfelben SDcetfter , ba§ ben gleichen ©egenftanb barfteüt.

2luf einer SBrücfe ber Riva de Schiavoni fanb iä) einen (£ond$tien=

fyänbler, bem idj um geringe^ @elb einen £l)ei( feiner <3d}äfce abnahm.

3n <S. CErifoftomo blieb icb bor bem fyeil. £l)rtyfoftomuS be$ ©ebaftian

bei ^iombo big §um £irdjenfd)(uß ft§en.

14. Dctober. 3n Salbatore ift ba§ große 23ilb ®ian MinS,

(2fyriftu§ in CrmauS, bon einer folgen $raft ber 3)arfteüung , ba§ felbft

oie beiben £i$taue in feiner 9cad)barfcbaft oerlieren.

3luf ber fyerrlicben ü^ioa r bie man Fondamente nuove fyeißt, ber

<htfel 9JJurano gegenüber, ber fcbbnfte ©ba^iergang oon ber SBelt:

Page 281: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

261

Giera in calma Ja laguna,

Giera il vento bonazzä.

(5$ gibt in ber Zfyat feinen ferneren 2lnb(icf aU ben ©pieget ber

£agune, toenn er ooHfornmen rufyig ift. $on ben fyofyen SBrütfen au$

bie über ben StuSflufj ber (Kanäle gebaut finb, genießt man einer boppetten

2lu3ftcfyt, nacfy'bem Speere nnb naefy bem Innern ber ©tabt. $>te (Gebirge

jur Linien über bem 2öaffer erregen eine Ictfc ©elmfucfyt, aber ber mächtigere

3ug totnft jurürf naefy SBenebig.

3n ®. granceScc eines ber SD^etfterftücfe oon $aoto SSeronefe, bie

äftutter mit bem $inbe auf einem Slftartljron , neben ifyr ber fyeiüge

Öofepfy, unb.babei ber flehte SotyarateS , ber, fyalb entblößt, mit einem

£amm fyiett.

3n ben ©efuttt betounberte id) lieber ba$ große ©rabmat über bem

portal ber $ircfye, ba3 breien trübem au$ ber gamilie £a S^e angehört.

(g$ ift einfach tote bie ^cotfytoenbtgfeit fetbft.

15. £)ctober. 3<fy fyabe bie ßüt über mteber eine Stenge, großen^

tfyeilS oenetianifdjer SBotMieber gefauft, worunter mancfyeS fyübfcfye, j. (£.

Canzonetta sopra li Calzolani, unb anbere ebenfo lutmoriftifcfye, 3. (£.

etne§ sopra un giovine che canta le bellezze della sua innamorata.

£)iefe bellezze finb nämtiefy aüe Wirten oon §äßlicfyfeit, aber bei bem allen

gefielt biefer Giovine, ftd; oon feiner Sofia nidfyt trennen ju fönnen.

2)iefe3 £teb fyat eine große ^BoHenbung ber gorm , unb ift äcfyt oenettanifefy

unb oon einem magren §umor burcfybrungen; fo auefy ein anbereS toelcfyeS

La Stocchinada fyet§t Unter benen bie in getoöfmlicfyem Otatienifd?

gefdjrieben finb, ift befonberS eine geiftücfye dan^onette merftoürbig, bie an

baS (£fyriftfinb gerietet ift, unb an ctynftdje ©ebicfyte in ber attbeutfcfyen

unb attfyani[djen ^oefie erinnert. ©8 fängt an:

Dami, dami, bei Bambin —(Sin anbere§, oon einem äftäbcfyen, ba$ fieb über il)re oielen £iebfyaber

beftagt, ift ebenfalls fel)r etgentftümlicfy ; bann eines, in bem ein §irt fein

Siebten einläbt bie ©cfyafe naefy §aufe $u treiben, toeil ber SIbenb ^eran=

fommt , femer eine Canzonetta sopra un giovine che di' la bona notte

alla sua bella, toobei er am Ghtbe jeber (Stanje toieberfyolt:

Bona notte, amato bene

E ricordati di me.

(Sin anbereS La rosa e il piü bei fiore etc.

Page 282: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

262

(Sine fteine, ganj moberne 3)ictytung gefauft: LaFarfalla, Scherzo

di Lorenzo Tonnieri, m metcfyer ftcb eine eigentfyümticfy jarte boetifcfee

£änbetei auSfbridfyt, bte an ätmtidje ©adjen bon Sftücfert erinnert, unb

ben 3tatienern [onft fremb ift. (Sin cmbere3 Weinet (SetegenfyeitSgebicfyt,

ba$ ju (Sfyren ber (Signora (Sontini in Ubine fyerauSfam, ftimmt gleichfalls

einen garten , metandjiotifcfyen £on an , tbie man ilm fetten in -Statten Ijb'rt.

£)ie ^toötf testen @efange be$ befreiten -SerufatemS im benetianifcfyett

2)iateft gefauft; fte Ijat feinen einzigen Sfteim beö Original beibehalten,

unb ift feine Ueberfe$ung, fonbern eine £rabeftie.

(Sinen benettamfcben JMenber bon 1798 burcfygefefyen. (Sr enthält biete

©ebicfyte im benetianifdjen £)iateft, toobon biete jtoar nur fcfyer^afte 3lnef=

betten unb älmticfyeS geben, mehrere aber, 5. (S. bier über bie Saljre^eiten,

bon einer ungtaubticfyen <2d)bnf)eit finb, tfyeif$ burdj bie tanutfy ber <3bradje,

tfyeit§ burcfy eine 2trt bcn ^fyantafte, bie in Statten ungetbötmlicfy ift, unb

bie ftd) burcb 9ceufyeit ber ©ebanfen unb burdj eine metandjottfdje gartfyeit

ber (Smbfinbung au$$eidmet. 3<fy gieng gerabe mit biefem <Sdfja£ in ber

«panb in ben (Sanatetto, um ju äftittag ju effen, unb ba tdfy bort einen

jungen Nobile, fanb, ben idj öfters bei (Butit gefefyen unb gegrüßt batte,

fo iranbte icfy mtd> an ilm megen einiger Söorte bie tcfy nicbt berftanb.

(Sr toar , tt>te alte biefe Ücobiti, fe^r gefällig , ta3 mir fogteicfy ba§ fcfyönfte

biefer ©ebtdjte, la primavera, erffärte mir bie eigentümlichen 2Borte

unb ^Beübungen, unb fagte mir baß ber SBerfaffer biefer Sttmanadje

£amberti geheißen f)abe. %ud) fyeute, mo er neben mir faß, tieft idfy

mir mandjeS bbn ibm erftären. £)enn auf biefe Söeife mu§ icfy bte

@etegenl)eit erfdmabben bie benetianifcfyen ©ebicbte aucfy im einjetnen

berftefyen ju lernen. 3>er junge Mobile fyeißt Söaboet , au§ ber bekannten

gamitie. (Sin anberer 9cobite, aucfy aitö einem bekannten ©efdjtecfyt,

9Jcotin, tyai eine ber cfyarafteriftifcfyften unb fdjönften P^ftognomten bte

idj in SBenebig gefeben fyabe. (St unb 23aboer toürben SJccbette $u einem

Sfterhtr ober 2lbott fetm fönnen.

18. £)ctober. 3)er $ötferfdjtad)t tbegen mar fyeute ein ftefttag in

SBenebig. £)te gähnen flatterten auf bem ?ßla% unb auf ber üftarcuS*

fircfye, unb atte Söimbet auf ben öfterretcfyifcfyen ©Riffen im §afen.

3ugteid) mar eS ber fcbönfte unb fyeiterfte £ag ben tdj fyier erlebte. @o

unbefcbreibticb burcbftc^tig mar bte ?uft, fo tbunber^>errtic^ bie ^tbenbröt^e,

Page 283: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

263

bie in einem großen trete um bie tirdjen ^atfabio'S auf ©. ®iorgio

unb ber @tubecca flammte.

3d? benü£te baS fdjöne Söetter um mehrere ber bebeuteubften £ird>ett

ju Befugen, unb bereu 33t(ber im güuftigftett £id;t §u fefyen, <&. ®iutian,

@. (Srifoftomo, @. SDcaria gormofa, ®. ©iofcannt e $aolo, ©. ftran*

ceSco bette $igne, ©. gaccaria. (Später gieng icfy in bte 2tfabernte, too

auger ben £i$iang nod> fo biet §err(tdje§ ift, bte Spod^eit ju (£ana bon

^abooanino, ber $ifdjer ber bem £>ogen ben Sfting übergibt oott $ari$

SBorbone. länger beinahe als bor ber §tmme(fabrt bermeitte idj beute

oor £tjian§ OofyanneS in ber SBüfte, ein 33i(b baS bie traft, bie Söafyr*

fyeit, bie ©cfyönljeit fetbft ift.

%n einem $alaft Pfant auf bem Campo di S. Stephano (ttidjt

ber bon mir fo fyodj geftettte $alaft $ifam) fielen mir fcfyöne Sßttbtoeile

auf, fo ber funftbotte ttoofer an ber S^üre, einen 9?ebtun oorftettenb,

ber auf $toet ^ßferben ftefyt.

©eftern toar i$ fdjon in @. ©iobamti e $ao(o getoefett. (Srft ba

toar mir ba8 ungeheure SSerbienft ber fyeit. ^Barbara oon $a(ma SSecdjio

aufgefallen, unb i<fy befugte fie gleidj fyeute uneber. (Sbter fyat Sftabfyaet

felbft nidjt gemalt. (58 gehört ju ben bottenbetftett 23ttbem in ber Sßeft.

3u @. 33enebetto @otbotti'8 II barbaro benefico, ioaS fieb bod}

tt>enigftett3 anfyören ließ. $eftri, ber ben barbaro machte, ift ein ©djau*

fpieter ber uicfyt feineö ©(eichen Ijat. (§r fann fiefy aud) niebt btitfen {äffen,

olme im oorau3 befTatfdjt ju toerbeu.

93or Stifdj'e ftieg ity nodj auf ben 9Jcarcu8tfyurm. 3cfy effe ettoaS

nadb bier Ufyr im (£analetto, unb gefye bann geroötmlicfy nodj eüoaS auf

ber Riva de1

Schiavoni frieren.

20. October mürben bie jtoölf (Sonette abgefcfyloffen , toelcbe ba$ £eben

$enebig$ barftellen foEen. Sie formen nur für btejenigen oon Ontereffe

feim bie SSenebig gefefyen t)aben. %u<fy einige @t;afefen ftnb unter ber

3eit *ntftanben.

3n ber £t)at, S3enebtg jietyt mid) tä'gtid) mefyr unb met)r an, unb

idj !ann faum benfett baß meine Stbrctfe fo unbefdjreibticr) na^e ift. 3$freue midj fie fo (ange aU mbgttd; ^inauögefdroben 51t ^aben, ba icfy biefe

jlage uod) fo biet ©djßneS gefeiert fyabt. 35on ber ®d)ön^eit biefer Reitern

Octobermorgevt gibt unfer beutfdjer §imme( feinen begriff.

Qd) tieß mic^ ^eute jiemlicfy frü^ über ben Canal grande fe^en ,gieng

Page 284: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

264

um bie (Scfe ber £>ogana fyerum, unb fam [o auf bie f. g. Riva dell Zattere,

bie ber ©iubecca gegenüber liegt. £)ie WuSficfyten auf ba$ Sfteer, befonberS

xoo ber (£anal ber ©iubecca aufbort, ftub ungemein angiefyenb. 3$ »er*

folgte bte Sftioa fo toeit fte reicht, unb gieng bann ing -innere ber Sestiere

di Dorso duro, einen ber öbeften £fyei(e oon SBenebig, in meinem man

bloß gemeine^ $olf fielet, ber aber eben burcfy biefe $eröbung einen

eigenen 9?eij fyat

$n <S. Sßaftian machte bießmal ber $aolo SBeronefe ben außerorbent*

tieften (Sinbrucf auf mid), mag bei meinem erften SBefudje gar ntcfyt ber

^aö mar.

$aoto (geftorben 1588) ift in biefer $ircfye begraben, ©eine 53üfte

ift oon SBojjcttt. ©eine ißitber auf ben Spüren ber Orgel , unb befonberS

ber (£fyriftu3 am Jfreuj, mit ben grauen ju feinen güßen, offenbart fein

ganjeö ©enie, nocfy mefyr bie beiben großen ©eitengemälbe in ber Capeila

maggiore, oorgüglicfy ber gur Linien, top ber fyeit. (Sebaftian in ritterlicher

Reibung einigen anberen äftärttyrern 9)httlj gufpridjt. (£r fyat unkfdjreibticfy

oiel 2lu§brucf. 9ftan finbet barauf benfelben Äopf ber auf bem Slteranber*

gemälbe ben §ofmeifter ber fö'nigücfyen $inber oorfteüt, olme 3toeifel röt

Porträt, toie toofyl aucb bie übrigen topfe jenes iBtlbeö im ^ataft Sßtfam.

2tber toenn man nun aucfy oon btefett fyerrlicfyen Silbern abfielt, unb ficfy

nacfy bem §otf>aftar felbft toenbet, um bort ben ©ebaftian ju fefyen, an

eine ©äule gebunben oon anbern Zeitigen umgeben, ben 33ti(f nad) bem

§immel. gerietet, too bie äftutter ©otte§ mit ifyrem ©ofyne inmitten ber

(Snget ootl emiger ©torie fi£t, bann fü|lt man erft mit ganger £ebenbigfeit

baß biefer $aolo, mie e3 anf feinem ©rabftein fyeißt, ba§ SBunber ber iftmft

mar, £>a§ 23ilb ixbU eine 2lrt Sttagie auf micfy au3, unb icfy mußte immer

toieber barnacfy gurücffefyren. §ier ift nicfyt gijianS traft unb (Kolorit oolt

©lutlj, aber eine 2Bafyrfyeit unb Slnmutl) bie untoiberfteljücfy feffett.

-3m Siebentere tonnt' id) Ijeute ba3 fdjö'ne $8ilb oon (Üiiau SBeHin,

meine erfte £tebe in SBenebig, bei ber glücftieften ^Beleuchtung fefyen. 3n

einer fpätern «Stunbe jurücffe^renb, fanb icfy mtcfy in biefer frönen tircfye

ganj allein, unb fyinter bem (£fyore fangen bie (Saliner. £)ie ®ro§artig=

feit unb 9?otfytoenbigfeit ber $erfyä(tniffe biefeS Stempels fällt bei längerer

23efcfyauung immer mefyr in bie Singen.

21. Dctober, Steine SBemunberung für Zi$ian mäd)$t mit jebem

Jage. §eute mar ic^ in ber Hfabemie, um bie §immetfafyrt unb ben

Page 285: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

265

OofyanneS mieber ju fefyen. £)ct icfy be$ 9ftorgenS fcfyon in ©. 'ÜJtorcütcm

unb in ©. ©iooanni e $aolo getoefen mar, fo traf e8 ficf> bag tdj tyv&t

bie üier fcfyönften ©emätbe btefeö Stteifterg frtr$ nacfy einanber gefefyen fyabe.

3ofyanne$ ^at oietleicfyt baoon ben größten (Stnbrud auf micfy gemalt,

tr>ett icfy t^n in einer unoergletcfyltcfyen Beleuchtung \ofy. &.$ ift ein S3ttb

baS unmiüfürlicfy bie Äniee beugt. £)a8 (§b(e ber ©eftatt, ba$ (Srfyabene

ber ganzen (Stellung, ber auSgeftrecfte 5Irm, ber nacfy bem ju beuten

fcfyeint ber ba fommen foü , bie ©djönfyeit unb ©ematt ber $üge , unb

enbücfy ber SBtttf, ber ernfte göttliche 23(üf, oon einer Zeitigen Stfyra'ne

glän^enb, metcfje 2Bafyr§ett, metcfye SBoflenbung ! SBoflte man btefe £etra$

Sttjtamfcfyer SJJeifteriüerfc in eine «Sieben^! oermanbetn, fo müßte man

nocfy baju nehmen bie SSorfteÜung ber äftaria im £empet in ber 2tfabemie,

ben ©. Porenjo in ben ©efuiti, unb ba3 SBilb baS man La fede del

Doge Grimani nennt, in ber <5ignoria. — (Sin atte$ %$äh, ba3 micfy

fyeute in ©. ©iooanni e $aoto fo lange oor bem $etru3 9D?arttyr Oon

£i$ian fielen fafy, fragte micfy ma§ e8 für Zeitige mären. 2ttS icfy ifyr

5luSfunft gegeben tyatte, fyieft fie eine große £obrebe auf bie §eiligen,

bebauerte ooü §er$(icfyfeit if)re Reiben, unb entfernte jidj enbticfy mit bem

2faSruf; Santi benedetti!

$or einigen Jagen mieber einige fyübfcfye SBelMieber gefauft. (SineS

berfetben fyat bie Anbetung ber Sftaria oor bem -Sefuöünbe jum @egen=

ftanb, unb brücft gan§ benfetben ©ebanfen au$, ben man M ben alten

9Mern finbet, bie biefe Anbetung fyäuftg bargefteüt fjaben. (S§ fyetßt:

Fermarono i cieli etc.

23. £)ctober. $ür ein paar @o(bi einen £)oib gefauft, ber bie

$afti, STrtftta unb bie (Stegien ex Ponto enthält, um biefe ©ebicfyte, bie

icfy nie eigentlich getefen, auf ber Steife ju genießen, bie icfy in einer

äfynftcfyen (Stimmung mie jener 2)id)ter, au$ bem Ijerrlicfyen $enebig »er-

bannt, jurücftegen merbe.

ÜDie ^ircfye ©. ganttno fitm erftenmal gefefyen. 2)ie Bauart, auS

ber 3ät be$ £ombarbt, mit einer Capeila maggiore oon ©anfooino,

ift oon einer unoergteicfyücfyen ©djb'nljeit unb ©nfacfyfyett. 3cfy meiß nicfyt

ob tcfy ^attabio oorjiefyen mürbe.

3n <5. Baftian mieber lange Seit oor bem $aoto SBeronefe geftanben

unb gefeffen. Qfy tarn um 11 Ufyr ^in; bie Seteuc^tung mar im gmtefymen.

On ©. Senebetto mieberfyott man ^eute eine ^omöbie oon TOerto

Page 286: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

266

92ota, Der gegenwärtig ber befte unter ben 2>ramenoerferttgern Statten«

ifi, Costanza rara. (Sie ift tüte alte ^amiliengemätbe , unb fyat einige

intereffante (Situationen unb GEIjaraftere.

3n ber Bibliotl^ef im Palazzo ducale btegmal weniger bie ®emälbe als

bie antuen betrautet. 2)ie Sttifdmng oon ®eift unb (Sinnlidjfeit, bie ba6

SBefen ber $unft auSmadjt, war nie fo innig als in ber griedjifdjen $laftif.

24. Dctober. (So toar mir'S benn wiber Vermuten befänden

meinen a^tunb^toanjigften ©eburtStag, ben xfy im freife ber Peinigen

ju oerleben fyoffte, in Venebig jujubringen. 2Benigften8 fyc&z i<fy iljn

auf eine würbige 2öeife Kjier gefeiert. 3d) gieng fyeute 9#orgen8 juerft

nad) (S. Waxia gormofa, um $alma'§ Barbara $u fe^ett , fobann

nadj (S. ©iooanni e $aolo, wo idj Oor bem unfterblitfyen £i§ian, unb

beinahe nodj länger oor bem ®ian Lettin oerweilte, ben icfy in einer

fyerrtidjen Beleuchtung fafy. Si^ian unb $afma fyaben aufy fyeute einen

entfdjtebenen (Sinbrucf auf mid? gemalt, ebenfo (Sampagna'S GEfyriftuS

in (S. ©iutian, ben\<fy

nad^er befugte. Von ba gieng icfy nadj <S.

drifoftomo Oor bat ^iombo'S nie genug ju preifenbeS Sfteifterftücf, lieg

midj hierauf bei (S. (Samuel über ben Canal grande fefcen, um ben

(Sebaftian Veronefe'3 ju fefyen, unb gieng bann mit toller Vegetfterung

für $aoto ju £ijian in bie 2tfabemie. -3dj \)0&z biefe £our in ungefähr

oier (Stunben gemalt, unb bodj feinet biefer Silber blo§ flüchtig betrautet.

%\x&i in (Saloatore toar icf> im Vorübergehen, in beffen Ij)err{id)en fallen

ein §ocfyamt mit SDcufif unb Drgetton erfdjotl. -3$ fann nidjt befd)reiben

tote Wenig micft, baS 5lnfcbauen aller biefer Silber überhäuft, unb melden

unfäglicfyen ®enu§ eS mir oerfcfyafft. 3d? fann nocfy immer midj nidjt

baran gewönnen baß ia^ übermorgen, ober fyöcfyftenS 9ftittwodj, Venebig

oerlaffen fott.

§eute fyabt icfy aucfy nie Vefanntfcfyaft eines jungen Mobile aus ber

berühmten Familie $riuli gemalt, ben idj fcfyon fyie unb ba gefprocfyen

fyatte. Qfy traf tf>tt allein in ben Giardini publici na$ Xtfti), unb Wir

machten jufammen ben einzigen (Spaziergang ben man in Venebig machen

lann. (Sr fagte mir baß £ambertt unb ©ritti bie beften £)ta?ter im

oenetianifdjen 2>ialeft fetyen, befonberS aber Vuratti, ber jebodj feine

(Sachen, meift wt§tge (Satiren, nid)t tyabz brucfen (äffen. «Sie finb aber

auger £anbe3 nacfy umlaufenben äftanufcripten gebrurft Werben, in Venebig

jebocfy oerboten.

Page 287: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

267

25. DctoBer. Weit anbem $)eutfcfyen nadj bem £ibo gefaxten, too

ein milttärifdjeS SDtaöber 31t £anb unb §ur (See ausgeführt nmrbe. 3)tc

eine Partei tanbete $ur (See nad? einigen (Scfytoterigfeiten, griff fobann

ben $einb an, nnb fdjtög ifm jute^t in bie GTaferne, toolnn er ftdf) jurücfjog,

ein. (So mar anmutig $u fefyen fo lange bie Warfen in ber £agune

fyerumruberten, baS £anbmanÖber mar mir eljer jmoiber , ba tdj bergteicfyen

mit Coffein gegeffen IjaBe.

•iftadj £ifcfy Bolte tdj ^Sriult Bei Florian ah, nnb toir giengen jufammen

nadj ben ®iarbini, too alle Montage eine große Stenge äftenfdjen aus

ben niebem ©tänben berfammett ift. (£8 ift mir fcfyäfcBar burefy ^ßrtuti'S

Söefanntfcfyaft baS 33itb eines ädjten SSenetianerS bor klugen $u fyaBen.

(Sie finb nnBefangen, forgloS, naib n)ie bie $inber, baBei aBer bodj fein

unb berfieeft. $riuli \)at üBerbieß eüoaS fefyr §eitereS, ja drolliges in

feinem SBefen, toaS if)n anjiefyenb madjt. £>ie SSenetianer finb burcfyauS

Imman, toaS bietfeidjt and) bafyer fommt ba§ fie nidjt mit ben gieren

umgeben. (£s gibt meber ^Pferbe noefy Ddjfen, unb wenige §unbe, bie

meift StuStänbern gehören.

(Sine Raccolta in 14 23anbcfyen gefauft, metcfye bie Beften ©adjen

im benetianifcfyen £)ialeft entsaften foü, fotootyt auS ber ättern als auS

ber neueren geit. (§8 ift eine eigentljümfidje benetianifdje Literatur tm

steinen. £amBerti nimmt brei Söänbe ein, unb fdfyeint ber bor^ügücfyfte

ju fetm.

27. DctoBer Vormittags fafy idj nodj einmal bie fdjö'nften Söitber

ton £i$ian.

28. OctoBer Borgens gieng idj naefy ben ®iarbiui unb las in meiner

Raccolta. 2)er 3InBlicf ber Lagune ift Ijerrlicfy, toenn fie jur $tu%eit

ooH tote baS Wim ift. 3$ üBerfafy bie -3nfe(n unb ©djtffe, id/ Blicfte

mfy £ongfyena'S unb ^ßatfabio'S $irdjen InnüBer, nadj ber $ia$$etta mit

üjrem (SMenpaar, nadj ben (£o(onnaben ber (Signoria, unb bann empor

jn bem Blauen, fonnigen §immet, unb füllte mid) nod? einmal mit ganzer

«Seele in 5Senebig.

29. £)ctober. 3dj füfyle nun toofyt baß meine (Stunbe fyerannafyt

SBenebig $u berlaffen. ©ne getoiffe (Sel)nfud)t natfy ber 9?atur ftettt ftd>

ein, unb ber SBefudj ber ©iarbini ift mir jum SBebürfniß getoorben.

$)aBei IjaBe ic^ getoö^ntid^ ein 33ua) in ber §anb, unb fo regt fidj atfo

auc^ toieber ber £rieB jur !?ectüre, jum ©tubium. 5)enn fo lange ic^

Page 288: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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fyier bin, fyaBe idj eigentlich nidfytS getefeu, unb aud) gar fernen £>rang barnad)

gefügt UeBerbieg nimmt aucfy meine Suft ©emälbe $u fel)en aB , toietoofyt

nur infofern aU idj nicfyt mefyr fo biete an einem £age fe^en mag, toäfyrenb

id) früher ofyne alle (Srmübung ein fyatB £>u£enb $ircfyen nadj einanber

Befugen tonnte. §eute toar id? Blog in ber Hfabemie, unb toieberfyolte

oor £i$icm8 -öofyanneS ein «Sonett, baS bieg ißitb mir geftern, als icfy

be§ 9?ad)t8 auf bem 9Jtorcu$ feierte, eingegeBen fyat. SDaburdj nun

baß tdj weniger nadfy ©efyenStoürbigfeiten fyerumfpüre entfielt eine Surfe in

meiner $eit, bie Bio jefct fidfy ittdji auSfüÜen lieg.

©eftern gaB man „baS IBitb" oon §omoatb, unter bem Zxtd: Due

amanti di una cieca. Sßenn mir früher in 3)eutfdfylanb bie groBen

geiler unb £ad?erlid?feiten biefer @a(genintrigue aufgefallen fmb, fo füllte

tcfy geftern Bei ber i'talienifd)en $rofaüBerfe£ung bie ganje Seerfyeit unb

@eban!en(ofigfeit biefeö ©tücfeS im einzelnen. 2)a3 Sweater toar fefyr

ooH; aBer alles gälmte, ober gieng baoon. (Sine allgemeine @(^taftrun?en=

fyett, eine toafyre £ett)argte toar üBer ba$ ganje ^3uBticum oerBrettet, unb

bieg oerfyinberte nod) bag man ba$ ©tütf nidjt auspfiff, toa3 einzelne

»tuen« toaren ^u tfyun.

30. OctoBer. Qfy fyaBe fyeute toieber eine groge £our toie ity fonft

pflegte gemalt, unb einen grogen Streit ber ©tabt gefefyen, ber mir Bisher

unBefannt geBtteBen toar, unb fieBen $ird)en bie tdj Big je£t nidfyt gefeiten,

ober bod) nidfyt Betreten. -3cfy fam ba über ben Campo S. Margerita,

einen ber grogten $(ä£e $enebig§, oon ba nad) ber Bitberreidjen förcfye

©. ^antaleone, Betounberte bann bie innere 3lrcfyiteftur ber ^irct)e Q.

£o(entini, einer ber fcfyb'nften ©ebanfen ber in ber (Seele ©camo^i'S

ioolmte.

1. 9?ooemBer. @eftern gaB man in ©. SBenebetto ben „(Sffigfyänbler"

unb ben „SBaffertrager," ©türfe in benen be Sftarini unb SBeftri eines

grogen ^BeifaÜö getoig fetm fonnten. §eute giBt man „bie filBerne §odj*

jeit" oon $o£eBue. .

2. -ftooemBer. -Qu einer ©ettencapette oon ©. ©iooanni e $aolo

toolmten toir aud} einmal einer fogenannten £)i$puta Bei, einer 5lrt oon

religtöfer Untergattung unb ^atecfyifation ber 2D^äbct)en. SSier alte birfe

grauen mit gackern in ben §änben, ein unentBei?r(id)eg äftö'Bel ber

SBenetianerinnen, fagen unter einer 2ftenge mefyr ober minber ertoacfyfener

Sftabdjen, unb Befragten fte üBer ©tauBenSfacfyen.

Page 289: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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SBäfyrenb meines Aufenthaltes bauerte aucfy bie geierticfyfeit be3

£fyeriafBereiten3 in einer 2fyo%Je am Sftiatto mehrere SBocfyen lang,

toelcfye bafür ein BefonbereS, toafyrfcfyeinlidj nur nad) einer Sfteifye bon

-Sauren au^uüBenbeS , ^rioitegium ju Beft^en fcfyeint. SDte gan^e Arbeit

toirb auf ber ©trage oerricfytet, unb tfyettt fidj in mehrere (gpodjem 3uerft

ftanben bretgtg bis bier^ig $erl3 in fonberBarer Reibung in einem QüivM,

unb fließen unter fürdjterlidjem ©efcfyret in ifyre Dörfer, ©ie trugen

rotfye ÜL^ü^en mit einer Blauen geber. Später würbe ein ST^eater auf

ben unterfien «Stufen beS dtiatto errietet.

SBiete ©acfyen bon Sijian Bebürfen burdjauS einer oietfacfyen unb taugen

5lnfdjauung , um ifyren außerorb entließen SBertty $u fügten. £>ieje 23emer=

fung fiel mir in della Salute auf, too mehrere ©emätbe biefeS SD^etfterö

ftd^ Befmben. % ber «Sacriftei finb brei, (eiber, ÜDetfengemälbe oon ifym,

toefcfye bie ganje traft feinet Jätern 2llter8 offenbaren, unb eine große

Hnjie^ungöfraft üBen toürben, toenn fte Bequemer §u Behauen toären.

(§S ift fain unb 2IBet, ABratyamS £tyfer unb ®oliaty% Enthauptung.

Sobann ftefyt man an einer Settentoanb ein ©emälbe feiner jüngeren

-3afyre, roelc^eö ben fyeit. Marcus auf einem £fyron barfteüt, oier anbere

§eitige um ifm, toorunter S. 9?odju8 unb <5. SeBafttan. Q£$ ift un=

glauBlicfy mie oiel -Sugenbfrifc^e , SelBftgefüfyt Bio ^um £ro£ au$ biefem

23ttbe anfyricfyt. £>iefe §eitigen finb im eigentlichen Sinne be$ Portes

lounberltdje Zeitige, aBer atteö Ij>öcfyft toafyr unb teBenbig. — £>a ift auefy

ein SeBaftian bon SBabatti, ber in (Srftaunen fefct. £)enn toenn tdj Bei

bem frönen ©emätbe biefeS 2ftalerS in ber Afabemie ben 9?eidjtBum

feiner $fyantafte unb fein unoergteicfyticfyeg (Kolorit Betounberte, fo finb

bte ©eftatten boefy noefy fo troefen, baß man fo fdjöne formen toie biefen

©eBaftian nicfyt Bei tfym fucfyen fottte. Söeldjer Spater ber oenetianifcfyen

(Schute fyätte ben SeBaftian rttdjt gematt, unb oieten fyat er jur (gnttmdf*

tung ifyreS ganzen Patents gebient. £i^ian fyat ü)m feine testen ©tunben

getoeifyt, 'ißaoto $eronefe Um mit ber fyöcfyften ®forie ber $oefte umgeBen,

Ißatma ifym feine fyett. BarBara an bie Seite gefteEt, @ian Lettin unb

bie alten Wlakx fommen immer toteber auf ü)n $urüd SBittorta fyat ifyn

jtoeimat in Stein genauem 3ft e8 ber poetifdje 2Bertfy ber £egenbe ber

fie baju oermocfyte, ober ift es oietmefyr bie 9ta(f%it ber ©eftalt, bie in

ber cfyriftticfyen £egenbe fo feiten ift? So na^ ift bie Bilbenbe tunft mit

bem eigentlich ftnnlic^en Clement oerioanbt.

Page 290: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

270

£)e$ SIbenbS in ber ©unfetyeit gieng t(^ nocfy nadfy ben Fondamente

nove. $enebig Ijat bei 9?ad^t ettoaS ©dfyauerlidfyeS. £)ie engen ©äffen,

bie banale, bie SSrittfen, bie Sottoportici unb enblidfy bie £agune felbft,

bie fo rnljig toar baß ntan berfudfyt toar fie für fcficö £anb $x galten

nnb barauf fyeromaugefyen. 3n ®. Sßenebetto gab man „SKatfyilbe ," ein

2)rama auö bem ftranjöftfdjen. 9ftan mug geftefyen ba§ nnter biefen

$abrtfftücfen bte franjöftfdfjen immer nodfy bie beften finb. £>ie 2)eutfd>en

finb fo cfyarafierlo§ , baß fie in einer Ueberfe§ung nntoiberftefyftdj einfdfytäfern.

§eute gab man in ©. 53enebetto Da burla o da vero ? an8 bem 2)eutfdfyen,

nnb eine Keine $arce. ©iefe italienifcfyen ftarfetten in einem 2lct finb

meift feljr unterfyaltenb nnb artig burdfygefüfyrt.

6. •ftoi?ember. @eftem faty i(f> ^aolo'S «Sebajiian nodfy einmal,

toafyrfcfjeinlidj ^um le£tenmale. ©obann gieng idj in bie ^abernte. £>er

Giuftobe führte midfy in bie Scuola delF Incisione, nnb fteÜte mid) bem

^ßrofeffor (Sipriam, einem ©dritter SJcorgfyenS, bor, nm SfytanS 3ol>anne3

§n fefyen, ben ©priemt gefrocfyen. Ott entfprad) aber meiner (grtoartnng

ntdfyt gan^, fo toenig als ein anberer fupferftid), ben id) früher babon

gefefyen. (£$ ift fcfyabe baß biefe ©acfyen in bie 2Belt fommen, nm einen

fo unboßfommenen begriff bon biefem SDfaiftertoerf $u geben. -3m ©aal

ber <Sdmle fieljt man einige fcfyöne ©ticfye bon äftorgljen nnb anbern

Sttetftem, nnter anbern einen £i^ian, mobon ba§ original in SBrefcia

ift, getoiß eines ber anfterorbentlicfyften 333erfe biefeS SlftetfterS.

§ente toar id) jnerft in ©. ©tulian, nm (ütampagna'S (£l>riftuS nodj

einmal §n fefyen, fobann in (Salbatore, too iti) micfy nodfy recfyt an ®ian

33eHin3 (£Ijriftug in (§mau§, an SSittorta'S ©tarnen, am Monument ^rtuli,

nnb an jenem ber Königin bon (Supern erfreute. 3n la «Salute getoann

id) Ijente fdjon mefyr ©inn als bor einigen Sagen bor £ijian$ 2tuSgießung

beS fyeit. ©eifteS, nnr leiber jn fpät. 3dj fufyr bon ba nad) ber ©iubecca

hinüber, toanbette nod) einmal in ben §aHen beS ^ebentore, nnb betrachtete

®ian SöellinS liebliche (Schöpfung. 2>ann fufyr idfy in einer Söarfe nadj

ber Pa$etta surüd, nnb gieng bon ba ju ^u§ nad^ ©. ©iobanni ju

Xi^ian, ©ian SBcÜin nnb SBergamaSco'S ^agbatene. (Später in bie

Sßtbliotfyef im Palazzo ducale, um bie Slntüen jn befe^en.

$$ lanfte ben 8artolbo, ein fe^r gelefeneS 55ol^bu(^, aber in

oenetianif4>en Dctaben bearbeitet.

3)aS ©ebic^t bon £ambertt: La primavera.

Page 291: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

271

7. üttooember. 3d) fycttte eine große ©eljnfudjt bie £otentini, jene«

fdt)öne große Vautoerf ©camo^i^ nodfj einmal zu feben, unb gieng fym.

-3m Vorbeigehen erfreute icfy midfy in @. $antaleone noct) einmal an ben

beiben $aolo3, befonberS an bem einen too ©. ^antaleone bie Slrmen

nnb Äranfen betoirtfyet.

•Sn ben £olentini fud^te icfy mir bie (Sigentfyümtidfyfeit ber 2lrd)iteftur

nodfy einmal einzuprägen. (Schabe baß bie 2lu8füfyrung lunter ber 3bee

beg $ünftfer3 zurückgeblieben. (5$ fcfyeint fdt)lecfyt unb flüchtig gebaut, unb

überall feigen fid) Sftiffe unb ©palten. 2lucfy ©. Sßaftian, jenem frönen

Vilberfaal fyaphfß Veronefe, fagte tdt) ein le^teö £eben>ofyl, bann ber

5lfabemie, bie idfy morgen, toenn icfy £tit finbe, nodt) einmal befudt)en

toerbe. £)enn übermorgen reife icfy ab.

Vor £tfdj ioar tdj in ber 9ftavcu3firdt)e, unb nact) ütifdt) in ben

($iarbini. 3dt) taufte im §eimroeg auf ber Riva de1

Schiavoni bie

a'fopifdjen fabeln im oenetianifd)en £>ialeft oon Vaba.

8. ^ooember. §eute borgen toaren e8 jtoei Monate feit id) in

Venebig aufam, unb morgen reife tcfy ab. £)ie ®onbel ift beftedt bis

gufine, eine $ftttfd)e gemietet, bie mid) in ^ufine erwartet, unb bie tdfy

bi$ Orient genommen fyabe.

(§$ ift ein toarmer ganz fetterer §erbfttag. -Scfy faufte ein £erifon

be$ oenetianifd)en £)ialeft3, einen oenetianifdfyen ©taatSfalenber oon 1762,

unb ein ©ebidfyt in Dctaoen Oon 33occarini über bie (Srbauung Venebig3.

9codnnal3 gieng ict) bie I)eif. Barbara in ©. Sttaria gormofa z«

fefyen, oon ba nadt) @. ®totoanni e $aolo, unb nicfyt ofyne einen getoiffen

(Sefyauber betrat icfy biefen reichten oon mir fo oft befugten Tempel —Zum le£tenma(e. Vor ber Ijerrlid)en $acabe ber (Scuola bi @. Sftarco,

oor jener ber $trd(je de' miracoli oertoeitte ict) nocfy einmal mit 23etounbe=

rung. ffltin Sftücftoeg führte mid) an ©. '©tuliatt oorüber, unb fo fa^>

icfy (£ampagna'3 (£l)rtftu3 noct) einmal Wudt) in ©. ©aloatore gieng id)

nod) einmal auf unb nieber mit toafyrem @enuß. £)ann nafym tdfy in ber

Slfabemie 2lbfdt)ieb oon £izian$ gimmelfafyrt unb 3ofyanne3. 9?od) einmal

erfreuten micfy bann bie fdt)onen gacaben unb gtertic^en SlrabeSfen an ber

Sftiefentreppe be£ Palazzo ducale unb in ber Sala delle quattro porte,

unb £izian§ La fede del Doge Grimani.

$benb§ nodt) einmal auf bem Sftialto, bann auf bem 9ttarcu3tlmrm,

um Venebig unb ben Untergang ber (Sonne z« fefyen.

Page 292: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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13. Stfooember. grient 21m 9. Borgens 6 ttfyr oerfteß tdj SBenebig.

Sie ©onbolieri roecften micfy, id) gierig bi§ in ben Fondo ber calle larga,

fut)r burdj ben Rio di palazzo unter ber ©eufjerSrücfe oorbei in bie

£agune, fat) ncd} einmal bie Pa^etta nnb ben Palazzo ducale, bie

£ir$en ^aflabio'S auf ber ©iubecca — unb fyinauS ins SBeite.

Um 7 Ufyr mar idj in $ufine. trauriger Slnbticf! (Sin 2)orf im

(Sumpf unb bie profaifdje £anbftraße, bie i<fy gfücfftcfyerroeife lange nidjt

gefet)en t^atte. £)er §immel mit SBollen überwogen, e8 fröftelte; e8 toar

ein unbefyagtidt)er ^uftanb, utli> ka$ §eimtoet) nad) 23enebig in aller

feiner ©emali

$abua toar mir fyödjft unerfreulid). £>ie finfiern, oben ©äffen, ba

aüe3 unter ben £auben ber §äufer gel)t, ba8 ©eraffet ber 2Bagen, ber

©dnnu£ auf ben @tro§en, ba£ fcfyledfyte, fpi£tge $flafter, bie pfüßenartigen

©räben %vl Beiben «Seiten — (auter 3)inge bie man in 55enebig entbehrt.

£)te $unft entfdjäbigt aucfy t)ier. @o bie fd)öne eigentlnimlidje ^a^abe

ber firdje @. Antonio, oon 9ciccoto pfano, mit ^reSfen oon ©iotto

bon großer £ebenbigfeit unb Qoxtify&i, unb eine 9?eit)e SSaSreliefS um ba$

@rab ber ^eiligen l)erum ton ©anfooino , (£ampagna unb anbern trefflid^en

9Jceiftem. Wenige £)inge in Italien t)aben mir einen größeren, bodfy audj

ftüdt)tigeren ©enut} getoäfyrt als biefe 33a3relief$. 2)a3 Uni»erfität§gebäube

toon (Sanfooino ift ein Stteifterftüd SDfom glaubt toieber in S5enebig §u

fetm, toenn man in biefen fyerrlidjen §ofraum tritt. -3m £t)eater, too

man „bie biebifdje ©lfter" gab, erinnerte ict) micfy an bie ÄomÖbie bie idj

am festen $lbenb in SSenebig fal), lajo neir imbarazzo, eine artige

$arce, in ber S5eftri unübertrefflid} fpielte.

3n $icen$a fat) tdj einige $aläfte ^ßaUabio'S unb fein Teatro

olimpico, ba$ in ber £t)at einen entfdjiebenen 53egriff »on ber ©n-

ridjtung be8 £t)eater$ ber bitten gibt. 3)ie Renten, perfpectioifdjen,

ftefyenben 2)ecorationen geben ein ®efür)l oon (£infact)t)eit , bie unfer

compticirte§ 9#afdjinerieroefen titelt gemäßen fann.

3n bem frönen Sftatt^aufe oon ^ßaüabio ftnb mehrere ©emälbe alter

SBicentinifd^er ÜReifter , toorunter aud? 23uonconftgli, fcor allem aber eine

Anbetung ber t)eil. brei Könige oon gugolino., 3<fy ftanb biöt)er notfy

t)atb unb t^atb in bem 2Bat)ne aU ob toenigftenö in jener alten, einfallt

ooEen, reid) componirenben Lanier unfere beutfe^en SDteter fict) mit ben

italienif^en berfetben (Speere meffen fönnten, aber ^ugolino t)at aut^

Page 293: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

273

biefe fe^te patriotifd)e Hoffnung jcrftört. Ome alle« fyötjerne, otyne aÜe

SSer^errung jctgt ftcfy fyier ba« fdjönfte, frifdC^efte Kolorit mit bem fyöcfyften

SReidjtlmm einer bi« in einseifte ausgeführten 3ufcmmenftellung, unb eine

2)arfteüung ber (eblofen 9catur üon einer 2Bal)rfyeit unb £eben«frifdje,

küte fie »iefleicfyt nie einem 3#a(er beffer gelungen ift.

Sri Verona nur einen £ag, (eiber nur einen £ag, benn nacfy bem

toenigen ju urteilen roa« iq in [o fur^er 3 e^t in biefer ©tabt gefefyen

Ijabe, fönnte id) einen 2Wonat ba fcerroeilen, um biefe fyerrfidje 9£atur $u

genießen, um biefe göttlidjen $imfh»erfe tief in meine <8ee(e ju prägen.

3unäc^ft ba« 2lmbfyitfyeater. £)ie (Sinfacfyfyeit unb ©tymmetrie be«

ganzen 23aue« unb bie fdfyb'ne eirunbe gorm feffetn ba« 2luge, ofme ba$

e« ficf> beffen benmgt n>irb, unb bie 33emunberung toädjSt, toenn man

auf bie oberfren (Stufen fteigt, Unb Verona überfielt, ba« ftdj cor biefer

funftboll georbneten ©teinmaffe ju beugen fcfyeint.

3m £)om, mit ber fefyr eigentümlichen §a$abe, ift ba« (Grabmal

ber fyeil. 2tga% merftüürbig , $n>ei alte 23itber bon liberale unb 2)otfin

äu§erft tieblicfy. (Sine §immelfal?rt t-on £i$ian; (;ter ift afe mtlbec unb

irbtfcfyer al« auf feinem gröfjen @emä(be be«fetben ©egenftanb« in $enebig.

3)ie jünger feiert ^um £fyeil in ba« offene @rab, bie fdjöne äftabonna

fcfyaut mit ben betenben §änben nacfy unten. (£« fcfyeint in berfelben 3ett

entftanben roie bie 2lu«gie§mtg be« fyetf. (Reifte«, aber bie ^orjügüd^!eit

biefe« 23itbe« fällt auf ben erften 331t<f in« Huge.

14. -ftobember. 33o£en.

3)a« ttatienifdje £irel gehört bieffeicfyt ju ben anmutfyigften Räubern

ber SBett. §ier befmbet man ficfy fcfyon an ber ®rän§fcf)eibe, unb bie

norbifdjen fdmeebebecften 23erge flauen herüber. £)ie beutfcfye (Sprache

fyerrfcfyt lieber feit ©aturtt, man fmbet Oefen unb gebiette «Stuben. —Sftoberebo unb Orient finb roafyre ^arabiefe. -ötalientftfyer §immet, italie=

nifcfye grudjtbarfett, unb um unb um bie fünften @ebirg«formen unb

ber fdjönfte Sftenfdjenfcfytag. £)ie ©äulen unb @ett>ölbe be« 2)om« bon

Orient finb im reiuften gotfyifcfyen <Sttyl, aber bie @emätbe blieben in

Italien. (5« toäre beffer feine Silber in ben Äirdjen ju finben, at« fo

biete ^ßfufcbereien. S)tc S3itberftürmerei gebort in ©exttfdjlanb nicfyt unter

bie Sßerbrecfyen.

$ucfy ber 3)om in 23o£en ift in einem eblen gotlnfcfyen (Sttyl erbaut,

unb ber STlmrm fefyr jierlicb unb runftboü.

0>rateng Sagefcud). ]8

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(San ©iorgic (in Verona) ift ein reibet unb munberoofler £empel

ber $unft. «Sanfooino'S Slrcfyiteftur fcfyön nnb einfach, nnb iljrer mürbig

bie fu^el oon (Sammidjete. Söet ben ©emälben njtrb ba% Singe bura?

nichts 9ftittelmä§igeS beleibigt 3d) (ernte toon ben alten SMern mieber

einige lernten, nnb formte mict) mdjt genng über ben $fteid)tt)um ber alten

oenetianifcfyen ©djule oeriounbern. 9Jcet)rere SBrufaforjt nnb (£aroto finb

fe^r anmutt)tg, befonberS ein (Sebaftian beS (enteren unbefcbreibtict) fd)ön.

(Sin anberer i)errlicfyer 2)caler ift a £ibri§, oon bem eine SQcutter ©otteS

mit bem JHnbe auf bem £t)ron, hinter it)r ber Söaum beS $arabiefe3,

§u Beiben leiten £oren$o ©iuftinian, ber erfte -ßatriarct) bon SBenebig,

nnb ber (Sdm|i;)eitige $erona'§, &'. 3^no. ©efyr intereffant eine t)ei(.

(£äcitia oon p^orcfe ; auct) ein ferner £intorett ift ba< (Sin ganzer §immet

aber entfaltet ftcfy meun ber $ort)ang be§ §odjaltar8 aufgewogen torrb.

(Sin ;ßaoto $eronefe, fo frifet) a(3 06 er geftern gemalt roäre; an @t)arafter,

GEompofitünt, (Kolorit, toenn auet) niebt ba§ febönfte ma§ ict) oon it;m gefefyen,

boä) auf alte SSetfe foivoi)l bem SUeranber als bem (Sebaftian an bie

(Seite 3U fteü'en. (§s ftellt t>a$ Wfoxt$tti0i be$ 1)1. ©eorg oor. (gr

Iniet; bie §enfer8rued)te um tfyn t)erum„ mobon einer ein (Sct)toert t)ätt.

Oben in liebten äßöte erfebeint hk 9)cabonna mit bem 5Hnbe jrotfe^en

mnficireuben (Sugeln. 3U ü)un gügen, fdjön gnüppirt, finb brei fyerrlicfye

grauen, (Glaube, Hoffnung nnb £iebe. 3)aS gan$e S3tlb feuchtet bom

2Ibet ber ©eftalten, com ®fan$ feet garben. 9cur £igian r)at mict) fo

bezaubert.

17. ücooember. ^nuSbrud ©eftern s#benb3 l;ter angetommen, nnb

3nn§brurf nacb 17 -Sauren lieber gefefyen. (ginige ^inbererinnerungen

Ratten fiel) erhalten, nnb erneueten ftdt) auf eine angenehme SBetfc; benn

ber £ag mar, toierool)! fatt, fel)r Reiter, bie fcfybnformigen , mit frifct)em

<Sä)nee bebeeften Mfgebirge nehmen fta) fyerrlid) au§, unb bie t)etle (Sonne

ftiette auf beut golbenen 2)aä)e griebrict)3 mit ber leeren £afä)e, beffen

(Statue id) in ber 3)reifa(tig!eitöfira^e berounberte.

2lm gutj beö 23renner§, bei (Sterling, Ratten mir «Scfynee gefnnben.

£üe -ftacfyt bort)er fat) ict) ben Ebenbftern fo einfam unb traurig über

jenen entlaubten, befeuerten Sergen aufgeben, unb backte an SJenebig,

mo er ber ©efelligfeit nnb ber greube leuchtet.

-3n -^nuSbrucf fc^rieb tdj meine ©onette für grau 0. ©cfyeÜing ah,

unb la^ hl 2)ante'§ Purgatorio.

Page 295: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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3)te Statuen in ber granjigfanerfircfye entjücften midj. (£tma§ Sfteidfyereg

unb 3^er^^ereö a^ b^fe £>amifcfye, atö biefe grauengemänber tft nie in (Srj

gegoffen korben, diejenige ^tyftognomie bie mtd) am metften anjog ; mar

bie ber ^rinjeffin Sftargaretfya, bem £>au^in verlobt, aber oon $art VIII.

bem $aifer lieber ^urücfgefdjicft. Sfyc ganjeö ©cfyicffat liegt anf intern

®eftäjt.

3)a3 ©rabmal 9ttarimi(tan3 in ber äftttte ber Jftrcfye, mit feinen

2ftarmorba$re(ief§ oon $Ueranber (£olinu§ oon 9ftecfye(n gehört gemig

ju bem atterfcfybnften ma§ bie neuere 3 e^ in biefer Slrt i^eroorgebracfyt

f>at 9ftan glaubt lieber in Italien $u fefyn, unb aucfy bort toirb man

ferner feines ©(eichen finben.

5tm 19. Sftooember 2lbenbS 5 VLfyx traf icfy toieber in SQcuncfyen ein,

nad)bem id) nafyeju fiebert 3afyre nicfyt bort gemefen mar. ©egleicfy gieng

id? in§ §oftfyeater, too eine ttalterttfct)e Dper gegeben mürbe. £)a§ Drdjefter

ift fo mie man eS in -Stauen nicfyt $u fyeren bekommt.

Sftüncfyen bie ©tabt fanb id) fer)r oeränbert.

3n ber dauerte be§ 25icefomg§ mar mir ein 53i(b oon ba( $iombo

merfmürbig, bann jogen miefy §mei ©iorgione (eine 93cabonna unter einem

Lorbeerbäume, unb eine §erobta3 mit bem §aupt be£ Säuferg) auger-

orbentlid) an.

Steine ehemaligen §au§frauen, äftabame ©djmarg unb Sftabame

äftailer, (üben midj ^u £ifd?e, unb erinnerten mid) an manche luftige

©cene früherer Safyre, gtücfü'cfyere 3aljre ber Unbefangenheit, mo icfy, nodj

gänjlicb unbefannt mit mir felbft unb namenlos, ein ^ufriebeneö emftgeS

£)afet)n lebte.

2)a8 mieber neu aufgebaute Sweater befugt, ba$ ftdf> feiner Vollem

bung näherte. (£8 mar ba$u eine ©nlaßfarte nötfyig. 2Iuf ber großen

frönen SBüfyne ftefyenb, tonnte icfy nid)t umbin an miefy felbft ju benfen,

aber icfy ^meifette ob je biefe ^äume Oon meinen Werfen mieberfyatlen

toerben.

21. 9?ooember. Xtytanber befugt, aber nur feine grau getroffen.

S3ei ©tun§ äußerft freuublicfy empfangen, ein fdjlicfyter, unbefangener, liebend

mürbiger ÜJcann, bie tinber anmutig. 3)iefeS liebt (Sfyepaar tfyat afle§

mir Vergnügen ^u machen, icfy möchte faft fagen aüeS maS fie mir an ben

klugen abfegen fonnten.

2ibenbS bei $(einftf)rob gebeten, traf icfy bort einen fefyv oertrauten

18*

Page 296: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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greimb (2nge(t)arbt3 , Jtoße, ber in biefem Slugenblid mein 3immernad)bar

ift, Denn id) bin au§ ber 23orftabt, toc id} meinet Oncognito'S roegen

ot)ne alle 23equemlid)feit roolmte, inö „gotbene $reu$" gebogen. (Sin

berühmter GElamerftteler, Sdnnibt, mar and} ba. Sitte biefe SDhtftfer

roünfcbten baß id) eine Dp er fdjrtefce. 3d) laffe midj aber aus bieten

©rünben nidbt baranf ein. Söenn id) je ba^u £uft t)ätte, mürbe id) e$

am erften 2tun} anbieten.

22. 9Zooember. £t)tanber getroffen, ber mit Stu^^ügen aus ben

(Srammatifen alter europaifcfyen Sprachen befcbäftigt ift.

3)te Sßibtiotbefare 3dberer nnb 3)ocen fennen gelernt. -3d) ließ mir

ein paar §anbfd)riften ber ücibetungen, ben Loftan oon Sabi, nnb ^toei

£ioane ton Bernau geben, tie aber beibe nicbt ooltftänbig ftnb.

3n einem epeifefyaufe beim üfttttageffen 2(nfe(m geuerfcad) getroffen,

ber roenig G?rfreutt($e8 über feinen gefangenen SSruber mittbeilen fonnte,

an beffen (Sdutffat id? ben größten 2lntl?eit netmte.

23. 9?coember. SDttt £ötte in bie (Batterie.

(Sine ^eilige gamifte oon diapfyad au$ ber früheren 3^it Wien mir

nod) baS <3d)önfte. £voü ran G?t»f8 muß man mit £iebe betrauten.

ÜfctbenS rmberftanb mir.

9?atban 3cft(id)tegrotl lieber gefebeu.

1. Tecember. (Srft tyeute mehrere ber älteften JBefannten gefefyen,

tote (sdmtöfein, Sfyretty, 3d)ieber. untere traf id) früher. 2tber man

r)atte mid) oergeffen, roie id> felbft oergeffen t)atte. Od) fyielt mid) ^cr

bafyer mebr an meine neuen gremtbe, unb bin metft mit ^ölte nnb

^euerbad) umgegangen. 23ei 3tun$ unb Ätetnfdjreb fyaki id) red)t ange=

neunte (Stunden ^ugebracnt; unb in einer größeren @efellfd)aft bei @tunj

aud) feine <2d)toefter ©ectrine, bie geifrreicbe Täterin, toiebergefeben,

bie an meinen alten söefannten o. ^reiberg oerf)eiratt)et ift.

Sei xtfyierfd) in einer größeren ©efeüfd)aft muficirten ^euerbad) unb

-3utiu3 <5taf)(; ein anbermat mußte id) bort bie oenettanifcfyen Sonette

oortefen, Die fet)r günftig aufgenommen würben. 2lud> hä ©tag las id)

fie, unb beibe Sbegatteu, tie in beliebig getoefen finb, roaren in tt)rer

naioen 2Irt ganj baoon lungeriffen. 2)er 33eifaÜ biefer ganj unbefangenen

sDcenfd)en überzeugte mid) fcon ber ÜDarfteflunggfraft biefer ©ebicbte mebr

a($ ba§ Urtbeil emeö ÄunftrtdjterS mürbe geformt fyaben.

^ugger§ dompofition be3 £iebS ber £>iora, tie febr im ®eift be$

Page 297: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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®ebtd)tS ift, unb mir au§erorbentlidj mofytgefä'llt, fyat mir $rau ©tun^

jmeimal Oorgefungen.

£)en Sftfyampfinit kg id) einmal Bei fteinfd)rob , unb einmal Bei ©tun^,

mo ber 3ntenbant beg §oftt)eater3,§r. to. ^ßotgl, grrgegen mar. £)iefer

mar üerfjmbert ben legten Act gn Ijören, unb Bat ifytit biefen ben näd)ften

Sag öorjulcfeu. 3)iefi gefct)at), unb §r. o. $oißl fagte fet)r oiel jnm

£oBe beS ©twfg, erklärte ba§ it)m fomofyt 3bee als 3)arfteHung ungemein

gefielen, bat} er e$ auf bie 23ür)ne be§ neu ju eröffnenben großen £t)eater3

Bringen, unb and; im Steuern mit ber it)m ge^iemenben SBürbe ausstatten

unb fo barftetten (äffen motte, baß fetBft ber SDidfcfer merbe fagen muffen:

©o ift e§ auS meiner ©eete hervorgegangen. 2)a aBer bag publicum an

©tüde in biefer pfyantaftifdjen 5lrt nict)t gemöfmt fety, fo muffe e8 tt)eit$

burd) ben tarnen ben man bem ©tüd auf bem fomöbienjettet Beilege,

tfyeilS burd) einen ^rotog oorBereitet merben.

-3d) oerfprad) ben Prolog ju liefern, unb aEe3 barin $u ermahnen

roaS als ungeroolmt in biefem ©türfe auffallen fönnte, roop auct) bie

Anachronismen unb ä'lmlidjeS gehörten. £>enn fonft formte atlerbtngS

ber %aü eintreten baß baS publicum, rote and) ber 3ntenbant meinte,

üBer baS ©tüd gar nict)t jur SBefmmmg fäme, menn eS fo plö£tid) in

eine it)m fo frembe SBelt geriffen mürbe.

fülle t)at mir bie @efct)tct)te be3 ©imfon als einen bramatifd;en

©toff oorgefplagen. (£g mißfällt mir nid)t, unb id) miü bie §iftorie

nacfylefen. 2)te 23et)anblung mürbe fiel) met)r ber 5lntife nähern muffen.

£t)ierfct) erklärte bie oenetiantfd)en ©onette für bie Beften ©onette bie

in beutfd)er ©prad)e gefcfyrieBen fernen. $om $ftt)ampfinit fagte er: 3eber

anbere mürbe an ber flippe gefd^eitert fet)n ben 3)ieBftaf>t ju ibealtfiren,

felBft ba mo er nod) Bloßer 2)ieBftat)l ift.

AbetBert £ieBe£fmb mieber gefefyen, ber nodj ganj ber alte ift.

4. £>ecemBer SIBenbS unb 5. Borgens mürbe ber Prolog ^um

^tjampfinit gefd)rieBen.

3roei ©onette. 1. ,,©o fat) i&f mieber biet) nad) fieBen 3at)ren" jc.

2. „(£$ t)at fein fyätreS iöttb bein 33itb" >c.

<£o fafy id) toieber bid) nad) fieBen Saferen,

£)id), bnrd) bie Bett um feinen SKeift Betrogen:

3u metner erften SieBe Eingesogen

(Srfannf id) bid) an beinen Blonben paaren.

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3>ücf> reelle ^tnerjett mußt' ia) nun erfahren,

3)ie jeben frühem Summer überwogen!

3$ fonnte, tote bu mir borkt geflogen,

üftur faum betn göttliches *ßroftl geroabren.

Sftun muß iä) roieber jftefn bid? unb entfagen,

©enießenb eine flüchtige <?efunbe,

2öa§ idj erharrt in mefyr als taufenb Sagen.

2Nid) grüßt fein 931icf-, fein Söort aus beinern üühtube,

Unb obne 9ftaß ertönen meine klagen

3n biefer nächtlichen, betrübten (gtunbe.

14. ©ecemBer. ®er Prolog ift erft fölie ädern borgefefen roorben,

baun Bei <Stun§ unb Stiierfcf), n>o icfy angenehme ©tunben $ugeBracf/t fyaBe.

£)ie @ef(f)tc^te beS ©imfbnS als bramatifdjeS (Sujet ift aufgegeBen,

fie ift nicr/t reid)fyattig genug, unb fbunte nur ein 2)rama im @tnn unb in

ber 5lrt ber ©rieeften geBen , ofyne beu mobernen ^orberungen ju genügen.

©efyr an^iefyenb bagegen ift mir bie ©efd)id)te SftefyaBeamS, mtemo^f audj

tyier alles Sntereffe in bie GHjaraftere gelegt werben mug.

3) er üBerfcfyrittene Urlaub Bringt Bittere ^rüdjte. £)ie 9curuBerger

GEommanbantfdjaft fyat bie Steife unb mein langes 2tußenB(ei6en erfahren,

unb ftcfy Beim (Srtanger unb Beim AnSBacfyer Sftagiftrat naefy mir erfunbigt.

3dj erfuhr bieß nodj in Sftündjen, unb bermutl;ete $crbruß.

3)te bieten, frei(id) fefyr mißlichen Semerfungen meiere tdj in Sftüncfyen

forooBl im §of = als im 5Sbrftabtt^eater üBer ben traurigen 3uftanb ber

beut)d)en 23ütme machte, Bbteu ftd? mir in einem jamBifcften @ebid?te bar,

bon bem icfy gtauBe baß e£ geeignet fetyn mochte bem erfteu, nicfyt für bie

ißülme Befttmmten, $rb(og beS ^ambfinit eiuberteiBt ju roerben. Wafy

beut Werfer

ömbfangt, genießt e§, liebt ben Siebenben!

t;eißt e£ bann weiter:

S3eget)ret rttct)t baß er auf einmal (5ucf> —3)od) gebt ü)nt SRaum!

Jhm [erließt fieft ber 33er3 an:

23 iä eurer SSäter eigne §errliä)feit 2C.

24. ^ecemBer. Qn ben testen £agen meines Aufenthalts in 9^ünd;en

(ernte tet) im englifcfyen $affeefyau|e ben alten 23i(bfyauer ß^riften fennen,

ber üBer £tfdj an einem ÜÄebaitton arBeitete. 3)iefer ©djibei^er hat fidfc>

Page 299: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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befonberS 1805 einen Tanten gemacht, als er in SJiaitatib $ur $eit ber

Krönung Napoleons 33üfte fertigte. (Sr mar fdjon bor ber Sftebotution

in Italien gemefen, fyattt in Sftom mit ©oetfye unb SDcefoer in einem

§aufe gelebt, unb mar nun nod) in feinem fed^igften 3afyre ein mafyreS

$inb bot! fdjto'etjerifdjer Dcaibetät unb Sreufyerjtgfeit. (Seinen Untermatbner

jDiateft I)at er ganj Beibehalten. £)abei fyat er, ofme äußerliche 5lrtig!eit,

eine große $unft beS Umgang^ unb entfdjiebene $lugfyeit. 2tn feinen

arbeiten, menu er fie für gelungen fyäft, fyat er eine finbtfcfye greubc.

©nmal fagte er, baß er in alle (Smigfeit fort ftdj bamit befduftigen

möchte. Qn 2Bien gefiel er ftdj fefyr. Sranj II. fytbe ifym eine ^enfion

geben moHen, bie er aber, bamafö nodj in befferen Umftänben, au3ge=

fdjlagen. 3n SBafet §abz er ben £orb (£aft(ereagfy öfters porträttrt, oon

bem er fagte baß er fd)ön mie SöacdmS gemefen fety« 9HIe8 ma§ bamafä

biefe (Snglänber über europätfdje ^ottttf berfyanbett fyätten, fet> fpäterfyht

budjftäfcftdj nacfy bem SBtUen ber (Snglänber eingetroffen. — ©eine ?yrau,

eine SBenterht, molntt bei Sßern auf einem £anbgute.

©ein SBater mar ein 23auer, hä bem er bie £)efonomie bon ©runb

au3 (ernte. $lber fd>ou in feinem achten 3a^re, ba er bie füfye fyütete,

"oabe er angefangen Silber in §ol^ $u fdjmfcen, ton beneu mehrere in

^ireben gefommen mären, unb fyäter Wixaki bemirft gärten. (Er fyätte

fte naeft gemacht, unb ben 2tnbäd;tigeu überlaffen fie ju beweiben. 9?ocfy

befinbe er fid) fo gefunb mie in feinem ^manjigften 3afyre.

(Ffyriften nun axhdtät mein Porträt in Sllabafter, ba3 icfy jum (^efdbenf

für meine Butter beftimmte. Ueber meinen $opf fagte er mir mehrere

fefyr frappante 3)inge, unter anbern baß id) ein fefyr großes 93ergegen=

märtiguugSbertnögen beft£e. $on ®oetl;e fagte er, er fety ber J^ibiaS

unter ben ($kleln*ten, ein Itrtfyeil ba$ ftcfy im Sftunbe eines 23ilbt;auer3

unb ©djmeijerbauerS ganj anberS ausnimmt als allenfalls in bem eines*

£iteratorS.

Söfät Hauptmann 2öeiSfyaupt mar tdj in ber ©Itmtotfyef , auefy £)berft=

lieuienant Sauer, ben alten Sefdn't^er meiner ^ßoefien, befugte icfy.

2lm ^eilmad^tSabenb mar icfy in ber Familie SfttngSeiS, meldje bie

©üte Ratten mir, mie ben übrigen ©äften, eine Keine dfyriftbefcbe-

rung oor$ufe£en. ®ie Banntet: ftnb fe^r gefdnnadooü mit $unft= unb

9?aturgegenftänbcn becorirt, morunter unter anbern ber @tmSabguß eines

ijerrttd>en SlntinouSfopfeS.

Page 300: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

280

£)ie Familie ©tunj überhäuft mid? fortmäfyrenb mit greunbfdjaft.

©tunjenS ftrenger $ater ^atte biefen feinen ©oljn <partmann Don 3ugenb

auf jnm Sftuftfer beftimmt, unb biefer mar fdjott in feinem eitften 3afyre

in (Strasburg öffentlich gefrönt Sorben, al$ er bei ber £)urcfyreife ber

frangöftfcfyen Äatferm eine Stteffe componirte. -öofeplnne motlte tfyn mit

itadj'SßartS nehmen, ma§ aber ber Alte aitgfdjfag.

-Sn trüber «Stimmung fam id) in (Srlangen an. (Erlangen fängt an

micfy ^u tangmeiten. Unerträglich ift ber titerarifcfye 2öuft, ber einem in

£)eutfcfytanb immer mieber entgegen fommt. 3)ie SDeutfdjen miffen einem

£)id?ter feinen anbern £)anf ^u bieten als 9?ecenftonen.

1825.

$om 2. -Januar bis jum 22. äftärj in Nürnberg im Arreft. (58

marb eine Unterfudmng eingeleitet, mehrere SBerfyöre auf ber ^aubtmacfye

gehalten, enblicfy bem Arreftanten erlaubt fid6> ju oertfyeibigen. £)od; gieng

bie ©ac^e langfam genug. (Srft mar id) jetyn £age in (Safernenarreft

;

bann vergönnte man mir, naefy einer Supptif, in §au8arreft §u bleiben,

bi$ bie Unterfudmng vorüber fety. §ermann unb feine Familie maren fo

gütig mid) aufzunehmen. (Snbtid) mürbe icfy uoefy §u einem oiermöcfyentttdjen

(Safernenarreft oerurtfyeitt. 3)a3 3numer mar fyer^Itcfy fcfyledjt, bo# gemöfynt

man ftcf> an aöe& Qfy ließ mir Don (Srlangen, mo Qmgelfyarbt unb

'jßudjta meine Angelegenheiten beforgten, 33üd)er unb 2Bäfdje fommen.

2ßäl)renb ber erften 3elm £age in ber (Saferne (a3 id) niedreres oon

(Salberon, unb legte bie le^te §anb an bie »enetianifcfyeu Sonette , bereu

Drud ^ucfyta in (Erlangen befergte. £)ann fcfyrieb id) bie (Srpofüion eines

Fleinen StüdeS, „ber £fyurm mit 18 (fo »iel märend im Anfang) Pforten,"

i>a$ bann bei ^ermann in fed)8 £agen aufyeaxbtiUt mürbe. $on einer

Nachbarin §ermann3, ber freiSrätfym $orte, bie öftere in« §au3 fam,

erhielt id) ben erften Unierrid)t im £'t;>ombre, mofür id) mid) intereffirte.

— Sonft ta3 id) otel ®riedn'fd) unb Sonftigeg, j. (5. bie ^fyantafteftüde

»on £offmann. £)er pan jum 9?efyabeam mürbe gemalt. (Sin £ieb ju

£riftan unb -Sfolbe mar fdjon früher gebid)tet morben.

£)ie Nibelungen mürben mäfyrenb meines gangen ArrefteS fleißig

ftubtert. Aud) an SBtguier (bem frangöfifefoen Söefannten aus beliebig)

jci)rteb id) barüber, ba id) ifym ein (Sremplar meiner (Sonette fd)tdte.

Page 301: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

281

Söäfyrenb meines oiertoödfyentticfyen (£afernenarrefteg tooflte icfy micfy

anfangs Bloß mit pfyilologifdfyen (Stubten Befd)äftigen , bod) trmrbe bie

^ßtobuction Balb oorfyerrfdjenb. <So entftanb ein profaifcfyer 2luffa£, „baS

£fyeater a(S 9?ationatinftitut Betrautet/' Fragmente ju einem fdjer^aften

©ebidjt, „bie Reiben eines bramatifdjen ptyttx®," ein ©ebtcfyt in £>iftidE>en,

„bie TObfyauer," «nb ein neues <Sd)aufyie(, toooon jebcd) bie (SrpofitiouS*

fcene fdfyon im oorigen (Sommer ntebergefcfyrieBen Sorben, baS ben (Stoff

»on 5lucaffm unb Dftcolette Befyanbeft, unb „£reue um £reue" Betitelt

toirb. Qd) tarn BtS in ben vierten ^Tct, unb mußte eS nun toegen fanget

an $ät unb (Sammlung unterBred)en. 3n StmSfcadj, mofyin idfy biefer

£age ju reifen benfe, toirb e£ hoffentlich ootlenbet toerben.

23ei ber Sftütffefyr nacfy (grlangen *tt)urbe id> allentfyalBen freunbticfy

empfangen; eS fanb ftd> unter anbern ioteber ein 23rief oon §orntfyal

»or, megen feines -Journals. 3dj »ertoieS it;ri an (Sngelfyarbt, ber biefe

£)ftern nad) SßamBerg fommen toirb, unb ber ifym münblicfy meine sD?ei=

nung fagen mag.

5lu Pudert fanbte idfy mein (e£teS nod) üBrigeS (Sremplar beS

Sftfyampfimt, ber eS oieüeicfyt burd? Söangenfyeim an £ted nacfy 3)reSben

Beforbern fann.

23, Wdv%. 5)tefen 2IBenb erhielt icfy einen ünmber(id;en 23rief, ober

oielmefyr ^toei ®ebidfyte oon einem unBefannten Frauenzimmer, nadfy bem

^oftfiegel aus ^ür^Burg. (Sie nennt ftd) «Sione, unb fagt baß icfy tfyren

toafyren tarnen nie erfahren toürbe. 3>te ©ebidfyte fcfyrieB fie, nacfybem

fie baS £ieb auf ben Xvt> ^ernettS unb meine Zueignung an SdjeÜing

gelefen fyatte, unb fie Be^iefyen ftd) bafyer Söort für 2öort auf biefe (Sachen.

(Sie finb fefyr melandfyolifdj, unb bie £>ame tr>ünfd)t nidjtS anbereS als

baß id) ein £ieb auf iljrem ($raBe fingen mödfyte, unb fagt, menu idj oon

ben 9ttenfd)en oerfannt fei), fo fei) toenigftenS (Sin §erj bem icfy bie

fdjönften (Stunben unb luafyren ^rieben gefdjenft fyaBe, inbem fie meine

®ebid)te auf eüoaS §öfyere3 fytngennefen.

3Son (Snbe W&x% toar idb in $lnSBacfy. 2lnt 17. 2tyri( gieng id) nad)

Erlangen jurüd, n?o id) midi nidjt mein* ganj Befyagüdfy füllte. S)er

5lufentt)alt in SBenebig unb 9ttünd)en Ijatte mir bie SBorjüge einer großen

(Stabt toieber oielfac^ nafye geBrad^t. Steine ^reunbe in Erlangen, tyn&fta,

(angefärbt u, a. finb für einen häufigen Umgang $u fe§r Befd^äftigt

9^un giBt eS freiließ Stilen loo ic^ felBft fetjr Befd^äfttgt bin unb niemanben

Page 302: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

282

bebarf, aber lieber anbete too icb xisfyt eigentlich faullen^e, ein ©parier*

unb SBirtfySfyauSteben füfyre, urtb micfy gern unter beuten fefye, unb tote

lagt ftdj baS in einer i(einen ©tabt realifiren? (kroßere Reifen finb mir

burd) ©etbumftänbe unb bnrd) meine Function unterfagt

-3n SlnSbacfy fab id) aud) ©ombart ioieber, ber bort angeftettt unb

ü erfyeirafyei ift, unb laS, ba ^ermann burcbreiste unb einen Stbenb Sei

metner SDcutter .^ubracfyte, bte erften Stete Oon „£reue um <£reue" oor,

toobei auefy 9D?erf gegenwärtig loar.

3d> fam in SlnSbacfy mit „£reue um £reue" nur hi$ $um (£nbe beS

vierten SlctS. £>ie Beiben legten Slcte finb fdjtoer ju feinreiben, eben roeit

fie teidjt finb. 3)er (Stoff ift mir nidjt mein* redjt httereffant, unb idj

teerte miefy efyer nadj einer anberen Sirbett. Ofafyabeam, Sriftan unb

3folbe, Oboacer fdjtoeben mir oor. Sludj bie ®efcfyid)te ber ©a^burgtfcfyen

SluSgetoanberten , bie mir einmal Bettina, Oorfcblug, loünfcfyte icfy ju

bearbeiten.

21. Styrit n)ttrbe in (Erlangen „£reue um £reue" ooüenbet. 3)a3

©ebtoerfte toar ber oierte %ii, mit bem icfy auefy am ioenigften aufrieben

bin. -3$ fyabe auefy länger baran gearbeitet als an ben oier anbern $u=

famtnengenommen.

9tacfy Slbfcbtuß eines folgen SBerfeS tritt bei mir immer eine £ücfe

ein, bte unerträglich ift. 3)abei ärgere icfy miefy eüoaS @uteS gemalt §u

fyaben; benn baS publicum toirb eS nicfyt anerkennen, bie £fyeaterbirectoren

toerben eS nic^t aufführen , unb bie 9?ecenfenten toerben mir <2ottifen fagen.

£aS ift baS <Sct)tcffat eines bramatifcfyen £>idjterS in £eut|d)lanb.

21m 1. 9)cai toar icfy toie getoölmlicfy auf bem 2BafyurgiSberg , biegmal

in Segleitung §toeier (Stubenten, frommet unb ^ßfeufer auS Bamberg,

mit benen icfy in ber testen 3eit öfters 3u[ammen fam.

Slm 3. SJtai tourbe „£reue um £reue" oor einer größeren ©efelt=

febaft oorgetefen. Slm 5. fam bie Samberger Scfyaufptetertruppe nad>

9cürnberg, unb ich bejcfytog, auf ©Dellings dtath unb auS eigenem antrieb,

biefe ©elegenljeit ju benu^en um biefeS mein neuefteS ©tue! auf bie

Sühne ,$u bringen.

%m 10. ^Roi übergab id) bann bem £irector Sßeinmülter ein

(Srentplar, ber eS fein* beoot annahm, tfyeilS toeil (£nge(fyarbt, ber als

^rorector über baS £l>eater ju oerfügen fyat, eS ünn recommanbirt Ijatte,

tfyetlS toeil bie Stubeuten ifym fcfyon baoon ge[^roc^en Ratten, unb bann,

Page 303: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

283

weit er ftdj> wenigftenS fyter, mit biefem ©tücf ein oeüeS §au3 oerfyredfyen

barf, wäfyrenb gegenwärtig ba8 £t)eater faft immer teer ift. (Sollte „Streue

wm Streue" Beifall ftnben, unb bie £rmppe ft<^> nodj fo lange aufhalten,

fo Werbe idj au$ ben „gtäferneu ^antoffet" einftubieren (äffen.

21. 9flat. D^ur)( fdfyreibt mir baft man auf bem $önig$ftäbter Stfyeater

in Berlin burd) Vermittlung eines Baron SDcinutoti ben „gtäfernen $aw=

toffet" unb ben „Bereugar" wafyrfcfyeintid) aufführen werbe, ben erften

mit 2ut3faffung ber ©teile gegen ^riebrid? IL ; ber „9?t)ampftnit" bagegen

fyaht Weber bei ben Stfyeatern, nocfy bei anbern ^erfonen in Bertin @lüd

gemalt.

2lu3 Sftüncfyen bie üftad^ricfyt ba§ o. $oi§t ben „$rt;ami;ftnit" aufführen

taffen Wolle, aber ba8 publicum muffe erft barauf vorbereitet fetm,

Uebrigen§ forme ber 2)id)ter ba8 §onorar in (Empfang nehmen, was

mir fet)r angenehm war, ba e§ mir bie •Jftögtidjfett eröffnete, im §erbft

Wieber eine größere Sftetfe ju mad^en.

(Sine 2lu§wabt ber 1822 au§ bem §afi8 überferjten @ebict)te jufammen*

getrieben;

fie follen einmal in einen 2Ilmanact) gegeben werben. §orntt)at,

ber wieberfyolt um Beiträge für fein neues Stafä)enbud} bittet, fott ben

„Stimmt mit fieben Pforten" ermatten.

%m 31. 9Jcat würben ju einer SBortefung be3 M9Wjampftmt" aucfr ftoä

©d^aufyielerinnen gebeten, bie für ben §ratt ber 2iuffüt)rung bie Collen

ber SDiora unb ber Bariniffa übernehmen foöten. S£)a ^ßfeufer aber ba8

SJttpdje einer 5Iuffüt;rung be3 „9t1?ampftnit'' burd; biefe Stru^e »orfieftte,

fo ließ ici) burd) biefen ^reunb, ber bi3t)er immer meine tt)eatratifd)en

Unterfyanblungen gepflogen £>atte, ber einen biefer ©djauftrieferinnert fagen,

fie mödjte ftdj ftatt be$ „$ftr)ampftnit" ben „gtäfernen Pantoffel" ^um

Benefij ausbitten.

2lm 3. -Öuniuö war bie 2efeprobe oon „Streue um Streue." ^ßfeufer

War babei anwefenb. SDie Sefeprofce fiel fet)r fdrtecbt au$.

2lbenb$ bei ©djetting, Wo ber Sftajor SBtttifen unb ber ©olnt be3

©eneralS 3)or! zugegen waren.

©Hubert fcfytug mir bor im $rüi)ting 1826 eine 9?eife uact) ®enua

unb Dft^a unb ben antiegenben lüften unb -Snfetn mitjuma^eit, nad)

£ioorno §u fahren unb einen 5lbfted;er nad) ^loren^ ju madjert.

14. SuniuS mit einer 2lbfdjrtft oon 3uffuf unb ©uteifa hzfäjäjÜQt,

Wooon bereite 1200 SSerfe gefabrieben finb.

Page 304: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

284

18. -3uniu§. (S$ ift fyeute eine prägnante $zi\ für micfy. „Xreue

um £reue" ift an allen ©traßenecfen angeflogen, $orgeftern, nacfy ber

(Sntfüfyrung aug bem ©erat!, mürbe ba$ ©tiicf amtoncirt; am 17. Borgens

mar bie erfte, 9?ad)mittag§ bie gweite, am 18. früfj bie britte $robe.

-Scfy mar im ganzen jufrieben; e3 gieng beffer afä icfy ermartete.

SBiele ©teüen, oiele (Scenen mußten fretltdf> oft re^etirt merben. 3cfy

oerbefferte bie Sdjaufpieter oft menn fie fehlten; bod) ließ icfy nie ein

2öort be3 33ctfaK3 merfen, unt> gieng immer friß, mie ber @eift be8

©tficfö, jtotldben ben ©pielraben fyerum; benn ict) mar $u bemegt um ju

ftfcen. £a tcr) (ie aber fonft immer mit ber größten ^öffidjfett ber)anbe{te,

fo fonnte id) tfjre ©nnft mfyt oerlieren, unb reijte ifyren öfyrgei^. 2lucfy

motten bie banfbaren Collen be§ ©tücfS ju meinen ©unften mirfen.

(Srft ^>eute bei ber Hauptprobe gab ict) am @ct)(u§ be§ fünften 2lct3 burct)

Äfotfdjen meinen 33etfafl 3U ernennen, ber um fo met)r auf fie mirfte,

unb bei bem jte mir ade redjt frofye @efid)ter machten. 5)ie fefcte ©cene

mürbe fet)r gut getieft, unb hd ber 2öiebererfennung ber Siebenben

nahmen aucfy bie 9cebenperfonen unb ^iguranten ntdjt bloß ben ge=

f)eud)e(ten t^eatralifdjen SIntfyeil, fonbern man fab baß fte mit mafyrer

^reube ber §anblung folgten.

Page 305: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

285

22. 3uniuS. to 18ten, einige ©tunben bor beut Sweater, tarn ein

Reifet bon Sftütfert, meldjeS ©riefe an ben (Senat nnb an einige ^ßrofefforen

enthielt, bie xfy fogteid) beforgte. (53 ift nämtid? ftatf im 2Berl ifym

fetner Neigung unb feinen 33ebürfniffen gemäß bie fyieftge $rofeffur ber

orientalifdjen «Sprayen $u berfcfyaffen, bie burefy $anne'3 £ob ertebigt

toorben.

3<fy berfügte mid) batb m$ ütfyeater, fanb jnerft faft nodj niemanb,

nnb trieb midj bann in ben @arberoben fyerum , too mir einige it>r GEoftüm

jeigten u. f. m. -3$ fyatte audj im einzelnen nodj manches $u erinnern,

mag idj bei biefer Gelegenheit anbrachte. Sftit meinem Wucafftn, §rn.

Sftüfytborfer , mar td) lange allein, mäfyrenb er einige Gebern auf feinen

§ut näfyete. 3$ fpradj toenig, mie er, unb befanb miefy in einer eigenen

Stimmung. 9?ur über einige ©teilen, bie idj mit befonberem $euer

gefm'eft münfdjte, lieg idj nodj ein paar 2Borte fallen, bie er freunblicfy

aufnahm. @« ift ein junger Sftenfdj Don einem burcfyauä jterttdjett

Beugern, gemanbt in aßen arbeiten bie auf baS Sweater 33ejug fyaben,

mie er benn and} baS £)ecorationSmefen faft au§fdfylie§lid) beforgt, unb

felbft babet matt. 3um (Srnften fyat er entfdjiebene Anlage, jum

SöurleSfen, mie t% in ben Sitener 35olföftütfen oorfommt, bießeidjt nod)

mefyr. Ute (Stabert, als §err b. ©pringerl tarnt man ilm nidjt ofyne

2Bol;(gefaUen nnb 33efriebigung fefyen. 36 glaube baß im ganjen etma3

23ebeutenbe8 au$ ifym merben fann. Ttan fann fagen baß er ben Wucafftn

gut fpiette, nur im erften Slct nicfyt pfyantaftifd) genug.

TO tdj aümäfylidj bie erfte 3)ecoration vorbereitet, ©tttljl unb Sttfdj

gefegt fafy, an melden (Sarin ba$ ©türf eröffnen fottte, marb mir in ber

Stfyat etmaS unfyeimlidj. 3)te £ogen maren frü^eitig boll, mie icfy, am

äußerften (Snbe beS 53ort)ange3 ftefyenb, bemerlen tonnte, baS parterre

hingegen blieb leer bis fttrj »or Anfang ber Stymplmnie. SDfe ^3ein

meld)e icfy babet empfanb läßt fidj benfen. Ocfy fyb'rte einen Sampenpufcer

fagen baß §r. 2Beinmüller fyeute nicfyt einmal feine Unfoften Verauslagen

mürbe. «Später feilen , ma§ tdj nidjt mefyr fal; , gegen Imnbert (Stubenten

jugleicb gekommen fetm. Ocfy oerfügte mtcfy in ber bitterften (Stimmung,

Page 306: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

286

nicfyt einmal bie 9?eugierbe ber (Srlanger reiben $u rönnen, in bie

£t)eater!oge tinfS, bie für ben $rorector Beftimmt ift, unb Wo itfy mit

^Pfaff nnb (Sngetfyarbt ^ufammen fam. £>a8 parterre war inbeffen ^iemücr)

ootf geworben , ber erfte Slct gieng gludtidj »orüBer , nnb Würbe am (Snbe

fe^r Beftatfdjt, ba BefonberS ba3 „@nte Wafyt" nnb tt>a$ biefem oort)er=

gieng gefiel $dj füllte nun immer met)r wie gut ftdj ba3 ©tfitf auf

bem Realer au8ner)me, nnb fcfyöpfte äftutt). 9^ac^ jebem 5lct gieng idj

gewölmlidj in bie £oge Wo ©djelTingS waren, unb Wo idj immer 5luf=

munterung fanb. 2)en ^weiten 5lct braute 3)b'berlein in unferer £oge

$u, ber mir fagte ba§ §ermann oon Nürnberg ba fety, ben idfy eingelaben

fyatte. ©er ^weite 2lct machte Bebeutenben (Effect, unb würbe mit einem

oietftimmigen 33raoo gefdfytoffen. 9?od) mefyr ber britte. 3)a3 ^uBticum

füllte fogteidj ben äöenbepunft be$ ©tttdfä, unb bie 9?ebe SlucafftnS,

welche „Rettung, Rettung" anfängt, würbe auf ba§ (autefte Beftatfdfyt,

ba§ einigemal wo ein WpplcaxS or)ne IBgang eines ©(^anf^ieterö ober

©dfylu§ - eineö fceS Oorfom. 3d) Braute ben Dritten in ber gegenüBer-

üegenben Sfyeaterloge Bei 93cet;me( gu, Wo idfy fc Wenig atö in ber oon

(Sngetfjarbt oom parterre gefer)en werben lonnte. Wltyrnd fragte micfy

naefc Dftidfert, ber ifym auf mein Stnfttften gefdjrieBen Ijatte , ba er bie

rechte §anb ber pfyttofopfyifdjen ^acnttät ift. Qfy tonnte it)m bie günftigfte

Sfagfunft geBen. Wafy biefem Stete gieng idj ju §ermann, ber mit Pfeiffer,

(SfStoerger unb anbern in einer £oge war, nnb lub um ein nadj ber $or=

ftetlung mit $u ©beding ju fommen, Wooon idj legieren Benad^ridfytigte.

£>er toierte Stet Braute eine unerwartete 2öirfttng fyeroor, unb fdjtog mit

einem raufdjenben 23eifalt. £>ie @r)afe(e würbe recitirt, oon einzelnen

Stccorben naefy jebem 3)iftid)on unterBrodfyen; bod) feilte fie toät metobifcfyer

gefyrocfyen werben füllen. @ie mad^te gteicfywofyt (Sinbrud. UeBerljaupt

Würbe im ganzen recfyt gut gezielt, unb ber rafdje @ang ber §anblung

ri§ bie ©dfyaufpieter oon Stet ju Stet mit fort. 23erfto§e im einzelnen,

gegen (Sinn unb ^I$tt)mu§, famen freiließ genug oor, fetten aBer oom

^3nBticum entfdn'eben Bemerkt. <pr. Äürjinger, wieWofyt ein fcfyon Bejahrter

©dfyaufpieter, führte ben -fturebbin gtütfticfy burd), unb in ber testen

©cene, ate er mit ber $acfet fommt, pette er wafyrfyaft fünftterifd) unb

^inretßenb. ©eine $erfon gehört ju meinen ^inbererinnerungen, ba er auf

bem äftündmer §)oft^)eater f^iette, aU id^ 1806 nad) 5D^ünc^en fam. ©eine

©djwefiet, eine Täterin (er fetBft ift ^a(er), porträtirte mid) bamat^.

Page 307: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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23. -3uniu$. 2Bie icfy fydter borte, Ratten fcbon nad) bem buttert

5lct bie ©tubenten befcfytoffen mid) fyerau^urufen, 9?ad) bem mcrten fam

$rof. ©öbertein, mie mir §ermann erjäfytte, in bie Soge mo leitetet

mar, unb munterte auf ben £)id)ter berau^urufen. 2lber man mad)te

it)m bemerflid) ba§ bergteidjen nur oom parterre ausgeben fönne, meit

bie Sogen feine jufamment)ängenbe gartet fettbeten , unb mdjtS burd)3ufe|en

oermöd)ten.

©er fünfte Slct gieng ebenfalls gut oon ftatten. £)te Ie£te @rjä^*

fang $loreftan3, SlucaffutS Slntmort, bie (§ntfd)leierung, bie gurütfgabe

be8 ©tf)mert3, unb enblid) bie (ersten 2öorte beS ©roubabourS ooHenbeten

ben ©nbrud. (Sngefyarbt unb -ßfaff Ratten mir geraden gteid) nad)

gefallenem SBorfyang Soge unb £t)eater ju oerlaffen, mag id) aud) im

begriff mar ju tt)un. 3lber .faum befanb id) mid) im (£orribor, als id)

meinen tarnen fo getlenb im Sweater mieberfyaUen Ijörte, ba§ e£ mid)

frühen machte. Od) Hoffte an bie ©d)etlmg'fd}e Soge, mo ict) beö Sdrm3

megen ntdjt gteid) gebort mürbe. ©d)elling fam mir enblid) entgegen,

unb jagte mir baß id) gerufen merbe. -3d) bat ifjxt um Waty roaS td)

tt)un folle. (Sr meinte baß ein grember hierüber unmöglich £ftatt) geben

fenne, unb baß idj il)n fel)r in Verlegenheit fefce. £>berft 9ftaffon, ber

babei mar, rietl) mir mid) an ber Soge gu geigen; aber niemanb mürbe

mid) geje^en t)aben, ba alle Sßttde auf8 ^ßrofeenium gerietet mären-

der Sann bauerte fort 3)te ©d)auf|)ieter motten mir t)etfen, man $og

bie ©arbine auf, unb lünbigte bie gauberftöte f#r ^ßn fß[g enben £ag an.

Slber laum mar ber Vorgang mieber gefallen, fo oerboppette fid) ba3

©ef(t)rei, ©eftampf, ©ef(atjd), unb e3 mar ein 2lufrur)r ai$ ob ba$

§au$ einfallen feilte. (Sngelt)arbt aU ^rorector mar fd)on im begriff

^inunter^ueiten, um bie ©tubeuten ju beruhigen. Slnd^ aus ben Sogen

flaute eg nun fyaufig: „ber £>id)ter! ber £)id)ter!" -öd) füllte baß mir

leine 2Baf)l gelaffen mar, unb eilte auf bie SBüfyne. ©ort mürbe id) oon

©d)aufyielern unb anbern empfangen, bie um mid) t)erum fdjrieen, ba$

,3eid?en jum ^utfjiefyen be3 33orI)ang3 gaben, unb mid) m8 $ro|cenium

t)inauSfd)ieben mollteu. 3d) bat fie nur einen Slugeubtid rut)ig ju fetyn,

bamit id) mid) fammeln fönne. ©ie mürben enblid) ftill, unb in fur^er

3eit erfd)ien id) auf ber SBütme, Oon einem unmäßigen SBeifaK begrüßt.

Sine tiefe ©title erfolgte aU id) fielen blieb, unb id) fjatte nun Raffung

genug um folgenbe SBerfe §u fpredjen:

Page 308: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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3br, beren ©unft frer 2)id?ter Beut befa§,

iöießeidtf in feinem ganj gemeinen 9)caJ3,

(Srmuntert ferner um mit Sieb' unb ©unft,

2>amit er fteigre feine fdnraäbe Ännft!

2$erfe, auf melcbe ein bunbertftimmige§ 23rabo erfolgte, miemobt jtc meniger

burdj ficr) felbft gelten fcnnten als burd? bie begeifterte Stimmung, burd?

ben 9(u§brucf mit bem fie gefagt mürben, burcb bie feierliche (Steigerung

be§ jmeiten unb ben correfbonbirenben f?att be§ bierten SScrfcS. 3n ber

SPjat mürbe bie gange SBorfteffung äu§erft unbefriebigenb geenbigt baben,

menn icfy nic^t auf ben Brettern erfcbienen märe.

3$ eilte nun in bie ©arbercben, um ben (Scbaufpielern $u banden,

unb bon ba au8 bem Sbeater burcb ben §cfgarten ju (Scr/eUtngS , mo idj

eingefaben mar. ©egenmärtig maren nocb $faff mit feiner $rau, &app

mit ber feinigen, ßngel^arbt,;ßud)ta unb $>ermarat. £)a3 ©efpräd)

mar lebbaft, unb meine ©efunbbeit mürbe au3gebracbt. Scbelling na^m

augerorbentlicb fielen $Intbetl am erfteu ©elingen meiner tbeatralifcben

2aufbafnt, er ermunterte micb einmal über§ anbremal, unb fagte ba§ icb

burcb bie poetifcbe Beübung rte icb meinen £anfroorten gegeben, ber

ganzen £arftellung bie fcne aufgefegt babe. Csr erjäfylte biel bon ber

SBlütfye be§ Söetmarifcben übeaterS unb einigen (Scbauiptelerinnen, bie

bamalö (S^cct)e macbten, unb meift bon ©eet^e gefeiert mürben.

^ermann blieb bie 9?acr;t über bei mir, unb icb begleitete tfyn am

fclgenbeu Georgen über £raft§bef naefy Ücürnberg, oon too icb beö SIbenbS

^urücffubr. 3nt geftrigen derreftonbenten ftefyt eine Slnjeige über bie

5luffü^rung meinet 3tücf3, tie ebne S^2^^ öon Hermann fyerrüfyrt

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1796 - 1825,

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1860.

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Page 316: August, Graf Von Platen - Platens Tagebuch 1796-1825

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