Aus dem Bereich der Vereinten Nationen · bedingungen wurden durc deh n seit 1 Jah3 ren anhaltenden...

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Aus dem Bereich der Vereinten Nationen Berichte Nachrichten Meinungen Wirtschaft und Entwicklung Afghanistan: >Operation Salam« reduziert ihre Programme - Politisches Umfeld wei- terhin schwierig - Abnahme der interna- tionalen Hilfsbereitschaft - Zwischenbi- lanz der UN -Bemühungen um den Wieder- aufbau des Landes (27) (Vgl. auch Sadruddin Aga Khan, Haupttu- gend Geduld. Die Vereinten Nationen und der Wiederaufbau Afghanistans, VN 3/1990 S.81ff.) »Angesichts dessen, daß ein Ende des Kon- flikts in diesem schwergeprüften Land noch nicht in Sicht ist, angesichts auch der Entwicklungen und drängenden humanitä- ren Notlagen in anderen Teilen der Welt ist die internationale Gemeinschaft zuneh- mend unempfindlich gegenüber dem Krieg in Afghanistan und dem Leiden seiner Menschen geworden«, hielt Benon Vahe Sevan Ende Juli bei der Vorlage des Sach- standsberichts zur internationalen Afgha- nistanhilfe (»Operation Salam Progress Re- port«) fest. Der Zyprer, der - zuvor bereits persönlicher Beauftragter des UN-General- sekretärs Javier Pérez de Cuéllar für Afgha- nistan zu Jahresbeginn die Nachfolge von Sadruddin Aga Khan als Koordinator für humanitäre und wirtschaftliche Unterstüt- zungsprogramme der Vereinten Nationen in bezug auf Afghanistan übernommen hatte, mußte mitteilen, daß der Haushalt dieses 'Unternehmens Frieden' für 1991 um 31 Mill US-Dollar (von den 136 Mill ei- nes ohnehin schon kräftig gestutzten An- satzes auf nunmehr 105 Mill) gekürzt wur- de - mit dem Ergebnis, daß 57 Projekte in wichtigen Bereichen (so bei Impf program- men, für Behinderte und in der Minenräu- mung) im Umfang reduziert oder gar gestri- chen wurden. In der Tat steht Afghanistan, vor Jahren einer der wichtigsten Punkte der internationalen Tagesordnung, längst im Schatten anderer Ereignisse der Weltpoli- tik. Die Vereinten Nationen und Afghanistan Schon vor dem Sturz von König Sahir Shah 1973, dem Bürgerkrieg in Afghanistan und der Intervention der Sowjetunion En- de 1979 hatte Afghanistan mit den charak- teristischen Problemen eines Entwick- lungslandes zu kämpfen. Seine Infrastruk- tur war wenig entwickelt, Industrie nahezu keine vorhanden, und die Landwirtschaft reichte kaum zur Ernährung der eigenen Bevölkerung. Afghanische Produkte sind auf dem asiatischen Markt nicht konkur- renzfähig, das Bildungsniveau ist niedrig, die Analphabetenrate mit über 90 vH be- sonders hoch. Die afghanische Bevölke- rung muß bis heute um ihr tägliches Über leben kämpfen; trotzdem ist sie stolz auf ihre Kultur und ihre politische Autonomie. Die an sich bereits ungünstigen Rahmen- bedingungen wurden durch den seit 13 Jah- ren anhaltenden Bürgerkrieg weiter ver- schlechtert. Geschätzt wird, daß eine Mil- lion Afghanen durch den Bürgerkrieg um- gekommen sind, daß über zwei Millionen Menschen zu Krüppeln, über 700 000 zu Witwen und Waisen wurden. Etwa ein Drit- tel aller Dörfer in Afghanistan ist zerstört, zwei Drittel aller Straßenverbindungen sind für den Verkehr unbrauchbar. Afghanistan wurde seitens der Sowjetar- mee und auch einiger Gruppen von Mud- schahedin mit etwa 30 Millionen Minen übersät, was - mit Auswirkungen für die kommenden Jahrzehnte - Afghanistan zu einer wirtschaftlichen Wüste werden ließ. Unzählige Afghanen haben ihr Land verlas- sen, rund fünf Millionen davon leben unter übelsten Bedingungen in Flüchtlingslagern in Iran und Pakistan; mehr als zwei Millio- nen Menschen wurden zu Entwurzelten im eigenen Land. Der überwiegende Teil der afghanischen Elite setzte sich ins Aus- land ab. Die Aktion der Vereinten Nationen zum humanitären und wirtschaftlichen Wieder- aufbau Afghanistans ist bewußt unter den Oberbegriff »Operation Salam< gestellt wor- den, eben weil es nach dem Abzug der So- wjetarmee nicht allein um humanitäre und wirtschaftliche Hilfsleistungen, sondern insgesamt um die Verwirklichung friedli- cher Verhältnisse im Lande geht. Durchgeführt wird die »Operation Salam< durch das Büro des Koordinators (Office of the Co-Ordinator for United Nations Hu- manitarian and Economic Assistance Pro- grammes relating to Afghanistan, UN- OCA). Daneben gibt es unabhängig vom UNOCA das Büro des Generalsekretärs für Afghanistan und Pakistan (Office of the Secretary General for Afghanistan and Pa- kistan, OSGAP), welches im März vergan- genen Jahres an die Stelle der Mission der Guten Dienste in Afghanistan und Paki- stan (United Nations Good Offices Mis- sion in Afghanistan and Pakistan, UNGO- MAP) getreten ist und die Entwicklungen im politischen Bereich beobachtet. Vom Mai 1988 bis Dezember 1990 hatte Prinz Sadruddin Aga Khan die Aufgabe des Koor- dinators inne. Mit Aga Khan, dem langjährigen Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, verbanden sich viele Hoffnun- gen, viel Geld wurde von Freunden Aga Khans für die »Operation Salam< gegeben; viele wollten »>for t h e Prince» arbeiten. Doch mit dem Fortgang der Kriegshandlun- gen in Afghanistan konnte die »Operation Salam< keinen wirklichen Erfolg aufwei- sen; Anfang Dezember 1990 erklärte Sad- ruddin Aga Khan seinen Rücktritt. Am 1.Januar 1991 übernahm der erfahrene U N - Bedienstete Benon Sevan zusätzlich zu sei- ner Aufgabe als persönlicher Beauftragter des Generalsekretärs für Afghanistan die Leitung des UNOCA. Unmittelbar zustän- dig für das UNOCA ist derzeit der Englän- der Martin Barber, der vorher für den UNHCR in Laos tätig war, für das OSGAP der Jamaikaner Huntley Andersson vom UN-Sekretariat in New York. Die Vereinten Nationen haben verschiede- ne Initiativen zu Afghanistan ergriffen, zu- letzt in der Fünf-Punkte-Erklärung des UN-Generalsekretärs vom 21.Mai 1991 (Text in: U N Doc. A/46/577), in der ein Waffenstillstand, die Bildung einer Inte- rimsregierung und freie Wahlen gefordert werden. Die Schwierigkeit dieses UN-Frie- densplans liegt darin, die unter sich zer- strittenen Mudschahedin-Gruppen an ei- nen Verhandlungstisch zu bekommen, was auf einer Konferenz in Teheran i m A u - gust 1991 und bei einem Folgetreffen in Is- lamabad im September 1991 bereits an- satzweise geschehen ist. Die Mudschahe- din sind aber weiterhin nicht zu Gesprä- chen mit Präsident Najibullah bereit. An- dererseits steht Najibullah unter Druck. Noch ist nicht entschieden, ob und wie lange Kabul weiter Lebensmittel, Öl und Waffen erhält. Seit Ende der siebziger Jahre beutet die Sowjetunion mit Zustimmung Kabuls Erdgasvorkommen im Norden des Landes aus. Sollte Moskau die Hilfslei- stungen sperren, würde dies das politische Ende für Najibullah bedeuten. Selbst wenn er dem Nachbarn im Norden den Zugang zum Erdgas verweigert, könnte es Jahre dauern, bis mit neuer finanzieller Hilfe - etwa der U N - das Erdgas entweder expor- tiert oder für die afghanische Bevölkerung nutzbar gemacht werden könnte. Najibul- lah hatte ein UN-Angebot, eine Pipeline von den Erdgasvorkommen im Norden des Landes nach Kabul zu bauen, abgelehnt. Somit kann, je nachdem wie die künftig für die heutige Sowjetunion Verantwortlichen über weitere Hilfe für Afghanistan ent- scheiden, der Bürgerkrieg in Afghanistan binnen weniger Wochen zum Ende kom- men oder noch ins nächste Jahrzehnt dauern. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die amerikanisch-sowjetische Verein- barung vom September 1991 über die Ein- stellung von Hilfsleistungen an Kabul re- spektive die Mudschahedin zum Jahresen- de tatsächlich durchsetzen lassen wird. Die Entminungsaibeit Aufgabe des U N O C A ist es, Hilfsprogram- me zu erarbeiten und mit Unterstützung der einzelnen UN-Einrichtungen (wie UNDP, U N H C R , F A O , U N D C P u n d W F P ) umzusetzen. Das UNOCA leistet humani- täre Hilfe für die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan und Iran. Die einzelnen UN- Agenturen nehmen in der Regel ihre Aufga- be in Form von Länderprogrammen wahr. Vereinte Nationen 6/1991 205

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Aus dem Bereich der Vereinten Nationen Berichte • Nachrichten • Meinungen

Wirtschaft und Entwicklung

Afghanistan: >Operation Salam« reduziert ihre Programme - Politisches Umfeld wei ­terhin schwierig - Abnahme der interna­tionalen Hilfsbereitschaft - Z w i s c h e n b i ­lanz der U N - B e m ü h u n g e n u m den Wieder­aufbau des Landes (27)

(Vgl . auch Sadruddin Aga K h a n , H a u p t t u ­gend G e d u l d . D i e Vere inten N a t i o n e n u n d der Wiederaufbau Afghanis tans , V N 3/1990 S.81ff.)

»Angesichts dessen, daß e i n Ende des K o n ­f l i k t s i n d iesem schwergeprüften L a n d n o c h n i c h t i n Sicht ist , angesichts auch der E n t w i c k l u n g e n u n d drängenden h u m a n i t ä ­ren N o t l a g e n i n anderen T e i l e n der W e l t is t die i n t e r n a t i o n a l e Gemeinschaf t z u n e h ­m e n d u n e m p f i n d l i c h gegenüber d e m K r i e g i n A f g h a n i s t a n u n d d e m Leiden seiner M e n s c h e n geworden«, h i e l t Benon Vahe Sevan Ende Jul i be i der Vorlage des Sach­standsberichts zur i n t e r n a t i o n a l e n A f g h a ­n i s t a n h i l f e (»Operation Salam Progress Re­port«) fest. D e r Zyprer, der - zuvor bereits persönl icher Beauftragter des U N - G e n e r a l ­sekretärs Javier Pérez de Cuél lar für A f g h a ­n i s t a n — z u Jahresbeginn die Nachfolge v o n Sadruddin Aga K h a n als K o o r d i n a t o r für h u m a n i t ä r e u n d w i r t s c h a f t l i c h e Unters tüt ­z u n g s p r o g r a m m e der Vere inten N a t i o n e n i n bezug auf A f g h a n i s t a n ü b e r n o m m e n hat te , m u ß t e m i t t e i l e n , daß der H a u s h a l t dieses ' U n t e r n e h m e n s Frieden' für 1991 u m 31 M i l l U S - D o l l a r (von den 136 M i l l e i ­nes o h n e h i n schon kräftig ges tutz ten A n ­satzes auf n u n m e h r 105 M i l l ) gekürzt w u r ­de - m i t d e m Ergebnis, daß 57 Projekte i n w i c h t i g e n Bereichen (so be i I m p f p r o g r a m -m e n , für Behinder te u n d i n der M i n e n r ä u ­m u n g ) i m U m f a n g reduzier t oder gar gestri ­chen w u r d e n . I n der Tat steht A f g h a n i s t a n , vor Jahren einer der w i c h t i g s t e n P u n k t e der i n t e r n a t i o n a l e n Tagesordnung, längst i m Schatten anderer Ereignisse der W e l t p o l i ­t i k .

Die Vereinten Nationen und Afghanistan

Schon vor d e m Sturz v o n König Sahir Shah 1973, d e m Bürgerkrieg i n A f g h a n i s t a n u n d der I n t e r v e n t i o n der S o w j e t u n i o n En­de 1979 h a t t e A f g h a n i s t a n m i t den charak­ter i s t i schen P r o b l e m e n eines E n t w i c k ­lungslandes z u kämpfen. Seine I n f r a s t r u k ­t u r w a r w e n i g e n t w i c k e l t , I n d u s t r i e n a h e z u k e i n e vorhanden, u n d die L a n d w i r t s c h a f t re ichte k a u m zur Ernährung der eigenen Bevölkerung. Afghanische P r o d u k t e s i n d auf d e m asiat ischen M a r k t n i c h t k o n k u r ­renzfähig, das B i l d u n g s n i v e a u i s t n i e d r i g , die Analphabetenra te m i t über 90 v H be­sonders h o c h . D i e afghanische Bevölke­r u n g m u ß bis heute u m i h r tägl iches Ü b e r leben kämpfen; t r o t z d e m ist sie stolz auf

i h r e K u l t u r u n d i h r e p o l i t i s c h e A u t o n o m i e . D i e an s ich bereits ungünst igen R a h m e n ­bedingungen w u r d e n d u r c h den seit 13 Jah­ren a n h a l t e n d e n Bürgerkrieg w e i t e r ver­schlechtert . G e s c h ä t z t w i r d , daß eine M i l ­l i o n A f g h a n e n d u r c h den Bürgerkrieg u m ­g e k o m m e n s ind, daß über z w e i M i l l i o n e n M e n s c h e n z u Krüppeln, über 700 000 z u W i t w e n u n d Waisen w u r d e n . E t w a e i n D r i t ­t e l a l ler Dörfer i n A f g h a n i s t a n is t zerstört, z w e i D r i t t e l al ler Straßenverbindungen s i n d für den Verkehr unbrauchbar . A f g h a n i s t a n w u r d e seitens der Sowjetar­mee u n d auch einiger G r u p p e n v o n M u d -schahedin m i t e t w a 30 M i l l i o n e n M i n e n übersät , was - m i t A u s w i r k u n g e n für die k o m m e n d e n Jahrzehnte - A f g h a n i s t a n z u einer w i r t s c h a f t l i c h e n Wüste w e r d e n l ieß . Unzähl ige A f g h a n e n haben i h r L a n d verlas­sen, r u n d fünf M i l l i o n e n davon leben u n t e r übels ten Bedingungen i n Flücht l ingslagern i n I r a n u n d Pakistan; m e h r als z w e i M i l l i o ­n e n M e n s c h e n w u r d e n z u E n t w u r z e l t e n i m eigenen L a n d . D e r überwiegende T e i l der afghanischen E l i t e setzte s ich ins A u s ­l a n d ab. D i e A k t i o n der Vere in ten N a t i o n e n z u m h u m a n i t ä r e n u n d w i r t s c h a f t l i c h e n Wieder­aufbau Afghanis tans is t b e w u ß t u n t e r den Oberbegri f f »Operation Salam< gestel l t w o r ­den, eben w e i l es n a c h d e m A b z u g der So­w j e t a r m e e n i c h t a l l e i n u m h u m a n i t ä r e u n d w i r t s c h a f t l i c h e H i l f s l e i s t u n g e n , sondern insgesamt u m die V e r w i r k l i c h u n g f r i e d l i ­cher Verhältnisse i m Lande geht . Durchgeführt w i r d die »Operation Salam< d u r c h das Büro des Koordinators (Office of t h e C o - O r d i n a t o r for U n i t e d N a t i o n s H u ­m a n i t a r i a n and E c o n o m i c Assistance Pro­grammes r e l a t i n g t o A f g h a n i s t a n , U N -O C A ) . D a n e b e n g i b t es unabhängig v o m U N O C A das Büro des Generalsekretärs für A f g h a n i s t a n u n d Pakis tan (Off ice of the Secretary Genera l for A f g h a n i s t a n and Pa­k i s t a n , OSGAP), welches i m März vergan­genen Jahres an die Stelle der M i s s i o n der G u t e n D i e n s t e i n A f g h a n i s t a n u n d Paki­s tan ( U n i t e d N a t i o n s G o o d Off ices M i s ­s i o n i n A f g h a n i s t a n and Pakistan, U N G O -M A P ) getreten is t u n d die E n t w i c k l u n g e n i m p o l i t i s c h e n Bereich beobachtet . V o m M a i 1988 bis D e z e m b e r 1990 h a t t e P r i n z Sadruddin Aga K h a n die Aufgabe des Koor­d inators i n n e . M i t Aga K h a n , d e m langjährigen H o h e n K o m m i s s a r der Vere in ten N a t i o n e n für F lücht l inge , verbanden s i ch v ie le H o f f n u n ­gen, v i e l G e l d w u r d e v o n Freunden Aga Khans für die »Operation Salam< gegeben; v i e l e w o l l t e n »>for t h e Pr ince» arbe i ten . D o c h m i t d e m Fortgang der K r i e g s h a n d l u n ­gen i n A f g h a n i s t a n k o n n t e die »Operation Salam< k e i n e n w i r k l i c h e n Er fo lg a u f w e i ­sen; A n f a n g Dezember 1990 erklärte Sad­r u d d i n Aga K h a n seinen R ü c k t r i t t . A m 1.Januar 1991 ü b e r n a h m der erfahrene U N -Bedienstete Benon Sevan zusätz l i ch z u sei­

ner Aufgabe als persönl icher Beauftragter des Genera lsekretärs für A f g h a n i s t a n die L e i t u n g des U N O C A . U n m i t t e l b a r zustän­d i g für das U N O C A ist derzei t der Englän­der M a r t i n Barber, der vorher für den U N H C R i n Laos tätig war, für das O S G A P der Jamaikaner H u n t l e y A n d e r s s o n v o m U N - S e k r e t a r i a t i n N e w York . D i e Vere in ten N a t i o n e n haben verschiede­ne I n i t i a t i v e n z u A f g h a n i s t a n ergri f fen, z u ­l e t z t i n der Fünf-Punkte-Erklärung des U N - G e n e r a l s e k r e t ä r s v o m 2 1 . M a i 1991 (Text i n : U N D o c . A/46/577), i n der e i n Waf fens t i l l s tand , die B i l d u n g einer I n t e ­r i m s r e g i e r u n g u n d freie W a h l e n gefordert werden . D i e S c h w i e r i g k e i t dieses U N - F r i e ­densplans l i eg t d a r i n , die u n t e r s ich zer­s t r i t t e n e n M u d s c h a h e d i n - G r u p p e n an e i ­n e n Verhandlungs t i sch z u b e k o m m e n , was auf e iner Konferenz i n Teheran i m A u ­gust 1991 u n d be i e i n e m Folgetreffen i n Is­l amabad i m September 1991 bereits an­satzweise geschehen is t . D i e M u d s c h a h e -d i n s i n d aber w e i t e r h i n n i c h t z u Gesprä­chen m i t Präsident N a j i b u l l a h bereit . A n ­dererseits s teht N a j i b u l l a h u n t e r D r u c k . N o c h i s t n i c h t entschieden, ob u n d w i e lange K a b u l w e i t e r L e b e n s m i t t e l , Ö l u n d Waffen erhält . Seit Ende der siebziger Jahre beute t die S o w j e t u n i o n m i t Z u s t i m m u n g Kabuls E r d g a s v o r k o m m e n i m N o r d e n des Landes aus. Sol l te M o s k a u die H i l f s l e i ­s tungen sperren, würde dies das p o l i t i s c h e Ende für N a j i b u l l a h bedeuten. Selbst w e n n er d e m N a c h b a r n i m N o r d e n den Z u g a n g z u m Erdgas verweigert , k ö n n t e es Jahre dauern, bis m i t neuer f i n a n z i e l l e r H i l f e -e twa der U N - das Erdgas entweder expor­t i e r t oder für die afghanische Bevölkerung n u t z b a r gemacht w e r d e n k ö n n t e . N a j i b u l ­l a h h a t t e e i n U N - A n g e b o t , eine P ipe l ine v o n den E r d g a s v o r k o m m e n i m N o r d e n des Landes n a c h K a b u l z u bauen, abgelehnt . S o m i t k a n n , je n a c h d e m w i e die künft ig für die h e u t i g e S o w j e t u n i o n V e r a n t w o r t l i c h e n über wei tere H i l f e für A f g h a n i s t a n ent­scheiden, der Bürgerkrieg i n A f g h a n i s t a n b i n n e n weniger W o c h e n z u m Ende k o m ­m e n oder n o c h i n s nächs te Jahrzehnt dauern . Es b l e i b t abzuwarten , i n w i e w e i t s ich die amer ikanisch-sowje t i sche Verein­b a r u n g v o m September 1991 über die E i n ­s t e l l u n g v o n H i l f s l e i s t u n g e n an K a b u l re­spekt ive die M u d s c h a h e d i n z u m Jahresen­de ta t säch l i ch durchsetzen lassen w i r d .

Die Entminungsaibeit

Aufgabe des U N O C A ist es, H i l f s p r o g r a m ­m e z u erarbei ten u n d m i t Unters tü tzung der e i n z e l n e n U N - E i n r i c h t u n g e n (wie U N D P , U N H C R , FAO, U N D C P u n d WFP) u m z u s e t z e n . Das U N O C A le is te t h u m a n i ­täre H i l f e für die afghanischen F lücht l inge i n Pakis tan u n d I r a n . D i e e i n z e l n e n U N -A g e n t u r e n n e h m e n i n der Regel i h r e Aufga­be i n F o r m v o n Länderprogrammen wahr .

Vereinte Nationen 6/1991 205

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D a die afghanischen F lücht l inge über ver­schiedene Länder verstreut s ind , z u d e m g l e i c h z e i t i g h u m a n i t ä r e u n d w i r t s c h a f t l i ­che H i l f e für A f g h a n i s t a n geleistet w e r d e n so l l , i s t es die Aufgabe des U N O C A , die verschiedenen U N - L e i s t u n g e n i n bezug auf A f g h a n i s t a n z u k o o r d i n i e r e n . D a d u r c h s o l l v e r h i n d e r t werden , daß s i ch e inzelne U N -A k t i v i t ä t e n überschneiden. So ha t das U N ­O C A Büros i n Is lamabad, K a b u l , Teheran u n d Termez . D i e Aufga ben des U N O C A l iegen vorrangig i m Bereich der P r o g r a m m e r a r b e i t u n g , i n der K o o r d i n a t i o n der A r b e i t der e i n z e l n e n U N - O r g a n i s a t i o n e n sowie i n der Überwa­c h u n g dieser A k t i v i t ä t e n i m R a h m e n des U N - P r o g r a m m e s für Afghanistan,- die Eva­l u i e r u n g w i r d te i lweise - w i e b e i m U N D P - v o n den U N - E i n r i c h t u n g e n selbst vorge­n o m m e n . D i e Aufgabe der E n t m i n u n g Afghanis tans ha t das U N O C A selbst i n A n g r i f f g e n o m ­m e n . Es unterhä l t e i n P r o g r a m m z u r Er­k e n n u n g v o n M i n e n , eine Schule zur A u s ­b i l d u n g i n M i n e n r ä u m u n g sowie e i n Pro­g r a m m zur m a n u e l l e n u n d zur m e c h a n i ­schen U n t e r s u c h u n g u n d Ü b e r w a c h u n g der M i n e n r ä u m u n g . D i e mechanische M i n e n ­räumung erfolgt d u r c h den Einsatz v o n z w e i M i n e n f a h r z e u g e n (-Flails'), die n a c h d e m D r e s c h f l e g e l p r i n z i p arbei ten . Das U N O C A hat z w e i N i c h t r e g i e r u n g s o r g a n i ­sa t ionen m i t der E n t m i n u n g beauftragt , die »Afghan T e c h n i c a l Consul tants - (ATC) u n d die >South-West A f g h a n i s t a n Agency for Demming« ( S W A A D ) . A T C u n d S W A A D haben zur Z e i t 27 E n t m i n u n g s t e a m s i m Einsatz, die s ich aus jewei ls 25 bis 27 M i ­nens uchern sowie sechs bis acht zusätzl i ­chen Hil fskräf ten pro T e a m zusammenset ­zen. D i e Aufgabe der E n t m i n u n g i s t recht gefährl ich; so s i n d be i den A T C seit Beste­h e n 1989 acht M e n s c h e n z u Tode g e k o m ­m e n , u n d über 30 M i n e n s u c h e r w u r d e n schwer ver le tz t .

Insgesamt is t der A r b e i t s f o r t s c h r i t t der M i ­nensucher ungenügend. Bis lang w u r d e n erst 40 Q u a d r a t k i l o m e t e r L a n d abgesucht. Eine Ursache hierfür ist , daß z w a r b is lang über 14 000 M i n e n s u c h e r ausgebildet w u r ­den, aber l e d i g l i c h 400 ta t säch l i ch v o n A T C oder S W A A D eingeste l l t w u r d e n . D i e ursprüngliche U N - P l a n u n g g i n g davon aus, daß die A f g h a n e n nach d e m A b z u g der Sowjetarmee unverzüglich u n d i n großer Z a h l i n i h r e H e i m a t zurückkehren würden. Desha lb w u r d e n zahlre iche F lücht l inge i n mehrs tündigen Kursen i m E r k e n n e n v o n M i n e n u n t e r w i e s e n . Diese M a ß n a h m e b l i eb vorerst w e i t g e h e n d folgenlos , da die F lücht l inge i n I r a n u n d Pakis tan b l ieben . D i e U N - M i n e n s u c h e w i r d überdies d u r c h die gebirgige Lage u n d die e x t r e m e n T e m ­p e r a t u r w e r t e erschwert . A u c h is t das K o n ­zept der E n t m i n u n g z u überdenken. I n D e u t s c h l a n d u n d i n der S o w j e t u n i o n w u r ­de n a c h d e m Z w e i t e n W e l t k r i e g m i t Pan­zern, vor denen Minenpfluggeräte ange­bracht waren , großflächig u n d kostenspa­rend e n t m i n t . Sch l i eß l i ch w i r d die E n t m i -nungsarbei t i n A f g h a n i s t a n d u r c h Bomben­abwürfe der L u f t w a f f e N a j i b u l l a h s i m m e r w i e d e r i n Frage gestel l t . D i e E n t m i n u n g Afghanis tans erschiene erfolgversprechend,

w e n n e i n W a f f e n s t i l l s t a n d zustande k ä m e , auch w e s t l i c h geschultes Mil i tärpersonal z u r E n t m i n u n g eingesetzt würde u n d eff i ­z ientere E n t m i n u n g s m e t h o d e n angewen­det würden. I n d iesem Sinne so l l te den Vor­schlägen i n e i n e m v o m U N O C A i n A u f t r a g gegebenen Ber icht z u r Verbesserung der U N O C A - E n t m i n u n g s a r b e i t v o m M a i 1991 gefolgt werden . M i t t e l f r i s t i g wäre z u prü­fen, ob eine A r t M i n e n r ä u m u n g s a g e n t u r bei einer der U N - U n t e r o r g a n i s a t i o n e n e in ­ger ichte t w e r d e n sol l te . Das P r o b l e m der E n t m i n u n g t a u c h t i m übrigen auch i m K o n t e x t anderer U N - O p e r a t i o n e n auf, et­w a i n der Westsahara oder A n g o l a .

Koordinierungsrolle des UNOCA

N e b e n der Durchführung des E n t m i n u n g s -p r o g r a m m s setzt s ich das U N O C A m i t t e l s der ' O p e r a t i o n Salani ' wei tere h u m a n i t ä r e Aufgaben z u m Wiederaufbau A f g h a n i s t a n s : i m Bereich der L a n d w i r t s c h a f t u n d der N a h r u n g s m i t t e l h i l f e , b e i m Wiedererr i ch ­t e n v o n Privathäusern u n d Gemeinschaf ts ­gebäuden, i m Gesundhei tswesen , i n der Wasserversorgung, i n der Aus- u n d For tb i l ­dung , m i t H i l f e n für beh inder te Personen, Frauen u n d z u r Drogenbekämpfung sowie i n Form e inzelner K u l t u r p r o j e k t e . U n t e r den verschiedenen E i n z e l m a ß n a h m e n n i m m t die N a h r u n g s m i t t e l h i l f e derzei t den größten Budgetposten e i n . D i e afghani­schen F lücht l inge i n Pakis tan w e r d e n d u r c h den U N H C R betreut , während i n A f g h a n i s t a n die A r b e i t des U N H C R d u r c h das U N O C A k o o r d i n i e r t w i r d . I n Pakis tan erhäl t e i n afghanischer F lücht l ing pro M o ­nat 12 K i l o W e i z e n u n d 600 G r a m m Spei­seöl ; bis z u m 1.Januar 1991 b e t r u g die R a t i o n pro F lücht l ing n o c h 15 K i l o u n d 900 G r a m m . U N H C R u n d WFP s i n d be­sonders bestrebt, daß die afghanischen F lücht l inge w i e d e r i n i h r e H e i m a t zurück­kehren , da die A f g h a n e n n i c h t dauerhaft i n Pakis tan oder I r a n leben k ö n n e n ; auch läß t das Interesse der W e l t g e m e i n ­schaft an den afghanischen F lücht l ingen nach d e m A b z u g der Sowjetarmee m e r k ­l i c h nach. Japan ha t seine Gelder für die »Operation Salam< n o c h w e i t g e h e n d einge­f roren , da die e igent l i che R e p a t r i i e r u n g n o c h n i c h t begonnen habe. A u c h h u n d e r t Lastwagen, die Japan e twa für Weizentrans­por te l ie ferte , s i n d bis j e tz t n o c h n i c h t i n Betr ieb g e n o m m e n . E i n gegenüber seiner A u f g a b e n s t e l l u n g m a ­ger ausgestatteter U N - B u d g e t - P o s t e n is t der für die afghanischen Flücht l ingskinder . Vie le K i n d e r s i n d V o l l w a i s e n , n u r wenige k ö n n e n eine der vere inze l t vorhandenen F lücht l ingsschulen besuchen. Insgesamt bra ucht das U N I C E F eine größere U n t e r ­s tützung i m R a h m e n der »Operation Sa­l a r y , besonders für die b e h i n d e r t e n K i n ­der. N e b e n den verschiedenen U N - M a ß n a h ­m e n is t die besondere Bedeutung des Inter­n a t i o n a l e n D r o g e n k o n t r o l l p r o g r a m m s der Vere inten N a t i o n e n ( U N D C P ) herauszu­s te l len . A f g h a n i s t a n steht i n u n m i t t e l b a r e r K o n k u r r e n z z u m sogenannten G o l d e n e n D r e i e c k u n d is t der zwei tgrößte O p i u m -u n d H e r o i n l i e f e r a n t Asiens . Ü b e r den D r o ­

genanbau i n A f g h a n i s t a n s ind k e i n e e m p i ­r i s c h gesicherten Z a h l e n vorhanden , doch dürfte die Hälf te des i l l e g a l n a c h D e u t s c h ­l a n d gelangenden O p i u m s aus A f g h a n i s t a n s t a m m e n . Z w a r is t der O p i u m a n b a u i n A f g h a n i s t a n seit Ende der fünfziger Jahre verboten , doch w a r er d u r c h die Z e n t r a l r e ­g i e r u n g i n K a b u l schon vor 1973 k a u m z u k o n t r o l l i e r e n . Festzuhal ten ist , daß der Bauer selbst n u r e i n e n geringfügig höheren G e w i n n hat , w e n n er s tat t Weizen O p i u m anpf lanzt . D o c h is t die O p i u m p f l a n z e i m r a u h e n K l i m a u n d auf d e m kargen Boden Afghanis tans w e i t a u s beständiger als jede Weizensorte . Erschwerend k o m m t h i n z u , daß i n A f g h a n i s t a n i n z w i s c h e n H e r o i n pro­d u z i e r t w e r d e n k a n n , das q u a l i t a t i v gegen­über d e m H e r o i n aus d e m G o l d e n e n D r e i e c k konkurrenzfähig is t . Tei le des Ge­w i n n s aus d e m O p i u m a n b a u w e r d e n auch z u r F i n a n z i e r u n g des Widerstandes der M u d s c h a h e d i n eingesetzt . Für die U N s t e l l t s ich n u n die Aufgabe, das Ü b e l dadurch an der W u r z e l z u packen, i n ­d e m d u r c h L a n d w i r t s c h a f t s p r o j e k t e den Bauern A l t e r n a t i v e n z u m O p i u m a n b a u er­m ö g l i c h t w e r d e n . S icher l i ch is t der Erfo lg der Drogenbekämpfung begrenzt, bed ingt d u r c h die K r i e g s w i r r e n u n d d u r c h die ins ta­b i l e p o l i t i s c h e Lage i m Lande. D o c h b l e i ­ben die U N h i e r gefordert . D i e Bundesre­p u b l i k D e u t s c h l a n d k ö n n t e d u r c h u n m i t ­telbare Unters tützung entsprechender Vor­haben des U N D C P dazu beitragen, daß w e ­niger H e r o i n auf den deutschen M a r k t k o m m t .

UNOCA in der Krise

I n se inem Aufsa tz »Haupttugend G e d u l d -i n dieser Z e i t s c h r i f t verwies der damal ige U N O C A - C h e f P r i n z Sadruddin Aga K h a n bereits auf die besonderen S c h w i e r i g k e i t e n der A f g h a n i s t a n h i l f e . H i e r a u f m a c h t e d e n n a u c h sein Nachfolger Benon Sevan auf­m e r k s a m , als er al le Botschafter der i n Pa­k i s t a n ver t re tenen U N - M i t g l i e d s t a a t e n a m 2.September 1991 z u e i n e m Tref fen i n s •Holiday Inn« i n Is lamabad l u d . A l l e i n auf G r u n d der Fortdauer des Bürgerkrieges i n A f g h a n i s t a n u n d der dadurch b e d i n g t e n E inschränkungen der U N O C A - A r b e i t k o n n t e die »Operation Salam« ke ine A k t i o n sein, deren Erfo lg v o n v o r n h e r e i n garant ier t war. E ine Z w i s c h e n b i l a n z dieses »Unter­n e h m e n s Frieden« m u ß z u m Ergebnis k o m ­m e n , daß derzei t große Mängel i n der A r ­be i t des U N O C A bestehen, die aber n i c h t i n der I n s t i t u t i o n an s ich begründet l iegen, sondern eben i n den äußeren Rahmenbe­d i n g u n g e n .

S icher l i ch s i n d Probleme U N - s p e z i f i s c h e r A r t z u n e n n e n ; i n jüngster Z e i t gab es auch Ber ichte über U n r e g e l m ä ß i g k e i t e n b e i m Fi­nanzgebaren des U N O C A . Das U N O C A is t für e inen begrenzten, jedoch n i c h t näher d e f i n i e r t e n Z e i t r a u m a k t i v (bis der Wieder­aufbau A f g h a n i s t a n s abgeschlossen is t ) ; deshalb is t a u c h das U N - P e r s o n a l befr is tet angestel l t . D i e U n s i c h e r h e i t der Berufsper­spekt ive sowie e inze lne bereits getät igte Ent lassungen w i r k e n insgesamt w e n i g m o ­t i v i e r e n d auf das U N O C A - P e r s o n a l . A l s w e i t e r e Problemebene t r i t t h i n z u , daß das

2 0 6 Vereinte Nationen 6/1991

Page 3: Aus dem Bereich der Vereinten Nationen · bedingungen wurden durc deh n seit 1 Jah3 ren anhaltenden Bürgerkrieg weiter ver schlechtert. Geschätz wirdt da, ß ein Mile lion Afghane

U N O C A gegenüber den anderen U N - A g e n ­t u r e n u m seine K o o r d i n i e r u n g s - u n d Füh­rungsro l le h e f t i g kämpfen m u ß . Übl icher ­weise i s t das U N D P diejenige U N - E i n r i c h ­t u n g , die m i t den Beziehungen zur Regie­r u n g des j e w e i l i g e n Landes betraut w i r d ; auf G r u n d der länderübergreifenden Ko­o r d i n i e r u n g des U N - W i e d e r a u f b a u p r o ­g r a m m s für A f g h a n i s t a n w a r dies i m Falle Afghanis tans n i c h t mögl ich . D i e spezif ischen Probleme des U N O C A k u m u l i e r e n i n seiner s c h w i e r i g e n Haus­h a l t s s i t u a t i o n . So s i n d 1991 v ie le U N - G e ­berländer n i c h t m e h r bereit , Gelder u n d Sachleis tungen für A f g h a n i s t a n u n d die »Operation Salam< f r e i z u m a c h e n . So m u ß t e der U N O C A - H a u s h a l t für 1991 v o n ur­sprünglich geplanten 232,4 M i l l D o l l a r auf zunächst 136 u n d d a n n 105 M i l l zurückge­fahren w e r d e n . V o n den 57 Pro jekten , die das U N O C A m i t Priori tät u m s e t z t , w a r e n s tat t der geplanten 54 M i l l D o l l a r l e d i g l i c h 28 M i l l verfügbar.

U N O C A - P r o j e k t e m i t Priorität 1991 i n M i l l U S - D o l l a r

Budget Bereich geplant verfügbar

R ü c k k e h r v o r ­b e r e i t u n g e n 15,86 8,62

M i n e n r ä u m u n g 14,06 8,84

G e s u n d h e i t 10,84 6,60

L a n d w i r t s c h a f t 5,98 2,47

E r z i e h u n g 2,73 0,46

Behinder te 1,62 0,22

L o g i s t i k 1,24 0,91

D r o g e n k o n t r o l l e 0,94 0,14

Frauen 0,55 0,25

K u l t u r 0,49 0,10

U m w e l t 0,20 -Gesamtbetrag 54,51 28,61

Quelle: UNOCA, Islamabad (September 1991]

Übrigens s i n d die deutschen Ausgaben für afghanische F lücht l inge v o n fast 42 M i l l D M 1990 auf k n a p p 20 M i l l D M 1991 ge­s u n k e n . N i c h t vergessen w e r d e n darf, daß gerade be i der B e r e i n i g u n g i n t e r n a t i o n a l e r K o n ­f l i k t e d u r c h die U N das Verursacherpr in ­z i p s tärker d u r c h g e h a l t e n w e r d e n sol l te . D i e S o w j e t u n i o n ha t z u Beginn der U N -H i l f e für A f g h a n i s t a n Sachleis tungen i n H ö h e v o n m e h r als 600 M i l l U S - D o l l a r z u ­gesagt. Es g ingen bisher aber n u r Sachlei­s tungen i m W e r t v o n w e n i g e n M i l l i o n e n D o l l a r a n die »Operation Salam«, w o v o n der überwiegende T e i l n i c h t für die a fghani ­schen F lücht l inge brauchbar w a r . (Die w e ­n i g s t e n Afghanis tan-Beobachter w e r d e n s i ch daran e r i n n e r n , daß die S o w j e t u n i o n bereits i m März 1986 zur F i n a n z i e r u n g des Fünf-Jahres-Plans i n A f g h a n i s t a n e inen Beitrag v o n 579,1 M i l l U S - D o l l a r zugesagt hat , der aber n i e n a c h K a b u l geflossen is t .

D i e Z a h l w u r d e e in fach für das U N O C A -P r o g r a m m ü b e r n o m m e n , ohne daß a u c h h ier w i r k l i c h e L e i s t u n g e n erbracht w u r ­den.)

D e r be t rübl iche Z u s t a n d der F inanzen der »Operation Salam< scheint darauf h i n z u ­deuten, daß die Kassen der großen »Geber« für H i l f s m a ß n a h m e n leer s ind . Z u m i n d e s t s tehen die A f g h a n e n i m Lande w i e i n den Flücht l ingslagern derzei t i m Schatten an­derer, ä h n l i c h hi l fsbedürft iger G r u p p e n . Eine n u r an der Tagesaktua l i tä t o r i e n t i e r t e Pr ior i tä tensetzung des h u m a n i t ä r e n Enga­gements dürfte längerfristig a l lerdings n i c h t i m Sinne v o n i n t e r n a t i o n a l e m A u s ­g l e i c h u n d f r i e d l i c h e r E n t w i c k l u n g sein.

Andreas M. Rauch •

Sozialfragen und Menschenrechte

Frauenrechtsausschuß: lO.Tagung - Nord-Süd-Gefälle i n I tal ien — M an i l a bekämpft Frauenhandel - Österreich w i l l Prosti­tuierte sozial absichern — Empfehlungen zur unbezahlten Tätigkeit von Frauen i m Haus und i m Familienbetrieb (28)

(Dieser Bei trag setzt den Ber icht i n V N 5/ 1990 S.190ff. f o r t . T e x t des Ü b e r e i n k o m ­m e n s : V N 3/1980 S.108ff.)

E m e u t m i t großer Sorgfalt w i d m e t e s i ch v o m 21.Januar bis z u m 1.Februar 1991 i n W i e n der Ausschuß für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) seiner Aufgabe, die r e c h t l i c h e sowie ta t säch l i che G l e i c h s t e l l u n g der Frauen i m r e c h t l i c h e n , w i r t s c h a f t l i c h e n , sozialen u n d k u l t u r e l l e n Bereich an H a n d v o n Staatenber ichten z u überprüfen. Bei Beg inn dieser l O . T a g u n g des C E D A W w a r e n 103 Staaten d e m Über­e i n k o m m e n z u r Bese i t igung j eder F o r m v o n D i s k r i m i n i e r u n g der Frau beigetreten, v o n denen z w e i i h r e n ersten u n d acht i h r e n z w e i t e n B e r i c h t v o r s t e l l t e n . D e m 23köpfi -gen A u s s c h u ß gehören derzei t z w e i deut­sche E x p e r t i n n e n an: H a n n a Beate Schoepp-S c h i l l i n g aus der »alten« B u n d e s r e p u b l i k u n d E d i t h Oeser aus der v o r m a l i g e n D D R ; da die Sachverständigen i n persönl icher E i ­genschaft gewählt w o r d e n s ind, i s t diese z e i t w e i l i g e D o p p e l v e r t r e t u n g eines K o n ­ventionsstaates i m Überwachungsgremi ­u m zulässig.

Italien ha t n a c h der D a r s t e l l u n g i n s e i n e m Ers tber icht die r e c h t l i c h e G l e i c h s t e l l u n g der Frauen bereits i n v i e l e n Bereichen vor­angetr ieben. V o r a l l e m i n den siebziger Jah­r e n s i n d längst überfäll ige Regelungen w i e die Z u l a s s u n g der Scheidung u n d die Legal i ­s i e rung der A b t r e i b u n g auf den W e g ge­bracht w o r d e n . D e n n o c h förderten die A u s ­schußmitg l ieder d u r c h i h r e Fragen n o c h so m a n c h e d i s k r i m i n i e r e n d e Gesetzesvor­s c h r i f t zutage. K r i t i s i e r t w u r d e n i n erster L i n i e Ver fassungsbes t immungen , die den G l e i c h h e i t s g r u n d s a t z z u m Z w e c k e der »Si­c h e r u n g der Famil ieneinhei t« e i n s c h r ä n k e n

u n d die G l e i c h b e h a n d l u n g der Frauen i m Beruf v o n einer B e w e r t u n g i h r e r A r b e i t ab­hängig m a c h e n , ohne daß a u c h die M ä n n e r e iner so lchen Prozedur u n t e r w o r f e n wür­den. Besorgt äußer te s i ch das Expertengre­m i u m ferner über die - an s i ch lobenswer te - Regelung des M u t t e r s c h u t z e s , deren F u n k t i o n in fo lge ü b e r d u r c h s c h n i t t l i c h l a n ­ger Schutzze i te n a u c h i n s G e g e n t e i l u m ­schlagen k ö n n e , w e n n die Frauen w e g e n langfr i s t iger A b w e s e n h e i t v o m A r b e i t s ­p l a t z z u m Beispiel i m H i n b l i c k auf Beförde­r u n g e n b e n a c h t e i l i g t würden. D e n A u s ­s c h u ß interess ier ten aber n i c h t n u r solche Frauenrechte, die m i t der t r a d i t i o n e l l e n M u t t e r r o l l e u n d den k i r c h l i c h e n Grundsät ­zen n o c h korrespondieren , sondern a u c h die i n I t a l i e n besonders b r i s a n t e n Fragen v o n Empfängnisverhütung u n d A b t r e i ­b u n g . Sodann gab n i c h t z u l e t z t das Fami­l i e n r e c h t A n l a ß z u k r i t i s c h e n K o m m e n t a ­ren. D i e i t a l i e n i s c h e V e r t r e t e r i n T i n a A n -s e l m i b e t o n t e zwar, daß d u r c h neuere Ge­s e t z e s i n i t i a t i v e n versucht werde, die fest i n der i t a l i e n i s c h e n Gesel lschaft verankerte patr iarchal ische F a m i l i e n s t r u k t u r z u besei­t igen , d o c h k o n n t e dies über die - sogar i m Gesetz n o c h verb l iebenen - E n k l a v e n m ä n n l i c h e r D o m i n a n z n i c h t h inwegtäu­schen.

A u c h sowei t de jure eine G l e i c h s t e l l u n g der Frauen erre icht w u r d e , scheint die D e ­f a c t o - S i t u a t i o n i n I t a l i e n ebenso w i e i n v ie ­l e n anderen Staaten n o c h w e i t v o n d iesem Z i e l e n t f e r n t z u se in . N a c h d e m Ber icht der i t a l i e n i s c h e n Regierung k o m m t die vorur­t e i l s o r i e n t i e r t e G e i s t e s h a l t u n g der Bevöl­k e r u n g vor a l l e m i n i h r e r Sprache z u m A u s d r u c k . D e r M ä n n l i c h k e i t s k u l t herrsche i n Gesel lschaft u n d P o l i t i k , i m A r b e i t s l e ­ben, i n den M a s s e n m e d i e n u n d sogar i m Sport. Besonders betrof fen is t die überwie­gend ländl iche Bevölkerung des Südens, w o s i ch die v o m organis ier ten Verbrechen k o n ­t r o l l i e r t e w i r t s c h a f t l i c h e M i s e r e ebenso w i e e i n starkes Tradi t ionsbewußtse in i n je­der H i n s i c h t e n t w i c k l u n g s h e m m e n d aus­w i r k e n . So s ind auch die Frauen d o r t — z u m Beispiel d u r c h e i n e n geschlechtsspezif isch aufge te i l t en A r b e i t s m a r k t - u n g l e i c h stär­ker b e n a c h t e i l i g t als i m N o r d e n des Lan­des.

I m m e r h i n ha t die i t a l i e n i s c h e Regierung zur Bekämpfung dieser f a k t i s c h e n D i s k r i ­m i n i e r u n g diverse M a ß n a h m e n ergr i f fen, d u r c h die den Frauen, insbesondere solchen aus d e m Süden, eine Vorzugsbehandlung z u t e i l w i r d . I m Jahre 1984 w u r d e eine N a ­t i o n a l e K o m m i s s i o n zur D u r c h s e t z u n g der G l e i c h h e i t z w i s c h e n M ä n n e r n u n d Frauen eingesetzt, die 1986 e i n e n u m f a n g r e i c h e n A k t i o n s p l a n e n t w i c k e l t e . Ferner führten die p o l i t i s c h e n Parteien e i n Q u o t e n s y s t e m ein , u m i h r e n Frauenante i l z u erhöhen. D e n n o c h is t n a c h den Ausführungen der i t a l i e n i s c h e n V e r t r e t e r i n u n d Vors i tzenden der N a t i o n a l e n K o m m i s s i o n , T i n a A n s e l -m i , die Resonanz auf diese I n i t i a t i v e n i n der w e i b l i c h e n Bevölkerung gering, so daß der Entwick lungsprozeß n u r langsam vor­anschrei tet .

V o n ganz anderer Q u a l i t ä t s i n d die Proble­m e n o c h i n Burkina Faso, dessen Vertrete­r i n Ouedraogo A h o u a den Ers tber icht vor-

Vereinte Nationen 6/1991 2 0 7