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12  b 2008  95 Große und kleine Studenten An der FH Bingen beginnt die Nachwuchsförderung schon im Kindesalter Die Fachhochschule Bingen wurde vor über 100 Jahren als Rheinisches Technikum gegründet. Heute werden rund 2.500 Studen- ten an der FH ausgebildet – auch der Nachwuchs für die Landwirt- schaft. Das Studium ist ideal an die Strukturen in Rheinland-Pfalz angepasst. NL-Redakteurin ANKE SERFLING hat sich vor Ort informiert. D ie FH Bingen ist eine der kleinsten Fachhochschulen Deutschlands und die einzige mit der Studienrichtung Agrarwirtschaft im Bundesland Rheinland-Pfalz. Der Campus besteht aus zwei Teilen – einem historischen in der Stadtmitte und einem modernen in Bingen-Büdesheim. Das Spektrum der Studiengänge reicht von traditionellen Ingenieurwissenschaften über moderne Informationstechnik bis hin zu einer breiten Auswahl biologisch-naturwis- senschaftlicher Angebote. Der Nachwuchs für die Landwirtschaft ist im Fachbereich 1 (Life Sciences and Engineering) integriert und studiert zwischen den Weinbergen im modernen Teil der Hochschule. Meister mit Bachelorabschluss Das Bachelorstudium Agrarwirtschaft umfasst sieben Semester. In Bingen gibt es etwas Besonderes. Hier haben auch Landwirtschaftsmeister die Möglichkeit, an der Fachhochschule zu studieren. Ein Jahr werden sie auf die Probe gestellt. Wer alle Prüfungen und Arbeiten termingerecht ablegt und besteht, hat die Chance mit dem Bachelor of Science abzuschließen. Bis zum dritten Semester lernen alle densel- ben Stoff. Danach müssen sich die Stu- denten spezialisieren. Sie können zwischen zwei Richtungen wählen: Landwirtschaft, die sowohl den Pflanzenbau und die Tier- produktion umfasst und Agrarmanage- ment. Am häufigsten fällt die Wahl auf die Landwirtschaft. Eine Besonderheit ist ein zusätzliches Angebot innerhalb der Land- wirtschaft. Für alle „Muffel“ der Tierpro- duktion gibt es eine interessante Alternative. Die 27 nötigen Credits können auch in der Vertiefung Landwirtschaft/Intensivkulturen erlangt werden. Die Vorlesungen, Seminare, Praktika und Projekte finden dann auf der gegenüberliegenden – schon zu Hessen gehörenden – Rheinseite, an der Fachhoch- schule Wiesbaden, Abteilung Geisenheim, statt. Die Fahrt dorthin kann für die recht kurze Strecke allerdings schon mal eine halbe Stunde dauern, je nach dem, wann die Fähre fährt. Die Kooperation der beiden Fachhochschulen hat Tradition und liegt in der Struktur von Rheinland-Pfalz begründet. Bedingt durch die ökonomische Bedeutung des Gemüseanbaues im Freiland hat sich die Spezialisierungsmöglichkeit an der Fach- hochschule entwickelt. Nach Angaben des Statistischen Lan- desamtes bauen 560 rheinland-pfälzische Landwirte auf fast 17.700 Hektar Gemüse an. Ziel ist es, den Nachwuchs für diesen Wirtschaftszweig in der Region auszubilden und zu halten. FH mit eigenem Betrieb Das, wofür eine Fachhochschule steht, näm- lich die praxisnahe Ausbildung, wird in Bingen durch den St. Wendelinhof gewähr- leistet. Der Praxisbetrieb befindet sich in- Vor über 15 Jahren wurde der neue Campus in Bingen- Büdesheim inmitten der Weinberge erbaut. Hier gehen auch die Studenten des Bachelor- studienganges Agrar- wirtschaft ein und aus. Über den Skywalk ge- langt man schnell von einem Haus ins andere. Ausbildung

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Page 1: Ausbildung Große und kleine Studentenmedia.repro-mayr.de/76/97276.pdf · Bei einem Praktikum, direkt in Brüssel hat sie verstanden, wie die Europäische Union arbeitet und funk-tioniert.

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Große und kleine StudentenAn der FH Bingen beginnt die Nachwuchsförderung schon im Kindesalter

Die Fachhochschule Bingen wurde vor über 100 Jahren als Rheinisches Technikum gegründet. Heute werden rund 2.500 Studen­ten an der FH ausgebildet – auch der Nachwuchs für die Landwirt­schaft. Das Studium ist ideal an die Strukturen in Rheinland­Pfalz angepasst. NL­Redakteurin Anke Serfling hat sich vor Ort informiert.

 Die FH Bingen ist eine der kleinsten Fachhochschulen Deutschlands und die einzige mit der Studienrichtung Agrarwirtschaft im Bundesland

Rheinland-Pfalz. Der Campus besteht aus zwei Teilen – einem historischen in der Stadtmitte und einem modernen in Bingen-Büdesheim. Das Spektrum der Studiengänge reicht von traditionellen Ingenieurwissenschaften über moderne Informationstechnik bis hin zu einer breiten Auswahl biologisch-naturwis-senschaftlicher Angebote. Der Nachwuchs für die Landwirtschaft ist im Fachbereich 1 (Life Sciences and Engineering) integriert und studiert zwischen den Weinbergen im modernen Teil der Hochschule.

Meister mit Bachelorabschluss

Das Bachelorstudium Agrarwirtschaft umfasst sieben Semester. In Bingen gibt es etwas Besonderes. Hier haben auch

Landwirtschaftsmeister die Möglichkeit, an der Fachhochschule zu studieren. Ein Jahr werden sie auf die Probe gestellt. Wer alle Prüfungen und Arbeiten termingerecht ablegt und besteht, hat die Chance mit dem Bachelor of Science abzuschließen. Bis zum dritten Semester lernen alle densel-ben Stoff. Danach müssen sich die Stu-denten spezialisieren. Sie können zwischen zwei Richtungen wählen: Landwirtschaft, die sowohl den Pflanzenbau und die Tier-produktion umfasst und Agrarmanage-ment. Am häufigsten fällt die Wahl auf die Landwirtschaft. Eine Besonderheit ist ein zusätzliches Angebot innerhalb der Land-wirtschaft. Für alle „Muffel“ der Tierpro-duktion gibt es eine interessante Alternative. Die 27 nötigen Credits können auch in der Vertiefung Landwirtschaft/Intensivkulturen erlangt werden. Die Vorlesungen, Seminare, Praktika und Projekte finden dann auf der gegenüberliegenden – schon zu Hessen gehörenden – Rheinseite, an der Fachhoch-schule Wiesbaden, Abteilung Geisenheim,

statt. Die Fahrt dorthin kann für die recht kurze Strecke allerdings schon mal eine halbe Stunde dauern, je nach dem, wann die Fähre fährt. Die Kooperation der beiden Fachhochschulen hat Tradition und liegt in der Struktur von Rheinland-Pfalz begründet. Bedingt durch die ökonomische Bedeutung des Gemüseanbaues im Freiland hat sich die Spezialisierungsmöglichkeit an der Fach-hochschule entwickelt. Nach Angaben des Statistischen Lan-desamtes bauen 560 rheinland-pfälzische Landwirte auf fast 17.700 Hektar Gemüse an. Ziel ist es, den Nachwuchs für diesen Wirtschaftszweig in der Region auszubilden und zu halten.

FH mit eigenem Betrieb

Das, wofür eine Fachhochschule steht, näm- lich die praxisnahe Ausbildung, wird in Bingen durch den St. Wendelinhof gewähr- leistet. Der Praxisbetrieb befindet sich in-

Vor über 15 Jahren wurde der neue Campus in Bingen- Büdesheim inmitten der Weinberge erbaut. Hier gehen auch die Studenten des Bachelor-studienganges Agrar-wirtschaft ein und aus. Über den Skywalk ge-langt man schnell von einem Haus ins andere.

Ausbildung

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Ausbildungmitten der Stadt, von wo aus er früher das Bingener Krankenhaus mit Nahrungsmit-teln versorgte. Heute gehört die gesamte Betriebseinheit zur FH. Mitarbeiter und Studenten übernehmen die Bewirtschaf-tung. Für die Pflanzenbauer stehen 92 ha, davon 78 ha Acker- und 14 ha Grünland, zur Verfügung. Die Studenten der Tier-produktion vertiefen ihr Praxiswissen im Milchviehlaufstall, in dem 42 Kühe unter-gebracht sind. Mit einer durchschnittlichen Milchleistung von 12.000 kg können die Bingener stolz auf ihre Arbeit sein. Besonderen Wert legt die FH Bingen auch auf die Landtechnik. „Ohne Technik keine Landwirtschaft“, betont Prof. Rademacher. Er versucht den Studenten gleich von Beginn an den Zusammenhang zwischen Physik und Technik nahe zubringen. Die physikalischen Grundlagen seien das A und O. Zusätzlich müsse der Bogen zwi-schen der Technik und der landwirtschaft-lichen Praxis geschlagen werden. Warum funktioniert eine Maschine? Für welchen Betrieb ist sie geeignet? Diesen „Spagat“ gilt es jedes Jahr aufs Neue zu realisieren. Studenten, die das hinbekommen und sich zum Beispiel durch das Thema ihrer Bache-lorarbeit in der Landtechnik spezialisieren, haben gute Chancen in der Branche auch den Berufseinstieg zu finden.

Landwirtschaft und Umwelt

Zum Sommersemester 2007 startete an der Fachhochschule Bingen der neu akkredi-tierte Studiengang „Landwirtschaft und Umwelt“. Damit treffen zwei Themen zu- sammen, die oft für Konflikte sorgen. Sei es die Optimierung des Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatzes, die Gentechnik, der Ressourcenschutz oder die Umsetzung von EU-Richtlinien und Umweltstandards – in den Seminaren und Vorlesungen werden diese Themen ausdiskutiert, und die Studenten suchen gemeinsam nach Lösungen. Nach drei Semestern erhält man den Ab-schluss „Master of Science“. Viele der Studenten stehen bereits mit beiden Beinen im Berufsleben, haben einen Bachelor oder Diplomabschluss (FH). Sie qualifizieren sich über den Master für ein Karriere im Überschneidungsbereich von Landwirt-schaft und Umwelt. Darüber hinaus besteht nach einem erfolgreichen Anschluss die Möglichkeit der Weiterqualifizierung durch die Promotion an einer Universität oder durch ein Referendariat für den höheren Verwaltungsdienst. Die Bingener haben sich auf diese „speziellen“ Studenten eingestellt und die Vorlesungen in einen Block gelegt, der am Donnerstag und Freitag stattfindet. So besteht die Chance, alle Veranstaltungen besuchen zu können und das Pensum auch neben der Arbeit zu schaffen.

Kleine Forscher ganz groß

Ein tolles Studienangebot gibt es auch für die Kleinen bzw. die Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren. Mitte November fand die 10. Kinder-Hochschule statt, die im Rah-men des rheinland-pfälzischen Aktionspro-gramms „Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz“ ins Leben gerufen wurde.Wie wissensdurstig der Nachwuchs ist, weiß auch Swantje Rehse. Die 24-Jährige ist im letzten Semester des auslaufenden Diplomstudienganges „Internationaler Agrarhandel“. Sie fragt die Kinder: „Was

hab ich eigentlich mit der EU am Hut?“ – „Na alles!“, wird Swantje Rhese sich selbst strahlend antworten. Bei einem Praktikum, direkt in Brüssel hat sie verstanden, wie die Europäische Union arbeitet und funk-tioniert. Den fragenden Kindergesichtern erklärt sie dann, welche Vorschriften auch in ihrem Leben eine entscheidende Rolle spielen. Bei jeder Veranstaltung erhalten die Kinder einen Stempel in ihrem Kinder-Hochschul Ausweis. Wenn der Ausweis voll ist, gibt es sogar ein Diplom. (se) NL

Swantje Rehse ist 24 Jahre alt und studiert im letzten Semester des auslaufenden Diplomstudien-ganges „Internationaler Agrarhandel“. Wenn die Hochschule ihre Tore für die Kinder öffnet, erklärt sie dem Nachwuchs, wie die EU arbeitet und funk-tioniert. Fotos: FH Bingen (2), Serfling (2)

Fachbereich 1 – Life Sciences and Engineering

Bachelorstudiengänge:AgrarwirtschaftBioinformatikBiotechnikBIS Prozesstechnik (Berufsintegrierender Studiengang)Energie- und ProzesstechnikUmweltschutz

Masterstudiengänge:Energie-, Gebäude- und UmweltmanagementLandwirtschaft und Umwelt

Diplomstudiengänge:BioinformatikBiotechnologieInternationaler AgrarhandelLandwirtschaftUmweltschutzVerfahrenstechnik

Fachbereich 2 – Technik, Informatik und Wirtschaft

Bachelorstudiengänge:BioinformatikElektrotechnikInformatikMaschinenbauWirtschaftsingenieurwesen

Masterstudiengänge:ElektrotechnikInformationssystemeMechatronik- und Automobilsysteme

Diplomstudiengänge:Angewandte InformatikBioinformatikElektrotechnikIngenieurinformatikMaschinenbauWirtschaftsingenieurwesen

Kontakt: Fachhochschule Bingen Berlinstr. 109 55411 Bingen am Rhein

Tel.: 06721 409-0E-Mail: [email protected]