AUSWIRKUNGEN VON MISCHWASSERENTLASTUNGEN AUF ...

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Universitt für Bodenkultur Institut für Wasservorsorge, Wien Gewsserkologie und Abfallwirtschaft Abteilung für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewsserschutz AUSWIRKUNGEN VON MISCHWASSERENTLASTUNGEN AUF FLIESSGEWÄSSER – MÖGLICHKEITEN ZUR SCHADENSBEGRENZUNG ANHAND EINES BEISPIELES IN VORARLBERG Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Diplomingenieur eingereicht von: Barbara Meusburger Matr.Nr.: H915 / 9140587 14. Oktober 2002

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Universität für Bodenkultur Institut für Wasservorsorge, Wien Gewässerökologie und Abfallwirtschaft Abteilung für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz

AUSWIRKUNGEN VON MISCHWASSERENTLASTUNGEN AUF FLIESSGEWÄSSER – MÖGLICHKEITEN ZUR

SCHADENSBEGRENZUNG ANHAND EINES BEISPIELES IN VORARLBERG

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

Diplomingenieur eingereicht von: Barbara Meusburger Matr.Nr.: H915 / 9140587 14. Oktober 2002

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Flüsse wissen wohin sie fließen: Sie sagen sich: �Es eilt nicht.

Eines Tages kommen wir an.� Winnie Pooh

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. R. Haberl vom IWGA/SIG an der Boku und Herrn D. Buhmann von Umweltinstitut des Landes Vorarlberg, die diese Arbeit ermöglicht und betreut haben. Weiters danke ich dem Team der Abteilung für Gewässer- und Bodenschutz des Umweltinstitutes des Landes Vorarlberg, dem Landeswasserbauamt in Bregenz, Herrn Giselbrecht und seinen Mitarbeitern in der ARA Hofsteig, Herrn Debortoli von der Marktgemeinde Hard, Herrn Fenz von der TU-Wien sowie Herrn Michael Gasser für die zur Verfügung gestellten Unterlagen und die aufschlussreichen Gespräche. Danke auch an Martin, Angelika und Philipp. Vor allem aber, ein großes �Danke� an Mama und Papa, die mich während meines ganzen Studiums unterstützt haben.

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INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung .................................................................................................... 1

2 Aufgabenstellung und Zielsetzung .............................................................. 2

3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke.............................................. 3

3.1 Vor- und Nachteile des Mischsystems gegenüber dem Trennsystem.. 3 3.2 Regenentlastungsanlagen an Mischkanalisation ................................. 6

3.2.1 RÜB � Bauarten............................................................................ 6 3.2.2 Drosseleinrichtungen .................................................................... 9 3.2.3 Reinigung.................................................................................... 10

3.3 Auswirkungen von Regenentlastungsanlagen auf Gewässer ............ 17 3.3.1 Hydraulische Wirkung ................................................................. 18 3.3.2 Stoffliche Wirkung ....................................................................... 23 3.3.3 Hygienisch relevante Belastungen.............................................. 35 3.3.4 Akute und verzögerte Wirkungen................................................ 38 3.3.5 Langzeitwirkungen ...................................................................... 39

3.4 Sanierungsmöglichkeiten ................................................................... 40 3.4.1 Maßnahmen im Einzugsgebiet.................................................... 42 3.4.2 Maßnahmen in Kanal und Kläranlage......................................... 43 3.4.3 Maßnahmen zur Behandlung des Entlastungsabflusses ............ 43 3.4.4 Flankierende Maßnahmen im Gewässer .................................... 44

4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg ..................................................................... 45

4.1 Chronologie ARA Hofsteig ................................................................. 45 4.2 Eckdaten ARA Hofsteig...................................................................... 48

4.2.1 Daten zur Ausstattung der ARA Hofsteig: ................................... 48 4.2.2 Exemplarisch Betriebsjahr 2000 ................................................. 48

4.3 RÜB � Lerchenau............................................................................... 54 4.3.1 Dimensionierung und Bewirtschaftung........................................ 55 4.3.2 Entlastungsereignisse � Häufigkeit, Mengen .............................. 57

4.4 Problematik der Beeinträchtigung der Wasserqualität der Lauterach 58 4.4.1 Charakteristik und Gewässergüte der Lauterach ........................ 59 4.4.2 Harder Graben und einmündende Gräben.................................. 63 4.4.3 Zusammenhang Keimbelastung � Entlastungsereignisse........... 67

5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im

Binnenbecken................................................................................................... 69

5.1 Projekt � Abfuhr der Mischwässer vom Fischteich über einen Verbindungskanal in die Dornbirnerache ...................................................... 70

5.1.1 Ermittlung der Schließzeiten des Stemmtores ............................ 71 5.1.2 Problematik des Rückflusses von der Dornbirnerache in den Fischteich .................................................................................................. 74

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5.2 Adaption an die neuen Erfordernisse des Hochwasserschutzkonzeptes Hard 75

5.2.1 Projektziele ................................................................................. 75 5.2.2 Adaption Pumpwerk Verbindungskanal ...................................... 76 5.2.3 Adaption Stemmtor ..................................................................... 78 5.2.4 Begleitmaßnahmen..................................................................... 78

6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse........................................... 80

6.1 Weitergehende Maßnahmen.............................................................. 81 7 Zusammenfassung.................................................................................... 85

8 Literaturverzeichnis ................................................................................... 87

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Zeichen Fachausdruck Einheit ρ Wasserdichte g/cm³ τ0 kitische Schleppspannung Pa AFS abfiltrierbare Stoffe ASS absetzbare Stoffe BÜ Beckenüberlauf DB Durchlaufbecken FB Fangbecken g Erdbeschleunigung m/s² I Rohrgefälle % KÜ Klärüberlauf MNQ mittlerer Niedrigwasserabfluss l/s MP Messpunkt P Pumpwerk Q Abfluss l/s Qd Drosselabfluss l/s Qf Fremdwasserabfluss l/s Qkrit kritischer Regenabfluss l/s QKÜ Abfluss Klärüberlauf l/s Qm Mischwasserabfluss zur Kläranlage l/s Qs Schmutzwasserabfluss l/s Qü Abflussüberlauf l/s R hyraulischer Radius M RÜB Regenüberlaufbecken TB Trennbauwerk TW Trockenwetter

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ABSTRACT Der umfangreiche Ausbau von Kläranlagen und der damit zusammenhängende hohe Anschlussgrad, der in den letzten Jahren erreicht wurde, hat die Belastung der Gewässer durch kommunale Abwässer stark verringert. Um so deutlicher hat sich gezeigt, dass neben anderen diffusen Quellen besonders Regenüberläufe aus Mischkanalisationen den natürlichen Zustand der Gewässer auf vielfältige Art stark beeinträchtigen. Die Auswirkungen auf Fließgewässer sind sowohl in stofflicher, als auch hydraulischer Hinsicht negativ und es muss auch zwischen akuten und Langzeitwirkungen unterschieden werden. Für eine Sanierung mischwasserbelasteter Gewässer ist nur ein ganzheitlicher Ansatz zielführend. Dazu sind Maßnahmen im Einzugsgebiet, bei Kanal und Kläranlage, die Behandlung des Entlastungsabflusses und flankierende Maßnahmen im Gewässer notwendig. In Vorarlberg kam es durch Belastungen aus der an der Lauterach gelegenen Mischkanalentlastung Lerchenau zur Beeinträchtigung der Wasserqualität im Harder Binnenbecken, einer Badezone des Bodensees mit anliegendem Strandbad. Um eine weitere Verkeimung zu verhindern, wurde ein Projekt zur Fernhaltung von Abwässern vom Binnenbecken realisiert. Dazu wurde zwischen Binnenbecken und Fischteich ein Stemmtor erreichtet und zwischen Fischteich und Dornbirnerache ein Verbindungskanal geschaffen, um die belasteten Wässer im Falle einer Entlastung des Regenüberlaufbeckens in die Lauterach am Binnenbecken vorbei zu leiten. Jedoch wurde nach dem Bau ein Rückfluss von der Dornbirnerache (Vorfluter für drei Kläranlagen) in den Fischteich und somit das Binnenbacken festgestellt, was zu einer weiteren Verschlechterung der Wasserqualität im Binnenbecken führte. Eine Adaptierung der gesetzten Maßnahmen wurde notwendig und sollte auch gleich den Erfordernissen des Hochwasserschutzes (Hochwasser 1999) Rechnung tragen. Die in Hard gesetzten Maßnahmen stellen eine reine Problemverlagerung dar, die lediglich für die Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken zielführend sind. Weitergehende Maßnahmen, wie die Renaturierung der Harder Grabens und der Lauterach, ein Einbau eines Rechens bei der Entlastung Lerchenau, Entsiegelung von Flächen zur Abflussreduzierung und eine langfristige Umstellung des Kanalnetzes auf ein qualifiziertes Trennsystem, sind für die Schadensbegrenzung der aus der Regenentlastung resultierenden Probleme unbedingt erforderlich und werden in dieser Arbeit vorgeschlagen.

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1 Einleitung

1 Einleitung Der umfangreiche Ausbau von Kläranlagen und der damit zusammenhängende hohe Anschlussgrad, der in den letzten Jahren erreicht wurde, hat die Belastung der Gewässer durch kommunale Abwässer stark verringert. Um so deutlicher aber hat sich gezeigt, dass Regenüberläufe aus Mischkanalisationen den natürlichen Zustand der Gewässer auf vielfältige Art stark beeinträchtigen � zur Verringerung von Emissionen aus Abwässern muss bei den Mischkanalentlastungen als nächstes angesetzt werden. Bisher wurde versucht, durch den Bau von Regenüberlaufbecken zur Rückhaltung von Schadstoffen und als Speichervolumen dieses Problem abzuschwächen.

Bei detaillierterer Betrachtung der Problematik zeigt sich jedoch, dass nur ganzheitliche Ansätze zu einer wirklichen Verbesserung der Situation führen können, da diese sich aus verschiedenen miteinander vernetzten Faktoren ableitet. Es steht derzeit eine Emissionsverordnung für Mischwasser-entlastungen kurz vor Abschluss, und damit ist erstmals eine gesetzliche Grundlage zur Überprüfung der entlasteten Mengen und Frachten vorhanden. Eine Immissionsverordnung, die das Problem der Mischwasserentlastungen gewässerseitig behandelt, wäre ein nächster, viel nachhaltigerer Schritt. Deren Umsetzung und Überprüfung würde jedoch viele Probleme in sich bergen und hohe Kosten verursachen.

Die Umstellung des Kanalnetzes von Mischsystem auf Trennsystem ist einerseits nicht überall möglich und andererseits auch nicht uneingeschränkt sinnvoll. Bei reinen Trennsystemen gelangen Abflüsse von stark verschmutzen Oberflächen ebenfalls ungereinigt in die Gewässer. Ein sinnvoller Ansatz wäre das qualifizierte Trennsystem.

Zur Verminderung der Belastung an bestehenden Regenüberläufen sollten sowohl im Einzugsgebiet Maßnahmen zur verstärkten Versickerung von Regenwasser durch Entsiegelung der Flächen getroffen werden, als auch der Zustand der oft verbauten Gewässer durch Renaturierung verbessert werden. Weitere Ansatzpunkte bieten die Reduktion von Schmutzwasser und eine Erhöhung des Zuflusses zur Kläranlage. Kanalnetzbewirtschaftung und die Behandlung des Entlastungsabflusses sind weitere Schlagworte.

Um all diese Maßnahmen gezielt treffen zu können, ist es jedoch unerlässlich, die Situation der einzelnen Entlastungsstellen bezüglich Häufigkeit, Dauer, Frachten und maximaler Schadstoffkonzentrationen zu kennen. Erst dann können die Auswirkungen sowohl in stofflicher als auch hydraulischer Hinsicht abgeschätzt und beurteilt werden.

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2 Aufgabenstellung und Zielsetzung

2 Aufgabenstellung und Zielsetzung Den ersten Teil der Diplomarbeit bildet eine umfassende Literaturstudie. Darin wird das Problem der Mischkanalentlastungen allgemein beschrieben. Hierzu gehört die Beschreibung der Unterschiede in den Entwässerungssystemen, sowie die gängige Praxis, die Auswirkungen von Entlastungsereignissen durch Regenüberlaufbecken zu verringern. Dazu werden die verschiedenen Beckenarten dargestellt und deren Reinigung erklärt, welche für die Funktionalität sehr bedeutend ist. Anschließend sollen die Auswirkungen auf Gewässer detailliert dargestellt werden. Hierbei ist es Ziel aufzuzeigen, welche Unterschiede sich zwischen akuten oder verzögerten und Langzeitwirkungen ergeben. Bei der Art der Wirkung auf das Gewässer muss zwischen hydraulischer, stofflicher und bakterieller Belastung unterschieden werden. Eine weitere Zielsetzung ist es, mit Hilfe der Literatur Sanierungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wobei ein möglichst ganzheitlicher Ansatz gefunden werden soll. Im zweiten Teil der Arbeit wird ein konkreter Fall in Hard am Bodensee beschrieben. Die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse bilden dabei die Basis für die Beschreibung und Beurteilung dieses speziellen Falles. Eine weitere Grundlage für die Analyse bildet die Beschreibung der ARA Hofsteig und ihres Einzugsgebietes anhand des Betriebsjahres 2000. Die Lauterach, welche den Vorfluter für das RÜB Lerchenau bildet, ist sowohl ökomorphologisch als auch in Bezug auf ihre Gewässergüte zu beurteilen; ebenso der Harder Graben und sein Einzugsgebiet. Weiters soll das RÜB Lerchenau charakterisiert und die Entlastungstätigkeit seit dessen Bestehen dargestellt werden. Mittels der vorhandenen Daten von Entlastungsereignissen am RÜB Lerchenau und Routineuntersuchungen des Umweltinstitutes Vorarlberg an der Lauterach soll festgestellt werden, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen Entlastungsereignis und schlechter Badewasserqualität im Binnenbecken gibt. Seitens der Gemeinde und des Wasserverbandes Hofsteig wurden bereits Maßnahmen (Stemmtor und Verbindungskanal) für die Fernhaltung der belasteten Wässer vom Binnenbecken und somit vom Strandbad gesetzt. Das Hochwasser 1999 veränderte die Situation noch einmal und machte eine Adaptierung notwendig. Diese Entwicklung soll zusammengefasst und ihre Wirksamkeit beurteilt werden. Die in der Literaturstudie erarbeiteten Sanierungsmöglichkeiten sollen auf Anwendbarkeit für weitergehende Maßnahmen an der Lauterach geprüft und Vorschläge formuliert werden.

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3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

3.1 Vor- und Nachteile des Mischsystems gegenüber dem Trennsystem

Die Siedlungsentwässerung hat zum Ziel, Abwässer aller Art aus Haushalt, Gewerbe und Industrie, sowie die Niederschlagswässer von Grundstücken und Straßen abzuleiten. Dies soll vollständig, geruchlos und schnell erfolgen. Prinzipiell werden zwei Entwässerungsverfahren für die Ableitung von Abwässern unterschieden. Brauch- und Niederschlagswässer können gemeinsam im selben Entwässerungsnetz oder in getrennten Leitungen entsorgt werden. Welches Verfahren vorteilhafter ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten in ihrer Gesamtheit und der Wirtschaftlichkeit ab. Mischverfahren Beim Mischverfahren werden die verschiedenen Arten von Abwasser in einem Leitungssystem abgeführt und bei Trockenwetter zur Gänze der Kläranlage zugeleitet. Im Fall von Regen wird nach Erreichen eines vorher festgelegten maximalen Abflusses ein Teil dieses Mischwassers zur Kläranlage geleitet. Der Rest des Mischwassers, der den maximalen Zufluss zur Kläranlage überschreitet, wird entweder ungeklärt über Regenüberläufe oder teilgeklärt über Regenüberlaufbecken in den Vorfluter entlastet. Nachfolgend sind einige Vor- und Nachteile des Mischsystems genannt.

• Es ist nur eine Leitung erforderlich � die nötige Tiefenlage ergibt sich durch den Anschluss der Keller.

• Wegen der Gefahr von Kellerüberschwemmungen durch Rückstau sind Rückstauverschlüsse in den Häusern erforderlich.

• Da für ein Zuführen des gesamten Mischwassers zur Kläranlage zu große Leitungsquerschnitte erforderlich wären, muss ein Teil des Mischwassers bei Regenwetter entlastet werden. Dies geschieht durch Regenüberläufe, welche das ungereinigte, jedoch verdünnte Abwasser einem Vorfluter zuführen.

• Ein Teil des Regenwassers fließt in die Kläranlage und muss dort mitgereinigt werden.

• Aus Gründen einer sinnvollen Bemessung der Kläranlage sind Regenrückhaltebecken notwendig.

• Den meist niedrigeren Investitionskosten für Mischkanalisationen stehen höhere Betriebskosten wie etwa für Reinigung, Pumpbetrieb und Klärung gegenüber.

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3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

Trennverfahren Für das Schmutz- und Regenwasser sind getrennte Leitungen erforderlich. Die Schmutzwasserleitung wird zur Kläranlage, die Regenwasserleitung auf dem kürzesten Weg zum Vorfluter geführt. Vor � und Nachteile des Trennverfahrens sind:

• Pro Hausanschluss sind zwei getrennt Leitungen, eine für Regen- und eine für Abwasser, nötig. Fehlanschlüsse sind dadurch möglich.

• Es sind zwei Kanäle erforderlich, einer für Schmutzwasser, der andere für Regenwasser.

• Die Regenwasserleitung kann in geringerer Tiefe als die Abwasserleitung verlegt werden.

• Der Mindestdurchmesser beträgt 250 mm; dadurch sind die Anfangsstrecken überdimensioniert und nicht ausgelastet.

• Eventuell anfallende Pumpkosten sind geringer, da diese für Regenwasser häufig ganz entfallen können.

• Regenüberläufe müssen keine gebaut werden, jedoch bedarf das Regenwasser je nach Belastbarkeit des Vorfluters einer Klärung.

• Der Umstand, dass der zentralen Kläranlage nur Schmutzwasser zufließt, erleichtert die Bemessung und Beaufschlagung.

• Umgekehrt wie bei der Mischkanalisation sind hier die Anlagekosten der Kanalisation meistens höher, aber dafür die Betriebskosten niedriger.

�Beim Kostenvergleich der Investitionen dürfen nicht nur die Leitungen angesetzt werden, sondern es sind auch z. B. beim Mischverfahren die erhöhten Bau- und Betriebskosten von Kläranlage und Pumpwerken anteilig zum Leitungsnetz hinzuzurechnen. Die Anwendung des Trennverfahrens bietet sich überall dort an, wo nur kurze Regenwasserleitungen zum Vorfluter notwendig werden oder ein ausreichendes Gefälle und eine offene Bebauung die weitgehende Abführung des Regenwassers in offenen Gräben erlaubt. Eine getrennte Ableitung von Schmutzwasser wird auch dann anzustreben sein, wenn das Schmutzwasser aus Tiefgebieten nach dem zur Kläranlage führenden Hauptsammler übergepumpt werden muss und das Regenwasser mit freiem Gefälle in den Vorfluter abfließen kann� (BRETSCHNEIDER, 1993). Eine weitere Möglichkeit bietet das �Qualifizierte Trennsystem�. Dabei handelt es sich um ein modifiziertes Trennsystem bei dem die Niederschläge von stark verunreinigten Flächen wie Straßen und Parkplätzen der Kläranlage zugeführt werden, jedoch unbelastetes Regenwasser in den Vorfluter abgeleitet oder versickert wird.

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Mischwasserzusammensetzung Mischwasser setzt sich zum einen aus kommunalen und industriellen Abwässern und zum anderen aus von befestigten Flächen abfließenden Regenwässern zusammen. Niederschläge nehmen bereits vor dem Auftreffen auf die Oberfläche verschiedene Stoffe aus der Luft auf, weiters kommt es zu einer Zunahme der Belastung, wenn der Regen auf die Oberfläche auftrifft. Grund dafür sind Depositionen aus der Luft, Verschmutzungen infolge menschlicher Aktivitäten und Abgänge von Tieren. Hinzu kommt die Auswaschung von hauptsächlich anorganischem Material aus Hanglagen. Weiters bewirken die erhöhten Abflüsse im Kanalsystem eine Remobilisierung von Ablagerungen und Sielhäuten. In den Tabellen 1 und 2 werden die wichtigsten Parameter für die Zusammensetzung von Niederschlagsabflüssen sowohl von Trenn- als auch Mischsystemen angeführt. AFS BSB5 CSB NH4-N NO3-N Ges. P

Goettle (1978) 5 -999 153

1 � 104 11,5

7 � 996 1,0

0,0 � 10,8 1,0

0,6 � 20,03,8

0,1 � 10,0 1,6

Harremoes (1986) Johansen 11 - 100 4,4 11 - 77 0,3 1,2 0,03 � 3,5

US EPA (1993) 100/300 9/15 65/450 1,5/3,3* 0,33/0,7 Geiger (1990) 83 - 300 7 � 18,4 28,5 - 140 0,8 � 1,2 1,8 � 3,5 0,1 � 1,1

Tab. 1: Konzentrationen (mg/l) im Niederschlagsabfluss in Trennkanalisationen (*ges. N) (zit. bei FENZ, 1998) AFS BSB5 CSB NH4-N NO3-N Ges. P Krauth Stotz (1985)

225/46,5 95,5

126/37 65,4

Krauth Stotz (1985)

291/7,9 48

115/14,1 40,3

286/26 84

Harremoes (1986) Johansen

41 � 469 176

42 � 114 30

79 � 275 130

0,6 � 2,1 0,6 � 2,1 1,1 � 7,4 2,6

Winter 49 � 112 146 � 292 7,1 � 10,3 0,2 � 1,1 2,4 � 2,5 Geiger (1990) 55 - 177 42 � 114 79 - 275 3,8 � 8,6 0,3 1,2 � 4,3

Tab. 2: Konzentrationen (mg/l) im Niederschlagsabfluss in Mischkanalisationen (zit. bei FENZ, 1998) GOETTLE (1978) gibt den Schwankungsbereich aus mengenproportionalen Mischproben einer 2,5-jährigen Messreihe und den Mittelwert aller Proben an. GEIGER (1990): Bandbreite durchschnittlicher Konzentrationen aus Literaturangaben. HARREMOES (1986): Schwankungsbereich einer 1-jährigen Messreihe und abflussgewichtete Mittelwerte. KRAUTH und STOTZ (1985): 95/15 Percentil und arithmetische Mittel aus mehrjährigen Messreihen für 2 unterschiedliche Einzugsgebiete. Die Daten von US EPA (1993) sind Resultate des Nationwide Urban Runoff Program; angegeben sind Mediane und 90%-Percentile von mittleren Ereigniskonzentrationen. (zit. bei FENZ,1998)

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3.2 Regenentlastungsanlagen an Mischkanalisation Bei Starkregenereignissen sind die von befestigten Flächen in die Kanalisation abfließenden Regenwassermengen so groß, dass die entstehenden Mischwassermengen die Kapazitäten der Kläranlage und auch des Kanalnetzes übersteigen. Daher ist es nötig, einen Teil des Mischwassers über Regenüberläufe in einen Vorfluter zu führen und dadurch den Kanal zu entlasten. Um dennoch einen gewissen Rückhalt von Feststoffen und Sedimenten zu erreichen, kommen Regenüberlaufbecken zum Einsatz. Regenüberlaufbecken RÜB � nicht zu verwechseln mit Regenklärbecken, welche der mechanischen Reinigung von Regenwasser im Trennsystem dienen � gibt es in verschiedenen Bautypen und Betriebsweisen. Es werden Fangbecken und Durchlaufbecken im Haupt- und Nebenschluss unterschieden; weiters ergeben sich noch Unterschiede bei den Drosseleinrichtungen, welche die Abflussmenge regeln, und in den Einrichtungen zur Reinigung der Becken. Für den Bau und die Planung von Regenentlastungsanlagen stehen folgende Regelwerke und Simulationsverfahren zur Verfügung:

• ÖWAV-Regelblatt 19 Richtlinien für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungen in Mischwasserkanälen

• Regelwerk der Abwassertechnischen Vereinigung A 128 Richtlinien für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen

• IGKB Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee Bericht Nr. 14: Regenentlastungsanlagen � Bemessung und Gestaltung 1973

• GAAP-Verfahren

3.2.1 RÜB � Bauarten Grundsätzlich wird zwischen Fangbecken und Durchlaufbecken unterschieden und ob die Becken im Haupt- oder Nebenschluss zum Kanal liegen. Fangbecken (FB) sind dann sinnvoll, wenn der zu erwartende Spülstoß groß ist - dies trifft bei kleinem Einzugsgebiet mit kurzen Fließzeiten mit 15 � 20 min zu. Bei erhöhter Neigung zu Ablagerungen im Kanal ist das FB ebenfalls vorzuziehen. FB dienen der Speicherung des Spülstoßes, und deren Inhalt wird, wenn wieder Kapazitäten frei sind, der Kläranlage zugeführt. Ist das FB

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voll und die Kanalkapazität erschöpft, wird Mischwasser über einen Überlauf direkt vom Kanal in den Vorfluter abgeschlagen. FB werden sowohl im Haupt- als auch im Nebenschluss ausgeführt (siehe Abb. 1 und 2).

Abb. 1: Fangbecken im Hauptschluss (ATV A 128)

Abb. 2: Fangbecken im Nebenschluss (ATV A 128) Durchlaufbecken (DB) kommen bei wenig ausgeprägten Spülstößen zum Einsatz � großes Einzugsgebiet mit längeren Fließzeiten und wenig Kanalablagerungen. Im Gegensatz zu FB dienen DB bis zu ihrer vollständigen Füllung als Speicher und Absetzbecken, danach fließt das mechanisch vorgereinigte Wasser über den Klärüberlauf in den Vorfluter. Wenn ein kritischer Abfluss erreicht wird, fließt das Mischwasser direkt, ohne das Becken zu durchfließen, über den Überlauf in den Vorfluter. Auch bei DB wird das gespeicherte Wasser nach Abklingen des Spülstoßes, sobald es der Zulauf zur Kläranlage wieder erlaubt, in den Abwasserkanal zurückgepumpt und so der Reinigung zugeführt. Auch hier sind beide Bauweisen � Haupt- und Nebenschluss � möglich (siehe Abb. 3 und 4).

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Hauptschluss bedeutet, dass das Becken auch bei Trockenwetter durchflossen wird, was zu der Notwendigkeit einer Abflussrinne im Beckenboden führt. Die Drosselung, um den gewünschten Abfluss zu erreichen, liegt dabei hinter dem Becken und der Überlauf bei vollständiger Füllung davor. Als Nachteil ist der dabei entstehende Höhenverlust zur Kläranlage anzuführen, welcher besonders in sehr flachen Gebieten zu Problemen wie übermäßigen Ablagerungen führen kann. Vorteile liegen gegenüber dem Becken im Nebenschluss in der einfacheren Bauweise und dem billigeren Betrieb.

Abb. 3: Durchlaufbecken im Hauptschluss (ATV A 128) Im Nebenschluss geführte Becken bedürfen eines eigenen Trennbauwerkes, um das Becken vom Kanal zu separieren. Daher ist auch die Installation von Pumpen notwendig, um das gespeicherte Mischwasser später wieder in den Kanal zu überführen. Als Vorteile sind anzuführen, dass die Beckenentleerung gesteuert werden kann und das Becken im Trockenwetterfall leer ist und so auch besser gereinigt und gewartet werden kann.

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Abb. 4: Durchlaufbecken im Nebenschluss (ATV A 128) Allen Mischwasserspeichern ist gemein, dass während der Befüllphase organisches und anorganisches Material mit dem Misch- bzw. Regenwasser eingetragen wird. Dieses Material � eine Mischung aus Sand, Schlamm, organischen Stoffen und Steinen - setzt sich während der Standzeit und der Entleerungsphase, hauptsächlich wenn sich diese über Stunden oder gar Tage hinzieht, ab. Dabei zeigen Durchlaufbecken erfahrungsgemäß mehr Ablagerungen als Fangbecken, bzw. tendieren Nebenschlussbecken mehr zu Verschmutzung als Hauptschlussbecken. Die Sedimente und Grobstoffe bleiben bei der Entleerung am Beckengrund liegen, da die Schleppkraft zu gering ist, um sie mitzureißen. Unterschiedliche Beckenkonstruktionen und Strömungsverhältnisse ergeben unterschiedliche Ablagerungen - vom gleichmäßigen Film bis zu inselartigen Gebilden variierender Schichtdicke (FAHRNER, 1999).

3.2.2 Drosseleinrichtungen Um sicherzustellen, dass auch bei Mischwasserabfluss nur die gewünschte Abflussmenge (Qkrit bzw. Qm=2Qs+Qf) zur Kläranlage gelangt, werden in der Kanalisation Drosselbauwerke installiert. Diese müssen gleichzeitig aber auch garantieren, dass der Trockenwetterabfluss ungehindert und rückstaufrei abfließen kann. Bei den Möglichkeiten zur Abflussbegrenzung wird zwischen Drosselung, Steuerung und Regelung unterschieden (siehe Abb. 5). Beim Drosseln ist die Abflussbegrenzung durch einen festen Fließwiderstand gegeben und erfolgt unabhängig von der Aufstauhöhe und dem daraus

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resultierenden Druck vor der Drosseleinrichtung. Dies wird z. B. durch Drosselstrecken und �blenden erreicht. Im Gegensatz dazu wird bei Abflusssteuerungen der Druck durch die Stauhöhe sehr wohl berücksichtigt. Beispiele für solche Ausführungen sind Oberwasserschwimmer und �drosseln, Wirbelventile und Schlauchdrosseln. Bei Abflussreglern wird die abfließende Wassermenge genau gemessen und gegebenenfalls auf das gewünschte Maß korrigiert.

Abb. 5: Möglichkeiten zur Abflussbegrenzung

3.2.3 Reinigung Eine Reinigung des Beckens nach jedem Regen ist deshalb so wichtig, weil es ansonsten zu einer Schlammentwicklung mit einhergehender Faulung kommen kann, was nicht nur den Betrieb der Kläranlage stört � der reduzierte Faulschlamm verschiebt die Sauerstoffverhältnisse im Abwasser und beeinträchtigt so die Reinigungsleistung im Belebtverfahren � sondern auch für Wartungspersonal beim Einsteigen in ein solches Becken eine erhebliche Gefahr darstellen kann. Neben selbstreinigenden Becken, welche nur selten ausreichend wirksam sind, gibt es noch die Möglichkeit der manuellen Reinigung, die aber teuer, da personalintensiv, und zudem noch sehr unangenehm ist. Daher kommen je nach Bauweise des Beckens unterschiedliche Reinigungsmöglichkeiten zum Einsatz. Spülkippen, Schwallspüleinrichtungen, Rührwerke und Strahlreiniger sind bewährte automatische Reinigungsmethoden. Die Spülkippe (siehe Abb. 6) ist ein drehbar aufgehängter Edelstahltrog, der nach erfolgter Beckenentleerung automatisch über eine Pumpe bzw. ein Ventil mit Wasser (Abwasser, Grundwasser, Brauchwasser, Bachwasser, Trinkwasser) gefüllt wird (VOLLMAR, 1992). Bei Vollfüllung kippt die Spülkippe

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aufgrund ihres asymmetrischen Aufbaus von selbst um und schüttet ihren Inhalt in das Becken, wo die am Beckenboden befindlichen Feststoffe mit dem Wasserschwall in den Pumpensumpf mitgerissen werden. Von dort wird das Reinigungswasser mittels Pumpen wieder in den Zulauf der Kläranlage überführt.

Abb. 6: Spülkippe in Ruhe- und in Auskippstellung (FAHRNER, 1999) Abhängig von der Fallhöhe � 3 bis 4 m sind optimal � und dem Sohlgefälle des Beckens können unterschiedliche Spüllängen erreicht werden. Zwei verschiedene Kippenvolumen haben sich als günstig herausgestellt � 350 und 700 l/m. Die Kippenlängen variieren von 1 � 5 m, was für breitere Becken heißt, dass mehrere Kippen miteinander gekoppelt werden oder das Becken durch Leitbauwerke in mehrere Bahnen mit je einer Spülkippe aufgeteilt wird. Diese können auch nacheinander geschaltet sein, was zu einer Verkleinerung des Pumpensumpfes führt. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten bei der Anordnung von Spülkippen sind in Abb. 7 dargestellt.

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Abb. 7: Anordnungsvorschläge für Spülkippen bei geschlossenen Rechteckbecken (FAHRNER, 1982) Als Spülmedium kann Trinkwasser, Grundwasser, Vorfluterwasser, Brauchwasser, gesammeltes Oberflächenwasser oder Schmutzwasser aus dem Regenbecken verwendet werden. Die zwei letzteren sind aber nur als Notlösung anzuwenden, da einerseits Oberflächenwasser nicht immer in ausreichender Menge vorhanden ist und Schmutzwasser zu keiner vollständigen Reinigung führt. Selbst bei Betrieb mit Trinkwasser sind bei angenommenen zwei Spülgängen die Kosten im Vergleich zur manuellen Reinigung sehr gering und die anfänglichen Investitionskosten bald amortisiert. Hinzu kommt, dass Spülkippen weitgehend wartungsfrei arbeiten und auch für die Nachrüstung älterer Becken geeignet sind. Schwallspülvorrichtungen arbeiten im Vergleich zu Spülkippen mit größeren Wassermengen bei geringerem Spülwasseraufstau � dies hat zur Folge, dass der Pumpensumpf tiefer ausgebildet werden muss. Schwallspülvorrichtungen gibt es mit und ohne Spülklappe (siehe Abb. 8 und 9); auch als Spülwehre werden sie konstruiert. �Bei der Version mit Spülklappe beträgt die typische Aufstauhöhe ca. 1,2 m. Die Spülkammer wird dabei über eine Schwelle oder eine Rückstauklappe entleert. Die Ver- und Entriegelung der Klappenverschlüsse erfolgt elektrohydraulisch�. (FAHRNER, 1999) Durch die Variation der Klappenbreite von 0,5 � 3,0 m lassen sich ausreichende Spülbreiten erreichen und wie bei den Spülkippen durch Leitbauwerke vervielfachen. Da die Spülung mit Abwasser erfolgt, steht nur ein Spülgang zur Verfügung, und weitere bedeuten einen höheren Investitionsaufwand. Auch ein erhöhter Wartungsaufwand ist als nachteilig anzusehen, denn in der Spülklappe können sich Grobstoffe einklemmen und so einen vollständigen Verschluss verhindern, sodass das Wasser vorher schon unkontrolliert ausläuft und es zu keiner Schwallspülung mehr kommt. Daher sind regelmäßige Kontrollen bei Begehungen nötig.

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Abb. 8: Schwallspülung mit Spülklappe (FAHRNER, 1999) Diese Problematik ergibt sich bei der Schwallspülung ohne Spülklappe nicht, da sich keine beweglichen Teile im Abwasser befinden. Regenüberlaufbecken und Spülkammer sind über eine Art Siphon miteinander verbunden. Die Spülkammer befüllt sich parallel zum Becken, wenn nötig mit Hilfe einer Vakuumpumpe, bis zum vorgesehenen Füllstand. Nach Entleerung des Beckens wird durch Öffnen eines Entlüftungsventils die Spülkammer schlagartig entleert.

Abb. 9: Schwallspülung ohne Spülklappe (FAHRNER, 1999) Spülwehre werden trotz geringer Betriebskosten in der Praxis eher selten eingesetzt, da meist die Höhenreserve im Kanal für einen ausreichend tiefen Pumpensumpf nicht gegeben ist. Auch der Einsatz von Spülrinnen ist ein Sonderfall, da diese im Bau hohe Investitionskosten verursachen und auch im Betrieb aufgrund der notwendigen Pumpen nicht billig sind. Sie sind nur bei extrem großen Rechteckbecken vorteilhaft.

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Bei Rührwerken wird ein Flügelradpropeller auf der Beckensohle montiert der eine horizontale Strömung erzeugt, die dem Absetzen von Schwebstoffen entgegenwirkt. Durch die entstehende Wellenbewegung wird neben der Sohlreinigung auch eine Wandreinigung erreicht. Das Aufrühren der Schmutzstoffe führt zu einem gleichmäßigen Schmutzaustrag aus dem Becken, jedoch darf das Rührwerk keinesfalls während der Überlaufphase betrieben werden. In der Endphase der Entleerung ergibt sich das Problem, dass die Propellerflügel nicht mehr ganz bedeckt sind, weshalb das Rührwerk wegen auftretender Unwuchten noch vor dem Austauchen der Flügel abgestellt werden muss. Man unterscheidet starr montierte und schwenkende Rührwerke. Erstere eignen sich für Rundbecken mit Mittelablauf, schwenkende auch für quadratische und Rechteckbecken. Schwenkende Rührwerke erzielen bessere Reinigungseffekte, da sie bereits abgelagertes Material wieder aufwirbeln. Der Strahlreiniger ist ein Reinigungssystem, das sich am Wirkprinzip einer Wasserstrahlpumpe orientiert (siehe Abb. 10). Beim Betrieb wird dem Wasserstrahl Luft zugemischt. Dieses Gemisch wird mit erhöhter Fließgeschwindigkeit parallel zur Beckensohle ausgestrahlt, wodurch das Wasser im Becken in Rotation versetzt wird. Die Betriebsweise erfolgt ähnlich wie bei Rührwerken erst im Aussetzbetrieb und dann im Dauerbetrieb und kann hier auch in der Endphase der Entleerung aufrecht erhalten werden. Der Lufteintrag in das Abwasser wirkt auch etwaigen Faulungsprozessen bei langen Standzeiten positiv entgegen (VOLLMAR, 1992).

Abb. 10: Strahlreiniger (FAHRNER, 1999) Bei starr montierten Strahlreinigern müssen je nach Beckengröße mehrere Aggregate hintereinander geschaltet werden, und selbst dann können Ablagerungen in gewissen Zonen, die dann manuell gereinigt werden müssen, nicht vermieden werden.

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Schwenkstrahlreiniger haben sich besonders zur Nachrüstung von Becken, bei denen das Sohlgefälle nach verschiedenen Richtungen orientiert ist, bewährt. Auch für Becken mit Einbauten und Säulen wird diese Reinigungsart benutzt. Schwenkstrahlreiniger arbeiten zuerst wie starr montierte, erst in der Endphase schwenkt das Strahlrohr um bis zu 180° aus, wobei das Wasser aus dem Pumpensumpf zur Spülung verwendet wird. Die Betriebskosten können auf Grund der erforderlichen Pumpenleistung sehr hoch werden, und auch die zulässigen elektrischen Anschlusswerte können überschritten werden, was ebenfalls zusätzliche Kosten hervorruft. Weiters gibt es rotierende Strahlwerfer, die einen Schwenkbereich von 360° erreichen, und Impulsstrahlreiniger, die mittels einer Drossel im Luftansaugrohr, die taktend geöffnet wird, einen impulsartigen Effekt erzielen, der die abgelagerten Stoffe besser aufwirbelt. Der Impulsstrahlreiniger wird bevorzugt bei Stauraumkanälen eingesetzt. Gemeinsam ist diesen strömungserzeugenden Reinigungsmethoden, dass sie durch Feststoffe behindert werden können. Verzopfende Materialien, wie Strumpfhosen, Schnüre und Lappen können sich in Rührwerken verfangen und diese zum Stillstand bringen. Andere Feststoffe wie Dosen, Flaschen, Holzstücke oder tote Tiere können bei Strahlreinigern die Injektordüse verstopfen und so die Reinigung blockieren. In diesen Fällen müssen die Fremdkörper manuell entfernt werden. Bei der Auswahl eines Reinigungsverfahrens müssen die technischen Möglichkeiten und auch die Investitions- und die Betriebskosten mit in die Überlegungen einbezogen werden.

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In Tabelle 3 sind die verschiedenen Beckenformen den diversen Reinigungssystemen gegenübergestellt und die jeweilige Eignung beurteilt.

Tab. 3: Auswahlkriterien für Beckenreinigungssysteme (●geeignet, ○ möglich, - nicht üblich) (FAHRNER, 1999)

Reinigungssysteme Beckenformen

Sp

ülki

ppen

Schw

alls

pülu

ng

Star

r mon

tierte

R

ührw

erke

Schw

enke

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Rüh

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er

Rot

iere

nde

Stra

hlw

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r

Impu

ls-

stra

hlre

inig

er

Rechteckbecken, insbesondere Durchlaufbecken, mit Tiefe über 3 m

● ● - ● ○ ● - - Rechteckbecken, insbesondere Fangbecken, mit Tiefe unter 3 m

○ ● - ● ● ● - - Kleine Rund- oder quadratische Becken ohne Mittelsäule

- - ● - ● ● ● - Kleine Rund- oder quadratische Becken mit Mittelsäule

- ● ● - ● ● ○ - Große Rundbecken mit Säulen - ○ ○ - ○ ● ● - Becken mit Sonderformen und Problemzonen

- - - ○ - ● ○ - Bestehende, sanierungsbedürftige Rechteck-Becken

○ ○ ○ ● ● ● - - Stauraumkanäle ● ● - - - - - ●

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3.3 Auswirkungen von Regenentlastungsanlagen auf Gewässer Von zentraler Bedeutung für die ökologischen Wirkungen von Mischwassereinleitungen im Gewässer ist das Verhältnis von Mischwasserzufluss zu Gewässerabfluss, sowie Häufigkeit und Dauer der Mischwassereinleitung. Sowohl die hydraulische, als auch die stoffliche Belastung können zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Dabei ist auch zu unterscheiden zwischen akut toxischen und verzögerten Wirkungen und einer Langzeit- und akkumulativen Wirkung. Daher ist es wichtig, Einzelereignisse und Jahresfrachten getrennt zu betrachten. Das einzelne Entlastungsereignis muss als Ganzes betrachtet werden und auch synergistische Effekte zwischen den verschiedenen Belastungsparametern müssen berücksichtigt werden. Es können gewisse Stoffkonzentrationen bei alleinigem Auftreten noch keine nachteilige Wirkung haben, aber im Zusammenspiel mit anderen sich toxisch bis letal auf die Lebewesen im Ökosystem Fließgewässer auswirken. Abbildung 11 zeigt das Zusammenspiel der verschiedenen Einflussfaktoren im Gewässerökosystem.

Lebensge-meinschaften

Land/Wasser Vernetzung

Abfluss- verhalten

Wasserbe- schaffenheit

Gewässerökosystem

Gewässerunterhaltung Gewässerausbau Wasserentnahme

Brauchwasser-einleitungen

Fischerei Freizeitnutzungen

Landwirtschaft, andere diffuse Quellen

Siedlungsentwässerung

Wasserkraft

Gewässer- struktur

Abb. 11: Allgemeines Schema der wichtigsten Kompartimente eines Fließgewässer-Ökosystems mit seinen Wechselwirkungen und anthropogenen Einflüssen. (BORCHARDT, 1999)

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3.3.1 Hydraulische Wirkung

Niederschlagswasserentlastungen der Trenn- und Mischkanalisationen können abhängig von den Volumenrelationen zwischen Entlastungs- und Gewässerabfluss zur Veränderung der hydraulischen Bedingungen im belasteten Gewässer führen. Werden durch den erhöhten Abfluss hydraulische Schwellenwerte für bestimmte Organismen überschritten, kann es zu einer Verdriftung und damit zum lokalen Verlust von Populationen führen. Um der Abdrift durch die Strömung zu entgehen, klammern sich die Organismen am Untergrund fest oder suchen Bereiche geringerer Fließgeschwindigkeit auf. Je stärker die Strömung, desto stärker drücken sich die Tiere mit der Unterseite gegen die Steinflächen, um so in den Strömungsschutz der Grenzschicht zu gelangen (siehe Abb. 12).

Abb. 12: Verhalten von Ephemeridenlarven auf Steinen. Aa bei geringer, Ab bei stärkerer Wasserbewegung (nach AMBÜHL, 1959, zit. bei SCHWOERBEL, 1999); B Umströmung einer Larve von Ecdyonurus cf. Venosus nach Messungen von Statzner und Holm (STATZNER, 1982; zit. bei SCHWOERBEL, 1999)

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Strömungsgeschützte Areale finden die Organismen am Boden der Fließgewässer im hyporheischen Interstitial, zwischen den Geröllen der Stromsohle oder Pflanzenpolstern. Daher ist die Beschaffenheit der Gewässersohle ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung des hydraulischen Gefährdungspotentials. Aus Abbildung 13 geht hervor, wie stark die Ausprägung strömungsgeschützter Zonen von der Beschaffenheit der Gewässersohle abhängt.

Abb. 13:Totwasserbereich (punktiert) an der Stromsohle eines Baches (aus AMBÜHL, 1959) �Je nach Rauhigkeit der Sohle variiert die Besiedelungsfläche für benthische Organismen: in Gebirgsbächen mit steiniger Sohlenstruktur kann das Verhältnis 5 m²/m² betragen, und je feinkörniger das Sohlenmaterial ist, desto kleiner wird das Verhältnis und nähert sich 1 (glatter Fels und Sand).� (SCHWOERBEL, 1999) Benthos greifen mit ihren Umsetzungsreaktionen in den Stoffhaushalt der (kleinen) Fließgewässer ein. Somit ist die Gewässersohle als ihr Lebensraum ein wichtiger Bestandteil jedes Fließgewässers. Nicht nur die Gewässersohle, sondern auch der Uferbereich bestimmt mit, wie stark die Auswirkungen eines Entlastungsereignisses sind. Eine Aufweitung des Gewässerquerschnittes bringt eine Verminderung der hydraulischen Belastung. Totholzzonen und durch Vegetation geschaffene Rückzugsräume können die Auswirkungen einer hydraulischen Belastung mildern. Ein künstlich geschaffenes Flussbett mit glatter Sohle und geradem Flusslauf verschärft hingegen die Problematik. Der stoßartig erhöhte Abfluss durch Mischwasserüberläufe kann zu Sohleninstabilität und Resuspension von sedimentierenden Stoffen, wie Trüb- und Sinkstoffen führen und Substratumlagerungen bewirken, wie aus dem Hjulström-Diagramm in Abb. 14 ersichtlich ist.

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Abb. 14: Hjulström�Diagramm zum Frachtvermögen des fließenden Wassers in Abhängigkeit von Korngröße und Strömungsgeschwindigkeit. Teilchen im Feld �Ablagerung� sind stets in Ruhe, die im Feld �Abtragung� stets in Bewegung. Im Feld �Verfrachtung� bleiben ruhende Teilchen in Ruhe, bewegte in Bewegung (nach Hjulström, aus SCHWÖRBEL, 1999) Nebst Beeinträchtigung der Gewässerökologie kann es durch die erhöhten Abflusswerte auch zu einer Gefährdung von Sachen und Personen kommen und die Freizeitnutzung eingeschränkt werden. �Zur Bewertung der hydraulischen Auswirkungen von Entlastungsereignissen ist es sinnvoll, diese den Auswirkungen von natürlichen Hochwässern gegenüberzustellen. Der Unterschied zu natürlichen hohen Fließgeschwindigkeiten (Hochwasser):

Hochwasser entsteht meist allmählich, Mischwasserüberlauf geschieht plötzlich.

Bei ausreichend vorhandenem Hohlraum- und Lückensystem im Flussbett gelingt im 1. Fall vielen Organismen die Flucht ohne Drift, im 2. Fall meist nicht. Wenn zusätzlich Schadstoffe wirken, wird der Schutzraum wieder verlassen und damit wirkungslos. Die erhöhte Zufuhr von Sinkstoffen kann das Lückensystem im Flussbett verfüllen und damit als Lebensraum entziehen.� (ATV � A 128, 1992)

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Die Sohlschubspannung ist in der Hydraulik üblicherweise die Kenngröße zur Beurteilung der Strömungswirkung. Zur Beurteilung der hydraulischen Wirkung von Mischwasserentlastungen wäre eine Gegenüberstellung und Bewertung von Maß und Häufigkeit der von Mischwasserentlastungen und der von natürlichen Abflussschwankungen erzeugten Sohlschubspannungen sinnvoll. Dies scheitert jedoch daran, dass Abflussregime und Häufigkeit von Abflüssen an den meisten Fließgewässern wegen fehlender Pegel nicht bekannt sind und damit auch Häufigkeit, Ausmaß und Dauer von natürlichen Sohlbewegungen unterhalb der Einleitungsstellen nicht ermittelt werden können. Auch die Begriffe �unzulässig erhöhter� oder �unzulässig häufiger hydraulischer Stress� sind nicht quantifizierbar. Sie beschreiben in qualitativer Weise Verhältnisse, unter denen die Fließgewässerorganismen unnatürlich häufig verdriftet werden und/oder die Gewässersohle unnatürlich in Bewegung kommt oder großflächig ausgeräumt wird (Katastrophendrift). Deshalb rät die ATV-Arbeitsgruppe �Beeinflussung der Gewässergüte durch Mischwassereinleitungen� zu einem empirischen Ansatz zur Beurteilung der hydraulischen Wirkung von Entlastungsereignissen (ATV � 2. Arbeitsbericht, 1997). Dabei werden auch besonders naturferne Verhältnisse, nämlich wenn ein hoher Mischwasserentlastungsabfluss aus der undurchlässigen Fläche eines kanalisierten Einzugsgebietes (AU) auf einen niedrigen Abfluss aus dem hydrologischen Einzugsgebiet des Gewässers (AE) trifft, berücksichtigt. Je größer die undurchlässige Fläche im kanalisierten Einzugsgebiet an der Einleitestelle ist, umso größer ist die Gefahr, dass ein hoher Entlastungsabfluss auf einen niedrigen Abfluss im Gewässer trifft. Der b-Wert wird definiert als das Verhältnis der Einzugsgebietsflächen zu:

b = (AU/AE) · 100 [%] Mit AU = undurchlässige Fläche eines Entwässerungsgebietes

(ersatzweise kann auch Ared verwendet werden, wobei AU ~ 0,85 Ared)

Ared = kanalisierte Fläche des zusammenhängend zu betrachtenden Entwässerungsgebietes

AE = oberhalb des zusammenhängend zu betrachtenden

Entwässerungsgebietes gelegenes hydrologisches Einzugsgebiet

�In einer Untersuchung von 30 Mittelgebirgsbächen in Deutschland und der Schweiz wurden die biozoenotischen Verhältnisse oberhalb und unterhalb von

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Mischwasserentlastungen aufgenommen und mit dem zugehörigen b-Wert in Beziehung gesetzt. Signifikante biozoenotische Verschlechterungen im Gewässer zeigten sich demnach erst oberhalb eines b-Wertes von etwa 5 %. Auch zwischen 5 % und etwa 2 % konnten biozoenotische Veränderungen gefunden werden, das Ausmaß ist jedoch in diesem Bereich � in Abhängigkeit von den lokalen Bedingungen � nicht immer signifikant. Die Arbeitsgruppe schlägt daher vor, den kritischen b-Wert vorerst bei etwa 5 festzusetzen.� (ATV � 2. Arbeitsbericht , 1997) Für eine weitergehend definierte Beziehung zwischen dem biozoenotischen Defizit und dem b-Wert müsste eine einheitliche Vorgangsweise bei der biologischen Untersuchung und der Bewertung vorliegen und auch örtliche und zeitliche Abstände der jeweiligen Untersuchungsstrecke vom Einleitungsort und �zeitpunkt festgelegt werden. Um eine Verfälschung der Ergebnisse durch nichtrelevante, reversible und momentane Erscheinungen auszuschließen, ist es ratsam, die biozoenotischen Untersuchungen in einem angemessenen zeitlichen Abstand zum Entlastungsereignis und einem angemessenen räumlichen Abstand zur Entlastungsstelle durchzuführen. Wenn der kritische b-Wert überschritten wird, ist im Gewässer mit einer Abnahme der Individuenhäufigkeit und Artenzahl, also der Diversität, zu rechnen.

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3.3.2 Stoffliche Wirkung In stofflicher Hinsicht nimmt die nachteilige Wirkung von Mischwassereinleitungen grundsätzlich mit größer werdendem Verhältnis zwischen Mischwasser- und Gewässerabfluss zu. Ferner sind die stofflichen Wirkungen in Gewässern von den hydraulischen und morphologischen Merkmalen des Gewässers abhängig, die näherungsweise durch Fließgewässertypen wie in Tab. 4 beschrieben werden können. Akute und verzögerte Wirkungen Langzeitwirkungen

Hydrau-lische

Einflüsse Stoffliche Einflüsse

(physikal.-chem.) Stoffliche Einflüsse Morpho-logische

Schädigung

Gewässertyp

Lage des Einzugs-gebietes (Gefälle des Fließ-gewässers)

Hydr. Stress/

Geschiebe-umlage-rungen

O2-Defizit

NH3-Toxizität

Nährstoffe/ Eutro-

phierung

Verschlammung/ Schwermetalle/

Xenobiotika Struktur-defizite

Mittelgebirge (steil) ++(+) (+) (+) +(+) Bäche / kleine

Flüsse Tiefland (flach) +(++) (++) (++) (++) (++) ++(+)

Mittelgebirge (steil) - Flüsse /

Ströme Tiefland (flach) (+) (+) (++) (++) -

Gestaute Flüsse / Ströme

Tiefland (flach) (+) (+) +(+) +(+) -

+++ : sehr große Bedeutung ++ : große Bedeutung + : bedeutsam ( ) : abhängig von lokalen Bedingungen

Tab. 4: Aus Fallbeispielen und Literaturangaben abgeleitete Wirkungen von Niederschlagswassereinleitungen auf unterschiedliche Fließgewässer. Die hydraulische Wirkung der eingeleiteten Wassermengen ist eine Funktion der Schubspannung τ, der Häufigkeit und Dauer von τkrit, der Stabilität von Refugien und dem Wiederbesiedelungspotential. Die stofflichen Wirkungen hängen von der spezifischen Belastung mit organischem C, NH4-N, organischen Feststoffen, mineralischen Feststoffen, der Häufigkeit und Dauer von Ckrit für Sauerstoff und Ammoniak, und den Frachten, sowie gewässerseitig von der Dispersion, dem physikalischen O2-Eintrag und dem pH-Wert ab. (BORCHARDT, 1998) �Es ist davon auszugehen, dass die mit dem Einzelereignis auftretenden akuten Wirkungen des Mischwassers auf Organismen in erster Linie durch toxisch wirkende Substanzen � insbesondere Ammoniak � hervorgerufen werden. Außerdem kann eine maßgebende Beeinträchtigung des Sauerstoffhaushaltes und damit eine Verstärkung der Toxizität eintreten. Gewässer, die aufgrund ihrer natürlichen oder anthropogen veränderten Gerinnehydraulik und ihrer Morphologie eine geringe Schleppkraft, geringen physikalischen Gasaustausch bzw. hohe Gewässertiefen aufweisen, sind durch Mischwassereinleitungen besonders gefährdet. In diesen Gewässern nimmt die Gefahr von hohen Sauerstoffdefiziten durch zehrende Mischwasserinhaltsstoffe (vorwiegend Org.-C, NH4-N) zu, ebenso die der Sedimentation größerer

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Mengen von Feststoffen und der Eutrophierung.� (ATV � 1. Arbeitsbericht, 1993) Neben dem b-Wert für die Charakterisierung der hydraulischen Belastung hat die ATV-Arbeitsgruppe �Beeinflussung der Gewässergüte durch Mischwassereinleitungen� auch ein Konzept zur Beurteilung von Mischkanalentlastungen bezüglich ihrer stofflichen Wirkung erstellt. Der a-Wert zur Beurteilung der stofflichen Wirkung bei Mischkanalentlastungen: �Auf der Basis von Kenndaten typisierter Kanalnetze, Einwohnerstrukturen und Gewässertypen wurden Belastungen durch Mischwassereinleitungen abgeschätzt. Die wichtigste Einflussgröße, die Einwohnerdichte, wurde den jeweiligen Einwirkungen im Gewässer gegenübergestellt. Als vertretbare Grenzwerte der Gewässerbeschaffenheit bei Regenwetter infolge von Mischwassereinleitungen werden angesehen: Feststoffe 50 mg/l

Sauerstoff 4 mg/l Ammoniak 0,1 mg/l Aufgrund der Berechnungen ist davon auszugehen, dass diese Grenzwerte nicht eingehalten werden, wenn die in Tabelle 5 aufgeführten Verhältnisse zwischen Einwohnerwert eines zugehörigen Einzugsgebietes und der mittleren Niedrigwasserführung des aufnehmenden Gewässers, hier genannt a-Wert, überschritten werden.� (ATV � 1. Arbeitsbericht, 1993) Zur Bestimmung des a-Wertes für ein bestimmtes Gewässer oder einen Gewässerabschnitt, dividiert man die Einwohnerzahl des anliegenden Kanaleinzugsgebietes durch den mittleren Niedrigwasserabfluss des Vorfluters. Aus Tabelle 5 kann man den kritischen a-Wert für das jeweilige Gewässer in Abhängigkeit von Fließgeschwindigkeit, Tiefe und pH-Wert ablesen und mit dem errechneten a-Wert vergleichen.

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Tab. 5: Kritische a-Werte für die stoffliche Belastung (ATV � Arbeitsbericht, 1993)

Merkmale im Gewässer bei MNQ krit. a-Wert EW[-]/MNQ[l/s] Kenngröße

v [m/s] h [m] pH-Wert aG > 8,5 * 10 < 0,1 0,1 � 0,5

>0,1 > 0,5 > 8

15

< 0,1 0,1 � 0,5 0,5 � 1

< 0,1 < 0,5 > 1

20

0,5 � 1 > 1

< 1

O2 und NH3 (in gel. Form)

und alle anderen Fälle 25

Abspülungen von Ablagerungen oder Sielhaut aF erheblich 15

Feststoffe

Gering 25 aG: Kritischer a-Wert in bezug auf gelöste Stoffe aF: Kritischer a-Wert in bezug auf Feststoffe * : als vorwiegendes Merkmal eines eutrophen Gewässers h : Wassertiefe v : Fließgeschwindigkeit

Der a-Wert dient dazu festzustellen, ob die in der ATV A 128 geforderten Mindestanforderungen an Mischwasserentlastungen in Bezug auf stoffliche Belastungen des Gewässers ausreichen, oder ob weitergehende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Dafür wird für das jeweilige Gewässer aus der Einwohnerzahl des betreffenden Einzugsgebietes und dem mittleren Niedrigwasserabfluss des Vorfluters der entsprechende a-Wert ermittelt und mit dem kritischen a-Wert verglichen. Es wurden die kritischen a-Werte bei diesem Screening allerdings nur unter Berücksichtigung der wichtigsten Indikatoren für die ökologische Gesamtbelastung � Abfluss, Sauerstoffgehalt, Ammonium/Ammoniak und Feststoffe � ermittelt. Liegen andere belastende bzw. toxische Stoffe vor, oder werden an das Gewässer stoffspezifisch ungewöhnlich hohe Anforderungen gestellt, genügt das oben beschriebene Verfahren nicht. Sauerstoff Dem Sauerstoff kommt im Stoffhaushalt der Gewässer wegen seiner Rolle als Energielieferant für alle höheren Organismen besondere Bedeutung zu. Der Sauerstoffgehalt eines Fließgewässers stellt sich als komplex gesteuerter Gleichgewichtszustand dar, an dem zahlreiche physikalische und biologische Einflussgrößen beteiligt sind. Natürlicherweise wird der Sauerstoffhaushalt in

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einem Fließgewässer durch den physikalischen Gasaustausch, die temperaturabhängige Löslichkeit sowie Sauerstoff verbrauchende und produzierende Prozesse bestimmt. Mit höherer Temperatur sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers, während der O2-Bedarf der Organismen mit aerobem Stoffwechsel ansteigt. Hinzu kommt noch die verminderte Affinität des Hämoglobins bei höherer Temperatur. Weiters ist die Löslichkeit von Gasen vom Druck abhängig, der jedoch bei Fließgewässern keinen maßgeblichen Faktor darstellt, da er konstant ist. O2-Zufuhr erfolgt durch: Atmosphäre

Photosynthese evt. Eintrag durch Zuflüsse

O2-Verbrauch erfolgt durch: Atmung Abbau und Mineralisation organischer Stoffe (Destruktion) Verlust an die Atmosphäre

�Demnach ist die Sauerstoffbilanz eines Gewässers umso schlechter, je geringer der Eintrag an Sauerstoff ist und je intensiver die Stoffwechselleistungen der heterotrophen Organismen sind. Daraus ergeben sich vorab zwei wichtige Feststellungen:

1. Fliessgewässer mit rascher Wasserbewegung und geringer Wassertiefe haben eine günstigere Sauerstoffbilanz als stehende Gewässer und

2. die Zufuhr organischer Stoffe in die Gewässer verschlechtert ihre Sauerstoffbilanz.

Da Wasserbewegungen die Sauerstoffbilanz positiv beeinflussen, muss sich die allochthone Zufuhr von organischem Material in stehenden Gewässern nachhaltiger auswirken als in Fließgewässern.� (SCHWOERBEL, 1999) Nachts gelangt der Hauptteil des Sauerstoffs durch Aufnahme über die Oberfläche in das Gewässer. Während des Tages überwiegt bei Fließgewässern die biogene Sauerstoffproduktion mittels Photosynthese. Zu einer stabilen vertikalen Sauerstoffschichtung kommt es in Fließgewässern nicht. Die Sauerstoffzehrung hängt von der Menge an abbaubarem organischen Material ab, das mit der fließenden Welle transportiert oder am Grund abgelagert wird. Je größer diese Menge ist, umso stärker wird der Sauerstoffhaushalt eines Fließgewässers belastet. Organische Abwässer belasten die Sauerstoffbilanz zusätzlich. Einen Einblick in den Stoffhaushalt eines Fließgewässers kann man durch die Tagesganglinien des Sauerstoffgehaltes gewinnen (siehe Abb. 15).

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Abb. 15: Sauerstoffhaushalt eines Flussabschnittes während eines wolkenlosen Tages. 1 Photosynthetische O2-Produktion; 2 O2�Zehrung durch Dissimilationsprozesse; 3 O2�Austausch zwischen Wasser und Atmosphäre; 4 resultierende aus O2�Produktion (kreuzweise schraffiert) und O2�Verbrauch (einfach schraffiert); 5 tatsächlicher Tagesgang des O2 in mg/l und %Sättigung (nach ODUM, 1957; Zit. bei SCHWOERBEL) �Wesentlich ist, dass der Sauerstoffhaushalt im Kontinuum eines Fließgewässers einer naturgegebenen Genese mit vorwiegend heterotrophen Ober- und Unterläufen, sowie einem autotrophen Mittellauf unterliegt. Niederschlagswassereinleitungen, insbesondere aus Mischkanalisationen, enthalten hohe Konzentrationen an sauerstoffzehrenden Substanzen. Insbesondere Gewässer, die aufgrund ihrer natürlichen oder anthropogen veränderten Gerinnemorphologie und �hydraulik eine geringe Schleppkraft, geringen physikalischen Gasaustausch und/oder hohe Gewässertiefen aufweisen, sind hinsichtlich des Sauerstoffhaushaltes durch Niederschlagswassereinleitungen besonders gefährdet. Dies hängt vor allem mit der starken Abhängigkeit der physikalischen Sauerstoffaufnahme von der Fließgeschwindigkeit und Tiefe zusammen. In langsam fließenden Gewässern nimmt außerdem durch die geringe Schleppkraft auch die Gefahr der Schlammbildung durch Sedimentation von Feststoffen und die Eutrophierungsgefährdung durch erhöhten Nährstoffeintrag mit entsprechenden indirekten Wirkungen auf den Sauerstoffhaushalt zu.� (BORCHARDT, 1998)

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Die Auswirkung von geringen Sauerstoffkonzentrationen auf die verschiedenen Gewässerorganismen ist unterschiedlich. �Fische reagieren bei Sauerstoffmangel sensibler als Makroinvertebraten. In Abhängigkeit ihres Lebensraumes können Fische Sauerstoffdefizite unterschiedlicher Dauer überleben. Aufgrund der geringeren Sauerstoff Konzentrationen der Flachlandgewässer sind die Fischarten der Cyprinidenregion (Barbe, Brachse, Karpfen) gegenüber Sauerstoffdefiziten unempfindlicher als die der Salmonidenregion (Forelle, Äsche). Die letalen Kurzzeitkonzentrationen LC50 im Bereich von zwei bis acht Stunden liegen unter 1,5 mg O2/l, sodass Fischpopulationen vorrangig in langsamfließenden Gewässern, in denen Mischwassereinleitungen langanhaltende Sauerstoffdefizite verursachen können, gefährdet sind. Die Wirkung von Sauerstoffdefiziten auf Makroinvertebraten ist nicht einheitlich. Es gibt unempfindliche Arten und Spezialisten, die eine nahezu ständige Sauerstoffsättigung zum Überleben benötigen.� (WAGNER, 1998) Die Auswirkungen von Sauerstoffdefiziten sind auch von ihrer Wiederkehrhäufigkeit und der jeweiligen Dauer abhängig. In Tabelle 6 sind O2-Gehalte aufgeführt die nicht unterschritten werden sollten. Wiederkehrhäufigkeit 1 Stunde 6 Stunden 24 Stunden

monatlich 4,0 5,0 5,5 vierteljährlich 3,5 4,5 5,0

jährlich 3,0 4,0 4,5 Tab. 6: Minimale O2-Gehalte (mg/l) in Abhängigkeit von der Dauer und der Wiederkehrhäufigkeit der Belastung (FOUNDATION FOR WATER RESEARCH, 1994, zit. bei FENZ, 2001) Durch Laboruntersuchungen bei ausgewählten Makroinvertebraten konnte festgestellt werden, dass Sauerstoffmangel gegenüber hydraulischem Stress eine untergeordnete Rolle bei der Auslösung von Driftverhalten spielt. Ab etwa 5 mg O2/l zeigen sich Verhaltensänderungen und unter 2 mg O2/l setzt eine verstärkte Drift ein. Bei steigendem Sauerstoffgehalt wurde eine Rückkehr zu artgerechtem Verhalten beobachtet (GAMMETER, 1989). Bei großen Flüssen im Güteklassenbereich II-III/III hängt die Auswirkung eines Sauerstoffmangels auch von der Flusstiefe und der Fließgeschwindigkeit ab. So kann ein kurzzeitiges (Stunden) Sauerstoffdefizit bei Gewässertiefen >1m und Fließgeschwindigkeiten >0,3 m/s ohne schädigende Folgen für Invertebraten bleiben. Von größerer Bedeutung ist der Sauerstoffkonzentrationsgradient. Fische können sich � allerdings nur sehr langsam � an geringe O2-Konzentrationen durch vermehrte Bildung von roten Blutkörperchen anpassen.

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Stress, auch infolge O2-Mangels, erzeugt erhöhten O2-Verbrauch durch die Organismen. Angebot und Bedarf gehen in Störungsfällen wie eine Schere auseinander. Je höher die Gewässergüte, desto unerlässlicher ist der ungestörte Sauerstoffhaushalt für die Erhaltung des Organismenspektrums der jeweiligen Gewässergüteklasse. Ammonium/Ammoniak �Ammonium kommt in Gewässern in erhöhten Mengen v. a. durch Abwassereinleitungen, aber auch als Produkt mikrobieller Abbauprozesse vor. Ammoniak ist als nicht ionisierte Form des Ammoniums eine stark toxische Verbindung. Es wirkt in erster Linie als Nervengift, dessen Toxizität für aquatische Organismen in Zusammenhang mit der Physiologie der Ammoniak-Ausscheidung steht und von zahlreichen abiotischen und biotischen Faktoren abhängt (z.B. Temperatur, pH-Wert, Strömung, Tierart, Alter der Tiere, physische Kondition wie Laichstress). Die Dissoziation von Ammonium ist vom pH-Wert und der Temperatur abhängig (siehe Tab.7). Die hohen pH-Werte (über 8) von eutrophierten Gewässern bieten denkbar ungünstige Bedingungen und deren Lebensgemeinschaften sind durch akute Ammoniakvergiftungen besonders gefährdet.� (BORCHARDT, 1999)

°C/pH 7 7,5 8 8,5 9 9,5 10 5 0,12 0,39 1,23 3,80 11,10 28,32 55,54

10 0,19 0,59 1,83 5,57 15,71 37,09 65,08

15 0,27 0,86 2,67 7,98 21,52 46,44 73,27

20 0,40 1,24 3,83 11,17 28,46 55,71 79,91

25 0,57 1,77 5,39 15,27 36,30 64,31 85,07

Tab. 7: NH3/NH4-Dissoziationsgleichgewicht: %NH3-N in Abhängigkeit von pH und Temperatur (FENZ, 1998) Grenzwerte für die NH3/NH4-Konzentrationen festzulegen ist schwierig, da die in Laborstudien gewonnenen Erkenntnisse nicht gänzlich mit den Freilandbeobachtungen zur Ammoniaktoxizität übereinstimmen. Auch muss zwischen einer akuten, also letalen Konzentration und subletalen Langzeitfolgen unterschieden werden. Beispielsweise zeigen die mittels standardisierten Biotestverfahren ermittelten LC50 (24 � 96 h) für akute Ammoniaktoxizität eine sehr große Spannweite. Für die empfindlichen Salmoniden (z. B. Forellen) reichen die Konzentrationsangaben von 0,08 mg/l bis zu 3 mg/l NH3-N. (HAMM, 1991; zit. bei FENZ, NOWAK, 1998)

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Trotz oben genannter Schwierigkeiten gibt es Grenzwerte. In Deutschland wurde von der ATV Arbeitsgruppe (ATV � 2. Arbeitsbericht, 1997) ein strenger Richtwert von 0,100 mg NH3-N/l für kurzfristige Belastungen genannt. Die in Tabelle 8 aufgeführten NH3-Grenzwerte sind das Ergebnis englischer Studien: Wiederkehrhäufigkeit 1 Stunde 6 Stunden 24 Stunden

monatlich 0,150 0,075 0,030 vierteljährlich 0,225 0,125 0,050

jährlich 0,250 0,150 0,065 Tab. 8: NH3-Grenzwerte (mg/l) in Abhängigkeit von der Dauer und der Wiederkehrhäufigkeit der Belastung (FOUNDATION FOR WATER RESEARCH, 1994, zit. bei FENZ, 2001) "Basierend auf Angaben in der Literatur (FOUNDATION FOR WATER RESEARCH, 1994; LAMMERSEN, 1997; US.EPA, 1998; zit. bei FENZ, 2001) werden die in Tabelle 9 gezeigten Grenzwerte vorgeschlagen. Die Grenzwerte für eine Belastungsdauer von 1 h entsprechen den Werten der US.EPA, die Grenzwerte für eine Belastungsdauer von 6 h wurden mit 2/3 der Konzentrationen für eine Belastungsdauer von einer Stunde angesetzt. Bei der Festlegung der Werte wurde berücksichtigt, dass die Toxizität von Ammoniak mit steigendem pH-Wert und vor allem mit steigender Temperatur geringer wird. (Die US.EPA; (zit bei FENZ, 2001) hat festgestellt, dass Fische bei einer höheren Temperatur nicht so empfindlich auf NH3 reagieren als bisher angenommen.)

Dauer pH 7,5 7,6 7,7 7,8 7,9 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5

< 1h NH4-N 13,3 11,4 9,6 8,1 6,8 5,6 4,6 3,8 3,1 2,6 2,1

< 1h NH3-N 0,17 0,18 0,19 0,20 0,21 0,21 0,22 0,23 0,23 0,24 0,24

> 6h NH4-N 8,9 7,6 6,4 5,4 4,5 3,7 3,1 2,6 2,1 1,7 1,4

> 6h NH3-N 0,11 0,12 0,13 0,13 0,14 0,14 0,15 0,15 0,15 0,16 0,16

Tab. 9: Vorgeschlagene Grenzwerte in mg/l für NH4-N und NH3-N (bei T = 20°C) in Abhängigkeit vom pH-Wert und der Belastungsdauer. Da die Online-Messung von NH4 zumindest derzeit noch teuer und störungsanfällig ist, wird in der Regel rechnerisch nachzuweisen sein, dass bei Mischwasserentlastungen die in der Tabelle 9 angegebenen Konzentrationen auch bei geringem Gewässerabfluss (MNQ) nicht überschritten werden.� (FENZ, 2001) Die Erfassung des pH-Wertes im Gewässer ist sehr wichtig für die Abschätzung des Gefahrenpotentials, denn das NH3/NH4-Dissoziationsgleichgewicht und

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damit die Toxizität hängen stark vom pH-Wert ab. Eine Erhöhung des pH-Wertes um 0,3 Einheiten führt zu einer Verdoppelung der NH3-Konzentration. Weil Mischwasser meist einen geringeren pH-Wert als das Gewässer aufweist, kommt es bei einer Einleitung zum Absinken des pH-Wertes direkt unterhalb der Entlastungsstelle. �Der pH-Wert, der sich als chemischer Gleichgewichtszustand aufgrund der Mischung von Überlaufwasser und Bachwasser einstellt, kann mit Formeln errechnet werden. Dieser �Mischungs-pH‛ bleibt jedoch im weiteren Fließverlauf nicht konstant. Einerseits kommt es unterhalb der Entlastung zu einem CO2-Austrag in die Atmosphäre (dies bewirkt wieder einen pH-Wert-Anstieg), andererseits aber auch zu einer vermehrten CO2-Produktion durch die bei der Mischwasserentlastung eingeleitete organische Schmutzfracht (dies bewirkt einen pH-Wert Abfall).� (FENZ, 2001) Die Photosynthese hat einen erheblichen Einfluss auf den pH-Wert des Gewässers. Bei Mischwasserentlastungen kann davon ausgegangen werden, dass die pH-Schwankungen zufolge der geringeren Lichtintensität (Bewölkung) und der Trübung des Gewässers stark gedämpft werden. Im Gewässer kann die Gefahr des Auftretens kritischer Ammoniak-konzentrationen durch eine Verbesserung der Beschattung reduziert werden (FENZ, 2001). Feststoffe Neben den gelösten Stoffen, die sich ohne Verzögerung mit der fließenden Welle bewegen, sind im Abwasserkanal noch andere Stoffe ganz unterschiedlicher Natur zu transportieren. Selten sind Schwimmstoffe, die der Hauptströmung vorauseilen. Grobe Stoffe, wie etwa Toilettenpapier �segeln� in der Strömung, während fein suspendierte Stoffe sich nur ganz langsam oder überhaupt nicht absetzen. Weiters gibt es recht gut absetzbare Stoffe, die aber von der turbulenten Strömung weitertransportiert werden, am Boden des Kanals entlangrutschende und springende Partikel, sich langsam in Dünen voranwälzende Sandpartikel und so gut wie festliegende Ablagerungen aus Kies und Steinen. Allen diesen Stoffen ist gemein, dass sie entweder mit den häuslichen und gewerblichen Abwässern oder durch Oberflächenabschwemmungen ins Kanalnetz gelangen. So vielfältig wie ihr Erscheinungsbild ist auch die Zusammensetzung der Feststoffe. Sie bestehen aus organischem oder mineralischem Material und oft sind es auch Mischungen und Verbindungen von beidem oder Produkte von chemischen oder biologischen Prozessen, wie etwa der Sielhautbildung.

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Grobstoffe, wie Klopapier und Hygieneartikel, die zu unschönen Verzierungen des Vorfluters führen, können durch den Einbau von Rechen zurückgehalten werden. Hier erfüllen Schutzgitter mit 10 cm Stababstand an den Auslässen, die den Zutritt Unbefugter verhindern sollen, den Zweck nicht. Auch Tauchwände lösen dieses Problem nicht zufriedenstellend. Beim Einbau von Siebrechen muss ein zufriedenstellender Kompromiss zwischen Rückhalt von Grobstoffen und Reinigungs- und Wartungsaufwand gefunden werden. Es empfehlen sich Siebrechen mit einem Stababstand von 4 mm, kombiniert mit einer automatischen Reinigung. Diese können sowohl vertikal als auch horizontal � von oben oder unten durchströmt - und auch nachträglich eingebaut werden. Neben der Fernhaltung von Grobstoffen vom Vorfluter kann besonders in flachen Kanalnetzen auch eine Reduktion der CSB- und BSB-Belastung und der Entlastungsfracht ganz allgemein erfolgen, da auch feste Kotballen und Küchenabfälle zurückgehalten werden. (FAHRNER, 1994) Im Zuge des Verbundprojektes NIEDERSCHLAG (ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in Deutschland, initiiert von Prof. H. Hahn der Universität Karlsruhe, das sich seit 1988 mit der Erforschung niederschlagsbedingter Schmutzbelastungen der Gewässer beschäftigt und den Kurznamen NIEDERSCHLAG trägt) haben sich ausführliche Untersuchungen einer Arbeitsgruppe der Firma �Umwelt- und Fluidtechnik� in Bad Mergentheim (Deutschland) mit dem Absetzverhalten von Feststoffen in der Mischwasserkanalisation befasst. Mittels fraktionierter Sedimentation wurde festgestellt, dass sich Mischwasser schlechter als reiner Straßenschmutz, aber besser als der Trockenwetterabfluss absetzt. Auch weist Mischwasser ein weit einheitlicheres und weniger streuendes Absetzverhalten auf, was darauf hinweist, dass die Transportvorgänge bei Regen von klassierenden Effekten begleitet werden. Die Untersuchungen des Trockengewichtes von �Absetzbaren Stoffen� (ASS) und �Abfiltrierbaren Stoffen� (AFS) haben auch ergeben, dass die tatsächlichen Transportkonzentrationen im Mischwasser fast zehn mal so hoch sind wie in der Richtlinie ATV A 110 (Richtlinie für die hydraulische Dimensionierung von Abwasserkanälen und �leitungen, 1988). Damit wurde auch der Austrag von Feststoffen aus dem Kanalnetz bei Regenwetter unterschätzt. Jedoch zeigen die Feststoffe im Mischwasser ein gutes Absetzverhalten. Ein Vergleich der Trockengewichtdichte der ASS zeigt, dass der absetzbare Teil des Mischwasserabflusses etwa zehn mal schwerer als der des Trocken-wetterabflusses ist. Weiters ließen sich aufgrund der Untersuchungen der Sinkgeschwindigkeit der ASS Rückschlüsse auf die Effektivität von Durchlaufbecken ziehen. Nach dem Arbeitsblatt ATV � A 128 (1992) werden Durchlaufbecken auf eine Oberflächen-beschickung von maximal 10m³/(m²h) oder 10m/h ausgelegt. Ist die

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Sinkgeschwindigkeit eines Partikels größer 10m/h oder 0,28 cm/s kann bei einem hydraulisch gut ausgebildeten Becken davon ausgegangen werden, dass er sich absetzt. Bei einer dem folgenden Beschickung ergibt sich für die AFS ein Rückhalt von 60% im Becken und bei den ASS sogar von 68%. Unter der Annahme, dass langfristig im Jahresmittel höchstens 50 % des Regenwetterabflusses entlastet werden (nur über den Beckenüberlauf), steigt der Langzeitwirkungsgrad sogar auf 80% (AFS) und 84% (ASS). Diese für Volllast angestellten Überlegungen zeigen, dass an Durchlaufbecken beachtliche Wirkungsgrade erzielt werden können. Eine weitere Steigerung der Wirkungsgrade ergibt sich aus einer geringeren Oberflächenbeschickung. Eine Steigerung des Wirkungsgrades bei den AAS auf 90% würde jedoch eine Verfünffachung der Grundfläche des Beckens bedeuten. Wird hingegen die Oberflächenbeschickung des Beckens auf 25m/h erhöht, ist der Wirkungsgrad miserabel. Auch auf den Spülstoß im Kanalnetz haben die Untersuchungen des Absetzverhaltens von Abwasserinhaltstoffen ein neues Licht geworfen. Es wurde untersucht, bei welcher kritischen Schleppspannung wie viel Prozent der Trockensubstanz der Kanalablagerungen transportiert werden. Dabei hat sich gezeigt, dass der Anteil der in Bewegung befindlichen Stoffe zwischen 1 und 2 Pa kritischer Schleppspannung (τ0 = ρ⋅g⋅R⋅I) einen steilen Anstieg zeigt. Der Anstieg entsteht durch den Ausgleich der Wirkungen von Dichte und Korngröße in diesem Bereich. Es herrscht also in einem sehr schmalen Schlepp-kraftbereich ein empfindliches Gleichgewicht zwischen sedimentierenden und erodierenden Vorgängen. Es hängt also von der Schleppkraft ab, ob sich bei Trockenwetterabfluss vermehrt Ablagerungen bilden. Bei Regen kann sich dann selbst durch eine geringe Steigerung der Schleppkraft eine große Menge von Sediment wieder in Bewegung setzen. Der Spülstoß endet dann erst, wenn entweder alles Material ausgespült wurde oder die Schleppkraft wieder sinkt. Ebenso hängt es vom Verlauf des Anstieges der Schleppkraft bei einem Regenereignis ab, ob der Spülstoß am Anfang des Ereignisses erfolgt, oder etwa durch verzögerte Abflüsse erst später, wenn das Regenentlastungsbecken schon zum Teil gefüllt ist. Bei Stauraumkanälen mit unten liegender Entlastung kann dieser Effekt dazu führen, dass bei einer Entlastung die Schleppspannung im Stauraumkanal rapide ansteigt und die zuvor während des Einstaus verstärkt sedimentierten Feststoffe alle auf einmal in Bewegung geraten; so gelangt eine erhöhte Schmutzmenge in den Vorfluter. (BROMBACH, 1993) Bei flachen Kanalnetzen ist daher zu überlegen, ob eine Reinigung mittels stationärer Spülkippen nicht sinnvoll wäre.

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Nährstoffe Durch Reduktion der Phosphate in den Waschmitteln konnte die Belastung der Abwässer im Allgemeinen reduziert werden, und somit sind auch die P-Konzentrationen im entlasteten Mischwasser nicht mehr so hoch. Der Regenwasseranteil im Mischwasser bringt keine maßgebliche zusätzliche Belastung mit sich. Aufgrund dieser Tatsachen kann den aus Mischwasserentlastungen stammenden Nährstoffen nur ein geringer Anteil an den Fernwirkungen (z. B. Nährstofffracht in die Nordsee) zugerechnet werden. Anders verhält sich die Situation im Nahbereich von Entlastungen. Hier kann es entsprechend dem Grundzustand des Gewässers und zu bestimmten Jahreszeiten zu einer Erhöhung der Eutrophierungsneigung kommen. Betrachtet man im Hinblick auf die Nährstoffjahresfrachten auch die Kläranlagenabläufe und die diffusen Quellen, so rückt die Bedeutung der durch Regenüberläufe ins Gewässer gelangenden Nährstoffe in den Hintergrund. Auch eine Mischwasserbehandlung vor dem Überlauf bringt hier, anders als beim CSB und den absetzbaren Stoffen, keine weitere Reduktion. Des weiteren wirkt sich Mischwasserzufluss zur Kläranlage in Bezug auf die Reinigungsleistung bei N eher negativ aus. Der Stickstoffrückhalt sinkt und somit ändert sich an der insgesamt ins Gewässer gelangenden N-Menge nicht viel. Schwermetalle Aus der Literatur lässt sich ableiten, dass die von Oberflächen abgeschwemmte Schwermetallfracht in einer ähnlichen Größenordnung wie die Schwermetall-fracht im kommunalen Abwasser liegt (siehe Tab. 10). Cd Cu Pb Zn U.S. EPA, 1983 43 182 202 Marsalek (Canada), 1990 4,1 41 155 263 Bannermann et.al., 1993 (Wisconsin Wohngebiet) 0,7 21 32 203 Pfeifer u. Hahn, 1995 (Karlsruhe Trennsystem 1992/93) 1,3

1,0 52,6 76,2

51,2 42,9

1030 520

Grottker, 1987 Hildesheim Trennsystem 4,2 136 304 436 Sieker et.al., 1993 Berlin Dahlem Trennsystem 128 21 232 Heinzmann, 1993 Berlin Trennsystem (1990) 38 80 1490 Schäfer M. et.al., 1997 Karlsruhe Mischsystem 100 70 Fuchs, 1994 Maisenbach Mischsystem 7 Ereignisse 0,3 70,5 25,7 Brombach et.al., 1992 Bad Mergentheim Mischsystem 1,9 96 83 952 häusliches Abwasser 1,0 70 30 400

Tab. 10: Schwermetallkonzentrationen (µg/l) in Niederschlagsabflüssen und im Vergleich dazu in häuslichem Abwasser (FENZ, 2000)

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Ins häusliche Abwasser gelangen Schwermetalle durch Ausscheidungen, Speisereste, Reinigungsabwässer, aber auch das Trinkwasser. Ähnlich wird die Situation bei den gewerblichen und industriellen Abwässern eingeschätzt. In den Oberflächenabfluss gelangen Schwermetalle durch den Verkehr (Zn und Cd durch Reifenabrieb; Cu durch Abrieb von Bremsbelägen; Ni durch Abrieb von Straßenbelag und Pb durch Abgase) und Dachkorrosion (Cu, Zn, Cd). Bei der Belastung des Oberflächenabflusses spielt aber auch die atmosphärische Deposition eine Rolle. Die Bedeutung des Oberflächenabflusses zeigt sich auch durch eine Erhöhung der Schwermetallwerte in Kläranlagen bei Mischwasserzulauf, welche zum Teil aber durch Remobilisierungen im Kanal entsteht. Auch bei den Schwermetallen zeigt sich, dass nach Kläranlagenausbau und hohem Anschlussgrad die Hauptemissionsquelle die Regenentlastungsanlagen sind. Jedoch zeigen hier, anders als bei den Nährstoffen, Regenüberlaufbecken eine gute Wirkung. Dies liegt daran, dass die Schwermetalle zu einem großen Teil an die absetzbaren Stoffe gebunden sind und so über eine einfache Sedimentation zurückgehalten werden können. In Bezug auf die Schwermetallbelastung der Gewässer muss festgestellt werden, dass durch das Mischsystem geringere Gesamtbelastungen als durch das Trennsystem entstehen, sofern das gesammelte Regenwasser nicht behandelt wird. Einen guten Lösungsansatz bietet hier das qualifizierte Mischsystem, welches Oberflächen je nach Belastung abkoppelt. Eine erhöhte Zufuhr der Schwermetalle zur Kläranlage bringt zwar eine Entlastung der Gewässer, stellt aber letztlich nur eine Verlagerung der Problematik � nämlich hin zur Belastung des Klärschlammes � dar. Die Auswirkungen von Schwermetallen und anderen Schadstoffen unterliegen jedenfalls der Akkumulation � im Sediment und den Organismen - und sind zu den Langzeitfolgen zu rechnen und weniger von einem akuten Gefahrenpotential gekennzeichnet.

3.3.3 Hygienisch relevante Belastungen �Die einzige verbindliche Orientierung für eine bakteriologisch-hygienische Bewertung von Gewässern ist die EU-Richtlinie für Badegewässer vom 8.12.1975. In ihr sind Qualitätsziele, u.a. auch mikrobiologischer Parameter (Gesamtcoliforme, Fäkalcoliforme, Fäkalstreptokokken) formuliert, die bei offiziell ausgewiesenen Badegewässern eingehalten werden müssen. Die

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langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass bei Unterschreitung des EU-Grenzwertes ein Infektionsrisiko beim Baden in Gewässern ausgeschlossen werden kann. Die Qualitätsziele der EU-Richtlinie (siehe Tab. 11) sind allgemein formuliert und gelten für stehende und fließende Gewässer, ebenso wie für Meerwasser. Für Kläranlagenabläufe gibt es keine anerkannten mikrobiologischen Standards.� (GRAW, 1995) KBE/100 ml (KBE = Koloniebildene Einheiten) Grenzwerte Sollwerte Fäkalcoliforme Bakterien > 2.000 < 100 Gesamtcoliforme Bakterien > 10.000 < 500 Fäkalstreptokokken < 100

Tab. 11: Soll- und Grenzwerte gemäß EU-Richtlinie und nationaler Bäderhygieneverordnung Meist sind jedoch nur stehende Gewässer als Badegewässer ausgewiesen und in der Folge auch bakteriologisch überprüft, da sehr viele Fließgewässer in irgendeiner Weise als Vorfluter, sei es für Kläranlagenabläufe, Direkt-einleitungen oder Regenüberläufe, dienen. Auch durch Abschwemmung von Oberflächen gelangen Fäkalkeime in Gewässer. Diese Quelle ist besonders in landwirtschaftlich genutzten Gebieten nicht zu unterschätzen. Eine differenzierte Quantifizierung der Herkunft der Belastungen und eine scharfe Trennung der Belastungsquellen ist wegen der schwierigen Erfassung der diffusen Einträge kaum möglich. Bei Starkregenereignissen ist auf jeden Fall mit einer erhöhten bakteriellen Belastung zu rechnen. Nicht nur weil ungereinigtes Abwasser über Mischkanalentlastungen ins Gewässer gelangen kann, sondern auch durch verstärkte Turbulenzen kann es zu einer Remobilisierung von Sediment und darin enthaltenen Keimen kommen. Mögliche Quellen für den Eintrag von Bakterien in ein Gewässer sind:

Kläranlagenabflüsse Regenentlastungen aus Trennkanalisation Regenentlastungen aus Mischkanalisationen Abschwemmungen von Oberflächen

Bakterien sind wesentlich am Stoffwechselgeschehen und an den Selbstreinigungsprozessen eines Fließgewässers beteiligt und bilden daher einen sehr wichtigen Teil der natürlichen Biozönose. Mit Abwassereinleitungen und durch Oberflächenabschwemmungen gelangen Fäkalkeime und auch pathogene Bakterien in Gewässer. Durch diesen Eintrag kommt es zu einer Verschiebung des Artenspektrums der allochthonen Mikroflora im Gewässer. Diese Fäkalkeime � in erster Linie Escherichia coli � dienen als empfindliche

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Bioindikatoren, die sehr orts- und zeitbezogen Auskunft über den Gütezustand und die hygienische Qualität eines Gewässers geben. Um eine verlässliche bakteriologische Bewertung eines Fließgewässers oder einer längeren Teilstrecke vorzunehmen ist es notwendig den Trockenwetterabfluss über einen längeren Zeitraum und außerhalb des Einflussbereiches von Kläranlagen zu beproben. So können die Einflüsse durch Niederschläge und Ort und Zeitpunkt der Probenahme minimiert und zu große Schwankungsbreiten verhindert werden. Einzelproben sind nur für Teilstrecken und den momentanen Zustand aussagekräftig. �Ein wesentlicher Aspekt für die Freizeitnutzung der Fließgewässer ist der mit Mischwassereinleitungen verbundene Eintrag hygienisch relevanter Organismen ( Bakterien, Viren) bzw. der Indikatororganismen. Die Dauer dieser Belastung ist für das Entlastungsereignis selbst relevant und kann längerfristig über die Bildung von Sedimenten aus der Ablagerung von Mischwasserinhaltsstoffen, in denen Keime über längere Zeit konserviert werden, von Bedeutung sein� . (BORCHARDT,1999) Selbstreinigung der Gewässer Ein wichtiger Faktor zur Abschätzung bakterieller Belastungen im Längsprofil ist die Frage, inwieweit Bakterien durch Selbstreinigungsprozesse im Gewässer reduziert werden. Hygienerelevante Bakterien finden im Gewässer Extrembedingungen vor, die sich von denen ihrer normalen Umgebung (Warmblütlerdarm) grundlegend unterscheiden. Deshalb ist im Normalfall auch kein Wachstum möglich. Die Absterberate wird durch abiotische Faktoren, wie Temperatur, Nährstoffangebot, Salzgehalt und Bestrahlungsverhältnisse, vor allem aber durch Konkurrenz durch die autochthone Mikroflora bestimmt. Jedoch reicht ihr Anpassungsvermögen an veränderte Umweltbedingungen aus, um über längere Zeit überlebensfähig und infektiös zu bleiben. �Besonders gute Überlebensbedingungen finden sich im schlammigen Sediment. Die Bakterienzahlen liegen hier um ein Vielfaches über dem der fließenden Welle. Deshalb findet durch Sedimentation nur eine scheinbare Reduktion statt und die Bakterien können durch Hochwasser oder starke Turbulenzen in großer Zahl wieder freigesetzt werden. Aus diesen Gründen sind Reduktionsraten erheblichen Schwankungen unterworfen und schwer zu quantifizieren, somit also ein großer Unsicherheitsfaktor bei der Abschätzung des Selbstreinigungspotentials von Fliessgewässern bezüglich bakterieller Belastungen.� (GRAW, 1995)

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Es ist zu erwarten, dass nach einem niederschlagsbedingten Entlastungsereignis die bakteriologischen Grenzwerte für Badegewässer für einen Zeitraum von mehreren Tagen überschritten sind. Somit ist auch eine Infektionsgefahr, abhängig von der Nutzungsart, nicht ganz auszuschließen.

3.3.4 Akute und verzögerte Wirkungen

Hydraulisch

Die hydraulischen Auswirkungen von Regenentlastungen sind zweifellos die akutesten. Die stark erhöhten Abflussmengen führen unmittelbar zu einer Erhöhung der Sohlschubspannung und damit Schleppkraft und reißen Sedimente wie auch Organismen in Abhängigkeit der Sohlausprägung mehr oder weniger stark mit sich. Stofflich

NH3 und O2 Die akuten Folgen sind in erster Linie Schädigungen der Organismen durch das stark toxisch wirkende Ammoniak und Nitrit. In der Literatur findet sich immer wieder der Hinweis, dass während Regenereignissen aufgetretene akut toxische Ammoniakkonzentrationen und Sauerstoffgehalte fast immer auf Störfälle in der Kanalisation (Pumpenausfälle, Verstopfung der Drossel) oder bei der Kläranlage entstanden sind. (MERZ, GUJER, 1993; HARREMOES, 2001; zit. bei FENZ, 2001) Dabei kann die schädigende Wirkung von NH3 innerhalb von wenigen Stunden eintreten. Beim O2 dauert es hingegen mehrere Stunden bis Tage, bis eine Schädigung eintritt, da das O2-Minimum meist erst durch Umsetzungs-reaktionen entsteht. Feststoffe Die mitgeführten Feststoffe (Papier und Hygieneartikel) aus der Kanalisation lagern sich mit der ersten Welle gleich an der Böschung an und verbleiben auf Grund des anschließend wieder fallenden Wasserstandes dort. Auch die feineren partikulären Substanzen, wie absetzbare Stoffe, setzen sich ab, sobald die Strömung nachlässt und führen so zu einer Verfüllung der Hohlräume in der Gewässersohle und drängen damit Organismen aus ihren Rückzugsräumen.

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In Tabelle 12 sind die stofflichen und hydraulischen Auswirkungen und auch ihre unterschiedlichen zeitlichen Wirkung dargestellt. Zeitliche Wirkungen Maßgebende Parameter Bezugsgrößen Akut Im Bereich von Stunden

Hydraulisch Sohlennahe Fließgeschwindigkeit Sohlschubspannung Stofflich Toxische Stoffe (insb. NH3) Sedimentation von Feststoffen Pathogene Keime im Sediment

Wassermengen Bezogen auf das Einzelereignis

Verzögert Mehrere Stunden bis Tage

Stofflich Sauerstoffhaushalt Feststoffhaushalt Akute Toxizität Pathogene Keime

Konzentrationen und Frachten Bezogen auf das Einzelereignis

Langfristig Über Monate bis Jahre

Stofflich Organische, persistente Stoffe Schwermetalle, anorganische und organische Sedimente Eutrophierende Stoffe

Stofffrachten Über lange Zeit (Monate bis Jahre)

Tab. 12: Das ökologische Gefährdungspotential von Mischwassereinleitungen. Zeitliche Wirkungen und maßgebende Parameter. (ATV � 1. Arbeitsbericht, 1993)

3.3.5 Langzeitwirkungen Mischwassereinleitungen besitzen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wesentliche ökologische Langzeitwirkung, die aus der Akkumulation von Stoffen aus einer Vielzahl von Entlastungsereignissen zu erwarten ist. Dies belegen Untersuchungen, die im Gefolge von Mischwassereinleitungen eine Akkumulation von Schadstoffen � insbesondere Schwermetallen � sowohl in Gewässersedimenten, als auch in Organismen nachweisen (BLOHM, zit. bei ATV 1. Arbeitsbericht, 1993). In diesem Zusammenhang ist auch die Änderung der Sedimentbeschaffenheit durch Ablagerungen von organischen und anorganischen Mischwasserinhaltsstoffen im Gewässer von Bedeutung. Die Auswirkungen von erhöhtem Nährstoffeintrag in Fließgewässer sind sicherlich den Langzeitwirkungen zuzurechnen. Durch das erhöhte Nährstoffangebot kann es im Nahbereich der Entlastungsstelle zu einer Veränderung der Biozönose kommen, jedoch muss hier klar von einer durch hydraulischen Stress verursachten Drift unterschieden werden. Drift führt zu allgemeinem Individuenverlust und nicht zu einer Artenverschiebung.

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Der Eutrophierungsbeitrag von Mischwassereinleitungen über die Belastung der fließenden Welle, der Sedimente und des Porenwassers kann in langsam fließenden Gewässern beachtlich sein. Die längerfristigen Auswirkungen von Ammonium/Ammoniak beruhen im wesentlichen auf der Belastung des O2-Haushaltes durch Nitrifikationsvorgänge, den hohen Ammoniumkonzentrationen sowie auf dem biochemischen Umsatz der erheblichen Mengen an organischem Stickstoff. Hierbei kann es wiederum, bei unvollständiger Koppelung der ersten und zweiten Nitrifikationsstufe, zur Anreicherung von Nitrit bis in toxikologisch signifikante Größenordnungen kommen. Das aus den Langzeitwirkungen resultierende Wirkungspotential von Mischwassereinleitungen ist über Jahresfrachten nur unzureichend zu beschreiben. Für eine genauere Beurteilung müssen sowohl Porenwasser als auch die Sedimente ganz gezielt und umfangreich untersucht werden.

3.4 Sanierungsmöglichkeiten Sanierungsmöglichkeiten von Mischwasserentlastungen stellen im allgemeinen weitergehende Maßnahmen dar, also Maßnahmen die über die in der ATV A 128 geforderten hinausgehen und grundsätzlich eine positive Veränderung der Gewässerbeschaffenheit erwarten lassen. Die Anwendbarkeit von weitergehenden Maßnahmen ist bei allen technischen Teilsystemen der Abwasserableitung zu prüfen. Daraus ergeben sich dann

Maßnahmen im Einzugsgebiet Maßnahmen in Kanal und Kläranlage Maßnahmen zur Behandlung des Entlastungsabflusses Flankierende Maßnahmen im Gewässer

�Da eine Verminderung der Ursachen im Allgemeinen eine Verminderung der Wirkungen zur Folge hat, ist prinzipiell den Maßnahmen zur Ursachenverminderung konsequent Vorrang zu geben gegenüber den Maßnahmen zur Wirkungsverminderung. Bei den erkannten �Problemfällen‛ muss die Gewässerbeeinträchtigung infolge Mischwassereinleitungen identifiziert werden. Dabei sind die Zusammenhänge zwischen den Ursachen, der Manifestation und den Auswirkungen der Mischwassereinleitungen zu untersuchen. Nach Festlegung der Zielvorstellungen sind bei der Planung der weitergehenden Maßnahmen die folgenden Grundsätze zu berücksichtigen:

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• Zusammenstellung der Maßnahmen, die einzeln oder als Bündel geeignet und erfolgversprechend erscheinen,

• Untersuchung von Nutzen und Kosten der zusammengestellten abwassertechnischen und sonstigen Maßnahmen im Einzugsgebiet, Entwässerungsnetz und im Gewässer,

• Beurteilung dieser Maßnahmen im Hinblick auf die Zielvorstellungen, • Empfehlungen der Prioritäten bei der Realisierung der Maßnahmen�

(ATV � 1. Arbeitsbericht, 1993). In Tabelle 13 werden die wichtigsten bekannten weitergehenden Maßnahmen den möglichen Ursachen zugeordnet:

Problem-ort Problem Mögliche Ursachen Beispielhafte

Maßnahmen Ort der Maßnahmen

Starke, häufige bzw. lang andauernde Mischwasser-einleitungen Starke Verschmutzung

Fremdwasser (Bäche, Drainagen) wenig verschmutzter Regenabfluss im Mischsystem Spülstoß Starkverschmutzer

separate Ableitung dezentrale Einleitung, Versickerung, Abflusssteuerung Abflusssteuerung Vorbehandlung, separate Ableitung z. Kläranlage

Anfallort nahe Anfallort vor dem Überlauf vor dem Überlauf Anfallort

Ästhetische Beeinträchtigungen Ablagerungen

Grobstoffe im Mischwasser Feststoffe im Mischwasser

Rechen, Siebanlagen Sedimentation, Filtration etc.

vor dem Überlauf vor/nach dem Überlauf

Gew

ässe

r im

Nah

bere

ich

der E

inle

itung

Hygiene Bakterien, Viren Speicherung, Modifikation Einleitung vor/nach dem Überlauf

Mechanische Belastungen

Hydraulische Spitzen Speicherung, Modifikation Einleitung, Abflusssteuerung Profilgestaltung, Beseitigung von Wiederbesiedelungs-hindernissen

vor dem Überlauf im/am Gewässer

Akute Probleme z. B. Toxizität, Sauerstoffmangel

z. B. Ammonium im Mischwasser Q, pH, Temperatur im Gewässer

(Erhöhte) Speicherung Abflussvermeidung Verbesserung Gewässereigenschaften (z. B. Fließgeschwindigkeit, Beschattung)

vor dem Überlauf Anfallort im/am Gewässer

Chronische Toxizität Schwermetalle, Pestizide, lipophile Stoffe u. a.

Stoffvermeidung (Erhöhter) Feststoffrückhalt

Anfallort vor/nach dem Überlauf

Gew

ässe

r ins

gesa

mt

Eutrophierung Nährstoffe im Mischwasser

(erhöhte) Speicherung Fällung, Bodenfilter

vor/nach dem Überlauf nach dem Überlauf

Tab. 13: Zuordnung von Ursachen und Maßnahmen (ATV - 1. Arbeitsbericht, 1993)

41

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3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

3.4.1 Maßnahmen im Einzugsgebiet Reduzierung der Abwassermengen und der –belastung

Fremdwasserverminderung: Hier wäre es sinnvoll, das Kanalnetz auf eventuell eingeleitete Drainagen und kleinere Gewässer zu überprüfen und diese gegebenenfalls abzukoppeln. Weiters muss der Fremdwasserzutritt durch ungewollte Infiltration von Grundwasser vermieden werden. Dazu sind eine genaue Kenntnis des gesamten angeschlossenen Kanalnetzes und dessen ständige Überprüfung und Wartung unerlässlich.

Schmutzwasserverminderung: Bei großen Betrieben könnte die Belastung für die ARA und die Entlastungen durch interne Reinigung und Vorklärung, also Indirekteinleitung, reduziert werden. Auch Kreislaufführung von Betriebswässern und deren interne Aufbereitung tragen zu einer Schmutzwasserreduktion bei. Weiters könnte die Möglichkeit der Zurückhaltung der Abwässer durch die Indirekteinleiter während Starkregenereignissen überlegt werden.

Reduzierung des Oberflächenabflusses Entsiegelung von schwach belasteten Bereichen durch Einsatz poröser oder offener Beläge und damit direkte Versickerung oder Ableitung in Versickerungsbecken. Diese Maßnahmen können einerseits auf öffentlichen Flächen je nach Nutzung durchgeführt werden, aber auch eine konsequente Umsetzung auf Privatgrund könnte hier eine nicht unwesentliche Entlastung für das Kanalnetz bieten. Für den privaten Bereich wäre eine vermehrte Bewusstseinsbildung der Bevölkerung für die Vorteile der Versickerung vor Ort notwendig, einhergehend mit ausführlicher Information über die diversen Möglichkeiten, wie etwa Rasenflächen, Kies-Splitt-Decken, Schotterrasen, Holzroste, Holzpflaster, Rasengittersteine, Rasenfugenpflaster, Porenpflaster oder Dachbegrünungen.

Für die Versickerung oder zumindest den verzögerten Ablauf von Regenwasser eignen sich je nach Durchlässigkeit des Bodens verschiedene Systeme: Muldenversickerung, Rohr-Rigolenversickerung, Schachtversickerung oder eine Kombination.

Bei neu zu errichtenden oder zu sanierenden Kanalabschnitten sollten qualifizierte Trennsysteme angestrebt werden. Das heißt, dass es zu einer Entflechtung von gering belastetem und stark belastetem Oberflächenablauf, vor allem von stark befahrenen Verkehrsflächen kommt. Die verzögerte Ableitung der gering belasteten Anteile des

42

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3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

Oberflächenablaufes auf getrenntem Weg zum Gewässer bildet den zweiten Teil eines qualifizierten Trennsystems. Die Regenwassernutzung z.B. durch Abkoppelung von Dachflächen und Speicherung in Regentonnen, in Verbindung mit der Versickerung des Überlaufes bietet nicht zuletzt im privaten Bereich eine weitere sinnvolle Maßnahme zu Abflussreduzierung.

3.4.2 Maßnahmen in Kanal und Kläranlage Profil, Gefälle, Betrieb der Kanäle sind dahingehend zu überprüfen und zu bewirtschaften, dass weniger Sielhaut und Ablagerungen entstehen und bestehende Ablagerungen entfernt werden, sowie der Fremdwassereintritt ins Kanalnetz reduziert wird. Überprüfung und Optimierung der Wirksamkeit des vorhanden Speichervolumens. Beim Beckenbau ist auf die optimale örtliche Anordnung zur Retention von Spülstößen zu achten. Bei bestehenden Becken dient die Dokumentation über Anspringen und Entlastung der einzelnen Becken in Verbindung mit Niederschlagsaufzeichnungen mitunter der Ermittlung der Entlastungsgrenzlinie unter Zuhilfenahme von Schmutzfrachtsimulations-modellen. Bei ausreichender Kenntnis des Kanalnetzes lässt sich vorhandener Stauraum als zusätzliches Speichervolumen im Zuge einer Kanalnetzsteuerung nutzen. Eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Kläranlage über 2Qs+Qf hinaus würde die Entlastungsmengen reduzieren und somit die Gewässer sowohl in stofflicher als auch hydraulischer Sicht entlasten. In sorgfältig begründeten Fällen kann eine Erhöhung des spezifischen Speichervolumens von bestehenden Becken über ATV A 128 (40 m³/ha Ared) hinaus erfolgen.

3.4.3 Maßnahmen zur Behandlung des Entlastungsabflusses Das Hauptproblem von Entlastungsabflüssen in Gewässer in Siedlungsgebieten sind Feststoffe, wie Papier und Hygieneartikel, die von der Bevölkerung als augenscheinliche Verschmutzung als Erstes wahrgenommen werden. Daher ist die Schwimm- und Schwebstoffelimination zur Verminderung des optischen Belastungen durch Siebung oder einfache Filtrationsverfahren zu verstärken.

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3 Mischkanalisation und Entlastungsbauwerke

Neben den sichtbaren Feststoffen gilt es auch suspendierte und gelöste Stoffe vom Gewässer fernzuhalten. Dieser Stoffrückhalt kann durch Teiche, Ausleitungsstrecken, Bodenfilterbecken, Geländemulden und Auegestaltung erreicht werden.

3.4.4 Flankierende Maßnahmen im Gewässer Durch Verminderung der Eutrophierungsneigung kann die Auswirkung der Ammoniumeinleitungen, welche pH-Wertschwankungen und evt. die Bildung von Ammoniak nach sich ziehen, deutlich vermindert werden. Die Eutrophierungsneigung kann dadurch herabgesetzt werden, dass stoffliche Einträge von angrenzenden Flächen, wie etwa aus der Landwirtschaft, durch eine intakte Uferbestockung ferngehalten werden. Zusätzlich wird durch eine standorttypische Bepflanzung des Uferbereiches eine Beschattung des Fließgewässers erreicht und zu starke Schwankungen im Sauerstoffhaushalt können vermieden werden. Durch Aufweitung des Querprofils kann die hydraulische Belastung deutlich vermindert und eine Katastrophendrift des Makrozoobenthos vermieden werden. Dabei ist zu beachten, dass beim Trockenwetterabfluss noch eine ausreichende Wassertiefe herrscht. Eine naturraumtypische Gewässersohle mit einem Hohlraumsystem an der Gewässersohle, dem hyporheischen Interstitial - im Gegensatz zu einbetonierten Pflastersteinen - und verlagerungsstabile Hartsubstrate, wie Steinblöcke oder Totholz, bilden natürliche Rückzugsräume für Organismen während kurzzeitiger stofflicher und hydraulischer Stressbelastungen. Ist dieser natürliche Lebensraum verloren gegangen, kann er durch Restrukturierungs-maßnahmen wieder hergestellt werden. Um die Wirkung dieser verschiedenen Maßnahmen hinsichtlich der Verminderung der Gewässerbelastung beurteilen zu können, ist vor allem die Kenntnis der erwarteten Häufigkeiten kritischer Einzelereignisse von Bedeutung. Um eine Kosten-Nutzen-Analyse für die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten erstellen zu können, muss für das jeweilige Kanalnetz ein Emissions-/Immissionsmodell erstellt werden (BORCHARDT, 1995).

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

4 ARA – Hofsteig – Vorarlberg

4.1 Chronologie ARA Hofsteig Im Zuge der Rheinregulierung 1900 wurde der Neue Rhein geschaffen, welcher seither in die Harder Bucht fließt. Dies hatte zur Folge, dass die zuvor bis zu 58 Meter tiefe Bucht innerhalb von 50 Jahren durch das Geschiebe des Rheins fast völlig aufgefüllt wurde. 1958 bis 1969 wurde die Harder Bucht saniert. Bei dieser Sanierung entstand auch das Binnenbecken in der heutigen Form. (siehe Abb. 16 und Abb. 28, Seite 70)

Abb. 16: ARA Hofsteig mit Fischteich, Verbindungskanal und Binnenbecken

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Jedoch wies das Binnenbecken damals aufgrund der großen Mengen an ungeklärten Abwässern keine Badewasserqualität auf. Dieser Umstand und auch die Mitte der 60er Jahre erreichte hohe Nährstoffbelastung des Bodensees führten zur Gründung des Wasserverbandes Hofsteig im Jahre 1971. Vorerst war es ein Zusammenschluss der Gemeinden Hard, Lauterach und Wolfurt, dem sich aber bald auch Lustenau, Höchst, Fußach und Bildstein anschlossen. Als letzte Gemeinde ist Gaißau 1998 beigetreten. In Tabelle 14 sind die Hofsteiggemeinden mit Anzahl der angeschlossenen Objekte und Personen, sowie der jeweilige Anschlussgrad aufgelistet.

Anzahl anschluss-pflichtige angeschlossene Anschlussgrad

Gemeinde- gebiet

Obj.-ges. Pers.-ges. Obj.-aus. Pers.-aus. Objekte Personen Objekte Personen Objekte Personen

Bildstein 214,00 723,00 19,00 55,00 195 668 108,00 373,00 55,4% 55,8%Fußach 933,00 3.438,00 9,00 25,00 924 3.413 895,00 3.140,00 96,9% 92,0%Gaißau 411,00 1.523,00 12,00 21,00 399 1.502 399,00 1.502,00 100,0% 100,0%Hard 2.457,00 12.100,00 9,00 34,00 2.448 12.066 2.448,00 12.066,00 100,0% 100,0%Höchst 1.927,00 7.065,00 20,00 72,00 1.907 6.993 1.516,00 5.673,00 79,5% 81,1%Lauterach 1.929,00 8.776,00 33,00 149,00 1.896 8.627 1.859,00 8.507,00 98,0% 98,6%Lustenau 4.804,00 20.061,00 26,00 76,00 4.778 19.985 2.642,00 13.039,00 55,3% 65,2%Wolfurt 1.682,00 7.960,00 10,00 15,00 1.672 7.945 1.672,00 7.945,00 100,0% 100,0%

Zusammenfassung Einzugsgebiet: Summe: 61.199 Summe: 52.245 Mittel: 85,4%

Tab. 14: Kanaleinzugsgebiet und Anschlussgrade der ARA Hofsteig (Stand 2000) 1973 wurde mit dem Bau der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Hofsteig auf einem seenahen Grundstück in Hard begonnen. Bis 1976 waren die Ortskanalisationen, Sammelkanäle und die Kläranlage errichtet und konnten 1977 erstmals in Betrieb genommen werden. Bereits bei der ursprünglichen Planung war eine Erweiterung vorgesehen, um die durch den Kanalausbau und die Zunahme der Bevölkerungszahl steigenden Abwassermengen reinigen zu können. Die Abwassermenge, die in der ARA Hofsteig zu klären war, betrug 1976 noch rund 1 Million m³, 1996 waren es rund 7,9 Mio m³, nachdem im Rekordjahr 1995 etwa 9,1 Mio m³ angefallen waren. Die Entwicklung der Abwassermengen die in der ARA Hofsteig von 1996 bis 2000 zur Reinigung anfielen, sind in Abb. 17 dargestellt.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Abwasserzufluss/Jahr - Historie [m³]

0

2.000.000

4.000.000

6.000.000

8.000.000

10.000.000

1996 1997 1998 1999 2000

Abb. 17: Entwicklung der Zuflussmengen zur ARA-Hofsteig 1997 konnte die erste Erweiterung (Baubeginn war 1994), die nun eine Kapazität von 143.000 Einwohnergleichwerten (EGW) gegenüber den vorherigen 90.000 EGW aufwies, in Betrieb genommen werden. Im Zuge der Erweiterung wurde auch die Rechenanlage verbessert. Die Spaltenbreite wurde von 25 mm auf 6 mm reduziert und das Rechengut, wie auch der Sand aus dem Sandfang werden jetzt gewaschen und können somit kostengünstiger entsorgt bzw. weiterverwertet werden. Die Phosphorentfernung erfolgt mittels Simultanfällung im Belebungsbecken. In dieses wird über 1.580 Belüfter, aufgeteilt in 12 Belüfterfelder, Luft eingebracht. Die Steuerung der Flächenbelüftung erfolgt über eine Online-Messung von Sauerstoff und Ammonium, was gegenüber dem alten System eine Optimierung und somit Kostenersparnis bedeutet. Die vorherigen Belebungsbecken und auch die Nachklärbecken wurden stillgelegt und sollen nun in der nächsten Ausbaustufe saniert und adaptiert werden, um den Vollausbau der Kläranlage zu erreichen. Es wird eine verfahrenstechnische Kombination mit der neuen Anlage angestrebt, woraus sich sowohl Reserven für die biologische Reinigung ergeben, als auch die Möglichkeit zur biologischen Phosphorelimination geschaffen wird, was eine Einsparung bei den Fällungschemikalien bedeutet. Der überschüssige Belebtschlamm wird im Faulturm stabilisiert und das dabei entstehende Methangas in zwei Blockheizkraftwerken zur Erzeugung sowohl von Strom als auch Wärme für den Eigenbedarf der ARA Hofsteig genutzt.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

4.2 Eckdaten ARA Hofsteig

4.2.1 Daten zur Ausstattung der ARA Hofsteig: 178.750 EW60/143.000 EW75 (110.500 EW75 derzeitiger Ausbau) ( ) .... Anzahl der Becken Vorklärung: Gesamtvolumen: 1.320 m³ (1) Biologie: Gesamtvolumen: 17.000 m³ (3) Art der Biologie: Belebung mit längsdurchströmten Umlaufbecken Nachklärung: Gesamtvolumen: 9.000 m³ (2) Art der Fällung: Simultanfällung Probenahme: mengenproportional (24 h Mischprobe) Gebläsestation: 294.000 m³ verdichtete Luft/Tag (20.000 kg O2/d) Art der Belüftung: Membran-Tiefenbelüftung, Regelung über Messung

von NH4, O2, Redox, Zeit, pH, NO3 Vorfluter: Dornbirnerache MNQ = 6,86 m³/s Schlammbehandlung:

Voreindicker: 520 m³ Faulturm: 2.200 m³ (1) Nacheindicker: 2.240 m³ Stapelvolumen: 2.240 m³ Entwässerung: Dekanter / maschinelle

Überschussschlammentwässerung (MÜSE) Entsorgung: Kompostierung Vorarlberg Dimensionierungsgrundlagen:

Bemessungswert BSB5: 8.288 kg/d Bemessungswert CSB: 14.400 kg/d Bemessungswassermenge TW: 29.000 m³/d Bemessungswassermenge RW: 2QTW: 58.000 m³/d Max. Konsenswassermenge: QTW: 550 l/s

4.2.2 Exemplarisch Betriebsjahr 2000 Da die Anlagendaten einer Kläranlage alleine keine Auskunft über den Betriebsstatus geben, wird im folgenden das Betriebsjahr 2000 exemplarisch herausgefasst und ein Teil der im Jahresbericht des Landeswasserbauamtes Bregenz enthaltenen Daten dargestellt. Dies soll dazu dienen, sich über die Belastungen, die sich aus dem Einzugsgebiet der ARA Hofsteig ergeben, ein

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Bild zu machen und eventuell einen Vergleich mit anderen Kläranlagen zu ermöglichen. Dies erscheint wichtig, da es keine Daten über die Qualität, und somit die Frachten des am RÜB Lerchenau entlasteten Mischwassers gibt, und daher kein Vergleich mit Entlastungen an anderen Kanalnetzen möglich ist. Wirkliche Schlussfolgerungen in Bezug auf die Qualität des entlasteten Mischwassers sind aber auch aus diesen Daten nicht möglich, da es sich meist um Wochenmittelwerte handelt und das RÜB Lerchenau nur als Entlastung für den Verbandsammler I (Wolfurt, Lauterach, Bildstein) dient. Die Tabelle 15 zeigt die Mittelwerte, Minima und Maxima von Zuflussmenge Temperatur in Zu- und Ablauf, sowie die pH-Werte des Zulaufs.

Zufluss Temperatur Zufluss l/s

pH Zulauf täglich m³/Tag

TW Zufl. m³/Tag min. max.

Zulauf C°

Ablauf C° min. max.

Mittelwert 23.536 20.609 227 535 12,9 15,1 7,1 8,1 min. 7.408 7.408 104 267 7,1 8,5 2,0 7,2 max. 54.905 45.085 711 1.610 19,6 21,7 8,0 10,3

Tab. 15: Zulaufwerte ARA-Hofsteig Jahr 2000 � Jahreszufluss 8.614.000 m³ Die in Abb. 18 dargestellten Entlastungen sind jene, die bei der ARA direkt erfolgen, und sind nicht mit denen des RÜB Lerchenau zu verwechseln. Die Entlastung bei der ARA erfolgt beim Vorklärbecken, also nachdem das Abwasser bereits Rechen und Sandfang passiert hat. Den Drosselabfluss am RÜB Lerchenau zu erhöhen, und so die Mischwässer im Verbandsammler I (siehe Abb. 28, S. 70) bis zur Kläranlage zu leiten und erst dort zu entlasten kommt nicht in Frage, da diese Wässer bereits im Hebewerk der ARA Hofsteig mit dem Zulauf der linksseitig des Rheins gelegenen Gemeinden Lustenau, Gaißau, Höchst und Fußach (Verbandsammler II), welche im Trennsystem entwässern, vermischt werden. Dies würde eine Entlastung größerer Frachten bei gleichbleibender Wassermenge bedeuten.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Abwasserzufluss und -entlastung (Wochensumme) / min-max Zulauf - Wochenmittelwerte

05.000

10.00015.00020.00025.00030.00035.00040.000

Jän Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

Abw

asse

rzuf

luss

und

En

tlast

ung

[m³/T

ag]/[

m³/W

]

0

200

400

600

800

1000

1200

Zuflu

ss m

in/m

ax [l

/sec

]

Entlastung bei ARA (m³/W) Abwasserzufluss (m³/T)Qmin (l/sec) Qmax (l/sec)

Abb. 18: Abwasserzufluss und �entlastung ARA Hofsteig mit Q min/max Die Frachten von BSB5, CSB, ges. Stickstoff und ges. Phosphor wurden in der Tabelle 16 zusammengefasst und in Abb. 19 als Diagramm dargestellt. Der BSB5-Abbau ist trotz der diesbezüglichen Überlastung der ARA Hofsteig sehr gut und daher die Belastung für den Vorfluter gering. Obwohl die Reinigungseffekte auch beim Stickstoff besser als der vorgeschriebene Grenzwert sind, ist die Menge an Stickstoff, die über den Kläranlagenablauf ins Gewässer gelangt als Nährstoffquelle nicht zu vernachlässigen. Das Hauptaugenmerk von Immissionsseite her liegt für den Bodensee und sein Einzugsgebiet allerdings beim Minimumfaktor Phosphor und dessen verstärktem Eutrophierungsbeitrag. Hier wird sich noch zeigen, wie stark sich der weitere Ausbau der ARA Hofsteig positiv auswirken wird.

BSB5 CSB Stickstoff Phospor

mitt. Fracht

[kg/Tag]

Jahres-fracht [

t/a]

mitt. Fracht

[kg/Tag]

Jahres-fracht [t/a]

mitt. Fracht

[kg/Tag]

Jahres-fracht [t/a]

mitt. Fracht

[kg/Tag]

Jahres-fracht [t/a]

Zulauf 9.851,9 3.605,8 21.682,9 7.936,0 998,7 365,5 281,0 102,9Ablauf 155,7 57,0 1.134,8 415,3 264,0 96,6 12,3 4,5Abbau -9696,2 -3548,8 -20548,1 -7520,7 -734,7 -268,9 -268,7 -98,4

Tab. 16: Abbauleistung anhand der Frachten für das Betriebsjahr 2000

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

BSB5 Abbau [t/Jahr]

57

3549

Restfracht BSB5 Abbau BSB5

Stickstoff Abbau [t/Jahr]

97269

Restfracht Stickstoff Abbau Stickstoff

CSB Abbau [t/Jahr]

7521415

Restfracht CSB Abbau CSB

Phosphor ges. Abbau [t/Jahr]

984,5

Restfracht Pges Abbau Pges

Abb. 19: Darstellung der Abbauleistung in der ARA Hofsteig Wenn man die in Tabelle 17 angeführten Dimensionierungswerte mit den Werten der höchsten Anlagenbelastung vergleicht, ist klar ersichtlich, dass die ARA Hofsteig stofflich überlastet ist. Daher sind auch bei guter Reinigungs-leistung und verfahrenstechnischer Anlagenstabilität, die laut Jahresbericht 2000 des LWBA Bregenz für die ARA Hofsteig gegeben sind, die Ablauffrachten bezüglich BSB5 und CSB zu hoch. Die mittlere Auslastung der Anlage lag unter Berücksichtigung des erst vor relativ kurzer Zeit vorgenommenen Ausbaues mit 119 % (BSB5) bzw. 151 % (CSB) sehr hoch. Die hydraulische Auslastung (rd. 71 % im Jahresdurchschnitt) lag 2000 eher im Durchschnitt, was die hohe Frachtbelastung bestätigt.

Mittlere Auslastung Woche der höchsten Anlagenbelastung BSB5 CSB BSB5

[%] CSB [%]

hydr. [%] Woche Wert [kg/d] [%] Woche Wert [kg/d] [%]

119 151 71 KW6/2000 15.128 183 KW1/2000 31.727 220

Dimensionierungswerte: Bem. Wassermenge: 29.000m³/d Bemessungsw. BSB5 8.288kg/d Bemessungsw. CSB 14.400kg/d Tab. 17: Belastung/Auslastung ARA Hofsteig, bezogen auf die Dimensionierungswerte

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

In der Woche der höchsten Auslastung (siehe Abb. 20) waren im Jahre 2000 Werte um 180 % (BSB5) bzw. um 220 % (CSB) zu verzeichnen, was die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Frachtverminderung verdeutlicht. Dies soll durch Maßnahmen bei bedeutenden Einleitern erreicht werden.

Auslastungsverteilung übers Jahr (Monatsmittel)

0

50

100

150

200

Jän Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

Ausl

astu

ng [%

]

Auslastung BSB5 Auslastung CSB Auslastung hydr

Abb. 20: Auslastungsverteilung der ARA Hofsteig übers Jahr Betrachtet man in Abb. 21 die Auslastungsverteilung über die Wochentage, dann zeigt sich der Einfluss der angeschlossenen Industrie- und Gewerbebetriebe auf BSB5 und CSB. Die hydraulische Belastung hingegen verändert sich während der Woche kaum.

Auslastungsverteilung über Wochentage (Tagesmittel)

0

50

100

150

200

So Mo Di Mi Do Fr Sa

Auslastung BSB5 Auslastung CSB Auslastung hyd

Abb. 21: Auslastungsverteilung ARA Hofsteig über Wochentage Die Ablauf-Konzentrationsgrenzwerte wurden bei den Parametern BSB5, CSB und Ammonium im Jahre 2000 im Jahresmittel zwar eingehalten, die im

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Wesentlichen belastungsbedingte Anzahl der Grenzwertüberschreitungen lag jedoch jeweils zu hoch.

Ablauf: Prozentuelle Annäherung an den Grenzwert Monatsmittelwerte

0

2040

6080

100

120140

160180

200

Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

[%]

BSB5 CSB NH4-N Phosphor 100% Grenzwert

Abb. 22: Prozentuelle Annäherung wichtiger Ablaufparameter an den Grenzwert Wie in Abb. 22 ersichtlich wurde beim Parameter Phosphor der Ablauf-Konzentrationsgrenzwert im Jahresmittel knapp überschritten, jedoch war auch die im Wesentlichen belastungsbedingte Anzahl der Grenzwertüber-schreitungen zu hoch. Bei den Reinigungseffekten, dargestellt in Tabelle 18, wurden alle Grenzwerte eingehalten.

BSB5 98 95CSB 94 90Stickstoff 72 70Phosphor 95 95

erreichter Reinigungseffekt [%] Grenzwert [%]

Tab. 18: Reinigungseffekte der ARA Hofsteig und Grenzwerte Die anlagenspezifischen biologischen Kennzahlen des Jahres 2000 weisen noch auf einen weitgehend stabilen, aber durch zunehmenden Betriebsmittelaufwand geprägten Betrieb hin. Bei einer anhaltend hohen Belastung muss eine entsprechende technische Adaptierung und Wiederinbetriebnahme der alten Anlagenteile rascher (unter Umständen schon bis Ende 2003) stattfinden. Als vordringlich sind jedenfalls konsequente Vermeidungsmaßnahmen bei bedeutenden Einleitern und die Bekämpfung punktueller Fremdwassereinbrüche im Verbandnetz zu empfehlen. (LANDESWASSERBAUAMT BREGENZ - JAHRESBERICHT, 2000)

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

4.3 RÜB � Lerchenau Die Planung des Regenüberlaufbeckens in der Lerchenau wurde 1988 in Auftrag gegeben und das Becken in der Folge dann 1992 fertiggestellt. Über das Regenüberlaufbecken werden anfallende Mischwässer aus dem Gemeindegebiet von Lauterach, Wolfurt und Bildstein � letzteres entwässert im Trennsystem � je nach Bedarf in die Lauterach entlastet (siehe Abb. 23). Ziel der Errichtung des Regen-überlaufbeckens war es, die durch den bereits bestehenden Regenauslass RA I (siehe Abb. 24, S. 56) verursachten Verunreinigungen der Lauterach zu minimieren.

Abb. 23: Auslass des RÜB Lerchenau in die Lauterach Es wurde aus drei möglichen Varianten jene ausgewählt, die sowohl wirtschaftliche Überlegungen und Machbarkeit im vorhandenen Grundstück berücksichtigte, als auch den zu erwartenden realistischen Bevölkerungs-zuwachs der Gemeinden bis 2050 und die damit verbundene Zunahme an versiegelter Fläche.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

4.3.1 Dimensionierung und Bewirtschaftung

Bemessungsgrundlagen

Da das Regenüberlaufbecken Lerchenau im Einzugsgebiet des Bodensees liegt, war als Berechnungsgrundlage für die Bemessungswassermenge die Richtlinie der internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen heranzuziehen. Diese sieht für Regenentlastungsanlagen (Regenüberläufe und Regen-überlaufbecken) folgendes vor: �Bei Mischkanalisationen sind die Regenentlastungsanlagen bei direkter Einleitung des überlaufenden Mischwassers in den See für eine kritische Regenspende von mindesten 30 l/s.ha zu bemessen. In besonders schutzbedürftigen Uferbereichen sind Regenentlastungsanlagen zu vermeiden. Bei nicht direkter Einleitung in den See darf die kritische Regenspende je nach Entfernung vom See, der Leistungsfähigkeit des aufnehmenden Gewässers und den Niederschlagsverhältnissen bis auf 15 l/s.ha, bei weitläufiger Bebauung bis auf 10 l/s.ha herabgesetzt werden.� (IGKB, 1987) Art und Gestaltung

Das Regenüberlaufbecken Lerchenau (siehe Abb. 24) wurde als 3-Kammer-Durchlaufbecken ausgeführt. Es wirkt bis zur Füllung als Speicher und danach als Absetzbecken mit Überlauf in den Vorfluter, die Lauterach. Jede der drei Kammern des Beckens verfügt über ein eigenes Ablaufgerinne. Die Überlaufwassermengen von Becken 2 und 3 werden mittels Durchbrüchen in das Ablaufgerinne vom Regenauslass geleitet. Das Becken 1 ist an das vom Regenauslass bestehende Anschlussprofil im Ablaufgerinne angeschlossen. Der vorerst schon bestehende Regenauslass hat somit nach Inbetriebnahme der Regenüberlaufbecken die Funktion des Beckenüberlaufes übernommen.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Lauterach

Kammer III

Kammer II

Kammer I

Drossel Verbandsammler I

RA I

P

P

P

Abb. 24: Schematische Darstellung des RÜB Lerchenau Abb. 24: Schematische Darstellung des RÜB Lerchenau Die Abmessungen der Becken betragen 28 m Länge, 9,3 m Breite und eine Tiefe von 2,5 m. Die Abmessungen der Becken betragen 28 m Länge, 9,3 m Breite und eine Tiefe von 2,5 m. Daraus ergibt sich für ein Becken ein Nutzinhalt von 651 m³ und somit Vges = 1953 m³ für alle drei Becken. Daraus ergibt sich für ein Becken ein Nutzinhalt von 651 m³ und somit Vges = 1953 m³ für alle drei Becken. Der größere mögliche Beckennutzinhalt, bautechnische Vorzüge und die Möglichkeit der stufenweisen Beschickung sind die Vorteile, die das Rechteckbecken in diesem Fall gegenüber dem Rundbecken aufweist. Die bei der Errichtung des Beckens gewählten Abmessungen ergaben sich aus dem erforderlichen Beckennutzinhalt, der Grundstücksgröße und den Randbedingungen laut Bodenseerichtlinie.

Der größere mögliche Beckennutzinhalt, bautechnische Vorzüge und die Möglichkeit der stufenweisen Beschickung sind die Vorteile, die das Rechteckbecken in diesem Fall gegenüber dem Rundbecken aufweist. Die bei der Errichtung des Beckens gewählten Abmessungen ergaben sich aus dem erforderlichen Beckennutzinhalt, der Grundstücksgröße und den Randbedingungen laut Bodenseerichtlinie. Es handelt sich beim Regenüberlaufbecken Lerchenau um ein geschlossenes Becken mit einer Erdüberdeckung von 80 cm. Es handelt sich beim Regenüberlaufbecken Lerchenau um ein geschlossenes Becken mit einer Erdüberdeckung von 80 cm. Bewirtschaftung Bewirtschaftung

Die Beckenentleerung erfolgt über je eine Tauchmotorpumpe und anschließender Pumpenleitung in einen Übergabeschacht und von dort über ein Betonrohr in die Drosselstrecke unterhalb des Regenauslasses. Der Entleerungsvorgang wird vom Betriebspersonal der ARA zentral gestartet, sobald der Zulauf zur Kläranlage soweit zurück gegangen ist, dass weitere Abwassermengen der Reinigung zugeführt werden können.

Die Beckenentleerung erfolgt über je eine Tauchmotorpumpe und anschließender Pumpenleitung in einen Übergabeschacht und von dort über ein Betonrohr in die Drosselstrecke unterhalb des Regenauslasses. Der Entleerungsvorgang wird vom Betriebspersonal der ARA zentral gestartet, sobald der Zulauf zur Kläranlage soweit zurück gegangen ist, dass weitere Abwassermengen der Reinigung zugeführt werden können.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Die Beckenspülung erfolgt mittels stationärer Spülkippen, deren Spülwasserversorgung über Grundwasserentnahme erfolgt. Als Beckenbelüftung dienen die Montageöffnungen für die Spülkippen, die Beckeneinstiege und die Pumpenöffnungen. Die einzelnen Beckenzuläufe können mittels Stahlrinnenschieber abgeschlossen werden. Im Normalfall wird zuerst das Regenüberlaufbecken 1 beschickt. Erst wenn der Wasserspiegel im Zulaufgerinne die Höhe der Überlaufschwelle von Becken 2 erreicht, wird das Becken 2 beaufschlagt und in der Folge bei weiterem Anstieg das Becken 3.

4.3.2 Entlastungsereignisse � Häufigkeit, Mengen Das Regenüberlaufbecken in der Lerchenau in Lauterach wurde im Sommer 1992 in Betrieb genommen. Seither gibt es auch Daten über die Entlastungsmengen; sowohl vom Überlauf aus dem Becken, als auch vom Überlauf des Verbandsammlers über den RA I, der als Notüberlauf dient, wenn ein verzögertes Abfließen aus dem vollen Becken einen weiteren Einstau im Kanal bedingt. Seit 1998 wird auch die Dauer der einzelnen Ereignisse aufgezeichnet. Anfang des Jahres 98 fehlen Aufzeichnungen über die Entlastungstätigkeit, da die Datenleitung vom RÜB zur ARA in Hard beim Bau eines Supermarktes an der L202 beschädigt wurde. Die Abgrenzung einzelner Ereignisse ist im allgemeinen sehr schwierig. Es besteht die Möglichkeit Ereignisse in Abhängigkeit der mittleren Fließzeit im Kanalnetz abzugrenzen. Ist der zeitliche Abstand zwischen zwei Ereignissen größer als die Fließzeit, können sie als unabhängig betrachtet werden. Bei diesem Ansatz wird jedoch ein verzögerter Abfluss von befestigten Flächen nicht berücksichtigt. Auch eine willkürliche Zusammenfassung zu Dreitages-blöcken erscheint mir nicht zielführend. (FENZ, mündl.) Im Falle des RÜB Lerchenau gibt es keine Aufzeichnung darüber, ob zwischen den einzelnen Ereignissen genügend Zeit war, das Becken zu entleeren und dies auch erfolgt ist. Von 1992 bis 1998 sind nur Tagessummen bekannt und keine Dauer der einzelnen Ereignisse, daher ist nicht belegt, ob zwei an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfindende Ereignisse tatsächlich als unabhängig betrachtet werden dürfen.

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Gesamt Badesaison 1. 6. – 1. 10.

Jahr Anzahl der Ereignisse

Entlastungsmenge [m³]

Anzahl der Ereignisse

Entlastungsmenge [m³]

1992 18 160.974 10 16.2191993 37 510.005 26 436.2061994 28 202.659 14 119.7581995 32 443.657 19 308.0381996 35 460.968 20 347.6521997 37 275.613 15 159.2961998 9 (10) 38.483 Keine Sommerdaten 1999 38 (47) 980.991 15 (21) 425.3042000 36 (43) 432.293 23 (27) 324.2802001 32 (40) 185.532 22 (29) 169.762

Tab. 19: Entlastungsereignisse RÜB Lerchenau 1992 - 1998 Die Anzahl der Ereignisse ist in Tabelle 19 nach Datum abgegrenzt, da eine genauere Differenzierung nicht möglich war. Die in Klammer angeführte Anzahl der Ereignisse stellt die Anzahl der erfolgten Entlastungen dar, auch wenn es an einem Tag zwei oder mehrere waren. Lässt man die Jahre 92 und 98, in denen sich die Aufzeichnungen nicht über das ganze Jahr erstrecken, außer acht, dann ergeben sich im Mittel 34,4 Tage im Jahr, an denen Mischwasser aus dem RÜB Lerchenau entlastet. Die Fälle, in denen die Abflussmengen im Kanal so groß sind, dass Mischwasser direkt aus dem Verbandssammler in die Lauterach entlastet wird, liegen bei etwa einem bis fünf pro Jahr. Im Jahre 1999 betrug die Jahresentlastungsmenge mit 980.991 m³ mehr als das doppelte der vergangenen Jahre, wobei die Anzahl der Ereignisse nicht gestiegen war. Dies lässt sich auf die extremen Niederschläge im Mai zurückführen. Allein am 21. und 22. Mai gelangten 490.474 m³ Mischwasser in die Lauterach � das sind 50 % des Jahresanfalls.

4.4 Problematik der Beeinträchtigung der Wasserqualität der Lauterach

Die in Kapitel 4.3.2. beschriebenen Entlastungsereignisse führen zu einer Beeinträchtigung der Wasserqualität der Lauterach, sowohl die Keimbelastung als auch chemische Parameter betreffend. In weiterer Folge wird dadurch auch die Wasserqualität des Fischteiches und des Binnenbeckens gemindert. Der Stoffeintrag aus Landwirtschaftlichen Flächen durch den Harder Graben, welcher in die Lauterach mündet, sollte im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung auch berücksichtigt werden. Die Kleingewässer im Raum Hard (siehe Abb. 28, Seite 70) und in den Rheindeltagemeinden � hauptsächlich Gewässer mit Giessenbachcharakter (grundwassergespeiste Quellen) und Riedeinfluss - unterscheiden sich von den übrigen niederschlaggespeisten

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Gewässern im Fließverhalten, im Abflussregime und im Sauerstoffhaushalt. An diese veränderten Bedingungen haben sich auch die Gewässerorganismen angepasst. So findet man in diesen Bächen oft Organismengemeinschaften die auf eine erhöhte Grundbelastung schließen lassen und nach der biologischen Güteeinstufung bereits ohne zusätzliche Belastungen, wie Drainageeinleitungen, Basisgüteklasse II ergeben (BUHMANN, HUTTER 1998).

4.4.1 Charakteristik und Gewässergüte der Lauterach Bei der Lauterach (siehe Abb. 25) handelt es sich um einen Giessenbach im unteren Rheintal. Sie entspringt in der Gemeinde Lauterach, welche auf der Schotterfläche der Bregenzerache liegt. Das dort versickernde Wasser speist mittels Quellen die Lauterach, die im Oberlauf verrohrt ist.

Abb. 25: die Lauterach

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Ökomorphologie der Rheintalgewässer allgemein und der Lauterach

Im 1999 erhobenen Bericht zur Strukturgüte der Fließgewässer des Vorarlberger Rheintals (BUHMANN et al., 2001) wird der ökomorphologische Zustand der Lauterach als mäßig bis wesentlich beeinträchtigt beschrieben. Der Abschnitt direkt unter der Mischwassereinleitung wird sogar als stark beeinträchtigt ausgewiesen. Ungenutzte, naturnahe Uferstreifen bilden in dicht besiedelten oder landwirtschaftlich genutzten Flächen eine natürliche Pufferzone, die dem diffusen Stoffeintrag in Fließgewässer entgegenwirkt. Die Wirksamkeit eines solchen Pufferstreifens ist abhängig von seiner Breite, der Hangneigung, der Bodenstruktur und der Bewirtschaftungsform der angrenzenden Nutzflächen. �58 % der im Zuge des Fließgewässerinventars vom Umweltinstitut des Landes Vorarlberg erhobenen Gewässerläufe der Talebene des Rheintals werden von landwirtschaftlichen Nutzflächen gesäumt, von denen der Großteil in Form von Grünland bewirtschaftet wird. Darüber hinaus verlaufen in den Landwirtschaftsgebieten des Talbodens zahllose, meist künstlich angelegte Klein- und Kleinstgewässer, die als Wiesen- oder Riedgräben der Entwässerung dienen. Über 50 % dieser an landwirtschaftliche Nutzflächen grenzenden Gewässerabschnitte besitzen keinen wirksamen Pufferstreifen � die Flächennutzung reicht bis an den unmittelbaren Gewässerrand bzw. an die Böschungsoberkante. Knapp ein Drittel der gewässernahen Landwirtschaftsflächen ist nur durch einen schmalen Gehölzstreifen vom Gewässer getrennt. Die Pufferzone ist an diesen Gewässerabschnitten nur bedingt wirksam. Nur bei 18 % der aufgenommenen Gewässer der Talebene kann der Puffer als ausreichend bezeichnet werden.� (BUHMANN et.al., 2001) Auch die Lauterach bildet diesbezüglich keine Ausnahme und der Nährstoffeintrag aus der Mischkanalentlastung stellt bei weitem nicht die einzige Belastungsquelle dar. Neben den diffusen Einträgen aus landwirtschaftlicher Nutzfläche münden noch sieben Regenauslässe aus der Trennkanalisation, zehn Ableitungen aus Drainageröhren und vier Entwässerungsgräben in die Lauterach (siehe Tab. 20). Weiters sind noch sieben Sohlschwellen, die zwar alle fischpassierbar sind, und ein Absturzbauwerk oberhalb der Regenentlastung aus der Mischkanalisation anzuführen.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Die in Tabelle 20 angeführten Einleitungen in die Lauterach wurden für den internen Ökomorphologie-Bericht „Punktuelle Gewässerbeeinträchtigungen“ vom Umweltinstitut des Landes Vorarlberg � Abteilung für Gewässergüte und Bodenschutz erhoben und für diese Arbeit zur Verfügung gestellt. Fluß-km Position Einleitungen Hindernisse Sonstige 0,45 0,60 0,66 0,75 0,76 0,76 0,80 1,00 1,14 1,14 1,14 1,15 1,30 1,54 1,54 1,73 1,75 1,85 1,86 1,98 1,99 1,99 2,02 2,05 2,06 2,24 2,27 2,27 2,68 2,75 2,77 2,78 2,79 2,79 2,80 2,80 2,95 3,02 3,02 3,03 3,12 3,13 3,15

linkes Ufer linkes Ufer rechtes Ufer durchgehend linkes Ufer linkes Ufer linkes Ufer durchgehend linkes Ufer durchgehend rechtes Ufer rechtes Ufer fischpassierbar durchgehend fischpassierbar rechtes Ufer linkes Ufer rechtes Ufer rechtes Ufer durchgehend linkes Ufer durchgehend linkes Ufer fischpassierbar rechtes Ufer rechtes Ufer linkes Ufer durchgehend linkes Ufer fischpassierbar durchgehend fischpassierbar linkes Ufer durchgehend durchgehend durchgehend linkes Ufer fischpassierbar durchgehend linkes Ufer durchgehend fischpassierbar durchgehend

Regenauslass (Trennkanal) Regenauslass (Trennkanal) Regenauslass (Trennkanal) Regenauslass (Trennkanal) Dränagerohr Entwässerungsgraben Dränagerohr Dränagerohr Regenauslass (Trennkanal) Entwässerungsgraben Entwässerungsgraben Dränagerohr Dränagerohr Regenauslass (Trennkanal) Entwässerungsgraben Dränagerohr Dränagerohr Regenauslass (Trennkanal) Dränagerohr Regenüberlauf (Mischkanal) Dränagerohr Dränagerohr

Sohlschwelle Sohlschwelle Sohlschwelle Sohlschwelle Sohlschwelle Absturzbauwerk > 0,3 m Sohlschwelle Sohlschwelle

Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung Brücke/Überbauung

Tab. 20: Punktuelle Gewässerbeeinträchtigungen der Lauterach

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Bei der Einleitestelle ist die Lauterach etwa 1,5 m breit und direkt oberhalb befindet sich das Absturzbauwerk von ca. 30 cm Höhe, was eine künstliche Kontinuumunterbrechung darstellt. Bezüglich der Ausprägung der Sohl- und Böschungsbereiche erscheint die Lauterach großteils unverbaut mit nur geringfügigen Störungen und mit natürlichen Böschungen. Jedoch wieder genau ab der Einleitestelle zeigt sich die Gewässersohle durch bauliche Eingriffe gestört, wobei aber die Sohldurchgängigkeit noch gegeben ist. Die Böschung ist ebenfalls sehr unvorteilhaft gestaltet � nämlich mit Steinquadern und somit sehr glatt, ohne Strukturen und Nischen. Daher fehlt hier auch eine standortgerechte Ufervegetation. Im weiteren Verlauf ist die Uferbestockung meist nur einreihig und vereinzelt vorhanden, nicht immer Standortgerecht oder aber in Breitenerstreckung und Aufbau gestört. Gewässergüte und Wasserqualität

Die Lauterach weist eine Gewässergüte der Güteklasse II auf. Güteklassse II bedeutet mäßig verunreinigt, β-mesosaprob. Es handelt sich um Gewässerabschnitte mit mäßiger organischer Belastung und guten O -Verhältnissen. Köcherfliegenlarven und Bachflohkrebse sind typische Vertreter der Invertebraten.

2

Ab der Einleitung aus der Mischkanalentlastung verschlechtert sich die Güte auf Klasse III. Güteklasse III steht für stark verunreinigt, α-mesosaprob. Typisch ist der schwankende O2-Gehalt und lokale Faulschlammbildung und Schwarzfärbung des Sediments. Indikatoren sind Egelarten, Zuckmückenlarven und Wasserasseln. Beim Zulauf der Rotach stellt sich wieder eine Verbesserung auf Güte II-III ein, was einerseits auf den Zulauf von unbelastetem Wasser zurückzuführen ist und andererseits durch die Selbstreinigung der Lauterach bewirkt wird (BUHMANN, HUTTER 1998). Im Bericht �Fließgewässer in Vorarlberg � Gütezustand 1992� des Umweltinstitutes wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die biologische Güte der Lauterach seit der Inbetriebnahme der Hauptregenentlastung Lerchenau in Lauterach maßgeblich verschlechtert hat. Auch die weiteren eventuellen Folgen für die Badewasserqualität im Bodensee wurden damals schon erkannt. Im Bereich der Einleitestelle ist ein feines, nahezu schlammiges Sediment zu finden. Die teilweise dunkle bis schwarze Verfärbung der unteren Sedimentschichten ist ein Indikator für die aus hoher organischer Belastung resultierenden stark reduzierten O2-Verhältnisse. Bei einer Entlastung und der damit einhergehenden Erhöhung der Fließgeschwindigkeit wird das Sediment aufgewirbelt und führt zu einer Zunahme der Trübstoffe und der O2-Zehrung in der fließenden Welle. Im Sediment abgelagerte Schadstoffe werden ebenfalls remobilisiert und auch die in der sedimentverfüllten Gewässersohle lebenden Organismen verdriften.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Durch die Drift sind in der Folge die Abbauleistungen von organischem Material in diesem Bereich geringer. Weiters wird der Sauerstoffhaushalt dadurch gestört, dass durch die erhöhte Trübung die Photosyntheseleistung der Wasserpflanzen herabgesetzt ist und somit der Sauerstoffeintrag verringert wird. Ein Teil des erhöhten Sauerstoffbedarfes wird durch verstärkte Turbulenzen durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit wieder ausgeglichen. Jedoch vermögen sie nicht die durch Schmutzwassereinleitungen teilweise auftretenden Sauerstoffeinbrüche genügend auszugleichen, zumal den Entlastungsspitzen die Abflussspitzen in der Lauterach zeitlich hinterherhinken und so ein ungünstiges Mischungsverhältnis entsteht.

4.4.2 Harder Graben und einmündende Gräben Ökomorphologie

Große Teile des Lauteracher Riedes werden von zahlreichen Gräben - Sackgraben und Birkengraben, Gerbegraben - entwässert, welche letztlich alle im Harder Graben zusammenkommen. Der Sackgraben entspringt im Gebiet des Jannersees, wird gespeist von Grundwasser und entwässert Oberflächenwässer der Kernzone des Lauteracher Riedes in den Birkengraben. Der Birkengraben dient als Regenwasservorfluter für das Gebiet Erlach in Hard. Die Ökomorphologie von Sack- und Birkengraben ist als stark beeinträchtigt bis naturfern zu bezeichnen. Die seitliche Begrenzung wird teilweise von einem Damm gebildet und auch die Sohle zeigt sich hart verbaut mit einer weitgehenden Untergrundversiegelung. Südlich des Gebiets Lauterach � Lerchenau entspringt der Gerbegraben in den auch der Moosbachgraben mündet. Diese beiden sind in ihrem Oberlauf verrohrt und auch ihr offenes Gerinne ist ökomorphologisch mäßig bis stark beeinträchtigt. Die Sohle ist zwar durch bauliche Eingriffe gestört, aber die Sohldurchgängigkeit ist gegeben. Der Gerbegraben verfügt über kleinräumige Böschungssicherungen mit weitgehend standortgerechtem Material. Der Harder Graben (siehe Abb. 26) verfügt über eine durchgängige Sohle. Im oberen Teil ist die Böschung wie beim Birkengraben durch rauhe Regelprofile gesichert. Ab dem Zulauf des Birkengrabens verbessert sich die Situation ein wenig, die Böschungssicherungen werden kleinräumiger und deren Material standortgerechter. Somit ist der Harder Graben ökomorphologisch im Oberlauf als stark, weiter unten als mäßig bis wesentlich beeinträchtig zu bezeichnen.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Abb. 26: Harder Graben bei der Mündung in die Lauterach Allen diesen Gräben ist gemein, dass sie keine künstlichen Kontinuumsunterbrechungen aufweisen und zahlreiche Drainagen sowie Platz- und Straßenentwässerungen einmünden. Der Uferbegleitsaum ist bei allen dreien nur einreihig und vereinzelt vorhanden bis hin zu gänzlichem Fehlen. Erst ab dem Einmünden des Gerbegrabens präsentiert sich der Harder Graben mit einer standortgerechten Ufervegetation, wenn sie auch noch in Breitenerstreckung und Aufbau teilweise gestört ist. Gewässergüte und Wasserqualität

Da diese Gräben das Lauteracher Ried, also leicht mooriges Gebiet, entwässern, weisen sie ein leichte Braunfärbung auf. Diese rührt von einem erhöhten Huminstoffgehalt her. Überhaupt haben solche Gewässern einen höheren Anteil an gelösten und partikulären Kohlenstoffen. Daher ist auch der DOC-Gehalt mit Konzentrationen um 5 mg/l hoch. Jedoch wirkt sich dieser anthropogen bedingte Kohlenstoff nicht annähernd so nachteilig auf den Sauerstoffhaushalt des Fließgewässers aus, als der durch Abwasser-einleitungen eingetragene.

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Ebenfalls nicht abwasser-, sondern geogen bedingt sind die leicht erhöhten Werte für den Ammoniumstickstoff NH4-N, die zwischen 0,1 und 0,5 mg/l liegen. Die Phosphorbelastung ist hingegen als mäßig bis gering einzustufen. Die Werte liegen bei etwa 40 µg/l, lediglich der Harder Graben erreicht Werte bis 60 µg/l. (siehe Anhang II: Untersuchungsergebnisse der Harder Bäche) Vom Umweltinstitut wird der Harder Graben als Güteklasse II-III eingestuft.

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Die folgende Karte (Abb. 27) zeigt die Situation der oben beschriebenen Bäche und Gräben bezüglich der Direkteinleitung von Drainagen, Hauseinleitungen und Platz- und Straßenentwässerungen. Auch die Verrohrung der Lauterach im oberen Teil und die Regenentlastung Lerchenau ist aus dieser Karte ersichtlich.

Abb. 27: Direkteinleitungen in Gewässer (BUHMANN et.al., 2001)

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

4.4.3 Zusammenhang Keimbelastung � Entlastungsereignisse Bei der Routineuntersuchung der Fließgewässer durch das Umweltinstitut des Landes Vorarlberg werden auch bakteriologische Parameter erhoben. Solche Untersuchungsergebnisse liegen auch für die Lauterach, an zwei verschiedenen Messstellen, und den Harder Graben und den Birkengraben über einen Zeitraum von 1991 � 1997 vor. Die Entlastungsereignisse am RÜB Lerchenau sind seit Juni 1992 ebenfalls dokumentiert. In der Tabelle 21 wird das auftreten erhöhter Keimzahlen in der Lauterach den Entlastungsereignissen am RÜB Lerchenau gegenübergestellt.

TC FC Entlast. Tages-

KBE/100ml KBE/100ml RÜB diff. [d]

22.11.1992 105.974 1

23.11.1992 11.216 0

Lauterach Bommen 27.09.1993 24.000 2.200 ja 25.09.1993 1.737 2

Lauterach Bommen 25.05.1994 - 2.400 ja 25.05.1994 6.612 0

Lauterach Bommen 21.11.1994 10.400 430 Nein

30.05.1995 3.774 1

31.05.1995 12.237 0

Lauterach Bommen 11.06.1995 960.000 - ja 11.06.1995 15.777 0

28.08.1995 21.936 3

29.08.1995 20.812 2

30.08.1995 2.527 0

05.07.1996 32.094 3

06.07.1996 17 2

Lauterach Bommen 26.02.1997 30.000 200 Nein

Lauterach Sternen 28.07.1993 16.000 1.800 ja 25.07.1993 1.075 3

Lauterach Sternen 27.09.1993 30000 2.200 ja 25.09.1993 1.737 2

30.05.1995 3.774 1

31.05.1995 12.237 0

jaLauterach Bommen 08.07.1996 380.000

ja

Lauterach Bommen

Lauterach Bommen 30.08.1995 400.000

31.05.1995 28.000 ja

580.000

Datum Menge [m³]

30.000 ja

Gewässer Messstelle Datum

16.000

9.600

1.200.000

39.200

Lauterach Bommen 23.11.1992

jaLauterach Sternen 31.05.1995 110.000

Tab. 21: Gegenüberstellung der Keimbelastung in der Lauterach und der Entlastungsereignisse am RÜB Lerchenau. Grau unterlegte Felder bedeuten eine Überschreitung der Grenzwerte für TC (10.000 KBE/100ml) und FC (2.000 KBE/100ml) laut Bäderhygieneverordnung (BÄDERYGIENEGESETZ, 1996). Es wurden Entlastungsereignisse berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Beprobung bis zu drei Tage* zurücklagen. Bei Trockenwetter und ohne vorherige Entlastungen schwanken die Werte der Grundbelastung für Fäkalcoliforme Keime in der Lauterach zwischen > 100 und 500 KBE/100 ml (siehe Untersuchungsergebnisse Harder Bäche, Anhang II).

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4 ARA � Hofsteig � Vorarlberg

Die Messstelle Bommen befindet sich in Hard bei Fließkilometer 2,35, also knapp einen halben Kilometer unterhalb der Entlastungsstelle. Die Messstelle Sternen ist einen weiteren Kilometer flussabwärts zu finden. Die Entscheidung zur Berücksichtigung von Entlastungsereignissen, die bis zu drei Tage* zurücklagen, erfolgte durch den Vergleich niedriger Keimzahlen mit vorangegangenen Entlastungsereignissen. Beispielsweise lagen am 20. 10. 93 die Werte für die Totalcoliformen bei 1.820 KBE/100ml und 80 für die Fäkalcoliformen, obwohl vom 13. � 15. 10., also bis fünf Tage vor der Beprobung Lauterach Sternen, insgesamt 28.816 m³ über das RÜB Lerchenau in die Lauterach gelangten. Diese Werte sind für die Lauterach, die eine hohe Grundbelastung aufweist, sehr niedrig und daher darf daraus geschlossen werden, dass vier bis fünf Tage nach einem Entlastungsereignis die Keimzahl wieder absinkt. Wie viel davon durch Sedimentation der fließenden Welle entzogen wird und wie viel durch Selbstreinigung tatsächlich abgebaut wird, ist jedoch unklar und bedürfte einer parallelen Beprobung des Sedimentes. Gewässer Messstelle Datum TC KBE/100ml FC KBE/100ml Erhöhter AbflussHarder Graben Hard 25.05.94 10.000 3.400 jaHarder Graben Hard 31.05.95 100.000 6.400 Keine AngabeBirkengraben Hard 25.05.94 9.600 3.500 jaBirkengraben Hard 21.11.94 24.000 150 NeinBirkengraben Hard 31.05.95 120.000 6.800 jaTab. 22: Keimbelastungen mit Grenzwertüberschreitungen bei Gewässern ohne einmündende Regenentlastung Der Birkengraben mündet in den Harder Graben und trägt maßgeblich zur Entwässerung des Lauteracher Riedes bei. Die in Tabelle 22 angeführten Grenzwertüberschreitungen zeigen, dass bei erhöhtem Abfluss in den Riedbächen in Folge stärkerer Regenfälle die Keimzahlen allein durch Abschwemmungen von Oberflächen, in diesem Fall von landwirtschaftlichem Gebiet, bis zum zehnfachen des Grenzwertes ansteigen können. Vom 31. 05.1995 liegen zwar keine Abflussmengen vor, jedoch ist auch hier von erhöhtem Abfluss auszugehen, denn in allen Harder Bächen waren die Keimzahlen erhöht und auch über das RÜB Lerchenau wurden größere Wassermengen abgeworfen. Die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse des Umweltinstitutes der Harder Bäche sowie die gesamten dokumentierten Entlastungen am RÜB Lerchenau befinden sich im Anhang (I und II).

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Die durch die Regenentlastung Lerchenau zugeführten Mischwässer hatten im Sommer 1993 zu einem so starken Anstieg der Keimzahlen im Harder Binnenbecken geführt, dass es beinahe zu einem vorübergehenden Badeverbot gekommen wäre. So wurde es notwendig Maßnahmen zu setzen, um eine Verkeimung des Binnenbeckens zu verhindern und einen sicheren Badebetrieb im anliegenden Strandbad zu gewährleisten. Vom Wasserverband Hofsteig wurde daher ein Projekt in Auftrag gegeben, welches genau diese Verkeimung verhindern sollte. Es wurden vier Lösungsvorschläge eingebracht, die von einer Überleitung der anfallenden Mischwassermengen aus dem Regenüberlaufbecken mittels Druckleitung in die Bregenzerache bzw. in die Dornbirnerache, über das Erstellen eines Regenrückhalteraumes in Form eines Stapelbeckens, bis hin zur Möglichkeit der Steigerung des Zulaufes zur ARA und der Drosselung der vorgeschalteten Regenauslässe reichten. Die vierte Variante, nämlich einen Verbindungskanal vom Fischteich zur Dornbirnerache zu errichten und die anfallenden Mischwässer mittels eines Stemmtores zwischen Fischteich und Binnenbecken von demselben fernzuhalten, wurde schließlich als die günstigste erachtet. Dieser Vorschlag wurde von Ziviltechnikbüro in Bregenz erarbeitet. In Diskussion mit den Vertretern des Landeswasserbauamtes und des Umweltinstitutes wurde sie als wirtschaftlich günstigste und in Hinblick auf die Sicherung des Strandbadbetriebes im Binnenbecken konsequenteste Lösung gewählt. In Bezug auf die Nachhaltigkeit wäre aber auch diese Lösung abzulehnen gewesen, da sie lediglich eine reine Problemverlagerung darstellt und weder eine Verbesserung der Gewässergüte in der Lauterach noch für den Hochwasserschutz von Hard mit sich bringt. Die wohl nachhaltigste Lösung, nämlich die Umstellung des Kanalsystems in Lauterach und Wolfurt vom derzeitigen Mischsystem auf ein qualifiziertes Trennsystem, wäre nicht im erforderlichen Zeitrahmen zu realisieren gewesen.

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

5.1 Projekt � Abfuhr der Mischwässer vom Fischteich über einen Verbindungskanal in die Dornbirnerache

PW

Verb

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amm

ler I

I

I

Abb. 28: Karte mit den in Kap. 4.4 beschriebenen Fließgewässern; RÜB, ARA und Verbandsammler I und II; Messstellen (MP) und die in Kap. 5.1 erläuterten Maßnahmen

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Bei Starkregenperioden gelangt verdünntes Mischwasser aus dem RÜB Lerchenau in die Lauterach und in weiterer Folge in den Fischteich, dem auch die Riedwässer aus Sack- und Birkengraben über den Harder Graben zufließen. Von dort gelangt das Wasser über einen schmalen Durchlass in das Binnenbecken, das in direkter Verbindung mit dem Bodensee steht. Um diese Verschmutzung vom Binnenbecken und somit vom Strandbad fernzuhalten, wurde zwischen dem Fischteich und dem Binnenbecken ein Stemmtor angebracht, welches ab einer gewissen Menge von entlastetem Mischwasser aus dem RÜB Lerchenau geschlossen wird. Um den Abfluss der anfallenden Oberflächenwässer in der Größenordnung von 45 m³/s auch in dieser Zeit zu gewährleisten, wurde ein neuer Verbindungskanal zwischen dem Fischteich und der Dornbirnerache geschaffen (siehe Abb.16, S. 45). Die Wassermenge von 45,15 m³/s, resultierend aus den Abflüssen der Lauterach, inkl. Regenentlastung, und des Harder Grabens, wurde auf Grundlage des 1985 von einem Ziviltechnikbüro in Wien, erstellten Gefahrenzonenplanes Hard � Bereich der Harder Bäche � errechnet. Diese Wassermenge gilt als Spitzenwert und entspricht einem hundertjährigen Ereignis. Der Verbindungskanal weist eine Länge von etwa 320 m auf und führt durch das im Zuge der Rheinregulierung aufgelandete Kolmatierungsgebiet. Das offene Gerinne weist einen trapezförmigen Querschnitt auf. Die Sohlenbreite beträgt 6m, die Böschungsneigung im Bereich der befestigten Sohle 1 : 2,5, im oberen Bereich (Sand, Schluff, Schüttung) 1 : 3,5. Es wurde eine leicht geschwungene Linie zur besseren Anpassung an das Landschaftsbild gewählt. Die im Projekt vorgeschlagene Bepflanzung des Südufers kam bislang nicht zur Durchführung. Über diesen Durchstich mussten zwei Brückenbauwerke errichtet werden: eine Radwegbrücke für den stark frequentierten internationalen Bodensee-radwanderweg und die Fußgänger, und eine Wirtschaftsbrücke, um weiterhin die Zufahrt zu den landwirtschaftlichen Flächen im Auflandungsgebiet zu gewährleisten und die Ufererhaltung zu sichern.

5.1.1 Ermittlung der Schließzeiten des Stemmtores Die Bauwerke wurden im Frühjahr 1998 fertiggestellt und das Stemmtor ging im Mai in Betrieb. Da sich im Fischteich Bootsliegeplätze und im Mündungsbereich der Lauterach eine Werft befinden, war man bestrebt, die Schließzeiten des Stemmtores möglichst kurz zu halten. Daher, und dies war die ursprüngliche Problemstellung meiner Diplomarbeit, war vorgesehen, durch Beprobung einzelner Ereignisse die Keimbelastung und

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

den zeitlichen Verlauf zu bestimmen. Auf Basis dieser Daten hätte eine Optimierung der Schließzeiten vorgenommen werden sollen. Da jedoch im Sommer 1998 keine Entlastungsdaten vorhanden waren (siehe Tab. 19, S.58), konnten keine Keimbelastungen ermittelt werden. Die Erkenntnisse vom April 1999, dass die Dornbirnerache zu ca. 80% in den Fischteich zurück strömt, machten eine Adaption des Projektes erforderlich und weitere genauere Untersuchungen der Keimbelastung der Lauterach während Entlastungsereignissen überflüssig (siehe Kap. 5.1.2). Bis zum Sommer 1999 wurde so verfahren, dass nach Entlastungsereignissen mit einer Mischwasserabwurfmenge am RÜB Lerchenau von mehr als 1000 m³/ Ereignis das Stemmtor für eine Dauer von zwei Tagen ab Beendigung des Überlaufes geschlossen wurde. Für die Ermittlung der erforderlichen Mindestschließzeit wurde die Wassererneuerungszeit des Fischteiches (= Zeitraum bis zum einmaligen vollkommenen Wechsel des Fischteichinhaltes), die Fließzeit der Lauterach vom RÜB bis zum Fischteich und eine Puffer- und Sicherheitszeit angesetzt. Für die Wassererneuerungszeit wurde für den Fischteich ein Gesamtinhalt von rund 60.000 m³ (Wasserspiegel: 396,45 müA ~ Mittelwasser/Sommer ) und ein Zufluss von rund 1m³/s angenommen, was eine Zeit von 14 h ergibt. Die Fließzeit der Lauterach vom RÜB Lerchenau bis zum Fischteich von etwa 2 h ergibt sich aus der Fließstrecke von 2,8 km und einer mittleren Fließgeschwindigkeit von 0,3 bis 0,5 m/s (GASSER, 1998). Die Sicherheits- und Pufferzeit wurde mit 24 h angesetzt und soll genügend Zeit zum Sedimentieren der Keime bieten. Dies ergibt eine erforderliche Schließzeit von 40 h und wurde mit rund zwei Tagen gleichgesetzt. Gesamtschließzeit der Schleuse:

Wassererneuerungszeit Fischteich 14 h Fließzeit Lauterach bis Fischteich 2 h Pufferzeit 24 h . Erforderliche Schließzeit der Schleuse 40 h ~ 2 Tage

Untersuchungen des Umweltinstitutes des Landes Vorarlberg haben ergeben, dass bereits bei Regenereignissen, die keine Mischkanalentlastung in der Lerchenau bedingen, sowohl der Harder Graben als auch die Lauterach die zulässigen Grenzwerte bezüglich der Keimbelastung laut Bäderhygiene-verordnung (siehe Tab. 23) überschreiten.

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Werte in [KBE/100ml] FC TC Grenzwert 2.000 10.000

Sollwert 100 2.000

Binnenbecken, Fischteich 1.000 5.000 FC = Fäkalcoliforme Keime TC = Totalcoliforme Keime KBE = Koloniebildende Einheiten

Tab. 23: Grenzwerte laut Bäderhygieneverordnung (BÄDERHYGIENEGESETZ, 1996) Im Fischteich und im Binnenbecken (Nichtschwimmerbereich) wurde jeweils die Grundbelastung ohne zusätzliche Mischwassereinleitung gemessen. (Daten: UMWELTINSTITUT DES LANDES VORARLBERG, 1995; zit. bei GASSER, 1998) Die Abflussmengen für den mittleren Regenwetterfall werden mit 0,55 m³/s bzw. für den maximalen Regenwetterfall mit 1,2 m³/s angesetzt.

Belastung bei Regenwetter (Mittelwert)

Belastung bei Regenwetter (max.) Werte in

[KBE/100ml] FC TC FC TC

Lauterach 2.500 30.000 16.000 100.000 Harder Graben 3.500 10.000 6.500 100.000 FC = Fäkalcoliforme Keime TC = Totalcoliforme Keime KBE = Koloniebildende Einheiten

Tab. 24: Keimbelastung der Lauterach und des Harder Grabens bei Regenwetter Eine mit diesen Daten (siehe Tab. 24) durchgeführte Mischungsrechnung hat ergeben, dass im mittleren Regenwetterfall bereits die Sollwerte für FC und TC auch ohne zusätzliche Mischwassereinleitung im Fischteich vorhanden sind. Bis zum Erreichen der Grenzwerte der Keimbelastung im Fischteich ist eine Zeit von rund 9 h anzusetzen. Diese neun Stunden ergeben sich auf Grund der Fließgeschwindigkeit der Lauterach und der mitgeführten Keimfrachten bei mittlerem Regenwetter und bedeuten, dass neun Stunden (+ 2 h Fließzeit) nach einer Entlastung die Keimzahl im Fischteich bis zum Grenzwert laut Bäderhygieneverordnung angestiegen ist. Im maximalen Regenwetterfall ist bis zum Erreichen der Grenzwerte für FC und TC im Fischteich eine Zeit von rund 1 h anzusetzen. Das hat zur Folge, dass das Schließen des Stemmtores 2,5 h (Fließzeit 2h + 0,5 h Reserve) nach Erreichen der kritischen Entlastungsmenge am RÜB Lerchenau zu erfolgen hat. Die dazugehörigen kritischen Entlastungsmengen ergeben sich für den mittleren Regenwetterfall mit 6.500 m³ bzw. für den maximalen Regenwetterfall mit 1.500 m³.

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Aufgrund dieser Berechnungen wurde die Größe des unkritischen Entlastungsereignisses bei 1.500 m³ innerhalb von drei Tagen festgelegt (GASSER, 1998).

5.1.2 Problematik des Rückflusses von der Dornbirnerache in den Fischteich

Vor der Realisierung des in Kap. 5.1 beschriebenen Projektes, wurde auch die Möglichkeit vom Rückfluss von Wasser aus der Dornbirnerache in den Fischteich im Falle von unterschiedlichen Wasserständen bedingt durch Hochwasserereignisse angedacht. Dies hätte eine noch höhere Keimbelastung als durch die Regenentlastungen zur Folge, da die Dornbirnerache mehrfach als Vorfluter für Kläranlagen dient. Es wurde jedoch angenommen, dass in diesem Fall auch die Zuflüsse zum Fischteich eine relativ hohe Wassermenge führen und es nur zu einem unwesentlichen Rückfluss aus der Dornbirnerache in Richtung Fischteich kommen dürfte. Diese Annahme wurde durch hydraulische Berechnungen eines Ziviltechnikbüros gestützt. Eine Schleuse im Verbindungskanal, um den Rückfluss von Wasser aus der Dornbirnerache zu verhindern, wie in einem ersten Konzept vorgesehen, wurde nicht realisiert. Vom 22. März bis 13. April 1999 wurde vom Umweltinstitut im Verbindungskanal ein Strömungswächter (siehe Abb. 29) installiert, der, wie vermutet und zum Teil auch mit freiem Auge erkennbar war, zeigte, dass zu 80 % ein Rückfluss von der Dornbirnerache in den Fischteich besteht.

Abb. 29: Aufzeichnung der Strömungsmessung im Verbindungskanal von 22.3 �13.4 1999 Damit hatte sich die Situation dahingehend verändert, dass ein Schließen des Stemmtores während der gesamten Badesaison erforderlich wurde.

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

5.2 Adaption an die neuen Erfordernisse des Hochwasserschutzkonzeptes Hard

Das zu Pfingsten 1999 aufgetretene Hochwasser veränderte die ganze Situation noch einmal drastisch. Es wurde von der Gemeinde Hard ein Hochwasserschutzkonzept in Auftrag gegeben. In diesem wurde festgestellt, dass die Höhe des Stemmtores nicht ausreicht und dieses daher eine Schwachstelle im geplanten Schutz darstellt. Ein selbständiges Abfließen des Wassers im Verbindungskanal wird dem Hochwasserschutz auch nicht gerecht. Daher musste das Projekt �Abfuhr der Mischwässer vom Fischteich in die Dornbirnerache� im Zuge des Hochwasserschutzes noch einmal überdacht und adaptiert werden. Das Projekt �Ausbaumaßnahmen zu Verbesserung der Hochwassersicherheit für die Marktgemeinde Hard� wurde von einer Planungsgemeinschaft erstellt. Die Ausschreibung erfolgte durch das Landeswasserbauamt Bregenz, Auftraggeber sind die Marktgemeinde Hard und das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

5.2.1 Projektziele Das Projekt hat folgende Zielsetzungen zu erfüllen:

• Hochwasserschutz gegenüber einem Bodenseehochwasserstand. Die geforderte Oberkante des Hochwasserschutzes beträgt 398.50 m.ü.A. Dieser Wert ergibt sich aus dem HQ100-Spiegel entsprechend dem Gutachten des Hydrographischen Zentralbüros (Zl. 3455.661/01-IV 3/99) plus einem Freibord von 0,5 m.

• Anfallendes Oberflächenwasser aus den Vorflutern des Ortsgebiets, insbesondere dem Dorfbach und der Lauterach ist auch während eines Bodenseehochwassers schadlos in den Bodensee einzuleiten, wobei auch ein allfälliger Grundwasseranstieg zu beachten ist.

• Es ist eine einwandfreie Badewasserqualität im Harder Binnenbecken sicherzustellen, insbesondere unter Berücksichtigung der Einleitungen aus der Mischwasserkanalisation und in Folge der belasteten Wässer aus dem Lauteracher Ried-Gebiet.

• Sicherstellung einer ausreichenden Vorflut für die Ortskanalisation bei einem Bodenseehochwasser.

• Hochwassersicherheit für die Ortsteile entlang der Harder Gräben bis zur L 202 (Österreich/Schweiz).

• Einsatzplan für die Betreuung der Hochwasserschutzanlagen, insbesondere allfälliger mobiler Elemente.

• Auswahl von hauptsächlich fixen Baumaßnahmen, mobile Elemente sind nur dort einzusetzen, wo die örtliche Situation keine andere Möglichkeit zulässt. (aus dem EINREICHPROJEKT �AUSBAUMAß-

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

NAHMEN ZUR VERBESSERUNG DER HOCHWASSERSICHERHEIT� DER PLANUNGSGEMEINSCHAFT, 2000)

5.2.2 Adaption Pumpwerk Verbindungskanal Im Zuge dieses Hochwasserschutzprojektes kommt es zu einer Adaptierung der im Projekt �Abfuhr der Mischwässer vom Fischteich in die Dornbirnerache� gesetzten Maßnahmen. Zuvor wurden die belasteten Wässer durch Schließen des Stemmtores zwischen Fischteich und Binnenbecken während 48 Stunden von letzterem ferngehalten, und das Wasser wurde während dieser Zeit in die Dornbirnerache abgeleitet. An dieser Praxis hat sich als solches nichts geändert, jedoch wird im Zuge des Hochwasserschutzes im Verbindungskanal ein Pumpwerk errichtet. Dieses dient einerseits dazu, im Fall von Bodenseehochwasser den Spiegel des Fischteiches konstant zu halten und die Ableitung des über Lauterach und Harder Graben zufließenden Oberflächenwassers in Richtung Dornbirnerache zu gewährleisten und einen Einstau der Vorfluter zu verhindern. Andererseits wird es dadurch möglich, bei geöffnetem Stemmtor zwischen Fischteich und Binnenbecken mittels der Pumpen den Einstrom von �Seewasser‛ über die direkte Verbindung zwischen Bodensee und Binnenbecken zu erhöhen und dadurch dessen natürliche Wassererneuerung zu unterstützen. Das Pumpwerk befindet sich schon in Bau (siehe Abb. 30) und soll bis zum Sommer 2002 betriebsbereit sein.

Abb. 30: Pumpwerk im Verbindungskanal zwischen Fischteich und Dornbirnerache

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Um den zwei verschiedenen Aufgaben � Hochwasserschutz und Ableitung der durch Mischwasserentlastung verunreinigten Wässer in die Dornbirnerache � bei möglichst geringen Betriebskosten gerecht zu werden, werden die Pumpen sowohl horizontal als auch vertikal (siehe Tab. 25) eingebaut. Anzahl der

Pumpen Leistung ges.

[m³/s] Betriebsweise

Axial-Propellerpumpen Horizontal mit Rückstauklappe

2 1,2 bei Mischwasserentlastung und geschlossenem Stemmtor

Axial-Propellerpumpen Vertikal 6 14 bei Hochwasser � ab 397,0 m.ü.A.

Tab 25: Pumpwerk Fischteich � Dornbirnerache Hochwasserfall: Bei gesetztem Dammbalkenverschluss in der Verbindung Fischteich/Binnenbecken (hoher Seewasserstand) muss das aus dem Harder Graben und der Lauterach zufließende Wasser in den Verbindungskanal zur Dornbirnerache gepumpt werden. Dieser Fall tritt bei Seewasserständen ab 397,0 m.ü.A. (etwa HQ5) ein. Nach dem Schließen des Stemmtores bzw. Dammbalkens kann durch Pumpen der Spiegel im Fischteich etwas abgesenkt werden, sodass die Entwässerung der Bäche, und somit auch im Regenwassersystem, einwandfrei funktioniert. In diesem Fall wird das Wasser mittels vertikal angebrachter Axial-Propellerpumpen über die Oberkante des Hochwasserschutzsystems (398,5 m.ü.A.) gefördert. Die horizontal liegenden Pumpen sind bei dieser Betriebsweise durch Rückstauklappen verschlossen. Entlastungsfall RÜB Lerchenau: Für das Ableiten des Schmutzwassers aus der Lauterach werden zwei Pumpen mit horizontaler Welle von je 0,6 m³/s, also zusammen 1,2 m³/s, vorgesehen. Mit dieser Förderleistung können innerhalb von 24 Stunden 100.000 m³ abgepumpt werden. Dies entspricht etwa der Menge des jährlich auftretenden größten Schmutzwasserzuflusses in 24 Stunden. Diese Pumpen sind für den Einsatz bei Bodenseewasserspiegeln unter 397,0 m.ü.A. vorgesehen. In diesem Fall besteht keine bzw. nur eine sehr geringe (einige �cm�) Wasserspiegeldifferenz beim Pumpwerk. Das häufig (etwa 40 mal im Jahr) durch die Regenentlastungen am RÜB Lerchenau anfallende Schmutzwasser kann somit mit geringem Energieaufwand aus dem Fischteich abgepumpt werden. Zusätzlich zu den Pumpen ist im Pumpwerk noch ein 1,5 mal 2,0 m großer Verschluss/Schieber mit Elektroantrieb projektiert. Mit diesem Verschluss kann bei geschlossenem Stemmtor und leicht angestautem Wasserspiegel im Fischteich verschmutztes Wasser in den Verbindungskanal abgeleitet werden. Das Problem des Einströmens von keimbelastetem Wasser aus der Dornbirnerache in den Fischteich bei dies begünstigenden

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Wasserständen ist mit dem Bau des Pumpwerkes im Durchstich (bei geschlossenem Schieber) auch gelöst. In jedem Fall ist aber der Spiegel des Fischteiches zwischen 395,5 und 396,7 m.ü.A. zu halten, damit einerseits durch zu starkes Absenken die Uferböschung im Bereich des Pumpwerkes nicht instabil wird und zum anderen ein ausreichendes Gefälle für die zufließenden Bäche besteht. Somit bleibt ein Retentionsvolumen von 68.500 m³ im Fischteich übrig. Unter Berücksichtigung aller Zuläufe (auch Regenentlastung) wurde eine Pumpenleistung von 9 m³/s als ausreichend erhoben. Das Pumpwerk Fischteich verfügt also mit einer Pumpenleistung von 14 m³/s noch über Reserven.

5.2.3 Adaption Stemmtor Das Stemmtor bleibt in seiner ursprünglichen Bauweise und Funktion bestehen. Da es aber aufgrund seines maximal zulässigen Wasserspiegels von 397,0 m.ü.A. einen Schwachpunkt in der auf 398,5 m.ü.A. fixierten Oberkante des Hochwasserschutzes darstellt, ist auch hier eine Adaptierung notwendig. Dafür wird binnenbeckenseitig eine Sohlplatte mit Seitenführungen zum Einschieben einer sogenannten Dammtafel errichtet. Dieser Dammtafelverschluss wird dann ebenfalls der Anforderung des Hochwasserschutzes bis auf eine Höhe von 398,5 m.ü.A. gerecht und nur bei Bedarf eingeschoben. Um Infiltrationen durch die Dämme links und rechts zu vermeiden, werden beidseitig Dichtwände angebracht; so auch unterhalb der Sohlplatte. Durch die Seitenführungen der Dammtafel wird die lichte Durchfahrtsweite auf 8,10 m eingeengt. Wenn während eines Hochwassers über 397,0 m.ü.A. die Dammtafel eingeschoben ist, ist keine Durchfahrt mehr möglich und auch die oberhalb liegende Bootswerft muss ihre Schiffe auf dem Landweg transportieren. Ist jedoch nur das Stemmtor geschlossen, kann der Werftbesitzer mittels Schlüssel das Tor öffnen und von seinem Fahrrecht Gebrauch machen. Das Problem des Hafens Fischteich � Lauterach wurde durch dauerhafte Auslagerung der Boote in den Auhafen gelöst. Die bestehende Klappbrücke wird durch die Dammtafel geschützt und kann auch im Hochwasserfall benützt werden. Lediglich die zwei zuführenden Wege müssen noch auf 398,5 m.ü.A. erhöht werden. Die Arbeiten für den Dammtafelverschluss werden derzeit durchgeführt.

5.2.4 Begleitmaßnahmen Im Zuge des Hochwasserschutzes wurde auch eine Revitalisierung des Harder Grabens als Begleitmaßnahme vorgeschlagen. Dies soll zu einer Verbesserung der Wasserqualität, die durch die landwirtschaftliche Nutzung im Ried beeinträchtigt ist, führen. Diese Arbeiten werden im Zuge der Erweiterung des

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5 Bauliche Maßnahmen zur Erhaltung der Badewasserqualität im Binnenbecken

Industriegebietes und der damit verbundenen Verlängerung der Industriestraße durchgeführt. In den Rückbau soll auch der Gerbegraben miteinbezogen werden. Dabei soll auf einen pendelnden Flusslauf und die naturnahe Ufergestaltung gegenüber der bestehenden kanalartigen Gestaltung Wert gelegt werden, um die Diversität des Lebensraumes wieder zu erhöhen. Eine Sanierung der Lauterach wurde im Hochwasserschutzkonzept zwar angedacht, jedoch wurden keine konkreten Vorschläge oder Pläne erstellt. Aus gewässerökologischer Sicht wird das Ziel der Erhaltung der Wasserqualität im Binnenbecken zwar erreicht, aber die angestrebt Sanierung des Fischteiches und der Lauterach nicht.

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6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Die Beurteilung der Auswirkungen von Mischwasserentlastungen im Allgemeinen, wie auch beim RÜB Lerchenau ist schwierig, da das einzelne Entlastungsereignis von vielen Faktoren, wie

Spülstoß im Kanalnetz, Reinigungsgrad des Beckens, falls vorhanden, Größe und Wasserführung des Vorfluters, Trocken- oder Regenperiode,

abhängt.

Die Beprobung und Beurteilung einzelner Ereignisse lässt somit keine Rückschlüsse auf eine Dauerbelastung zu, sondern kann lediglich der Erfassung von punktuellen Spitzenwerten dienen. Die in der Literatur gefundenen Studien an Mischwasserentlastungsanlagen wurden alle über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren mittels Online-Messungen betrieben. Dies wäre auch zu einer Überwachung der Belastung am RÜB Lerchenau notwendig, wenn die Kenntnis der detaillierten Situation gewünscht ist. Bei den Maßnahmen zur Reinhaltung des Binnenbeckens stand nicht der Gedanke der Gewässersanierung im Vordergrund. Lediglich der Umstand, dass die Lauterach letztlich in das Binnenbecken und somit in den Strandbadbereich fließt, hat dazu geführt, dass die Gemeinde Hard und der Wasserverband Hofsteig einen Handlungsbedarf sahen, obwohl die Problematik der Regenentlastung in der Lerchenau schon 1992 erkannt wurde. Die Ableitung der entlasteten Mischwässer über den Verbindungskanal ist eine reine Problemverlagerung, die lediglich in Bezug auf die Erhaltung der Wasserqualität im Binnenbecken positiv zu bewerten ist. Die gesetzten Maßnahmen sind nicht nachhaltig und nur am Wirtschaftsfaktor Strandbad orientiert. Eine Sanierung der Lauterach wird nicht erreicht; sie wird auch im Hochwasserschutzkonzept Hard nur als Begleitmaßnahme vorgeschlagen. Das Gleiche gilt für den Harder Graben, dessen Wässer durch den Verbindungskanal ebenfalls am Binnenbecken vorbei geführt werden. Die Stoffeinträge bei Regenwetter aus diesem Gebiet sind nicht zu vernachlässigen und die schlechte Wasserqualität im Binnenbecken darf nicht allein auf die Regenentlastungen zurückgeführt werden. Bei Lösungsansätzen, die auf so starken Vereinfachungen, wie sie beim Projekt �Abfuhr der Mischwässer vom Fischteich über einen Verbindungskanal in die Dornbirnerache‛ gemacht

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6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

wurden, basieren, kann es bei einem so komplexen Thema wie Regen-entlastungen aus Mischkanalisationen bei vertretbarem Aufwand nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen. Der im Kapitel 4.4.3. hergestellte Zusammenhang zwischen Keimbelastung und Entlastungsereignissen lässt den Schluss zu, dass im Falle einer Entlastung am RÜB Lerchenau auf jeden Fall mit einer erhöhten Keimbelastung in der Lauterach und im Fischteich zu rechnen ist. Jedoch hat sich auch gezeigt, dass das Ausmaß der Belastung nicht allein von der Regenentlastung abhängt, sondern auch große Regenereignisse alleine zu einem Anstieg der Keimbelastung in den Harder Bächen führen können.

6.1 Weitergehende Maßnahmen Auch ohne detaillierte Kenntnisse über die tatsächlichen Belastungen können anhand der in Kapitel 3.4. aufgelisteten Sanierungsmöglichkeiten Vorschläge für das RÜB Lerchenau gemacht werden. Maßnahmen im Einzugsgebiet (Lauterach, Wolfurt, Bildstein)

Reduzierung der Abwassermengen und der –belastung Fremdwasserverminderung: Der Wasserverband Hofsteig hat im vergangenen Jahr die Fremdwassereinbrüche in die Verbandsammler untersucht und gleichzeitig eine Sanierung vorgenommen. Dadurch konnte die der ARA Hofsteig zufließende Wassermenge reduziert werden. Schmutzwasserverminderung: Die Gemeinde Bildstein entwässert im Trennsystem. Hier bietet sich die Überlegung an, ein Becken zum kurzzeitigen Rückhalt des Schmutzwassers von Bildstein zu schaffen, um im Entlastungsfall nicht durch Konzentrationserhöhung die Gesamtfrachten noch zu erhöhen.

Reduzierung des Oberflächenabflusses Entsiegelung von schwach belasteten Bereichen durch Einsatz poröser oder offener Beläge und damit direkte Versickerung oder Ableitung in Versickerungsbecken. Hier müsste eine umfassende Information der Bürger durch die Gemeinden erfolgen. Diese sollten auch mit gutem Beispiel vorangehen und für alle öffentlichen Flächen die jeweiligen Möglichkeiten überprüfen und umsetzen. Die einzelnen Möglichkeiten zur Entsiegelung, deren Anwendungsbereiche und auch ungefähre Kosten sind in einer Broschüre des Landes Vorarlberg � �Wasser in Vorarlberg � Entsiegeln

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6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

und Versickern� zusammengefasst und mit praktischen Tipps für die Ausführung ergänzt. Ein zusätzlicher Anreiz für die Durchführung solcher Entsiegelungsmaßnahmen wird vom Land durch eine Berücksichtigung bei der Wohnbauförderung geschaffen.

Die Versickerung ist im Gemeindegebiet von Lauterach und Wolfurt grundsätzlich kein Problem, da die Gemeinden auf den Schotterbänken des früheren Mündungsgebietes der Bregenzerache liegen.

Bei neu zu errichtenden oder zu sanierenden Kanalabschnitten sollten qualifizierte Trennsysteme angestrebt werden. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die anfallenden Regenwässer möglichst nicht zu großen Strömen zusammengefasst werden, da auch diese Einleitung in die örtlichen, eher kleinen Gewässer negative hydraulische Auswirkungen auf die Biozönose haben können.

Bei der Regenwassernutzung zur Abflussreduktion kann auch wieder durch eine vermehrte Bewusstseinsbildung seitens der Gemeinden eine positive Veränderung bewirkt werden.

Maßnahmen in Kanal und Kläranlage

Um den Zusammenhang zwischen Regenereignissen und den daraus resultierenden Entlastungen herzustellen, ist zusätzlich zur Aufzeichnung der Entlastungen eine Installation von zwei Ombrographen � einer in Wolfurt und einer an der Entlastungsstelle � notwendig. Nur dann kann der zeitliche Verlauf der Entlastungen mit den Niederschlagskurven verglichen werden und als Grundlage für ein Schmutzwassersimulationsprogramm zur Ermittlung der Entlastungsgrenzlinie dienen.

Die Nutzung von möglichen Speicherkapazitäten im Kanalnetz ist grundsätzlich möglich, da es sich um ein flaches Kanalnetz handelt. Dabei müssen jedoch die verschiedenen Höhenlagen der einzelnen Netzteile berücksichtigt werden und evt. durch den Einbau von Rückschlagventilen der Rückstau von Schmutzwasser in Hausanschlüsse verhindert werden. Durch die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinden und dem Wasserverband Hofsteig ist es schwierig, das gesamte Kanalnetz zu beurteilen und zu bewirtschaften. Hier sollte von den Gemeinden gemeinsam mit dem Wasserverband eine Bestandsaufnahme mit einheitlichem Beurteilungsschema (Fremdwassereintritt, Ablagerungen, Sielhautbildung, Misch-/Trennsystem) vorgenommen werden. Denn nur bei genauer Kenntnis des gesamten Kanalnetzes ist eine sinnvolle Kanalnetzbewirtschaftung durchführbar.

Eine Erhöhung des Zuflusses zur Kläranlage hätte zur Folge, dass mehr Mischwasser über die anlageneigene Entlastung in die Dornbirnerache abgeführt würde. Dies macht jedoch nur Sinn, wenn die über den

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6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

Verbandsammler I zugeführten Wässer separat über ein Hebewerk in die Kläranlage gefördert und anschließend einer Entlastung zugeführt werden. Dies ist notwendig, da sonst das Mischwasser mit den Abwässern der im Trennsystem entwässerten Gebiete vermischt würde, was eine Entlastung derselben Menge von Abwasser, jedoch mit höheren Konzentrationen, zur Folge hätte. Diese Maßnahme stellt zwar auch nur eine Problemverlagerung dar, jedoch hätte sie zumindest eine Sanierung der Lauterach zur Folge und somit auch für den Fischteich und das Binnenbecken positive Auswirkungen.

Maßnahmen zur Behandlung des Entlastungsabflusses

Der nachträgliche Einbau eines Rechens am Beckenüberlauf zur Rückhaltung von Feststoffen ist bereits geplant. Das Becken selbst wird in regelmäßigen Abständen von Mitarbeitern der ARA Hofsteig kontrolliert. Hier schlage ich eine Protokollierung der Begehungen im Sinne einer Qualitätssicherung vor. Flankierende Maßnahmen im Gewässer

Von einer für andere Gewässer geltende Maßnahme der Aufweitung des Querprofils ist bei einem Bach mit der Charakteristik des Lauterach eher abzuraten. Es würde so zwar der hydraulische Stress vermindert, aber eine Abnahme der Fließgeschwindigkeit würde einer erhöhte Ablagerung von Sediment begünstigen und so die organische Belastung erhöhen und den Sauerstoffhaushalt stärker belasten. Es wäre in diesem Fall sogar mit einer weiteren Verschlechterung der Güteklasse an dieser Stelle zu rechnen. Eine Renaturierung der Gewässersohle wäre allerdings sehr zu begrüßen.

Durch Aus- und Aufbau einer natürlichen Uferbestockung an der gesamten Lauterach kann der Einfluss der angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen verringert, der Sauerstoffhaushalt stabilisiert und das Selbstreinigungspotential erhöht werden.

Das Absturzbauwerk direkt oberhalb des RÜB stellt ein Migrationshindernis für benthische Organismen dar und sollte daher entfernt werden, wie auch der bis ins Wasser reichende Komposthaufen an dieser Stelle.

Auch beim Harder Graben sind Restrukturierungsmaßnahmen unbedingt notwendig, um die Selbstreinigung des Gewässers zu unterstützen. Hier sind ebenfalls die Schaffung von Totholzzonen und eine Korrektur des begradigten Flusslaufes vorzunehmen � entsprechende Vorschläge wurden am Rande des Hochwasserschutzkonzeptes schon gemacht und gelangen im Zuge der Verlängerung der Industriestraße zumindest bis auf Höhe der Einmündung des Birkengrabens zur Umsetzung.

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6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

Bei den Riedgräben ist die Schaffung von Pufferzonen zu den landwirtschaftlichen Flächen schwierig, denn diese Gräben wurden zur �Trockenlegung‛ des Riedes künstlich geschaffen und müssen von Zeit zu Zeit wieder ausgebaggert werden, damit sie das aus zahlreichen Drainagen zufließende Wasser abführen können. Wenn überhaupt, ist also nur eine einseitige Uferbestockung möglich.

Eine Umsetzung einiger dieser Maßnahmen würde sicher eine Verbesserung der Gesamtsituation bringen und wäre mit vertretbarem Aufwand möglich.

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7 Zusammenfassung

7 Zusammenfassung Da in Kläranlagen mit dem heutigen Stand der Technik eine gute Reinigungsleistung erreicht wird und die meisten Gebiete über einen sehr hohen Anschlussgrad verfügen, stellen Regenentlastungen sehr bedeutende punktuelle Emissionsquellen dar. Um die Größe, Häufigkeit und Dauer solcher Entlastungsereignisse zu minimieren � gänzlich zu verhindern sind sie nicht - muss der Abfluss von Niederschlagswasser ins Kanalnetz, wenn möglich und sinnvoll, vermieden werden. Im Kapitel drei dieser Diplomarbeit werden die allgemeinen Auswirkungen von Mischwasserentlastungen beschrieben und Sanierungsvorschläge gemacht: Eine immissionsseitige Betrachtungsweise ist für eine optimale Behandlung (Ausmaß und Art) von Misch- und auch Regenwasserabfluss entscheidend. Hierzu muss die Grundbelastung des Gewässers sowie Anzahl, Dauer und Größe von einzelnen Entlastungsereignissen bekannt sein. Daraus kann geschlossen werden, ob Probleme wie Sauerstoffmangel, Ammoniaktoxizität, hydraulischer Stress oder auch Langzeitwirkungen, wie Eutrophierung zu erwarten sind. Es ist wichtig sowohl einzelne Extremereignisse, als auch die Summe aller Ereignisse zu betrachten und eventuelle synergistische Effekte bei den einzelnen Schadwirkungen in die Beurteilung mit einzubeziehen. Ebenso ganzheitlich sollten die Sanierungsmaßnahmen gesehen werden. Hier muss gleichermaßen im Einzugsgebiet, bei Kanal und Kläranlage, bei der Belastung des Entlastungsabflusses und im Gewässer selbst angesetzt werden. In den Kapiteln vier und fünf wurde ein konkreter Fall einer Regenentlastungsanlage in Vorarlberg beschrieben und die zur Sanierung bereits gesetzten Maßnahmen beurteilt und weitere vorgeschlagen. Durch die Entlastungsereignisse (bis zu 40 im Jahr) am Regenüberlaufbecken Lerchenau (seit 1992) in Lauterach kommt es zu einer Belastung der Lauterach und in weiterer Folge zu einer unzulässigen Erhöhung der Keimbelastung im Binnenbecken, welches einen Teil des Bodensees darstellt. Um diese Verkeimung zu verhindern und so eine Schließung des Strandbades in Hard abzuwenden, wurde das Projekt �Abfuhr der Mischwässer über den Fischteich in die Dornbirnerache� 1998 realisiert. Hierzu wurde ein Verbindungskanal zwischen Fischteich und Dornbirnerache geschaffen und zwischen Binnenbecken und Fischteich ein Stemmtor angebracht. Da es aber zu einem Rückfluss von belastetem Wasser aus der Dornbirnerache in den Fischteich

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7 Zusammenfassung

und somit in das Binnenbecken kam, wurde eine dauerhafte Schließung des Stemmtores notwendig, um die Badewasserqualität im Binnenbecken zu erhalten. Ein zu Pfingsten 1999 aufgetretenes Bodenseehochwasser machte zusätzlich eine Adaptierung von Stemmtor und Verbindungskanal notwendig. Das Stemmtor wurde durch eine Dammtafel ergänzt und im Verbindungskanal wurde ein Pumpwerk installiert, das einerseits einen Rückfluss aus der Dornbirnerache in den Fischteich verhindert und andererseits das im Entlastungsfall am RÜB anfallende Mischwasser rasch aus dem Fischteich in die Dornbirnerache abführen kann. Das Pumpwerk wird auch den Anforderungen des Hochwasserschutzes gerecht und stellt einen konstanten Spiegel im Fischteich sicher, was einen Einstau der ihm zufließenden Gewässer, wie Lauterach und Harder Graben verhindert. Die im Zuge der Problematik RÜB Lerchenau bisher gesetzten Maßnahmen folgen keinem ganzheitlichen Denkansatz und sind daher nicht positiv zu beurteilen. Sie stellen eine reine Problemverlagerung dar, sind also nicht nachhaltig und tragen rein wirtschaftlichen Überlegungen (Strandbad) Rechnung. Die weiterführenden Maßnahmen an den Gewässern � Restrukturierung von Harder Graben und Lauterach - sollten unbedingt zur Durchführung gelangen, zumal sie nur einen Bruchteil der bisher aufgewandten Mittel kosten würden. Nach Beendigung der letzten Ausbaustufe der ARA Hofsteig in Hard kann eventuell, je nach Auslastung und Wirkungsgrad, der Zufluss zur Kläranlage erhöht und daher die Entlastungshäufigkeit am RÜB Lerchenau gesenkt werden und so zu einer Verbesserung für die Lauterach beitragen. Letztlich ist es aber unumgänglich, dass die einzelnen Fachgruppen und Entscheidungsträger, wie Gemeinden, der Wasserverband Hofsteig und das Landeswasserbauamt gemeinsam eine Problemlösung für Regenentlastungs-anlagen und die daraus resultierenden Probleme erarbeiten. Nur dann können die verschiedenen Einflussfaktoren richtig beurteilt und ausreichend berücksichtigt werden.

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8 Literaturverzeichnis

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